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Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) – Folge 252

Zu Gast in Erfurt reden wir mit dem ersten und bisher einzigen linken Regierungschef in Deutschland: Bodo Ramelow, Thüringens Ministerpräsident. Warum ist Bodo Sozialist? Was hat er schon verstaatlicht? Was ist Armut, was ist Reichtum? Wie hält er es mit der NATO? Gibt es Hass in Deutschland? Welche Fehler hat er in der Flüchtlingssituation bisher gemacht? Was sind für ihn Fluchtgründe und was nicht? Wer sind Wirtschaftsflüchtlinge? Ist Thüringen attraktiv genug für Flüchtlinge? Wie viele Flüchtlinge sind bereits in Arbeit oder in Sprachkursen? Was ist am Solidaritätszuschlag so toll? Warum gibt es in Thüringen noch den Verfassungsschutz? Ist Bodo ein „Gefährder“? Und welche persönlichen Erfahrungen hat er mit den NSU-Mördern gemacht?

Das und vieles mehr in Folge 252 mit Bodo Ramelow – die anschließende Bonusfolge mit EUREN Fragen gibt’s morgen (bzw. wird hier nachgereicht)

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Transkript (von Stefan Zwierlein & Thorben Meyer)

Wo sind wir?

In der Thüringer Staatskanzlei Erfurt! Die wunderschöne Stadt Erfurt.

Ob es so schön ist, weiß ich nicht.

Es lohnt sich einfach mal rumzugehen und zu gucken. Man soll nicht nur jung und naiv sein, sondern auch mal hingucken. Diese Stadt ist wunderschön!  

 

Jung und Naiv kann ja auch neugierig bedeuten.

Das will ich doch hoffen. Sonst hätte ich mich mit dir gar nicht getroffen.

 

Wer bist du?

Ich bin Bodo Ramelow, der Ministerpräsident von Thüringen.

 

Ist das was besonderes?

Es ist einem Bundesland der oberste Repräsentant und damit derjenige, der nicht nur an diesem Ort, an dem wir jetzt gerade sitzen, sondern drum rum die Räume. Hier tagt die Landesregierung, hier werden Regierungsentscheidungen getroffen und hier wird ab und zu auch Politik gemacht.

 

Du bist der Chef? Du bist der Chef in Thüringen?

Das kann man so sagen. Die Besonderheit ist natürlich in Thüringen, dass wir eine Dreier-Koalition sind und in soweit bin ich alles mögliche. Ich bin Sozialdemokrat und ich bin grün-ökologisch und ich bin demokratisch-sozialistisch.

 

Du hast eine gespaltene Persönlichkeit.

Nee, drei Einigkeit. Das dreier Element gehört zusammen. Die drei Teile, die gleichberechtigt zusammen hier Landespolitik gestalten. Hat es in Deutschland noch nicht gegeben, ist noch nie versucht worden und wir praktizieren es jetzt schon ein erfolgreiches Jahr zusammen.

 

Und geht bald zu Ende?

Es sind noch vier Jahre vor uns.

 

Okay. Du bist in welcher Partei?

Ich komme von der LINKEN.

 

Ist das was besonderes? Als Regierungschef?

Das ist auch einmalig. Das hat es auch noch nie gegeben.

 

Warum nicht?

Weil bisher die LINKE eine Oppositionspartei war oder die LINKE immer ein bestimmtes Klientel abgebildet hat, das nie ausgereicht hat um den Ministerpräsidenten zu stellen. Das war immer der kleinere Partner. Hier in Thüringen sind wir der größere Partner.

 

Welches Klientel repräsentierst du denn?

Wenn wir die Entwicklung der neuen Länder nehmen, also ehemalige DDR und was daraus entstanden ist. Die ganzen Brüche, die mit dem Ende der DDR zusammenhingen, haben dazu geführt, dass Menschen arbeitslos geworden sind und dass industrielle Produktionen verloren gegangen ist. Auch aus solchen Niederlagen heraus und solchen Veränderungsprozessen gibts ein bestimmtes Wahlklientel, das sich immer an die Idee eines demokratischen Sozialismus verschworen gesehen haben oder zugeordnet haben, innerlich zugeordnet haben. Ich selber komme ja aus Westdeutschland und war immer der Meinung, dass wir jenseits von dem was immer so als das alternativlose betrachtet wird, also wenn an der deutschen Börse um die Zukunft unseres Lebens gehandelt wird.

 

Ja, klar.

Wirds aber nicht. Da werden einfach nur Börsenkurse festgelegt und da wird einfach nur mit Geld und Vermögen hin- und herjongliert, aber Zukunftsthemen müssen wir uns schon als Menschen selber erarbeiten. Da war ich der Meinung, dass man mit dieser Partei des Demokratischen Sozialismus, so hieß die mal, PDS, dass man mit dieser Partei des demokratischen Sozialismus sich aufmachen sollte und eine gesamtdeutsche Alternative am linken Spektrum unserer Gesellschaft zu etablieren, als demokratische Kraft.

 

Warum bist du Sozialist?

Ich bin jemand der der Meinung ist, dass eine Verantwortung für jeden Menschen dann fest gegeben werden kann, wenn der Wert des Menschen nicht an der Börse gehandelt wird. Wenn der Wert des Menschen nicht an Zinserträgen gemessen wird, sondern der Wert des Menschen im mitmenschlichen Umgang und der persönlichen Chance liegt. Als Sozialist bin ich der Meinung, dass man eine Marktwirtschaft gut organisieren kann wenn die Marktwirtschaft aber Leitplanken bekommt. Diese Leitplanken bedeuten, dass niemand durch marktwirtschaftliches Geschehen am Ende arm ist, oder arm bleibt, oder Kinder einfach in der Armut groß werden und damit Armut zur Ausgrenzung wird. Ich will es dir mal so sagen: Ich bin jetzt ein paar Tage alt und habe auch demnächst Geburtstag.

 

Wie alt?

Ich werde 60. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind unter Armutsbedingungen groß geworden bin. Da  aber alle Nachbarkinder genauso gelebt haben, hat mich das nicht gestört und es hat mich auch bis heute nicht beklemmt. Ich nehme es einfach nur zur Kenntnis, dass wir relativ wenig an materiellen Wert hatten, aber einen hohen Wert an gemeinsamen Umgang. Das finde ich im Nachhinein immer noch gut und wichtig. Heute führt Armut dazu, dass Kinder ihre Lebenswege nicht mehr geordnet kriegen, dass sie benachteiligt sind und das halte ich für einen falschen Weg und deswegen denke ich, dass man als demokratischer Sozialist darüber nachdenken sollte, dass der Mensch im Vordergrund steht und nicht die Vermögensmasse oder die Verwertungsqualität.

 

Wenn wir bei dem Bild deiner Kindheit bleiben, dass du arm warst, aber dein Umfeld auch und keiner es gemerkt hat: Warum machen wir es nicht so für ganz Deutschland? Also wir lassen alle arm werden und dann merkts doch keiner.

Ja gut, dass so viele arm werden, daran arbeiten wir ja in der Gesellschaft.

 

Du auch?

Das ist ja das Gegenteil von dem wofür ich wirke. Das Gegenteil, das Gegenteil. Wenn der Reichtum der einen auf dem Rücken der anderen erarbeitet oder verteilt wird, also wenn der Arme und der Reiche sich angucken und der Arme sagt “wärst du nicht reich, wär ich nicht arm” nach Bert Brecht, dann glaube ich, dass das eben der Weg in die falsche Richtung ist. Der Reiche sollte sich Gedanken machen über das, was an Armut in unserer Gesellschaft entsteht, weil Reichtum und Armut, hat Ludwig Erhard gesagt, sollten sich immernoch die Waage halten, sollten wenigstens noch eine innere Beziehung geben zwischen denen, die in einer Gesellschaft leben, weil ein Reicher kann sich so viel Reichtum auch gar nicht aneignen um damit glücklich zu werden.

 

Wann ist man arm in Deutschland?

Wenn man weniger als die Hälfte der des Durchschnittes hat, der statistisch gemessen wird. Das ist ein statistischer Begriff.

 

Das wäre?

Das sind ungefähr, der Regelsatz liegt bei 900, das ist die Pfändungsfreigrenze, 900 Euro im Monat. Der Hartz IV Regelsatz liegt deutlich darunter. Das heißt, der Gesetzgeber garantiert einen höheren Satz schon als Pfändungsfreigrenze und selber sorgt er für ein viel geringeren Satz und unter diesen Bedingungen ein Kind aufwachsen zu lassen. Wir haben leider eine viel zu hohe Kinderarmut in unserem Land. Bedeutet, dass diese Kinder zum Beispiel an bestimmter Form der Teilhabe sehr massiv ausgegrenzt werden.

 

Wann ist man reich?

Also erstmal reich an Erfahrung ist man schon wenn man einige Jahre gelebt hat.

 

Also bist du reich?

Ich bin ziemlich reich. Ich hab schon einiges erlebt und ich freue mich immer, mein Geburtstag ist ja der 16. Februar und das war der Tag der Hamburger Sturmflut, den hab ich sehr bewusst erlebt, war mein 6. Geburtstag. Der Aufstieg von Helmut Schmidt als Deichgraf geht mit diesen 16. Februar einher und deswegen erinnere ich mich an diesen Tag, nicht an Helmut Schmidt, sondern an die Sturmflut, weil ich in Norddeutschland groß geworden bin und die unmittelbare Gefahr der Sturmflut erlebt habe. Nochmal zu der Frage reich: Es geht um die Frage der Vermögenswerte die ein Mensch zu Verfügung hat. Ich glaube, auch der Reichtumsbegriff ist ein statistischer. Man kann mit einem Euro reich sein, wenn man damit gut umgehen kann, man kann aber auch über Millionen und Abermillionen verfügen und trotzdem diesen Reichtum einsetzen für die Nachbarschaft oder für die Menschlichkeit. Ich kenne auch sehr vermögende Menschen, die sehr sorgsam mit ihrem Geld umgehen und ich kenne andere, die sehr rücksichtslos damit umgehen.

 

Habt ihr den Reichen in Thüringen jetzt das Geld weggenommen?

Ich werde sonst immer gefragt, ob wir denn schon angefangen haben zu verstaatlichen.

 

Ja.

Es gibt ein Projekt, das würde ich gern verstaatlichen. Jetzt gucken hier ja nicht so viele zu deswegen wird sich das nicht so rumsprechen wenn ich das jetzt so sage.

 

Mhm.

Obwohl die Klicks bei dir sollen ziemlich viel sein.

 

Gerüchte.

Gerüchte?

 

Jaja.

Also: Verstaatlichung. Ums jetzt mal spektakulär zu sagen: Dieser Ministerpräsident von der Linken, der will verstaatlichen.

 

Breaking News.

Ja! Schlossanlage Reinhardsbrunn, das wird dir wieder nichts sagen.

 

Nö.

Das ist eine unserer kulturellen wichtigen Orte in Thüringen. Dieses Schloss ist leider von der Treuhand verkauft worden und ist unter Gauner geraten. Seitdem steht es leer und ist innendrin kaputt gemacht worden, es gehört aber zu unseren kulturellen Höhepunkten, zu unserem kulturellen Erbe. Wir versuchen es entweder gerade friedlich zu erwerben für einen Euro, oder es soll eben im laufe des Frühjahrs enteignet werden und ich bin gewillt, diese Enteignung zu praktizieren. Dann sind wir schon am Ende meiner Verstaatlichungsphantasien. Es gäbe noch sowas wie die Idee der Vergenossenschaftlichung, um jetzt nochmals was spektakuläres zu sagen. Wir haben ganz gute Volks- und Raiffeisenbanken, das sind ja Genossenschaften, wir haben ne ganze Menge Wohnungsgenossenschaften, wir wollen gerade unterstützende Energiegenossenschaften und Bürgergenossenschaften. Dass Bürger im ländlichen Raum anfangen, wieder ein Stück weit auch materiell ihre Geschicke selber in die Hand anzunehmen. Dabei möchte diese Landesregierung sie unterstützen.

 

Mhm.

Aber sonstige Fragen von Reichtumsumverteilung sind nicht zu erwarten, weil wir dürfen weder Steuerpolitik noch hier machen, noch dürfen wir tatsächlich vermögensrechtliche Entzug vornehmen, da ist auch das Grundgesetz vor. Das, was ich mir gern wünschen würde, wäre eine bundeseinheitliche Besteuerung wenn es um Erbschaftssteuern geht. Ich finde große Vermögen, die im Laufe von Generationen sich immer entwickeln und immer weiter entwickeln, das die einfach nur vererbt werden. Damit diese Vermögen entstehen konnten, waren auch bestimmte staatliche Grundvoraussetzungen da. Die müssen irgendwie bezahlt werden. Dass jeder in die Schule geht, dass gut gebildete Arbeitnehmer in diesem Land sind, dass wir einen Rechtsfrieden haben, dass wir sozialen Frieden haben.

 

Du träumst.

Nee, im globalen Maßstab sind wir da schon auf einer sehr sicheren Seite. Pass auf, möchtest du heute in Aleppo leben?

 

Nein.

Möchtest du in Bagdad leben?

 

Nein.

Oder in Afghanistan?

 

Da gibts sichere Gebiete.

Da soll es sichere Gebiete geben, ja ja.

 

Hab ich von der Bundesregierung gelernt.

Hab ich auch gelernt und war erstaunt. Ich frage mich dann, wofür eigentlich die letzten 40 Jahren dort Krieg stattgefunden hat und was das angerichtet hat. Wenn wir junge Afghanen zur Zeit hier her bekommen, junge Leute. Ich habe vor einigen Tagen mit einigen zusammen gesessen und ziemlich intensiv geredet und innerlich meine Vorstellung darüber nachzudenken, dass diese jungen Menschen, die vor mir sitzen, noch nie Frieden erlebt haben, noch nie erlebt haben, was es heißt, auf eine Polizei zu treffen, die tatsächlich auch dein Partner ist und tatsächlich für dich was tun kann. Und ein Gericht, in dem man auch was durchsetzen kann, nicht nur einfach belästigt wird.

 

Mhm.

Gut, jetzt ist nicht jeder glücklich in unserem Land und manch einer ärgert sich auch über dieses oder jenes, nur im Gesamtmaßstab, wenn ich mir den Rest des Globusses angucke, haben wir hier schon ganz gute Ausgangslagen um uns zu entwickeln und unser Leben zu gestalten.

 

Dann gibt’s ja nicht mehr viel zu tun für einen linken Ministerpräsidenten.

Doch, immer wieder, immer wieder. Es gibt nichts, was man nicht auch verbessern kann. Ich habe es ja schonmal gesagt: Kinderarmut, finde ich, sollten wir uns einfach nicht dran gewöhnen. Die Frage, ob bei der Friedenspolitik ein paar neue Akzente gesetzt werden, fände ich auch mal ganz spannend. Ich fänds mal ganz spannend darüber nachzudenken. Im Grundgesetz steht die Bundeswehr als eine militärische Institution, die dem Volk verpflichtet ist, dem Parlament verpflichtet ist.

 

Und der NATO.

Ja, genau da kommt jetzt der Punkt: ich würde mir einfach wünschen, NATO heißt ja Nordatlantikpakt. Jetzt bin ich am träumen.

 

Ja.

Ich träume davon, dass wir einen europäischen Friedenspakt schließen und in einem europäischen Friedensbündnis zusammenarbeiten und unsere Bundeswehr eine reine Landverteidigungsarmee wird. Eine Armee, die die Interessen unseres Landes, in unserem Land vertritt und nicht eine Armee, die als eine Interventionsarmee rund um den Globus geschickt wird. Ich würde mir wünschen wenn der Weltsicherheitsrat einfach verändert wird, dahingehend, dass auf jedem Kontinent dieser Erde ein Friedensprozess stattfindet. Das hat in Europa unter dem Namen KSZE begonnen, heißt heute OSZE. So ein Prozess in Afrika, in Amerika, in Asien, also so, das man sagt, überall dort, wo Staatengemeinschaften sind, organisieren die bitte ihre Auseinandersetzungen oder ihre Maßnahmen, die sie miteinander ergreifen wollen, selber. Und nur diese Vertreter der Kontinente wären dann diejenigen, die entscheiden im Weltsicherheitsrat, ob man das jeweilige Bündnis anruft oder nicht. Zurzeit ist es so, dass wir die Schlussergebnisse des zweiten Weltkrieges im Weltsicherheitsrat sitzen haben als die dauernden Vertreter.    

 

Ist schon 70 Jahre alt.

