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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 18. Dezember 2015

Achtung, Spoiler! ▼ BPK vom 18. Dezember 2015

Naive Fragen zu:
Giftgas nach Syrien über die Türkei (7:30 min)
– Im türkischen Parlament hat der Abgeordnete Eren Erdem von der CHP Dokumente vorgelegt, die beweisen sollen, dass 2013 Giftgas durch die Türkei nach Syrien gelangt ist also das Giftgas, das dann auch später in Syrien eingesetzt wurde. Wie bewerten Sie diese Dokumente?

„Spoiler“ in Libyen (13:15 min)
– Frau Chebli, die Bundesregierung hat Libyen im letzten Jahr ja öfter als „failed state“ bezeichnet. Wie lange wird es denn dauern, bis Libyen wieder ein funktionierender Staat ist?
– Können Sie kurz definieren, was „Spoiler“ sind?

Dänische Regierung will Flüchtlingen Schmuck abnehmen (23:30 min)
– Frau Wirtz, die dänische Regierung hat jetzt ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass Flüchtlingen Schmuck und andere Habseligkeiten abgenommen werden. Das erinnert ja an dunkle deutsche Zeiten Wie bewertet die Bundesregierung dieses Gesetz?
– Redet man in Europa denn noch miteinander, oder entwickelt jetzt jeder seine eigene Abschreckungspolitik?
– Aber solche Gesetze kommen da nicht zur Sprache?

Northstream 2 (33:10 min)
– mit welchen Argumenten versucht denn die Bundesregierung, die osteuropäischen EU-Staaten davon zu überzeugen, dass Nord Stream 2 eine tolle Sache ist?
– Ist das so zu verstehen, dass Sie diese Argumente noch suchen?

BND
– Können Sie einmal sagen, was diese Defizite sind? (39:14 min)
– Sie haben gerade von organisatorischen Neustrukturierungen gesprochen. Was soll das heißen?
– Sie müssen ja nicht konkret werden. Aber können Sie irgendwie der Öffentlichkeit sagen, wie neu strukturiert wird? Wie kann man sich das vorstellen?
– Können Sie noch weitere Beispiele nennen? Dieses Beispiel wiederholen Sie ständig.
– Frau Wirtz, wann ist denn damit zu rechnen, dass der BND nach Recht und Gesetz arbeitet? (41:34 min)

Bayrischer Zugriff auf VDS-Daten (43:45 min)
– die bayerische Landesregierung möchte dem bayerischen Landesverfassungsschutz erlauben, Zugriff auf die Vorratsdaten zu erlangen. Ist das aus Sicht der Bundesregierung möglich?
– Herr Zado, Ihr Ministerium ist Urheber des neuen VDS-Gesetzes. Dann müssen Sie doch wissen, ob in dem Gesetz steht, dass Landesverfassungsschutzbehörden Zugriff darauf haben oder nicht. Der BND und der Bundesverfassungsschutz haben ganz klar keinen Zugriff, was in dem Gesetz steht. Laut TKG dürfen Daten nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr abgerufen werden. Für so etwas ist doch eigentlich die Polizei zuständig. Sie müssen doch wissen, ob ein Landesverfassungsschutz darauf Zugriff haben kann oder nicht. Sie haben das Gesetz geschrieben.
– Ist eine Landesverfassungsschutzbehörde zuständig für Gefahrenabwehr? Herr Dimroth, das müssten Sie auch wissen. Das gebe ich einmal als Lernfrage an das Innenministerium.

Kölner Attentäter als V-Mann? (50:45 min)
– kann Ihr Minister also damit leben, wenn die Öffentlichkeit denkt: „Na ja, weil sie nichts sagen, wird das wahrscheinlich ein V-Mann sein“?
– Frau Wirtz, wie bewertet denn die Kanzlerin, dass möglicherweise ein V-Mann der Attentäter im Fall von Frau Reker war?
Privatisierung des Autobahnbaus (52:00 min)
– An Verkehrs- und Bundesfinanzministerium zur geplanten Bundesautobahn-Gesellschaft. Ich würde gerne allgemein wissen, welche Motive dahinter stecken. Ich habe gelernt, dass der Staat Steuern einnimmt, um genau so etwas zu tun, also Autobahnen zu bauen. Warum braucht es jetzt Investoren?
– Mit welchen Anreizen sollen diese Investoren gelockt werden?
– Die Frage war: Warum braucht es privates Geld, warum braucht es Investoren? Der Bau von Infrastruktur dient doch dem Gemeinwohl. Wenn Investoren dabei sind, muss doch ein Profitdenken dahinter stecken. Die Frage war ja auch: Mit welchen Anreizen will man Investoren locken? Wo verspricht man denen Profit?
– Es bahnt sich also eine Privatisierung des Autobahnbaus an?

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 18. Dezember 2015: 
VORS. SZENT-IVÁNYI eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN WIRTZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Frau Wirtz hat keine Termine für die nächste Woche, aber Frau Angeli möchte uns etwas mitteilen.

ANGELI (zum Präventionsgesetz): Ich möchte zwei Dinge klarstellen, zu denen es heute massiven Richtigstellungsbedarf gibt.

Niemand kann doch ernsthaft bezweifeln, dass eine bessere Versorgung von schwerstkranken Menschen am Lebensende, mehr Pflegepersonal und mehr Hygiene im Krankenhaus sowie ein schnellerer Zugang zu innovativen Medikamenten, mit denen Krankheiten erstmals heilbar sind, massiv im Interesse der Versicherten sind. Wer jetzt anmahnt, das sei alles zu teuer, muss auch schlüssig darlegen, wo er oder sie sparen oder kürzen will.

Ziel des Bundesgesundheitsministers ist es, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zu einer guten gesundheitlichen Versorgung haben und gleichzeitig die nachhaltige Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswesens im Blick behalten wird. Alle unsere Gesetzesvorhaben sind diesen Zielen gewidmet. Wenn wir mehr Geld für Prävention in die Hand nehmen, um zum Beispiel Krankheiten wie Diabetes vorzubeugen, bevor sie entstehen, dann nutzt das dem Einzelnen und trägt gleichzeitig dazu bei, dass unser Gesundheitswesen auch morgen noch finanzierbar ist. Wenn wir den Ländern helfen, teure Überkapazitäten im Krankenhausbereich abzubauen, dann macht auch das unser Gesundheitswesen wirtschaftlicher. Die Gesetzesvorhaben haben also zwei Ziele: Den Patientennutzen, also die gute Versorgung von Patientinnen und Patienten, und die nachhaltige Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens. Das sollte auch zentrales Anliegen der Krankenkassen und aller Abgeordneten im Deutschen Bundestag sein.

Zu den von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband angekündigten Klagen kann ich Ihnen sagen: Es ist ein Unding, dass Ärzte und Kassen ankündigen, Gesetze missachten zu wollen, die die Abgeordneten des Deutschen Bundestags und der Deutsche Bundesrat beschlossen haben. All unsere Gesetze sind gut geprüft, und die Kassen und Ärzte tun sich keinen Gefallen, wenn sie uns zwingen, Rechtstreue durchzusetzen. Vielen Dank.

FRAGE: Wer hat denn Ihrer Meinung nach die Schuld daran bzw. woran liegt es denn, dass die Beiträge hochgehen? Ist es das „Rundum-sorglos-Paket“, das Reformpaket, das zu dick geschnürt wurde, oder haben auch die Kassen Fehler gemacht?

