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Bundesregierung für Desinteressierte: Komplette BPK vom 23. Dezember 2016

Dinge im Fluss ► BPK vom 23. Dezember 2016

Themen: Erschießung des mutmaßlichen Tatverdächtigen für den Anschlag in Berlin durch die italienische Polizei, Vereinbarung einer Waffenruhe in der Ostukraine zum Weihnachtsfest, Medienberichte über die Entsendung eines Bundeswehroffiziers nach Bagdad, Genehmigung des Exports von Transportpanzern des Typs „Boxer“ nach Litauen, Gesundheitszustand des Bundeswirtschaftsministers, Netzentgeltmodernisierungsgesetz

Heute ohne naive Fragen.

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 23. Dezember 2016:

FRAGE JORDANS: Frau Demmer, gibt es schon eine erste Reaktion der Bundesregierung auf die Erschießung von Amri? Wann wurde sie von den italienischen Behörden darüber informiert?

SRS’IN DEMMER: Ich möchte Sie um etwas Geduld bitten. Die Dinge sind im Fluss. Die Bundesregierung steht in engem Kontakt mit Italien. Ich bitte um etwas Geduld.

DR. PLATE: Ich will nur insoweit ergänzen, Ihnen all das zu sagen, was ich vonseiten des Bundesinnenministeriums hierzu im Moment schon sagen kann.

Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir noch keine regierungsamtliche Bestätigung italienischer Stellen übersandt bekommen, die uns schriftlich vorläge. Aber dem Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes in Rom ist von den italienischen Behörden mitgeteilt worden, dass derjenige, den wir mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Täter des Berliner Anschlages halten, dort tatsächlich erschossen und auch zweifelsfrei als derjenige identifiziert worden sei.

Das ist noch keine regierungsamtliche Bestätigung von unserer Seite. Dafür muss ich noch um ein bisschen Geduld bitten genau wie Frau Demmer. Aber die Anzeichen verdichten sich, dass es sich tatsächlich um diese Person zu handeln scheint. Sollte sich das als zutreffend herausstellen, ist das Bundesinnenministerium jedenfalls erleichtert, dass von dieser Person eine Gefährdung nicht mehr ausgeht.

DR. SCHÄFER: Ich würde nur gern sagen wollen, dass wir den italienischen Behörden für den sehr engen und sehr vertrauensvollen Informationsaustausch, den es im Laufe des Vormittages gegeben hat, sehr dankbar sind. Nicht nur der wie Herr Plate es gerade ausgeführt hat polizeiliche Verbindungsbeamte in unserer Botschaft, sondern auch unsere Kollegen am Generalkonsulat in Mailand wurden sehr früh und sehr vertrauensvoll unterrichtet und eingeweiht in das, was dort im Laufe des Vormittags geschehen ist. Unter anderem gab es direkte Kontakte des amtierenden Generalkonsuls mit dem zuständigen Polizeipräfekten. Auch dafür sind wir den italienischen Behörden sehr dankbar.

FRAGE QUADBECK: Ich habe eine Frage an das Innenministerium. Angesichts dessen, dass Amri bis Mailand gekommen ist, und vor dem Hintergrund, dass offensichtlich in einem Einkaufszentrum in Oberhausen ein Anschlag verhindert worden ist, wüsste ich gern: Denken Sie darüber nach, noch engmaschigere Grenzkontrollen durchzuführen, mehr Schleierfahndung? Gibt es dazu Pläne?

DR. PLATE: Zu der Frage, was für Sicherheitsmaßnahmen insbesondere nach dem Anschlag in Berlin ergriffen worden sind oder noch weiter ergriffen werden, kann ich aus operativen Gründen im Moment keine Detailangaben machen, weil das deren Effektivität potenziell gefährden könnte. Insofern bitte ich an dieser Stelle um Nachsicht. Ich verstehe das Interesse, aber wenn ich Ihnen jetzt sagen würde, dass an diesem oder jenem Grenzübergang stärker kontrolliert würde, ergäbe sich daraus, dass an anderen nicht stärker kontrolliert würde. Eine solche Anleitung dafür bitte ich um Nachsicht kann ich hier nicht geben.

Zu der anderen Frage, was Reisewege und die konkrete Personalie angeht, bitte ich auch um Nachsicht. Das ist Teil der laufenden Ermittlung des Generalbundesanwalts, sodass Sie mir Detailangaben zu diesen Dingen heute nicht entlocken können werden. Dafür bitte ich auch um Verständnis.

ZUSATZFRAGE QUADBECK: Wenn Sie sagen, dass Sie sich nicht detailliert äußern wollen, welche Grenzübergänge möglicherweise stärker kontrolliert werden, können Sie dann sagen, ob Sie das, was Grenzkontrollen oder auch Schleierfahndung im Grenzraum überhaupt angeht, in den vergangenen Tagen noch einmal verstärkt haben?

DR. PLATE: Gehen Sie bitte ganz generell davon aus, dass alle Behörden in Bund und Ländern, auch wenn ich konkret nur für den Bund sprechen kann, nach solchen Anschlägen, wie es hier der Fall war, alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen noch einmal durchgehen und sozusagen jeden Stein umdrehen, um zu schauen, was man verstärken kann und robuster machen muss. Manche Dinge davon sind sichtbar geworden, andere nicht. Das liegt in der Natur dieser Maßnahmen. Natürlich sind ganz allgemein die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden. Das hat, denke ich, der Minister selber schon gesagt; das kann auch ich gern noch einmal bestätigen.

FRAGE JOLKVER: Herr Dimroth, es gab Berichte, wonach der Tatverdächtige wenige Stunden nach dem Attentat an der Berliner Moschee in der Perleberger Straße gefilmt, observiert wurde. Treffen diese Berichte zu, und können Sie Näheres darüber sagen, warum dort, wenn es zutrifft, nichts unternommen wurde?

DR. PLATE: Dafür gilt das Gleiche, wie für die Teilfrage der Kollegin: Das alles ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Dazu kann ich hier keine Angaben machen.

FRAGE DECKER: Herr Plate, dann gehen wir vielleicht einen Schritt zurück zu den Ereignissen der letzten Tage, Wochen und Monate. Die Frage, die sich gestern viele Menschen gestellt haben, war, wo die Schwachstelle war, warum Anis Amri so lange auf freiem Fuß bleiben konnte, obwohl er eine lange kriminelle Karriere hatte und viele Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass er auch terroristisch aktiv werden könnte. Sehen Sie im Verlauf der letzten fünf Jahre, in denen sich Herr Amri überwiegend in Deutschland aufgehalten hat, Schwachstellen, und wenn ja, welche sind das?

DR. PLATE: Für solche Bewertungen ich bitte um Nachsicht ist es jetzt wirklich noch viel zu früh. Die Ermittlungen laufen ja noch. Natürlich gehört es zum Standard polizeilicher, aber auch politischer Arbeit, dass man nach solchen Ereignissen, wie wir sie in Berlin mit diesem schrecklichen Anschlag erleben mussten, natürlich jeden Stein noch einmal umdreht nicht nur Sie, sondern auch wir , um zu sehen, wo man gegebenenfalls in Zukunft Dinge noch besser machen kann. Das ist gar keine Frage. Auch wenn der Minister gesagt hat, dass es für Konsequenzen, insbesondere dafür, sie öffentlich zu verkünden, angesichts der Tatsache, dass, soweit ich es weiß, die Toten noch nicht einmal beerdigt sind, jetzt noch zu früh ist, heißt das aber nicht, dass es ganz grundsätzlich keine Konsequenzen geben wird. Das wird von den Erkenntnissen abhängen, die wir aus den sehr sorgfältig erarbeiteten Ermittlungsergebnissen der Behörden bekommen, die hervorragende Arbeit leisten. Natürlich werden die Erkenntnisse, die wir bekommen auch benutzt, um zu schauen, ob man Dinge noch besser machen kann.

