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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 15. Juni 2016

Keine Aufregung im Ramadan! ▼ BPK vom 15. Juni 2016

Naive Fragen zu:
China-Reise der Kanzlerin (ab 17:20 min)
ist “Ahrar al Sham” nun eine Terrororganisation? (ab 24:55 min)
Gefährder (ab 27:55 min)
„Terror“ in Orlando? (ab 33:10 min)
deutsche Spezialkräfte in Syrien? (40:45 min)
Wasserversorgung im Westjordanland (ab 42:25 min)
„Brexit“-Vorbereitungen (53:02 min)
NATO-Truppen in Osteuropa & vor Russland (ab 56:45 min)

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 15. Juni 2016:

VORS. WEFERS: Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, herzlich willkommen in der Bundespressekonferenz. Ich sage den Sprecherinnen und Sprechern der Ministerin sowie Regierungssprecher Steffen Seibert und der schon inthronisierten oder noch zu inthronisierenden Stellvertretenden Regierungssprecherin Ulrike Demmer herzlich willkommen, die heute zum ersten Mal hier bei uns sitzt.

STS SEIBERT: Guten Tag! Bevor wir uns in unsere Mittwochsroutine begeben, möchte ich ein paar Sätze zu etwas ganz und gar nicht Routinemäßigem sagen:

Wir haben eine neue Kollegin, wir haben eine neue Stellvertretende Regierungssprecherin, eine neue stellvertretende Leiterin des Bundespresseamtes, auch wenn wir nicht auf Thronen sitzen und die Inthronisierung deswegen ausfiel. Sie ist seit Montag im Dienst, wie es so schön schlicht heißt. Was meine Aufgabe so einfach macht, ist, dass sie jemand ist, den ich den allermeisten von Ihnen gar nicht vorzustellen brauche: Ulrike Demmer demnächst also auch an diesem Platz ist Journalistin, gelernt von der Pike auf, hat beim Fernsehen, bei Magazinen, Tageszeitungen gearbeitet, wurde für ihre Arbeit preisgekrönt. Genau wie Herr Streiter und ich wird sie ab jetzt ganz wesentlich auch für Sie, die Journalisten, da sein, für Auskünfte, Erklärungen und Informationen zur Verfügung stehen. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit und wünsche viel Freude.

SRS’IN DEMMER: Vielen Dank. Ich kann bestätigen: Es ist kein Thron, sondern ein ganz einfacher Bürostuhl, auf dem zu sitzen ich mich sehr freue. Ich freue mich auch auf die Zusammenarbeit. Also dann: Bis bald in diesem Kino!

VORS. WEFERS: Herzlich willkommen, Ulrike Demmer, auf dieser Seite. Die Bezeichnung „Thron“ zeigt nur, welche Hochachtung wir vor diesem Amt haben, das Sie bekleiden und auszufüllen haben. Ich wünsche Ihnen im Namen der Bundespressekonferenz alles Gute. Wir werden viel Gelegenheit haben, uns hier auszutauschen.

STS SEIBERT: Bevor wir zu den Themen des Kabinetts kommen, möchte ich gern etwas zu dem Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine sagen. Vor einiger Zeit gab es den erfreulichen Austausch der in Russland festgehaltenen ukrainischen Pilotin Nadiya Sawtschenko gegen zwei russische Militärangehörige. Nun begrüßen wir den jüngsten Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland. Ein besonders positives humanitäres Signal ist dieser Austausch auch vor dem Hintergrund der Tatsache der Erkrankung der ukrainischen Gefangenen Soloschenko und Afanasjew. Wir würden es als Bundesregierung begrüßen, wenn weitere Schritte dieser Art folgten.

Der Austausch von Gefangenen ist ein wichtiger Bestandteil des Minsker Maßnahmenpakets. Wir hoffen, dass auch zu weiteren, noch offenen Fragen des Minsker Pakets, beispielsweise zur Frage der Lokalwahlen in der Ostukraine, baldmöglichst Lösungen gefunden werden.

Damit sind wir bei den Kabinettsthemen. Das erste, was ich Ihnen vortragen möchte, ist der vom Bundesjustizminister vorgelegte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten in Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts. Dieser Gesetzentwurf dient insbesondere der Umsetzung einer europäischen Richtlinie. Es geht dabei um das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand im Strafverfahren und im Verfahren zur Vollstreckung des europäischen Haftbefehls. Es geht auch um das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs.

Diese europäische Richtlinie macht für das deutsche Recht lediglich vereinzelte Änderungen und Ergänzungen erforderlich, denn die Rechtsstellung, die Beschuldigte und Personen, die zur Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls festgenommen werden, bei uns bereits haben, entspricht schon jetzt im Wesentlichen den Vorgaben der Richtlinie.

Bezüglich des Schöffenrechts will ich nur kurz sagen: Erstens ist es möglich, nun auch im Alter von über 75 Jahren Schöffe zu sein. Zweitens wird in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen, dass die bisher vorgesehene verpflichtende Unterbrechung der Schöffentätigkeit nach zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden zu streichen ist. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten erweitert, ein Schöffenamt auch abzulehnen.

Das Bundeskabinett hat dann den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung beschlossen. Damit wird eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Das jetzt vorgelegte Gesetz wird vor allem auch die informationstechnologische Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit optimieren. Die für die Bekämpfung der Schwarzarbeit im Handwerks- und Gewerberecht zuständigen Landesbehörden erhalten eigene Prüfungsbefugnisse.

Die Erste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung wurde vom Verkehrsminister vorlegt: Ziel ist es, die Verkehrssicherheit vor allem für schwächere Verkehrsteilnehmer Kinder und ältere Personen zu verbessern. Wesentliche Punkte, die eigentlich jeden betreffen, der am Verkehr teilnimmt, sind: Auf innerörtlichen Hauptverkehrs- und Vorfahrtsstraßen soll es in Zukunft leichter sein, Tempo-30-Abschnitte einzurichten, und zwar in sogenannten verkehrssicherheitssensiblen Bereichen. Das können Schulen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Seniorenpflegeheime oder Krankenhäuser sein.

Außerdem werden die derzeit geltenden Vorschriften zur Bildung einer Rettungsgasse bei Verkehrsunfällen vereinfacht. Rettungskräfte sollen was uns alle eines Tages vielleicht retten könnte ungehinderter und schneller zum Einsatzort gelangen.

Und etwas Wichtiges für Radfahrer: Bisher ist es radfahrenden Kindern erlaubt, auf dem Gehweg zu fahren, nicht aber den Eltern oder erwachsenen Begleitpersonen, die mit ihnen fahren. Das wird geändert: Aufsichtspersonen radfahrender Kinder sollen zukünftig auch mit dem Fahrrad auf Gehwegen unterwegs sein dürfen. Das soll die Sicherheit der Kinder auf dem Fahrrad erhöhen.

Ein Letztes: E-Bikes sollen generell auf Radwegen fahren dürfen. Innerörtliche Radwege werden auch für E-Bikes freigegeben.

Der letzte Punkt, über den ich Ihnen berichten möchte, ist der ständige Tagesordnungspunkt Flucht und Flüchtlinge. Heute hat Bundesbauministerin Hendricks über die aktuellen Maßnahmen zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums berichtet, wobei man gleich sagen muss: Was wir wohnungsbaupolitisch in Deutschland tun, wird allen in Deutschland zugutekommen, also den Schutzberechtigten, die über längere Zeit in Deutschland leben werden, ebenso wie der einheimischen Bevölkerung. Alle Bevölkerungsgruppen mit Förderbedarf profitieren gleichermaßen vom sozialen Wohnungsbau und von der sozialen Infrastruktur in den Nachbarschaften. Nur so davon sind wir überzeugt können Nachbarschaften gestärkt werden, kann Integration vor Ort gelingen.

Die Bauministerin hat einige Punkte dazu vorgetragen. Bekanntlich müssten jedes Jahr das ist die Prognose voraussichtlich mindestens 350 000 Wohnungen bei uns gebaut werden, um den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu decken.

Die Bundesregierung hat den Ländern und Kommunen im vergangenen Jahr insgesamt 2 Milliarden Euro zur Aufnahme, Unterbringungen von Asylbewerbern zur Verfügung gestellt. Weitere Einzelmaßnahmen, um den Wohnungsbau anzukurbeln, könnten Ihnen bei Bedarf Umwelt- und Bauministerium nennen.