Ja, und vor 26 Jahren hatte ich den großen Traum als die Grenze aufging zwischen DDR und BRD, hatte ich den großen Traum, wenn diese Grenze sich öffnet, dass wir viel Kraft eigentlich dadurch gewinnen, weil wir nicht mehr den kalten Krieg weiterführen müssen. Nun erlebe ich 26 Jahre später, dass noch mehr Kriege da sind, wie wir sie vor 26 Jahren hatten und dass die Welt um uns herum außer Rand und Band ist. Wir haben 60 Millionen Flüchtlinge auf der Welt, wir haben eine Situation, wo immer wieder die Spirale der martialischen Gewalt in Gang gesetzt wird, auf einen Gewaltausbruch wird eine neuer gesetzt und jede militärische Intervention der letzten 10 Jahre hat zwar Despoten das Leben gekostet, und ich fand diese Despoten alle irgendwie richtig blöd und mies, aber das Ergebnis davon ist, dass diese Staaten komplett destabilisiert worden sind. Ich kenne keine Intervention, keine militärische Intervention, im arabischen Raum, die zu einer Verbesserung der Situation geführt hat. Jetzt erleben wir gerade Syrien, Irak und aktuell die Auseinandersetzung um Saudi-Arabien und den Iran. Das finde ich ziemlich beunruhigend.

 

Aber auf der anderen Seite müssen unsere deutschen Rüstungsunternehmen auch ein bisschen exportieren.

Ja, ich bin ja in der Friedensbewegung in Westdeutschland sozialisiert. Wir hatten den Spruch, da ging’s um NATO und Nachrüstung, und wir hatten den Spruch “nach Rüstung kommt Krieg”. Irgendwann musste das Material ja auch verbraucht werden. Ich habe einen spannenden Plot mit dir gesehen. Wo du den Regierungssprecher fragst, wieso denn die Atomraketen der Russen so böse sind, wenn die modernisiert werden, du hattest den Satz noch nicht gesagt, da saß ich schon hellwach am Fernseher und hab gesagt “ja, was ist denn mit den ganzen amerikanischen Atombomben, die in Deutschland lagern?”. Ich wusste ja, dass seit 30, 40 Jahren in Deutschland Atomwaffen lagern, obwohl wir ja keine Atommacht sind. Unsere Bundeswehr ist ja Teil der Abschussvoraussetzung über die die diese Waffen auch geschossen werden. Ich weiß das deswegen: Wenn man heute, es gibt eine Gedenkstätte in Thüringen, das ist Point Alpha, die liegt genau auf dem Grenzgebiet Hessen/Thüringen. Point Alpha war für mich als junger Kerl ein ganz wichtiger Ort. Das war die Stelle, an der die Amerikaner und die Sowjets direkt Auge in Auge gestanden haben. Wie auch wir als Friedensbewegung sind häufig dort gewesen zum Ostermarsch. Da gab’s ein Kinderspiel, das hieß “Fulda GAP”. Fulda GAP war ein Kinderspiel in Amerika, das war alles was heute Thüringen und Hessen ist, aufgezeichnet, so wie Monopoly, man konnte würfeln und dann sind da russische Panzer vorgefahren und sobald die in die Fuldaer Senke, deswegen heißt das “Fulda GAP”, sobald die in die Fuldaer Senke gefahren sind, die sowjetischen Panzer, das Spiel war so: Immer greifen die Sowjets an und die werden in die Fuldaer Senke fahren und von Gießen werden sie von taktischen Atomraketen beschossen. Das Ergebnis von diesem Kinderspiel, wenn es Realität geworden wäre, wäre die völlige Vernichtung des Ortes, wo wir hier gerade sitzen. Hier wäre radioaktiver Fallout gewesen in Größenordnung. Diese taktischen Atomraketen hätte nicht nur einfach sowjetische Panzer erledigt, sondern sie hätten ja tatsächlich die Zivilbevölkerung drumrum miterledigt. Dieses Spiel, Fulda GAP, hängt heute noch in Point Alpha in der Gedenkstätte. Deswegen werbe ich immer dafür, dass jeder junge Mensch auch mal hinfahren sollte nach Point Alpha, Point Alpha besichtigen sollte und sich angucken sollte, wie war die Grenzsicherung auf der DDR-Seite. Aber in dem amerikanischen Teil ist dieses Kinderspiel aufgezeigt und wenn man sich das zu Ende vorstellt und sagt, wenn die Militärlogik so ist, das immer der eine über den anderen taktisch gewinnen will und auf eine Atomrakete eine neue gesetzt wird. Deswegen fand ich das so faszinierend, wie du den Herrn Regierungssprecher da fragst, ob denn die russischen Raketen böse sind, also die russischen Atomwaffen böse sind und die modernisierten amerikanischen gut sind. Und er hat irgendwie keine Antwort gegen. Hat er dir eigentlich privat irgendwann nochmal ne Antwort gegeben?

 

Nö, wir reden privat nicht mehr so.

Achso. Er redet mit dir nicht. Weil du so nervig warst, oder was? Wobei ich fand das Nerven da völlig richtig. Ich hätte die gleiche Frage gehabt. Ich hätte nur nicht die Traute gehabt, so vehement immer nachzusetzen, so nachzusetzen, immer nochmal und nochmal und die Gesichter von den beiden waren so toll.

 

Mhm.

Der Regierungssprecher guckt so vom Verteidigungsministerium und der guckt irgendwie hilflos zurück. Ich hatte das Gefühl, dass bei beiden im Gesicht der innere Wunsch ablesbar war, hoffentlich verschwindet der jetzt. Wie könnte man den Jungen jetzt wegzaubern?

 

Mit ’ner Atombombe.     

Das wäre blöd gewesen, denn dann wären die auch alle versucht gewesen. Das war ja mal die Überlegung von Ronald Reagan. Diesem damaligen Cowboy, der auch mal amerikanischer Präsident war. Der hatte sich ja die Neutronenbombe gewünscht. Die hätte nur dich wegneutralisiert, war immer die Idee. Man kriegt da sowas atomares ohne Fallout, aber das stimmt alles nicht. Es bleibt dabei: Es ist auf der Welt mit Krieg kein Frieden zu machen. Frieden kann nur entstehen, wenn Menschen sich aushalten, wenn die unterschiedlichsten sich aushalten, auch die, die möglicherweise innerlich so voll Hass aufeinander sind, wenn die nicht lernen, ihren Hass in was friedliches zu wandeln, dann werden wir Probleme nicht lösen.

 

Siehst du Hass in Deutschland?

Ja. Aktuell massiv, ja. Wir haben ja aktuell die Erfahrung sammeln müssen, dass in Köln die Silvesternacht unglaublich aus dem Ruder gelaufen ist. Was da Frauen angetan worden ist, ist durch nichts zu rechtfertigen. Aber es bleibt bei mir die Frage: Wo war da eigentlich die Polizei? Warum schiebt der Bundesinnenminister das der Kölner Polizei in die Schuhe, wenn ein Teil davon im Bahnhof war, dann ist die Bundespolizei zuständig, dann wäre er selber zuständig.  Wenn er die Frage gestellt hätte: Was haben wir falsch gemacht?

Ich sage das jetzt mal selbstkritisch an mich selber: Wir haben einen Gewaltausbruch in Suhl gehabt, in unserer Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Da gab es eine Situation, da hat ein junger Afghane, der zum Christentum übergetreten ist. In Afghanistan, soweit unsere militärischen Interventionen in andere Länder, nach der militärischen Intervention der NATO in Afghanistan, wurde die Scharia eingeführt. Wird hier irgendwie nicht gar nicht zur Kenntnis genommen. Ich dachte immer, dass die Scharia ganz furchtbar wäre. Jedenfalls nach der NATO-Intervention ist die Scharia eingeführt worden und ein Afghane, der zum Christentum übertritt wird mit dem Tod bedroht. Und zwar staatlich sanktioniert, als staatliche Strafe.

 

Mhm.

Dieser junge Afghane hat sich nach Thüringen gerettet, kommt in Suhl an, trifft auf seinem Flur auf junge syrische Flüchtlinge, die vor dem Bürgerkrieg geflüchtet sind, auch mit Tod bedroht. Also ein mit Tod bedrohter trifft auf andere mit Tod bedrohten, aber die einen sind sozusagen Muslime und der andere ist ehemaliger Moslem und ist zum Christentum übergetreten und der zerreisst den Koran vor den Augen der Syrer und schmeißt den ins Klo und sagt, so, jetzt zeige ich euch mal dass euer Gott euch nicht hilft.   

 

Mhm.

Daraufhin schnappen sich 6, 7 Syrer, versuchen den Afghanen zu kriegen, um ihm sofort Allahs Rache zu übermitteln. Der rennt los, rennt in den Sicherheitsbereich, wo die Wachleute sind, in der Zwischenzeit waren es 20, dann 40, zum Schluss waren es 200 junge Leute oder fanatisierte Leute oder in einem Pulk sich immer weiter fanatisierende Leute

 

Mob.

das ist ein Mob, ein richtiger Mob. Es ist ein richtiger Gewaltausbruch. Ich glaube, dass der größte Teil von denen gar nicht wusste um was es geht. Es war am Ende nur “unser Glaube ist beleidigt worden”. Für den die in ihrer Heimat wiederum kämpfen, gegen die anderen, also Schiiten gegen Sunniten, und jeder glaubt von sich aus, dass er nur den einzig wahren Gott hat. Der Afghane glaubt aber auch, zu dem richtigen Gott übergewechselt zu sein. Dazwischen stehen drei Wachleute, die Angst um Leib und Leben haben, die Sicherheitszelle wird mittlerweile so lädiert, die Polizei wird gerufen. Die Polizei hat ein falsches Einsatzkonzept, weil sie sich den Mob gar nicht vorstellen konnten, weil wir, jetzt sage ich selbstkritisch auch an meine Adresse, weil wir uns zu dieser Zeit den Mob auch nicht vorstellen konnten. Dass so ein Gewaltausbruch von so vielen Menschen, die so dicht aufeinander sind, so passieren kann. Unser Innenminister ist sofort hingefahren, unser Migrationsminister ist am nächsten Tag hingefahren, ich bin am übernächsten Tag hingefahren, wir sind also die ganzen Tage dort in Suhl gewesen. Haben uns die Dinge erklären lassen und wir haben zwischenzeitlich jeden einzelnen der Täter identifiziert und sie sitzen alle in Haft. Der junge Afghane ist in ein anderes Bundesland ausgeliefert worden, also ausgeliefert… Er ist in ein anderes Bundesland weitergegeben worden, damit es keine neue Konfrontation gibt. Ich hab damals laut darüber geredet, dass man diejenigen, die aus den Fluchtsituationen hier her kommen und gerade der tödlichen Bedrohung entkommen ist, die aus unterschiedlichsten, religiösen Bezügen kommen und teilweise auch in Gegnerschaft sind, dass man die nicht in den selben Flur packen darf. Das hat dann auch unter Linken zur Debatte geführt, als ob ich ne ethnische Säuberung machen wollte. Dabei sag ich mal, man kann jemanden, wie eine Familie der Jesiden, die gerade der Sklaverei entkommen ist, die kann man nicht direkt neben die Sunniten packen, die vorher möglicherweise, obwohl sie nicht persönlich die Bedroher waren, aber geistig, in der selben geistigen Allianz stehen. Wenn der Konflikt Schiiten Sunniten aufeinander trifft, wie wir es gerade zwischen Iran und Saudi-Arabien haben, dann holen wir uns genau diese Konflikte hier her wenn wir damit nicht umgehen.                

 

Wie willst du das machen? Ich mein, ist es in Deutschland nicht verboten, irgendwie Menschen nach ihrer Religionszugehörigkeit zu fragen und so weiter? Sozusagen: Ach, du bist das, dann kommst du da hin. Und du bist das.

Nee, erstmal musst du fragen, aus welchem Fluchtgrund kommst du. Wenn du deinen Fluchtgrund benennst, musst du ja auch nachweisen, warum du ein Aufenthaltsrecht hier hast. Das heißt, wir müssen unsere Hausaufgaben hier machen, das heißt wir müssen auch deutsch vermitteln, unsere Sprache. Wir müssen klären, dass der Fluchtgrund ein Fluchtgrund ist, den wir akzeptieren, der auch zu einem dauerhaften Aufenthalt führt und wir müssen dann tatsächlich auch über unsere Hausordnung reden. Unsere Hausordnung ist unser Grundgesetz. Unser Grundgesetz sagt religiöse Freizügigkeit. Das bedeutet, du kannst Atheist sein und kannst gar nichts glauben, du bist nicht gezwungen irgendwas zu glauben, es gibt keinen Staatsglauben, aber es gibt eine Pflicht der Religionsgewährung, das heißt wir müssen dem Schiiten gewähren, dass er Schiit sein kann. Dem Sunniten gewähren, dass er Sunnit sein kann. Dem Jesiden, dass er Jeside sein kann. Aber wir müssen darauf achten, dass keiner sich selber das Recht nimmt, über die Religion des anderen nicht nur zu urteilen, sondern persönlich auch Hand anzulegen und Gewalt auszuüben. Deswegen gehört es dazu, dass wir uns im Moment sehr bewusst sein müssen, dass unser demokratischer Rechtsstaat tatsächlich ein besonderen Schutz hat, nämlich den Schutz, dass gleiches Leben auch gleiches Recht bedeutet. Das bedeutet, es gibt keinen der ein Recht hat, Gewalt gegen Flüchtlinge anzuwenden und es gibt niemanden von den Flüchtlingen der berechtigt ist Gewalt gegen andere anzuwenden. Weder gegen andere Flüchtlinge, noch gegen unsere deutsche Bevölkerung oder gegen unsere hiesige Bevölkerung. Es gibt überhaupt kein Recht Gewalt anzuwenden. Wer Gewalt anwendet, ist ein Straftäter. Die Ungleichheit der Debatte an dem Beispiel von Köln: Es gibt 500 Anzeigen von betroffenen Frauen. Das zeigt wie beklemmend diese Nacht war und wie beklemmend diese Stunden waren. Es gibt keine Rechtfertigung von keinem einzigen der Täter für die Taten. Aber danach kommt sofort die Diskussion, dass wir uns nur noch konzentrieren auf den Flüchtling als Täter. Als die Flüchtlingsunterbringung angesteckt wurden, als ein Haus nach dem anderen gebrannt hat, hab ich die gleiche Debatte nicht gehört. Dass man Brandstiftung als Straftatbestand in den Mordcharakter erheben müsste, also die Verschärfung von Gesetzen. Wenn eine Tat zu einer Verschärfungsdebatte führt, muss das dann auch in jedem Fall so ein und nicht sein, wenn eine Gruppe angegriffen wird, dann wird ganz besonders laut, oder wenn die eine Gruppe als Täter verortet wird, dann wird besonders laut die Verschärfung gefordert. Wenn die gleichen Personen aber möglicherweise Opfer sein könnten, also da wo ein Flüchtlingshaus angezündet wird, dann reden wir nicht in der gleichen Härte darüber, dass auch deutschen nicht das Recht zusteht, Flüchtlinge anzugreifen und deren Häuser anzustecken. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich hätte mir gewünscht in dieser Silvesternacht, wenn es stimmt, was ich gelesen habe, dass um 21 Uhr die Meldung bei der Polizei war, hätte ich mir gewünscht, dass ausreichend Polizei um 21.30 Uhr sich dort auf der Domplatte gewesen wäre. Dann wären 500 oder 450 Frauen noch der Rest dieser schlimmen Nacht erspart geblieben. Bei jedem Fussballspiel werden hier, wenn bestimmte Fussballmannschaften aus Sachsen anrücken, ist der Hauptbahnhof bei uns mit Hundertschaften gesichert. In Köln hab ich irgendwie das Gefühl, wenn die Hogesa mit 5000 besoffenen rummarschiert und randalierend durch die Stadt zieht, gibts nicht die gleiche Debatte.

 

Warum nicht?

Ja… Ich finde das ein bisschen einseitig in der Wahrnehmung. Ich erlebe ja auch das wir zurzeit eine ziemlich aufgeladene flüchtlingsfeindliche Allgemeinstimmung haben.

 

Feindlich?

