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Bundesregierung: BPK-Folge vom 17. Juni 2015

Bundesregierung für Desinteressierte ▼ BPK-Folge vom 17. Juni 2015

Naive Fragenübersicht:
Ägyptisches Todesurteil für Mursi (0:11 – 4:01 min)
– Herr Seibert, welche diplomatischen Folgen hat dieses Todesurteil? (1:05 min)
– Herr Schäfer, hat das Auswärtige Amt irgendwelche diplomatischen Möglichkeiten, zu vermitteln oder das Todesurteil abzuwenden? (1:36 min)
– Herr Dr. Schäfer, ist ein Abbruch diplomatischer Beziehungen, wenn der einzige demokratisch gewählte Präsident Ägyptens getötet werden soll, keine Option? (3:38 min)

Griechenland-„Rettung“ (4:02 – 7:33 min)
– Warum ist die Kanzlerin bisher noch nicht auf die Idee gekommen, das einmal bilateral in Athen zu klären, Herr Seibert? (4:45 min)
– in Athen vor Ort zu sein, ist keine Option?
– Herr Jäger, um einmal mehr auf den Wald und weniger auf die Bäume zu schauen, habe ich eine politische Lernfrage. In letzter Zeit verhindert ja anscheinend der IWF immer wieder eine Einigung mit Griechenland. Was halten Sie denn von Gesine Schwans Vorschlag, die griechischen Schulden in den ESM umzustrukturieren, um den Griechen mehr Raum für Investitionen zu lassen und das Wachstum anzukurbeln? (5:32 min)
– Man könnte das oder als Alternative auch den Altschuldentilgungsfonds ja zum Gegenstand der Gespräche machen, um einmal ein bisschen größer zu denken. (6:41 min)

Modernisierung der Atombomben der Russen & Amerikaner (7:33 – 22:39 min)
– Herr Seibert, Herr Dr. Schäfer, wie bewertet in dem Zusammenhang die Bundesregierung die Modernisierung von amerikanischen Atomwaffen in Deutschland durch die Amerikaner? Finden Sie diese Modernisierung genauso schlimm? (12:05 min)
– Das heißt, die amerikanische Modernisierung der Atombomben hat technische Gründe und bei den Russen sind es politische Gründe. Habe ich das richtig verstanden? (13:03 min)
– Herr Dr. Schäfer, wie ist denn die grundsätzliche Haltung der deutschen Regierung in Sachen amerikanische Waffensystem in Osteuropa? (19:21 min)
– Entschuldigung, könnten Sie bitte die Frage beantworten! Sie haben jetzt überhaupt nicht die Frage beantwortet, wie die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung zu amerikanischen Waffensystemen ist. (21:06 min)
– Wann verlassen diese US-Atomwaffen Deutschland? (22:33 min)

BND-Skandal (22:40 – 28:28 min)
– Wenn sie diese Entscheidung verantworten kann: Hat Frau Merkel die Selektoren-Liste denn schon einmal eingesehen? (25:00 min)
– Die Frage war, ob Frau Merkel die Selektoren-Liste kennt. (25:15 min)
– Herr Seibert, wie weit sind die Defizite im BND schon abgebaut worden? (27:50 min)

Vorratsmassenüberwachung (28:30 – 32:25 min)
– Eine Lernfrage an das Justizministerium: Warum ist es technisch möglich, Seelsorger und Notrufe von der Vorratsdatenspeicherung auszunehmen, aber nicht möglich, Telefon- und Internetverbindungen bzw. anschlüsse von anderen schutzbedürftigen Menschen zum Beispiel Kindern oder bestimmten Berufsgruppen zum Beispiel Journalisten auszunehmen? (28:35 min)
– Wenn es nicht möglich ist, das auszusondern, warum lässt man die ganze Sache dann nicht? (30:15 min)
– Ich habe an das Familienministerium noch eine Frage: Könnten Sie einmal die Haltung der Familienministerin in Sachen Vorratsdatenspeicherung erläutern, gerade im Hinblick auf die Überwachung von Kindern? (30:50 min)

Kohleabgabe (32:27 – 34:00 min)
– Ich habe eine Frage an das Umweltministerium zur Kohleabgabe: Welche Rolle spielt die Umweltministerin bei der Frage der Kohleabgabe? Sie ist ja schließlich führendes Mitglied in der Industriegewerkschaft BCE, die diese Kohleabgabe ja entschieden ablehnt.
– Kommt denn von der Seite ihrer Gewerkschaft Druck?

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Vollständiges BPK-Transkript vom 17. Juni 2015:

STS SEIBERT: Guten Tag! Es gab heute (in der Kabinettssitzung) einen wesentlichen Tagesordnungspunkt, und der betrifft die Arbeitnehmerfreizügigkeit für kroatische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Sie wissen, dass Kroatien seit dem 1. Juli 2013 Mitglied der EU ist. Seitdem gilt eine Übergangsregelung, nach der Kroaten eine Arbeitsgenehmigung brauchen, um in Deutschland zu arbeiten. Ab dem 1. Juli 2015, und das ist der Kern des heutigen Beschlusses, gilt also in Deutschland für kroatische Bürgerinnen und Bürger die volle und uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Die Bundesregierung wird der Europäischen Kommission mitteilen, dass sie diese Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht weiter einschränken wird. Es wäre nach EU-Recht eine weitere Übergangszeit nach dem 30. Juni möglich. Deutschland wird das nicht in Anspruch nehmen. Unsere Wirtschaft und unser Arbeitsmarkt sind in guter Verfassung. Die Bundesregierung möchte mit dieser vollen Öffnung ein Signal für mehr Mobilität von Arbeitnehmern innerhalb der Europäischen Union aussenden. Wir sind überzeugt: Offene Arbeitsmärkte in der EU kommen Arbeitgebern und Arbeitssuchenden gleichermaßen zugute.

Ebenfalls ab dem 1. Juli wird die volle Dienstleistungsfreiheit für kroatische Unternehmen gelten. Das heißt, sie können dann ihre Arbeitnehmer uneingeschränkt nach Deutschland entsenden. Es kann kein Lohndumping geben, denn auch für diese Arbeitnehmer gilt dann natürlich der gesetzliche Mindestlohn. – So viel zum kurzen Bericht aus dem Kabinett.

Ich wollte Ihnen noch eine Mitteilung zum Thema Ägypten machen. Die Bundesregierung hat mit Bestürzung die Bestätigung des Todesurteils gegen den ehemaligen Staatspräsidenten Mursi zur Kenntnis genommen. Sie wissen: Die Bundesregierung lehnt die Todesstrafe ab, und zwar, wie wir es hier schon in vielen Fällen dargelegt haben, ausnahmslos, unter allen Umständen und prinzipiell. Wir sehen diese Strafe als nicht menschenwürdig an und setzen uns für ihre weltweite Abschaffung ein.

Unabhängig davon ist die Bundesregierung der Auffassung, dass jedes Strafverfahren rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen muss und dass es durchaus Zweifel daran gibt, dass das hier der Fall war. Die Bundesregierung hofft, dass die gegen den Ex-Präsidenten Mursi verhängte Strafe im Rahmen der Berufung noch aufgehoben werden wird.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, welche diplomatischen Folgen hat dieses Todesurteil?

STS SEIBERT: Von diplomatischen Folgen kann ich Ihnen hier nicht berichten. Das war auch beim Besuch von Herrn Mursi in Deutschland ein Thema, wie Sie ja auch der Pressekonferenz entnehmen konnten, und dies ist

ZURUF JUNG: Mursi?

STS SEIBERT: Entschuldigung, ich meinte den Besuch von Präsident Al-Sisi in Deutschland. Die Pressekonferenz hat das ja auch deutlich gemacht. Das ist das, was wir heute zu dieser bedauerlichen Bestätigung des Todesurteils zu sagen haben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer, hat das Auswärtige Amt irgendwelche diplomatischen Möglichkeiten, zu vermitteln oder das Todesurteil abzuwenden?

DR. SCHÄFER: Die Diplomatie ist die Kunst und das Handwerk des Dialogs. Dass Herr Seibert jetzt hier für die Bundesregierung etwas zu einer Entscheidung der ägyptischen Justiz sagt und dass wir öffentlich sagen, was wir davon halten, ist auch Teil der Diplomatie. Darüber hinaus gibt es natürlich die Verbindungen, den Dialog und das Gespräch mit der ägyptischen Regierung, das nun vor zwei Wochen von Angesicht zu Angesicht auf höchster Ebene zwischen dem Staatspräsidenten und der Bundeskanzlerin geführt worden ist. Der deutsche Außenminister hat gestern noch mit dem ägyptischen Außenminister telefoniert, und auch auf der Ebene der Diplomaten gibt es einen ständigen Austausch.