Das wäre es erst einmal zum Kabinett.

FRAGE ENGELKE: Eine Frage in einem größeren Zusammenhang mit dem Thema Flüchtlinge; das wird auch ein Thema auf der morgigen Ministerpräsidentenkonferenz bzw. bei der Begegnung der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten sein: Trifft die Berichterstattung zu, dass es eine Annäherung gegeben hat, was die Finanzierung der Flüchtlingskosten angeht?

STS SEIBERT: Die Berichterstattung ist insofern richtig, als das morgen bei der Begegnung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Thema sein wird. Über laufende Gespräche möchte ich vor der morgigen Sitzung nicht berichten.

FRAGE HELLER: Ich möchte auf das beliebte Thema KUKA zurückkommen. Nach den vielen Berichten der letzten Tage, denen eine klare Quelle fehlte, würde ich gern Sie, Herr Seibert, aber auch das Wirtschaftsministerium fragen: Ist Ihnen eine Zusage des chinesischen Kaufinteressenten für dieses Unternehmen bekannt, eine Beteiligung bei 49 Prozent deckeln zu wollen?

Zum Zweiten: Falls ja, gibt es dazu möglicherweise eine schriftliche Vereinbarung, oder ist das nur eine verbale Zusage?

STS SEIBERT: Ich will gerne sagen, dass ich es als unpassend empfände, wenn ich als Sprecher der Bundesregierung hier über unternehmerische Entscheidungen berichten würde. Deswegen werden Sie von mir darauf keine Antworten bekommen. Die Bundeskanzlerin hat das Thema in China vor der Presse angesprochen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

DR. BRAAMS: Ich kann mich dem nur anschließen: Wir kommentieren diese Meldung nicht. Es handelt sich um unternehmerische Vorgänge bzw. Entscheidungen, die von den Eigentümern und den Unternehmen getroffen werden müssen, und dabei bleibt es.

ZUSATZFRAGE HELLER: Zwei kleine Nachfragen, erstens an das Wirtschaftsministerium: Hat der Ansatz Ihres Ministers, Brüssel dazu zu bewegen, darüber nachzudenken, wie auf europäischer Ebene sensible Industrie gegenüber unfairen Übernahmeversuchen besser geschützt werden kann, schon konkrete Erfolge gezeitigt?

Zweitens möchte ich nachfragen: Da all die Äußerungen über die Obergrenze, Beteiligungen am Rande oder bei der Gelegenheit des Merkels-Besuchs in China stattfanden, wundere ich mich etwas, dass plötzlich so getan wird, als wenn die Regierung, die Politik nichts damit zu tun hätte, obwohl diese Äußerungen aus Regierungskreisen stammen.

DR. BRAAMS: Zu Ihrer ersten Frage: Sie nehmen noch einmal Bezug auf einen Artikel, auf einen Namensbeitrag, den Minister Gabriel in der letzten Woche veröffentlicht hat, wo es um das Thema Investitionen, Investitionsstandort ging. Er hat sich darin dafür ausgesprochen, eine Diskussion anzustoßen, und hat gesagt: Es ist klar, dass wir in Deutschland und Europa offene Investitionsstandorte haben und natürlich gleiche Bedingungen auch von unseren Partnern einfordern. Da muss auch eine entsprechende Diskussion auf europäischer Ebene geführt werden. Das ist der Stand der Dinge. Er wollte eine Diskussion anstoßen; das war das Ziel des Beitrags.

ZUSATZFRAGE HELLER: Aber eine Reaktion hat es noch nicht gegeben?

DR. BRAAMS: Eine Reaktion hat es meines Wissens nicht gegeben. Ist das damit beantwortet?

FRAGE DR. DELFS: Frau Dr. Braams, zwei Fragen: Könnten Sie noch einmal kurz sagen, warum Ihr Minister nicht mit in China war? Hatte das gesundheitliche oder terminliche Gründe? China ist einer der wichtigeren Handelspartner Deutschlands. Da würde man erwarten, dass der Wirtschaftsminister teilnimmt.

Meine zweite Frage ist, ob das Außenwirtschaftsgesetz, wie es momentan ist, in irgendeiner Form Anwendung auf den KUKA-Deal finden könnte. Ich will gar nicht wissen, was Sie von dem Deal halten, sondern stelle diese rein technische Frage.

DR. BRAAMS: Ich kann zu beiden Fragen gern etwas sagen. Minister Gabriel konnte aufgrund von unaufschiebbaren anderen Verpflichtungen nicht teilnehmen. Näher kann ich mich nicht dazu einlassen. Er wurde auf der Reise von Staatssekretär Machnig vertreten. Das zu Ihrer ersten Frage.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wie bei allen Übernahmegeschäften gibt es sozusagen zwei rechtliche Anknüpfungspunkte. Das ist einmal das Kartellrecht. Es wird entweder in der Zuständigkeit der Europäischen Kommission oder des Bundeskartellamts liegen, Übernahmegeschäfte nach der Fusionskontrollverordnung zu prüfen. Das Zweite ist das Außenwirtschaftsrecht bzw. die Außenwirtschaftsverordnung. Es gibt derzeit keine Prüfungen, die dort anstehen oder laufen. Generell gibt es die Möglichkeit, nach dem Außenwirtschaftsgesetz Prüfungen vorzunehmen, wenn deutsche Sicherheitsinteressen infrage stehen. Das ist der Prüfungsmaßstab, der nach dem Außenwirtschaftsgesetz gilt.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Man hörte während dieser China-Reise unter anderem auch, dass das Außenwirtschaftsgesetz schon insofern wirksam werden könnte, als es den Deal zumindest aufschieben könnte, weil man eben doch eine Prüfung anleiern könnte man kann es zwar nicht verhindern, es aber aufschieben. Konkrete Frage: Ist das richtig?

DR. BRAAMS: Wie gesagt, das ist derzeit alles spekulativ, weil es nicht ansteht. Eine Prüfung würde dann anstehen, wenn ein Vertrag abgeschlossen ist. Jede Prüfung bestimmt sich nach dem konkreten Vertragsgegenstand. Solange dieser nicht vorliegt, ist das alles spekulativ. Das Unternehmen kann dann entscheiden, ob es den Antrag stellt, ob geprüft wird. Entsprechend würde dann eine einmonatige oder verlängerbare Prüfungsfrist eintreten. Aber das ist derzeit alles im Rahmen des Spekulativen.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Nur noch eine Verständnisfrage: Das heißt, es kann durchaus sein, dass das Außenwirtschaftsgesetz Sie schließen das nicht aus doch Anwendung finden könnte, wenn so ein Deal zustande käme wenn denn das Angebot vorliegt?

DR. BRAAMS: Ich kann nur sagen: Diese Frage ist dann zu beantworten, wenn ein Vertrag vorliegt, denn die Anwendbarkeit des Außenwirtschaftsgesetzes richtet sich nach dem konkreten Vertragsgegenstand.

FRAGE HELLER: Nur noch eine Frage zur Klärung. Wenn denn ein Vertrag vorliegt, bedarf es dann noch einmal eines konkreten Antrags eines der Beteiligten, oder könnte das Ministerium auch von Amts wegen, von sich aus prüfen?

DR. BRAAMS: Grundsätzlich sieht das Außenwirtschaftsgesetz beide Möglichkeiten vor. Aber auch das richtet sich nach dem konkreten Vertragsgegenstand. Nicht in jedem Fall sind beide Optionen eröffnet, sondern das richtet sich eben nach dem konkreten Vertragsgegenstand.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, hat sich die Kanzlerin in China vielleicht doch noch mit Dissidenten, Menschenrechtlern und Bloggern getroffen?

Ich habe die Liste der Wirtschaftsvertreter, die mitgereist sind, noch nicht bekommen. Können wir heute noch mit ihr rechnen?

STS SEIBERT: Erstens: Ja, sie hat sich mit Vertretern der kritischen Zivilgesellschaft getroffen, wie auch der Presse zu entnehmen war.