Ja, flüchtlingsfeindliche Allgemeinstimmung. Also seit Köln, seit der Silvesternacht. Das ist so wie das Fukushima. Fukushima war auf einmal bei der Atomdebatte der große Wendepunkt. Nach Fukushima hat die CDU und Frau Merkel die Atomkraft abschalten wollen, die sie kurz vorher noch verlängern wollte. So ein bisschen habe ich das Gefühl, dass nach dem Satz von Frau Merkel “wir schaffen das”, wo ich immer sage ich bewundere diesen Satz, wenn Frau Merkel doch ihren Herrn Schäuble doch auch mal sagen würde, dass das Geld auch zur Verfügung gestellt wird an die Bundesländer, damit wir mit unseren Gemeinden es auch schaffen können. Wir müssen es ja auch bezahlen. Wir müssen das, was an Integrationsleitung organisiert wird auch finanzieren. Wir müssen auch die notwendige Polizei bezahlen, wir müssen aber auch die notwendigen Deutschunterrichte bezahlen, die notwendigen Praktikas bezahlen. Wir müssen auch die Vermittlung unserer Rechtsordnung durch Lehrkräfte finanzieren. Das organisiert sich nicht alles ehrenamtlich. Das Land Thüringen hat für dieses Jahr 469 Millionen Euro dafür eingeplant und der Bund gibt nur ⅕ davon. Das heißt von 5 Euro, die wir ausgeben, kriegen wir einen vom Bund wieder. Das geht nicht. Deswegen sag ich mal der Satz “wir schaffen das” müsste angereichert werden um den gleichen Kernsatz der Bundesregierung “wir finanzieren das”, damit alle es zusammen schaffen. Dann werden wir die Talente unter den Flüchtlingen feststellen, die ein Bleiberecht haben, die eine Bleibeperspektive haben. Ich erlebe viele junge Leute unter diesen Flüchtlingen, die deutsch lernen wie verrückt, die sich bemühen. Ich habe die Woche eine große Pressekonferenz mit 20 Unternehmern gehabt, da sind Praktikanten eingestellt worden, die sechs Monate im Betrieb Praktikum machen und wir organisieren gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit den Deutschunterricht. Deutsch lernen, Hausordnung vermitteln, Berufspraktikum beibringen, um zu testen was kann er, was können diese Menschen, was für Talente haben sie, was für Fähigkeiten haben sie. Wenn man das zusammen bringt glaube ich, wird es genügend geben, die dann erleben dass diese Menschen eine Bereicherung für uns sind. Und ich bin überzeugt, das weiß ich jedenfalls aus Gesprächen mit den Jesiden, die Jesiden würden viel lieber heute als morgen bei sich zu Hause in ihrer Heimat leben, ihr Traumland ist nicht Deutschland. Ihre Region um Kobane und Rojava, das ist ihre Heimat. Deswegen sage ich auch, wenn wir gegen die IS wirklich zu Felde ziehen wollen, wenn wir das ernst meinen, wenn wir das nicht nur als Geschwätz meinen, dann müssen wir der Regierung von Saudi-Arabien sagen und auch der Regierung der Türkei sagen, dass man den Nährboden der IS entziehen muss. Der Türkei wäre es mal sehr hilfreich, wenn die Kämpfer der IS nicht mehr gesundheitlich versorgt werden würden und wenn das Erdöl der IS, das ja geraubtes Erdöl ist, nicht über die Türkei verkauft werden würde. Es wäre schon hilfreich wenn die Türkei aufhören würde gegen die Kurden vorzugehen. Wenn die Kurden, die JGP-Kämpfer in Kobane, unsere Unterstützung kriegen würden. Wenigstens unseren Respekt erfahren würden. Umgekehrt, Saudi-Arabien ist das Land, das ist das Zentrum der Wahhabiten. Das ist das Land, in dessen Namen diese ganzen Spannungen von IS als mörderische Gewaltwalze durch die Region geht.

 

Du hast gerade die Talente angesprochen von Flüchtlingen, es gibt ja auch wahrscheinlich Flüchtlinge, die keine Talente haben. Sollen wir die dann ausweisen? Hört sich ein so bisschen an wie de Maizière, der sagte: “Die, die wir brauchen holen wir uns und die, die wir nicht brauchen schicken wir wieder zurück.”

Das ist eine Einteilung nach Nützlichkeit.

 

Hörte sich gerade so an.

Ja, ist ja gut wenn du nachfragst. Wäre blöd, wenn das im Raum stehen bleiben würde. Ich bin strikt dagegen, einzuteilen nach Nützlichkeit. Menschen kann man nicht nach Nützlichkeit einteilen. Man muss Menschein einladen zu zeigen was in ihnen steckt. Ich bezweifle, dass es Menschen gibt, die keine Talente haben. Jeder hat Talente und jeder hat was einzubringen. Ich bin aufm Dorf groß geworden. Wir hatten auf’m Dorf auch immer den Platz für denjenigen, der sagen wir mal bildungstechnisch nicht so stark war, ums mal freundlich zu sagen. Oder um zu sagen: Jedes Dorf hat auch seinen Depp gehabt und dieser Depp war aber die freundliche Formulierung, das meint nicht abwertend, das meint einfach dass der früher in sozialen Beziehungen auch eine Chance hatte und solche Arbeitsbereiche haben wir alle wegrationalisiert. In meinem Karstadt, was ich erzählt hab. Ich hab ja bei Karstadt gelernt in Gießen, da gabs zum Beispiel jemand, der war lernschwach, der hat die Körbchen geschoben. Irgendwann wurde revolutionär dieser Chip eingeführt, dass jeder sein Körbchen jetzt allein wieder zurück schiebt. Dafür hatten wir früher einen Beschäftigten. Früher war in diesen Kaufhäusern noch Fahrstühle, die von einem Fahrstuhlführer bedient wurden. Das waren meist Kriegsversehrte. Ich erinnere mich jedenfalls in meiner Jugend standen da immer Einarmige. Die haben mit dem einen Arm den Fahrstuhl bedient. in den Telefonzentralen saßen früher in der Regel Blinde, die in der Lage waren das alles zu bedienen. Es gab also Arbeitsplätze auch für Menschen, die sagen wir mal nicht so leistungsstark sind, dass sie immer auf 180 Prozent Leistung bringen. Im Moment ist es ja so, dass diese 180 Prozent Leistung, die wir von Menschen abverlangen, wiederum zu wieder Vernichtung von Arbeit führt. Also von persönlicher Arbeitsfähigkeit führt. Burnout-Syndrom nennt sich das. Vielleicht sind wir ein bisschen verrückt. Indem das die Spirale ein bisschen zu massiv ist.  Ich komme nochmal auf deine naive Frage zu meiner Jugend zurück. Um jetzt mal wieder zu deinem Titel der Sendung zu bleiben. Ja, in meiner Kindheit waren wir alle in der Nachbarschaft gleich arm. Das war aber schlicht materielle Armut, das war keine geistige Armut. Wir waren genauso spielend unterwegs und haben trotzdem unsere Ausbildung gemacht und jeder von uns hat seinen Lebensweg gemacht. Die Frage, ist also, ob materieller Reichtum alleine ein Selbstzweck ist. Ich glaube, dass das die westliche Welt vielleicht auch mal über ihren Sinngehalt nachdenken muss. Ich finde, dass ein bestimmter Ausgleich in der Gesellschaft, also die Balance untereinander, die stimmt durchaus überhaupt nicht mehr. Aber die Frage, ob das mit dem Zuwachs noch so geht, schneller, höher, besser, mit immer weniger immer mehr, das scheint mir kein dauerhafter Weg zu sein. So ein System wird irgendwann mal Knacks machen und irgendwie ne ziemliche Delle kriegen.

Du hast gerade die Fluchtgründe angesprochen. Was ist denn für dich kein Fluchtgrund? Aus welchen Gründen sollten Menschen nicht nach Deutschland fliehen?

Erstmal ist es so, dass jeder Mensch, der flieht, einen Grund hat. Die Frage ist, ob er damit hier eine Bleibeberechtigung kriegt. Unsere Rechtsordnung ist da ziemlich restriktiv. Sie ist nur im Jahre 2015 mal zeitweise außer Kraft gewesen. Wir sind ja kein Land, das sich als Zuwanderungsland definiert. Wir wollen ja kein Zuwanderungsland sein, obwohl wir es dringend sein müssten. Es liegt an den Konservativen in diesem Land. Leider ist das gesellschaftliche Klima wieder sehr konservativ. Wir wissen alleine aus der demographischen Entwicklung, dass wir dringend ein Zuwanderungsland sein müssten.

 

Oder mehr Babys machen.

Joa, dagegen wäre nichts einzuwenden, aber wer hindert denn die Mehrheit der Bevölkerung daran?

 

Kondome.

Gabs hier mal ne große Firma in Erfurt, Condomi, war mal…

 

Ihr habt sie verstaatlicht! Nein…

Nee, leider ist, die sind hopsgegangen, weil die sich, weiß ich gar nicht, die haben sich verspekuliert oder sowas. Die hatten einen riesen Auftrag für Afrika und der ist nicht mehr realisiert worden. Ich glaube, die haben Insolvenz angemeldet, weiß ich jetzt, aktuell nicht mehr. Ich weiß nur, die Produktion ist nicht mehr da.

 

Auch Fluchtgründe?

Fluchtgründe, ja. Jeder Mensch hat einen Grund. Jeder Mensch, der erstmal flüchtet hat einen Grund warum er seine Heimat verlässt. Ich glaube, dass niemand morgens sagt “so, ich hau jetzt mal ab”, es sei denn, man lebt im Überfluss. Die Menschen, die hier herkommen kommen entweder aus materieller Not, was auch ein Fluchtgrund sein kann, oder sie kommen aus kriegerischer Bedrohung. Wir unterscheiden dann hier ob er bleiben darf oder nicht. Eigentlich ist unser europäisches System so aufgebaut, dass die hier ja gar nicht her kommen können. Dieses Regelwerk Dublin 2, so nennt sich das, nach Dublin 2 müssen die Menschen durch das…

 

Dublin 3 gibt’s jetzt schon.

Sie arbeiten dran, aber egal. Im Kern geht’s um folgende Fragestellung: Wenn jemand auf dem Landweg kommt. Deutschland hat an keiner Stelle Landweg, dass mit einem nicht-europäischen Nachbarland verbunden ist. Deswegen kann man zu uns höchstens über Helgoland reinschwimmen. Ansonsten gibt’s keinen Landweg, über den man kommen kann.

 

Da haben wir ne Pufferzone.

Ja, diese Pufferzonen sind unsere europäischen Nachbarländer. Auf die meckern wir jetzt gerade, weil die sozusagen ihre Pflicht nicht erfüllen. Aber wir haben die ganze Zeit davon profitiert, so lange. Meine Frau ist Italienerin und ich habe einen relativ guten Blick, was in Italien in letzten Jahren los war. Dieselben Flüchtlinge, die über Lampedusa reinkamen über die haben wir uns erregt, weil Italien schlecht mit ihnen umgegangen ist. Wo die aber geblieben sind, hat die Mehrheit unserer Bevölkerung nicht interessiert. Das ganze letzte Frühjahr haben wir uns mit Griechenland beschäftigt. Nur weil die Griechen so böse sind wegen Geld und weil sie Schulden haben und überhaupt. Aber von den Flüchtlingen in Griechenland hat hier keiner geredet. Dass da schon hundertausende von Flüchtlingen auf den Inseln waren, zu der Zeit wo man jeden Tag nur Griechenland-Bashing gemacht hat, hat hier niemanden interessiert. Hinterher stellt man fest, jetzt, wenn die Menschen vor Lesbos ertrinken, dann stellt man fest: Oh, da läuft ja gerade was ganz schön schief. Deswegen sage ich, das Problem ist nicht ob wir die Fluchtgründe analysieren, sondern die Frage ist, ob die Bleiberegelungen so sind und wenn wir, es ist ja im Moment Mehrheitsbeschlüsse, immer mehr Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, du hast es ja gerade gesagt, die Bundesregierung sagt ja sogar, dass Teile von Afghanistan sicher seien. Da bin ich, ich bin da völlig von den Socken. Vom Kosovo wurde mir gesagt, das sei ein sicheres Herkunftsland. Gleichzeitig hat der Bundestag wenige Wochen vorher beschlossen, dass einige tausend Soldaten, Bundeswehrsoldaten, dort stationiert sind, weil es kein sicheres Land ist. Wenn man wenige Wochen vorher sagt, es ist kein sicheres Herkunftsland, beschließt dann aber, es ist ein sicheres Land, warum zieht man dann die Bundeswehr nicht ab? So.

 

Vielleicht weil die Bundeswehr…

… die Sicherheit in den wenigen Wochen gebracht hat…

 

…nee…

Frag das doch mal den Regierungssprecher das nächste Mal.

 

Hab ich schon.

Ja? Was hat er geantwortet? Auch nichts?

 

Nächste Frage bitte.

Okay, gut.

 

Aber war ne gute Szene. Gibts für dich Fluchtgründe, wo du auch sagst: Deswegen kannst du nicht hier bleiben? Abseits des Rechts.

Für mich gibts sowas gar nicht. Als Mensch kann ich nur sagen…

 

Du würdest jeden Flüchtling hier aufnehmen?

Na, das ist doch ne dritte Frage. Jetzt erstmal hast du gefragt, ob ich das in irgendeine Wertordnung einpacken kann, so hab ich das verstanden. Da sag ich, das kann ich nicht. Und jeder der Entscheidungen, die ich da im Moment zu treffen hab, lässt mich ziemlich grübeln, ob das überhaupt geht. Ob ich das mit mir und meinem Gewissen vereinbaren kann. Gerade die Verschärfung der Asylrechtsregelung hat mich ziemlich umgetrieben in den letzten Monaten. Wir erleben gerade Abschiebungssituationen, die mir überhaupt nicht gefallen. Wir haben gerade aktuell einen Fall in einem Dorf mit 70 Einwohnern hier in Thüringen. Die E-Mail hab ich am Freitag aufn Tisch gehabt. Ein Dorf mit 70 Einwohnern hat eine albanische Roma-Familie, 5 Personen, Vater, Mutter, 3 Kinder. Der Vater hat längst Arbeit. Die Firma schwört auf diesen Mann, die haben ihm sogar geholfen, ein Auto zu kaufen, damit er zur Arbeit kommen kann. Eins der Kinder kümmert sich, als Beispiel, um die Kirchturmuhr im kleinen Dorf, geht jeden Tag hin und zieht diese Kirchturmuhr auf. Die kümmern sich als Nachbarn. Jetzt haben sie den Abschiebebescheid bekommen. Weil sie, die Eltern in Ungarn die Pässe abgenommen gekriegt haben. Die Kinder haben die Pässe erst in Deutschland abgenommen gekriegt. Die Eltern aber in Ungarn. Dublin 2… Werden nach Ungarn abgeschoben, oder aufgefordert das Land zu verlassen. Jetzt meldet sich der Ortsteilbürgermeister dieser Gemeinde und sagt “ihr seid alle verrückt”. Wir wollen, dass diese Menschen hier bleiben. Das sind die ersten, die seit Jahrzehnten in diese Dorf gezogen sind und in diesem Dorf bleiben wollen. Wir freuen uns, dass endlich neue Menschen da sind. Nach formalen Recht fällt mir nichts ein. Das formale Recht hindert mich, ne Entscheidung zu treffen, als Ministerpräsident. Dann haben wir jetzt durchdiskutiert, ob es noch Dinge gibt, die ich nicht gesehen habe. Also, Antrag an die Härtefallkommission, es gibt hier in Thüringen ne Härtefallkommission, das die ganze Gemeinde sagt, wir sehen eine exzellente Bleibeperspektive für diese Familie. Das ist eine Diskussion, die wir im Moment, während wir gerade hier sitzen kümmert sich unsere Integrationsbeauftragte um diesen Fall, ist hingefahren in das Dorf um mit der Familie zu reden, um mit dem Ortsteilbürgermeister und den Nachbarn zu reden, mit dem Chef des Arbeitgeber zu reden, der das Erwerbseinkommen, das dieser Vater verdient, wird verrechnet mit dem Asylgeld. Das heißt, materiell hat er gar keinen Vorteil davon wenn es um das arbeiten geht. Der geht arbeiten, weil er arbeiten gehen will, weil er sagt, ich will nicht auf euer Geld angewiesen sein. Ich will, dass ich meine Familie hier unterbringe. Und jetzt kommen wir mal auf Fluchtgründe. Ich hab danach gefragt, ob der Ortsbürgermeister mit dem Vater über Fluchtgründe geredet hat. Da sagt der Ortsbürgermeister zu mir am Telefon, wissen sie Herr Ministerpräsident, das ist so ne ehrliche Haut, der hat sogar angegeben, er ist nur da weil er seiner Familie eine ordentliche Zukunft geben will. Das ist in unserem rechtsstaatlichem System kein Fluchtgrund. Das ist Armutsflüchtling. Damit hätte ich keine Handhabe helfen zu können. Es sei denn, er geht zurück nach Albanien, stellt dort einen Antrag auf Arbeitsgenehmigung, das lass ich jetzt auch prüfen, ob das ein gangbarer Weg wäre, wenn die Firma sagt, sie stellen ihn in jedem Fall ein. Deswegen hab ich ja wochenlang immer wieder darauf hingewiesen, wenn wir Kosovo, Albanien, Montenegro, wenn wir diese Länder nicht zu sicheren Herkunftslstaaten machen, sondern zu EU-Beitrittskandidaten, was sie ja sind, formal und wir organisieren Arbeitsmigration, dann würden wir über Arbeitsmigration reden. Dann würden wir nicht über Asylrecht und Asylrechtsverschärfung reden. Wenn wir dann noch die Syrer raus nehmen würden und alle die von Krieg bedroht sind, als Kriegskontingente ansehen, dann hätten wir wieder eine große Anzahl von Leuten aus den Asylverfahren raus. Da war aber die Bundesregierung nicht gewillt darüber zu reden.