Es bleibt bei dem, was wir hier an dieser Stelle und anderswo schon häufiger gesagt haben, nämlich dass kein Weg daran vorbei führt, dass das große, wichtige, einflussreiche und bevölkerungsreiche Land Ägypten ein ganz wichtiger außenpolitischer Spieler in der Region und in der arabischen Welt ist und wir jedes Interesse daran haben, den Kontakt und den Austausch mit Ägypten zu pflegen, weil es ohne Ägypten sicherlich sehr schwer sein wird, all die großen Konfliktherde im Nahen und Mittleren Osten irgendwie einer Lösung zuzuführen. Das schließt aber nicht aus, dass wir uns dort, wo wir es für geboten halten, auch kritisch an die Adresse Kairos wenden, etwa bei den von Herrn Seibert eben für die Bundesregierung kritisierten Urteilen gegen den ehemaligen Staatspräsidenten Mursi und zahlreiche andere Muslimbrüder.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Dr. Schäfer, ist ein Abbruch diplomatischer Beziehungen, wenn der einzige demokratisch gewählte Präsident Ägyptens getötet werden soll, keine Option?

DR. SCHÄFER: Jedenfalls nicht für die Bundesregierung, nein. Der Abbruch des Dialogs ist ganz sicher, so glauben wir, nicht die richtige Antwort.

FRAGE: Herr Seibert, Sie hatten ja am Freitag angekündigt, dass morgen beim Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten auch Beschlüsse zur Flüchtlingspolitik gefasst oder vorbereitet werden würden. Können Sie dazu schon ein bisschen etwas Genaueres sagen? Gibt es dazu schon Details? Einiges war ja auch schon in der Presse zu lesen.

STS SEIBERT: Über das hinaus, was nach dem vorbereitenden Treffen der Kanzlerin mit den Regierungschefs und Regierungschefinnen veröffentlicht wurde, kann ich Ihnen nichts sagen. Es stimmt: Morgen wird es das regelmäßige halbjährliche Gespräch der Bundeskanzlerin und im Übrigen vieler Minister mit den Ministerpräsidenten geben. Dabei wird eine Reihe von aktuellen Themen angesprochen, die Bund und Länder betreffen. Dazu gehört tatsächlich auch das Thema der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Es wird insbesondere um Maßnahmenvorschläge gehen. Es wurde bei dieser sehr konstruktiven und nützlichen Vorbereitungssitzung am 11. dieses Monats schon Einigkeit hinsichtlich einiger Gebiete hergestellt; darüber haben wir ja auch informiert. Darüber hinaus kann ich hier noch nicht sagen, was der Beschlussvorschlag alles enthalten wird, der dann morgen beraten werden wird.

FRAGE DR. PAUL: Herr Seibert, mit welchen Erwartungen verfolgt die Bundesregierung denn den aktuellen Vermittlungsversuch von Bundeskanzler Faymann in Athen? Kann er etwas, was alle anderen vielleicht nicht können? Bekommen wir da jetzt eine neue Entwicklung?

STS SEIBERT: Jeder bilaterale Beitrag, der dabei hilft, dass sich Griechenland mit den drei Institutionen auf ein Reform- und Maßnahmenpaket einigt, ist natürlich willkommen. Ich glaube, morgen wird mit dem Treffen der Finanzminister noch einmal ein wichtiger Tag sein. Ansonsten habe ich Ihnen man kann sagen: bedauerlicherweise keinen neuen Stand zu verkünden.

ZUSATZFRAGE DR. PAUL: Wenn ein EU-Sondergipfel stattfinden wird, wann wird er denn stattfinden, am Sonntag?

STS SEIBERT: Nein, das ist ja einmal eine Frage, die Sie grundsätzlich immer an den Europäischen Rat richten müssen. Ich kann jetzt nur sagen: Wir sind darauf fokussiert, was morgen beim Euro-Finanzministertreffen geschehen wird. Ich glaube, über die nächsten Schritte wird man dann erst im Lichte des Ausgangs dieses Euro-Finanzministertreffens beraten können.

FRAGE PAPPAS: Herr Seibert, der österreichische Kanzler hat vor Kurzem in Athen gesagt, dass es zuerst um eine Verlängerung des laufenden Programms und anschließend um ein neues Programm gehen solle. Haben Sie solche Informationen?

Zweitens: Hat der österreichische Bundeskanzler die Bundeskanzlerin konsultiert, bevor er nach Athen gereist ist?

STS SEIBERT: Es gibt immer gute und enge Kontakte der Bundeskanzlerin zu den anderen europäischen Staats- und Regierungschefs. Sie hat natürlich in der Vergangenheit auch mit dem österreichischen Bundeskanzler über die Situation in Griechenland gesprochen. Ich habe hier für uns keinen neuen Stand zu verkünden und möchte auch keine Details diskutieren.

Die Bundeskanzlerin hat ja bei der gestrigen Pressekonferenz mit Ministerpräsident Bettel aus Luxemburg noch einmal klargemacht: Wir möchten alles, was möglich ist, dafür tun, dass Griechenland Teil der Eurozone bleibt. Solidarität vonseiten der europäischen Länder und auch vonseiten des IWF erfordert allerdings, dass Griechenland geeignete Maßnahmen vorschlägt und umsetzt.

ZUSATZFRAGE PAPPAS: Für wie realistisch hält die Bundeskanzlerin eigentlich die Vorschläge der drei Institutionen?

STS SEIBERT: Es geht hier nicht darum, dass ich Bewertungen vornehme. Die drei Institutionen haben sich auf eine Position geeinigt. Das ist die Basis des Gesprächs mit Griechenland, mit der griechischen Regierung. Wir können nur hoffen, dass eine Einigung möglich sein wird. Es ist klar, dass dieses Paket, das dann beschlossen wird, die nötigen fiskalischen und strukturellen Wirkungen erbringen muss. Darauf ist es auch ausgerichtet.

FRAGE JUNG: Warum ist die Kanzlerin bisher noch nicht auf die Idee gekommen, das einmal bilateral in Athen zu klären, Herr Seibert?

ZURUF DR. PAUL: War schon einmal da!

STS SEIBERT: Ein Teil der Antwort ist gerade gegeben worden. Ansonsten hat die Bundeskanzlerin das haben wir hier ja auch gerne und oft berichtet zahlreiche Gespräche mit dem griechischen Ministerpräsidenten am Telefon wie auch im physischen Miteinander geführt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber in Athen vor Ort zu sein, ist keine Option?

STS SEIBERT: Es hat bereits Reisen der Bundeskanzlerin nach Athen gegeben. Die letzten Treffen der Bundeskanzlerin mit dem griechischen Ministerpräsidenten fanden in Brüssel, in Riga, in Berlin und am Telefon statt. Es hat jedenfalls keinen Mangel an Austausch von Meinungen und Informationen gegeben.

FRAGE DR. PAUL: Herr Seibert, trifft es denn zu, dass sich die Kanzlerin den Zeitraum ab Sonntag ungefähr ab 16 Uhr für einen eventuellen, unter Umständen einzuberufenden EU-Sondergipfel sicherheitshalber freihält?

STS SEIBERT: Ich gebe hier nicht über den Terminkalender der Bundeskanzlerin Auskunft. Bei einem so wichtigen Thema, wie es die Lösung des griechischen Problems natürlich ist, wird sie immer die nötige Zeit haben, wenn das gefragt ist. Aber jetzt geht es darum, dass erst einmal die Beratungen der europäischen Finanzminister bevorstehen und dass man dann im Lichte dessen gemeinsam über weitere Schritte in Europa entscheiden kann.

ZUSATZFRAGE DR. PAUL: Wenn Sie jetzt noch einmal die Rolle der Finanzminister hervorheben: Wie viele Blätter Papier passen denn zwischen die Kanzlerin und den Bundesfinanzminister?

STS SEIBERT: Ich wiederhole sehr gerne noch einmal, dass die Bundeskanzlerin und der Finanzminister in dieser Frage wie auch in allen anderen Fragen prima, sehr vertrauenswürdig, sehr vertrauensvoll und sehr vertraulich miteinander zusammenarbeiten und genau das gleiche Ziel anstreben.