Zweitens haben wir hier keinen Automatismus, Listen an Sie herauszugeben. Wenn Sie an der Liste der Wirtschaftsvertreter interessiert sind – was mich bisher noch nicht erreicht hatte, ich war aber auch in China , können wir das sicher nachreichen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Danke. – Können Sie uns die Liste der Dissidenten geben?

STS SEIBERT: Nein.

ZURUF JUNG: Nein? Warum nicht?

STS SEIBERT: Darüber denken Sie mal nach!

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie viele waren es denn?

STS SEIBERT: Ich würde sagen, acht oder neun. Das ist aber auch der Presseberichterstattung zu entnehmen, auch, aus welchen Gruppierungen sie kamen usw. usf.

ZURUF JUNG: Man kann ja trotzdem nach den Namen fragen!

STS SEIBERT: Ja, genau. Aber ich kann sie Ihnen nicht geben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie hatten noch getwittert, dass Sie Verträge in Milliardenhöhe abgeschlossen haben. Um welche Milliardenhöhe geht es denn? Welche Verträge sind das genau?

STS SEIBERT: Sie arbeiten jetzt die bereits gegebene Berichterstattung über die China-Reise der Bundeskanzlerin noch einmal in der Bundespressekonferenz ab.

ZURUF JUNG: Ich wollte es von Ihnen hören!

STS SEIBERT: Das weicht aber nicht von dem ab, was Sie in der Presse vielleicht nicht gelesen haben. 2,3 oder 2,7 Milliarden war die Gesamthöhe. Aber wie gesagt: Ich verweise auf die Presseberichterstattung.

VORS. WEFERS: Gibt es weitere Fragen zum Thema? – Herr Seibert möchte noch eine Mitteilung machen.

STS SEIBERT: Wir haben leider erneut Anlass, über den internationalen Terrorismus zu sprechen. Ich möchte für die Bundeskanzlerin das Entsetzen über die jüngste Tat mit offenbar islamistisch-terroristischem Hintergrund in Paris oder in der Nähe von Paris ausdrücken. Die Grausamkeit des Mordes an dem Polizisten und an seiner Lebensgefährtin – im letzteren Fall wohl im Beisein eines dreijährigen Kindes – macht fassungslos. Die Bundeskanzlerin spricht den Familien der Opfer ihr tiefes Beileid aus, und sie möchte, dass alle Franzosen wissen: Wir stehen an ihrer Seite. Wir teilen ihren Schmerz, und wir werden in der täglichen und engen Zusammenarbeit unserer Behörden tun, was wir können, um Taten wie diese aufzuklären oder – besser noch – künftige Taten zu verhüten.

FRAGE ULRICH: Um so ein „Wir stehen an eurer Seite“ zu untermauern, könnte man auch nach Frankreich reisen. Das schließt an die Frage an, ob sich Angela Merkel konkret um einen Fußballtermin bemüht, um dort auch Hollande zu treffen. Gibt es solche Pläne zur Untermauerung Ihrer Feststellung bezüglich der Anteilnahme für die Opfer des Terrorismus?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen keine Reisepläne nach Frankreich verkünden, bin aber ganz sicher, dass es einer solchen Reise nicht bedarf, um den Franzosen zu versichern, dass wir an ihrer Seite stehen. Das habe ich gerade im Namen der Bundeskanzlerin ausgedrückt.

CHEBLI: Nur eine kurze Bemerkung: Der Minister trifft heute auf seinen französischen Kollegen, und da wird das Thema sicherlich auch eine Rolle spielen und vielleicht auch die Frage, wie man da konkreter zusammenarbeiten kann, wobei ich den Inhalt der Gespräche nicht vorwegnehmen kann.

FRAGE BÖCKING: Eine Frage an Herrn Seibert und Frau von Tiesenhausen-Cave zum Thema Erbschaftssteuer. Gehen Sie davon aus, dass es da morgen nach dem langen Ringen eine Einigung zu verkündigen gibt? Und falls ja: Inwiefern werden sich da die Forderungen der CSU vom Februar noch wiederfinden?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Herr Böcking, Sie gehen richtig davon aus, dass es morgen noch einmal zu einem Gespräch zum Thema Erbschaftssteuer kommt. Ich kann diesen Gesprächen nicht vorgreifen.

Sie fragen nach unserer Erwartungshaltung. Ich glaube, auch da ist schon zum Ausdruck gekommen, dass wir die Hoffnung haben, dass diese Gespräche in Kürze zum Abschluss gebracht werden. Unser Zeitplan ist hier auch schon einmal unterstrichen worden. Wir streben an, dieses Gesetzesvorhaben, das sich ja immer noch im parlamentarischen Verfahren befindet, vor der Sommerpause komplett abzuschließen.

ZUSATZFRAGE BÖCKING: Können Sie denn bestätigen, dass sich die CSU bewegt hat, was ihren Forderungskatalog angeht?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich kann nur sagen, dass morgen ein weiteres Gespräch stattfindet.

FRAGE: Eine Frage an das BMI: Herr de Maizière hat heute zu erhöhter Wachsamkeit wegen möglicher Terrorgefahr, Radikalisierung aufgerufen. Er sagt aber auch im Bundestag immer wieder – beispielsweise letzte Woche , dass es eines verbesserten internationalen Datenaustauschs bedarf. Frau Müller-Niese, woran hakt es denn da noch? Oder ist mit Antiterrorgesetz, wenn es so durchgeht, alles gut?

DR. MÜLLER-NIESE: Er hat nicht zu Wachsamkeit, sondern zur Achtsamkeit, glaube ich, aufgerufen; das ist ein Unterschied. Er hat gesagt: Wir müssen alle aufeinander achten. Es gibt den Bereich Prävention und auch Repression. Und wenn wir merken, dass man sich in unserem Umfeld radikalisiert, haben wir beispielsweise die BAMF-Hotline eingerichtet. Auch in verschiedenen Bundesländern gibt es verschiedene Hotlines und auch Ansprechpartner, die man kontaktieren kann, wenn sich der Bruder, der Sohn, der Cousin oder auch der Klassenkamerad usw. radikalisiert, um hier frühzeitig der Radikalisierung entgegenzuwirken.

Der Datenaustausch ist kein neues Thema; Sie haben das Gesetz angesprochen. Der Minister ist heute in Paris, dort haben wir es auch noch einmal angesprochen. Wir brauchen angesichts der Bedrohung durch den Terrorismus einen gemeinsamen Datenaustausch. Dem ist, glaube ich, nichts hinzuzufügen. Das muss einfach weiter intensiviert werden.

Wir haben hier eine globale Bedrohung. Es gibt verschiedene Extremisten oder Islamisten, die ins syrische Kampfgebiet ausgereist sind und dann zurückkommen. Das heißt noch lange nicht, dass man in sein Heimatland zurückkommt, sondern dass man möglicherweise auch in ein anderes Land geht. Da haben wir viel geschaffen. Wir haben das SIS flotter gemacht. Wir haben über Europol den Focal Point Travellers. Wir haben in der EU auch noch viel vor. Wir hatten letzte Woche auch den JI-Rat, auf dem das Thema auf der Agenda stand: Wie können wir auch die Qualität des Datenaustauschs verbessern, um dieser globalen Bedrohung entgegenzuwirken?

FRAGE JUNG: Frau Müller-Niese, der Generalbundesanwalt hat gestern Haftbefehle gegen mehrere Ahrar al-Scham-Mitglieder erlassen. Heißt das, dass Ahrar al-Scham jetzt als Terrororganisation in Deutschland gilt?

DR. MÜLLER-NIESE: Die Frage müssten Sie entweder dem Kollegen aus dem BMJV oder dem GBA stellen.

ZUSATZ JUNG: Dann an den Kollegen.

MALACHOWSKI: Das ist eine Frage, die in Deutschland die Gerichte beantworten. Die Tatsache, dass der Generalbundesanwalt Ermittlungen aufnimmt, legt nahe, dass ein Anfangsverdacht besteht. Letztinstanzlich wird das aber von den Gerichten entschieden.

FRAGE ULRICH: Ich würde gerne von Frau Müller-Niese wissen, ob Ihnen bewusst ist, dass gerade solch ein Aufruf zur Achtsamkeit, was ja schon heißt, aufzupassen, was in der Familie oder möglicherweise in der Nachbarschaft passiert ist, zumindest in Teilen Deutschlands vielleicht einige ungute Erinnerungen wecken könnte und ob das nicht ein Zeichen ist, dass Ermittlungsbehörden versagen, wenn man am Ende darauf angewiesen ist, dass die Bevölkerung sozusagen mithilft.