ANGELI: Der Schätzerkreis hat eine Prognose erstellt, der die Einnahmen und Ausgaben der Kassen für das nächste Jahr in den Blick nimmt. Der kam dazu, dass die Beitragssätze im nächsten Jahr im Schnitt um 0,2 Prozentpunkte ansteigen werden; das ist die Prognose, die auf dem Tisch liegt. Wie teuer die einzelne Krankenkasse wird, also was für einen Zusatzbeitrag die einzelne Krankenkasse erhebt, legt die jeweilige Krankenkasse selbst fest. Da gibt es große Unterschiede zwischen den Krankenkassen. Die Sätze werden bis Jahresende veröffentlicht. Wenn eine Krankenkasse den Zusatzbeitrag anhebt, dann haben die Versicherten das Recht von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen. Die Versicherten sollten gut vergleichen, und sie sollten dabei vor allem Qualität und Leistungen vergleichen und nicht nur auf den Preis schauen.

Wir werden natürlich die Sätze, die die Kassen jetzt festlegen, gut im Blick behalten. Klar ist: Eine gute gesundheitliche Versorgung in einer älter werdenden Gesellschaft und mit medizinischem Fortschritt gibt es nicht zum Nulltarif. Gleichzeitig darf natürlich die Belastung der Versicherten nicht grenzenlos steigen. Deswegen werden wir das gut im Blick behalten. Der Anstieg jetzt ist zum Teil auch damit zu begründen, dass zum Beispiel neue innovative Medikamente auf dem Markt sind, mit denen Hepatitis C erstmals heilbar ist. Das erspart den Patientinnen und Patienten Transplantationen. Klar ist, dass solche Medikamente beiden Gruppen, gesetzlich Versicherten und privat Versicherten, zur Verfügung stehen müssen.

ZUSATZFRAGE: Könnten Sie mir als Laien erklären, warum ich diese Woche in einer Studie nachlesen konnte, die Medikamentenpreise seien in Europa so unglaublich unterschiedlich, wobei die Medikamentenpreise in Deutschland meistens an Spitzenpositionen sind?

Zweite Frage: Gibt es Überlegungen im Ministerium, den kompletten Beitrag wieder paritätisch auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verteilen?

ANGELI: Wir haben in Deutschland ein bewährtes System, das sich AMNOG nennt; das ist das System der Nutzenbewertung von Medikamenten. Das funktioniert so, dass, wenn ein Medikament auf den Markt kommt, dann der Nutzen, der Mehrwert für den Patienten bewertet wird. Daran richtet sich aus, was für ein Preis erhoben werden darf. Das heißt und das gilt auch für alles, was wir tun , der Nutzen der Patienten muss immer dargelegt sein.

Zu Ihrer zweiten Frage der Parität: Dass die rot-grüne Bundesregierung 2006 die Parität abgeschafft hat, wurde auch mit dem Argument begründet, dass stabile Arbeitsplätze dazu beitragen, dass Geld in die Kassen kommt. Auch das hat dazu geführt, dass die Krankenkassen jetzt eine solide finanzielle Lage haben; sie haben momentan Reserven in Höhe von 15 Milliarden Euro. Das ist auch ein Argument dafür, dass man daran jetzt nichts ändern will.

Klar ist das hatte ich schon gesagt , dass wir die Beiträge, die die Kassen festlegen, im Blick behalten werden. Unsere Gesetze sind immer darauf ausgerichtet, sowohl den Nutzen für den Patienten und eine gute gesundheitliche Versorgung sicherzustellen als auch die nachhaltige Finanzierbarkeit im Blick zu behalten. Beides muss Hand in Hand gehen, und beides muss auch zentrales Anliegen der Krankenkassen sein.

FRAGE JUNG: An das Auswärtige Amt: Im türkischen Parlament hat der Abgeordnete Eren Erdem von der CHP Dokumente vorgelegt, die beweisen sollen, dass 2013 Giftgas durch die Türkei nach Syrien gelangt ist also das Giftgas, das dann auch später in Syrien eingesetzt wurde. Wie bewerten Sie diese Dokumente?

CHEBLI: Ich kenne weder die Dokumente noch die Aussagen des von Ihnen genannten Abgeordneten und kann dazu keine Stellung beziehen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das ist der Abgeordnete, der jetzt wegen Hochverrats von Herrn Erdoðan angeklagt wurde.

CHEBLI: Trotzdem kenne ich die Dokumente und seine Aussagen nicht und kann deshalb nichts dazu sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das dann vielleicht nachreichen?

CHEBLI: Ich weiß nicht, ob ich es nachreichen kann. Ich glaube, zu dem Aspekt, den Sie genannt haben vor allem zu einer Aussage, die ein Abgeordneter getroffen hat, und zu Dokumenten, die er vorgelegt hat , kann ich nichts nachliefern.

FRAGE BLANK: Auch an Frau Chebli bzw. an das Auswärtige Amt zum Thema libysches Friedensabkommen. Erstens: Wie bewerten Sie das?

Zweitens: Der UN-Generalsekretär hat schon gesagt, die UN stünde für Unterstützung bereit. Wie sieht es da bei Deutschland aus? Wäre Deutschland bereit, mitzumachen?

CHEBLI: Der Minister hat sich gestern ja zu dem Friedensabkommen geäußert. Er hat gesagt, dass wir dieses Abkommen begrüßen und dass es für das von Chaos und Gewalt zerrüttete Land Libyen ein wichtiger Schritt zur Lösung der Krise ist. Es kommt zu einem richtigen Zeitpunkt; denn wenn man sich die Nachrichten anschaut und sieht, wie sich der IS in diesem Land langsam immer breiter gemacht hat, dann weiß man, wie wichtig es ist, dass man endlich zu einer Lösung kommt. Ansonsten bleibt wenig übrig von einem Land, das man eigentlich retten möchte.

Also: Das Friedensabkommen ist gut, wir begrüßen es. Man muss aber auch sehen, dass es noch viele dicke Bretter gibt, die zu bohren sind, und dass wir noch viele Baustellen haben zum Beispiel die Sicherheitslage in Tripolis. Es geht ja darum, dass die neue Einheitsregierung dann in Tripolis sicher operieren kann. Dafür braucht sie eine Lage, die es ihr erlaubt, dort in Sicherheit zu sein. Die Sicherheitslage, die wir heute vorfinden, ist jedenfalls noch fragil; deswegen sind wir mit den Partnern mit allen Partnern, die da Einfluss haben, auch den regionalen Akteuren im Gespräch darüber, wie man die Sicherheitslage so gestalten kann, dass die neue Einheitsregierung in Tripolis dann agieren kann.

Vor diesem Hintergrund zu der Frage, die Sie in Bezug auf Ban Ki moon und Unterstützung gestellt haben: Der Minister hat in Rom genauso wie viele andere auch gesagt, dass wir als Deutschland und Europa bereitstehen, der neuen Regierung zur Seite zu stehen, und zwar im humanitären Bereich weil es eine katastrophale humanitäre Lage in diesem Land gibt , im Bereich der Stabilisierung des Landes, aber auch im Bereich der Sicherheit. Der Minister hat darüber gesprochen, dass wir uns zum Beispiel vorstellen könnten, libysche Sicherheitskräfte auszubilden. Wir sind aber noch nicht soweit. Wenn die Bedingungen vorliegen, die es uns erlauben, gemeinsam mit anderen Akteuren in Europa diese Hilfe anzubieten, dann stehen wir sofort bereit; vom ersten Tag an, an dem wir gebraucht werden, werden wir die Hilfe, die benötigt wird, gemeinsam mit anderen auch anbieten.

ZUSATZFRAGE BLANK: Wie beurteilen Sie denn die Umsetzungsmöglichkeiten dieses Friedensabkommens, nachdem der Parlamentspräsident vom international anerkannten Parlament in Tobruk sagt, dieses Friedensabkommen sei verfassungswidrig? Das spricht ja nicht gerade dafür, dass man kurz vor einer Umsetzung steht.