 

Warum machst du bei dem Fall jetzt nicht einen auf Merkel und sagst, dass setzen wir jetzt erstmal aus?

Ja, so ganz einfach ist das nicht. Der Ministerpräsident kann nicht einfach ein örtlich angesetztes nach Ausländerrecht bearbeitetes Verfahren aussetzen. Er kann sich drum kümmern, er kann sich jetzt prominent einmischen, aber ich muss auch aufpassen, ich hab mich auch an rechtsstaatliche Grundnormierungen zu halten. Das heißt, ich bin hier nicht der Sonnengott, ich bin hier nicht der Diktator, ich hab mich an die Regeln zu halten, auch die Regeln unseres Rechts. Selbst wenn es mir manchmal schwer fällt. Als wir angefangen haben Abschiebungen neu zu organisieren bin ich dafür ja ziemlich angegriffen worden. Erst bin ich angegriffen worden von der CDU, von der AfD will ich in dem Zusammenhang gar nicht reden, aber die CDU war der festen Überzeugung, wir würden Abschiebungen verhindern. Als ich dann gesagt hab, das ist das Regelwerk, das ihr hier seit Jahrzehnten anwendet. Ihr habts uns vererbt. Wir wurden dafür angegriffen. In den Zeitungen stand dann aber, dass wir es nicht umsetzen würden. Dann hab ich gesagt, dann müssen wir anfangen es zu verändern. Weil wir der Meinung sind, dass jeder, der ein Aufenthaltsstatus erreichen will, sich auch bemühen muss diesen Aufenthaltsstatus zu bekommen. Das heißt, er muss ne Duldung kriegen. Das kann ich nicht Anweisen. Das muss derjenige aktiv tun, das müssen die Nachbarn mit ihm zusammen tun, wie es jetzt die es Gemeinde jetzt tut. Ich weiß nicht, wie es ausgeht. Ich hoffe, dass wir ne Lösung finden. Dass diese Gemeinde sich so engagiert, dass diese Familie hier bleiben kann. Wir haben so einen Fall schon mal in Neuhaus am Rennweg gehabt, da ist es auch ne Roma-Familie. Die sind heute ganz normale Thüringer Bürger. Die hätten auch nach Ungarn abgeschoben werden müssen und da ist es über die Härtefallkomission gelungen ne Entscheidung zu bekommen. Aber das setzt voraus, da kommt jetzt der Punkt, dass man Gründe hat, die man vortragen muss die daran hindern, dass die Abschiebung vollzogen wird.

 

Gibt es Wirtschaftsflüchtlinge?

Klar gibts Wirtschaftsflüchtlinge.

 

Was ist das?

Zum Beispiel wenn jemand eine große Molkerei besitzt und sagt, wenn ihr nicht das Steuerrecht so ändert, dass die Erbschaftssteuer abgeschafft wird, dann flüchte ich in die Schweiz.

 

Ach, du meinst jetzt unsere deutschen Wirtschaftsflüchtlinge.

Ja, wer hier Steuern hinterzieht ist auch ein Wirtschaftsflüchtling.

 

Ich meinte eher so Menschen, die von den Balkanstaaten nach Deutschland kommen.

Das höre ich immer von denen, die immer sagen die einen Wirtschaftsflüchtlinge gibts nicht, die regen sich dann über “Florida-Rolf” auf, vielleicht erinnert sich der ein oder andere, da hat sich die Nation monatelang drüber aufgeregt, das war ne richtige Kampagne. Ich hab mir dann mal erlaubt nachzufragen, ob wir hier in Thüringen, da war ich noch Oppositionschef, ob wir hier in Thüringen auch solche Fälle haben und dann wurde mir bedeutet, ich solls nicht so laut fragen, weil wir hätten ne ganze Reihe von Fällen. Die damalige Landesregierung wäre froh das nicht darüber geredet wird weil die seien viel preiswerter als wenn sie hier wären.

 

Du hast gesagt: Ok, ich sag ich nichts.

Ich hatte ja keinen Grund, weil ich wollte mich in der Hysterie nicht beteiligen, ich wollte nur wissen, was machen wir denn da jetzt gerade wieder. Warum wird eine einzelne Figur zur Hassfigur der Nation gemacht. Da kann man alles abladen. Da hat man dann den Sündenbock auf dem man alles laden kann. Das ist mal bei Fischen, die Nematoden, vielleicht erinnerst du dich, das waren Würmer.

 

Nein.

Dann gabs mal den Weinskandal, das war Glykol in der Spätlese, die ist dann dem deutschen Weintrinker ziemlich auf den Magen geschlagen, obwohl Glykol chemisch gesehen harmlos ist, aber es hat trotzdem nichts im Wein zu suchen. Würmer haben auch im Fisch nichts zu suchen. Das sind immer solche Geschichten, einzelne Sachen werden auf einmal zum riesen Hype. Jetzt nochmal auf deine Frage, damit nicht die Menschen denken, ich hätte jetzt nicht gehört, dass du von Wirtschaftsflüchtlingen redest. Meinst du damit Leute, die materielle Not haben oder im schlimmster Armut leben, oder in schlimmster Perspektivlosigkeit? meinst du solche Menschen?

 

Ja.

Die flüchten meines Erachtens um der wirtschaftlichen Not zu entkommen.

 

Aber nicht wegen Krieg.

Also ich zitiere jetzt mal Horst Köhler, du erinnerst dich, der war mal Bundespräsident. Als er noch Bundespräsident war, hatte ich mal Gelegenheit mit ihm einen Morgen zusammen zu sitzen. Da hat er in dem Kreis von Bundestagsabgeordneten gesagt, da war gerade die große Fluchtwelle von afrikanischen Fischern auf die kanarischen Inseln. Da ich Vorsitzender der deutsch-spanischen Parlamentsgruppe war, habe ich mich damit ziemlich intensiv beschäftigt und frage ihn so: “Wie sehen Sie denn, lieber Herr Köhler, diese Fluchtbewegung?” Da antwortet er: “Ja, wenn man den Afrikanern den Fisch stiehlt, dann darf man sich nicht wundern, wenn kein Fisch mehr da ist, wenn die Fischer das machen was sie können, denn das letzte Mal in ihr Fischerboot steigen und über dieses Meer zu fahren, weil sie hoffen, dass sie auf der anderen Seite dieses Meeres, dort wo ihr Fisch gestohlen wird, vielleicht ne Lebensperspektive finden.” Dann hab ich gesagt: “Könnten Sie diese Sätze mal laut sagen?”, weil ich glaube, wenn wir darüber nicht reden und man weiß dass in Afrika zweimal so viel Ackerland Hedgefonds gehören, wie Europa unterm Pflug hat, zweimal so viel, Ackerland, wie Europa unterm Pflug hat

 

Das ist Fakt?

Ja, das gehört Hedgefonds. Aus einer Perspektive: Um einen möglichst hohen Zinsertrag zu gewinnen und dieser Zinsertrag wird mit Fruchtfolgen gewonnen, die bei uns dann dienen als Substituition entweder für Heizanlagen, also Biokraftstoffe oder für Futtermittel, damit unser Fleisch möglichst gut gedeihen kann. Damit haben wir aber zweimal so viel Land wie Europa Ackerland hat den Bauern in Afrika entzogen. Dann wundern wir uns, dass irgendwann die afrikanische Familie, die keinerlei Ernährung mehr hat, sich aufmacht und sagt ich guck mal nach, da wo mein Reichtum bleibt, ob da was abfällt für mich, damit ich ernährt werde. Die wollen wir alle hier nicht haben, die gelten alle als Wirtschaftsflüchtlinge, aber die Ursachen dieser wirtschaftlichen Flucht, der ökonomischen Flucht, diese Ursachen, sitzen vielleicht in der Londoner City, vielleicht in Frankfurt, rund um die Börse. Und damit sind wir wieder bei der Frage, wieso bin ich Sozialist? Weil ich der Meinung bin, dass wir darüber reden müssen. Das kann man nicht unterm Teppich halten.

 

           

Müssen jetzt mal ein bisschen konkret werden. Sagen wir mal, letztes Jahr sind eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Wieviel sind nach Thüringen gekommen?

 

Haste nachgezählt?

Haben wir nachgezählt. Aber ob die Zahlt stimmt wissen wir nicht, weil von denen sind auch 20% sofort weitergezogen. Ich hab selber erlebt, bei dem Zug in Saalfeld, die ersten die mir begegnet sind mit denen ich ins Gespräch kam, haben gefragt wo gehts denn hier nach Schweden und ich wusste nicht so genau wie ich denen erklären soll, wie man von Saalfeld nach Schweden kommt.

 

Mit Handzeichen.

Ja, ich hab so gesagt Richtung Norden und dann immer geradeaus. Aber eigentlich gings darum, dass sie ihre Fingerprints abgeben damit sie registriert werden, das war ja noch ein ÖBB-Zug, also österreichischer Bundesbahnzug, der direkt aus Budapest kam. Deswegen sag ich, seit diesem Tag sind wir mit dem Konzept, wir kümmern uns sofort um jeden einzelnen Flüchtling der herkommt.  Die werden uns ja hergeschickt, also wir sind ja ein Bundesland, das nicht auf der, sagen wir mal, primären Hitliste steht.

 

Seid ihr nicht attraktiv genug für Flüchtlinge?

Vielleicht sind wir nicht diejenigen wo schon die Familienangehörigen der ersten Fluchtwellen sind. Das hat ganz banale Gründe. Schweden ist deswegen so attraktiv weil sehr viele Flüchtlinge in Schweden sehr früh aufgenommen sind. Die Flüchtlinge sind alle mit Smartphones ausgestattet, das heißt die haben Kontakt mit Familienmitgliedern. Wie sollen sie sich sonst auf der Welt zurecht finden? Also nutzen sie die moderne Technik. Ich kann das ja überhaupt nicht kritisieren, weil ich sag: Wenn man niemanden mehr hat, keine Gewissheit mehr hat, wo sein Zuhause ist, wo seine Heimat ist, wo man nochmal eine ruhige Nacht schläft, wenn das alles weg fällt und man macht sich auf den Weg und man wird behandelt wie der letzte Dreck, wird getreten, geschlagen, geprügelt, verjagt oder sogar vergewaltigt oder umgebracht, alles. Auf den Sinai soll man angeblich, ich kann das nicht prüfen, sollen sogar Menschen getötet werden, damit man an die Organe kommt. Auch das kann auf Fluchtwegen alles passieren. Es ist nicht so, dass das irgendwie ein Reiseunternehmen wie TUI oder Neckermann wäre. Sondern es ist einfach materielle Not, ich bleib nochmal dabei, wir haben zurzeit 60 Millionen Flüchtlinge auf der Welt, und es ist nicht nur ein deutsches Problem oder europäisches Problem, es ist rund um den Globus. Wir haben die gleichen Auseinandersetzungen rund um den Globus. Das finde ich eigentlich das Quälende, das wir zu wenig über Friedenspolitik reden, aber mehr über Rüstungslogik. Ausbeutungslogik bei der klar darüber entschieden wird, wenn ich über das abholzen von Wald, von Urwald, eine 12 prozentige Rendite erwirtschafte, guck doch einfach mal in die Tageszeitungen, da sind die Anzeigen drin, oder guck dir mal Boulevards an oder guck dir mal Magazine an. Da sind immer diese Anzeigen, wieviel Geld man mit abholzen von Urwald zum Beispiel verdienen kann oder Mais oder sonstigen Energieträger, Felder endlos, die nur dazu da sind als Energiemasse genutzt zu werden. Das halte ich alles für den falschen Weg.

 

Wieviel frieren in Thüringen, wieviele Flüchtlinge?

Ich hoffe aktuell keiner.

 

Hoffst du?

Ja, ich hoffe es. Weil wir haben kein Zelt stehen, wir haben kein unbeheiztes Quartier, wir haben im vergangenen Jahr, wir hatten im Haushalt als ich ins Amt gekommen bin am 5. Dezember 2014, hatten wir 450 Erstaufnahmeplätze und 25 Millionen Haushaltsstellen. Abgerechnet haben wir 2014 mit 45 Millionen und sind sofort noch in Dezmber 2014 auf 1000 Plätze hoch. Da haben wir gedacht wir hätten ein bisschen Luft. Aber falsch gedacht. Wir haben gedacht im Jahr 2015, wir würden 8000 Flüchtlinge kriegen, am Ende waren es rund 30000, allein in den letzten zwei Monaten 8000 pro Monat. Wir haben 75 Millionen in den Haushalt geschrieben, weil wir dachten damit kämen wir hin. Ich glaube, wir rechnen jetzt erst ab, ich glaube wir haben 220 Millionen ausgegeben. Das ist auch ne Sonderkonjunktur für Handwerksbetriebe. Wir haben drei große Zentren gekauft und ertüchtigt, eine Kaserne in Mühlhausen ist jetzt der Bildungs- und Migrationscampus, es lohnt da mal hinzufahren. Ist ein mittlerweile eine Form, wie dort Flüchtlingsunterbringung stattfindet ist total entspannt. Da hilft uns auch die Bundeswehr, die organisiert die Kleiderkammer, die organisieren die Versorgung. Soldaten, die total tolle Friedensarbeit machen und ne Kaserne die voller Kinder, tobender, also das lauteste dort sind die tobenden und spielenden Kinder. Das finde ich ist schön. Wir haben Suhl, das war quälend am Anfang, bautechnisch, weil die Anlagen ziemlich darauf nicht eingerichtet waren soviele Menschen unterzubringen. Da haben wir, obwohl nur 1200 dort unterbringen wollten, phasenweise 2000 gehabt, das war ne völlige Überbelegung. Wir haben mitlerweile Gera, das Wismut Krankenhaus aktiviert, auch da sind wir jetzt schon weit über 1000 Plätze drin. Wir haben alle unter. Es steht kein einziges Zelt. Es stand auch seit dem Herbst kein Zelt mehr in Thüringen. Wir sind also auch nicht von der Kälte überrascht worden, weil wir wussten, im Winter wirds kalt. Ich hätte mir ehrlich gesagt ein bisschen mehr Schnee gewünscht. Nicht, weil wir gut vorbereitet für die Flüchtlinge waren, sondern weil wir auch Skigebiet sind. Weil wir leider in Oberhof kein Schnee hatten. Wir mussten den Weltcup absagen und das ist blöde, das ist für uns auch touristisch blöde. Um nicht nur immer zu gucken, dass wir uns auch vorbereiten mit den Flüchtlingen und für die Flüchtlinge, sondern wir kümmern uns auch um alles andere derzeit.

 

Wieviele von den Flüchtlingen haben oder bekommen schon Sprachkurse? Wieviele haben schon Arbeit gefunden?

Also: 600 sind letztes Jahr schon sozialversicherungspflichtig direkt in den Arbeitsmarkt übernommen worden, die sind schon drin.

 

Von 30000?

Naja, wir wissen ja nicht, wieviele von denen wirklich da sind, wiir gehen eher von 20000 aus. 600 sind richtig sozialversicherungspflichtig drin. Weißte, wenn du so sagst von 20000 oder 30000, du musst auch berücksichtigen, wann kriegen sie eine Arbeitsgenehmigung? Also man muss jetzt nicht die Flüchtlinge in Haftung nehmen für etwas, wofür die Bürokratie in Haftung zu nehmen ist. Wenn Verfahren, Klärungsverfahren, 10 Monate dauern, 10 Monate, dann heißt das 10 Monate den Menschen keine Perspektive zu geben. Keine sinnvolle Beschäftigung zu geben und dann darf man sich nicht wundern wenn dann auch Dinge falsch laufen. Deswegen sage ich, wir wollen es beschleunigen. Ich hoffe, dass wir bis zum Sommer soweit sind in den drei Aufnahmezentren es schaffen in einer Woche die Klärung des Rechtsstatus zu erreichen. Da wollen wir hin, das wird uns viel Geld kosten, weil wir da  die Behördenvoraussetzungen schaffen. So, um dir nochmal zu sagen: 600 sind arbeiten. Die gehen ganz normal arbeiten. 700 haben wir, junge Leute, in Berufsschulklassen unter. Das ist das Berufsvorbereitungsjahr. Die gabs mal in der Zeit als es keine Ausbildungsplätze gab. Dann waren die weg und wir haben in den Berufsschulen freie Kapazitäten.

 

Die bekommen Sprachkurse?