Ich möchte vielleicht auf Folgendes verweisen: Wenn Sie an den Sommer zurückdenken und sich an die Dinge erinnern, die damals passiert sind München, Reutlingen, Ansbach, Würzburg , dann haben Sie gesehen, dass dann mit einem gewissen Zeitabstand der Minister am 11. August mit Vorschlägen an die Presse gegangen ist, die zum Teil schon umgesetzt sind und sich zum Teil noch in der Umsetzungsphase befinden. Daran sehen Sie, dass das keine Lippenbekenntnisse sind. Auch diesen Fall werden wir uns selbstverständlich sehr genau anschauen und dann mit dem gebotenen Abstand und mit der gebotenen Sorgfalt, aber dennoch zügig vielleicht auch neue Vorschläge machen. Das wird davon abhängen, welche Erkenntnisse wir gewinnen.

FRAGE MÜLLER-THUM: Ich bin am Anfang zwischen Frau Demmer, Herrn Plate und Herrn Schäfer, glaube ich, nicht ganz mitgekommen, wer in Deutschland aus Italien jetzt schon offiziell unterrichtet wurde und wer noch nicht. Können Sie das noch einmal aufklären? Bei Herrn Schäfer hörte es sich mehr so an, als habe es eine offizielle Unterrichtung gegeben.

An Herrn Plate die zweite Frage: Hat es Sie völlig überrascht, dass der Verdächtige in Italien aufgetaucht ist, oder hatten Sie irgendwelche Hinweise darauf, dass das eine mögliche Reiseroute sein könnte? Hatten Sie irgendwelche Hinweise darauf, in welche Richtung er unterwegs ist oder wo er sich aufhält?

DR. PLATE: Vielleicht beginne ich, weil sich, denke ich, zwei Teilfragen an mich richten.

Die Information, die wir haben, ist eine des BKA-Verbindungsbeamten in Rom, der durch die dortigen Stellen unterrichtet worden ist und dann das BMI unterrichtet hat.

Zur zweiten Frage, der der Überraschung: Ich verstehe das Interesse auch daran. Aber um diese Frage sinnvoll zu beantworten, müsste ich, ehrlich gesagt, Zwischenergebnisse der laufenden Ermittlungen, die im Übrigen nicht das BMI führt, sondern der Generalbundesanwalt, aufdecken, welche Erkenntnisse über Reisewege und ähnliche Dinge dort vorlagen. Das kann ich nicht tun. Dafür bitte ich um Verständnis.

DR. SCHÄFER: Vielleicht noch von meiner Seite aus: Ich kann genauso wenig wie Frau Demmer und Herr Plate jetzt hier regierungsamtlich den Tod von Herrn Amri bestätigen. Das tun die italienischen Behörden, wenn sie das denn können. Das haben sie ja auch schon getan. Denn dort sind die Ereignisse geschehen, und dort fallen die entsprechenden Informationen an.

Mir ging es darum, von meiner Seite aus den italienischen Behörden dafür zu danken, dass es von Anfang an diesen engen, vertrauensvollen und sehr nützlichen Informationsaustausch auch mit den zuständigen deutschen Auslandsvertretungen gegeben hat in Rom wie in Mailand.

SRS’IN DEMMER: Ich kann auch noch einmal bestätigen, dass die Bundesregierung in engem Austausch mit Italien steht. Eine regierungsamtliche Bestätigung steht aber noch aus. Der Generalbundesanwalt hat es noch nicht bestätigt.

FRAGE LEIFERT: Herr Schäfer und Herr Plate, ist das derselbe Verbindungsbeamte? Wenn Sie, Herr Schäfer, von der guten Zusammenarbeit der Behörden oder auch des Bundes mit der Vertretung in Italien sprechen, ist das derselbe Verbindungsbeamte, oder reden Sie von verschiedenen Stellen?

DR. SCHÄFER: So ist es. Es gibt an vielen deutschen Auslandsvertretungen, so auch in Rom, Angehörige der deutschen Polizei. Das sind nicht immer, aber meistens Beamte des Bundeskriminalamtes, die an einer Botschaft im Ausland Dienst tun, um den polizeilichen Geschäftsverkehr zwischen beiden Staaten, zwischen Deutschland und dem Gastland, zu führen und zu koordinieren.

Ich sprach darüber, dass es an unserem örtlich zuständigen Generalkonsulat in Mailand im Laufe des Vormittags Kontakte von Kollegen von mir, darunter der amtierende Generalkonsul, also nicht von einem Polizisten mit dem zuständigen Polizeipräfekten der Region oder der Stadt Mailand gegeben hat.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Wenn ich daran noch eine Frage anschließen darf: Herr Plate, ist dieser Verbindungsbeamte aufgrund der aktuellen Lage dorthin entsandt worden, oder haben Sie solche Verbindungsbeamte so interpretiere ich Sie, Herr Schäfer in allen Botschaften in Europa? Ist er sozusagen schon dort gewesen?

DR. PLATE: Ob in allen, das müsste ich klären. Aber das ist tatsächlich relativ verbreiteter Standard: In Staaten die in der polizeilichen Zusammenarbeit wichtig für die Bundesrepublik Deutschland sind, haben wir solche Verbindungsbeamte. Häufig gibt es einen BKA-Verbindungsbeamten und einen sogenannten GVB, einen grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten von der Bundespolizei. Ich kann jetzt, ehrlich gesagt, nicht sozusagen aus der Tasche für alle 28 Mitgliedsstaaten sagen, ob es überall beides gibt. Aber er ist nicht extra entsandt worden.

FRAGE TUYALA: Ich möchte etwas weiter zurückgehen. Können Sie den Menschen erklären, warum die Duldungsbescheinigungen des Täters derartig spät gefunden wurden? Die Frage geht an das Innenministerium.

DR. PLATE: Dafür gilt das Gleiche wie für die anderen Fragen, die sich auf Details der Ermittlungsarbeit beziehen. Offenbar scheinen Sie über Informationen zu verfügen, wann, zu welcher Uhrzeit, das gefunden worden ist. Über solche Informationen verfüge ich nicht. Aber ich will sagen: Dafür gilt das Gleiche. Das alles sind Dinge, die gerade Teil eines laufenden Ermittlungsverfahrens sind, das nicht das BMI führt, sondern der Generalbundesanwalt. Sie müssten sich mit Ihrer Frage dorthin wenden, auch wenn ich gewisse Zweifel habe, dass zum jetzigen Zeitpunkt von dort eine Antwort zu erwarten ist.

ZUSATZFRAGE TUYALA: Dann würde ich gern eine zweite Frage anschließen. Das kommt ja nicht von uns, sondern es stand, wenn ich richtig informiert bin, sogar im „SPIEGEL“ und in der „WELT“, dass Bundesinnenminister de Maizière sagte, die Papiere seien mindestens zwölf Stunden nach der Tat entdeckt worden. Darauf zielte meine Frage ab. Der PEGIDA-Frontmann Lutz Bachmann twitterte bereits zwei Stunden nach der Tat, dass nach einem Tunesier gefahndet werde. Die Menschen sind natürlich erstaunt, wie diese Diskrepanz zustande kommt.