DR. MÜLLER-NIESE: Ich finde das jetzt vielleicht ein bisschen abwegig. Der Minister und auch die ganzen Sicherheitsbehörden haben mehrfach gesagt, dass sie wachsam sind. Wir haben eine sehr ernste Lage. Das ist nicht erst seit mehreren Tagen der Fall. Wir hatten verschiedene terroristische Anschläge. Ich erinnere beispielsweise an das Jüdische Museum in Brüssel, an Paris, und auch verschiedene Städte in Europa waren betroffen. Parallel dazu, dass die Sicherheitsbehörden, die Polizei und die Nachrichtendienste sehr wachsam sind, alle Hinweise abklären, in einem intensiven Austausch in Bezug auf die Hinweise stehen, ist es natürlich so, dass dann, wenn die Bürger achtsam sind, auf sich achten, aber vielleicht auch Hinweise sehen Das sehen wir beispielsweise an Bahnhöfen. Wenn es beispielsweise einen herrenlosen Koffer gibt, sind es die Bürger, die oftmals dem Sicherheitspersonal Bescheid sagen.

Der Minister drückt einfach aus, dass wir alle für unsere Sicherheit an einem Strang ziehen. Er hat niemals gesagt, dass er etwas auf die Bevölkerung ablädt. Das finde ich völlig abwegig.

ZUSATZFRAGE ULRICH: Können Sie uns ungefähr eine Zahl nennen es wird ja jetzt schon Hinweise geben , wie viele Hinweise bei Ihnen eintreffen und ob Sie genug Personal haben, um diesen Hinweisen konkret nachzugehen?

DR. MÜLLER-NIESE: Was Hinweise angeht, äußern wir uns nicht zu Zahlen. Diese gehen auch nicht beim BMI, sondern in der Regel bei den Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ein. Sie müssten dort direkt nachfragen. Ich denke, die Behörden haben gut zu tun, aber sie sind gut aufgestellt. Wir haben das GTAZ. Sie arbeiten sehr gut zusammen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

FRAGE JUNG: Frau Chebli, können Sie uns den Terrorstatus von Ahrar al-Scham aus Sicht des Auswärtigen Amtes nennen?

Frau Müller-Niese, könnten Sie uns die aktuellen Gefährderzahlen nennen?

CHEBLI: Nein, ich kann Ihnen nicht den Terrorstatus nennen. Ich kann dem, was der Kollege aus dem Justizministerium dazu gesagt habe, dass es nämlich Sache der Gerichte ist, das zu beurteilen, nichts hinzufügen.

DR. MÜLLER-NIESE: Die Gefährderzahl liegt etwa bei 500 Personen im Bereich islamistischer Terrorismus.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich möchte die genauen Zahlen haben und auch die Zahlen

DR. MÜLLER-NIESE: Es ist nicht so, dass wir diese Zahlen täglich abrufen.

Vielleicht noch einmal zur Erklärung: Eine Person wird als Gefährder durch das LKA eingestuft. Das ist eine polizeiliche Definition für eine Person, die eine Straftat im Sinne des § 100 StPO begeht. Das ist keine Liste, auf die neue Leute gesetzt werden, sondern diese Einstufung durch die Landeskriminalämter erfolgt, wenn es erforderlich ist. Eine Person kann auch wieder als Gefährder ausgestuft werden. Wir als BMI rufen nicht täglich diese Listen ab. Es gibt aktuell etwa 500 Personen, die durch die Landeskriminalämter eingestuft sind. Danke.

ZUSATZFRAGE JUNG: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

DR. MÜLLER-NIESE: Ich habe keine tagesaktuelle Zahl. Das ist auch nicht die Aufgabe. Die Landeskriminalämter stufen eine Person als Gefährder ein, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass diese Person möglicherweise eine Straftat nach § 100 StPO begehen kann.

FRAGE DR. DELFS: Ich habe an Herrn Seibert zu dem Thema eine Frage, und zwar bezogen auf den jüngsten Terroranschlag in den USA. Hat die Kanzlerin eigentlich mittlerweile mit dem US-Präsidenten gesprochen?

Ganz allgemein die Frage: Wie geht die Kanzlerin mit diesem Anschlag um? Er scheint sie ja schon sehr berührt zu haben. Gerade in den USA ragt dieses Thema ein bisschen in den Wahlkampf hinein. Wie schätzt die Bundeskanzlerin diesen Vorgang ein?

STS SEIBERT: Über innenpolitische Auswirkungen in den USA möchte ich hier nicht sprechen.

Die Bundeskanzlerin hat von China aus am Tag nach diesem mörderischen Anschlag sehr deutliche Worte gefunden. Sie sprach davon ich sage das jetzt aus dem Gedächtnis , dass ihr Herz schwer bei dem Gedanken daran sei, dass Hass und Bösartigkeit eines Einzelnen 49 Menschen das Leben geraubt und viele weitere verletzt habe. Sie sagte, dass solche hasserfüllten Anschläge uns natürlich wegen der vielen zerstörten Leben in tiefe Trauer stürzen können. Aber eines werden sie nicht erreichen: dass wir unsere Form des Zusammenlebens offen, frei, tolerant aufgeben.

Noch sind ja die genauen Hintergründe und Beweggründe des Täters nicht vollständig geklärt. Aber es ist klar, dass er sich als Ort seiner Tat diesen Nachtclub ausgesucht hat das war ein Nachtclub, der für homosexuelle Menschen ein Ort der Freiheit war , dass er also gezielt schwule und lesbische Menschen töten wollte. Ebenso klar ist, dass er selbst eine Verbindung zur Terrororganisation „Islamischer Staat“ hergestellt hat.

Was wir heute wissen, zeigt doch Zweierlei: Die Gefahr, die von islamistisch motiviertem Terror für uns alle ausgeht, ist real, und sie bleibt hoch. Das Zweite: Unser Leben in offenen, freien Gesellschaften, in denen der Respekt vor dem jeweils anderen herrscht der Respekt davor, wie er aussieht, woran er glaubt, wen er liebt , muss verteidigt werden. In einer solchen freien Gesellschaft gibt es nicht die einen und die anderen als Gruppe, die einander gegenüberstehen, sondern es gibt nur Menschen jeder in seiner eigenen Würde, mit seinem eigenen Recht, sein Leben zu leben.

Wenn man in diesen Tagen Bilder aus Orlando sieht, dann sieht man ja eine Stadt, die genau das beherzigt, die um jeden so trauert, wie er war – als Teil einer Gemeinschaft. So wollen wir zusammenleben. Diese Form des Zusammenlebens gibt uns, denke ich, auch die Kraft, den Terror zu besiegen.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Frau Müller-Niese, ist das eigentlich auch eine Sorge, die den Innenminister umtreibt, was spezifisch lesbisch-schwule Treffpunkte in Deutschland angeht? Sehen Sie da auch eine besondere Gefährdungslage oder würden Sie sagen, dass das ein mögliches Ziel von vielen ist und dass man sich nicht alle möglichen potenzielle Ziele anschauen kann?

DR. MÜLLER-NIESE: Jeder Terrorakt ist einer zu viel. Es gibt verschiedene Szenarien, die wir gesehen haben. Ich möchte aber einen nicht herausgreifen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, ich finde es interessant, dass Sie von „Terror“ sprechen. Was macht es in Orlando denn zum Terroranschlag? Das ist doch ein Amoklauf.

STS SEIBERT: Das eine schließt ja das andere nicht aus. Ich bin hier nicht der Experte für kriminalistische Definitionen. Aber wenn ein Täter selber eine Verbindung zum sogenannten „Islamischen Staat“ und seiner Terrorideologie herstellt, dann habe ich dieses Wort benutzt. Ich glaube, es ist auch keine Frage von Definitionen. Wir alle wissen, was dieser Täter erreichen wollte. Wir kennen nicht genau seine Beweggründe, aber wir wissen, dass er genau diesen Schrecken, dieses Grauen in einer ganz bestimmten Community von Menschen erreichen wollte. Deswegen habe ich gerade gesagt, was der Bundesregierung in diesem Zusammenhang wichtig ist.

