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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 30. März 2016

Deutsch-türkischer Eiertanz ▼ BPK vom 30. März 2016

Naive Fragen zu:
Einbestellung des deutschen Botschafters in der Türkei
– können Sie uns kurz aus Ihrer Sicht erläutern, was seit dem Wochenende passiert ist? Die türkische Regierung hat den deutschen Botschafter einbestellt. Wofür, wie lange, und was wollten die? (1:09 min)
– Sie haben gerade gesagt, dass er gestern und letzten Dienstag eingeladen worden sei. Nach meinen Informationen war das eine Einbestellung des Botschafters. Eine Einbestellung ist ja ein ziemlich scharfes diplomatisches Signal, das eine große Verstimmung signalisieren soll, quasi die letzte Eskalationsstufe vor der Ausweisung. Ist es jetzt eine Einladung oder eine Einbestellung gewesen? (5:05 min)
– wenn wegen eines so kleinen Filmchens der deutsche Botschafter einbestellt wird das ist für Sie anscheinend nicht unnormal , warum lädt dann die Bundesregierung nicht den türkischen Botschafter ein, wenn eine Zeitung wie „Zaman“ von der Erdoðan-Regierung übernommen wird? Da wird ja die Pressefreiheit mit Füßen getreten. Wie kommt da der Unterschied zustande? Wegen eines kleinen Satirebeitrags wird der deutsche Botschafter einbestellt, und dort, wo es wirkliche Angriffe auf die Pressefreiheit in der Türkei gibt, macht die Bundesregierung nichts. Können wir damit rechnen, dass einmal der türkische Botschafter deswegen einbestellt wird? (15:35 min)
– dass es ein hohes Gut ist, hören wir von Ihnen immer wieder. Aber was ist denn ein höheres Gut, der Deal mit der Türkei oder die Pressefreiheit? (17:50 min)
– Frau Chebli, zu dem Prozess und der Teilnahme von Herrn Erdmann: Der Prozess wird jetzt nicht-öffentlich geführt. Wird der Botschafter trotzdem weiter versuchen ich weiß nicht, ob das möglich ist , an diesem Prozess teilzunehmen, um vielleicht Sie und auch die deutsche Öffentlichkeit darüber zu informieren? Ich weiß nicht, ob andere deutsche Journalisten dort Zugang bekommen. (17:50 min)
– zum Verständnis: Die Bundesregierung verurteilt den Protest Erdoðans gegen diesen Satire-Beitrag. Ja? Das würde mich erst einmal interessieren. (35:40 min)
– Ich möchte Sie verstehen, und ich möchte verstehen, ob Sie das verurteilen oder ob Sie uns hier einfach nur Selbstverständlichkeiten wie „Wir sind Fans der Pressefreiheit“ sagen. Was halten Sie von diesem türkischen Protest?
– Ist denn nach Ihrer Ansicht das, was in Deutschland möglich ist, also politische Satire, auch in der Türkei möglich? (36:00 min)

Flüchtlinge in Idomeni
– eine Frage zur Flüchtlingssituation in Idomeni. Die thüringische Regierung von Herrn Ramelow hat angeboten, 2000 Flüchtlinge aus Idomeni in Thüringen aufzunehmen. Ich würde gern wissen, ob die Bundesregierung das begrüßt, was die Bundesregierung daraus macht und ob sich dem schon weitere Bundesländer angeschlossen, also ebenfalls angeboten haben, Menschen aus der humanitären Notlage in Idomeni zu befreien.(52:15 min)
– Heißt das, wenn Herr Ramelow Herrn Tsipras anriefe und sagte: „Die Bundesregierung will eine formale Bitte haben“, dann könnte das ein Thema werden? (53:40 min)
– wird die Bundesregierung der griechischen Regierung mitteilen, dass es Bundesländer in Deutschland gibt, die die Menschen aus Idomeni teilweise befreien wollen? (56:10 min)
– Sie beschreiben immer den Wunschzustand, wie es sein sollte. Befasst sich die Bundesregierung mit der Wirklichkeit in Idomeni, damit, wie die Lage dort ist? Ist es für sie immer noch keine humanitäre Notlage?

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 30. März 2016:

VORS. FELDHOFF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN WIRTZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
FRAGE JUNG: Frau Wirtz, Frau Chebli, können Sie uns kurz aus Ihrer Sicht erläutern, was seit dem Wochenende passiert ist? Die türkische Regierung hat den deutschen Botschafter einbestellt. Wofür, wie lange, und was wollten die?

SRS’IN WIRTZ: Richtig ist: Es hat Gespräche zwischen der deutschen und der türkischen Regierung gegeben. Es gibt diplomatische Wege, auf denen die deutsche Bundesregierung ihre Haltung zur Bedeutung der Meinungsfreiheit dargelegt und noch einmal deutlich gemacht hat. Ich möchte sagen, dass das auch nicht das erste Mal war, dass die Bundesregierung ihre Haltung zur Meinungsfreiheit deutlich gemacht hat.

Sendungen wie die von der türkischen Regierung beanstandeten gehören für Deutschland selbstverständlich zur deutschen Medienlandschaft dazu und sind von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst. Die Auffassungen, die die deutsche Bundesregierung zu diesen Fragen, zur Presse- und Meinungsfreiheit, hat, sind der türkischen Regierung auf diplomatischem Wege mitgeteilt worden. Frau Chebli wird sicherlich gleich noch weitere Einzelheiten dazu ergänzen können.

Ich kann für die Bundeskanzlerin nur noch sagen, dass dieser Punkt, der Wert der Meinungsfreiheit, bei verschiedenen Gelegenheiten unterstrichen worden ist. Denken Sie beispielsweise an die Schlussfolgerung zum Europäischen Rat am 17. und 18. März, bei dem sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union noch einmal ganz ausdrücklich zu diesen Werten bekannt haben.

CHEBLI: Ich kann nur ergänzen Frau Wirtz hat es ja schon gesagt : Botschafter Erdmann wurde letzte Woche Dienstag und gestern erneut zu einem Gespräch in das türkische Außenministerium eingeladen. Botschafter Erdmann hat die Position der Bundesregierung dargelegt und deutlich gemacht, dass Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Justiz und der Schutz grundlegender Freiheiten dazu gehört ganz klar die Presse- und Meinungsfreiheit hohe Güter sind, die gemeinsam geschützt werden müssten.

Er hat zudem darauf hingewiesen, dass politische Satire in Deutschland von der Presse- und Meinungsfreiheit selbstverständlich gedeckt ist und dass es deshalb weder eine Notwendigkeit noch eine Möglichkeit für ein Handeln der Bundesregierung gibt. Um diese Position zu unterstreichen, hat Staatssekretär Ederer gestern Abend mit seinem Amtskollegen telefoniert. Er hat ihm nochmals die deutsche Haltung zum Thema Unabhängigkeit der Justiz sowie Presse- und Meinungsfreiheit erläutert. Er hat deutlich gemacht, dass bei allen Interessen, die wir haben, und bei allen Gemeinsamkeiten, die es zwischen der Türkei und Deutschland gibt, das Thema Pressefreiheit und Meinungsfreiheit für uns nicht verhandelbar ist.

Der letzte Punkt, den ich an dieser Stelle noch ansprechen möchte, ist: Die Tatsache, dass Botschafter Erdmann der einzige Botschafter war, der an dem Prozess teilgenommen hat, sollte Ihnen eigentlich klarmachen, welche Bedeutung die Bundesregierung dem Thema Unabhängigkeit der Justiz beimisst.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie haben gerade gesagt, dass er gestern und letzten Dienstag eingeladen worden sei. Nach meinen Informationen war das eine Einbestellung des Botschafters. Eine Einbestellung ist ja ein ziemlich scharfes diplomatisches Signal, das eine große Verstimmung signalisieren soll, quasi die letzte Eskalationsstufe vor der Ausweisung. Ist es jetzt eine Einladung oder eine Einbestellung gewesen?

Frau Wirtz, der eigentliche Skandal ist ja, dass die Bundesregierung so lange darüber geschwiegen hat. Wir mussten bis jetzt zur Regierungspressekonferenz warten, bis wir einmal von Ihnen etwas dazu hören. Warum haben Sie so lange geschwiegen?

SRS’IN WIRTZ: Soweit ich das wahrnehmen kann, haben sich die Kollegen aus dem Auswärtigen Amt schon gestern zu diesem Thema verhalten. Heute war die erste Regierungspressekonferenz, bei der Sie die Fragen stellen können. Diesen Fragen stellen wir uns jetzt gerne.