CHEBLI: Deswegen sage ich ja, dass das Friedensabkommen, die Umsetzung und die weiteren Schritte sehr fragil sind. Es gibt „Spoiler“ auf beiden Seiten. Es gibt auf beiden Seiten Parteien bzw. Akteure, die dieses Friedensabkommen und den Prozess, der darauf folgen muss, torpedieren möchten. Es gilt aber, dass wir all jene, die den Prozess torpedieren möchten, einzubinden versuchen. Das ist ja das, was der UN-Sondergesandte Martin Kobler ein Deutscher , mit dem wir in engem Kontakt stehen, auch versucht: Die Zahl der „Spoiler“ so gering wie möglich zu halten, damit es wenig Spielraum gibt, um den Prozess zu torpedieren. Das ist eine der größten Herausforderungen, vor denen wir stehen werden und vor denen wir gegenwärtig stehen: All jene, die kritisch zu dem Prozess stehen, auf unsere Seite zu bringen, um sie zu überzeugen, sich für eine friedliche Zukunft ihres Landes es ist ja ihr Land einzusetzen und dem Frieden nicht im Weg zu stehen.

FRAGE JUNG: Frau Chebli, die Bundesregierung hat Libyen im letzten Jahr ja öfter als „failed state“ bezeichnet. Wie lange wird es denn dauern, bis Libyen wieder ein funktionierender Staat ist?

CHEBLI: Ich weiß nicht, wer von einem „failed state“ gesprochen hat.

ZUSATZ JUNG: Herr Schäfer.

CHEBLI: Jedenfalls ist die Lage Ich sagte ja, dass es ein von Chaos und Gewalt zerrüttetes Land ist, und jetzt gilt es, dieses Land aus diesem Chaos herauszuholen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie schnell uns das gelingt, aber mit dem Friedensabkommen ist zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung und ein erster Schritt in Richtung Befriedung des Landes getan. Dass es keinen Grund gibt, jetzt in Euphorie zu verfallen und zu sagen „In den nächsten Tagen haben wir die „Spoiler“ auf unserer Seite, Libyen steht und wir können die Hilfe anbieten, die wir anbieten wollen; die Sicherheitslage ist perfekt und eine Einheitsregierung kann operieren“, ist klar; so weit sind wir noch nicht. Genau darum gilt es aber, mit voller Kraft den Sonderbeauftragten in seiner Aufgabe zu unterstützen, das Land aus dem Chaos zu holen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie kurz definieren, was „Spoiler“ sind?

CHEBLI: Sorry, da benutze ich einen englischen Begriff. Damit meine ich Konfliktparteien, die den Prozess torpedieren wollen.

FRAGE MÜLLER-THUM: Ich habe eine Frage an das Familienministerium: Sie haben einmal wieder intern Ärger mit ihrer Gleichstellungsbeauftragten, die wieder einmal sagt, das Familienministerium gebe sich zwar nach außen immer ganz wild auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, setze das aber intern überhaupt nicht um. Können Sie uns dazu ein bisschen etwas sagen?

HERB: Frau Müller-Thum, das mache ich gerne. Zunächst einmal vorweggeschickt zu den Sachen, die Frau Rose-Möhring, die Gleichstellungsbeauftragte unseres Ministeriums, gesagt hat: In den letzten zwei Jahren das haben Sie auch mitbekommen ist im Ministerium sehr viel vorangebracht worden. Es sind sehr viele Gesetze umgesetzt worden, Projekte umgesetzt worden, und die Kolleginnen und Kollegen, die dort sind, leisten sehr viel und zeigen auch sehr großen Einsatz.

Was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht auch im Ministerium , möchte ich Ihnen einmal einen Einblick darüber geben, wie das bei uns im Haus gemacht wird. Wir bieten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ziemlich viele Angebote: Das fängt an beim Telearbeitsplatz; es gibt Home-Office-Möglichkeiten; wir haben das ist nicht in jedem Ministerium so sogenannte Langzeitkonten, auf denen die Mitarbeiter Stunden ansammeln können, um dann eine längere Auszeit zu nehmen. Ich möchte Ihnen auch ein paar Zahlen nennen: Wir haben 671 Beschäftigte, davon sind 163 Beschäftigte in Teilzeit, es gibt 70 Telearbeitsplätze und über 200 Beschäftigte arbeiten mobil; das heißt, die haben die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten. Von den 99 Führungskräften arbeiten neun in Teilzeit.

Es gibt jetzt eine neueste Umfrage, die ich Ihnen auch sehr gerne zur Verfügung stelle. Die ist aus dem Oktober, also noch nicht so alt knapp eineinhalb Monate. Da wurden auch alle Ressorts befragt, gerade zu dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch daraus kann ich Ihnen ein paar Zahlen nennen, einfach damit Sie sehen, wie das ist: 94 Prozent der Beschäftigten des BMFSFJ finden, dass es eine familienfreundliche Dienststelle ist 56 Prozent sagen „ja“, 38 Prozent sagen „eher ja“. 50,3 Prozent nehmen familienfreundliche Angebote in Anspruch; das sind die Angebote, die ich Ihnen gerade genannt habe.

Ich kann Ihnen auch noch andere Beispiele nennen. Da wurden Fragen gestellt wie: „Lassen sich Beruf und Familie in Ihrer persönlichen Organisationseinheit“ das ist dann zum Beispiel das Referat „gut vereinbaren?“. „Ja, voll und ganz“ sagen 28 Prozent, 29 Prozent sagen „ja“, 23 Prozent sagen „eher ja“. Auf die Frage „Werden Ihre dringenden familiären Belange bei der Organisation der Arbeit berücksichtigt?“ antworten 23 Prozent mit „ja, voll und ganz“, 28 Prozent mit „ja“, 23 Prozent mit „eher ja“.

Sie sehen also: Die Zahlen, die wir jetzt haben das ist eine neue Umfrage, die ich Ihnen gerne zur Verfügung stelle , zeigen, dass das, was heute in der Presse zu lesen war, nicht für die Gesamtheit des Ministeriums oder der Beschäftigten gilt.

ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Es werden ja konkrete Punkte genannt, zum Beispiel, dass Mitarbeiter, die in Elternzeit gehen, für diese Zeit einfach nicht ersetzt werden. Können Sie da auch sagen, dass das nicht stimmt?

HERB: Das kann ich so nicht bestätigen.

ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Wie geht man damit denn jetzt weiter um? Das ist ja nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Sie sagen, die Vorwürfe seien falsch diese Vorwürfe werden aber wiederholt. Sie haben da jetzt also eine Mitarbeiterin in einer relativ zentralen Stelle, die nach Ihrer Ansicht regelmäßig Dinge erzählt, die nicht stimmen? Wie geht man damit weiter um? Man sollte ja eigentlich meinen: Entweder ist da etwas dran oder die macht einfach ihren Job falsch, und dann muss man einmal darüber reden, ob sie in dem Job richtig ist, wenn sie offensichtlich falsche Dinge erzählt.

HERB: Frau Rose-Möhring ist schon seit vielen Jahren die Gleichstellungsbeauftragte des Hauses, und diese wird von den Beschäftigten gewählt. Mehr als das, was ich Ihnen gesagt habe, kann ich dazu auch nicht sagen. Als in der Frauenversammlung diese Vorwürfe geäußert wurden, war ich nicht da; deswegen kann ich zu den weiteren Vorwürfen von Frau Rose-Möhring jetzt über das hinaus, was ich Ihnen gerade gesagt habe, keine weitere Stellung nehmen.

ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Wenn Sie jetzt sagen, Sie waren bei dieser Versammlung nicht dabei: Was haben Sie denn darüber gehört? Ist Ihr Eindruck, dass es da einfach eine Querulantin gibt ich nenne das jetzt einmal so , die immer meckert, aber die anderen sehen das nicht so? Oder gab es dafür Applaus, sehen das also vielleicht doch mehr Leute so und trauen sich bloß in den Umfragen nicht, das zu sagen?