DR. PLATE: Die beiden nachgeschobenen Fragen ändern aus meiner Sicht das Gepräge der Gesamtfrage, auf die ich schon geantwortet habe, nicht. Deswegen habe ich dem nichts hinzuzufügen.

FRAGE JORDANS: Auch meine Frage geht an Herrn Plate. Der italienische Innenminister hat verkündet, dass es sich bei dem Erschossenen ohne Zweifel um Herrn Amri handelt. Welche Informationen haben deutsche Behörden an ihre europäischen Kollegen geschickt, die solch eine Identifizierung schnell zulassen würden?

Was würde aus deutscher Sicht eine zweifelsfreie Identifizierung erlauben? Fingerabdrücke? DNA?

DR. PLATE: Wie deutsche Behörden es in diesem konkreten Fall erfahren haben, habe ich schon berichtet.

Ich weiß nicht, ob die andere Frage war, wie er identifiziert worden ist. Das müsste man die italienischen Stellen fragen. Aber eine Identifizierung über Fingerabdrücke wäre sicherlich ein Verfahren, das ein Ergebnis, das keine ernsthaften Zweifel mehr zulässt, begünstigen würde.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Wurden die Fingerabdrücke mit dem Fahndungsaufruf am Mittwoch an alle europäischen Behörden verschickt?

DR. PLATE: Der Fahndungsaufruf ging vom GBA heraus. Insofern müssten Sie diese Frage an den GBA richten, nicht an das Bundesinnenministerium.

FRAGE: Eine Frage an Herrn Plate: Können Sie uns die aktuellen Zahlen geben, quasi mit Stand von heute, wie viele islamistische Gefährder von den Behörden in Deutschland beobachtet werden? Vielleicht können Sie etwas dazu sagen, wie viele davon sich tatsächlich auf freiem Fuß in Deutschland befinden, also weder im Gefängnis noch im Ausland sind.

Eine zweite Frage: Aus NRW wurde bestätigt, dass sich der mutmaßliche Täter von Montag auf dieser Gefährderliste befunden hat. Bestätigen Sie als BMI das auch?

DR. PLATE: Vielleicht fange ich mit dem Letzten an. Ich bestätige das nicht, weil Dinge, die die Personalie Amri betreffen, der Tatverdächtiger und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Täter ist, Dinge sind, die Gegenstand der laufenden Ermittlungen sind.

Ich will Sie mit solchen Wiederholungen nicht quälen. Aber wenn die Frage immer wieder kommt, bleibt mir nichts anderes übrig. Deswegen kann ich zu Dingen, die diese Personalie betreffen, keine konkreten Angaben machen.

Hinsichtlich der Frage, wie viele Gefährder Ich habe das irgendwo dabei, weiß aber nicht, ob ich es jetzt sofort finde. Die Gefährderzahl liegt jedenfalls bei knapp unter 550 in Deutschland plus eine Zahl von relevanten Personen von über 300. Aber ich würde fast vorschlagen, um Ihre Geduld nicht überzustrapazieren, dass ich es gleich heraussuche und Herrn Mayntz ein Zeichen gebe, wenn ich das Blatt gefunden habe, auf dem all das und auch, wie viele davon in Haft sind, steht.

FRAGE JOLKVER: Ich habe eine Frage an das Bundesjustizministerium. Gibt es im Moment eine rechtliche Basis, auf der Herr Amri hätte in Abschiebehaft genommen und dort gelassen werden können?

DR. PLATE: Das liegt ebenfalls in meiner Zuständigkeit. Abschiebehaft ist sozusagen kein justizieller Bereich, sondern es gehört in den Bereich des Migrationsrechts, konkret des Aufenthaltsgesetzes.

Aber auch jetzt bitte ich wieder um Nachsicht: Das sind Fragen, die sich auf den ganz konkreten Sachverhalt beziehen, der Teil der gegenwärtigen Ermittlungen ist. Insofern können Sie von mir zum jetzigen Zeitpunkt, ehrlich gesagt, keine Antwort auf die Frage, ob er hätte in Haft genommen werden können oder nicht, verlangen, ohne dass ich in die Details der Ermittlungsarbeit hineinginge. Denn das betrifft ja auch die Frage, was über ihn vorlag, und ähnliche Dinge. Das ist dafür ja nicht ganz unwichtig.

Ich kann aber die Gelegenheit nutzen, die vorige Frage zu beantworten: Von den knapp 550 Gefährdern, die bei uns geführt werden, ist knapp die Hälfte in Deutschland. Gut 80 davon sind in Haft.

Weiter gibt es einen Kreis von deutlich über 350 relevanten Personen. Ich habe das hier schon öfter definiert und will es jetzt nicht wiederholen. Das sind Personen, bei denen die Hinweise nicht so verdichtet sind, dass sie als Gefährder eingestuft werden, die aber zum Beispiel mit solchen Gefährdern in Kontakt stehen.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Dann stelle ich die Frage anders. Wer darf in Abschiebehaft genommen werden?

DR. PLATE: Ich kann Ihnen gern die Vorschrift zur Abschiebehaft vorlesen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas bringt, oder ob Sie sie vielleicht selber nachlesen wollen.

Die Abschiebehaft zur Sicherung der Abschiebung hat auf richterliche Anordnung zu geschehen. Das ist § 62 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz. Die erste Voraussetzung ist natürlich, dass der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig ist. Es muss eine Abschiebeanordnung nach § 58a ergangen sein, ohne dass sie unmittelbar vollzogen werden kann. Die Ausreisefrist muss abgelaufen sein und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt haben, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Er muss aus von ihm zu vertretenden Gründen bei einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht angetroffen worden sein, sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen haben, oder das sind alles Alternativen im Einzelfall müssen Gründe vorliegen, dass man ich fasse das etwas kürzer zusammen von Fluchtgefahr ausgehen kann. Das sind die rechtlichen Voraussetzungen der Abschiebehaft nach § 62 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes.

FRAGE ZIEDLER: Ich habe zwei Fragen. Die erste bezieht sich auf den Austausch mit den italienischen Behörden. Gab es möglicherweise schon vor heute Vormittag Hinweise darauf, dass Amris wenn man so sagen will Herkunftsland auch sein Zielland sein könnte? Ich gebe zu, die Frage hat auch mit dem konkreten Fall zu tun.

DR. PLATE: Die Frage wurde hier auch schon gestellt.

ZUSATZFRAGE ZIEDLER: Die zweite Frage bezieht sich darauf, dass wir gehört haben, dass Amri von März bis September auf richterlichen Beschluss hin überwacht und abgehört wurde. Herr Jäger aus Nordrhein-Westfalen hat ja gesagt, dass im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum im November die Person Thema war. Meine Frage geht dahin: War er Thema, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits vom Radar verschwunden war? Oder ging es um eine andere Sache? Die Frage ist nicht ganz unerheblich, warum er im November Thema im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum war.

DR. PLATE: Ja, aber auch auf die Gefahr hin, Sie zu langweilen. Die erste Frage wurde genau so von Frau Müller-Thum gestellt. Die Antwort habe ich gegeben.

Die zweite Frage: Das betrifft alles laufende Ermittlungen. Dazu kann ich keine Angaben machen.