CHEBLI: Vielleicht zum Thema Einbestellung: Ja, man kann das auch Einbestellung nennen. Das ist eine schärfere Form der Terminvereinbarung. Sie signalisiert in der Regel doch einen akuteren Gesprächsbedarf. Die türkische Seite selbst hat nicht von einer Einbestellung gesprochen, soweit ich das sehe. Es gab überhaupt gar keine Bestätigung von offizieller türkischer Seite, dass es diese Einbestellung gab. Deswegen habe ich gerade meine Worte so gewählt, wie ich sie gewählt habe.

Zu dem Begriff „Einbestellung“ gab es gestern auch in den Medien etliche Erklärungen, wie man das sieht. Er ist ja völkerrechtlich nicht definiert. Aber Sie haben schon recht: Das ist eine schärfere Form der Signalisierung des Gesprächswunsches, sagen wir es einmal so.

FRAGE YAMAN: Frau Chebli, hat das türkische Außenministerium in dem Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Ankara gefordert, das Video der NDR-Sendung „extra 3“ zu löschen?

Zweite Frage: Das Auswärtige Amt hat schriftlich mitgeteilt Sie haben das vorhin geschildert , dass der deutsche Botschafter in dem Gespräch im türkischen Außenministerium deutlich gemacht hat, dass die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt werden müsse. Was heißt das konkret, und wie soll man die Presse- und Meinungsfreiheit schützen?

CHEBLI: Zu Ihrer ersten Frage: Haben Sie bitte Verständnis, dass ich aus dem internen Gespräch, das der Botschafter im türkischen Außenministerium geführt hat, jetzt hier nicht zitieren kann und werde. Das, was ich dazu sagen möchte, habe ich gesagt.

Es geht um die Sicht der Bundesregierung. Es geht um unsere Position. Die hat Botschafter Erdmann in dem Gespräch mit der türkischen Seite klargemacht. Er hat gesagt, dass Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Justiz sowie der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit für uns nicht verhandelbar sind, dass wir hier auch keine Abstriche machen und dass wir unabhängig von dem Interesse, das wir verfolgen zum Beispiel bei der Flüchtlingsfrage und in vielen anderen Fragen, in Syrien, wo wir gemeinsame Interessen verfolgen und zusammenarbeiten wollen und müssen , bei diesen Themen doch eine klare Haltung haben und die auch offen kommunizieren.

Das ist ja nicht das erste Mal getan worden. Ich habe gestern die Presseberichte und den einen oder anderen Vorwurf gesehen, die Bundesregierung würde sich nicht äußern. Ich habe mir einmal von meinen Leuten heraussuchen lassen, wie oft wir uns allein im März zu diesem Thema geäußert haben. Allein Außenminister Steinmeier hat, glaube ich, zwei-, dreimal in Interviews ganz klar Stellung zum Thema Meinungs- und Pressefreiheit bezogen. Herr Schäfer hat in der Regierungspressekonferenz Ich möchte das nicht zitieren, weil das wohl den Rahmen hier sprengen würde. Aber wir haben allein im März, ich glaube, fünf-, sechsmal zu dem Thema Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei Stellung bezogen und unsere Haltung ziemlich klargemacht.

FRAGE KÖHLER: Ich möchte die Frage von Herrn Jung trotz Ihrer Ausführungen, Frau Chebli, aufgreifen, dass Sie sich im März dazu geäußert haben. Auf die aktuellen Vorgänge kam jetzt erst einmal relativ lange gar nichts. Warum hat die Bundesregierung es nicht für nötig befunden, sich klarer öffentlich und in Person der zuständigen Minister oder der Kanzlerin zu positionieren?

SRS’IN WIRTZ: Ich habe eben schon versucht auf die Frage zu antworten, offenbar noch nicht intensiv genug. In der Tat gibt es diplomatische Wege, um die Haltung der Bundesregierung darzulegen. Das ist geschehen. Das hat das Auswärtige Amt getan. Dazu haben die Kollegen im Auswärtigen Amt gestern kommuniziert. Wie gesagt: Der Weg ist, dass wir heute diese Pressekonferenz haben und wir für Fragen zur Verfügung stehen. Das ist die Kommunikationsform, die die Bundesregierung gewählt hat.

FRAGE: Frau Chebli, wann ist denn das letzte Mal ein deutscher Botschafter im Ausland einberufen worden – also nicht eingeladen, sondern einberufen worden? Wann ist dies das letzte Mal bei einem verbündeten Staat passiert, zum Beispiel bei einem NATO- oder EU-Mitglied?

CHEBLI: Ich kann Ihnen aus dem Kopf nicht sagen, wann ein deutscher Botschafter das letzte Mal im Ausland einbestellt wurde.

ZUSATZFRAGE: Es geht mir natürlich um die Frage, ob das Auswärtige Amt diese Einbestellung das, was in der letzten Woche in der Türkei passiert ist für einen üblichen oder für einen außergewöhnlichen Vorfall hält und ob das Auswärtige Amt bei anderen Fällen von sich aus darüber informiert hat.

CHEBLI: Ich habe zum Thema Einbestellung schon einiges gesagt. Wenn das Gastland das Gefühl hat oder den Wunsch verspürt, mit dem Botschafter ins Gespräch zu kommen, dann ist diese Form letztendlich ein Instrument in dem Instrumentenkasten, das gewählt werden kann, um Gespräche zu führen. Vor diesem Hintergrund ist eine Einbestellung per se nichts Außergewöhnliches, sondern es wird genutzt.

Die zweite Frage war?

ZUSATZFRAGE: Ich wollte wissen, ob man diesen Vorgang nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes als außergewöhnlich oder als normal einstuft. Darüber haben wir jetzt schon gesprochen. Wird das normalerweise vom Auswärtigen Amt öffentlich gemacht? Gab es Fälle, dass öffentlich darüber informiert wurde, wenn eine Einberufung durch ein anderes Außenministerium erfolgt ist, oder ist die Öffentlichkeit immer darauf angewiesen, dass das jemand anders an ein Medium gibt?

CHEBLI: Es gibt keine Regel, es kommt darauf an. Manchmal kommuniziert das Gastland selbst die Einbestellung, weil es dies als Zeichen sieht, um bei einem bestimmten Thema ein Signal zu setzen. Manchmal kommuniziert das die Bundesregierung. Aber ich kann Ihnen da jetzt keine Regel nennen, wann es erfolgt und wann es nicht erfolgt, wie es erfolgt und wie es nicht erfolgt.

Ich kann nur sagen: Es ist ein übliches Instrument förmlicher Kommunikation im diplomatischen Verkehr. Es ist gewohnheitsrechtlich anerkannt und verletzt nicht die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten, auch wenn Einbestellungen in der Praxis nur selten angewandt werden.

FRAGE KOLHOFF: Nur als Querhinweis: Wenn ich mich richtig erinnere, hat auch Moskau im Fall „Lisa“ Gesprächsbedarf ähnlicher Art gehabt.

Ich habe zwei Fragen: Erstens. Ist Botschafter Erdmann in ausdrücklichem Auftrag des Auswärtigen Amtes zu diesem Prozess als Prozessbeobachter gegangen? Welches Ziel oder welchen Sinn hatte dieser Auftrag, wenn es ihn denn gab, oder hat er das aus eigenen Stücken gemacht?

Das Zweite: Die Bundesregierung hat ihre Position in Sachen Satire von „extra 3“ auf diplomatischem Wege deutlich gemacht, während das französische Außenministerium dies gestern öffentlich gemacht hat. Erklärt sich dieser Unterschied das eine Land macht es öffentlich, die anderen machen es eher diplomatisch mit den aktuellen politischen Themen, die Deutschland mit der Türkei verhandelt, Stichwort „Flüchtlingsfrage“?

CHEBLI: Zum Thema Prozessbeobachtung: Wir haben in dem Gespräch gegenüber der türkischen Seite deutlich gemacht, dass das gegen Dündar und Gül laufende Gerichtsverfahren mit Blick auf die Aspekte Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit auf sehr großes Interesse in Deutschland stößt und der Botschafter deshalb daran teilgenommen hat. Die Beobachtung des Prozesses ist vom Wiener Übereinkommen abgedeckt. Lassen Sie mich zitieren. Darin heißt es:

„Aufgabe einer diplomatischen Mission ist es unter anderem, sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten und darüber an die Regierung des Entsendestaats zu berichten.“

Das Gerichtsverfahren war ja öffentlich. Wir haben keinerlei Hinweise erhalten, dass Diplomaten ausgeschlossen sind. Der deutsche Botschafter hat gegenüber der türkischen Seite seine Präsenz angemeldet. Natürlich hat der deutsche Botschafter im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt an dem Prozess teilgenommen; das ist klar.