HERB: Ich kann Ihnen nicht sagen, woran das liegt. Ich habe heute zum ersten Mal davon erfahren, weil ich den Brief der Gleichstellungsbeauftragten gelesen habe. Das ist jetzt aber meine persönliche Sache. Ich war bei der Versammlung nicht da, deswegen kann ich dazu auch nicht mehr sagen.

FRAGE DR. KÜRSCHNER: Eine Frage an das Innenministerium: Herr Dr. Dimroth, das sächsische Innenministerium hat nach meiner Kenntnis zum ersten Mal für ein Bundesland eine Statistik zur Asylantenkriminalität vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass etwa 24 Prozent der kriminell gewordenen Asylanten Tunesier sind, obwohl die mit 4 Prozent eigentlich eher einen geringen Anteil der Asylbewerber insgesamt stellen. Jetzt argumentiert der sächsische Innenminister Ulbig, er würde die gerne abschieben wollen, aber könne dies nicht, denn Tunesien nehme die nicht zurück, weil sie keine Pässe haben. Ich kann mich daran erinnern, dass Sie vor längerer Zeit einmal gesagt haben, die Bundesregierung sei bemüht, mit Ländern Vereinbarungen zu schließen, dass rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber auch dann wieder zurückgeführt werden können, wenn sie keine Pässe haben. Meine Frage: Ist das in Bezug auf Tunesien schon geschehen oder gibt es da Verhandlungen?

DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage. Zunächst einmal handelt es sich, wenn ich es richtig verstanden habe, nicht um ein Lagebild zur Kriminalität von Asylanten so haben Sie es, glaube ich, gesagt , sondern von Flüchtlingen. Das ist ein geringer, aber doch ein nicht unwesentlicher Unterschied.

Zu Ihrer konkreten Frage: Es ist so, dass es gelungen ist, gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt sehr erfolgreich mit den Ländern des westlichen Balkan wo ein großes Problem bestand das sogenannte Laisser-passer-Verfahren zu vereinbaren; das heißt eben, dass man auf bestimmte Ersatzdokumente bei der Rückführung und auch Abschiebung von solchen Flüchtlingen verzichtet. Wir sind auch mit anderen Staaten, die das betrifft, in Gesprächen über genau dieses Verfahren. Ich kann Ihnen heute keinen Sachstand nennen, wie das konkret mit Tunesien ist; ich kann das gerne aber noch einmal als Frage mitnehmen, und wenn es da einen neuen Sachstand gibt, dann kann ich das gerne auch im Nachhinein nachreichen.

CHEBLI: Vielleicht kann ich das ergänzen, denn der Außenminister hat im Auswärtigen Amt vor Kurzem mit seinem tunesischen Kollegen gesprochen und dieses Thema ganz explizit auf die Tagesordnung gesetzt und thematisiert. Da hat der tunesische Kollege jedenfalls versprochen, dass er sich der Sache annehmen werde.

FRAGE SIEBERT: Herr Dimroth, wenn man sich die von Herrn Ulbig jetzt vorgelegten Zahlen ansieht, kann man ja feststellen, dass diese Zahlen der These widersprechen, dass die Kriminalitätsrate unter Flüchtlingen niedriger oder ebenso hoch ist wie unter der einheimischen Bevölkerung diese These hat Ihr Minister ja vor einigen Wochen geäußert. Lässt sich diese These auf der Basis dieser Zahlen, die die Sachsen jetzt vorgelegt haben, aufrechterhalten?

DR. DIMROTH: Aus unserer Sicht ist das so, denn das Bild, das der Minister vorgestellt hat, war ja ein deutschlandweites. Wir haben sehr bewusst darauf hingewiesen, dass es selbstverständlich regionale und in Teilen vielleicht auch ethnische Besonderheiten gibt, die sich aber in einem Gesamtlagebild für Deutschland eben nicht so darstellen wie in diesen Teilzahlen, die Sachsen vorgestellt hat. Insofern sehen wir darin keinen Widerspruch und auch keinen Anlass zu Neubewertungen. Der Minister hat aber die Bundessicherheitsbehörden gebeten, mit den Ländern ein Lagebild fortzuschreiben bzw. das Lagebild zu aktualisieren, um mögliche Veränderungen, die man natürlich nicht ausschließen kann, auch für ein bundesweites Lagebild möglichst früh erkennen zu können. Sobald es da einen neuen Stand gibt, werden wir den auch wieder der Öffentlichkeit mitteilen.

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, die dänische Regierung hat jetzt ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass Flüchtlingen Schmuck und andere Habseligkeiten abgenommen werden. Das erinnert ja an dunkle deutsche Zeiten Wie bewertet die Bundesregierung dieses Gesetz?

SRS’IN WIRTZ: Ich kann Ihnen zu solchen Gesetzesvorhaben anderer Regierungen von dieser Seite keine Stellung geben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Redet man in Europa denn noch miteinander, oder entwickelt jetzt jeder seine eigene Abschreckungspolitik?

SRS’IN WIRTZ: Vielleicht haben Sie wahrgenommen, dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs gestern in Brüssel getroffen haben und da sehr wohl bis spät in die Nacht miteinander gesprochen haben. Diese Gespräche werden fortgesetzt; auch zur Stunde reden die europäischen Staats- und Regierungschefs sehr intensiv miteinander.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber solche Gesetze kommen da nicht zur Sprache?

SRS’IN WIRTZ: Ich habe eben nur gesagt, Herr Jung, dass ich als deutsche Regierungssprecherin keine Vorhaben anderer Regierungen kommentiere.

FRAGE PAPPAS: Eine Frage an Frau Wirtz zu den Außengrenzkontrollen der EU: Der Kanzleramtschef, Herr Altmaier, hat heute in einem Fernsehinterview gesagt, Ankara sei bereit, im Bereich des Grenzschutzes mit Griechenland Dinge zu machen, die vorher undenkbar waren; etwa soll es eine Zusammenarbeit der türkischen mit der griechischen Küstenwache geben. Können Sie dazu etwas Konkreteres sagen? Welches Bild hat das Kanzleramt von dieser Zusammenarbeit, was ist da konkret gemeint?

SRS’IN WIRTZ: In der Tat gibt es entsprechende Äußerungen des Chefs des Bundeskanzleramtes. Aber da das ein laufender Prozess ist und derzeit Gespräche geführt werden, sehe ich mich nicht in der Lage, über das hinauszugehen, was der Chef des Bundeskanzleramtes in dem Interview gesagt hat. Ich kann Ihnen im Moment keine Details zu weiteren Kooperationen der betreffenden Staaten nennen.

ZUSATZFRAGE PAPPAS: Es gibt doch eine Entscheidung zu einem erweiterten Einsatz von Frontex in der Ägäis, der am 28. Dezember beginnen soll; das nennt sich „Poseidon schneller Eingriff“, und dort sollen über 300 neue Beamte in den Einsatz kommen. Ist Deutschland daran beteiligt?

SRS’IN WIRTZ: Zunächst einmal möchte ich Ihnen noch einmal sagen auch das war gestern Thema in Brüssel , dass es von der EU-Kommission durchaus Vorschläge zu der Frage der Verstärkung des europäischen Grenz- und Küstenschutzes gibt. Dazu hat sich die Bundeskanzlerin gestern Abend auch in einer Pressekonferenz noch einmal geäußert. Die Bundeskanzlerin hat auch deutlich gemacht, dass die Bundesregierung diese Pläne, die von der Kommission gemacht werden, unterstützt und begrüßt. Die Details allerdings werden jetzt noch weiter ausgearbeitet; insofern kann ich Ihnen jetzt keine Antwort auf die Frage geben, inwieweit auch Deutschland personell an solchen Vorhaben zur Verstärkung von Frontex teilnimmt.