FRAGE PAPPAS: Noch einmal zum österreichischen Kanzler: Der hat in Athen gerade das Datum „25. Juni“, also das Datum des Europäischen Rats, als Deadline genannt. Die Frage ist nun, ob die Zeit danach ausreichen wird, damit der Bundestag dem, was auf der europäischen Ebene beschlossen werden wird, auch zustimmen kann.

STS SEIBERT: Ich möchte ungern Äußerungen des österreichischen Bundeskanzlers, die ich jetzt so bröckchenweise präsentiert bekomme, die ich im Zusammenhang gar nicht kenne und die er möglicherweise innerhalb der letzten zwei Stunden gemacht hat, kommentieren. Ich glaube, wir haben hier oft genug zum Ausdruck gebracht, dass es allen Grund gibt, intensiv und mit Dringlichkeit an einer Einigung zwischen Griechenland und den Institutionen zu arbeiten.

ZUSATZFRAGE PAPPAS: Ich frage nur nach dem Prozedere, also danach, ob die Zeit ausreichen wird, wenn eine Einigung spätestens am 25. zustande kommen wird. Das ist die Frage. Ich will keinen Kommentar zum österreichischen Bundeskanzler.

STS SEIBERT: Ach so, gut. Möchten Sie etwas dazu sagen, Herr Jäger?

JÄGER: Ich kann nur ergänzen, dass wir uns an Spekulationen über angebliche oder kommende Deadlines nicht beteiligen.

FRAGE CHILAS: Wird die Bundeskanzlerin morgen bei ihrer Rede im Parlament zu Griechenland auch die Rede, die die „BILD“-Zeitung für sie verfasst hat, berücksichtigen bzw. sich von ihr inspirieren lassen, oder wird sie sie total außer Acht lassen?

STS SEIBERT: Es bleibt dabei, dass Reden der Bundeskanzlerin im Bundeskanzleramt und im Büro der Bundeskanzlerin entstehen. Ansonsten lassen Sie sich überraschen! Ich möchte aber darauf hinweisen, dass das eine Regierungserklärung zum bevorstehenden Europäischen Rat und seiner ganzen Themenvielfalt sein wird.

ZUSATZFRAGE CHILAS: Wollen Sie nicht sagen, welche Art von Überraschung bevorsteht?

STS SEIBERT: Ganz bestimmt nicht.

FRAGE MADELINE: Herr Seibert, ich habe es nicht verstanden: Gab es in den letzten Stunden ein Gespräch zwischen der Bundeskanzlerin und Kanzler Faymann?

Herr Jäger, was erwarten Sie von der morgigen Sitzung der Eurogruppe?

STS SEIBERT: Wenn ich über Gespräche der Bundeskanzlerin zu berichten habe, dann tue ich das. Wenn ich nicht darüber berichte, dann tue ich das nicht. Dann kann es sein, dass es diese Gespräche nicht gegeben hat; das ist jetzt aber auch nicht wesentlich. Es gibt natürlich einen Meinungsaustausch zwischen der deutschen Bundeskanzlerin und dem österreichischen Bundeskanzler über das Thema Griechenland. Man begegnet sich auch immer wieder bei Europäischen Räten usw. Die Gespräche sind im Übrigen vertraulich

JÄGER: Was das morgige Treffen der Eurogruppe angeht das wird ein Treffen sein, das in Luxemburg stattfinden wird , so ist und bleibt es unser Ziel, dort einen Schritt voranzukommen. Wir brauchen eine Lösung im Rahmen des bestehenden Programms. Die kann nur darin bestehen, dass Griechenland jetzt einen Schritt auf die drei Institutionen zugeht, die ein außergewöhnlich großzügiges Angebot unterbreitet haben. Wir werden sehen, wie die Diskussion in Luxemburg morgen verlaufen wird. Sie sollten aber nicht davon ausgehen, weil es eine solche gemeinsame Absprache zwischen den Institutionen und Griechenland ja offenkundig zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht gibt, dass die Minister morgen schon über Papiere oder Unterlagen entscheiden können. Das mag sich bis dahin noch ändern; das wissen wir nicht. Ich kann nur konstatieren: Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es diese Einigung zwischen Griechenland und den Institutionen nicht. Vor diesem Hintergrund gehen wir mit realistischen Erwartungen in dieses Treffen.

FRAGE DR. DELFS: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und auch an Herrn Jäger zu Griechenland: Haben Sie eigentlich noch das Gefühl, dass die griechische Regierung tatsächlich an einer Einigung interessiert ist? Gerade die Äußerungen der letzten Tage von Herrn Tsipras und auch von Herrn Varoufakis lassen ja eher den Schluss zu, dass sich die Griechen auf jeden Fall nicht mehr bewegen werden. Rechnen Sie also noch damit, dass es trotzdem zu einer Einigung kommen wird?

Die zweite Frage, insbesondere zum Verhältnis von Merkel und Herrn Tsipras: Vertraut die Bundeskanzlerin Herrn Tsipras nach dessen jüngsten Äußerungen zum IWF von gestern eigentlich noch als Gesprächs- und Verhandlungspartner?

STS SEIBERT: Ich möchte die Äußerungen und auch die Interviews jetzt nicht kommentieren. Ich glaube, wir haben in den letzten Monaten alle festgestellt, dass nicht Interviews das Entscheidende sind, sondern die Frage, wie man einander in Gesprächen begegnet. Jetzt ist es entscheidend, dass sich Griechenland möglichst rasch mit den Institutionen auf ein Reform- und Maßnahmenpaket einigt und dass es, wie Herr Jäger gerade gesagt hat, Schritte auf die Institutionen zu macht, damit das möglich ist.

JÄGER: Ich habe dem, was Herr Seibert sagte, nichts hinzuzufügen.

FRAGE JUNG: Herr Jäger, um einmal mehr auf den Wald und weniger auf die Bäume zu schauen, habe ich eine politische Lernfrage. In letzter Zeit verhindert ja anscheinend der IWF immer wieder eine Einigung mit Griechenland. Was halten Sie denn von Gesine Schwans Vorschlag, die griechischen Schulden in den ESM umzustrukturieren, um den Griechen mehr Raum für Investitionen zu lassen und das Wachstum anzukurbeln?

JÄGER: Ich bin hier ja immer gerne pädagogisch-didaktisch unterwegs.

ZURUF: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

JÄGER: Nein, es war eine Lernfrage gestellt worden, und insofern beantworte ich Lernfragen natürlich und selbstverständlich sehr gerne; darauf möchte ich vielleicht zu Beginn hinweisen. Das, was Sie als Vorschlag zitieren, ist ein Vorschlag, den meines Wissens nicht zuerst Gesine Schwan gemacht hat, sondern Herr Varoufakis. Das hat er bei verschiedenen Gelegenheiten getan. Soweit ich das einschätzen kann, ist dieser Vorschlag nicht Gegenstand der laufenden Gespräche. Es geht im Augenblick darum, wie wir das laufende Programm erfolgreich zum Abschluss bringen. Darauf sind all unsere Anstrengungen ausgerichtet, und exakt darum wird es morgen beim Treffen der Finanzminister in Luxemburg gehen.

ZUSATZ JUNG: Man könnte das oder als Alternative auch den Altschuldentilgungsfonds ja zum Gegenstand der Gespräche machen, um einmal ein bisschen größer zu denken.

JÄGER: Man muss immer wieder darauf hinweisen: Wir haben mit Griechenland ein laufendes Programm. Dieses Programm soll jetzt zum Abschluss kommen. Es wird nach zweimaliger Verlängerung am 30. Juni enden. Das ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen. Das ist die Maßnahme, der der Deutsche Bundestag zugestimmt hat. Das heißt, wir können nur über die Dinge reden, die uns gegeben worden sind, und ich glaube, wir haben jede Menge damit zu tun, dieses laufende Programm jetzt erfolgreich abzuschließen. Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Darauf werden wir jetzt unsere Anstrengungen ausrichten.

FRAGE DR. DELFS: Noch einmal zu Herrn Tsipras: Wie bewertet die Bundesregierung eigentlich die Tatsache, dass Herr Tsipras am Freitag nochmals Herrn Putin in Russland treffen wird?