Im Übrigen wäre es, glaube ich, sehr gut, wenn wir noch sehr viel mehr über die Opfer sprächen die Menschen, die erschossen wurden, die allesamt Söhne, Töchter und Mann und Frau von jemandem waren und sehr viel weniger über diesen 49-fachen Mörder.

FRAGE DR. ZWEIGLER: Ich würde gerne zwei Fragen zu den Gewaltexzessen im Umfeld der Fußball-Europameisterschaft stellen.

Frau Müller-Niese, wie bewertet der Bundesinnenminister die internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden? Wenn dort offenbar Hunderte Hooligans ungehindert einreisen können, bis an die Spielorte, bis an die Stadien gelangen können, muss ja etwas im Argen liegen. Das sind nicht nur russische, sondern auch deutsche, britische und sonstige Hooligans.

Zweitens. Gibt es im Hinblick auf das Spiel Deutschland gegen Polen am Donnerstag besondere Vorkehrungen, die man in Deutschland bzw. dann in Frankreich ergreifen wird?

DR. MÜLLER-NIESE: Zu den Sicherheitsvorkehrungen der Franzosen kann ich mich hier nicht äußern.

Ich kann nur sagen: Im Vorfeld der Europameisterschaft gab es mit dem Ausrichterstaat Frankreich einen Austausch. Wir haben in Deutschland eine Gewalttätersportdatei, die im ZIS gebündelt ist. Dort werden von allen Bundesländern Personen, die als Gewalttäter Sport definiert sind, zusammengeführt. Wir haben 2500 dieser Personen nach rechtlichen Befugnissen an die Franzosen übermittelt. Diese Anfrage haben die Franzosen an alle Teilnehmerländer der EM gestellt. Ich gehe davon aus, dass sich alle daran beteiligt haben.

Zusätzlich haben wir natürlich verschiedene Maßnahmen in Deutschland ergriffen, unter anderem mehrere hundert Gefährderansprachen. Mein letzter Stand ist, dass es über 600 waren. Es werden aber sicherlich weitere Gefährderansprachen geführt. Zwei Dutzend Personen wurde im Rahmen der Ausreiseüberwachung die Ausreise untersagt. Da kann es gut sein, dass gerade mit Blick auf das Spiel am Donnerstag weitere Ausreiseuntersagungen ausgesprochen werden. Das passiert durch die örtlichen Behörden. Andere Personen, etwa ein Dutzend Gewalttäter, haben Meldeauflagen, darunter beispielsweise pass- oder personalausweisbeschränkende Maßnahmen. Sie müssen sich beispielsweise melden, dürfen ein bestimmtes Gebiet nicht verlassen usw. Das sind Entscheidungen der örtlichen Meldebehörden.

Ich möchte noch kurz ergänzen: Der Minister war gerade im Kabinett. Der Punkt, den er dort gemacht hat, ist: Es ist wichtig, dass die Sicherheit der EM gewährleistet sein muss. Wir unterhalten uns aber leider aufgrund dieser traurigen Vorfälle, die es gibt, über die Sicherheit der EM und gar nicht über das eigentlich Schöne, nämlich das Fußballspiel.

ZUSATZFRAGE DR. ZWEIGLER: Nur die Frage, ob ich Sie richtig verstanden habe: Von 2500 Personen hat man zwei Dutzend untersagt auszureisen, ein Dutzend hat Meldeauflagen bekommen. Vielleicht sind es noch wesentlich mehr, die man zu den Hooligans zählen muss. Die anderen können im Grunde reisen. Da gibt es keine rechtlichen Beschränkungen, sie können fahren, wohin sie wollen.

DR. MÜLLER-NIESE: Ihnen wurden jedenfalls für die Länder keine ausreiseuntersagenden Maßnahmen ausgesprochen. Das ist aber eine sehr hohe Hürde. Ansonsten gibt es, wie gesagt, etwa über 600 Gefährderansprachen. Die Bundespolizei hat auch verschiedene Personen an der Ausreise gehindert. Sie können, wenn sie an der Grenze feststellen, dass diese Person ausreist, um eine Straftat zu begehen, natürlich eine Ausreise unterbinden – jedenfalls in dem Moment, wo die Person an der Grenze ist.

Zu den Zahlen: Aktuell liegen mir jedenfalls keine Zahlen von mehr Personen vor, für die eine Ausreiseuntersagung vorliegt.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, man konnte nach diesen Ausschreitungen der russischen Hooligans lesen, dass sich ein recht hochrangiger Funktionär in der Richtung „Weiter so, Prachtkerle“ geäußert hat. Ein anderer war zu sehen, der wohl vor Kameras diesen Szenen sogar applaudiert hat. Sieht die Bundesregierung eine mögliche Verbindung zwischen dem russischen Staat und diesen Hooligans oder finden Sie diese Reaktion von Funktionären auf solche Szenen angemessen?

STS SEIBERT: Ich will ganz grundsätzlich sagen: Unsere Überzeugung ist doch die: Die Fußball-EM soll ein Fest des Sports und ein Fest der Begegnung sein. Wer dorthin reist, um auf Randale aus zu sein, wer sich prügeln will und dabei schwerste Verletzungen, sogar den Tod anderer Menschen in Kauf nimmt, der hat dort keinen Platz. Es ist beschämend genug, dass offenbar auch Deutsche an solchen Ausschreitungen beteiligt waren. Da wird zum Teil von Hooligans ein wirklich widerwärtiger Gewaltkult gepflegt, der das Gegenteil des Grundgedankens von Sport ist. Das sollte man nicht kleinreden; das sollte man nicht bagatellisieren, wie ich das tatsächlich in den letzten Tagen in internationalen Stimmen gehört habe. Das muss man sehen, und dagegen muss man vorgehen. Das ist auch eine Aufgabe des internationalen Fußballs.

FRAGE: Syrische Medien berichten, dass deutsche Spezialkräfte im Norden von Syrien im Einsatz seien. Können Sie das bestätigen?

NANNT: Da ist überhaupt nichts dran. Das kann ich klar dementieren.

FRAGE: Können Sie das noch einmal ausführen? Wir brauchen das als einen O-Ton für unsere Kamera. Wenn Sie sich bitte noch einmal etwas umfassender dazu äußern wollen, wäre das sehr nett.

NANNT: Wir haben in Syrien keine Spezialkräfte eingesetzt.

FRAGE BAUER: Herr Nannt, was sind die Beweggründe der syrischen Regierung, so etwas zu behaupten?

NANNT: Ich spekuliere nicht über Beweggründe. Ich habe das einfach gestern als Meldung zur Kenntnis genommen und kann nur sagen, dass das nicht wahr ist. Ich kann nicht beurteilen, woher die Meldung kommt.

FRAGE JUNG: Nur um sicher zu gehen: Sie können also ausschließen, dass deutsche Spezialkräfte und auch irgendwelche anderen Kräfte in Syrien sind? In Syrien ist kein deutscher Offizieller?

NANNT: Herr Jung, Fragen, die etwas ausschließen, hatten wir erst beim letzten Mal. Es sind dort keine Spezialkräfte.

ZURUF JUNG: Andere Kräfte?

NANNT: Wir haben dort keine Kräfte eingesetzt.

FRAGE DR. ZWEIGLER: Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich noch einmal einen Schritt zurück zum Kabinett machte möchte. Ich würde gerne zur Straßenverkehrsordnung nachfragen.

Stichwort Rettungsgasse: Es gibt ja einen Entschluss des Bundesrats, schärfer gegen die sogenannten Gaffer vorzugehen. Ich wollte gerne wissen, ob das darin enthalten ist.

Es gibt auch Stimmen aus dem Bundestag zum Beispiel von Herrn Burkert, dem Chef des Verkehrsausschusses , die sagen, dass das Nutzen von Handys am Steuer mit Fahrverbot zu ahnden sei, wenn der Motor läuft. Ist das in dem Paket enthalten?

STRATER: Die Gaffer-Thematik ist meines Wissens dort nicht enthalten. Ich müsste aber noch einmal in die Verordnung schauen. Das hat mit der Rettungsgasse nichts zu tun. Die Nutzung von Handys in Kraftfahrzeugen ist bereits geregelt, und zwar, wenn ich mich recht erinnere, in § 23 StVO.