ZUSATZFRAGE PAPPAS: Die Entscheidung, dass der erweiterte Einsatz am 28. Dezember kommt, steht ja schon. Ist die Frage der deutschen Beteiligung noch nicht geklärt, obwohl die Zeit ganz knapp ist?

SRS’IN WIRTZ: Ich verstehe Ihre Frage nicht genau.

ZUSATZFRAGE PAPPAS: Es gibt eine Entscheidung für einen erweiterten Einsatz von Frontex, der am 28. Dezember beginnen soll. Die Frage ist, ob sich Deutschland daran beteiligt oder nicht. Wird diese Frage in den nächsten Tagen beantwortet?

SRS’IN WIRTZ: Ich kann Ihnen jetzt konkret zu diesem Einsatz von Frontex nichts sagen; ich weiß nicht, ob Herr Dimroth da noch etwas hinzufügen kann. Ich kann Ihnen nur allgemein sagen, dass die Frage der Verstärkung des Grenz- und Küstenschutzes gestern in der Tat ein Thema der Gespräche in Brüssel gewesen ist. Die Bundeskanzlerin begrüßt die Vorschläge, die da von der Kommission vorgestellt worden sind. Diese Vorschläge werden aber noch weiter diskutiert werden müssen. Was konkret den Einsatz von Frontex anbelangt, kann vielleicht Herr Dimroth dazu noch etwas beisteuern?

DR. DIMROTH: Kann er leider nicht. Ich habe gerade aber versucht, das Backoffice zu befragen; möglicherweise ergeben sich im Laufe dieser Pressekonferenz also noch Erkenntnisse, die ich Ihnen dann mitteilen würde ansonsten gerne im Laufe des Nachmittags. Ich kann Ihnen also nicht sagen, ob und in welchem Umfang bereits beschlossen ist, dass sich deutsche Kräfte beteiligen, würde das aber nachreichen.

FRAGE PUGLIESE: An Frau Wirtz und vielleicht auch Herrn Dimroth zum Europäischen Rat und dem Thema Flüchtlinge: Matteo Renzi hat in diesen Tagen wieder starke Töne gegen Deutschland benutzt; er hat wieder über Wachstum und Sparmaßnahmen gesprochen. Nach dem, was wir da lesen, scheint es wieder irgendwie einen Konflikt zwischen Italien und Deutschland zu geben, und auch zum Thema Flüchtlinge scheinen die Meinungen auseinanderzugehen. Wie sehen Sie das? Sieht die deutsche Regierung wieder einen Konflikt, ein Problem in der Zusammenarbeit zwischen Italien und Deutschland, insbesondere, was das Thema Flüchtlinge betrifft?

SRS’IN WIRTZ: Ich sehe keinen Konflikt mit der italienischen Regierung. Es gibt derzeit in der Tat sehr intensive Gespräche innerhalb der Europäischen Union über die Frage der Flüchtlinge. Diese Gespräche hat es auch gestern in Brüssel gegeben. Die Bundeskanzlerin hat sich in der Pressekonferenz am Abend auch dahingehend geäußert, dass man in diesem Flüchtlingsthema mit Fragen konfrontiert ist, mit denen die Europäische Union bislang in dieser Form nicht konfrontiert war, und dass es in der Tat darum geht, jetzt mit einer gewissen Zuversicht auch diese Fragen anzugehen, die sicherlich auch nicht von heute auf morgen zu klären sind.

Insofern gibt es eine intensive Beratung über diese Fragen, aber davon, dass es irgendwelche Konflikte mit irgendwelchen Regierungen oder gar speziell der italienischen Regierung gäbe, kann ich nicht berichten.

ZUSATZFRAGE PUGLIESE: Die deutsche Regierung erwartet also mehr Zusammenarbeit, mehr Bemühungen von der italienischen Regierung, was das Thema Flüchtlinge betrifft?

SRS’IN WIRTZ: Diese konkreten Erwartungen hat die Bundeskanzlerin nicht formuliert.

FRAGE BLANK: Auch in Zusammenhang mit den Verhältnissen in Italien würde ich gerne eine Frage an Frau Chebli stellen: Nachdem der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Herr Röttgen, sagt, dass die Pläne zwischen Russland und Deutschland, einen Ausbau der Gaspipeline Nord Stream voranzutreiben, unter Umständen auch zur Spaltung Europas beitragen könnten. Das ist natürlich heute ich sehe Ihre Absprache schon Thema auf dem Gipfel. Dennoch möchte ich Sie als Sprecherin des Auswärtigen Amts fragen, wie Sie das sehen. Sehen Sie Probleme im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit Italien?

An das Wirtschaftsministerium: Geht da Wirtschaft vor Diplomatie?

SRS’IN WIRTZ: Herr Blank, Sie haben das natürlich richtig gedeutet, dass wir uns hier auf der Bank schon jedenfalls mit Blicken verständigt haben. Richtig ist, dass dieses Thema in Brüssel diskutiert wird. Insofern möchte ich gerne auf diese Diskussionen, die in Brüssel geführt werden, verweisen. Heute Nachmittag gibt es ja auch noch einmal eine Pressekonferenz mit der Kanzlerin, und dort wird sie dann, so die Fragen kommen, sicherlich etwas dazu sagen können.

Grundsätzlich kann ich sagen, dass Nord Stream ein Projekt verschiedener europäischer Unternehmen gemeinsam mit Gazprom ist und dass für dieses Vorhaben gilt, was für jedes Projekt gilt, nämlich dass es sich sozusagen an die Vorgaben des europäischen Rechts zu halten hat hier ganz konkret das 3. EU-Energiebinnenmarktpaket, das die entsprechenden Vorschriften vorgibt. Es wird also darum gehen, ob das Projekt auch mit diesen Vorschriften zu vereinbaren ist. Die Diskussion wird aber heute in Brüssel stattfinden.

ZUSATZFRAGE BLANK: Trotzdem noch einmal die Frage an das Außenministerium, nachdem sich der nicht ganz so unwichtige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses geäußert hat: Befürchten Sie, dass durch dieses Projekt eine Spaltung der EU vorangetrieben werden könnte oder dass eine Spaltung drohen könnte?

CHEBLI: Ich habe dem, was Frau Wirtz zu diesem Thema gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Die Musik spielt jetzt in Brüssel, und dort wird darüber beraten und gesprochen. Es wird dann auch eine Pressekonferenz geben. Ich sehe mich hier jetzt nicht in einer Position, in der ich das von der Seitenlinie aus zu kommentieren habe.

ZUSATZFRAGE BLANK: Das ist schade, aber ich denke, das gilt dann auch für das Wirtschaftsministerium?

DR. BRAAMS: Das gilt dann auch für mich, ich habe dem Gesagten nichts hinzuzufügen.

FRAGE JUNG: Frau Chebli, Frau Wirtz, mit welchen Argumenten versucht denn die Bundesregierung, die osteuropäischen EU-Staaten davon zu überzeugen, dass Nord Stream 2 eine tolle Sache ist?

SRS’IN WIRTZ: Herr Jung, „nice try“, aber die Argumente möchte ich gerne der Kanzlerin überlassen, die gerade die Gespräche in Brüssel führt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ist das so zu verstehen, dass Sie diese Argumente noch suchen?

SRS’IN WIRTZ: Fast richtig.

ZUSATZFRAGE JUNG: Fast?

SRS’IN WIRTZ: Fast richtig.

FRAGE DR. VON MALLINCKRODT: Frau Wirtz, am Mittwoch tagten ja die Geheimdienstkontrolleure, die auch eine ziemlich harsche Kritik am BND übten, und zwar dahingehend, dass man sich in zwei Drittel der untersuchten sogenannten Selektoren offenbar nicht an das Recht gehalten hat. Können Sie das einfach noch einmal aus Sicht des Kanzleramts kommentieren?