FRAGE HARTWIG: Herr Plate, Sie haben ja gerade gesagt, falls sich aus diesem Fall konkrete Konsequenzen ergäben, seien sie in gebotenem Abstand, aber zügig zu fassen. Können Sie da einen denkbaren Zeitrahmen nennen? Ist denn sichergestellt, dass trotz der Feiertagssituation der Parlamentspause bis Mitte Januar gegebenenfalls zügig implementiert werden kann, falls es legislative Maßnahmen sind, falls es exekutive Maßnahmen sind?

DR. PLATE: Ja. Was die erste Frage betrifft, so ist es jetzt ein bisschen schwierig, ein ganz genaues Zeitfenster zu nennen. Ich habe gerade gesagt und bleibe auch dabei, dass man das analysieren muss.

Ich denke einmal: Wenn Sie schauen, wie lange das im Sommer gedauert hat, dann könnte das eine Größenordnung sein. Gehen Sie einmal davon aus, dass ganz konkrete neue Vorschläge jetzt nicht mehr in diesem Jahr kommen. Denn man muss sich schon anschauen: Das Jahr geht zu Ende. Man muss das mit der gebotenen Sorgfalt trotz allem Bedürfnis nach Schnelligkeit tun. Aber ich gehe nicht davon aus, dass im neuen Jahr noch sehr viel Zeit ins Land gehen wird, bevor Vorschläge aus unserem Haus kommen, so sie denn im Lichte der Erkenntnisse für notwendig gehalten werden.

Die zweite Frage war, glaube ich, nach dem Motto: Ist das BMI zwischen den Jahren arbeitsfähig? Die Antwort ist: Ja.

FRAGE JESSEN: Herr Plate, erstens: Entspricht es Ihrem Kenntnisstand, dass Herr Amri über Frankreich nach Italien gelangt ist? Zum Zweiten: Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse darüber, ob er in Form eines Netzwerkes oder anderer Kontakte möglicherweise mit dem Brüderpaar in Oberhausen verbunden war oder ob er etwas zu tun hatte mit anderen Plänen über mögliche Anschläge, über die Sie erfahren haben?

Zum Dritten, wenn ich darf: Die Mutter von Herrn Amri hat offenbar in einem Interview mit der „Deutschen Welle“ den deutschen Behörden eine Art Mitschuld gegeben. Sie hat gesagt: Warum haben sie ihn nicht vorher festgesetzt? – Wie berührt Sie das, wenn von einer Mutter eine solche Mitschuld gegeben wird?

DR. PLATE: Zunächst zu dem ersten Fragekomplex, der auf die Sachfragen anspielt: Da gilt das Gleiche, was ich vorher zu den anderen Sachen auch gesagt habe. Es sind alles Dinge, die Gegenstand der laufenden Ermittlungen sind. Dazu sage ich in diesem Moment jedenfalls nichts.

Zu der zweiten Frage: Ich weiß jetzt nicht genau, inwieweit das maßgeblich ist, ob das eine Person, die zugleich das Amt eines Sprechers des Bundesinnenministeriums ausfüllt, berührt oder nicht. Natürlich berührt das dies vorweggeschickt. Das ist gar keine Frage.

Aber die Frage, ob eine Mitschuld besteht, ob es Fehler gegeben hat, ob Dinge künftig besser gemacht werden müssen, muss bei aller Berührung trotzdem mit kühlem Kopf, einem gewissen Abstand und der nötigen Sorgfalt beantwortet werden.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Und das bedeutet in diesem Fall, Sie würden sich die Vorwürfe, die in dem Interview der Mutter stecken, nicht zu Eigen machen?

DR. PLATE: Ich kenne das Interview jetzt nicht in allen Einzelheiten. Ich habe darüber gelesen. Fest steht jedenfalls, dass es jetzt, bevor die Ermittlungen abgeschlossen sind, aus meiner Sicht für Vorwürfe an wen auch immer noch zu früh ist. Natürlich müssen solche gewichtigen Vorfälle am Ende genau angeschaut werden, ob man aus ihnen etwas lernen kann. Das ist aber eine Selbstverständlichkeit. Dann werden wir auch sehen, ob Dinge vielleicht in Zukunft besser gemacht werden können und wenn ja, durch welche Stellen.

FRAGE DR. KAIN: Herr Plate, beschäftigen Sie sich im Ministerium eigentlich auch mit der Möglichkeit der Einführung einer zeitlich unbefristeten Abschiebehaft?

DR. PLATE: Ich frage mich gerade, wie ich auf diese Frage antworten soll. Also ein solcher Vorschlag ist mir nicht bekannt. Ich kann auch nicht erkennen, dass ein Vorschlag einer zeitlich unbefristeten Abschiebehaft mit unserer Verfassung vereinbar wäre.

FRAGE MÜLLER-THUM: Herr Plate, Sie haben jetzt schon mehrfach auf den GBA verwiesen. Wird da auch die weitere Öffentlichkeitsarbeit liegen? Hat der Minister eventuell vor, sich heute auch noch einmal zu dem Fall zu äußern?

DR. PLATE: Ich gehe davon aus, dass der Minister sich heute jedenfalls politisch sozusagen noch zu diesem Fall äußern wird. Sie werden dazu auf den üblichen Wegen eingeladen, wenn es so kommt. Aber ich halte es für sehr wahrscheinlich.

FRAGE LEIFERT: Herr Plate, im Umfeld des Innenausschusses am vergangenen Mittwoch sind einige politische Vorschläge, auch gesetzgeberische Maßnahmen, angesprochen worden. Die Abschiebehaft ist genannt worden. In dieser Diskussion tauchte auch das Stichwort Fußfesseln auf. Können Sie mir darlegen, welche Sicherheit von so einer Maßnahme ausgeht?

DR. PLATE: Wenn ich das richtig verstanden habe, dann bezieht sich diese Frage nur auf das Thema Fußfesseln.

ZUSATZ LEIFERT: Ja.

DR. PLATE: Einen solchen neuen Vorschlag des BMI gibt es nicht. Insofern sehe ich mich jetzt, ehrlich gesagt, auch nicht gehalten, einen Vorschlag, der gar nicht vom BMI kommt, zu kommentieren. Wir haben so etwas jedenfalls nicht auf den Tisch gelegt. Vielleicht meinen Sie aber auch einen Gesetzentwurf des BMJV, in dem das Thema Fußfessel sowieso schon eine Rolle spielt. Er ist nach meinem Kenntnisstand schon durchs Kabinett gegangen. Dazu würde ich Sie bitten, wenn Sie Fragen dazu haben, vielleicht den Kollegen zu meiner Linken anzusprechen.

ZUSATZ LEIFERT: Ja, bitte.

MALACHOWSKI: In der Tat gibt es, wie Herr Plate sagt, einen Entwurf des Bundesjustizministeriums zum Thema Fußfesseln; so nenne ich es jetzt salopp. Da geht es aber darum, inwiefern nach verbüßter Haft eine elektronische Aufenthaltsüberwachung angewandt werden kann.

Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, meinten Sie das eher präventiv, also im Vorfeld einer Haft. Dazu gibt es in unserem Haus derzeit keine Überlegungen. Es gibt aber in der Tat einen Entwurf für eine elektronische Wiederausweitung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung nach Verbüßung einer Haftstrafe.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Um zu wissen, wo sich jemand aufhält?