Die zweite Frage ist eher eine Wissensfrage, wahrscheinlich an Herrn Schäfer. Bislang hieß es ja immer, dass Griechenland eine Verlängerung der Russland-Sanktionen nicht mehr aufhalten könne. Jetzt hört man aus der EU, dass das durchaus noch möglich wäre, jedenfalls rein theoretisch. Wie sieht das die Bundesregierung? Gäbe es zumindest theoretisch noch eine Chance für Griechenland, die geplante Verlängerung der Russland-Sanktionen am 25. und 26. Juni zu verhindern?

STS SEIBERT: Wie der griechische Ministerpräsident seinen Terminkalender gestaltet, ist natürlich ausschließlich seine Sache.

Zu Russland-Reisen an und für sich hat die Bundeskanzlerin in der Vergangenheit schon mehrfach gesagt, dass natürlich auch andere europäische Regierungschefs bilaterale Besuche in Moskau machen, dass sie dennoch Europäer und Mitglieder der Europäischen Union sind und dass sich deswegen ein weiterer Kommentar erübrigt.

DR. SCHÄFER: Ihre Wissensfrage beantworte ich zunächst einmal technisch und dann vielleicht auch politisch. Technisch gilt: Ein Sanktionsbeschluss der Europäischen Union ist ein Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, die nach den Gründungsverträgen dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegt. Alle Sanktionsbeschlüsse der Europäischen Union sind befristet. Daraus ergeben sich im Grunde schon der technische und dann auch der politische Mechanismus. In dem Moment, in dem ein solcher Sanktionsbeschluss das Ende seiner Laufzeit erreicht hat, läuft er aus und entfällt ersatzlos, es sei denn, es gibt einen Beschluss, der eine Verlängerung, eine Abmilderung, eine Verschärfung vorsehen sollte.

Daraus ergibt sich dann eigentlich, und damit komme ich jetzt zum politischen Teil meiner Antwort, dass es einen erneuten Konsens, einen einstimmigen Beschluss der Europäischen Union geben muss. Wenn es einen Staat oder mehrere geben sollte, die einen bestimmten Vorschlag nicht mitzutragen bereit sind, dann hat das das Ergebnis, dass man feststellen muss, dass es keinen einstimmigen Beschluss gibt. Allerdings liegen mir jetzt keine Anhaltspunkte vor, die mich annehmen ließen, dass es vonseiten des einen oder anderen Mitgliedstaats Sie haben Griechenland erwähnt Meinungsverschiedenheiten über das geplante weitere Vorgehen gibt.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Bislang hatte ich es so verstanden, dass dieser Beschluss zu den Sanktionen ich glaube, vom März ausreichen würde. Es hieß immer, auf diesem Gipfel am 25. Juni gehe es praktisch nur noch darum, den Beschluss zu implementieren. Ist das nicht richtig? Der Beschluss, der früher gefasst wurde, diese Kopplung an das Minsker Abkommen, reicht also nicht aus?

DR. SCHÄFER: Nein, ich glaube, der reicht in der Tat nicht aus. Aber für den Fall, dass ich jetzt etwas sage, dass ich nachher korrigieren muss, würde ich das nachliefern. Meine Vorstellung ist, dass es eines formalen Beschlusses in der Ratsformation bedürfte, um die Sanktionen tatsächlich zu verlängern, während der Europäische Rat sozusagen bereits die politischen Vorgaben dafür gemacht hätte.

STS SEIBERT: Der Rat im März hat Einigkeit darüber festgestellt, dass die volle Umsetzung der Minsker Vereinbarungen unser aller Ziel bleibt, das Ziel aller Mitgliedstaaten, und dass die Geltungsdauer der Sanktionen an die vollständige Umsetzung dieser Vereinbarungen von Minsk geknüpft ist. Erforderliche rechtliche Beschlüsse sind dazu noch zu treffen.

FRAGE DR. PAUL: Herr Seibert, geht man recht in der Annahme, dass sich der Dank der Kanzlerin, ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür, ungefragt unterstellt, dass es ungefragt war einen solchen Redeentwurf von der „BILD“-Zeitung geliefert zu bekommen, in Grenzen hält?

Falls das der Fall ist, einmal ganz abstrakt und theoretisch aus der Praxis eines viel beschäftigten Regierungssprechers gesprochen: Schränkt das die Möglichkeiten, morgen eine solche Rede zu halten, für die Bundeskanzlerin ein? Kann sie jetzt vielleicht Formulierungen oder sogar ganze Gedankengänge nicht mehr vortragen, die sie ursprünglich hätte vortragen wollen, weil dann bei dem einen oder anderen der Verdacht entstünde, dass sie sich ihre Vorgaben vom Axel-Springer-Verlag machen lässt?

STS SEIBERT: Seien Sie ganz unbesorgt: Die Bundeskanzlerin wird sich morgen in ihrer Regierungserklärung so äußern, wie sie das möchte und wie es ihren Überzeugungen und den Überzeugungen der Bundesregierung entspricht.

FRAGE HELLER: Ich habe noch eine Wissenslücke, die Herr Jäger sicherlich schließen kann. Das laufende Griechenland-Programm endet am 30. Juni. Die Beschlüsse des Bundestags zu diesem Programm könnten, wenn ich das richtig verstehe, auch noch in der Sitzungswoche bis zum 3. Juli fallen. Sollten also möglicherweise noch weitere Gespräche über den Abschluss des zweiten Programms am 1. oder 2. Juli möglich werden, müsste sich die Bundesregierung dann ein neues Verhandlungsmandat beim Bundestag einholen, um möglicherweise noch irgendwelche letzten Details besprechen zu können, sodass der Bundestag das dann in der Woche bis zum 3. Juli beschließen wird?

JÄGER: Ich denke, der Sachverhalt ist sehr eindeutig: Das Programm wird am 30. Juni enden. Wenn es verlängert werden sollte, bedürfte es der Zustimmung des Deutschen Bundestags. Im Übrigen kann ich auch nur noch einmal das wiederholen, was ich vorhin gesagt hatte: Wir beteiligen uns nicht an Diskussionen über angebliche oder denkbare Deadlines, letzte Möglichkeiten oder ähnliche Dinge.

FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, eine Frage zu Russland, aber nicht zu den Sanktionen, sondern zu der gestrigen Ankündigung des russischen Präsidenten, bis zum Jahresende 40 neue Atomraketen in Dienst zu stellen. Wie bewertet die Bundesregierung denn dieser Ankündigung? War das vielleicht ein Thema am Rande der Kabinettssitzung?

STS SEIBERT: Wir nehmen die Berichte über die Äußerungen zur Kenntnis, die Präsident Putin gemacht hat. Dieser zugrunde liegende Sachverhalt, dass Russland seine Streitkräfte modernisieren will, ist uns natürlich seit Längerem bekannt. Insofern sind die Äußerungen nicht überraschend. Sie sind allerdings auch kein wirklich hilfreicher Beitrag zur Überwindung der Schwierigkeiten, die es gegenwärtig im Verhältnis zwischen Russland und Europa bzw. zwischen Russland und den USA gibt. Die Bemühungen der Bundesregierung und ihrer Partner werden sich weiterhin darauf richten, dass wir ein sicheres Miteinander in Europa schaffen.

DR. SCHÄFER: Darf ich das ergänzen? Sie haben mir die Frage nicht gestellt. Ich nehme die Gelegenheit trotzdem zum Anlass, zu ergänzen, was Herr Steinmeier gerade dazu gesagt hat. Das unterscheidet sich gar nicht von dem, was Herr Seibert gesagt hat, hat nur einige zusätzliche Facetten. Erlauben Sie mir deshalb, dass ich das kurz vorlese. Herr Steinmeier hat es gerade vor gut einer Stunde einem großen deutschen Online-Magazin gesagt:

„Die von Präsident Putin gestern angekündigte Aufstockung des russischen strategischen Raketenarsenals ist unnötig und sicher kein Beitrag zu Stabilität und Entspannung in Europa. Die Welt hat sich seit 1989 stark verändert. Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg. Es stehen sich keine waffenstarrenden Blöcke mitten in Europa gegenüber. Aber die alten Reflexe aus dieser Zeit sind offenbar noch lebendiger, als wir das noch bis ins letzte Jahr gedacht haben. Ich kann nur davor warnen, solchen Reflexen nachzugeben und in eine beschleunigte Eskalationsspirale der Worte und dann auch der Taten einzutreten. Deshalb gilt für uns alle: Wir müssen aufpassen, dass jetzt nicht in der kurzen Zeit seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise all das eingerissen wird, was wir nach dem Fall der Mauer in unserer europäischen Friedensordnung so mühsam und sorgfältig aufgebaut haben. Wir haben auf dem NATO-Gipfel in Wales Beschlüsse gefällt, mit denen wir die Sorgen unserer osteuropäischen Partner ernst nehmen. Wir arbeiten an ihrer Umsetzung mit Augenmaß. Mit Russland suchen wir nach Lösungsansätzen für die Dauerkonflikte mit dem Iran und in Syrien. Gerade wir Deutsche engagieren uns stark zur Überwindung der Ukraine-Krise. Dafür braucht es allerdings mehr konstruktives Zutun aus Moskau als in der letzten Zeit.“

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Herr Schäfer, zu einer weiteren Frage: Ihr Minister sagt, es gehe um eine Aufstockung. Herr Seibert, Sie sprachen eben von einer Modernisierung. Das ist ein feiner Unterschied. „Aufstockung“ würde bedeuten, dass der START-Vertrag gebrochen wird, „Modernisierung“ nicht.