ZUSATZ DR. ZWEIGLER: Dort ist von einem Fahrverbot nur in mehrmaligen

STRATER: Es gibt Bußgelder. Sie bekommen einen Punkteeintrag, wenn Sie ein Mobiltelefon im Kraftfahrzeug benutzen. Das sind die geltenden Regelungen.

ZUSATZFRAGE DR. ZWEIGLER: Der Bundesverkehrsminister plant keine Verschärfung?

STRATER: Das ist mir im Moment nicht bekannt.

FRAGE JUNG: Frau Chebli, ich wollte zur Situation im Westjordanland kommen. Israels Trinkwasserversorgungsunternehmen Mekorot hat die Wasserversorgung für Zehntausende Palästinenser in der Westbank eingestellt. 56 Prozent der Menschen sind dort betroffen, die Siedler allerdings nicht. Wie reagiert die Bundesregierung darauf? Was fordern Sie von der israelischen Regierung?

CHEBLI: Ich kenne die Meldung nicht. Deswegen kann ich direkt auf das, was Sie gesagt haben, nicht antworten. Ich müsste mich erst einmal schlau machen. Aber generell gilt natürlich unsere Haltung zum Thema Israel/Palästina auch in dem Bereich.

Was die Frage der Siedlungspolitik angeht: Siedlungen sind kontraproduktiv, wenn es um die Zwei-Staaten-Lösung angeht. Wenn Sie sagen, dass Siedler nicht betroffen sind, dann können Sie das im Prinzip auch auf diese Frage beziehen. Lassen Sie mich erst einmal verifizieren, ob das stimmt, was Sie gesagt haben. Wenn es dazu eine Position gibt, können wir das nachliefern. Ich kenne die Meldung nicht. Deswegen kann ich dazu hier nichts sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Am Donnerstag hat die israelische Regierung fast hunderttausend Besuchserlaubnisse von Menschen in der Westbank eingezogen, nachdem ein Palästinenser in Tel Aviv vier Menschen umgebracht hat. Halten Sie diese Kollektivstrafen für angebracht?

CHEBLI: Herr Jung, es ist Ramadan. Ich habe mir eigentlich vorgenommen, dass ich, weil man als Moslem in diesem Monat ganz nett sein muss und auch sonst immer nett sein soll, mich nicht aufregen will. Ich kenne diese Meldung auch nicht. Sie bringen immer irgendwelche Geschichten, von denen es heißt, dass sie Fakt sind. Ich kenne sie nicht, und deswegen kann ich auch dazu jetzt nichts sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber Sie beobachten schon die Lage in Israel und Palästina?

CHEBLI: Wir beobachten die Lage in Israel und Palästina sehr genau. Wenn Sie gehört haben, dass Staatssekretär Ederer bei der Nahostkonferenz in Paris war, wo es vor allem darum ging, Bemühungen zu starten, den Friedensprozess wiederzubeleben, dann wissen Sie, dass das natürlich ganz oben auf der Tagesordnung steht. Aber wenn Sie mir einfach nur sagen „Die Israelis haben das und das gemacht“ und von mir verlangen, dass ich dazu Stellung beziehe, dann kann ich das nicht machen, wenn ich das nicht verifizieren kann.

FRAGE GEERS: Ich möchte noch einmal auf morgen zu sprechen kommen, Stichwort Treffen der Ministerpräsidenten der Länder. Ich würde gerne wissen, wie die Chancen in Sachen Einigung beim Länder-Finanzausgleich einzuschätzen sind. Ich weiß nicht, ob das das BMF beantworten kann oder Sie, Herr Seibert.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Die Frage ist sowohl am Freitag als auch am Montag hier gestellt worden. Ich kann nur darauf verweisen, dass es eine schwierige Gemengelage gibt und der Minister sich unlängst geäußert hat, dass er noch schwierigen Gesprächsbedarf sieht. Ansonsten geht man in das Gespräch morgen und wird dann sehen.

ZUSATZFRAGE GEERS: Das heißt, Vorgespräche laufen derzeit nicht auf irgendwelchen Ebenen?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Mir ist nichts dazu bekannt.

FRAGE: Ich hätte zwei Fragen an Herrn Seibert zu dem Gesetz zu sicheren Herkunftsstaaten.

Erste Frage: Man hört von den Grünen ja wirklich große Zweifel, und der Regierung droht am Freitag im Bundesrat im Grunde eine Niederlage. Wie groß ist aus Sicht der Bundesregierung im Moment die Chance auf eine Einigung?

Zweite Frage: Der Kanzleramtschef hat den skeptischen Grünen in den wichtigen Landesregierungen jetzt Gespräche angeboten; allerdings kommt dieses Angebot sehr spät er hat am Montag eine E-Mail geschrieben, in der er gebeten hat, die Entscheidung in den Landeskabinetten noch einmal aufzuschieben. Dieses Gesetz wurde von wichtigen Vertretern der Bundesregierung im Grunde schon seit Monaten als wichtig bezeichnet wichtiges Signal nach den Attacken in Köln usw. Warum versucht man dann erst in letzter Minute, skeptische Länder ins Boot zu holen, deren Zweifel ja früh absehbar waren?

STS SEIBERT: Zunächst einmal: Sie haben den Kanzleramtsminister ja wahrscheinlich gehört; er hat sich im „Morgenmagazin“ der ARD geäußert. Das alles hat noch Gültigkeit. Das heißt, die Gespräche laufen, und wir hoffen weiter, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmen wird. Weiter möchte ich hier nicht spekulieren, und ich möchte hier jetzt auch nicht auf die zeitlichen Abläufe eingehen. Wir hoffen weiter, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmen wird, das aus unserer Sicht gut begründet ist.

ZUSATZFRAGE: Die zeitlichen Abläufe sind in dieser Frage ja wirklich hochrelevant. Es gab wirklich schon vor Monaten entsprechende Hinweise, dass man bei den Grünen menschenrechtspolitische und verfassungsrechtliche Zweifel hat; es gab auch entsprechende Parteitagsbeschlüsse und Resolutionen. Wir wissen aber doch alle: Wenn man ein Gesetz durchbringen will, dann muss man sich früh darum kümmern. Erst jetzt, drei Tage vor der entscheidenden Bundesratssitzung, Gespräche anzubieten morgen trifft sich die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten , spricht nicht unbedingt für ein professionelles Eintakten eines Gesetzes, das der Bundesregierung sehr wichtig ist.

STS SEIBERT: Als erstes wäre dazu zu sagen: Das, was die Bundesregierung im Kabinett und anschließend auch der Deutsche Bundestag im Mai als Gesetz beschlossen hat, geht ja auf genau diese Aspekte verfassungsrechtliche und sonstige Aspekte sehr ausführlich ein. Die Bundesregierung hat die Gesprächsbereitschaft, das ist jetzt auch noch einmal klar geworden. Nun hoffen wir weiter, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmen wird. Ich möchte hier jetzt keine Bewertung abgeben; das steht Ihnen zu.

FRAGE WAGSTYL: Die letzten Nachrichten aus Großbritannien in der „Brexit“-Debatte haben die Finanzmärkte ein bisschen gestört, auch in Deutschland. Ist die Bundesregierung besorgt wegen der möglichen politischen und wirtschaftlichen Wirkungen eines möglichen „Brexits“?

STS SEIBERT: Sie wissen, dass die Bundesregierung den Verlauf der Börsenkurse hier grundsätzlich nicht kommentiert.

Die Haltung der Bundesregierung in der Frage des britischen Referendums ist unverändert Sie kennen sie, wir haben sie oft dargelegt : Wir wünschen uns Großbritannien als aktiven und engagierten Partner in der Europäischen Union. Darüber hinaus möchte ich mich jetzt nicht äußern.

FRAGE ULLRICH: Ich hätte trotzdem noch eine kleine Nachfrage: Gibt es im Kanzleramt, in der Bundesregierung Szenarien für die verschiedenen Möglichkeiten bzw. „In or out“-Entscheidungen in Großbritannien?