MALACHOWSKI: Das ist das Ziel einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung. Ja.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Wenn ich noch eine zweite Frage nachschieben darf. Herr Plate, werden das Innenministerium und die ihm nachgeordneten Sicherheitsbehörden jetzt den Personalaufwand und die Sicherheitsmaßnahmen über die Feiertage nach den Ereignissen von heute zurückfahren?

DR. PLATE: Das kann ich Ihnen Stand jetzt nicht sagen. Dazu ist mir der Stand der Ermittlungen, die ja jetzt nicht per se auf einen Beschuldigten begrenzt sind, nicht hinreichend klar, um Ihnen sagen zu können, ob das geschieht. Selbst wenn es geschähe, müsste ich abklären, ob darüber gesprochen werden kann, weil ehrlich gesagt dafür Ähnliches gilt wie für Sicherheitsvorkehrungen allgemein. Ich meine, ob es eine kluge Idee ist, dass deutsche Sicherheitsbehörden mitteilen, an welchen Tagen sie dünner oder weniger dünn besetzt sind, diese Frage kann ich sozusagen in der Luft stehen lassen. Ganz sicher kann ich aber sagen, dass für das konkrete Ermittlungsverfahren ganz viele Leute die meisten von ihnen freiwillig ihren Urlaub abgebrochen haben.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Die Sicherheitsmaßnahmen sind ja zum Teil sichtbar. Es geht ja auch um gefühlte Sicherheit. Wenn Polizisten mit Maschinenpistolen sozusagen präsent oder sichtbar sind, dann ist ja die Frage, ob man die sichtbare Maßnahme bewusst so gesucht und gewollt hat und ob sie in Zukunft weniger sichtbar ist.

DR. PLATE: Ich habe dazu schon gesagt: Es gibt sichtbare Maßnahmen. Es gibt nicht sichtbare Maßnahmen. Beides hat gute Gründe. Ob die Maßnahmen, die sichtbar sind, ab morgen nicht mehr sichtbar sein werden, da muss ich ehrlich gesagt auf Ihre Geduld hoffen. Das werden Sie dann sehen.

FRAGE EISENRING: Eine Frage zum Bundesnachrichtendienst: Es gibt eine Meldung in einer marokkanischen Zeitung, dass die marokkanischen Behörden den BND und zwar über zwei Depeschen am 19. September und am 11. Oktober über den mutmaßlichen Täter informiert hätten, dass er einen Terroranschlag plane.

Bei der zweiten Frage geht es um die Italiener. Da heißt es in einem Bericht, dass die Deutschen relativ lange noch nicht wussten, was sein Vorleben in Italien war, weil die Italiener relativ spät die Informationen in das europäische Informationssystem eingespeist hätten. Da wollte ich Sie auch fragen, ob Sie das kommentieren könnten.

SRS’IN DEMMER: Zu den nachrichtendienstlichen Angelegenheiten, die Sie angesprochen haben, äußert sich die Bundesregierung ja nur gegenüber den zuständigen und geheim tagenden Gremien des Bundestages. Deswegen kann ich Ihnen dazu keine Auskunft geben.

DR. PLATE: Ich habe nichts zu ergänzen.

VORS. DR. MAYNTZ: Ich habe gerade erfahren, dass entgegen unserer Regelungen verschiedene Sender dazu übergegangen sind, live zu übertragen. Ich bitte, das sofort einzustellen. Sonst müssen wir diese Veranstaltung als „unter zwei“-Veranstaltung weiterführen.

FRAGE: Auch noch eine Frage: Was ist denn eigentlich aus dem Zeugen geworden, der den ersten Verdächtigen Navid B. verfolgte, ihn dann aus den Augen verlor? Hat er den zweiten jetzt erschossenen Verdächtigen Amri identifiziert? Besteht die Möglichkeit, mit ihm auch seitens der Presse zu reden?

DR. PLATE: Ich weiß nicht, ich ziehe jetzt vielleicht einmal etwas vor die Klammer. Also wir können eine Vereinbarung treffen, dass Sie weiter Fragen dazu stellen. Die Antwort wird dann immer die Gleiche sein. Das kostet Sie Zeit, das kostet mich Zeit. Ich werde bei den Dingen immer auf das laufende Ermittlungsverfahren verweisen. Wenn Sie das wünschen, dann tue ich das. Ich wollte nur Erwartungsmanagement betreiben. Fragen, die sich auf das laufende Ermittlungsverfahren beziehen dazu gehört auch diese Frage bzw. der ganze Fragenkomplex , werden von mir immer so wie im bisherigen Verlauf dieser Veranstaltung beantwortet, dass ich dazu nichts sagen kann. Das kann allenfalls die ermittlungsführende Stelle. Das ist bekanntlich der Generalbundesanwalt.

FRAGE DR. VON MALLINCKRODT: Also keine Frage zum Stand der Ermittlungen, sondern zu einem Gesetzesvorhaben, und zwar der Durchsetzung der Ausreisepflicht. Da ginge jetzt eher ans Justizministerium die Frage weil es meines Erachtens ein Gesetzentwurf ist, der vom BMI eingebracht wurde : Wird er von Ihrem Haus als positiv, als gut empfunden? Steht er kurz davor, ins Kabinett zu gehen? Vielleicht können Sie uns dazu etwas sagen.

MALACHOWSKI: Ich glaube, ich weiß, welchen Gesetzentwurf Sie meinen. Aber er ist derzeit in der Ressortabstimmung. Da muss ich Sie um Verständnis bitten, dass ich mich an dieser Stelle dazu nicht äußern kann.

ZUSATZFRAGE DR. VON MALLINCKRODT: So wie das jetzt bei Ihnen klingt, ist das nichts, was in den nächsten Wochen beschlossen sein wird und zu dem Ihr Haus auch noch keine Haltung gefunden hat?

MALACHOWSKI: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich kann da vielleicht auf die Worte meines Ministers verweisen, der gesagt hat, wir sollten den brutalen Anschlag jetzt entschlossen aufklären und die politische Debatte über die Konsequenz mit größter Besonnenheit führen. Das heißt, Zeitpläne oder so etwas kann ich Ihnen jetzt noch nicht nennen. Aber Sie können davon ausgehen, dass wir wie es Herr Plate auch schon häufiger erwähnt hat den Abschluss der Ermittlungen abwarten und dann gegebenenfalls Schlüsse daraus ziehen werden.

FRAGE: Herr Plate, ich habe eine Frage zu den Zahlen zu den Gefährdern, die Sie nachgeliefert hatten nur damit ich es richtig verstanden habe. Sie sagen, es sind knapp 550 Gefährder, die geführt werden. Davon sind rund die Hälfte in Deutschland, also 225, 220.

DR. PLATE: So würde ich nicht rechnen. Wenn es die Hälfte von 550 ist, dann komme ich auf eine höhere Zahl.

ZUSATZFRAGE: Stimmt, 275. Von denen sind rund 80 im Gefängnis. Das heißt, dass sich dann Pi mal Daumen 195 auf freiem Fuß in Deutschland bewegen. Ist das korrekt?

DR. PLATE: Ja. „Auf freiem Fuß“ ist jetzt Ihre Formulierung, nicht meine. „Auf freiem Fuß“ klingt ein bisschen so, als ob sie machen könnten, was sie wollen.