STS SEIBERT: Das ist kein Widerspruch, weil die Modernisierung der russischen Streitkräfte sozusagen das Oberthema ist. Bezogen auf die Interkontinentalraketen handelt es sich natürlich nicht nur um eine Modernisierung.

DR. SCHÄFER: Da Sie den START-Vertrag ansprechen: Damit sprechen Sie eine Phase an, auf die Herr Steinmeier in dem, was ich Ihnen gerade vorgetragen habe, ja auch Bezug genommen hat. In der Spätphase des Kalten Krieges, in den 80er-Jahren, und auch in der Zeit danach ist es zu einigen und auch heute noch gültigen, aus Sicht der Bundesregierung außerordentlich wichtigen Abrüstungsverträge gekommen, im Wesentlichen zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika. Dazu gehört auch START.

Aus unserer Sicht sind diese Abrüstungsverträge heute genauso wichtig wie zu dem Zeitpunkt, als sie abgeschlossen worden sind. Wir legen größten Wert darauf, dass sie eingehalten werden. Allerdings ist es wohl so das sage ich Ihnen aber in aller Vorsicht und sozusagen nur nach einer kursorischen Prüfung , dass die Vereinbarungen völkerrechtlicher Natur, die es dabei einschließlich START gibt, wohl im Einklang mit diesem russischen Anliegen, das in der Tat, wie Herr Seibert sagt, nicht erst gestern erfunden wurde, sondern seit Längerem bekanntermaßen betrieben wird, mit den Verpflichtungen der Russischen Föderation aus diesen Verträgen und auch aus START stehen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, Herr Dr. Schäfer, wie bewertet in dem Zusammenhang die Bundesregierung die Modernisierung von amerikanischen Atomwaffen in Deutschland durch die Amerikaner? Finden Sie diese Modernisierung genauso schlimm?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, an dieser Stelle haben wir zu dem Thema schon mehrfach Stellung genommen. Es ist, so glauben wir, ein nicht wirklich politischer Vorgang, sondern ein wichtiger technischer Vorgang, dass bestimmte Waffensysteme der Amerikaner, die sich womöglich auch auf deutschem Boden befinden könnten, in einer Weise runderneuert und in Schuss gehalten werden, dass sie nicht nur einsetzbar, sondern auch aus anderen Gründen nicht gefährlich werden können.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das heißt, die amerikanische Modernisierung der Atombomben hat technische Gründe und bei den Russen sind es politische Gründe. Habe ich das richtig verstanden?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, das eine kann man in keiner Weise mit dem anderen vergleichen, und zwar aus ganz vielen Gründen.

FRAGE VON MALLINCKRDOT: Herr Seibert, NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat auf Russland sozusagen geantwortet und meinte: Wir antworten. Morgen findet in Polen, glaube ich, eine der bislang größten NATO-Übungen statt, an der auch Deutschland in Gestalt der Bundeswehr ich glaube, die Ministerin fährt auch dorthin teilnehmen wird. Ist das jetzt der richtige Zeitpunkt? Ist das die richtige Antwort?

STS SEIBERT: Das hat von der Terminierung her überhaupt nichts mit der Ankündigung zu tun, die der russische Präsident gemacht hat. Herr Dr. Schäfer hat vorhin schon auf den vergangenen NATO-Gipfel in Wales angespielt. Dort sind doch Überzeugungen sehr klar geäußert worden. Die Kernüberzeugung ist, dass die Sicherheit aller Verbündeten der Allianz unteilbar ist, unteilbar bleibt und dass die Glaubwürdigkeit der Solidarität innerhalb des Bündnisses mit jedem einzelnen Mitglied ein zentrales Element unserer Sicherheitspolitik ist. Darauf waren in Wales beschlossene Maßnahmen Stichwort Readiness Action Plan; Stichwort Hauptquartier Stettin usw. abgestellt. Das sind Maßnahmen, die das Bündnis an das veränderte Sicherheitsumfeld anpasst, und an denen sich im Übrigen, was diese glaubwürdige Rückversicherung aller Bündnispartner angeht, auch die Bundesrepublik Deutschland substanziell beteiligt. In diesem Zusammenhang sind solche gemeinsamen Übungen zu sehen.

FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, für wie bindend betrachtet die Bundesregierung die NATO-Russland-Grundakte, die vorsieht, dass in den neuen NATO-Staaten keine größeren NATO-Truppen stationiert werden sollen?

Betrachtet die Bundesregierung die möglichen amerikanischen Pläne, dort schweres Kriegsgerät zu stationieren, als eine Verletzung dieses Dokuments?

DR. SCHÄFER: Herr Jolkver, die Debatte um diese angebliche Stationierung von amerikanischen Waffensystemen in Osteuropa scheint mir etwas zu weit vorausgaloppiert zu sein. Das Einzige, was es gibt nicht mehr und nicht weniger , ist ein Bericht der „New York Times“, in dem bestimmte Dinge behauptet werden; im Übrigen ohne eine Quelle, die ein Gesicht oder einen Namen hätte. Und es gibt, glaube ich, Äußerungen aus Warschau zu diesem Thema. Ich glaube, es macht jetzt keinen Sinn, über etwas zu reden, von dem wir gar nicht wissen, was es ist, geschweige denn, dass es schon von irgendjemandem bestätigt worden wäre. Ich glaube, es ist vernünftig, wenn es denn diese Pläne vonseiten unserer amerikanischen Partner gibt, dass diese vernünftig in den Gremien, um die es geht das könnte die NATO sein, das können auch bilaterale Kontakte sein , besprochen werden und dann in einer angemessenen Art und Weise auch öffentlich diskutiert werden. Aber doch bitte nicht so, dass man tagelang in den Medien Pirouetten über Pläne dreht, die, wie gesagt, letztlich als Quelle nur einen Zeitungsbericht angeben können.

Zur NATO-Russland-Grundakte ist, glaube ich, auf dem NATO-Gipfel in Wales alles Erforderliche gesagt worden, und zwar mit voller Übereinstimmung der Bundesregierung.

Ja, Russland hat diese NATO-Russland-Grundakte verletzt, indem es die Souveränität der Ukraine fortwährend beschädigt hat, und zwar über die Annexion der Krim hinaus.

Nein, das nimmt die NATO nicht zum Anlass, ihren Teil des Deals, der Vereinbarung von 1997, einfach so auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, sondern respektiert das, was damals vereinbart worden ist. Ich denke, das gilt für die NATO insgesamt, aber sicher für die Bundesregierung auch heute noch.

FRAGE LEPIARZ: Heute sollten sich in Berlin Frau Nuland und der russische Vize-Außenminister Karassin treffen. Können Sie bestätigen, dass dieses Gespräch stattgefunden hat? Wenn ja, können Sie etwas dazu sagen? War Deutschland daran beteiligt oder war es ein bilaterales Gespräch? Es ist ja seit den Zeiten des Kalten Krieges ungewöhnlich, dass sich Russen und Amerikaner in einem Drittland bilateral treffen.

DR. SCHÄFER: Ich kann das Treffen nicht bestätigen, kann allerdings sagen, dass geplant war ob das tatsächlich so ist, habe ich heute aber nicht mehr überprüfen können , dass Frau Nuland auch Gespräche im Auswärtigen Amt führt. Ob das heute oder morgen der Fall ist, kann ich Ihnen auch nicht bestätigen; jedenfalls diese Woche.