Was für Konsequenzen soll das haben? Es gab Medienberichte, dass drei Mitarbeiter des BND in diesem Kontext ich weiß es nicht entlassen worden oder auf andere Posten gehoben worden seien. Können Sie sich dazu bitte einmal äußern?

SRS’IN WIRTZ: Was Personalfragen innerhalb des BND betrifft, halte ich es so wie der BND selber: Zu solchen Personalfragen kann ich mich nicht äußern.

Abgesehen davon ist es richtig, dass es einen entsprechenden Bericht am Mittwoch gegeben hat. Wir haben dazu am Mittwochabend ja auch noch eine Presseerklärung herausgegeben. Ich kann mich im Grunde nur darauf beziehen und sagen, dass die Bundesregierung die Untersuchungen durch das PKGr begrüßt und auch die Taskforce so hieß ja die Gruppe, die sich praktisch mit diesen Vorwürfen auseinandergesetzt hat in ihrer Arbeit unterstützt hat.

ZUSATZFRAGE DR. VON MALLINCKRDOT: Es gab einen Beschluss, der so eine Art Abschlusserklärung war. Jetzt möchte man eine BND-Reform und zwei neue Gesetze auf den Weg bringen. Geht das Bundeskanzleramt dabei mit?

Nach dieser Besprechung gab es teilweise die Aussagen, dass diese BND-Affäre, wenn man sich die Selektoren ansieht, mittlerweile auch NSA-Ausmaße hätte. Wie kommentieren Sie das?

SRS’IN WIRTZ: Richtig ist, dass an klarstellenden Regelungen gearbeitet wird. Es ist richtig, dass in der Tat an einem BND-Gesetz und auch an einer gesetzlichen Klarstellung für das PKGr selber gearbeitet wird. An diesen Gesetzentwürfen wird in unterschiedlichen Gremien natürlich im Parlament und vonseiten der Bundesregierung gearbeitet. Man ist in guten Gesprächen, dass man zu Lösungen und Einigungen kommt.

Dazu, was die Ausmaße anbelangt, möchte ich mich jetzt nicht verhalten. Es ist richtig, dass es hier um verschiedene Sachverhalte geht, was in Ihrer Frage ja schon angelegt war. Es geht einmal um die NSA-Selektoren, und es geht um die BND-eigenen Selektoren. Ich möchte das, was die Tragweite anbelangt, jetzt nicht miteinander vergleichen. Richtig und wichtig ist nur, dass der Sachverhalt umfänglich aufgeklärt wird. Das PKGr ist dabei, das mit seiner Taskforce zu machen. Diese Arbeit unterstützt die Bundesregierung.

ZUSATZFRAGE DR. VON MALLINCKRDOT: Es ist ja sozusagen schon eine Abschlusserklärung mit einem ziemlich harschen Urteil gewesen. Deswegen würde ich Sie bitten, ein bisschen näher aus Sicht des Kanzleramtes einzuschätzen, was das über die Arbeit des BND in der Vergangenheit aussagt, und zwar vor allem vor dem Hintergrund, dass das Kanzleramt 2013 bereits über diese BND-Selektoren informiert wurde.

SRS’IN WIRTZ: Ich kann noch einmal auf Folgendes verweisen: Wir hatten schon im April eine entsprechende Pressemitteilung herausgeben, in der wir gesagt haben, dass es sozusagen gewisse Defizite gibt, die man im Wege der Fach- und Rechtsaufsicht beim BND festgestellt hat. Über diese Vorgänge hat das Bundeskanzleramt das PKGr immer entsprechend informiert. Insofern ist diesen Fragen im PKGr nachgegangen worden. Es wird auch das haben wir aber schon im April angekündigt auch entsprechende organisatorische Neustrukturierungen geben, um eben solchen Defiziten in Zukunft vorbeugen zu können. Es wird unabhängig davon Meldepflichten geben, dass in Zukunft höhere Instanzen und andere Verantwortlichkeiten geschaffen werden.

FRAGE DR. KÜRSCHNER: Eine Frage zum BND, aber nicht im Zusammenhang mit dem PKGr. Frau Wirtz, es geht um eine Meldung der „BILD“-Zeitung, der BND beabsichtige, in Damaskus eine feste Einrichtung zu schaffen und die Bundesregierung wolle darüber Anfang des nächsten Jahres entscheiden. Hintergrund ist die bessere Ausforschung des islamistischen Terrors.

SRS’IN WIRTZ: Diese Pressemeldung habe ich auch wahrgenommen. Es gibt auch eine entsprechende Frage im parlamentarischen Raum, die sich auf diesen Themenkomplex bezieht. Leider kann ich diese Frage nur so bescheiden, wie sie auch dem Abgeordneten beschieden worden ist, dass ich nämlich zu solchen operativen Details der Arbeit des Bundesnachrichtendienstes keine Stellung nehmen kann.

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, Sie sagten gerade, dass Sie vor einem halben Jahr hier auch schon von Defiziten gesprochen haben. Können Sie einmal sagen, was diese Defizite sind?

Sie haben gerade von organisatorischen Neustrukturierungen gesprochen. Was soll das heißen?

SRS’IN WIRTZ: Ich kann jetzt nicht mit Ihnen besprechen, wie im Einzelnen eine Neustrukturierung des BND vorgenommen wird. Wichtig ist das ist der Bundesregierung wichtig , dass Defizite festgestellt worden sind und dass man an einer Struktur arbeitet, dass sich diese Defizite in Zukunft nicht wiederholen. Daran wird gearbeitet. Einen Punkt habe ich eben schon angedeutet, dass es nämlich insofern um Meldepflichten geht, als man andere Verantwortlichkeiten hat, wenn es um bestimmte Fragen geht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie müssen ja nicht konkret werden. Aber können Sie irgendwie der Öffentlichkeit sagen, wie neu strukturiert wird? Wie kann man sich das vorstellen?

SRS’IN WIRTZ: Dass es zum Beispiel das habe ich ja gerade gesagt entsprechende Benachrichtigungen und auch Meldepflichten in Bezug auf andere oder höhere Verantwortungsebenen gibt. Das ist ein Beispiel, wie es darum gehen soll, solchen Vorkommnissen, wie es sie gegeben hat, in Zukunft vorzubeugen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie noch weitere Beispiele nennen? Dieses Beispiel wiederholen Sie ständig.

SRS’IN WIRTZ: Das ist ein Beispiel, das ich Ihnen nennen kann. Darüber hinausgehend kann ich Ihnen keine Beispiele nennen.

FRAGE BLANK: Schließen Sie sich denn, Frau Wirtz, der Beurteilung der Taskforce an, dass es sich bei einem Teil der vom BND eingesetzten Selektoren um rechtswidrig eingesetzte Selektoren handelt?

SRS’IN WIRTZ: Ich möchte jetzt nicht in irgendeiner Form den Bericht der Taskforce bewerten. Das ist in der Tat eine Frage, die innerhalb des Parlamentarischen Kontrollgremiums besprochen werden muss. Es ist ja auch so, dass das Kanzleramt dort mit zwei Vertretern anwesend war und dass diese Fragen dort diskutiert werden. Insofern kann ich nur sagen, dass die Bundesregierung grundsätzlich begrüßt, dass es diesen Bericht und diese Untersuchung gegeben hat.

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, wann ist denn damit zu rechnen, dass der BND nach Recht und Gesetz arbeitet?

SRS’IN WIRTZ: Herr Jung, es ist so, dass der BND grundsätzlich nach Recht und Gesetz arbeitet. Es ist so, dass es bestimmte Defizite gegeben hat; das ist richtig. Es ist so, dass dann, als diese Defizite festgestellt worden sind, die vorgeschriebenen Wege eingehalten worden sind, dass nämlich dann, als diese Defizite festgestellt worden sind, das Bundeskanzleramt insofern eingegriffen hat, als dass es auch das PKGr über entsprechende Defizite benachrichtig hat und dann die Schlüsse daraus gezogen worden sind, um in Zukunft solche Defizite zu beheben.