Da bitte ich vielleicht um Nachsicht. Ich kann jetzt nicht die Details der Maßnahmen offenbaren, die in Bund und Ländern gegen diese Menschen laufen, die nicht in Haft sitzen. Das sind ja zum Teil auch verdeckte Maßnahmen. Sie sind nicht in Strafhaft.

Das trifft zu. – Aber wir haben in Deutschland einen Rechtsstaat, bei dem man dann in Strafhaft sitzt, wenn man eine Straftat begangen hat und deswegen rechtskräftig verurteilt worden ist. Es scheint mir in diesen Tagen notwendig, vielleicht auch ganz generell daran zu erinnern. Insofern handelt es sich um Personen, die nicht rechtskräftig verurteilt in Strafhaft sitzen. Das ist richtig.

ZUSATZFRAGE: Quasi der nächste Faktencheck: Diese 350 zusätzlichen relevanten Personen sind vermutlich Personen mit islamistischem Hintergrund?

DR. PLATE: Das dürfte jedenfalls beim überwiegenden Teil dieser Zahl der Fall sein. Richtig.

FRAGE PINDUR: Der „Spiegel“ meldet heute, dass ein Abwehrzentrum gegen Desinformationen geplant sei. Erstens. Können Sie das bestätigen? Zweitens. Wie hat man sich diese Arbeit vorzustellen? Sollen da einzelne Presseerzeugnisse wie Artikel bewertet werden? Drittens. Da wird auch auf politische Bildung für einige Bevölkerungsgruppen Bezug genommen. Wäre so etwas nicht besser bei der Bundeszentrale für politische Bildung aufgehoben?

DR. PLATE: Ich kann vielleicht anfangen, weil es ja um ein angebliches internes Papier aus dem Bundesinnenministerium geht. Dazu kann ich nur sagen: Angebliche interne Papiere, die selbst nach Medienberichten intern sind, kommentiere ich grundsätzlich nicht öffentlich.

Richtig ist aber, dass über das Thema auch hier in dieser Runde in den letzten Wochen schon häufiger gesprochen worden ist. Auch der Minister selber hat sich geäußert, dass das ein Thema ist, das ihn umtreibt. So möchte ich es vielleicht einmal nennen.

Ich hatte hier auch schon ausgeführt, dass wir drei verschiedene Handlungsfelder identifiziert haben, auf denen wir schon jetzt aktiv sind. Das ist einerseits das Feld der Cybersicherheit, andererseits das Feld der Spionageabwehr und zum dritten das Feld der Sensibilisierung der Bevölkerung für den Umstand, dass es so etwas gibt. Auf diesen drei Feldern sind wir schon jetzt aktiv. Dass das Bundesinnenministerium und sicher noch andere Akteure als das Bundesinnenministerium auch darüber hinaus denken, das ist kein Geheimnis. Aber solche konkreten Überlegungen, wie Sie sie gerade aus Medienberichten zitiert haben, kann ich hier nicht bestätigen.

SRS’IN DEMMER: Nachdem Herr Plate gerade ausgeführt hat, dass er sich zu internen Papieren nicht äußert, werden Sie jetzt von mir nicht erwarten, dass ich das tue. Ich würde mich aber gern ganz grundsätzlich noch einmal zum Thema äußern wollen, wie wir das ja hier schon öfter getan haben, dass die Bundesregierung natürlich fortlaufend prüft, mit welchen Maßnahmen man Fake News bzw. Hassreden effektiv begegnen kann. Dazu gehört natürlich auch, dass wir Aktivitäten entsprechender Medien und anderer Akteure aufmerksam beobachten. Unsere Antwort und unser Handeln sind grundsätzlich geprägt durch eine klare und transparente Darstellung unserer Regierungsarbeit, wie wir das ja hier auch tun. Unsere Informationskanäle und Angebote dazu, gerade im Internet und in den Sozialen Medien, kennen Sie.

VORS. DR. MAYNTZ: Es tut mir leid, dass ein Sender unsere Regeln ignoriert. Ich muss deswegen zu der Maßnahme greifen, formal auf „unter zwei“ zu gehen, damit die Tonübertragung unterbrochen wird. Natürlich bleiben wir für unsere Berichterstattung weiter „unter eins“.

FRAGE: Zum vorigen Thema: Herr Plate, gibt es aktuelle Zahlen darüber, wie viele Moscheen in Deutschland von den Sicherheitsbehörden observiert werden? Zweitens. Wie kann es sein, dass eine Moschee, die angeblich als Moschee der IS-Leute hier in Berlin bekannt ist und zwar auch den Sicherheitsbehörden , nicht geschlossen wurde und der Moscheeverein nicht verboten wird?

Also grundsätzlich gefragt: Was muss passieren, damit es in Deutschland zu einem entsprechenden Verbot bzw. zu einer entsprechenden Schließung einer Moschee kommt? Wie sieht die rechtliche Situation aus?

DR. PLATE: Damit fange ich vielleicht an. Zu möglichen Verbotsüberlegungen, insbesondere solchen der Länder, äußert sich das Bundesinnenministerium grundsätzlich nicht. Ich möchte nur zur Erläuterung daran erinnern: Wenn Sie ein Verbot vorhaben und durchsetzen wollen, egal gegen wen und damit bestätige ich ausdrücklich nicht, ob es gegen diesen konkreten Verein solche Überlegungen gibt oder nicht , dann sind Sie nicht gut beraten, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, bevor sie es machen, weil Beweismaterial, das bei Verbotsverfügungen sichergestellt wird, sehr wahrscheinlich nicht im gleichen Umfang sichergestellt werden kann, wenn Sie vorher ausführlich darüber berichten, was sie vorhaben.

Die zweite Sache, wie viele Moscheen der Verfassungsschutz, jedenfalls der Bundesverfassungsschutz im Moment im Blick hat: Da habe ich jetzt ehrlich gesagt keine aktuelle Zahl dabei. Wenn Sie das aktuell wissen wollen, dann wenden Sie sich an die Pressestelle des BfV. Sie können Ihnen sicher die Zahlen geben.

VORS. DR. MAYNTZ: Ich nehme an, dass das die Live-Übertragung unterbrochen hat, sodass wir jetzt wieder ganz normal „unter eins“ weitermachen können.

FRAGE ZIEDLER: Ich hätte noch eine Frage zu den möglichen gesetzgeberischen Konsequenzen, die Sie in Aussicht gestellt haben: Inwiefern beziehen Sie sich denn auf den Sachverhalt, dass der Polizei bei Gefährdern, die wie der Name sagt als gefährlich gelten, aber nicht die ganz große Straftat verübt haben, polizeiliche Mittel oder eine mögliche Handhabe fehlen? Also können Sie dazu etwas sagen, ob das Teil der Überlegung ist, diese polizeilichen Möglichkeiten auszuweiten? Das haben ja auch einige Abgeordnete nach der Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch gefordert.

DR. PLATE: Ich verstehe das Interesse. Aber ich will das ehrlich gesagt jetzt noch nicht konkretisieren, welche Überlegungen dann ganz genau den Weg in Vorschläge des Bundesinnenministers finden werden. Ich hatte ja gesagt, konkrete Vorschläge sind in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten. Heute ist, wenn ich es richtig sehe, der 23. Dezember. Das gehört noch zu diesem Jahr. Ich muss um ein bisschen Geduld bitten. Konkrete Vorschläge sind eher nicht mehr in diesem Jahr zu erwarten. Ob der Minister vorher möglicherweise schon eine Art Eingrenzung vornimmt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Aber erwarten Sie konkrete Vorschläge eher nicht mehr in diesem Jahr.