ZUSATZFRAGE LEPIARZ: Herr Ischinger hat heute in einem Interview mit dem Deutschlandfunk gesagt, eine Verlagerung amerikanischer Waffen und die Lagerung in Osteuropa würde keine Verletzung der Grundakte darstellen. Teilen Sie diese Einschätzung?

DR. SCHÄFER: Es könnte sein, dass das so ist. Ich würde mich gerne auf die Antwort auf die Fragen von Herrn Jolkver zurückziehen. Bevor man entscheidet, ob etwas gegen etwas verstößt, sollte man wissen, was es ist.

Noch einmal: Auf der Grundlage eines Zeitungsberichts solche Wertungen abzugeben, scheint jedenfalls für mich, der hier für das Auswärtige Amt und für die Bundesregierung spricht, etwas zu früh.

FRAGE JUNG: Herr Dr. Schäfer, wie ist denn die grundsätzliche Haltung der deutschen Regierung in Sachen amerikanische Waffensystem in Osteuropa?

DR. SCHÄFER: Wir sind NATO-Partner, auch mit den neuen Mitgliedern der NATO, die nach dem Ende des Kalten Krieges glücklicherweise Aufnahme gefunden haben. Wir haben Herr Seibert hatte darauf im letzten Monat hingewiesen vor wenigen Wochen 50 Jahre Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO begangen und gefeiert. Das ist ein Sicherheits- und Verteidigungsbündnis unter ausdrücklichem Einschluss aller 28 Mitgliedstaaten, also auch Osteuropas, das wir sehr wertschätzen und das wir außerordentlich wichtig nehmen. Das gilt auch für Osteuropa. Was in der NATO entschieden und besprochen wird, wird gemeinsam entschieden und gemeinsam umgesetzt.

All diejenigen Maßnahmen, die gerade in der letzten Zeit umgesetzt worden sind, sind ja gar keine Maßnahmen, die die Amerikaner bilateral umgesetzt hätten jedenfalls nicht nur , sondern gemeinsame Entscheidungen der NATO, an denen sich Deutschland und die Bundeswehr sehr aktiv beteiligt haben. Die Bundeswehr hat sich in den letzten Monaten am Air Policing im Baltikum beteiligt; die Bundeswehr hat eine große und wichtige Rolle bei Übungen in der Ostsee eingenommen. Wir beteiligen uns im Übrigen auch, glaube ich, an den Übungen, die derzeit in Polen stattfinden. Deshalb ist das alles ein gemeinsames Gesamtkunstwerk.

ZUSATZFRAGE JUNG: Entschuldigung, könnten Sie bitte die Frage beantworten! Sie haben jetzt überhaupt nicht die Frage beantwortet, wie die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung zu amerikanischen Waffensystemen ist.

DR. SCHÄFER: Ich sage es jetzt zum dritten Mal; bevor Sie mich etwas fragen, hätte ich es gerne ein bisschen konkreter. Die Frage „Was halten Sie grundsätzlich von diesem oder jenem?“ ist mir zu luftig und zu abstrakt.

Es gibt deutsche Waffensysteme in Osteuropa, so zum Beispiel im Rahmen des Air Policing. Wir haben deutsche Soldaten in gemeinsamen Kommandostrukturen in Stettin. Das ist alles im Rahmen der Bündnispartnerschaft völlig normal und absolut selbstverständlich. Ohne dass ich jetzt auf die Details eingehen möchte, bin ich sicher, dass unsere amerikanischen NATO-Bündnispartner das in Deutschland, in Polen, im Baltikum und anderswo genauso handhaben.

FRAGE DR. PAUL: Herr Dr. Schäfer, haben Sie denn Anhaltspunkte dafür, dass die in Deutschland stationierten US-Atomwaffen unsicher sind und eine Modernisierung deshalb nicht nur begrüßenswert, sondern absolut dringlich und notwendig ist?

DR. SCHÄFER: Nein, ich habe dazu keine persönlichen Erfahrungen gemacht, ich verweise aber auf offizielle Äußerungen der amerikanischen Regierung, die das als wesentliches Argument für Investitionen in die Modernisierung solcher Waffen ins Feld geführt hat. Das scheint mir auch Sinn zu machen wenn solche Waffen seit mehreren Generationen im Einsatz sind, dann kommt irgendwann der Moment, an dem man sich überlegen muss, sie rundzuerneuern.

FRAGE JUNG: Wann verlassen diese Atomwaffen Deutschland?

DR. SCHÄFER: Ich kann dazu nichts sagen.

FRAGE WONKA: Herr Seibert, in welcher Form hat sich das Kabinett mit dem Vorschlag der Kanzlerin für einen Sonderermittler in Sachen Selektoren-Listen beschäftigt?

Zweite Frage dazu: Hat die Bundeskanzlerin dies auf eigene Faust gemacht, oder nachdem sie grünes Licht aus den USA für diesen Vorschlag erhalten hat?

STS SEIBERT: Im Kabinett war das heute kein Thema.

ZUSATZFRAGE WONKA: Das heißt, die Bundesregierung hat nicht vor, den Bundestag zur Ernennung eines Sonderermittlers zu ermuntern, das ist dann also eine Falschmeldung?

STS SEIBERT: Ich kenne diese Meldung auch. Ich muss aber um Ihr Verständnis bitten, dass ich hier und in dieser Minute dazu nichts mitzuteilen habe. Klar ist: Die Bundesregierung hat zugesagt, dass sie eine Entscheidung vor der Sommerpause treffen wird, und zu dieser Zusage steht sie selbstverständlich. Nun warten wir ab, wie bald „vor der Sommerpause“ ist.

ZUSATZFRAGE WONKA: Hat die Bundeskanzlerin zu dem Vorschlag eine Meinung, und hat sie sich diese Meinung unabhängig von grünen Licht aus den USA gebildet? Oder hat sie inzwischen ein Signal aus den USA bekommen, dass sie sich diese Meinung Ja zu einem Sonderermittler durchaus leisten können darf?

STS SEIBERT: Sie versuchen mich mit dieser sehr geschickten Fragetechnik dahin zu locken, dass ich Ihnen über Einzelheiten und Details Auskunft gebe. Zu dem Konsultationsverfahren ist hier mehrfach gesprochen worden und ich habe auch nichts Neues beizutragen. Es gilt die Zusage, dass eine Entscheidung bis zur Sommerpause fallen wird und dann natürlich auch sofort dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss als dem Hauptbetroffenen zugestellt und weitergegeben wird. Diese Zusage gilt; mehr habe ich dazu hier nicht zu sagen. Die Bundeskanzlerin hat bei einer vergangenen Gelegenheit gesagt: „Es wird eine Entscheidung sein, die ich verantworten kann.“

FRAGE JUNG: Wenn sie diese Entscheidung verantworten kann: Hat sie die Selektoren-Liste denn schon einmal eingesehen?

STS SEIBERT: Herr Jung, zu diesem Thema ist an dieser Stelle alles gesagt; ich habe keinen neuen Sachstand für Sie, den ich Ihnen mitteilen kann. Deswegen hat es keinen Zweck, dass Sie es immer wieder versuchen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage war, ob Frau Merkel die Selektoren-Liste kennt.

STS SEIBERT: Ich gebe hier keine Auskunft über Details, die ausschließlich dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Beratung vorliegen.

FRAGE: Ich habe das mit der Einschränkung „bis zur Sommerpause“ eben nicht ganz verstanden. Das heißt, es ist nicht richtig, dass dem Untersuchungsausschuss noch heute ein entsprechender Vorschlag gemacht werden soll?

STS SEIBERT: Das heißt, dass ich diese Meldung auch kenne wir haben sie ja alle gelesen , dass ich aber um Ihr Verständnis bitten muss, dass ich Ihnen dazu hier in dieser Minute nichts mitzuteilen habe. Es gilt, was wir seit Tagen sagen, nämlich dass eine Entscheidung vor der Sommerpause gefällt wird. Selbstverständlich wird die Bundesregierung zu dieser Entscheidung stehen.

ZUSATZ: Es haben sich ja auch schon die ersten Obleute dazu geäußert.

STS SEIBERT: Das kann ich nicht kommentieren.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, noch einmal zu dieser Deadline „bis zur Sommerpause“: Ist das eigentlich eine von der Bundesregierung oder eine von den Amerikanern gesetzte Deadline?