Das Berufsvorbereitungsjahr für Sprache. Das heißt die lernen deutsch und sie lernen handwerkliche Fähigkeiten auszuprobieren in der Berufsschulklasse mit Schreinerwerkstatt oder Metallwerkstatt. Wir haben 1500 Deutschkurse. Das ist ein durchlaufender Posten. Das sind also zahlenmäßig viel mehr Menschen. Aber 1500 zahlen wir gerade. Die sind mit Deutsch Qualifikationsmaßnahmen verbunden und jetzt haben wir angefangen mit der Berufsagentur für Arbeit diese neuen Berufspraktikas einzuführen. Da haben wir jetzt die ersten 100 unter. Aber Du siehst, dass wir dabei sind. Stück für Stück. Letztes Jahr, heute vor einem Jahr haben wir geguckt, wo wir ein Quartier her kriegen, ein Bett her kriegen, ein Haus her kriegen. Ein Jahr später haben wir die Häuser und jetzt gucken wir, wo wir die Intergationsmaßnahmen und wo wir den Deutschkurs hin kriegen. Und deswegen haben wir in Mühlhausen die Kaserne zum Bildungs- und Integrationscampus gemacht. Gera wird perspektivisch der Gesundheitscampus, also Familien und Gesundheitskampus. Und Suhl wird Familiencampus.

 

Das heißt diese drei  Erstaufnahmestationen, die wir haben, sind nicht nur jetzt als Erstaufnahme, sondern sie werden das bürokratische Verwaltungszentrum und von dort aus wird auch die Verteilung in Richtung Integration gemacht. Und gleichzeitig reden wir zur Zeit mit unseren Industrie- und Handelskammern mit unseren Handwerkskammern und unserem Bauernverband. Die IHK Erfurt hat seit Monaten ein eigenes Vermittlungsbüro für Flüchtlingsjugendliche, Sprachvermittlung, Ausbildung.

 

Bei den Bauern sind wir dabei mit dem Bauernverband gerade einen Koordinator einzusetzen. Der klärt Landwirtschaftsbetrieb für Landwirtschaftsbetrieb wo Platz ist. Und in den drei Aufnahmezentren fragen wir nach beruflichen Fähigkeiten und wir fragen auch nach landwirtschaftlichen Fähigkeiten. Wer vom Land kommt und aufs Land will, den würden wir dann gezielt vermitteln, in den ländlichen Raum.

 

Habt ihr keine Arbeitslosen ? Die brauchen doch bestimmt auch Jobs, oder nicht?
Ja na klar, die darf man dabei auch nicht vergessen, aber Du hast mich bisher nur nach Flüchtlingen gefragt.

 

Ja, das ist mir gerade eingefallen.

Ja, das ist ja auch gut, dass es Dir eingefallen ist, weil wir haben auch gleichzeitig ein Sonderprogramm zur Integration von Langzeitarbeitslosen. Und beides verbinden wir noch miteinander. Wir setzen auch Langzeitarbeitslose zur Betreuung von Flüchtlingen ein.

 

Lieber bezahlte Arbeit als finanziert und diskriminiert zu Hause zu sitzen. Und wir könnten dann noch viel mehr machen wenn Herr Schäuble endlich das Hartz IV Geld rausgeben würde. Das ist der so genannte Passiv-Aktiv-Tausch (Wikipedia: Bilanzverlängerung), dass wir statt Harz IV Gelder zu bezahlen würden wir gerne das Geld einsetzen um Arbeit zu bezahlen. Und dann einen Lohn bezahlen, der hoch genug ist um alle Sozialleistungen auch wieder kompensiert zu bekommen und wir als Land würden da noch 20% oben drauf legen,

damit diese Arbeit, diese bezhalte Arbeit auch wieder im Tarifbereich landet.

 

Da fällt mir ein: Apropos Schäuble, Geld, Zahlen. Kannst Du uns das mal erklären? Haben wir noch nie erklärt in 250 Folgen: Was ist ein Solidaritätszuschlag?

Das relativ überschaubar. Das ist eine Steuer, die wird erhoben auf deine Einkommensteuer oder Lohnsteuer. Jeder von uns zahlt Lohn und Einkommenssteuer, hoffe ich jedenfalls. Und darauf gibt’s einen bestimmten Prozentsatz, frag mich jetzt bitte nicht wie hoch er ist, weil ich es aus dem Kopf nicht weiß. Der wird auf diesen Steuersatz drauf gepackt. Das ist der Solidaritätszuschlag. Der wird nur nicht Steuer genannt, obwohl er eine Steuer ist. Und der umfasst im Moment im Volumen, also wir sammeln bei allen Bügern. Herr Schäuble sammelt bei allen Bürgern zur Zeit 16 Milliarden ein. Davon kriegen die neuen Länder, weil alle denken, das ist für Ostdeutschland, nee, nur noch die Hälfte. Und nächstes Jahr noch weniger, weil es jedes Jahr weniger wird. Und 2019 behält Herr Schäuble alles für sich allein. Und das finde ich ziemlich gemein von Herrn Schäuble, weil alle denken, der Osten kriegt’s. Jeder, der auf seinen Steuerabrechnungen, da gibt es ja viele Mythen. In Westdeutschland denken viele Westdeutsche, die Ostedeutschen zahlen keinen Solidaritätszuschlag. Nur die Westdeutschen zahlen für die Soliarität, weil ist doch die Soliarität fürn Osten. Jeder Steuerbürger zahlt das. Jeder.

Erst mal egal, Ost, West, Nord Süd, jeder zahlt. Alle denken aber, auch unsere denken, dass das wieder für die neuen Länder wäre. Das ist aber schon lange nicht mehr so. Es wird jedes Jahr 100 Millionen weniger für die Bundesländer im Osten.  

 

Gehts Euch so gut?

Das behauptet Herr Schäuble.

 

Jetzt muss es ja irgendwann ein mal gut sein?

Ja, muss irgendwann mal gut sein, ich wär ja froh, wenns irgendann mal gut wäre. Die Frage ist nur, woran messen wir das, dass es gut ist? Messen wir das daran, wie schön Erfurt ist, dann wäre es schon gut. Weil Erfurt ist schön und es lohnt sich hier her zu kommen.

 

Für Ministerpräsidenten?

Nen Schönen Weihnachtsmarkt, wenn Weihnachten ist. Und es gibt hier schöne Quartiere und wir haben gute touristische Highlights und wir haben auch sehr gute Theater und Opernhäuser also daran gemessen haben wir viel zu bieten.

 

Wozu braucht ihr denn den Soli?

Ja, na den Soli brauchen wir für Strukturmaßnahmen, für abgehängte Regionen, weil Erfurt ist nicht ganz Thüringen. Und Jena und Weimar ist auch nicht ganz Thüringen. Sondern wir haben Regionen in denen wir mittlerweile eine unglaubliche Abwanderung haben. Ich will Dir mal die harte Zahl sagen. Seit 1990 haben Thüringen 450.000 Menschen verlassen. Wir sind 450.000 Bürger weniger geworden.

 

Von wie viel?

Von 2,9 Millionen, das ist der Ausgangswert, sind wir bei  2,2 Millionen jetzt circa angekommen. Und die Differenz wächst stetig. 54.000 netto Steuerzahler sind weniger. Das sind 54.000 Aufbauhelfer, die Thüringen in den Westen geschickt hat. Die Zahlen jetzt alle im Westen Steuern. Die sorgen für Wohlstand im Westen, die sorgen für Kinder im Westen. Hier fehlt das leider alles. Also als entscheidendes Element.

 

Aber die zahlen ja trotzdem Soli und der kommt ja wieder her.

Ja, leider nicht, also wir kriegen ja nicht mal den Anteil wieder zurück, den wir durch praktische Abgabe von Menschen zur Verfügung gestellt haben. Es wird immer so getan aus wenn.

 

1:06:40

 

Das ist so der Preis der Freiheit?

Das stimmt. Absolut. Deswegen würde ich auch niemanden daran hindern, dahin zu gehen wohin er will. Das ist völlig legitim und völlig richtig. Ich sage auch um jetzt den Werbeblock zu machen: In Südthüringen haben wir ne Arbeitslosigkeit, die liegt unter 4 %. In der Region Sonneberg haben wir in Größenordnungen Einpendler. Also aus Bayern kommen Menschen, die bei uns arbeiten. Auch das gibt es. Aber wir haben eben auch mein Liebslingsort Ziegenrück an der Hohenwartetalsperre, da stehen viele Häuser leer und falls Du mal dauerhaft nen schönes Haus suchst, wir hätten nen paar im Angebot, die sehr preiswert wären. Also die Wohnunterkuft für Dich wäre da sehr preiswert, Du wärst dann auch Eigentümer. Und hättest eine wunderschöne Landschaft, jeden Tag hättest Du wunderschöne Landschaften. Du würdest aber auch erwarten, dass irgendwo noch ein Arzt in der Nähe ist und Du würdest auch hoffen, dass falls Du denn auch nochmal Kinder gezeugt hättest, ich mein, mach mal was. Und wenn Du dann die Kinder…

 

Du weißt nicht, ob ich welche habe.

Ja ja, ich unterstell einfach mal, Du hättest da noch ganze Perspektive frei und dann bräuchten wir auch Kindereinrichtungen und wir bräuchten dann ne Schule für Deine Kinder und Du hättest auch zu Recht diesen Anspruch. Das ist der Teil, den müssten wir dann auch finanzieren. Und deswegen sagen wir. Das Grundgesetz ist eindeutig das Grundgesetz sagt:

Wir die Bundesrepublik Deutschland muss dafür sorgen das gleiche Lebens- und Arbeitsbedingungen in ganz Deutschland herrschen. Als Perspektive. Nicht gleiches Leben, also gleiches Aussehen. Ich finde Erfurt ist an sich schön. Es muss nicht alles so aussehen, wie Erfurt. Es reicht auch, wenn Heidelberg wie Heidelberg aussieht.

 

Mannheim wie Mannheim und so hat jeder seine eigene Perspektive. Das, was es gleich sein sollte, als Zielkorridor, wenigstens gleiche Löhne. Und wir liegen bei den Löhnen immer noch bei nur 70%.

 

Wieviel verdienst Du?

Ich verdiene, also was bekomme ich, das ist nicht was verdiene ich.

 

Was ungefähr?

Naja, nach Beamtentarif hab ich will etwas über 10.000. Knapp 11.000 der mir zustehende also der an mich ausgezahlte und abgerechnete Bruttobezug nach Beamtenrecht. So aber die Frage ist ja nicht was ich bekomme. Und ich jammer auch nicht, was ich bekomme, weil ich komme mit meinem Geld gut hin. Keine Frage. Aber die Frage ist doch derjenige der jeden Tag dafür sorgt dass die Wirtschaft am laufen ist. Der am Fließband steht oder derjenige, der im Krankenhaus die Pflege für die Menschen organisiert. Ob der so bezahlt wäre, ob er in Heidelberg wäre oder in Mannheim wäre. Und das wird er eben nich. Und deshalb haben wir immer noch den den Brain drain. Viele Leute gehen in den Westen, weil sie einfach mehr Geld verdienen. Und das blutet uns immer noch weiter aus. Deswegen brauchen wir ein Ausgleichsmechanismus, dass zwischen dem Zielkorridor wenigstens annährend irgendwann eine Parität entsteht damit die wirtschaftlich starken Bundesländer die wirtschaftlich schwächeren Bundesländer nicht aussaugen.

 

Braucht es einen Flüchtlingssoli?

Mein Vorschlag ist da ja ganz entschieden und ganz einfach. Ich hab Dir ja gerade erläutert, wie der Solidaritätsbeitrag selber aussieht. Den würde ich genau so belassen, wie er ist.

Auch von der Höhe her. Und würde gerne die zweite Hälfte, also die eine Hälfte fließt ja gebunden mit Vereinbarungen an die neuen Länder und die zweite Hälfte würde ich auf alle 16 Länder verteilen. Das bedeutet 8 Milliarden würden dann für alle 16 Länder zur Verfügung stehen und nach Königsteiner Schlüssel würde ich es verteilen. Nach Königsteiner Schlüssel kriegen wir auch die Flüchtlinge zugewiesen.

 

Was ist das?

Der Ort Königstein im Taunus war mal ein Tagungsort an dem sich vor 60 Jahren die damaligen Bundesländer geeinigt haben, nach welchen Kriterien alles verteilt wird. Alle Aufgaben, Lasten und sowas. Thüringen kriegt von allen Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen 2,75 %, weil das der Anteil ist, den wir an Einwohnern gegenüber der Bundesrepublik, also den Gesamtdurchschnitt haben. Und ich möchte gar nicht mehr haben als den Königsteiner Schlüssel. Das würde bedeuten aus den 8 Milliarden verteilt durch die 16 Länder nach Königsteiner Schlüssel, wäre für mich eine Refinanzierungsquote von 220 Millionen. Dann hätten wir etwa die Hälfte der Kosten, die wir dieses Jahr für die Flüchtlinge ausgeben. Dann wären bei 50 Prozent. Das würde für alle Bundesländer, und zwar für die wirtschaftlichen Schwachen, wie für die wirtschaftlich Starken die gleiche Chance erhöhen.

 

Was nicht geht, ist dass die ganzen Kosten auf den Ländern liegen bleiben. und die Bürger und damit bin ich wieder bei Deiner einen Frage, die Du vorhin hattest. Die Bürger das Gefühl haben, für die Flüchtlinge wird alles getan und für den Langzeitarbeitslosen wird nix getan. Oder für den Menschen in der Kindereinrichtung wird nix getan. Und das halte ich für falsch. Deswegen sage ich, ich will kein extra Flüchtlingssoli sondern den bestehen Soli nur so verteilt, dass die neuen Länder ihren Teil kriegen, den sie sowieso verteilt bekommen und alle anderen die andere Hälfte kriegen.

 

1:12:00

 

Ich wollt mal zum Verfassungsschutz kommen. Warum gibt’s den noch in Thüringen?

Ich meine, ihr seid ja auch LINKE, die haben Euch Jahrzehnte überwacht. Warum habt ihr euch nicht gesagt, scheiß drauf. Also den schaffen wir ab?

Das haben wir ja gesagt. Das ist ja auch unsere politische Position. Auch meine politische Position als Mitglied meiner Partei. Also ich meine ja, ich habe ja die besondere Freude gehabt dass ich von dem Dienst irgendwie so, weit über 30 Jahre bin ich fürsorglich in Köln dem Bundesamt für Verfassungsschutz zwischen Aktendeckeln erfasst gewesen. Da sind so staatszersetzende Sachen über mich abgeheftet worden.

 

Du warst ein Gefährder?

Absolut. Also ein totaler Gefährder. Also da stand dann drin: Wir heiraten. Und die Hochzeitsannonce. Und wir heiraten dann und dann und die Hochzeit ist da und da.

Das habe ich in meiner staatsgefährdenden Akte gefunden. Dann stand da drin: die Friedensbewegung wächst. 27 cm 4380 g. Und er heißt Phillipp, also die Geburtsanzeige von meinem Sohn. Die ist in meiner Geheimdienstakte drin. Und dann war drin, dass ich zum Tag der Deutschen Einheit, also Jahre später in Düsseldorf einen Vortrag gehalten habe über den Unterschied der Lohndifferenz Ost/West. Und dann habe ich in der Gerichtsverhandlung in Köln gefragt, ob der Richter mal die Frage aufwerfen kann, was an meiner Rede in Düsseldorf staatsgefährdend war. Daraufhin sagte der Richter: “Ja, das interessiert mich auch.” Und fragte den Vertreter des Bundesamtes und der sagte: “Das weiß ich nicht”. Und da sagte er: “Aber das müssen es doch wissen, sie haben es doch erfasst.” “Ja, ich weiß es einfach nicht.” Und dann ging das so, dass zuerst der Prozessvertreter des Bundesamtes den Chef des Bundesamtes fragte, der wusste es auch nicht, der fragte den anwesenden Abteilungsleiter. Der wusste es auch nicht. Und er sagte dann: “Herr Richter, da hinten im Gerichtssaal sitzen die zwei Sachbearbeiter von Herr Ramelow”. Also ich hatte meine persönlichen Sachbearbeiter dann in Köln kennen gelernt. Und dann sagte der Richter: “Na erlauben Sie denen doch mal, dass die das verantworten. Diese Frage ist doch relevant, damit Herr Ramelow mal erfährt, was ist denn so staatsgefährdend an dem was er über den Lohnabstand Ost/West als Gewerkschaftschef gesagt hat?”.

 

Das würden wir auch gerne wissen.

Ja ich auch. Ja, es wird ein Geheimnis bleiben, weil die Kollegen antworten dann von hinten: “Das wissen wir auch nicht, wir haben es erfasst, weil neben Herr Ramelow jemand saß, den wir im Visier hatten.”

 

Bist Du immer noch ein Gefährder?

Die nennt sich die sogenannte Kontaktschuld. Also Rolf Gössner der Menschenrechtsanwalt aus Bremen.

 

Schuldig durch Assoziation.

Ja, Du sitzt jetzt auch neben mir. Wenn ich ein Gefährder bin, bist Du jetzt auch einer. Ich glaube aber, so wie Du immer mit dem Regierungssprecher umgehst, bist Du ein viel größerer Gefährder. Ich gehe immer mit dem Sprecher viel netter um. Also der sitzt immer hinter mir, wenn ich im Kanzleramt bin. Von mir aus gesehen halb links. obwohl inhaltlich glaube ich, na ja.