FRAGE: Eine Frage an das Bundesjustizministerium. Am 31. Dezember laufen die Urheberrechte von Hitlers Buch „Mein Kampf“ aus. Es soll eine neue wissenschaftlich kommentierte Ausgabe geben. Wie verhält es sich eigentlich mit nicht wissenschaftlich kommentierten Ausgaben, die theoretisch ab 1. Januar auf den Markt gebracht werden können? Wie verhält sich der Bundesjustizminister dazu?

ZADO: Mir sind keine Pläne für Kommentierungen und Ausgaben bekannt. Ich kann aber gerne noch einmal nachhören, ob es dazu einen Stand gibt und würde diesen dann nachreichen.

ZUSATZFRAGE: Wissen Sie denn, ob es eine Vereinbarung zwischen den Justizministern der Länder und dem Bundesjustizministerium gibt? Meiner Erinnerung nach haben sich die Justizminister der Länder einmal darauf geeinigt, dass es keine unkommentierte Neuauflage geben soll. Gibt es irgendein Gesetz in der Entwicklungsphase, das vor einem Abschluss, vor der Veröffentlichung steht?

ZADO: Das ist mir nicht bekannt. Wenn sich dahingehend in den letzten Monaten etwas getan hat, würde ich das auch nachreichen müssen. Ich habe darüber nichts gehört, würde das aber noch einmal nachprüfen wollen.

FRAGE JUNG: Herr Zado, Herr Dimroth, die bayerische Landesregierung möchte dem bayerischen Landesverfassungsschutz erlauben, Zugriff auf die Vorratsdaten zu erlangen. Ist das aus Sicht der Bundesregierung möglich?

DR. DIMROTH: Die Frage würde ich gerne an das für dieses Gesetz federführend zuständige Bundesjustizministerium weiterreichen.

ZADO: Wir können die Frage nicht beantworten, weil das ein Kabinettsbeschluss der bayerischen Landesregierung ist. Zu Kabinettsbeschlüssen von Landesregierungen können wir nichts sagen so auch in diesem Fall ; schon gar nicht, bevor sich das Parlament damit befasst hat.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Zado, Ihr Ministerium ist Urheber des neuen VDS-Gesetzes. Dann müssen Sie doch wissen, ob in dem Gesetz steht, dass Landesverfassungsschutzbehörden Zugriff darauf haben oder nicht. Der BND und der Bundesverfassungsschutz haben ganz klar keinen Zugriff, was in dem Gesetz steht. Laut TKG dürfen Daten nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr abgerufen werden. Für so etwas ist doch eigentlich die Polizei zuständig. Sie müssen doch wissen, ob ein Landesverfassungsschutz darauf Zugriff haben kann oder nicht. Sie haben das Gesetz geschrieben.

ZADO: Das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten erlaubt in dem neu geschaffenen § 113c Absatz 1 Nummer 2 TKG die Übermittlung der Speicherdaten an eine Gefahrenabwehrbehörde der Länder, wenn dies durch eine landesgesetzliche Regelung erlaubt wird und die Übermittlung der Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes dient.

Das ist die gesetzliche Regelung, die wir geschaffen haben. Diese Regelungen, die die Länder aufgrund dieser Ermächtigung beschließen, die jetzt im Entwurf in Bayern vorliegen, sind Sache der Länder. Deswegen haben wir das ja an diese Länder delegiert, und sie sind diejenigen, die das entscheiden. Das kann ich jetzt nicht kommentieren.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ist eine Landesverfassungsschutzbehörde zuständig für Gefahrenabwehr? Herr Dimroth, das müssten Sie auch wissen. Das gebe ich einmal als Lernfrage an das Innenministerium.

ZADO: Ich kann das nicht beantworten, weil das einfach von den Zuständigkeiten und Befugnissen der Landesbehörden abhängt. Die Behördenstruktur und die Befugnisse von Landesbehörden können wir als Justizministerium im Bund nicht kommentieren oder bewerten.

DR. DIMROTH: Genau so ist es. Es gibt keine feststehende bundesgesetzliche Definition der Gefahrenabwehrbehörde. Das hängt eben sehr davon ab, wie jeweils die Aufgabenzuweisungen an die einzelnen Landesverfassungsschutzbehörden ausgestaltet sind. Insofern verbietet sich eine allgemeine abstrakte Bewertung, die ich dementsprechend hier auch nicht für Sie trotz Anerkennung Ihres Lerninteresses vornehmen kann.

FRAGE JENNEN: Eine Frage an Frau Wirtz. Der ukrainische Premierminister hat angekündigt, dass die Ukraine den Russland-Kredit am 20. Dezember nicht zurückzahlen wird. Die Bundesregierung versucht angeblich, hier einen Kompromiss zu erzielen. Sehen Sie dafür im Moment noch Chancen?

SRS’IN WIRTZ: Frau Jennen, dazu kann ich Ihnen, ehrlich gesagt, nichts sagen. Die Antwort würde ich nachreichen.

FRAGE SIEBERT: Meine Frage bezieht sich auf den Verdacht, dass der Attentäter auf die Oberbürgermeisterkandidatin Reker V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen sei. Das Innenministerium hat dazu eine Auskunft gegeben bzw. Auskunft verweigert. Die Grünen sagen, in anderen Fällen sei zu solchen Fragen, ob jemand V-Mann war oder nicht, im Negativfall durchaus Auskunft gegeben worden. Muss man jetzt daraus schließen, dass Ihre Antwort durch die Blume heißt, dass der Mann V-Mann war? Dann wäre die Frage: Bis wann?

DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage. Nein, das darf man daraus nicht schließen.

Die Kritik der Grünen haben wir sehr wohl zur Kenntnis genommen. Es ist insoweit allerdings nicht ganz zutreffend, als dass in der Vergangenheit regelmäßig in anderer Form zu solchen Fragen Auskunft gegeben wurde.

Es ist umgekehrt der Fall, dass wir sehr regelmäßig und in lang etablierter Praxis zu solchen Fragen so antworten, wie wir es in diesem Fall getan haben. Ich kann Ihnen gleich kurz erläutern, warum das der Fall ist. Ich hatte das am Mittwoch auf eine Frage von Herrn Jung schon versucht, kann das aber gerne noch einmal etwas vertieft tun.

Jedenfalls ist es richtig, dass es im Zusammenhang mit dem sogenannten NSU Ausnahmen gab, wo auf solche Fragen anders geantwortet wurde. Das hatte aber tatsächlich mit dem sehr spezifischen und nicht so ohne Weiteres auf andere Sachverhalte aus vielerlei Gründen ich glaube, das erklärt sich von selbst übertragbaren Umständen im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex zu tun, wo eben das öffentliche und auch das parlamentarische Interesse in einer jedenfalls zugespitzten Phase doch derart überbordend groß war, dass man sich da zu einzelnen Sachverhalten in extrem gelagerten Ausnahmefällen verhalten hat das ist richtig , und zwar, wenn ich es richtig erinnere, positiv und nicht negativ.

Noch einmal zu der grundsätzlichen Frage, wie man diese Antwort interpretieren kann: Diese Antwort stellt ja letztendlich darauf ab, die Aufgabenerledigung der Verfassungsschutzbehörden nicht zu gefährden, insbesondere aber auch Leib und Leben von möglicherweise als V-Mann eingesetzten Menschen nicht in Gefahr zu bringen; genau deshalb verhält sie sich zu solchen Fragen nicht. Insofern kann man daraus eben gerade nicht schließen, dass damit sozusagen verklausuliert eine Antwort in die eine oder andere Richtung verbunden wäre.