SRS’IN WIRTZ: Herr Kolhoff, ich möchte noch einen Punkt ergänzen, weil Sie in Ihrer Frage ausgeführt haben, dass es möglicherweise wegen der besonderen Interessen der Bundesregierung im Hinblick auf die Türkei unterschiedliche Formen der Kommunikation gegeben habe. Ich möchte nur daran erinnern, dass der Aktionsplan mit der Türkei, der am 29. November abgefasst wurde, genauso wie die Vereinbarungen, die am 16. und 17. März in Brüssel getroffen wurden, europäische Vereinbarungen mit der Türkei sein.

ZUSATZFRAGE KOLHOFF: Wie erklären sich die unterschiedlichen Verhaltensweisen zwischen Frankreich und Deutschland dann?

SRS’IN WIRTZ: Das sind einfach unterschiedliche Arten. Zum einen ist so ich glaube, das muss man auch unterscheiden , dass sich Frankreich jedenfalls nach meiner Wahrnehmung geäußert hat, was die Prozessbeobachtung anbelangt. Das war das eine, wozu sich Frankreich verhalten hat und wozu das auch auf diplomatischem Wege vorgebracht wurde. Das andere betrifft die Satiresendung „extra 3“. Das sind zwei unterschiedliche Sachverhalte, denke ich, die man auch auseinanderhalten muss.

FRAGE JUNG: Frau Chebli, wenn wegen eines so kleinen Filmchens der deutsche Botschafter einbestellt wird das ist für Sie anscheinend nicht unnormal , warum lädt dann die Bundesregierung nicht den türkischen Botschafter ein, wenn eine Zeitung wie „Zaman“ von der Erdoðan-Regierung übernommen wird? Da wird ja die Pressefreiheit mit Füßen getreten. Wie kommt da der Unterschied zustande? Wegen eines kleinen Satirebeitrags wird der deutsche Botschafter einbestellt, und dort, wo es wirkliche Angriffe auf die Pressefreiheit in der Türkei gibt, macht die Bundesregierung nichts. Können wir damit rechnen, dass einmal der türkische Botschafter deswegen einbestellt wird?

CHEBLI: Zur Richtigstellung: Ich habe nicht gesagt, dass wir das Vorgehen oder die Äußerungen der Türkei bezüglich der Frage der Satire als normal empfinden. Ich habe ja die Position der Bundesregierung sehr klar kommuniziert: Die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit, die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz sind für Deutschland, für die Bundesregierung nicht verhandelbar. Das haben wir gegenüber der türkischen Seite sehr deutlich kommuniziert.

Zum Thema „Zaman“ hat Außenminister Steinmeier, direkt nachdem es zu dem Vorfall kam, sehr deutlich Stellung bezogen. Natürlich hat es zu diesem Thema auch Gespräche gegeben; ich glaube, aber bin mir nicht sicher, auch mit dem türkischen Botschafter. Dieses Thema hat auch bei anderen Gesprächen eine Rolle gespielt, die wir mit unseren türkischen Partnern geführt haben, weil es genau in dem Fall „Zaman“ um den Schutz der Pressefreiheit geht. Wenn wir sagen, der Schutz der Pressefreiheit sei für uns ein hohes Gut, das zu schützen sei, dann ist doch klar, dass wir einen Vorfall wie im Fall „Zaman“ auch klar kommunizieren.

SRS’IN WIRTZ: Dazu möchte ich noch einen Punkt ergänzen, nämlich dass dieser Sachverhalt bzw. der Wert der Pressefreiheit im zeitlichen Umfeld mit den Vorkommnissen bei dieser türkischen Zeitung auch in Brüssel bei dem Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs am 8. März angesprochen wurde und dass dieser Punkt ausdrücklich in dem Kommuniqué seinen Niederschlag gefunden hat.

ZUSATZFRAGE JUNG: Frau Wirtz, dass es ein hohes Gut ist, hören wir von Ihnen immer wieder. Aber was ist denn ein höheres Gut, der Deal mit der Türkei oder die Pressefreiheit?

Frau Chebli, zu dem Prozess und der Teilnahme von Herrn Erdmann: Der Prozess wird jetzt nicht-öffentlich geführt. Wird der Botschafter trotzdem weiter versuchen ich weiß nicht, ob das möglich ist , an diesem Prozess teilzunehmen, um vielleicht Sie und auch die deutsche Öffentlichkeit darüber zu informieren? Ich weiß nicht, ob andere deutsche Journalisten dort Zugang bekommen.

SRS’IN WIRTZ: Wie Sie richtig erkannt haben, Herr Jung, hat die Bundesregierung hier an dieser Stelle und an vielen anderen Stellen schon häufig betont, wie wichtig die Pressefreiheit in Deutschland ist, und das bleibt auch so.

Dessen ungeachtet gibt es durchaus Fragen, die im Zusammenhang mit der Türkei oder mit der Türkei besprochen werden, die von der gesamten Europäischen Union mit der Türkei besprochen werden. Es gibt aus dem November den EU-Türkei-Aktionsplan. Es gibt Vereinbarungen von Mitte März. Dass es diese Vereinbarungen gibt, liegt durchaus in beidseitigem Interesse, nämlich im Interesse der Türkei einerseits und im Interesse der Europäischen Union andererseits.

Für die Europäische Union geht es darum, die Außengrenzen der Europäischen Union zu sichern, zu schützen. Es geht darum, illegale Migrationsbewegungen und auch Fluchthelfer- und Schmuggleraktivitäten zu bekämpfen. Es geht natürlich auch ganz wesentlich darum, den Menschen, die auf der Flucht sind, zu helfen.

Wie Sie wissen, hat die Türkei sehr viele Flüchtlinge, nämlich 2,7 Millionen, aus Syrien aufgenommen. Deshalb geht es der Bundesregierung, aber auch der Europäischen Union darum, mit der Türkei Vereinbarungen zu treffen und zu finden, um für die Menschen, die dort Zuflucht gefunden haben, auch gute Lebensbedingungen gewährleisten zu können. In diesen Fragen ist die Türkei für die Europäische Union in der Tat ein sehr wichtiger Gesprächspartner.

CHEBLI: Zu Ihrer zweiten Frage bezüglich des Prozesses: Für uns war es wichtig, dass der Botschafter am Prozessauftakt gegen die beiden Redakteure von „Cumhuriyet“ teilnimmt. Wie die Prozessbeobachtung weiter läuft, das kann ich an dieser Stelle noch nicht sagen.

FRAGE: Frau Chebli, wie bewertet denn die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Vorgehens der Türkei allgemein den Zustand der Pressefreiheit in der Türkei, auch im Hinblick auf eine Beitrittsreife? Denn das ist ja durchaus Thema im Rahmen des Abkommens mit der Türkei. Gibt es eine Koppelung, was die Pressefreiheit und die Visafreiheit angeht, die mir bisher entgangen ist, oder gibt es da keine Koppelung?

Die zweite Frage: Frau Wirtz, macht sich die Bundesregierung die Einschätzung von „extra 3“ zu eigen, dass Herr Erdoðan die Bundesregierung in der Hand hat, und, wenn nicht, was spricht Ihrer Meinung nach dagegen?

SRS’IN WIRTZ: Das möchte ich kurz beantworten. Zum einen ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, sich irgendwelche Pressebeiträge zu eigen zu machen. Dazu haben wir ja die Pressefreiheit, dass Sie berichten können, ohne dass Sie das von uns immer absegnen lassen müssen. Insofern möchte ich das auch in dem konkreten Fall nicht tun.

Zum anderen möchte ich auf das zurückkommen, was ich gerade ausgeführt habe, nämlich dass es selbstverständlich darum geht, immer wieder auch auf die Bedeutung der Pressefreiheit hinzuweisen. Vielleicht könnte auch die Intensivierung der Kontakte, die es in den vergangenen Wochen mit der Türkei gegeben hat, dazu beitragen, verstärkt über diese Fragen ins Gespräch zu kommen. Auch die Frage der Kapiteleröffnung kann bei diesem Aspekt hilfreich sein. – Das ist der eine Aspekt.

Der andere Aspekt ist das von mir beschriebene Vorgehen in Bezug auf die Flüchtlinge.

CHEBLI: Ich glaube, Frau Wirtz hat eigentlich alles gesagt, was dazu gesagt werden muss. Wir haben angesichts der Entwicklungen rund um das Thema Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei mehrfach an dieser Stelle unsere Sorge zum Ausdruck gebracht. Ich habe zu Beginn gesagt, dass wir in diesem Zusammenhang mehrfach Stellung bezogen haben; der Minister persönlich am 7. März, als es um das Vorgehen der türkischen Behörden gegen „Zaman“ ging. Unsere Haltung zu diesem Thema und unsere Sorge über die Entwicklung haben wir hier mehrfach ziemlich klar zum Ausdruck gebracht. Wir haben auch klargemacht, dass es, wie Frau Wirtz es gesagt hat, über die Gespräche über die Öffnung von Beitrittskapiteln eine Chance gibt, gerade über diese Themen mit der Türkei zu sprechen.