 

Wir wissen von wem wir reden.

Ich bin kein Gefährder. Weil das Bundesverfassungsgericht, die anderen heißen nur, die nennen sich nur Bundesamt für Verfassungsschutz. Also da kommt Verfassung und Schutz drin vor. Da sollte man doch sagen, ein ganzes Amt schützt die Verfassung.

 

Gibt’s doch gar nicht.

Ja doch, das heißt ja so, die Behörde. Und in Köln gibt es etwas, das heißt Bundesverfassungsgericht. Da könnte man jetzt sprachlich denken, die sitzen immer über die Verfassung zu Gericht, dabei achten die nur drauf, ob die Verfassung eingehalten wird. Und bei denen hab ich geklagt. Also bis zu denen hab ich geklagt. Es ist ein langer Weg, er hat auch 10 Jahre gedauert. Und dann hat Karlsruhe gesagt: “Alle Erfassungen gegenüber dem Bürger Bodo Ramelow sind verfassungswidrig.” Die Frage, wer der Gefährder ist ergibt sich glaube ich aus dem Urteil. Wer gefährdet da mehr? Der, der rechtwidrig erfasst wird, oder der der rechtswidrig erfasst. Und deshalb mussten alle Akten über mich gelöscht werden und zwar läuft da immer noch ein Verfahren, weil sie nicht nachweisen können, wie sie gelöscht haben. Sie haben einfach nur dem Gericht mitgeteilt es sei gelöscht. Das gefällt meinem Anwalt aber auch nicht. Weil wir wollen jetzt genau wissen, wie gelöscht worden ist. Es war mir aber zwischenzeitlich in den Jahren, also 10 Jahre dauerte die Klage mehrfach das Signal gegeben, dass man es doch außergerichtlich weg schaffen könnte, weil es offenkundig manch einem in der Verantwortung zu peinlich wurde. Ich habe gesagt: “Nein, wir leben in einem Rechtsstaat, ich würde das ganz gerne von der höchsten Instanz bestätigt bekommen. Entweder gibt es Gründe, dass ich ein Gefährder bin, dann will ich endlich wissen was es ist, damit ich wirklich mit mir mal, sozusagen, in mich zurück ziehe, mit mir in Verhandlung eintrete und nochmal drüber nachdenke.” Und dann kam aber am Ende heraus: Ich bin es gar nicht, die anderen sind es. Dann hätte ich mir doch mal erwartet, dass die mal in sich zurück ziehen und mal drüber nachdenken, was sie da falsch gemacht haben. Und das haben sie aber auch nicht gemacht. So, jetzt kommen wir mal auf das Thüringer Amt. Also das ist meine persönliche Geschichte.

 

Warum habt ihr das nicht abgeschafft ?

Na ja, das wollte ich Dir ja jetzt erzählen. Wir sind damit mutig in die Koalitionsverhandlungen gegangen. Haben gesagt, das Geheime im Geheimdienst gehört abgeschafft. Die Mitarbeiter der Behörde hätten wir an anderen Stellen gut gebraucht. Also zur Analyse von Rechtsradikalen, sowas, könnte man die ja alle als wissenschaftliche Expertise gut einsetzen können. Das wollten dann unsere Koalitionspartner nicht. Also Soweit wollten Sie es dann doch nicht.

 

Dann haben wir überlegt: Was könnten wir tun? Ja, was das Landesamt in Thüringen angeht, ist aber so, das hat ja nun, sich nicht nur mit Ruhm bekleckert, sondern einige Skandale an der Backe. Eines der berühmtesten Skandale ist der mit den Drei Buchstaben NSU. Und das NSU ist entstanden, oder das Netzwerk NSU, das sind ja nicht nur die drei Menschen die dauernd geredet wird, das Netzwerk ist ja viel größer. Dieses Netzwerk ist entstanden in Thüringen im Background des Thüringer Heimatschutzes, abgekürzt THS. Und Combat 18, sozusagen der elitäre, englische militärische Arm der englischen Naziszene. Die Blood and Honor Version in Gera, da saß der Bundesschatzmeister von dieser Organisation, die ist mittlerweile verboten, der galt immer als ein geführter V-Mann von dem Vizepräsidenten des Landesamtes. Der Vizepräsident hat das immer bestritten. der Thüringer Heimatschutz hatte in seiner Hochzeit jeden 4. aktiven als V-Mann. Bezahlten V-Mann vom Amt. Man kann also auch sagen, die Naziszene in Thüringen wurde finanziell vom Staat gepampert und hat tatsächlich somit auch gestärkt und aufgebaut und einer der Hauptakteure, Tino Brandt, hat in jede Kamera mittlerweile erzählt, das hinter ihm, er sei beschützt worden als V-Mann, er hat 200.000 Mark gekriegt von dem Amt. Mit denen hat er die Szene hochgerüstet , aufgebaut und ermöglicht. Wenn er durch die Landschaft gefahren ist, ist hinter ihm ein Polizeiwagen als Obervationsfahrzeug gefahren. Und hinter dem Observationsfahrzeug der Polizei, so sagt Tino Brandt ist dann der Verfassungsschutz zum Observieren der Polizei her gefahren. Also so ein Amt braucht wirklich niemand.

 

Aber das gibt’s immer noch?

Ja, aber wir haben diesen Teil in dem Amt abgestellt. Wir haben das Amt neu positioniert. Wir haben dieses Amt als Teil des Innenministeriums neu aufgestellt und wir haben die innere Personalstruktur verändert. Wir haben einen Controller eingesetzt, damit das Geheime da drin nicht einfach unkontrolliert stattfindet. Dieser Controller ist von Hause aus Staatsanwalt, also jemand der wirklich gut bewiesen hat, dass der mit dem Recht gut und klar umgeht. Wir haben einen Vizepräsidenten, der ein guter Amtsleiter ist, ein guter Behördenchef. Und wir haben mit Stephan Kramer, dem früheren Generalsekretär des Zentralrats der Juden einen neuen Präsidenten des Landesamtes, der nun wirklich lange Zeit auch in der Antonio Amadeu Stiftung also sozusagen zum Thema Rassismus sehr viel gearbeitet und sehr viel präsentiert und auch nach außen vertreten hat.

 

1:20:30

 

Ist es so ein Nazijäger?

Nein, er ist kein Nazijäger, weil das Problem ist, dass Simon Wiesenthal und das Simon Wiesenthal Zentrum etwas sehr besonderes ist und das würde ich jetzt ungern sprachlich auch nur in die Nähe bringen.

 

Na, ich meine es gibt ja, Du hast es ja gerade gesagt, ein gibt ein Problem mit Neonazis. Mit Rechten. Da würde es doch Sinn machen, also das hört sich doch fast schon sympathisch an, wir lassen da einen jüdischen Ex-Generalsekretär des Zentralrats der Juden…

Also die Betonung ist nicht, weil er Jude ist…

 

Nein.

Das würde ich auch gleich ausschließen, weil Stephan Kramer ist uns aufgefallen als jemand, der beim Thema Rassismus auch das notwendige Feeling hat, abzugrenzen zwischen dem was wir an rechtsstaatlicher und normierter Ordnung, was wir an rechtsstaatlicher Klarheit brauchen, denn wir müssen ja aufpassen. Wir dürfen nicht mit staatlicher Instrumentalisierung auf einmal Verbotsverfahren wieder auf den Weg bringen, die uns hinterher um die Ohren fliegen. Ich will das Beispiel sagen: Das erste NPD-Verbotsferfahren ist wegen der Thüringer V-Leute gescheitert. Weil Karlsruhe, also ich bin jemand der sehr großen Respekt vor Karlsruhe hat, vor der Institution des Bundesverfassungsgerichts hat. Karlsruhe, die Karlsruher Richter haben gesagt: Wenn wir nicht mehr erkennen können, ob die Nazis selber Nazis sind oder ob sie bezahlte Provokateure sind, dann könnte jeder Staat, jede Partei durchsetzen mit V-Leuten und Agent Provokateurs. Deswegen sage ich: es geht nicht, dass wir da irgendwie meinen überall einsickern zu müssen. Also aus dem was das Thüringer Landesamt schon an Schuld auf sich geladen hat, in der Zeit in wie dieser Herr Roewer, dieser Besondere, der heute als gern gesehener Politikclown durch die Landschaft geht, also der hat im Untersuchungsausschuss so ein Satz gesagt, auf die Frage, wie er denn überhaupt ins Amt gekommen sei, hat er geantwortet: “Wissen Sie, es war Nacht, ich war betrunken und am nächsten Morgen hab ich mein Ernennungsurkunde gefunden.” Also jemand der so etwas sagt, der will den Clown spielen, um vor der drastischen Verantwortung abzulenken, der Durchsetzung der ganzen Naziszene mit V-Leuten und bezahlten Spitzeln, also bezalten Nazis. Die sind mit Staatsgeld bezahlt worden und man darf von diesem Extrem jetzt nicht in ein anderes Extrem gehen, sondern man muss einfach dafür sorgen dass das Landesamt für Verfassungsschutz seine gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen hat. Und die gesetzlichen Aufgaben sind schon Sicherheitsanalysen zu machen und Zuarbeit zu liefern. Zuarbeit heißt, wir brauchen Gefährungsanalysen, wir brauchen auch Beurteilungen und das Amt ist auch zuständig für Salafismus, Islamismus, also islamischen Terror. Wir haben ja auch mindestens eine Person aus Erfurt, eine junge Frau, die zum IS gegangen ist, wahrscheinlich sogar zwei. Und wir hatten vor kurzem hier Tschetschenen, die ein paar Tage hier waren. Da war unsere Alarmstellung auf halb acht, weil auch da sage ich mal, der IS ist eine Terrororganisation und wer im geistigen Spektrum des IS sich bewegt ist und bleibt Terrorist. Und ich würd mal ganz gerne, wenn wir es können, frühzeitig wissen, ob wir sowas hier haben. Trotzdem möchte ich, dass nicht der Moslem an sich als Terrorist bezeichnet wird. Wer an Allah glaubt hat ein Recht darauf, nach dem Grundgesetz, seinen Glauben so zu leben, wenn er ihn friedlich lebt. Deshalb werde ich auch in absehbarer Zeit alle Muslimischen Gemeinden in die Staatskanzlei einladen, damit wir da ein Diskussionprozess über die Verteidigung des Glaubens und die Anwendung des Glaubens als friedliches Element unseres gemeinsamen Lebens auch thematisieren zu können. Weil, wir haben eine große jüdische Landesgemeinde in Thüringen und ich bin froh und stolz drauf, dass wir so eine aktive jüdische Landesgemeinde haben. Wir haben eine ganze Reihe kleinere muslimische Gemeinden. Wir haben eine kleine aktive jesidische Gemeinde. Auch da darf man nicht vergessen, dass es alles so eine Mischung zwischen denen, die hier leben und die wir auch als Bereicherung unserer Kultur gerne unterstützen und denen, die aus ihren Heimatländern vertrieben werden und die sich große Sorgen um ihre Angehörigen machen.

 

1:25:00

 

Was habt ihr aus der NSU-Aufarbeitung gelernt, was jetzt zum Beispiel in der ganzen Flüchtlingssituation hilfreich sein könnte? Gibt es Fehler, die man gerade jetzt in der Flüchtlingspolitik nicht mehr machen sollte?

Erst mal ist es so, dass wir noch gar nicht wissen, was wissen wir denn über den NSU? In München findet ein Prozess statt gegen eine Täterin, wo ich manchmal das Gefühl hat, es kommt auf die Frage an, wie sie die Haare richtet, aber nicht, ob es eine Terroristtische Organisation war. Und wir reden über drei/vier Leute, davon sind zwei tot. Damit kann man sich auch relativ schnell dem Gefühl hingeben, als ob das ganze Thema aufgearbeitet ist, das ist es aber nicht. Im Bundestag findet gerade ein neuer NSU Ausschuss statt und der CDU-Bundestagsabgeordnete hat gesagt, die Zahl drei darf durchaus bezweifelt werden und ob wir den Kopf der NSU wirklich kennen, darf bezweifelt werden. Sagt der CDU-Abgeordnete und der Vorsitzende Clemens Binninger von der CDU ist selber Polizist aus Baden-Württemberg und ich hab häufiger mit ihm zu tun gehabt. Der stellt immer die richtigen Fragen: Was ist in Heilbronn passiert? Was ist wirklich passiert? Wie ist Michèle Kiesewetter umgebracht worden? Was war die Motivation? Welche Verbindung gibt es vom Ku-Klux-Klan (KKK) in der Baden-Württembergischen Polizei und wie häufig waren die hier in Thüringen und haben hier gefeiert oder die Frage:  Sagt Ihnen “Wehrsportgruppe Hoffmann” was?

 

Nein.

Wirklich nicht? Attentat Münchner Oktoberfest?

 

Nein.

In der Zeit “Wehrsportgruppe Hoffmann” war die große Bedrohung in Westdeutschland. Dieser Karl Heinz Hoffmann ist aus Thüringen. Der ist nach Khala direkt nach der Wende zurück gekehrt. Ist heute eine netter, eine nette graue Eminenz, aber in der Region dort ist eine auffällig hohe Anzahl von militanten Neonazis. Und dort hat es sehr viel Aktivitäten mit Sprengstoff gegeben, Und dort hat es ein brennendes Kreuz gegeben. Also das Markenzeichen des KKK Ku-Klux-Klan. Was wissen wir wirklich?

 

Aber wir wissen ja schon was aus der NSU-Sache geworden ist.

Wir wissen eine ganze Menge, weil wir in Thüringen den Untersuchungsausschuss als aller Erste auf den Weg gebracht haben. Es war eine große Einigkeit von der CDU bis zur LINKEN und die damalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht von der CDU hat einen Sonderermittler eingesetzt. Das habe ich sehr unterstützt. Diesen Herren Richter Schäfer und danach ist der Untersuchungsausschuss entstanden. Der musste dann aber zeitig beendet werden, weil die Legislatur zu ende ging. Dann ist auch im Bundetag die Legislatur zu ende gegangen, auch der dortige Untersuchungsausschuss zu ende gegangen. Jetzt sind in beiden Parlamenten wieder Untersuchungsausschüsse. Und ich bin froh, dass wir im Bundetag Petra Pau haben, die da sehr aktiv ist, wir haben Martina Renner, die aus Thüringen kommt und im Bundestag sich sehr dort einbringt und hier in Thüringen die Vorsitzende Dorothea Marx und  Katharina König von uns, sind diejenigen, die sich sehr um Aufklärung bemühen und deswegen sage ich nochmal: Was wissen wir wirklich vom NSU? Wir Wissen Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe. Ich habe Mundlos und Böhnhardt kennengelernt in einer Situation, die mir…

 

Du hast sie kennen gelernt?

Ja, auf eine sehr schlimme Art. Es gab den Überfall des Rechtsterroristen Manfred Roeder, Rechtsanwalt Manfred Roeder, Rechtsterrorist, verurteilt, langjährig in Haft. Kurz nachdem er aus der Haft kam, ist er hier nach Erfurt gekommen und hat die Wehrmachtsaustellung überfallen. Aber Du bist zu jung, ich merk das schon, nicht naiv aber jung, dass Du nicht mal weißt, was mit der Wehrmachtsaustellung damals los war. Da gab es Tumulte in Deutschland. Da gab es Angriffe und hier in Erfurt ist die Wehrmachtsaustellung von Roeder beschmiert worden und zerstört worden mit roter Lackfarbe: Lüge. Und es sollte unter allen Umständen nicht gezeigt werden, die Verbrechen der Wehrmacht in der NS-Zeit. Und ich hab Herrn Roeder festgehalten mit der Spraydose in der Hand hab ich ihn so festgehalten und dafür hab ich dann von ihm eine Anzeige gekriegt, ich hätte ihm Gewalt angetan. Er zurstört die Ausstellung und er sagt aber ich wär der Gewalttäter.

 

Gefährder, das passt doch alles.