Die Schwierigkeit ist schlichtweg folgende: Auch in Fällen, in denen man eine negative Auskunft geben könnte, verbietet sich eine solche Auskunft, denn ansonsten könnte sowohl die Öffentlichkeit, aber auch Dritte, die damit möglicherweise Schindluder treiben wollen, aus all den Antworten, die dann im Folgenden so ausgehen wie die jetzige, nämlich indem man auf einen Abwägungsprozess verweist, der eine Auskunft in der Sache verbietet, schließen, dass in diesen Fällen die Antwort „Ja“ wäre, während in den Fällen, in denen man sich ausdrücklich verhält, die Antwort „Nein“ ist. Das kann nicht richtig sein. Deswegen ist es geübte Praxis, zu diesen Fällen und diesen Fragen grundsätzlich nicht zu antworten und auch in negativen Fällen nicht zu antworten, weil man daraus schließen könnte: Immer dann, wenn man in Sache nicht antwortet, wäre es eine positive Auskunft. Das würde sowohl die Aufgabenwahrnehmung als auch die betroffenen Personen maßgeblich beschädigen und gefährden.

FRAGE JUNG: Herr Dimroth, kann Ihr Minister also damit leben, wenn die Öffentlichkeit denkt: „Na ja, weil sie nichts sagen, wird das wahrscheinlich ein V-Mann sein“?

Frau Wirtz, wie bewertet denn die Kanzlerin, dass möglicherweise ein V-Mann der Attentäter im Fall von Frau Reker war?

SRS’IN WIRTZ: Erst einmal kann ich mich, Herr Jung, dieser Einschätzung in keiner Weise anschließen. Nachdem Sie gehört haben, was Herr Dimroth dazu gesagt hat, gibt es ein bestimmtes Ansinnen dahinter, die Frage so zu beantworten, wie sie beantwortet wird, dass nämlich aus der Beantwortungspraxis keine Rückschlüsse auf andere Fälle gezogen werden. Deshalb ziehe ich als Sprecherin der Bundesregierung nicht den Schluss daraus, dass ich das irgendwie bewerten könnte, und deshalb kann ich das auch nicht im Namen der Bundesregierung oder der Bundeskanzlerin bewerten.

DR. DIMROTH: Zu Ihrer Frage, Herr Jung: Nachdem ich noch einmal sehr ausdrücklich dargelegt habe, welche Gründe zu dieser Antwortpraxis führen, ist es eigentlich jetzt nur noch an Ihnen, das auch so weiter zu erklären, dass dieser Eindruck eben gerade nicht entsteht. Insofern hoffe ich, dass das mit heute ausgeräumt ist. Diese Frage stellt sich schlicht nicht.

ZUSATZFRAGE JUNG: An Verkehrs- und Bundesfinanzministerium zur geplanten Bundesautobahn-Gesellschaft. Ich würde gerne allgemein wissen, welche Motive dahinter stecken. Ich habe gelernt, dass der Staat Steuern einnimmt, um genau so etwas zu tun, also Autobahnen zu bauen. Warum braucht es jetzt Investoren?

Mit welchen Anreizen sollen diese Investoren gelockt werden?

SUSTECK: Ich kann gerne beginnen. Herr Jung, es gibt in Deutschland zurzeit das System der sogenannten Auftragsverwaltung. Das heißt, für die Ausführung der Autobahnbauarbeiten sind in Deutschland die Länder zuständig. Der Bundesverkehrsminister hat in der Vergangenheit Sympathien dafür geäußert, diese Kompetenz auf den Bund zu überlagern, weil die Qualität der Bauverwaltung, also der Auftragsverwaltung, in den Ländern sehr unterschiedlich ist. Das ist der konkrete Hintergrund. Für eine solche Reform der Auftragsverwaltung ist eine Grundgesetzänderung erforderlich. Es wird jetzt in Verhandlungen mit den Ländern zu klären sein, ob es dazu kommt.

DR. WEISSGERBER: Zum Beispiel hat sich die sogenannte Fratzscher-Kommission mit der Bereitstellung von Infrastruktur in Deutschland beschäftigt, ob es eben in Deutschland so ist, dass wir eine Ausweitung der Ausgaben für öffentliche Infrastruktur brauchen. Ein Ergebnis dieser Fratzscher-Kommission war der Vorschlag, so eine Infrastrukturgesellschaft einzurichten. Die Überlegung ist: Einerseits muss es möglich sein, auch privates Geld, privates Kapital für die Bereitstellung von Infrastrukturleistungen, so zum Beispiel Autobahnen, zu mobilisieren.

Es ist möglich, zum Beispiel große Kapitalsammelstellen wie Pensionsfonds, Versicherungen hierfür zu gewinnen. Dafür braucht man aber eine andere Rechtsform. Das kann man nicht so machen, wie es jetzt organisiert ist, sondern man braucht eine privatrechtliche Rechtsform, so zum Beispiel eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH, die in der Lage ist, privates Kapital aufzunehmen. Damit einhergehen würde dann auch das ist auch eine Hoffnung eine effizientere Bereitstellung von Infrastrukturleistungen von Autobahnen und Bundesfernstraßen , dass man eben da, wo der Bedarf ist, entsprechend Autobahnen baut, dass man kostengünstiger Autobahnen baut und damit ein Stück weit den ganzen Prozess entpolitisiert.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage war: Warum braucht es privates Geld, warum braucht es Investoren? Der Bau von Infrastruktur dient doch dem Gemeinwohl. Wenn Investoren dabei sind, muss doch ein Profitdenken dahinter stecken. Die Frage war ja auch: Mit welchen Anreizen will man Investoren locken? Wo verspricht man denen Profit?

DR. WEISSGERBER: Man darf das nicht auf diese Frage begrenzen oder auf das Profitdenken beschränken.

ZURUF JUNG: Das war jetzt meine Frage!

DR. WEISSGERBER: Ja, aber man darf es nicht nur so sehen. Sondern es geht um die effiziente Bereitstellung dieses Gutes Autobahn/Fernstraßen. Ist es möglich, ist es im Interesse der Bürger, derjenigen, die dieses Gut nutzen, besser bereitzustellen? Gibt es dafür andere Möglichkeiten als die, das über den Staatshaushalt zu machen?

Ein gutes Beispiel, wo es solche Verbesserungen gegeben hat, war zum Beispiel die Bahnreform in den 90er Jahren oder auch andere Privatisierungen von vormals öffentlichen Leistungen. In Österreich macht man damit auch schon gute positive Erfahrungen. Insofern darf man nicht immer denken, dass bestimmte Aufgaben nur über den Staatshausalt bereitgestellt werden müssen. Es gibt auch andere Formen. Über diese Formen wird eben nachgedacht. Es muss nicht alles über Steuern und den Haushalt gemacht werden, sondern auch über neue innovative Formen. Das ist eben eine dieser Formen, die diskutiert wird.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es bahnt sich also eine Privatisierung des Autobahnbaus an?

DR. WEISSGERBER: Das ist erst einmal ein Vorschlag, der von Bundesseite in die Verhandlungen mit den Ländern eingebracht wird. Es gibt ja gerade diese Bund-Länder-Finanzverhandlungen. Hierbei ist es ein wichtiges Anliegen des Bundes, dass wir uns mit den Ländern einigen können. Wie der Kollege sagte, brauchen wir dafür eine Grundgesetzänderung. Das kann man nicht mal so eben machen. Das ist auch nicht eine Sache der nächsten Monate und Jahre, sondern dafür ist ein langer Vorlaufprozess notwendig. Es ist aber sinnvoll, darüber zu sprechen, ob man nicht eine effizientere und bessere Bereitstellung im Interesse der Bürger machen kann.

 

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