FRAGE: Noch einmal: Gibt es eine Koppelung Pressefreiheit/Visafreiheit?

SRS’IN WIRTZ: Das macht der Kollege aus dem BMI.

DR. PLATE: Ich mache es kurz, weil ich hier ja schon mehrfach zu der Frage vorgetragen habe, wie das mit der Visafreiheit funktioniert. Das kann man in den Protokollen im Einzelnen nachlesen.

Die Kommission macht das Monitoring, inwieweit die Kriterien erfüllt sind. Es gibt fünf große Themenblöcke. Ein großer Themenblock ist der Themenblock 5: Fundamental Rights, nicht spezifisch Pressefreiheit, aber Fundamental Rights. Wenn Sie ganz genau nachlesen wollen, wie die Kommission als dazu berufene Stelle die Fortschritte der Türkei einschätzt, verweise ich dazu auf den Bericht. Den Link zu dem Bericht haben wir schon über den Verteiler zur Verfügung gestellt. Dort können Sie das nachlesen. Bei den in der Kurzfassung, auf den zehn Seiten, genannten Dingen, die im Schwerpunkt ganz unbedingt angepackt werden müssen, ist die Pressefreiheit nicht erwähnt. Für Details verweise ich auf den Bericht.

FRAGE: Ich habe eine Frage an Frau Chebli. Wenn ich das jetzt richtig gezählt habe, gab es im Zusammenhang mit dieser Satire drei Gesprächsangebote bzw. Einladungen an die oder direkte Konsultationen mit der Bundesregierung, nämlich zweimal mit dem Botschafter und einmal mit dem Staatssekretär. Hatte das formale Gründe, oder war der Gesprächsbedarf von türkischer Seite so groß?

Die zweite Frage wäre: Ist dieses Thema jetzt von türkischer Seite nach Ihrer Erkenntnis erledigt, oder ist es aus der Sicht der Bundesregierung erledigt? Gibt es nach wie vor weitere Einladungen, Einbestellungen von türkischer Seite? Wie ist da der Stand?

CHEBLI: Die erste Frage habe ich, ehrlich gesagt, nicht verstanden. Denn die Einbestellung des Botschafters am Dienstag letzter Woche fand vor dem Hintergrund des Satirefilms statt. Bei der Einbestellung zum Gespräch gestern stand die Teilnahme des Botschafters am Prozessauftakt im Mittelpunkt. Das war Ihre Frage.

Bei dem Gespräch, das Staatssekretär Ederer gestern Abend geführt hat, ging es darum, dass er genau die Position der Bundesregierung klargemacht hat, die ich eingangs und mehrfach hier kommuniziert habe.

Die zweite Frage war?

ZUSATZFRAGE: Betrachten Sie das Thema als erledigt, oder ist es von türkischer Seite erledigt?

CHEBLI: Ich kann Ihnen nur sagen, was unsere Haltung ist und dass wir unsere Haltung deutlich gemacht haben. Für uns war es wichtig, dass wir unsere Haltung gegenüber der türkischen Seite ganz klar kommunizieren. Ich habe schon das Gefühl, dass die türkische Seite das auch so verstanden hat.

FRAGE BUSEMANN: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Hat sich die türkische Seite bei den Gesprächen nur über das Video beschwert, oder hat sie auch gefordert, dass es gelöscht wird?

Eine Frage an die Bundesregierung: Wird dieser Vorfall Auswirkungen auf den Wunsch der Türkei haben, der EU beizutreten, oder ist das für diesen Vorgang vollkommen irrelevant?

SRS’IN WIRTZ: Das ist im Grunde genommen das, was ich gerade schon ausgeführt habe. In der Tat gibt es Vereinbarungen mit der Türkei, über weitere Kapitel zu sprechen, also weitere Kapitel zu eröffnen. Der ganze Beitrittsprozess wiederum liegt in der Regie der Europäischen Kommission. Wenn man die entsprechenden Kapitel eröffnet, bietet es durchaus die Chance, dass man diese Fragen im Zusammenhang mit dieser Kapitaleröffnung ansprechen kann.

CHEBLI: Zu Ihrer ersten Frage: Die türkische Position wurde ja gestern durch Äußerungen von namentlich nicht genannten Diplomaten in Agenturmeldungen wiedergegeben. Haben Sie Verständnis dafür, dass ich mich zu dem Gespräch, das zwischen der türkischen Seite und unserem Botschafter stattgefunden hat, hier an dieser Stelle nicht direkt äußern kann, wie wir es ja auch in der Regel nicht tun, dass wir etwas aus vertraulichen Gesprächen kommunizieren. Ich habe unsere Haltung genannt. Es ist ja wichtig, was wir gesagt haben, und unsere Haltung habe ich ziemlich deutlich gemacht.

FRAGE TOWFIGH NIA: Ich habe eine Frage an Frau Chebli und eine Frage an Frau Wirtz. Frau Chebli, es ist ja ganz offensichtlich, dass es Spannungen in den deutsch-türkischen Beziehungen gibt. Wie bewertet Ihr Haus den momentanen Stand der bilateralen Beziehungen?

Frau Wirtz, sieht die Bundeskanzlerin die Notwendigkeit, vielleicht persönlich mit Staatspräsident Erdoðan zu reden, oder eher nicht?

SRS’IN WIRTZ: Ich kann nur noch einmal sagen, dass es ja Gesprächskanäle gegeben hat, diese Gesprächskanäle genutzt worden sind und die Haltung der Bundesregierung sehr deutlich gemacht worden ist. Insofern sehe ich derzeit keinen weiteren Gesprächsbedarf

CHEBLI: Ich kann nur sagen: Die Türkei ist ein wichtiger Partner, mit dem wir in unterschiedlichen Fragen eng kooperieren. Dazu gehört nicht nur die Flüchtlingsfrage, sondern dazu gehört auch das Thema Syrien, hinsichtlich dessen wir gemeinsam an der Umsetzung der Genfer Gespräche arbeiten.

FRAGE SIEBERT: Meine Frage geht genau in die gleiche Richtung wie die von Herrn Towfigh Nia. Ich wüsste jetzt gerne noch einmal von Ihnen: Sehen Sie die deutsch-türkischen Beziehungen momentan als belastet an?

Im Hinblick auf das, was Frau Chebli gerade sagte: Sind all die partnerschaftlichen Gespräche, die derzeit in Bezug auf Syrien und Flüchtlinge mit der Türkei geführt werden das fand ja in den letzten Tagen und Wochen nicht nur auf europäischer Ebene statt, sondern auch sehr häufig bilateral, also zwischen der Bundeskanzlerin, dem Ministerpräsidenten und dem Präsidenten , in irgendeiner Weise von den Ereignissen der letzten Tage berührt? Ist irgendetwas zu spüren? Hat sich da der Ton verändert? Sind irgendwelche anderen Termine abgesagt worden? Spricht man mehr oder spricht man weniger miteinander? Hat sich für Sie und aus Ihrer Sicht irgendetwas geändert?

SRS’IN WIRTZ: Herr Siebert, ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Thema der Satire und der Kritik der Türkei ja auch nicht ganz neu ist. Vielleicht erinnern Sie sich an 2014; es war Ende 2014, soweit ich mich erinnere. Da ging es um eine Satire in einem deutschen Schulbuch, die den türkischen Staatspräsidenten dargestellt hat. Beispielsweise zu diesem Zeitpunkt hatten wir auch eine Diskussion bzw. Debatte über dieses Thema, sogar auch in diesem Raum. Das heißt, das ist auch kein ganz neues Thema in den deutsch-türkischen Beziehungen.

Ich sehe es so, dass dieses Thema in den deutsch-türkischen Beziehungen natürlich in der Tat relevant ist, wie es auch genauso in den europäisch-türkischen Beziehungen relevant ist; deshalb auch noch einmal mein Verweis auf die Kommuniqués und die Abschlusserklärung der Staats- und Regierungschefs. Nichtsdestotrotz ist es so, dass auch unabhängig und ungeachtet dessen die Gespräche im Hinblick auf die Frage der illegalen Migration nach Europa weitergeführt werden. Das eine schließt das andere also nicht aus.

CHEBLI: Vielleicht kann ich das auch noch einmal unterstreichen. Unser Credo ist, und das haben wir hier auch mehrfach unterstrichen: Wir müssen beides tun, nämlich mit der Türkei sowohl eine lösungsorientierte Zusammenarbeit verfolgen unter anderem in der Flüchtlingskrise als auch über kritische innenpolitische Entwicklungen sprechen, was etwa die jüngsten Vorfälle angeht. Das tun wir beides, und das ist aus unserer Sicht der richtige Ansatz.