FRAGE JOLKVER: Herr Plate, können Sie uns Näheres zu der Möglichkeit der Messenger-Überwachung sagen? Gibt es da jetzt Möglichkeiten? Wünscht sich das Innenministerium eine Änderung der Rechtslage, damit man auch solche Sachen wie WhatsApp überwachen kann?

DR. PLATE: Es gibt grundsätzlich schon Möglichkeiten. Dazu, ob die Möglichkeiten ausreichen, hat auch schon der Innenminister Stellung genommen. Er hat ja zum Beispiel am 11. August, als er nach den Ereignissen im Sommer Maßnahmen vorgestellt hat, darauf hingewiesen, dass er eine Angleichung der Möglichkeiten für notwendig hält, die im TKG, im Telekommunikationsgesetz, und im TMG, dem Telemediengesetz, stehen, weil dort im Moment eine gewisse Nicht-Gleichbehandlung der Telekommunikationsüberwachung etwa über SMS und der Telekommunikationsüberwachung über Messenger-Dienste besteht zum Beispiel WhatsApp, aber nur zum Beispiel; es gibt ja mehrere , dass also eine Gleichbehandlung im Moment rechtlich nicht besteht. Er hat damals schon vorgetragen, dass er die grundsätzlich für notwendig hält.

Ansonsten ist dazu eigentlich auch nur zu sagen: Ratschläge wie solche in Bezug darauf zu machen, was die Sicherheitsbehörden genau können und was sie nicht können, und damit Anleitungen für Leute zu geben, die sich dann möglicherweise auf die Möglichkeiten konzentrieren, die die Sicherheitsbehörden nicht haben, werden Sie hier von mir ich glaube, ehrlich gesagt, verständlicherweise nicht zu hören bekommen.

FRAGE: Meine Frage geht in die gleiche Richtung. Der Täter war dem LKA ja bereits als Gefährder bekannt. Jetzt soll die Überwachung von Messengerdiensten ausgeweitet werden, wenn ich das richtig verstanden habe. Inwieweit ist es sinnvoll, wenn ein Täter bereits sozusagen über die herkömmlichen Maßnahmen, die vorhanden sind, bekannt ist, die Überwachung in diesem Bereich weiter auszubauen?

DR. PLATE: Dass die Überwachung weiter ausgebaut werden soll, haben Sie von mir, glaube ich, hier heute nicht gehört, es sei denn, ich kann mich nicht erinnern.

ZURUF: Ich meine jetzt im Bereich der Messengerdienste.

DR. PLATE: Das ist ja etwas, das der Minister schon vor längerer Zeit wie gesagt, am 11. August vorgetragen hat: Er sieht es als sinnvoll an, rechtliche Möglichkeiten zu schaffen, um Rechtssicherheit für das zu schaffen, was die Sicherheitsbehörden können. Bezüge zum konkreten Fall verbieten sich allein schon deswegen, weil das ja im August war und sich der konkrete Fall, wie, glaube ich, jeder weiß, nicht im August abgespielt hat.

Ansonsten möchte ich nur sagen, falls Sie auf einen Bericht der „BILD“-Zeitung anspielen, den ich heute lesen konnte, der sich im weitesten Sinne auf das Thema „Totalüberwachung von Handys“ bezieht: Einen solchen Bericht kann ich nicht bestätigen.

FRAGE DECKER: Frau Demmer, Herr Plate, was ja jetzt wieder diskutiert wird, ist die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten. Inwiefern sehen Sie einen Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen? Empfinden Sie es aufgrund der aktuellen Ereignisse als noch dringlicher, dass die Einstufung der Maghrebstaaten als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat durchgewunken wird, oder sagen Sie „Da ist die Lage eigentlich gleich geblieben“?

SRS’IN DEMMER: Die Bundesregierung ist natürlich nach wie vor der Auffassung, dass Marokko, Algerien und Tunesien die Voraussetzungen für die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten erfüllen. Auch der Deutsche Bundestag hat das entsprechende Gesetz beschlossen. Wie Sie wissen, ist das Gesetz seit Längerem im Bundesrat, und es liegt weiterhin am Bundesrat, zu beraten und zu entscheiden, ob er die für die Verabschiedung des Gesetzes nötige Zustimmung erteilt.

Die Ermittlungen zu dem schrecklichen Anschlag von Montag sind halt noch nicht abgeschlossen; da muss ich Sie wie Herr Plate auf Späteres verweisen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass die Bundeskanzlerin heute mit dem tunesischen Staatspräsidenten telefonieren wird. Dabei wird es natürlich auch um die Rückführungen gehen.

FRAGE LEIFERT: Frau Demmer, ist damit zu rechnen, dass die Bundeskanzlerin heute auch noch einmal vor die Presse treten wird?

Die zweite Frage geht an Herrn Plate. Sie sprachen von der Angleichung der bisherigen Möglichkeiten der Überwachung beispielsweise von SMS bei Diensten, die noch nicht überwacht werden konnten, wie WhatsApp und anderen. Wann ist denn mit der Umsetzung zu rechnen? Können Sie einen zeitlichen Rahmen dafür nennen, bis wann diese Angleichung vollzogen werden wird und welches parlamentarische Vorgehen dafür noch nötig ist?

SRS’IN DEMMER: Über ein Statement der Bundeskanzlerin werden wir Sie gegebenenfalls auf dem Laufenden halten.

DR. PLATE: Zu der Frage: Ich habe ich muss an dieser Stelle leider genau sein, auch wenn das vielleicht ein bisschen nervt nicht gesagt, dass die nicht überwacht werden können. Ich habe gesagt, dass nicht die gleichen Voraussetzungen bestehen. Das ist schon noch ein Unterschied, ist mir aber an dieser Stelle wichtig.

Für die Fragen, ob man das sozusagen auf dem legislativen Wege machen muss oder nicht und was die genauen Schritte sind, ist das Bundesinnenministerium, auch wenn, es, sagen wir einmal, wegen der Sicherheitskomponente Interessenträger ist, nicht der richtige Ansprechpartner, weil diese beiden Gesetze, die ich genannt habe, nicht in der Federführung unseres Hauses liegen.

ZUSATZ LEIFERT: Dann kann das vielleicht das dafür zuständige Haus aufklären.

MALACHOWSKI: Ich kann das zumindest teilweise ergänzen. Es gab heute einen Bericht in einer großen Tageszeitung über eine Vereinbarung zwischen dem BMI und dem BMJV zur sogenannten Quellen-TKÜ. Ich weiß nicht, ob Sie darauf anspielen. Das ist im Wesentlichen die Umsetzung eines Vorhabens, das auch schon im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Dort steht nämlich: „Die Vorschriften über die Quellen-Telekommunikationsüberwachung werden wir rechtsstaatlich präzisieren.“ Insofern kann ich Ihnen bestätigen, dass es da die Vereinbarung zwischen BMJV und BMI gibt, das vorzunehmen. Wir sind uns einig, dass diese Ergänzung noch in dieser Wahlperiode erfolgen soll.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Können Sie mich ganz kurz darüber aufklären, welche Hürden Sie schon genommen haben? Gab es schon einen Kabinettsbeschluss? Muss das jetzt noch in den Bundestag?