STS SEIBERT: Ich sehe wirklich keine Notwendigkeit, mich als Regierungssprecher an dieser Stelle zu möglichen hypothetischen Verläufen zu äußern. Das Referendum ist am 23. Juni; am Morgen des 24. Juni werden Europa und die Welt die Ergebnisse wissen, und dann wird man darauf zu reagieren haben.

Wo wir in dieser Sache als Bundesregierung stehen, ist, denke ich, absolut klar. Dem habe ich hier nichts hinzuzufügen.

FRAGE DR. DELFS: Frau von Tiesenhausen, der Finanzminister wurde, glaube ich, im März in London gefragt, was er im Falle eines „Brexits“ machen würde, und hat darauf geantwortet, er würde weinen. Wie ist denn die Stimmungslage des Finanzministers jetzt? Die Umfragen sehen ja eher danach aus, als ob er dann am Freitag nächster Woche tatsächlich weinen müsste.

Herr Seibert, würde sich die Bundeskanzlerin zu ähnlichen emotionalen Sätzen hinreißen lassen?

Für den Fall eines „Brexits“ ist ja immer von einer gemeinsamen Initiative die Rede, die dann auf europäischer Ebene anlaufen würde. Einmal ganz technisch gefragt: Ist damit eine Initiative der restlichen 27 EU-Staaten oder eine Initiative der Eurozonen-Länder gemeint?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Herr Delfs, das, was Sie da versuchen, ist ja schon fast humoristisch, aber generell kann ich nur sagen: Aussagen des Finanzministers haben unverändert Gültigkeit.

STS SEIBERT: Ich versuche es einmal anders, weil es keine Aussage der Kanzlerin in dieser Richtung gibt: Sie hat ich glaube, es war am 12. Februar bei der Matthiae-Mahlzeit in Hamburg eine Rede gehalten, in der sie sehr klar erklärt hat, warum wir als Bundesregierung uns wünschen, dass Großbritannien Teil der EU bleibt; sie hat in dieser Rede die positiven Gründe dafür angeführt und gesagt, was es ist, was Großbritannien dieser EU zu geben hat und worauf wir in Zukunft nicht verzichten möchten. Ich kann jedem empfehlen, diese Rede nachzulesen; denn das ist die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung. Aber trotz Ihres erneuten Versuches möchte ich mich hier nicht über hypothetische Szenarien nach dem Morgen des 24. Juni äußern; bitte haben Sie dafür Verständnis.

FRAGE JUNG: Gibt es ein Ministerium auf der Bank, das sagen kann, dass man sich für den Fall der Fälle, also für den „Brexit“, vorbereitet?

VORS. WEFERS: Möchte sich jemand dazu äußern? Sieht eher nicht so aus.

ZUSATZ JUNG: Das sagt ja auch etwas.

FRAGE: Herr Schäuble war, glaube ich, das einzige Regierungsmitglied, das in dieser Sache bis jetzt in Großbritannien war. Ist es ausgeschlossen auch angesichts der jetzt doch zunehmend dramatischen Umfragezahlen, zumindest aus Sicht von Brexit-Gegnern , dass doch noch ein Mitglied der Bundesregierung in dieser Sache in Großbritannien auftreten wird?

STS SEIBERT: Ich erinnere einmal an die Rede der Bundeskanzlerin vor dem britischen Parlament das ist schon eine Weile her, aber auch da war dies ja schon Thema , in der sie die Haltung der Bundesregierung zu einem Verbleib hoffentlichen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union dargelegt hat. Weitere Reisepläne kann ich Ihnen jetzt aktuell nicht nennen.

FRAGE HELLER: Ich habe eine Frage an das Bundeswirtschaftsministerium zur Kaufprämie für Elektroautos: Woran hängt es denn im Moment in der Diskussion mit Brüssel? Kommt durch diese Diskussion in Brüssel der ursprüngliche Plan, die Kaufprämie rückwirkend ab dem 18. Mai, also Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses, laufen zu lassen, durch diese Diskussion in Brüssel in Gefahr, muss man da terminlich etwas ändern?

DR. BRAAMS: Vielen Dank für die Frage. Vielleicht erlauben Sie mir noch ein paar Sätze zur Einordnung. Wie bekannt und wie Sie gesagt haben, hat das Kabinett am 18. Mai verschiedene Maßnahmen zur Steigerung der Elektromobilität verabschiedet, unter anderem eben den Vorschlag zur Kaufprämie. Aus unserer Sicht ist das ein ganz wichtiger Vorschlag, auch für die Zukunft des Automobilstandorts Deutschland, eben weil das Thema Digitalisierung da einen ganz wichtigen Rahmen einnimmt.

Derzeit laufen die Arbeiten an der Förderrichtlinie, die die notwendige Voraussetzung für die Auszahlung der Kaufprämie ist. Mit Veröffentlichung der Förderrichtlinie kann dann eine Kaufprämie beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, dem BAFA, beantragt werden. Derzeit laufen hierzu die notwendigen Gespräche mit der Europäischen Kommission. Diese laufen konstruktiv, und wir gehen davon aus, dass sie zeitnah abgeschlossen werden können.

ZUSATZFRAGE HELLER: Heißt das, dass das ursprünglich ins Auge gefasste Geltungsdatum der Kaufprämie jetzt revidiert wurde?

DR. BRAAMS: Auch dazu laufen die Gespräche. Die Gespräche mit der Kommission laufen über das Gesamtpaket, über die Förderrichtlinie als solche, und das Inkrafttreten ist eben Teil dieses Gesamtpakets. Insofern kann ich diese Frage jetzt schwer mit einem Ja oder Nein beantworten, aber auch dieses Datum und das Inkrafttreten sind Teil dieser Gespräche. Wie gesagt laufen diese Gespräche konstruktiv, und wir gehen davon aus, dass wir zeitnah zu einem Abschluss kommen.

FRAGE JUNG: Zu dem NATO-Beschluss, dass man vier ständig rotierende Kampfbataillone nach Osteuropa schickt: Herr Nannt, Sie blocken da ja immer ab, aber vielleicht kann Frau Chebli uns helfen; ich habe nämlich immer noch nicht verstanden, wie dieser Beschluss mit der NATO-Russland-Grundakte vereinbar ist.

CHEBLI: Ich kann ja einmal anfangen, und wenn irgendetwas fehlt, kann Herr Nannt das ergänzen.

Wenn man sich die Berichterstattung anschaut, dann merkt man, dass der Fokus doch sehr stark auf das Thema Verteidigungsbereitschaft und „deterrence“ gelegt wird. Das, was gestern bei dem Treffen vereinbart wurde, gehört zum Thema Verteidigungsbereitschaft, das ist richtig. Wir können ja nicht ignorieren, dass sich die sicherheitspolitische Lage in den letzten Jahren verändert hat; insofern musste es darauf eine Reaktion geben. Das Auswärtige Amt und Herr Steinmeier persönlich setzen sich im Rahmen der NATO aber wie kaum jemand anders dafür ein, dass die NATO-Grundphilosophie von „deterrence“ und „détente“, also Verteidigungs-bereitschaft einerseits, aber Dialog mit Russland andererseits niemals aufgegeben wird, sondern dass wir verstehen: Gemeinsame Sicherheit kann es nur mit Russland geben. Deswegen haben wir uns bzw. hat Herr Steinmeier sich im Dezember des letzten Jahres dafür eingesetzt, dass der NATO-Russland-Rat tagt, und deswegen setzen wir uns dafür ein, dass die Militärs miteinander sprechen. Deswegen ist es gut, dass im April das erste Treffen des NATO-Russland-Rats stattgefunden hat. Sie können uns schon abnehmen, wenn wir sagen, dass der Fokus auf keinen Fall auf das Thema Verteidigungsbereitschaft gelegt werden kann. Wenn man die Ausführungen von Herrn Stoltenberg liest und hört, dann sieht man, dass auch er der Meinung ist, dass alles, was wir beschließen, nicht gegen Russland gerichtet ist. Denn ich glaube, jedem muss klar sein: Wenn wir Sicherheit auf diesem Kontinent haben wollen, dann können wir das nicht gegen Russland machen; vielmehr können wir nur gemeinsam für die Sicherheit arbeiten. Das ist die Vorbemerkung, die ich angesichts der ganzen Berichterstattung gerne machen wollte.