FRAGE: Frau Chebli, weil Sie die Vorfälle vorhin noch einmal geschildert haben: Direkt nach der Polizeiaktion in der Istanbuler Hauptzentrale hat die freie (Ausgabe von) „Zaman“ in Deutschland ich spreche jetzt nicht von „Zaman“ in der Türkei eine Presseanfrage an das Auswärtige Amt gestellt, direkt an Herr Dr. Schäfer, und leider keine Antwort bekommen. Auch die Interviewanfrage an den Herrn Minister wurde abgelehnt. Sie haben gesagt, Presse- und Meinungsfreiheit zu schützen, sei eine absolute Priorität. Wieso weigert sich der Herr Minister, ein kleines Interview zu geben?

Frau Wirtz, wird die Bundeskanzlerin am 17. April in die türkische Stadt Kilis reisen, um ein Flüchtlingszentrum mit Herrn Davutoðlu zu eröffnen? Wenn ja, wird dieses Thema dabei auch konkret durch die Bundeskanzlerin angesprochen werden?

SRS’IN WIRTZ: Zunächst einmal zu dem Termin: Den kann ich weder bestätigen noch dementieren. Dazu kann ich Ihnen noch nichts sagen. Wir werden diesen Termin, so es ihn gibt, dem entsprechend, wie wir das immer machen, an dem Freitag der vorhergehenden Woche bekannt geben. Insofern kann ich Ihnen nicht sagen, ob bei diesem Termin dann über was gesprochen werden wird.

CHEBLI: Anfragen an den Minister bewerten wir natürlich vor dem Hintergrund seiner Zeit. Wissen Sie, wie viele Interviewanfragen wir erhalten? Wenn ich alle Interviews durchführen wollte oder wenn der Minister all diesen Interviews nachginge, dann hätte er keine Zeit, sich um irgendetwas anderes in der Welt zu kümmern. Sehen Sie das vor diesem Hintergrund eher als einen Aspekt von Zeitgründen an. Mir ist diese Anfrage an Herrn Schäfer, die Sie dargestellt haben, jetzt nicht persönlich bekannt, aber seien Sie gewiss: Anfragen bewerten wir danach, ob das im Rahmen des Terminplans des Ministers passt oder nicht.

ZUSATZFRAGE: Frau Chebli, die Redaktion versucht aufgrund der Presse- und Meinungsrepressalien in der Türkei seit mindestens drei Jahren, ein kleines Interview zu erhalten, und hat jedes Mal eine Absage erhalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Minister in den letzten drei Jahren nicht einmal ein zehnminütiges Interview zur Pressefreiheit gibt!

CHEBLI: Der Minister ist noch nicht drei Jahre im Amt. Daher weiß ich nicht, ob die Zeitspanne, die Sie nennen, korrekt ist. Ich habe dem, was ich zu diesem Thema gesagt habe, nichts hinzuzufügen.

Aber Sie haben die Äußerung des Ministers nach den Vorfällen im Zusammenhang mit „Zaman“ ja hoffentlich gelesen und auch gesehen, wie klar und deutlich sich der Minister zu dieser Frage geäußert hat. Vielleicht sollte das auch eine Antwort darauf sein, wie wir mit dieser ganzen Frage auch im Zusammenhang mit „Zaman“ umgehen. Auch Martin Schäfer ich möchte das nicht zitieren, aber ich weise Sie auf die Regierungspressekonferenz vom 7. März hin hat in sehr deutlicher Sprache die Haltung der Bundesregierung zum Thema „Zaman“ zum Ausdruck gebracht, und auf der türkischen Seite gibt es dafür nicht nur Wohlwollen.

FRAGE KOLHOFF: Bei Fragen nach dem Stand der Beziehungen verweisen Sie immer auf die Notwendigkeit, die Sachgespräche über die Sachthemen Syrien und Flüchtlinge fortzusetzen. Bei NATO-Partnern, bei befreundeten Ländern, bei Ländern, die EU-Partner werden wollen bzw. sollen, lautet die Formulierung immer, die Beziehungen seien gut und von gegenseitigem Verständnis geprägt; sie würden ausgebaut und hätten eine gute Perspektive. – Frau Chebli, Sie kennen sich mit diesen Formulierungen aus. Würden Sie diese Formulierung für die Türkei derzeit benutzen?

CHEBLI: Ich habe das gesagt, was ich zu dem Thema der Türkei und unserer Beziehungen zur Türkei zu sagen habe. Die Türkei ist ein wichtiger Partner. Sie ist ein zentraler Partner, mit dem wir in vielen Fragen engstens kooperieren, und wir haben auch weiterhin Interesse daran, diese Kooperation fortzusetzen, was in beiderseitigem Interesse ist.

FRAGE STEMPFLE: Frau Chebli, Sie haben gesagt, Pressefreiheit sei nicht verhandelbar. Gleichzeitig mischt sich ja der türkische Ministerpräsident in die deutsche Pressefreiheit ein. Wie bewertet die Bundesregierung das? Ist das ein Affront, ist das kein Affront, ist das irgendetwas dazwischen? Wie steht die Bundesregierung dazu?

CHEBLI: Aber ich habe doch gesagt, wie wir zum Thema der Pressefreiheit stehen! Wenn wir sagen „Für uns ist das nicht verhandelbar“, dann ist das doch eine Antwort auf Ihre Frage. Wir haben also eine bestimmte Vorstellung davon, wie wir uns Pressefreiheit vorstellen, wie wir Pressefreiheit sehen, wie wir Meinungsfreiheit sehen, und davon, dass das für uns ein hohes Gut ist, das geschützt werden muss. Wenn wir das sagen, dann ist das ja im Prinzip eine Antwort auf die Frage, die Sie stellen. Für uns gibt es weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit, auf solches Vorgehen Einfluss zu nehmen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Pressefreiheit eingehalten wird, und ich hoffe, das nehmen Sie uns so, wie wir uns hier darstellen, auch ab.

FRAGE JUNG: Frau Chebli, zum Verständnis: Die Bundesregierung verurteilt den Protest Erdoðans gegen diesen Satire-Beitrag. Ja? Das würde mich erst einmal interessieren.

CHEBLI: Herr Jung, ich möchte dem, was ich zu Beginn gesagt habe, ehrlich gesagt nichts mehr hinzufügen. Ich glaube

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich möchte Sie verstehen, und ich möchte verstehen, ob Sie das verurteilen oder ob Sie uns hier einfach nur Selbstverständlichkeiten wie „Wir sind Fans der Pressefreiheit“ sagen. Was halten Sie von diesem türkischen Protest?

CHEBLI: Wie viel wir

ZURUF JUNG: Ich verstehe, dass Sie das verurteilen.

VORS. FELDHOFF: Herr Jung, die Frage ist, glaube ich, verstanden worden.

CHEBLI: Wie viel wir davon halten, bringen wir doch zum Ausdruck, indem wir sagen, was unsere Position ist, oder nicht?

ZUSATZFRAGE JUNG: Ist denn nach Ihrer Ansicht das, was in Deutschland möglich ist, also politische Satire, auch in der Türkei möglich?

CHEBLI: Wir konzentrieren uns auf das, was für uns richtig ist, und unsere Position zur Pressefreiheit haben Frau Wirtz und ich gerade ziemlich deutlich gemacht.

FRAGE: Ich habe eine Frage, die, glaube ich, an das BMI geht, weil Frau Chebli eben sagte, die Türkei sei ein wichtiger Partner. Es gab vor geraumer Zeit einmal eine Berichterstattung über ein bilaterales Geheimdienstabkommen zwischen Deutschland und der Türkei, um die Reisetätigkeit von potenziellen IS-Kämpfern in Deutschland oder nach Deutschland besser erfassen zu können. Wie ist da der Stand?

DR. PLATE: Ehrlich gesagt: So richtig weiß ich nicht, wovon Sie sprechen. Ich kann höchstens vermuten

ZUSATZ: Frau Haber war, glaube ich, von Ihrer Seite daran beteiligt.

DR. PLATE: Dann ist das aber kein Geheimdienstabkommen, sondern ein MoU, also eine nicht rechtsverbindliche politische Absprachen zur verbesserten Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. Damit sind in erster Linie die Polizeibehörden gemeint. Dazu haben wir ja schon vor Längerem eine Pressemitteilung herausgegeben, und darauf kann ich, ehrlich gesagt, nur verweisen.

FRAGE WONKA: Frau Chebli, hat Herr Erdmann durch seine Teilnahme am Prozess denn dem Ansehen Deutschlands genutzt, oder hat er deutsche Interessen beschädigt?

Zweite Frage dazu: Hat das Auswärtige Amt Herrn Erdmann ausdrücklich ermuntert, Flagge zu zeigen, oder hat man im Sinne dessen, dass man die Megaphon-Politik vielleicht nicht so mag, eher leidend hingenommen, dass sich der deutsche Botschafter vor Ort ins Getümmel um die Pressefreiheit begeben hat?