STS SEIBERT: Wir haben diesen Begriff „bis zur Sommerpause“ benutzt. Wir sprechen für die Bundesregierung, deswegen ist das unsere selbst gesetzte Frist oder unsere Zusage an den Bundestag, dass es bis dahin eine Entscheidung geben wird.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Also selbst wenn die Entscheidung der Amerikaner bis dahin nicht eingetroffen sein sollte, wird die Bundesregierung eine Entscheidung über einen möglichen Sonderermittler fällen?

STS SEIBERT: Die Zusage steht, dass eine Entscheidung vor der Sommerpause getroffen wird.

FRAGE WONKA: Herr Seibert, wissen Sie in dieser Frage, in dieser Sache nichts oder wollen Sie nichts sagen? Können Sie zumindest sagen, ob sich das Kabinett in den Vorgesprächen, Nachgesprächen und sonstigen Gesprächen eine Meinung gebildet hat? Oder ist das Kabinett und sind Sie als Regierungssprecher in dieser Frage eines Sonderermittlers zum jetzigen Stand meinungslos?

STS SEIBERT: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich habe zu diesem Thema heute nichts Weiteres mitzuteilen als das, was ich gesagt habe.

Zweiter Teil Ihrer Frage: Im Kabinett war das heute kein Thema.

Dritter Teil Ihrer Frage: Über vertrauliche Gespräche, die es innerhalb der Bundesregierung sonst noch geben mag, habe ich grundsätzlich nicht zu berichten.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, wie weit sind die Defizite im BND schon abgebaut worden?

STS SEIBERT: Da kann ich Ihnen keinen Zwischenstand melden. Sie sind identifiziert worden, wie wir ja auch in der Presseerklärung vom 23. April klar gesagt haben. Wir sind jetzt im Bereich der Aufklärung; natürlich ist das auch das, was im parlamentarischen Untersuchungsausschuss und im parlamentarischen Kontrollgremium betrieben wird. Das ist jetzt erst einmal voranzutreiben.

FRAGE DR. KÜRSCHNER: An das Finanzministerium: Bis zur Sommerpause, Herr Jäger, wollten Bund und Länder eigentlich ihre Finanzbeziehungen klären. Jetzt haben zwei ostdeutsche Ministerpräsidenten wohl auch mit Zustimmung der übrigen Klage angedroht, wenn es bei den Vorschlägen des Bundesfinanzministers bleibt. Meine Frage, auch mit Blick auf das morgige Treffen: Wie wird es jetzt weitergehen? Gibt es auf Fachebene Gespräche? Was ist der Fahrplan für die Sommerpause?

JÄGER: Ich werde dem morgigen Treffen an dieser Stelle selbstverständlich nicht vorweggreifen. Es ist aber in der Tat so, dass die Gespräche nach wie vor andauern. Der Bundesfinanzminister hat den Ländern einen Vorschlag unterbreitet, von dem wir annehmen und glauben, dass er konsensfähig sein sollte. Es gibt nun aber offenkundig immer wieder Stimmen, die das anders sehen. Man kann an dieser Stelle nur festhalten, dass das gesamtstaatliche Interesse, das wir mit großem Nachdruck verfolgen, und die gesamtstaatliche Verantwortung, der wir uns ohne jede Einschränkung stellen, offenkundig nicht von allen anderen Akteuren selbstverständlich insbesondere der Länderseite; denn es gibt nur den Bund und die 16 Länder ohne jede Einschränkung geteilt wird. Es gibt da viele divergierende Einzelinteressen.

Wenn Sie jetzt einen Strich darunter machen wollen: Wir sind im Gespräch, wir bleiben im Gespräch und wir glauben nach wie vor, dass eine vernünftige und im gesamtstaatlichen Sinne verantwortliche und gute Lösung gefunden werden kann.

FRAGE JUNG: Eine Lernfrage an das Justizministerium: Warum ist es technisch möglich, Seelsorger und Notrufe von der Vorratsdatenspeicherung auszunehmen, aber nicht möglich, Telefon- und Internetverbindungen bzw. anschlüsse von anderen schutzbedürftigen Menschen zum Beispiel Kindern oder bestimmten Berufsgruppen zum Beispiel Journalisten auszunehmen?

ZIMMERMANN: Herr Jung, diese Frage hatten wir hier, glaube ich, schon einmal erörtert bzw. ich hatte Sie schon mehrmals auf die Informationen verwiesen, die wir auch auf unserer Internetseite zur Verfügung stellen; da wird das auch noch einmal genau beschrieben. Es ist so, dass die Seelsorger und diejenigen, die beruflich entsprechende Leistungen anbieten ich müsste jetzt die Definition nachschauen , bereits jetzt nach § 99 des Telekommunikationsgesetzes in eine bestimmte Liste aufgenommen werden können. Das ist insofern ein Unterschied, weil diese Seelsorgehotlines so will ich die jetzt einmal nennen klar eingrenzbare Hotlines sind, die auch mit einem Telefonanschluss für entsprechende Dienste zur Verfügung stehen.

Bei den sonstigen nach § 53 zeugnisverweigerungsberechtigten Personen ist es so, dass diese auch dann schützenswert sind, wenn sie sich einmal ein Handy leihen oder wenn sie über eine Internetverbindung zugewiesen bekommen usw. Da ist es eben technisch nicht möglich, diese Nummern bzw. die IP-Adressen in irgendeiner Weise auszusondern; das ist der technische Hintergrund. Ich hoffe, damit ist Ihre Lernfrage dann auch beantwortet.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wenn es nicht möglich ist, das auszusondern, warum lässt man die ganze Sache dann nicht?

ZIMMERMANN: Inwiefern sollte man sie dann lassen? Den Schutz für diese Gruppe von Personen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, stellen wir im Gesetz ja sicher, indem wir sagen: Diese Daten dürfen nicht abgerufen werden. Das ist ein ganz klarer Schutz. Es ist keine geheime oder verdeckte Maßnahme, das habe ich hier auch schon mehrmals erläutert. Insofern habe ich Ihnen da jetzt auch nichts Neueres mitzuteilen.

FRAGE JUNG: Ich habe an das Familienministerium noch eine Frage: Könnten Sie einmal die Haltung der Familienministerin in Sachen Vorratsdatenspeicherung erläutern, gerade im Hinblick auf die Überwachung von Kindern?

BIERINGER: Nein, weil ich glaube, dass die Kollegin in den vorangegangenen Bundespressekonferenzen das schon ausreichend dargelegt hat, was die Kinder betrifft. Insofern habe ich dem nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es geht um die Haltung der Familienministerin dazu.

BIERINGER: Wozu?

ZUSATZ JUNG: Zur Überwachung, unter anderem von Kindern.

BIERINGER: Eine Kollegin aus dem Ministerium hat aber dargelegt da bitte ich Sie dann auch, mich so richtig zu verstehen , dass Kinder nicht überwacht werden. Deshalb muss ich Ihnen jetzt auch nicht die Haltung der Ministerin zur Überwachung von Kindern darlegen.

ZIMMERMANN: Vielleicht kann ich noch einmal ergänzen, um das hier abzuschließen, zu diesem Begriff Massenüberwachung, den Sie ja öfter schon verwandt haben, Herr Jung:

Es ist ja so vielleicht kann ich damit auch Missverständnisse aus dem Weg räumen , dass die Daten eng begrenzt gespeichert werden bei den Telekommunikationsanbietern für zehn Wochen bzw. bei Standortdaten für vier Wochen und dass die Strafverfolgungsbehörden nur unter ganz engen Voraussetzungen darauf zugreifen können. Insofern möchte ich diesen Begriff Massenüberwachung auch hier nicht verwenden. Ich denke, er ist auch nicht angebracht.

ZUSATZ JUNG: Wenn Sie Daten erheben und speichern, dann ist das schon Überwachung. Aber gut, das ist semantisch.

FRAGE PRIETO VÁZQUEZ: Zwei Fragen an Herrn Seibert und Herrn Jäger: Der niederländische Finanzminister Dijsselbloem hat alle Chancen, als Chef der Eurogruppe wiedergewählt zu werden. Aber vor zwei Tagen hat Herr de Guindos, der spanische Finanzminister, gesagt, dass Spanien die Präsidentschaft der Eurogruppe erreichen will. Ist diese Äußerung vielleicht ein bisschen naiv? Hat Spanien Chancen? Mich interessiert auch, ob die Bundesregierung hinter Spanien oder den Niederlanden steht.