Absolut. Da war aber der Verfassungsschutz wieder nicht da. Obwohl man ihn mal gebraucht hätte. Weder um Herr Roeder festzuhalten, noch mich zu beschützen. Das ist dann wieder so unfair. Jedenfalls dieser Roeder stand dann vor Gericht und im Gerichtssaal waren permanent zwei Typen hinter mir her und das hat mir so viel Angst gemacht, dass ich tatsächlich diese Angst in meiner Seele verschlossen hab und hab das weg gedrängt. Ich wusste aber, es war in diesem Gerichtssaal, hatte ich ich panische Angst als Zeuge. Ich habe auch zu der Richterin gesagt, ich bitte um ihren Schutz und ich weiß noch, dass sie ganz hilflos darauf reagiert hat. So und dann, Cut. Jahre später kommt das Ende von Mundlos und Böhnhardt in Stregda in dem Camper und ich sitze in Barcelona morgens und sehe am Nachbartisch die Bild-Zeitung. Die wird aufgeschlagen und ich sehe die Augen von den beiden und sage: “Das sind die.” Und in der Sekunde wusste ich, das sind die aus dem Gerichtsaal. Ich hatte das zehn Jahre verdrängt.  Dann bin ich los, hab Martina Renner in Erfurt angerufen, ich sag, Martina, das müssen die beiden aus dem Gerichtssaal sein. Und hat sie über den MDR die alten Filmmaterialien raus geholt und tatsächlich, man sieht den Schwenk im Gerichtssaal, Roeder auf der einen Seite, ich im Zeugenstand und dahinter Mundlos und Böhnhardt. Und dann gehe ich aus dem Gerichtssaal raus und Mundlos und Böhnhardt direkt hinter mir her. Deswegen wusste ich, diese kalten Augen waren mir bekannt. Und dieses Gerichtsverfahren mit Manfred Roeder, also das ist so, dass es mir heute noch eiskalt den Rücken runter läuft, weil das ist nicht mehr die Frage von Faschismus als Meinung, sondern da ist Gewalt ausgestrahlt worden und da ist Gewalt auch verbal angewandt worden um Leute in Angst und Schrecken zu versetzen. Mundlos und Böhnhardt sind immer hinter mir her gewesen und das Signal war: Wir wissen wer Du bist. Wir wissen, wie Du heißt. Wie wissen wo Du wohnst. In der Zeit sind wir zu hause, da hat mein Hausmeister gemerkt, dass da Leute versucht haben in unsere Wohnung zu kommen. In der Zeit hat unserer Gewerkschaftsbüro im Keller gebrannt. Da gab es einen Einbruch in meinem Gewerkschaftsbüro, wo meine Unterlagen gestohlen werden sollten und so weiter und so weiter. Also, deswegen wenn ich NSU höre, sage ich, wir müssen noch viel gründlicher gucken, was ist da wirklich geschehen und wie lange hat man auch Gewalt zugelassen. Sprengstoffanschläge zugelassen. Es waren ja nicht einfach dumme Puppen, die in Jena rumgehangen haben, sondern in der Zeit gab es auch einen Sprengstoffanschlag auf eine Ausländer-Wohnunterkunft. Das waren keine Flüchtlinge, das waren ausländische Arbeiter, die in einer Wohnunterkunft waren. Ich glaube Erntehelfer. In der Zeit gab es auch den Versuch das damalige Horten Kaufhaus in Jena mit Sprengstoff vollzupacken. Man hat sogar beim Abriss noch Sprengstoff im Jenaer Kaufhaus gefunden. Da war sehr viel TNT im Spiel. Und die Frage, wer das alles mit Material versorgt hat ist meines Erachtens nicht ausreichend geklärt. Und was in Stregda im Camper passiert ist, da hab ich durchaus meine Zweifel von allem was bisher an Geschichten erzählt worden ist. Haben die sich wirklich gegenseitig erschossen? Also Stefan Aust und der Herr Laabs, die beiden Autoren des großen NSU-Buchs sind gerade dabei eine neue Recherche anzustellen, weil sie nochmal sagen, wir müssten nochmal die Sachen prüfen die wir hatten. Ja, und Schorlau, der Krimiautor hat jetzt gerade ein Buch vorgelegt, das lesenswert ist, als Krimi. Er hat das ganze als Krimi fortgeschrieben. Da kommt so die Frage drin vor. Kann es denn sein, was sich da tatsächlich in Stregda bei Eisenach abgespielt hat? Deswegen sage ich, was können wir lernen heute in der Flüchtlingskrise? Die Frage ist nicht, was können wir aus dem NSU lernen? Sondern, was können wir daraus lernen, wenn Fremdenfeidlichkeit zur Alltagskultur wird. Was können wir lernen, wenn auf einmal Rassismus wieder die Oberhand bekommt? Wenn wir uns in unserer Unterschiedlichkeit nicht aushalten wollen, oder nicht aushalten meinen zu können. Aber dieses Land war immer Zuwanderungsland, also Thüringen. Vor 1000 Jahren hatte das hier noch die Hälfte an slawischer Siedlungsstruktur. Viele Ortsnamen im Ostthüringer Raum sind slawische Siedlungsnamen. Mein Name Ramelow, kommt aus dem Russischen, ist über die Masurischen Seen ist meine Familie dann irgendwann nach Norddeutschland gekommen. Das Ruhrgebiet Schindlowky, Koslowsky und wie sie alle heißen. Alle -lowskys sind alles polnische Bergarbeiter gewesen, die den Wohlstand im Ruhrgebiet nach vorne gebracht haben. Und wenn ich mir angucke, wir haben den 60. Jahrestag der ersten Italiener, die damals Gastarbeiter genannt wurden.

Gastarbeiter sind sie ja deswegen genannt worden, weil sie ja als Gäste nachher wieder heim fahren sollten. Aber ich hab noch nie bei mir zu hause einen Gast arbeiten lassen.

Es ist irgendwie komisch, was man da alles Gastarbeiter nennt. Aber ohne die Türken, also die Menschen, die aus der Türkei kamen, wäre z.B. Ford in Köln nicht das was heute Ford in Köln heute ist. Und auch Berlin wird geprägt von dem was türkische Zuwanderung war. Die Frage ist, ob wir uns in der Unterschiedlichkeit akzeptieren. Was haben wir von den Italienern gelernt, ja Pizza und Eis, leckeres Eis. Speiseeis. Das war die “Dolomiti” hieß die erste Eisdiele bei uns in Osterholz-Scharmbeck. Das waren die ersten Italiener meines Lebens, die ich kennegelernte. Die kamen in putzigen kleinen Autos dahergefahren, Fiat 500, so kleine rollende Kugeln. Und dann stiegen ganz viele aus und wir sind mit den etwas größeren Kugeln dafür zurück gefahren. Das war der VW-Käfer. Heute ist ein Deutschland ohne seine Vielfalt gar nicht vorstellbar. Aber Thüringen selber hat nur 3% nicht Deutsche. Es heißt eine große Zuwanderung hat es hier in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben. Die einzige massive Zuwanderung, die es hier gegeben hat war von 1945 bis 1949. 800.000 Flüchtlinge hat dieses Land aufgenommen. 800.000. Ohne diese 800.000 wäre dieses Land nicht das geworden, was wir heute sind. Und dann wird mir immer gesagt: Ja, aber das sind alle aus dem deutschen Kulturkreis. Und dann sage ich: Ja, ihr müsst Euch mal mit den Alten unterhalten, wie sie behandelt worden sind. Wenn der Katholische aus Schlesien irgendwie hier auf die protestantische Mehrheitsgesellschaft gestoßen ist. Wenn die Sprachdialekte miteinander nicht harmoniert hat, dann wurden sie als Gesindel bezeichnet. So und die unter uns lebenden Minderheiten, also von 1933 bis 1945 wurden die Juden umgebracht und die Sinti und Romas landeten im KZ. Und nach 1945 bei den Juden hat man dann gemerkt, es gab ein schlechtes Gewissen weil die fabrikmäßige Ermordung von unseren Mitbürgern war dann doch auch den Nachkriegsdeutschen dann zu fett, da wollte man lieber nicht drüber reden, aber über die Zigeuner wurde lange nicht geredet. Bis in die 60er Jahre war der Begriff Zigeuner immer noch ein ausgrenzender Begriff. Und Romani Rose habe ich vor Kurzem gerade wieder getroffen, weil wir reden gerade über ein Kulturabkommen zwischen uns und dem Zentralrat der Sinti und Romer über den Erhalt der Sintigräber, die sind nämlich sehr wichtig für die Familien. Die hier lebenden und der seit zwei/drei Jahrhunderten gut sozialisierten Sinti und Romer sind in der Regel Katholiken. Wenn man denen das Recht abspricht Deutsche zu sein, dann grenzen wir einen Teil unserer eigenen Bevölkerung aus. Und da merke ich, wie unehrlich wir sind, wenn es um diese Siedlungsminderheiten geht. Wir haben ein paar ethnische Ortortonenminderheiten, das sind die Sorben, im letzten übriggebliegenden sorbischen Gebiet. Das eigene Siedlungsgebiet ging ja bis hier. Aber tatsächlich heute in der Lausitz, im Spreewald, da sind ja die Straßen zweisprachig und die Ortsschilder zweisprachig. Der Frieden zwischen Deutschland und Dänemark hängt damit zusammen, dass wir die dänische Minderheit als gleichberechtigte Minderheit akzeptieren. Die Dänen dürfen sogar ins Parlament gewählt werden ohne 5% Hürde als dänische Minderheitsvertretung, und es gibt viele gut gehende dänische Schulen auf deutschen Boden und es gibt die Friesen. Über die sind lange nur Witze gemacht worden, aber in Wirklichkeit sind die eine sprachliche Minderheit. Es ist eine eigene Sprache, das Friesische ist eine eigene Sprache. Und dann sind diejenigen, die dazu gekommen sind. Türken. Portugiesen. Italiener. Das alles zusammen genommen macht Deutschland aus. Deswegen, sollten wir reden über ein Zuwanderungsrecht. Wir sollten reden über modernes Staatsbürgerrecht. Jeder Mensch der hier geboren ist, sollte auch deutscher Staatsbürger werden. In Amerika ist das das Normalste der Welt. Hier tun wir so, als wenn wir in der 10. Generation eine Abstammung nachweisen müssen. Ich finde, dass die Herkunft entscheidend ist. Nämlich der Ort und nicht die Herkunft des Blutes. Und ich denke wir können stolz sein auf das was unser Staat ausmacht, nämlich demokratischer Rechtsstaat. Mit all seinen Mängeln, mit all seinen Fehlern. Aber lieber mit diesen Fehlern umgehen, aber damit sich auseinandersetzen zu können. Solange ich auf die Straße gehen kann und demonstrieren, ist dieses ein freies Land. Dann müssen auch die auf die Straße gehen können, die mir gar nicht gefallen. Dann muss ich einen Herr Höcke leider aushalten. Es gefällt mir nicht, dass Herr Höcke mitlerweile Schlagzeile über Thüringen produziert. Und es gefällt mir nicht was er ruft und wie er es ruft. Weil es ist SA-Sprache, der 20er Jahre. Deswegen kann man es auch sagen was es ist. Es ist eben die Original SA-Sprache mit der da umgegangen wird. Aber auch diese Leute haben das Recht demonstrieren zu können, wenn sie die Regeln einhalten. Wir müssen uns als Mehrheitsgesellschaft damit aueinandersetzen. Deshalb zwingt uns Herr Höcke über uns nochmal nachzudenken. Ich bin da weniger am Auseinandersetzen mit Herrn Höcke. Sondern ich bin mehr damit beschäftigt mich mit uns auseinanderzusetzen. Was bedeutet das für uns, dass wir wollen, dass wir friedlich zusammen leben. Dass wir sagen: “Auch die Muslime gehören zu Thüringen. Wir haben immerhin 9000.” Ich kann mich nicht freuen über Sätze, wie: “Muslime gehören nicht nach Deutschland.” Sie sind doch da. Die Türken haben es mitgebracht und dann viele Iraner und viele die aus politischen Gründen in ihren Heimaten geflohen sind und mittlerweile hier leben und wenn ich mir überlege, wie viele persischstämmige Familien wir haben. Also vor dem Iran, vor der Revolution des Ajatollahs. Diese persischstämmigen, ganz viele davon sind Ärztefamilien. Ohne die hätten wir bestimmte Formen von Heilkunde oder medizische Versorgung gar nicht gehabt. Über all diese Dinge sollten wir einfach so reden, dass wir sagen: “Die Vielfalt ist unsere Kraft.” Und deshalb kann ich mit dem Begriff Multikulti nix anfangen. Weil das setzt vorraus als wenn es irgend einen Einheitsbrei gegeben hat. Ich will die Vielfalt. Die Vielfalt heißt die Unterschiedlichkeit. Unterschiedlich kann ich auch sein, wenn ich Südthüringer bin und fränkisch spreche, dann hab ich manchmal schon als Ministerpräsident das Problem, die Sprache verstehen zu können. Da wünsch ich mir dann schon manchmal deutsche Untertitel.

 

Bodo. Dankeschön. Das war, glaube ich, die längste Antwort auf irgendeine naive Frage, ever.

Tja, Du hast den Fehler gemacht, Dich mit mir einzulassen. Ich bin berüchtigt dafür.

 

Du bist nen Gefährder. Hab ich jetzt gelernt.

Auf kurze Fragen ganz lange Antworten zu geben. Die Zeit nannte das mal in einem Essay: Eine meiner Taktiken ist, andere totzuquatschen. Es ist mir gerade wieder erfolgreich gelungen.

 

Nee. Die leben hier alle noch.

 

Ja, das stimmt. Da hast Du Recht. Das Wort Totquatschen ist einfach blöde. Das muss ich dem Autor von dem Essay nochmal sagen.

 

Bodo. Dankeschön. Danke für die Zeit. Bye Bye.

 

1:43:00

 

So, wir machen noch ne Bonusfolge mit Bodo Ramelow.

Jo.

 

Und jetzt mit Euren Fragen. Eine der Fragen war: Bist Du jetzt für oder gegen NATO? Wir hatten das ja schon mal in der Folge besprochen, aber bist Du gegen die NATO?

Ich kann mit einer solchen Einordnung nix anfangen. Ich bin für eine Landverteidigungsarmee. Die Bundeswehr müsste nach meinem Dafürhalten eine Landverteidigungsarmee sein und wir bräuchten eine europäischen Verteidigungspakt. Und deswegen würde ich gerne die NATO gerne weiterentwicklen zu einem Verteidigungspakt der jeweiligen Kontinente.

 

Also ohne Amerika?

Ja Amerika liegt ja auf einem anderen Kontinent. Da sind zwar viele deutschstämmige mal hin gewandert vor vielen Jahrzehnten und machem Jahrhundert. Und das waren auch alles Wirtschaftsflüchtlinge.

 

Bist Du für den öffentlich rechtlichen Rundfunk?

Ja, absolut. Also da setze ich mich jetzt auch ins Fettnäpfchen gegenüber all denjenigen die die GEZ hassen und das zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben. Aber ich finde, dass der öffentlich rechtliche Rundfunk bei all seinen Mängeln, bei all seinen Schwächen und auch manchmal zu viel Geld für Fußball und andere Events, die teuer angekauft werden. Aber ich finde, dass es immer noch ein Anspruch gibt, der auch dokumentiert wird. Mal mehr mal weniger. Aber es ist eben nicht ein Verlautbarungsmedium. Ich kenne die italienische Fernsehlandschaft. Ich kenne auch die englische und weiß welche Rolle die BBC da noch hat. Die altehrwürdige BBC. Und da haben wir irgendwo so nen Mittelweg. Aber ich bin froh, dass wir nicht solche Verwertungskanäle haben, wie Titten-TV in Italien.

 

Noch nicht.

 

Dann war die Frage, Jenoptik soll hier irgendwo im Rüstungsgeschäft auch tätig sein. Warum lasst ihr das zu?

Ja, die Frage ist nicht: Warum lassen wir das zu? Sondern die Frage ist: Wir sind der größte Aktionär bei Jenoptik.

 

Thüringen?

Ja, der Freistaat Thüringen und als ich ins Amt kam bin ich sofort nach Jena gefahren, hab mich mit dem Vorstand zusammen gesetzt, weil ich wissen wollte, welche Rüstungsgeschäfte und welche Rüstungsforschung sie machen. Und ich muss einfach sagen, es ist passive Rüstungstechnologie. Was ist passive Rüstungstechnologie? Das sind alles Teile, die auch in jedem Zivilfahrzeug drin sind. Und deswegen wird da etwas unter Rüstung zusammengefasst, also ich will es mal sagen, der Stabilisator vom Panzer ist der gleiche der auch im ICE drin ist. Was mach ich jetzt? Sage ich…

 

Dann dürfen aber ICEs auch keine Stabilisator mehr haben.

Genau. Ja, deswegen sage ich, dass das ein Problem ist und damit muss man sich offensiv auseinander setzen. Ein Küchenmesser bleibt ein Küchenmesser. Obwohl man damit auch einen Menschen ermorden kann. Und die Frage ist jetzt, verbieten wir jetzt Küchenmesser?

So und deswegen haben wir diese Diskussion als Landesregierung mit dem Vorstand geführt, aber wir haben ihn auch mit der IG-Metall und mit den Betriebsräten geführt und ich habe das auf einer Betriebsversammlung dort auch vertreten. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende ist der IG-Metall-Vertreter und wir haben diese Diskussion sehr offen geführt. Dass wir sagen, wir würden uns freuen, wenn mehr Forschungsinput in alle anderen Bereiche auch stärker hinein geht. Aber wir verkaufen diesen Teil nicht und wir gehen aus den 11% deswegen nicht raus. Aus einem ganz einfachen Grund. Es ist der letzte und der einzigste DAX-Konzern im Osten. Würden wir die 11% frei räumen, könnte jeder Hedgefond den Laden übernehmen. Und die 11% sind die Sperrminorität, damit dieser Betrieb nicht von der Börse ausgelistet wird. Und es wär ein fetter Brocken für ein Hedgefond. Deswegen diskutieren wir die Rüstungsfrage tatsächlich offen und öffentlich. Es gibt in meiner Partei einen Konversionsarbeitskreis es gibt einen regionalen Konversionsarbeitskreis und jeder auch im Vorstand weiß, dass ich eine kritische Sicht auf Rüstungsproduktion habe. Aber ich sage trotzdem, wir müssen auch mit dieser Situation aktiv umgehen und dürfen sie nicht einfach nur verteufeln.