CHEBLI: Die Frage ist so wichtig, dass es nicht um Ansehen oder Nicht-Ansehen gehen kann. Wenn wir sagen, dass die Unabhängigkeit der Justiz und das Thema der Rechtsstaatlichkeit für uns wichtig sind, dann nimmt der deutsche Botschafter daran teil und setzt damit ein Zeichen. Dabei geht es nicht darum, ob unser Ansehen gut ist oder nicht.

Dass er natürlich im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt an dem Prozess teilgenommen hat, habe ich dem Kollegen ja schon gesagt.

ZUSATZFRAGE WONKA: Hat er das Zeichen in engster Abstimmung mit der Bundesregierung und mit Ermunterung des Auswärtigen Amtes gesetzt, oder hat man ihm das aufgedrängt?

CHEBLI: Ich verstehe die Frage nicht.

ZUSATZFRAGE WONKA: Wenn das richtig ist, dann hat sich Herr Erdmann, bevor er zur Prozessbeobachtung gegangen ist, mit dem Amt in Verbindung gesetzt. Meine Frage ist: Hat ihn das Amt ausdrücklich ermuntert, diesen Schritt, der auch öffentlich registriert wird, zu tun, also im Sinne von „Das ist gut für das Ansehen Deutschlands“, oder nicht?

CHEBLI: Die Aufgabe des Botschafters ist es, sich vor Ort zu informieren. Das ist eine zentrale Aufgabe, die er in diesem Sinne wahrgenommen hat.

ZUSATZFRAGE WONKA: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

CHEBLI: Aber ich habe doch gesagt, dass er im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt dorthin gegangen ist. Dann ist die Antwort doch klar, oder?

FRAGE WIEGOLD: Ein bisschen geht es randmäßig, paramäßig, metamäßig um Pressefreiheit, weil wir so viel über Pressefreiheit reden, und zwar um die Entscheidung der lettischen Behörden, dem sogenannten Medienunternehmen Sputnik die Registrierung einer lettischen Domain unter Berufung auf die Russland-Sanktionen der EU zu verweigern. Wie beurteilt das eigentlich die Bundesregierung?

SRS’IN WIRTZ: Dazu kann ich keine Stellung nehmen. Ich weiß nicht, ob Frau Chebli es kann.

CHEBLI: Ich kenne den Fall jetzt auch nicht.

ZUSATZ WIEGOLD: Aber Frau Wirtz kann das!

SRS’IN WIRTZ: Ich habe ja gesagt: Ich kann dazu keine Stellung nehmen. Ich kenne den Fall auch nicht. Insofern müssten wir gegebenenfalls etwas nachreichen.

ZUSATZ WIEGOLD: Darum würde ich bitten.

SRS’IN WIRTZ: Ja.

FRAGE: Wir kommen jetzt zum EU-Türkei-Abkommen. Griechenland hat ja Bedenken gegen die Einstufung der Türkei als sicheren Drittstaat angemeldet bzw. erklärt, die müsse es gar nicht per Gesetz vornehmen. Inwieweit teilen Sie diese Einschätzung bzw. diese Bedenken? Das wäre vielleicht auch eine Frage an das BMI.

Vor diesem Hintergrund gefragt: Wie realistisch ist jetzt noch dieser Zeitplan, der ja den 4. April als Starttermin nennt?

SRS’IN WIRTZ: Zum Fahrplan bzw. zum Terminplan kann ich vielleicht sagen, dass es so ist, dass ja in der Tat verschiedene Punkte abgearbeitet werden müssen, um diesen Zeitplan einzuhalten. Alle beteiligten Stellen sowohl in der Bundesregierung als aber auch in der Europäischen Union, in der Europäischen Kommission und in den beteiligten Behörden wie Frontex und EASO arbeiten mit Hochdruck daran, dass dieser Terminplan einzuhalten ist. Wenn ich es richtig gesehen habe, hat sich die Kollegin in Brüssel auch gestern dazu verhalten.

Was das sichere Drittland angeht: Können Sie etwas sagen, Herr Plate?

DR. PLATE: Ich möchte das nicht kommentieren, weil mir eine solche Äußerung von griechischer Regierungsseite, ehrlich gesagt, überhaupt nicht bekannt ist.

Zum Zeitplan: Ich kann mich nur anschließen.

ZUSATZFRAGE: Verstehe ich das richtig, dass Sie immer noch von dem 4. April als Starttermin ausgehen?

DR. PLATE: Ja, absolut! Ich möchte nur noch einmal darauf verweisen, dass das ja durch die EU-Kommission gesteuert wird. Die EU-Kommission hat ja gestern also nicht vor zehn Tagen oder vor einem Jahr, sondern gestern selbst gesagt, dass sie vom 4. April ausgeht, und wir haben überhaupt keinen Anlass, daran zu zweifeln.

FRAGE: Es gibt die Zusage der Bundesrepublik, Beamte des BAMF und der Bundespolizei dann dorthin zu schicken, damit das ab dem 4. April funktionieren wird. Könnten Sie da den Stand der Dinge skizzieren? Sind die schon auf dem Weg? Packen die schon Koffer? Sind die schon ausgewählt?

DR. PLATE: Ja, grob kann ich das schon sagen. Es ist so, dass, wie Sie sicherlich wissen vielleicht wissen Sie es auch nicht , der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Umsetzung dieser Türkei-EU-Erklärung, also Herr Broemme, der im Hauptamt THW-Präsident ist, zur Stunde in Athen ist, auch in Begleitung von einigen wenigen Mitarbeitern sowohl des THW als auch des BAMF, um die Lage zu eruieren und dort die Gespräche zu führen, die dazu führen können, dass man den Bedarf dann ganz genau abschätzen kann. Zudem ist es ja so, dass heute und gestern vier weitere BAMF-Mitarbeiter nach Griechenland geflogen sind, um die Lage vor Ort zu erkunden und sozusagen den Boden für weitere Entsendungen zu bereiten.

Darüber hinaus wissen Sie vielleicht schon falls nicht, sage ich es gerne noch einmal , dass Deutschland beim Europäischen Rat schon zugesagt hat, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen, also EASO, mit Mitarbeitern zu unterstützen. Das werden mindestens 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF sein, also des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, in erster Linie Entscheider und Personen, die dem Bereich „Asylverfahrenssekretariat“ zugeordnet werden.

Zudem ist es so, dass ja auch eine Entsendung von Bundespolizisten geplant ist. Das wird eine Zahl in Höhe von um die 200 sein. Das ist auch der Europäischen Kommission schon so gemeldet worden. Ein ganz offizieller Abruf dieser Kräfte liegt nach meinem letzten Kenntnisstand noch nicht vor, aber wir sind dem sozusagen durch dieses aktive Angebot, das zum Beispiel auch die Franzosen in sehr ähnlicher Weise auch in zahlenmäßig ähnlicher Weise gemacht haben, zuvorgekommen.

Zudem ist es so, dass wir uns sozusagen vorbereitend im BAMF erkundigt haben, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich bereit und in der Lage wären, sich auf eine solche Mission zu begeben, und wir haben dabei mehr als 300 Namen gesammelt.

ZUSATZFRAGE: Heißt das aber, dass die nächste Woche noch nicht da sein werden, sondern dann abgerufen werden müssen?

DR. PLATE: Nein, dass die nächste Woche nicht da sein werden, haben Sie gesagt; ich habe das nicht gesagt. Die stehen bereit. Wenn der Abruf nicht vorher erfolgen sollte, gibt es auch Mittel und Wege, ohne einen Abruf sozusagen in bilateraler Art und Weise tätig zu werden. Das dürfen Sie jetzt nicht als eine Infragestellung des Zeitplans missverstehen, zu dem ich mich ja gerade eigentlich auch schon deutlich geäußert habe.

FRAGE: Die EU schickt laut „BILD“-Zeitung keine Asylrichter mehr nach Griechenland. Ist das wahr?

DR. PLATE: Ob die EU jetzt Richter nach Griechenland schickt, ist, ehrlich gesagt, eine Frage, die Sie der EU stellen müssen, nicht dem BMI, das ja selbst innerhalb der Bundesregierung nicht für Richter zuständig wäre.

FRAGE: Meine Frage hat einen planerischen Hintergrund. Vielleicht können Sie, Frau Chebli, schon etwas zu dem Besuch von Präsident Kenyatta in Deutschland sagen?

CHEBLI: Nein, dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Ich weiß nicht, wann der sein soll, und wenn, dann kommuniziert das ja die andere Seite, nicht wir.