JÄGER: Ich kann darauf gern antworten. Es steht in der Tat die Entscheidung an, wer der künftige Vorsitzende der Eurogruppe sein wird. Herr Dijsselbloem hat heute wissen lassen, dass darüber nicht morgen in Luxemburg abgestimmt werden wird. Diese Entscheidung wird erst im Juli fallen.

Ich kann Ihnen hier kein Meinungs- oder Mehrheitsbild in der Eurogruppe zeichnen. Das müssten Sie bei den einzelnen Mitgliedstaaten erfragen. Wir haben bei vielen Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass der Bundesfinanzminister sehr eng und sehr gut mit Herrn Dijsselbloem zusammenarbeitet, seine Arbeit als Eurogruppen-Vorsitzender schätzt. Dennoch würden wir im Falle einer Abstimmung Herrn de Guindos unterstützen, ganz so wie die Bundeskanzlerin es zugesagt hat, weil wir der Überzeugung sind, dass Herr de Guindos ein sehr fähiger, sehr professioneller und guter Vorsitzender der Eurogruppe wäre.

FRAGE: Der bayerische Ministerpräsident hat an den Finanzminister einen Brief geschrieben, in dem er seine Verbesserungspunkte, was die Erbschaftssteuerreform angeht, darlegt. Er soll auch die CSU-Minister im Kabinett angehalten haben, dem jetzigen Referentenentwurf im Kabinett nicht zuzustimmen. Was hält der Finanzminister von diesem Brief und den Punkten darin? Wo würden Sie es auf der Skala der politischen Freundlichkeiten einordnen, Ministern als Parteichef Anweisungen zu geben, wie sie im Kabinett abzustimmen haben?

JÄGER: Nein, Sie erwecken hier, glaube ich, einen falschen Eindruck. Wir arbeiten auf zahlreichen Feldern sehr eng und sehr gut mit der bayerischen Staatsregierung zusammen.

Was jetzt insbesondere das Verfahren zur Erbschaftssteuer angeht: Sie wissen, dass wir einen Referentenentwurf versandt haben. Das heißt, wir befinden uns im Augenblick im Rahmen der üblichen Diskussion. Es ist völlig normal. Es hat sich eine Reihe von Interessierten zu Wort gemeldet. Diese Wortmeldungen haben Sie auch mitverfolgt. Sie sind nicht alle inhaltlich deckungsgleich. Da gibt es widerstreitende Positionen. Aber auch das ist völlig normal bei einem solchen Verfahren. Wir gehen jetzt durch diesen Prozess, der sich wie immer vertraulich im Ressortkreis abspielt. Dann werden wir einen Kabinettsentwurf vorliegen, der im Kabinett dann selbstverständlich, weil vorab so abgestimmt, auch die Unterstützung findet.

ZUSATZFRAGE: Wird das noch vor der Sommerpause sein oder nach der Sommerpause?

JÄGER: Es bleibt unser Ziel, einen solchen Entwurf noch vor der Sommerpause vorzulegen.

FRAGE JUNG: Ich habe eine Frage an das Umweltministerium zur Kohleabgabe: Welche Rolle spielt die Umweltministerin bei der Frage der Kohleabgabe? Sie ist ja schließlich führendes Mitglied in der Industriegewerkschaft BCE, die diese Kohleabgabe ja entschieden ablehnt.

HAUFE: Die Umweltministerin hat sich in den letzten Monaten immer wieder klar dazu geäußert, dass das Klimaaktionsprogramm eingehalten werden soll und dass die Energiewirtschaft dazu einen Beitrag leisten muss. Sie hat sich auch mehrfach in der Öffentlichkeit hinter die Kohleabgabe gestellt. Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen. Das ist ganz eindeutig, und davon ist sie auch nicht abgerückt.

Sie hat noch einmal klar gesagt, dass sie gegen einen Tausch von Emissionen ist, also dagegen, dass man jetzt quasi in einem anderen Sektor Emissionen einspart, um der Energiewirtschaft eine niedrigere Emissionsmenge zu ermöglichen. Auch da hat sie sich dagegen ausgesprochen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Kommt denn von der Seite ihrer Gewerkschaft Druck?

HAUFE: Ich kommentiere nicht die Mitgliedschaft von Frau Hendricks in der Gewerkschaft. Ich spreche hier für die Bundesumweltministerin und nicht für die Ministerin als Gewerkschaftsmitglied. Die Position habe ich gerade dargelegt.

FRAGE DR. KÜRSCHNER: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium: Herr Susteck, in Sachen Pkw-Maut spricht der Minister davon, dass er eine harte Auseinandersetzung mit Brüssel erwartet. Dicke Bretter würden gebohrt, und Brüssel habe gar nicht die Kompetenz, über die Kfz-Steuer zu entscheiden. Bedeuten diese Worte, dass sich der Minister da weniger auf Florettfechten, sondern auf eine Säbelpartie mit Brüssel einstellt?

SUSTECK: Also die Äußerung des Ministers Sie zitieren da ja aus dem Interview von heute mit dem „Münchner Merkur“ stehen für sich. Es ist auch nicht meine Aufgabe, die Wortwahl des Ministers zu kommentieren.

Was die Auseinandersetzung mit Brüssel betrifft, so haben wir bisher nur den Stand, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren angekündigt hat. Es ist aber noch kein derartiges Schreiben bei uns eingegangen. Insofern gibt es dazu auch keinen neuen Stand.

ZUSATZFRAGE DR. KÜRSCHNER: Aber der Minister lässt ja in dem Interview deutlich werden, dass er mit diesem Mahnschreiben rechnet. Ich unterstelle einmal, dass in Ihrem Ministerium schon Vorbereitungen getroffen worden sind, sich auf dieses Mahnschreiben einzustellen. Der Sachverhalt ist ja hinlänglich bekannt. Meine Frage: Wie stellen Sie sich darauf ein? Der Minister sagt, zwei Monate habe man Zeit. Aber man wird ja schon überlegt haben, wie man antwortet.

SUSTECK: Wir warten jetzt erst einmal ab, was überhaupt bei uns eingeht, also ob ein Schreiben eingeht, wann dieses Schreiben eingeht und was in diesem Schreiben stehen wird. Sie haben es selber angesprochen: Wir haben ausführlich Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Der Minister hat auch angekündigt, dass wir dieses Recht wahrnehmen werden.

FRAGE: Um da noch einmal ganz gezielt nachzufragen: Heute Vormittag gab es ja eine Sitzung der Kommission. Also Sie haben aus dieser Sitzung noch keine Nachrichten irgendwelcher Art?

SUSTECK: Wir haben noch kein Schreiben erhalten.

ZUSATZFRAGE: Es muss ja vielleicht nicht ein schriftliches Schreiben, sondern in Zeiten elektronischer

VORS. WEFERS: Ein elektronisches Schreiben!

SUSTECK: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

VORS. WEFERS: Herr Dr. Schäfer, Sie haben uns noch eine Information nachzutragen.

DR. SCHÄFER (zu Griechenland): Auf die Frage von Herrn Delfs, auf die ich keine wirklich feste Antwort gegeben habe, möchte ich noch bekräftigen, dass geplant und deshalb wohl auch vorbesprochen ist, dass auf einem der nächsten Räte als sogenannter A-Punkt, also als ein Punkt, der nicht mehr zur Diskussion gestellt wird, die Verlängerung der Sanktionen erfolgt, und zwar bis Ende des Jahres.

VORS. WEFERS: Sie haben ein Fragezeichen im Gesicht.

FRAGE DR. DELFS: Genau. Heißt das jetzt, Griechenland oder ein einzelnes Mitgliedsland könnte es nicht mehr blockieren?

DR. SCHÄFER: Nein. Bis es abgeschlossen ist, kann man es ja immer noch machen. Aber das wäre schon ungewöhnlich, wenn man so das sozusagen aufs Gleis gesetzt ist das dann wieder aufbohrt.

FRAGE JOLKVER: Ich habe es akustisch nicht genau verstanden, Herr Schäfer. Auf dem nächsten Rat oder auf einem der nächsten Räte?

DR. SCHÄFER: Auf einem der nächsten Räte. Es steht aber unmittelbar bevor. Wenn es nur ein technischer Punkt ist, kann man das zum Beispiel auch auf dem Ecofin-Rat verabschieden. Es geht darum, dass das formal die richtige Ebene ist.

 

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