 

Das größte Thema online war: Die Rassehundeliste in Thüringen.

Ganz klar. Ich als bekennender Hundebesitzer.

 

Ja klar, Hundehasser. Aber ja. Ok, Hundebesitzer…

Nein, Hundebesitzer.

 

Wir sehen ja hier auch nen Hund.

Ja Attila ist nur heute nicht da. Weil ich wollte ihn schützen vor Dir. Weil, sonst hätte er sich erschreckt, weil alle haben gesagt, es wär immer ganz kritisch, wenn Du einen so interviewtechnisch überfällst. Aber es ist alles schön. Attila hätte seine Freude gehabt.  

 

Nein, Rassehundeliste. Ja, ich finde die Rassehundeliste falsch, weil sie die Gefährdung einfach nur anhand des Rassemerkmals definiert.

 

Also da ist eine Liste, wo Bulldogge steht, oder keine Ahnung.

Na Bulldogge eben.

 

Aber Dobermann, sowas?

Nein.

 

Auch nicht?

Ja, da geht eben alles durcheinander, aber ich helf Dir mal weiter: Das ist z.B. der American Staffordshire. Das sind bestimmte Hunderassen, die gezüchtet worden sind und die eine bestimmte Beißfähigkeit haben. Aber der Hund an Sich beißt ja nicht. Der beißt, also jeder Hund hat die Fähigkeit zu beißen. Also auch mein kleiner Jack Russell Terrier hat ein Gebiß. Dieses Gebiß möchtest Du nicht im Arm haben.

 

Hmm..

Aber der ist so trainiert und der ist von Anfang an. Hast Du sowas?

 

Da. (Tilo zeigt seine Narben). Mit sechs.

Also entweder hast Du nicht aufgepasst. Ganz klassischer Mensch-Tier-Problemkreis.

 

War meine Schuld?

Na ja, von Schuld rede ich gar nicht. Es ist einfach nur ein mechanischer Vorgang. Die Kinderhand geht in Richtung der Augen und der Hund hat keine Stimme um zu sagen: Hör auf! Und er hat nicht eine Hand um Deine Hand weg zu tun. Das einzige, was die Natur ihm beigebracht hat, ist dann zu beißen. Das ist erst mal der Beißreflex. Das ist ganz schön doof, also für das Kind hinterher das auszuhalten.

 

Aber die Rassehundeliste ist nochmal was ganz spezielles. Da hat man einfach gesagt: Es gibt 10 Rassen. Die sind besonders gefährlich. Die dürfen nicht gezüchtet werden. Die müssen kastriert werden und dann ist das Problem gelöst. Und diesen Lösungsansatz halte ich für falsch, weil das Problem ist nicht gelöst. Das Entscheidende ist nicht die Rasse, sondern das Entscheidende ist, wie das Tier drauf ist. Also ein Schäferhund oder auch ein Jack Russell Terrier können so neurotisch gemacht werden, dass sie beißen, dass sie Angstbeißer werden. Wer ewig als Kettenhundirgendwie angebunden ist oder wer ewig getreten wird. Ich hab da einiges an armen Kreaturen schon kennenlernen müssen. Das ist alles nicht schön. Das alles mit der Rassehundeliste abzutun, löst nur eine Scheinsicherheit aus. Und nach der Beißstatistik stimmt’s sowieso nicht, weil der meiste Biss kommt vom Schäferhund, weil aber auch der Besatz an Schäferhunden der höchste ist.

 

Ich hab einen Hund erlebt, das ist ein Golden Retriever, und die sind eigentlich, also dieser Spezielle war sowas, wie das was Dir passiert ist. Ein Kind hat offenkundig ihm unterm Tisch sehr offenkundig versucht zu spielen oder keine Ahnung. Die Erwachsenen die drum rum saßen wissen es nicht, sie wissen nur, dass offenkundig dann dieser Golden Retriever den Jungen ziemlich gebissen hat und der musste ins Krankenhaus. Und das war alles ganz schön tragisch. Der Hund hat hinterher zwei mal den Wesenstest gemacht. Es wurde zwei mal festgestellt: Er ist ohne jede Aggression. Es muss also sich etwas abgespielt haben, was diesen Hund in eine solche Angstsituation gebracht hat. Und deswegen sage ich a) das Problem an der Leine ist, das obere Teil. Erst mal. Und es wäre gut, wenn die Menschen einfach lernen würden, auch beigebracht kriegen würden, wie man mit Tieren umgeht. Deswegen plädiere ich für einen Hundeführerschein. Ich hab ihn selber gemacht und für mich war es gut. Also dass unserer Hund und ich zusammen regelmäßig zum trainieren auf die Hundewiese und zum Hundetrainer gegangen sind hat uns richtig gut getan. Weil heute können wir uns wechselseitig aufeinander verlassen.

 

Aber wann kommt die Liste jetzt weg?

Die ist im Moment in der Arbeit. Es gibt einen ersten Entwurf. Wie diese Liste entschärft werden kann. Man muss wissen, der Koalitionspartner SPD hat diese Rassehundeliste erst eingeführt. Und wir müssen mit der SPD darüber verhandeln, wie wir sozusagen das Gefährderpotential wieder auf das zurückführen was es ist. Es muss um den Gefährder gehen. Und das bin nicht ich und der Verfassungsschutz, sondern der Hund der beißt.

Es geht nicht..

 

(Gelächter)

Du lachst schon wieder so, als wenn wir schon wieder über den Verfassungsschutz geredet hätten.

 

Nee, aber Gefährder erst mal.

Ja, aber der Gefährder, in diesem Fall geht es wirklich um das Tier. Ob vom Tier eine Gefahr ausgeht. Und das Gesetz heißt: Das Gesetz über die Tiergefahren. Wenn es wirklich um die Tiergefahren ginge, darf man nicht einfach nur einen Katalog dabei legen und sagen: Die sind gefährlich, die müssen kastriert werden. Die Kastration wird in Thüringen auch nicht vollzogen, also derzeit, und soll auch nicht mehr vollzogen werden. Ich weiß, dass z.B. ein Teil dieser Hunde in anderen Teilen der Erde ganz normale Familienhunde sind. Also deswegen verstehe ich die Hundezüchter gut, die sich toll um ihre Tiere kümmern. Die sagen, das ist alles falsch. Ich muss aber dafür werben, dass es eben Menschen gibt, die diese Hunde scharf gemacht haben. Deswegen sind die ja so in Verruf gekommen. Also der klassische Zuhältertyp, der genau mit so einem Staffordshire rumgelaufen ist, um zu protzen. Der hat sozusagen den Staffordshire benutzt, auch als Waffe. Deswegen muss man einfach dafür sorgen, dass eine Ruhe rein kommt. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen den Entwurf ins Kabinett bekommen und dann können wir der Öffentlichkeit auch zeigen, wir sind dran. Ich persönlich würde mich freuen um jeden Tag, den es schneller geht, weil das Thema muss in eine andere Richtung gebracht werden. Wenn wir den Menschen schützen wollen, müssen wir sagen, nicht die Rasse ist Schuld an sich, sondern ein falsch erzogenes Tier. Und dann muss das Tier nach dem Charakter geprüft werden. Und da gibt es genug Hundetrainer, die in der Lage sind so eine Prüfung vorzunehmen, die das auch testen können. Das weiß ich einfach, weil ich selber eben regelmäßig zum Trainieren, zum Hundetrainier gehe.

 

So, jetzt bitte um kurze Antworten, ok?

Hmm.

 

Bist Du für das bedingungslose Grundeinkommen?

Ich bin dafür, dass das endlich mal bedingungslos diskutiert wird.

 

Wie viele Lobbyisten triffst Du so am Tag?

Wenn Du einer bist, hätte ich heute einen getroffen. Ja, nee, das stimmt gar nicht. Ich habe heute morgen eine Firma besucht. Und die sind Lobbyisten für sich selber. Also ich hab ja extra den Betrieb besucht. Guter Betrieb. Mit dem rede ich gern darüber, wie ich ihm helfen kann, dass er sich in Thüringen noch besser entwickelt.

 

Dann wollten die Leute wissen, wie kann man eigentlich als Linker an Gott glauben?

Tja, da lohnt es sich vielleicht mal in die Bibel zu gucken. Da steht viel revolutionäres drin. Das, also ich glaube, Jesus Christus hätte auch ohne weiteres Sozialist sein können.

(Lachen) Bist Du für ein…

Du hast Keine Ahnung von der Bibel, sonst hättest Du jetzt nicht gelacht.

 

Wir haben uns schon mit Jesus beschäftigt. Wir haben gelernt…

Aber schon bei Dir im Gespräch?

 

Das kann ich nicht sagen, vielleicht sitzt er ja jetzt auch hier. Ich weiß es nicht. Aber, ich hab gelernt er war ein Revolutionär.

Das war er allemal. Er hat gegen die Macht gekämpft. Der hat in der Kirche, im Tempel die Tische der Wechsler umgeschmissen. Also Wechsler waren die Bankiers der damaligen Zeit. Das hat er einfach umgeschmissen. Er hat gesagt, das hat hier nichts zu suchen. Also, wenn das nicht revolutionäre Akte waren.

 

Bist Du für ein NPD-Verbot?

Ach, das Verbot ist beantragt. Ich persönlich finde, wir müssen uns mit der Gesinnung auseinander setzen und mit der politischen Haltung, die damit verbunden ist. Aber das Verbotsverfahren ist jetzt in Gang gesetzt worden. Wir müssen es erfolgreich zu Ende bringen. Aber das Problem ist damit nicht erledigt. Also, damit wäre eine Organisation, die die Organisation immer genutzt hat um staatliche Gelder abzugreifen, um diese Gelder wieder in die gleiche Gesinnung zu investieren. Und das würde ich gerne durchbrochen sehen.

 

Und dann wollen die Leute wissen.

Gibt es ehemalige Stasi-Leute im Landtag oder hier in der Staatskanzlei?

Das ist die Frage, was man unter ehemaligen Stasi-Leuten versteht. Hauptamtliche. Gesellschaftliche Mitarbeiter. Ja, eine Stasi-Debatte kann man nicht in kurzen Worten fassen. Es gibt zwei gesellschaftliche Mitarbeiter für Staatssicherheit, die sich zu ihrer Verstrickung mit dem System immer bekannt haben, deren Akten offen liegen und die sich drei mal dem Ehrenverfahren des Landtags stellen mussten. Und keiner von denen ist jemals strafrechtlich belangt worden wegen irgendwas. Ich hab mit beiden diese Verfahren immer begleitet und ich weiß, dass beide immer wieder sagen: Sie waren Anhänger, und zwar richtig aktive Anhänger der DDR. Und sie haben ihr Unrecht in das sie sich haben einweben lassen nicht erkannt. Und das drückt sie viel mehr, wie alles andere. Deswegen sage ich immer, nicht die Akte entscheidet, sondern die Haltung. Was hat jemand gemacht. Und wir sollten auch aufpassen, dass wir auch heute nicht den Stasi-Akten, also dem Apparat der Staatssicherheit mehr Macht geben als er verdient hat. Diese Macht ist zum Glück weg. Die Staatssicherheit war eine gefährliche Machtzusammenballung, die Menschen kaputt gemacht hat. Also das zerstörerische in diesem System. Das muss man immer wieder thematisieren. Deswegen glaube ich, wir müssen die Wirkmethoden eines solchen zerstörerischen Systems immer wieder dokumentieren. Und das tun wir.

 

Und die Leute wollten wissen, wann gibt es endlich kostenlosen Kindergarten?

Ja, aber das ist ganz klar, wenn das Geld zusammengesammelt ist vom Elterngeld. Das tun wir gerade. Und wenn die ganzen, also die Kinder, die jetzt erzogen werden, deren Eltern kriegen ja noch das Geld. Dieses Geld können wir denen ja nicht weg nehmen und wir können das Geld nicht zwei mal ausgeben. Wir haben versprochen, dass das Elterngeld abgeschafft wird und das eingesparte Geld für das kostenlose Kitajahr eingesetzt wird. Und deswegen rechne ich damit, dass wir spätestens im Sommer nächsten Jahres als Koalition Entscheidungen treffen müssen, die den genauen Fahrplan beinhaltet, ab wann und, es ist auch noch offen, welches, erste, zweite oder letzte. Und ich persönlich plädiere für das letzte Jahr.

 

Für alle ?

Für alle, wenn ich das Geld hätte, gerne. Aber das muss man den westdeutschen Ländern sagen, dass sie das auch akzeptieren. Im Moment kriegen wir ja von Westdeutschland vorgehalten, dass wir zu viel Geld für Kinder ausgeben. Ich finde, man kann gar nicht genug Geld für Kinder ausgeben. Also deswegen bin ich gar nicht stolz drauf, dass wir ein kostenloses Kitajahr machen, ich finde das ja so bescheuert. Wir kämpfen gegen Studiengebühren. Zu Recht. Aber Studiengebühren, das sind Erwachsene. Warum kämpfen wir dann nicht genauso vehement für das Streichen von solchen Gebühren. Kindergarten. Ja, aber das wäre eine gesamtdeutsche Thematik. Keine Thüringer Thematik. Wir alleine, isoliert, hätten überhaupt nicht die finanziellen Ressourcen, das zu machen. Wir können das Elterngeld nehmen. Das hat die CDU damals bei der Kita weggenommen und hat es den Eltern gegeben, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken. Wir schaffen das ab, haben es abgeschafft. Jetzt läuft das aus, bis das alles ausfinanziert ist und sobald das Geld im Haushalt frei ist, geht es wieder in die Finanzierung der Kitas. Mein Vorschlag ist, letzte Jahr bevor man überwechselt in die Grundschule, weil das das bürokateärmste Jahr ist. Das erste Jahr wär ein sehr aufwändiges, bürokratisch. Da müsste ein eigenes Erfassungssystem wieder geschaffen werden. Deshalb plädiere ich da für einen schlichten Übergang. Und deswegen sage ich mal, das ist so ein bisschen kompliziert. Wir haben im Koalitionsvertrag stehen, das erste Jahr solls sein, aber nur nach Rücksprache mit den Gemeinden. Und die Gemeinden sagen, nehmt das Letzte. Und deshalb müssen wir das klären, gemeinsam klären, dass wir den Eltern eine klare Antwort geben können. So machen wir das jetzt. Letzte Jahr ab dann und dann und dann besteht Klarheit. Jetzt sammeln wir im Moment das Geld gerade ein.

 

Und wir klären jetzt final, letzte Frage, ganz kurz.

Wieso verarschst Du auf Deiner Seite Menschen, die an Chemtrails glauben?

Die verarsche ich nicht.

 

Die kommen sich verarscht vor.

Ja, das tut mir jetzt leid. Ich werbe immer für Aluhüte.

 

Warum?

Ja, wenn es ihnen Schutz gibt, also wenn jemand einen Aluhut braucht, finde ich jeder hat das recht den Aluhut sich so zu drehen, wie er ihm am besten zur Nase und zum Gesicht passt.

 

Das ist mal ne Ansage.

Ja

 

Aber an so 9/11 Verschwörungen. An sowas glaubst du nicht?

Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob es da eine Verschwörung gegeben hat. Ich hab ja versucht zu erklären, wie kompliziert das Hinterfragen von NSU ist und wie der in Hamburg lebende Flieger über die Lizenz eines Privatflugzeuges, eines Kleinflugzeuges. Das weiß ich alles nicht. Ich hab nur gesehen, wie die Menschen alle gestorben sind und ich hab gesehen, wie viel Elend mit 9/11 verbunden ist. Ich hab aber auch gesehen wieviel Verschärfung an Krisenverschärfung es gegeben hat. Und deswegen glaube ich eher daran, dass wir viel mehr uns in unsere Unterschiedlichkeit, da bin ich jetzt Chist. Wir sollten uns lieben lernen mit unserer Unterschiedlichkeit. Der Eine, weil er an Jesus glaubt und der Andere, weil er ein Aluhut hat. Und vielleicht schützt auch der Aluhut gegen dieses oder jenes. Also, manchmal wärmt es auch. Man kann mit Alufolie auch andere Dinge machen. Also, Wasser auffangen, wenn man es braucht.

 

Wir setzen uns jetzt Aluhüte auf und bedanken uns: Bodo Danke!  Für zwei Stunden.

Jo!

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