ZUSATZFRAGE: Die andere Seite sagt, dass die Bundesregierung das kommuniziert, weil der Besuch auf Einladung der Bundesregierung erfolgt. Herr Kenyatta wird offenbar in der kommenden Woche in Deutschland sein. Er wird unter anderem einen Termin im BMZ haben, aber wohl nicht nur dort. Könnte irgendwer vonseiten der Bundesregierung für Aufklärung sorgen?

SRS’IN WIRTZ: Ich kann jetzt für die Bundeskanzlerin sozusagen nur darauf verweisen, dass wir immer erst freitags die Termine für die nächste Woche mitteilen. Wenn es da irgendetwas mitzuteilen gäbe, dann würde das am Freitag der Fall sein.

FRANKE: Vonseiten des BMZ kann ich diesen Termin auch nicht bestätigen. Insofern würde ich mich dem anschließen, was Frau Wirtz gesagt hat.

FRAGE BAUER: Zum Thema Wohnungseinbrüche habe ich eine Frage an das Innenministerium. Wir konnten ja heute lesen, dass die Zahl 2015 um knapp 10 Prozent angestiegen ist. Erste Frage: Können Sie diese Zahl oder zumindest den Trend, dass es weiter nach oben geht, bestätigen?

Falls ja: Ich kann mich erinnern, dass der Minister bei der (Vorstellung der) letzten Kriminalitätsstatistik gesagt hat, der Bund wolle dagegen jetzt verstärkt vorgehen. Bei einem Plus von 10 Prozent ist das ja erst einmal schiefgegangen, oder?

DR. PLATE: Vielleicht zunächst einmal zu den Zahlen: In der Tat gab es ja heute einen Bericht in der „WELT“ über vermeintliche PKS-Daten aus der neuen Polizeilichen Kriminalstatistik. Dazu möchte ich vielleicht sagen oder einmal erklären, wie eine Polizeiliche Kriminalstatistik eigentlich gemacht wird: Das sind ja Daten, die in allererster Linie aus den Ländern kommen, aus den Landeskriminalämter, und im Bundeskriminalamt gesammelt und konsolidiert werden. Bevor dann eine solche bundesweite PKS fertig ist und veröffentlicht werden kann, ist ein intensiver Abstimmungs-, Abgleich- und Qualitätssicherungsprozess zwischen Bund und Ländern notwendig, der für die PKS für das Jahr 2015 auch noch gar nicht abgeschlossen ist. Nicht umsonst ist es so, dass die Veröffentlichung der PKS, wie auch richtig in dem Bericht beschrieben wurde, erst im Mai 2016 geplant ist. Das ist auch in den vergangenen Jahren ähnlich gewesen. Der Bericht, der dann veröffentlicht wird, ist ja auch ein sehr umfangreicher Bericht. Deswegen ist es so, dass jetzt veröffentlichte Zahlen allenfalls ungesicherte Zwischeninformationen aus diesem Prozess sein können, und die kann ich mit Rücksicht auf die Erläuterungen, die ich gegeben habe, deswegen auch nicht kommentieren.

Die Anschlussfrage, die Sie gestellt haben, erübrigt sich damit, weil ich zu einem Trend zum jetzigen Zeitpunkt auch noch gar nichts sagen kann. Ich verweise vielleicht nur darauf, dass aus dem Ansteigen von Zahlen, das natürlich immer auf ganz vielen verschiedenen Faktoren beruht, nicht pauschal darauf geschlossen werden kann, ob Bemühungen hinsichtlich einer Verbesserung oder einer Günstigerstellung der Situation jetzt gescheitert sind oder nicht. Das ist etwas, das man sicherlich selbst aufgrund gestiegener Zahlen, die ich aber gar nicht bestätigen kann, nicht so pauschal sagen kann.

ZUSATZFRAGE BAUER: Könnten Sie vielleicht noch einmal sagen, was der Bund in den vergangenen zwölf Monaten an Präventionsmaßnahmen getan hat oder was es da vielleicht für Förderungen gibt? Das ist vielleicht auch eine Frage an das Bauministerium. Ich glaube, es gab eine Art von KfW-Förderung.

DR. PLATE: Das ist in der Tat eine ganze Reihe von Dingen, die ich aber jetzt nicht im Einzelnen dabei habe. Das kann ich Ihnen gerne nachreichen.

FICHTNER: In der Tat gibt es seit dem vergangenen Herbst ein Förderprogramm, das wir mit der KfW aufgelegt haben, im Rahmen dessen Hauseigentümer und auch Mieter auch kleinere Sicherungsmaßnahmen bezuschusst bekommen können. Durchschnittlich bekommt man da, glaube ich, 500 Euro. Man kann sich auch dieses Jahr wieder für diese Förderung bewerben. Informationen dazu finden Sie auch bei uns auf der Homepage.

FRAGE DIEKMANN: Zurück zum Flüchtlingsthema: Ich habe eine Frage an Frau Wirtz und auch an Frau Chebli, eventuell auch an Herrn Nannt. Es gibt ja seit mehreren Wochen und jetzt in den letzten Tagen verstärkt den Hinweis darauf, dass sich die Flüchtlingsroute ändert. Da ist „von Libyen nach Italien“ ein Stichwort. Bereitet sich die Bundesregierung darauf vor? Falls ja, wie?

SRS’IN WIRTZ: Ich kann zunächst einmal allgemein für die Bundesregierung auf diese Frage antworten. Sie können davon ausgehen, dass die Bundesregierung Fluchtbewegungen natürlich sehr genau im Blick behält und verfolgt, was sich auf den verschiedenen Routen tut. Ich habe eben noch, so meine ich, eine Meldung einer Kollegin der EU-Kommission wahrgenommen, dass derzeit kein Ausweichen auf solche anderen Fluchtrouten beobachtet werde.

Aber Sie können natürlich davon ausgehen, dass die Bundesregierung das sehr genau im Blick hat und situationsabhängig darauf reagiert. Deshalb kann ich Ihnen hier keine pauschale Antwort oder Reaktionsmöglichkeit anbieten.

CHEBLI: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE: Eine Frage an Herrn Nannt. Anfang des Jahres wurde sowohl von der Kanzlerin als auch von der Bundesverteidigungsministerin der Plan geäußert, gemeinsam mit Italien in einer Trainingsmission libysche Sicherheitskräfte in Tunesien auszubilden. Wie weit sind die Pläne gediehen, und wovon hängt das ab?

NANNT: Wir sind insgesamt dazu in Gesprächen, auch mit der tunesischen Regierung. Wir haben immer gesagt, dass eine wichtige Voraussetzung ist, dass eine libysche Einheitsregierung etabliert werden muss. Diesen Stand haben wir noch nicht. Insofern kann ich Ihnen keinen weiteren Stand vermelden. Ich kann nur sagen, dass Gespräche laufen. Aber erst müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Es gibt sie derzeit nicht.

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, eine Frage zur Flüchtlingssituation in Idomeni. Die thüringische Regierung von Herrn Ramelow hat angeboten, 2000 Flüchtlinge aus Idomeni in Thüringen aufzunehmen. Ich würde gern wissen, ob die Bundesregierung das begrüßt, was die Bundesregierung daraus macht und ob sich dem schon weitere Bundesländer angeschlossen, also ebenfalls angeboten haben, Menschen aus der humanitären Notlage in Idomeni zu befreien.

SRS’IN WIRTZ: Soweit ich es wahrgenommen habe, hat die griechische Regierung gar nicht darum gebeten, dass Flüchtlinge in Idomeni von Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedsstaat aufgenommen werden oder dass Ihnen Obdach gewährt wird. Es geht vielmehr darum, dass die Flüchtlinge, die in Idomeni sind und offenbar darauf warten, dass dort die Grenze aufgeht, durchaus auch innerhalb von Griechenland Möglichkeiten haben, untergebracht zu werden, und dass diese Angebote wahrgenommen werden, um in anderen Verhältnissen unter besseren humanitären Bedingungen zu leben.

Auf Ihre Frage nach anderen Bundesländern kann ich sagen, dass mir das nicht bekannt ist. Was Sie dargestellt haben, ist mir aus der Presse bekannt. Ich sehe im Moment für die Bundesregierung keine Notwendigkeit, darauf näher einzugehen, weil die griechische Regierung, wie gesagt, gar nicht darum gebeten hat.

ZUSATZFRAGE JUNG: Heißt das, wenn Herr Ramelow Herrn Tsipras anriefe und sagte: „Die Bundesregierung will eine formale Bitte haben“, dann könnte das ein Thema werden?

SRS’IN WIRTZ: Ich würde sagen, das ist eine sehr hypothetische Frage.

FRAGE: Zu dem Vorstoß von Herrn Ramelow. Er hat auch der Sorge thüringischer Unternehmen Ausdruck verliehen, dass zu wenige Flüchtlinge nach Thüringen kommen könnten. Denn sie seien eigentlich auf Fachkräfte angewiesen. Gibt es eine Möglichkeit, wie die Bundesregierung den Thüringern helfen kann? Das ist meine erste Frage.