Ansonsten zu dem, was Sie angesprochen haben: Es gab gestern ja auch eine Agenturmeldung der dpa zu einem möglichen NATO-Einsatz gegen ISIS. Ich möchte noch einmal klarstellen, dass vieles von dem, was in dieser Agenturmeldung stand, so nicht stimmt. Es gibt noch keine Beschlüsse darüber, dass die NATO gegen ISIS kämpfen soll, bzw. es gibt noch keinen konkreten Beschluss dazu. Es stimmt auch nicht, dass die NATO eine Mitgliedschaft in der Anti-ISIS-Koalition hat. Die Anti-ISIS-Koalition besteht aus 66 Staaten darunter auch zahlreiche NATO-Mitglieder , und wir sind nach wie vor der Meinung, dass es sinnvoll ist, dass es dabei bleibt und die NATO keine Mitgliedschaft in der Anti-ISIS-Koalition hat.

Das Dritte, was, glaube ich, auch noch wichtig ist: Es war auch zu lesen, dass die AWACS-Flieger der NATO im syrischen Raum unterwegs sein sollen. Auch das stimmt nicht. Wenn es überhaupt Überlegungen dazu gibt, dann sprechen wir über den türkischen und den internationalen Luftraum. Es wird also vieles durcheinandergebracht, wenn es darum geht, dass die NATO ihr Engagement sowohl im Osten als auch im Süden als Reaktion auf eine veränderte sicherheitspolitische Lage erweitert.

Für uns ist jedenfalls wichtig das sagen wir immer wieder, und ich hoffe, Sie nehmen uns das auch ab , dass sich Herr Steinmeier mit voller Kraft und Vehemenz dafür einsetzt, dass neben diesem Verteidigungspart auch immer der Dialogpart mit Russland eine Rolle spielt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Entschuldigung, aber das waren jetzt drei Antworten auf Fragen, die ich gar nicht gestellt habe. Die Frage war: Wie ist diese sogenannte dauerhafte Rotation mit der Russland-NATO-Grundakte vereinbar? Darin steht ja, dass NATO-Truppen keine dauerhafte Präsenz im Osten haben sollen; aber eine dauerhafte Rotation ist ja so etwas wie bei Ihnen als Regierungssprecher: Sie wechseln sich auch ständig ab, aber trotzdem ist das Verteidigungsministerium ständig da und ist das Auswärtige Amt ständig da. Das ist doch eine ständige Präsenz?

CHEBLI: An der Grundakte wird nicht gerüttelt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Dann können Sie da doch keine dauerhafte Rotation einführen?

CHEBLI: Und ich dachte eigentlich, mit dem, was ich Ihnen gesagt habe, hätten Sie die Antwort darauf; denn eigentlich war das eine sehr klarte Antwort auf das was Sie gesagt haben. Der Vorwurf, den Sie machen, ist ja, dass wir die NATO-Philosophie und die NATO-Grundakte mit dem, was beschlossen wird, aufgeben würden. Das ist nicht so; keiner gibt die NATO-Grundakte auf, sie besteht und sie wird weiterhin bestehen. Die Maßnahmen, die getroffen wurden, waren eine Reaktion auf veränderte sicherheitspolitische Herausforderungen, das habe ich Ihnen gesagt. Keiner hat ein Interesse daran, dass das, was da passiert, gegen Russland gerichtet ist. Es ist eher ein Engagement für die osteuropäischen Staaten, und wir fühlen uns in der Verantwortung, diesem Engagement nachzugehen.

NANNT: Ich kann das letztendlich nur verstärken: Es geht eben nicht um die dauerhafte Stationierung von substanziellen Kampftruppen. Das, was wir dort jetzt machen, ist ein ganz klares Zeichen der Solidarität. Von dieser Solidarität haben wir als Deutsche auch über Jahrzehnte gelebt. Genauso gibt es jetzt die Perzeption, dass wir sagen müssen: Okay, wir haben das Bedürfnis, dort auf rotierender Basis Truppen zu haben, und diesem Bedürfnis kommen wir nach. Ich finde schon, dass das ein wichtiges Signal und auch ein wichtiges Zeichen der Solidarität innerhalb der NATO ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe gefragt, warum das vereinbar ist, und Sie sagen einfach: Ja, es ist vereinbar. Die Gründe können Sie aber gar nicht nennen. Eine Rotation ist doch das Gleiche wie „ständig da sein“?

NANNT: Eine Rotation ist nicht das Gleiche wie „ständig da sein“, sonst wäre es das gleiche Wort.

STS SEIBERT: Sonst hätte man ja wahrscheinlich in der NATO-Russland-Grundakte nicht von einer „dauerhaften Stationierung“ gesprochen, wenn es das Gleiche wäre. Man hat bewusst das Wort „dauerhaft“ gewählt. Nun ist es eine Rotation, eine defensive, maßvolle, transparente Maßnahme. Im Übrigen geht es um Truppenpräsenzen, die unter den Größenordnungen liegt, die die Definition des Begriffs der „wesentlichen Kampfgruppen“, wie ihn Russland selber Ende der 90er-Jahre vorgeschlagen hat. Da war die Rede von Brigaden, jetzt reden wir von Bataillonen. Das sind die Gründe.

VORS. WEFERS: Ich möchte noch Frau Dr. Müller-Niese das Wort geben, die sich heute von uns verabschieden will. Bitte schön.

DR. MÜLLER-NIESE: Danke schön. Ja, ich möchte mich heute verabschieden, denn ich werde nächsten Monat in die Ständige Vertretung nach Brüssel wechseln. Ich möchte mich bei Ihnen für die sehr intensive Zeit bedanken. Ich denke einmal, mit vielen von Ihnen habe ich über verschiedene Themen telefoniert gerade über die Themen Sicherheit und Terrorismusgefahr.

Vor zweieinhalb Jahren wurde ich hier von Herrn Paris vorgestellt, der leider vor zehn Tagen gestorben ist und heute beerdigt wurde. Es ist also ein wirklich trauriger Tag heute, und leider verabschiede ich mich auch genau diesem Tag dem soll nun aber leider so sein.

Mein Eindruck von der BPK ist, dass es eine wirklich sehr wichtige Institution ist, die aber von beiden Seiten mit sehr viel Respekt behandelt werden muss ich denke, daran mangelt es manchmal. Es hat sich in den zweieinhalb Jahren sehr viel verändert; ich habe eher das Gefühl, hier fünf oder zehn Jahre verbracht zu haben. Ich habe an dem Tag der Hausdurchsuchung bei Herrn Edathy angefangen; dann war Sotschi, dann war die Ukraine, dann waren Flüchtlinge Thema. Es ist in den zweieinhalb Jahren also so viel passiert, dass man das eigentlich gar nicht in Worte fassen kann. Es gibt heute eine unglaubliche Schnelllebigkeit der Themen sie kommen, sie gehen, und die Durchlaufzeit ist sehr kurz geworden. Auf Ihrer Seite besteht ein so großes Bedürfnis nach dem Erhaschen von Zahlen und Ziffern, das mich das immer wieder überrascht eigentlich geht es ja eher um die Phänomene oder um die Gefahr an sich, aber nicht immer darum, ob die eine Zahl größer oder kleiner ist; aber sie sind wohl sehr wichtig.

Ich habe viel gelernt, es war sehr intensiv. Ich bedanke mich dafür, freue mich jetzt aber auch auf eine neue Verwendung für das BMI. Danke schön!

VORS. WEFERS: Frau Dr. Müller-Niese, ich wünsche Ihnen alles Gute für die neue Aufgabe. Ich glaube, ich spreche manchen Kollegen oder sogar vielen Kollegen sicherlich aus dem Herzen, wenn ich sage, dass sich auch für uns die Welt immer schneller dreht und dass das auch für uns nicht immer einfach ist.

DR. MÜLLER-NIESE: Das glaube ich.

VORS. WEFERS: Wir erhöhen auch sicherlich nicht die Umdrehungsgeschwindigkeit, um Ihnen das Leben schwerer zu machen; ich glaube, das ist für alle eine schwierigere Zeit mit wirklich vielen Dingen, die sich ereignen. Alles Gute!

DR. MÜLLER-NIESE: Danke schön!

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