Meine zweite Frage ist eine Lernfrage: Könnte ein Bundesland auf eigene Faust Flüchtlinge aus Idomeni holen, oder braucht es dazu die Zustimmung der Bundesregierung?

SRS’IN WIRTZ: Die Flüchtlinge werden innerhalb der Bundesrepublik nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt. Wie viele nach Thüringen gehen, kann ich nicht beurteilen. Ob es nach den Vorstellungen von Herrn Ramelow genügend viele sind, kann ich auch nicht beurteilen. Was die Flüchtlinge anbelangt, gibt es bestimmte Verteilungsmechanismen innerhalb Deutschlands.

Die Frage, ob ein Bundesland selbstständig Flüchtlinge aufnehmen könnte, stellt sich für mich in der jetzigen Situation nicht, weil die griechische Regierung derzeit nicht darum nachgesucht hat, dass sie dabei unterstützt wird.

ZUSATZFRAGE: Aber rein von der Rechtslage her ginge es?

SRS’IN WIRTZ: Das kann ich Ihnen nicht beantworten.

DR. PLATE: Das kann ich gern ergänzen, wenn ich darf. Es liegt teilweise in meinem Zuständigkeitsbereich und teilweise auch nicht. Im Grundgesetz ist im Prinzip geregelt, wer in der Bundesrepublik Deutschland die auswärtige Gewalt innehat. Das findet sich, meine ich, in Artikel 32 des Grundgesetzes. Darin steht, dass das im Wesentlichen der Bund ist.

Wenn man ein bisschen die verfassungsrechtliche Kommentarliteratur dazu konsultiert, dann stellt man fest, dass im Prinzip die entscheidende Messlatte für diese Frage ist, ob die Länder mit dem, was sie tun, eine sogenannte Nebenaußenpolitik betreiben. Diese Frage haben wir, weil es hier hypothetisch ist, nicht bewertet. Sie mögen selber, wenn Sie wollen, darunter subsumieren, ob es in einem solchen Fall, der international und medial große Aufmerksamkeit erregt hat, das Betreiben einer Nebenaußenpolitik wäre oder nicht. Aber das ist die Messlatte, die sich in der Verfassung findet und die Sie, denke ich, suchen.

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, wird die Bundesregierung der griechischen Regierung mitteilen, dass es Bundesländer in Deutschland gibt, die die Menschen aus Idomeni teilweise befreien wollen?

SRS’IN WIRTZ: Die Bundesregierung ist der Meinung, dass die Frage der Unterbringung der Flüchtlinge eine gesamteuropäische Frage ist und dass in der Tat auch Griechenland bestimmte Aufgaben erfüllt und bereit ist, diese Aufgaben zu erfüllen. Griechenland hat zugesagt, die Flüchtlinge, die derzeit in Idomeni sind, gut unterzubringen. Es gibt menschenwürdige, gute Unterkunftsmöglichkeiten in Griechenland. Das ist der Standpunkt der Bundesregierung in dieser Frage.

Abgesehen davon sind auch in Griechenland verschiedene Medien zu lesen und zu hören und Gesprächskontakte sicherlich nicht verboten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie beschreiben immer den Wunschzustand, wie es sein sollte. Befasst sich die Bundesregierung mit der Wirklichkeit in Idomeni, damit, wie die Lage dort ist? Ist es für sie immer noch keine humanitäre Notlage?

SRS’IN WIRTZ: Ich kann es noch einmal wiederholen. Ich kann es auch noch rückwärts sagen. In Griechenland gibt es durchaus Unterkunftsmöglichkeiten. Es ist doch so, dass es in Griechenland insgesamt bessere Unterkunftsmöglichkeiten gibt als in Idomeni. Insofern gilt der Aufruf an die Flüchtlinge, die derzeit in Idomeni sind, sich in andere Flüchtlingsunterkünfte, die es in Griechenland gibt und die dort zur Verfügung gestellt werden, zu begeben.

FRAGE LANGE: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium zu dem „WAZ“-Artikel von heute „Gabriel sichert Stahlkochern Unterstützung zu“. Ich wüsste gern, welche Art von Unterstützung damit gemeint sein könnte, neben den Bemühungen der EU, die gerade laufen. Es gibt schon Strafzölle auf bestimmte chinesische Stahlprodukte. Was bleibt also noch? Eigentlich ja nur noch nationale Maßnahmen. Könnten Sie das vielleicht ein bisschen aufdröseln?

DR. AUDRETSCH: Sie haben recht, dass die „WAZ“ den Minister zu dem ganzen Thema heute zitiert. Das zeigt, dass sich der Minister ganz persönlich um die Frage kümmert, wie Regularien aussehen müssten, die der Stahlindustrie in Deutschland eine gute Zukunft sichern. Denn die Stahlindustrie ist als Basisindustrie in Deutschland tatsächlich eine sehr zentrale Industrie und ein sehr zentraler Wirtschaftszweig, nicht nur für die Stahlindustrie selber, sondern auch für andere Branchen wie die Automobilbranche, den Maschinenbau und ähnliche. Daran hängen viele.

Der Minister hat sich zum Beispiel schon Anfang Februar in einem Schreiben gemeinschaftlich mit anderen Ministern in Europa aus Frankreich, Italien, Großbritannien, Belgien, Luxemburg und Polen an die EU-Kommission gewandt und gesagt, dass die Möglichkeiten, die es auf europäischer Ebene gibt, auch tatsächlich angewandt werden müssen, um faire Wettbewerbsbedingungen in der Stahlbranche herzustellen. Der Minister ist sehr für einen Wettbewerb auch in dem Bereich, aber der Wettbewerb muss fair gestaltet sein. Dabei gibt es auf den internationalen Stahlmärkten, gerade auch was die Überkapazitäten in China angeht, im Moment durchaus Schwierigkeiten.

Sie haben gesagt, dass es auch schon Punkte gibt, in denen die EU-Kommission reagiert hat. Das kann ich bestätigen. Das ist der Fall. Schon im Februar wurden vorläufige Antidumpingzölle für den Bereich kaltgewalzter Flachstahlerzeugnisse aus China und aus Russland verhängt und gleichzeitig andere Prüfungen in Auftrag gegeben. Wenn Sie es genau wissen wollen: Dabei geht es um Rohre mit großen Durchmessern, Grobbleche, warmgewalzte Flachstahlerzeugnisse. Wir sind also in ganz vielen Bereichen auch auf europäischer Ebene dabei, uns um die Fragen der Stahlindustrie zu kümmern.

ZUSATZFRAGE LANGE: Nationale Maßnahmen hat er aber nicht gemeint, zum Beispiel Subventionen, oder?

DR. AUDRETSCH: Die Handelsfragen, die geklärt werden müssen, sind auf europäischer Ebene angesiedelt und werden dort verfolgt, aber durchaus, wie ich es beschrieben habe, auch unterstützt von nationaler Ebene aus mit Briefen und Gespräche, die stattfinden.

FRAGE WIEGOLD: Frau Chebli, Herr Nannt, noch einmal zur Türkei, aber aus ganz anderer Perspektive: Das U.S. State Department und USEUCOM haben gestern die Familienangehörigen von Diplomaten und Soldaten aus dem Süden der Türkei evakuiert. Frau Chebli, wird das Auswärtige Amt dies mit den Familienangehörigen dort im Süden ich weiß gar nicht, ob es da ein Konsulat gibt auch tun, eventuell auch an anderen Orten?

Herr Nannt, hat sich etwas an der Einschätzung der Sicherheitslage für die deutsche Stationierung in Ýncirlik geändert?

CHEBLI: Sie haben immer ganz spezielle Fragen. Zu dem von Ihnen angesprochenen Fall kann ich nichts Konkretes sagen.

ZUSATZ WIEGOLD: Das U.S. State Department ist ja nicht so speziell.

CHEBLI: Das U.S. State Department ist ein befreundetes Ministerium. Aber den von Ihnen besprochenen Fall kenne ich nicht. Deswegen kann ich dazu nichts sagen. Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung derartige Pläne erwägt. Es wäre mir bekannt. Ich denke, eher nicht.

NANNT: Zu Ihrer zweiten Frage: Die Sicherheitsvorkehrungen auf der Airbase in Ýncirlik sind bereits vor einigen Tagen erhöht worden. Das galt in Verbindung mit der Türkei als Gastgeber und natürlich auch mit den US-amerikanischen Alliierten.

Die Maßnahmen dienen zum Schutz. Es geht dabei um eine erhöhte abstrakte Gefahr. Das ist, wie gesagt, schon seit einigen Tagen gültig.

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