MALACHOWSKI: Nein, diese Hürden sind noch nicht genommen.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Ist das also im Moment erst einmal nur ein Entwurf zwischen den beiden Häusern BMJV und BMI?

MALACHOWSKI: Ich müsste noch einmal nachreichen, wie der aktuelle Stand genau ist. Aber es gibt auf jeden Fall noch keinen Entwurf, der vom Kabinett beschlossen wurde oder der sich in der Ressortabstimmung befindet.

FRAGE JESSEN: Ich habe eine Frage, vermutlich an das BMZ. Es gibt jetzt im politischen Raum die Überlegung oder Forderung, je nachdem, dass man gegenüber Staaten wie zum Beispiel Tunesien, wenn die unwillig seien, Dokumente für die Rückführung zu liefern, oder wenn die sich in anderer Weise widerspenstig zeigten, auch den Hebel der Kürzung von Entwicklungshilfeleistungen überdenken müsse. Sind das Überlegungen, die in Ihrem Haus angestellt werden die Forderung ist ja, was solche Konflikte angeht, nicht ganz neu , oder halten Sie das generell für einen Fehlweg?

FRANKE: Vielen Dank, Herr Jessen. Vielleicht grundsätzlich: Wie Sie wissen das ist auch das, was wir immer kommunizieren , ist Ziel unserer Politik der Entwicklungszusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, für die Menschen in den Ländern vor Ort eine Perspektive zu schaffen, und zwar durch Maßnahmen wie Unterstützung im Bildungsbereich und der Ausbildung, neue Berufschancen oder eben Infrastrukturmaßnahmen, die wir mit unterstützen. Das sind alles Maßnahmen, mit denen da Veränderungen angeschoben werden sollen, die insbesondere auch den Menschen zugutekommen sollen. Wir stehen dabei natürlich auch in sehr enger Zusammenarbeit mit den Regierungen der jeweiligen Länder, unter anderem auch mit Tunesien. Tunesien hat in den vergangenen Jahren sehr große Entwicklungsfortschritte gemacht. Wir haben Tunesien dabei unterstützt, diese zu tun.

Aus unserer Sicht, um vielleicht zu Ihrer Frage zu kommen, ergibt es keinen Sinn das hat Minister Müller beispielsweise auch bei seinem letzten Besuch in Tunesien im Februar betont , diese Entwicklungsfortschritte zu gefährden, indem wir Projekte einstellen bzw. nicht mehr finanzieren können. Er hat aber gleichzeitig betont das ist, glaube ich, etwas, das insbesondere auch im Februar immer wieder zur Diskussion stand , dass wir davon ausgehen, dass beispielsweise Tunesien, aber auch andere Partner in den Maghrebstaaten ihren Verpflichtungen im Rahmen der Rücknahme nachkommen, weil natürlich nur so auch eine vertrauenswürdige Zusammenarbeit realisiert werden kann. Das heißt, wir unterstützen diese Länder und gehen davon aus oder erwarten, dass die Rücknahme dann auch entsprechend umgesetzt wird.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Nun zeigt dieser konkrete Fall offenbar, dass die Dokumente zuerst gar nicht und dann mit Verzögerungen geliefert worden sind. Wie sieht die Arbeit dann konkret aus, wenn Sie sagen, Tunesien müsse seine Rolle wahrnehmen? Ist es am Ende nicht doch plausibel die Sprache des Geldes wird schon allgemein verstanden , zu sagen „Nein, wenn ihr das nicht liefert, dann müssen wir überlegen, ob wir materielle und finanzielle Unterstützung nicht reduzieren“?

FRANKE: Ich kann, wie gesagt, nur noch einmal unsere Sicht betonen: Wir unterstützen diese Länder mit Reformen, und wenn sie bereit sind, weiterhin intensiv und gut mit uns zusammenzuarbeiten, dann sind wir natürlich als Entwicklungsministerium bereit, dies auch weiterhin zu unterstützen.

FRAGE LEIFERT: Herr Plate, verzeihen Sie mir, dass ich auf dem Schlauch stehe. Ist die rechtliche Gleichbehandlung von Diensten wie SMS und WhatsApp, zu der sich, wenn ich Sie richtig verstanden habe, der Innenminister auch schon einmal am 11. August geäußert haben soll, das Gleiche wie das, was die Quellen-TKÜ ist? Können Sie mir das auseinanderdividieren? Für mich ist der gemeinsame Nenner im Moment nur das Handy.

DR. PLATE: Ich bin selbst auch kein absoluter Technikexperte, aber ich kann Ihnen zumindest Hinweise geben, die Ihnen, glaube ich, vielleicht schon weiterhelfen: Die Quellen-TKÜ ist ein strafprozessuales Instrument, das heißt, ein Instrument in einem laufenden Ermittlungsverfahren. Deswegen ist das auch in der Strafprozessordnung zu verorten, für die das BMJV zuständig ist. Dabei geht es im Prinzip darum, unter engen rechtsstaatlichen Voraussetzungen auf Kommunikation, die an sich verschlüsselt abläuft, zuzugreifen, und zwar schon an der Quelle, also sozusagen bevor die Verschlüsselung stattgefunden hat. Noch weiter technisch Vertieftes müsste ich, wenn Sie das brauchen, ehrlich gesagt nachliefern. Das kann ich Ihnen jetzt sozusagen nicht seriös aus der Hüfte bieten.

Die andere Geschichte TKG, TMG ist etwas, das sich nicht in diesem strafprozessualen Bereich abspielt und auch keine Quellen-TKÜ ist, sondern im Wesentlichen sozusagen den polizeilichen und den Gefahrenabwehrteil betrifft. Darin dürfte wahrscheinlich der wesentliche Unterschied zwischen den beiden liegen. Wenn Sie es genauer brauchen, dann müsste ich das nachreichen.

VORS. DR. MAYNTZ: Die Bitte besteht.

DR. PLATE: Dann versuche ich, das einmal zu besorgen.

VORS. DR: MAYNTZ: Sie hatten aber noch eine Mitteilung zu machen.

DR. PLATE: Ja. Es wurde nachgefragt, ob sich der Minister noch zu dem heutigen Fahndungserfolg äußern wird. Viele von Ihnen haben vielleicht schon gesehen, dass dazu gerade eine Einladung herausgegangen ist. Gegen 14.15 Uhr wird er sich im Bundesinnenministerium gegenüber der Presse zu dem Thema äußern.

FRAGE ZIEDLER: Eine kurze Nachfrage zu Tunesien: Wie zufrieden ist die Bundesregierung denn ganz generell mit der Kooperationsbereitschaft der Regierungsstellen in Tunis hinsichtlich des Rückführungsthemas? Beim Besuch von Herrn de Maizière im April wurde ja Kooperationsbereitschaft vereinbart. Nun haben Sie gerade gesagt, Frau Demmer, dass das Thema der Rückführungen heute Nachmittag natürlich auch Gegenstand des Gesprächs der Kanzlerin mit dem Staatspräsidenten sein werde. Das hört sich ein bisschen nach Handlungsbedarf an. Deswegen würde mich interessieren, wie die Kooperationsbereitschaft generell bewertet wird.

SRS’IN DEMMER: Grundsätzlich gilt: Es wird dieses Telefonat geben. Das wird ein Thema sein. Alles Weitere dazu möchte ich jetzt nicht kommentieren. Grundsätzlich gilt doch auch für dieses Thema, jetzt erst einmal die Ermittlungen bzw. die Ergebnisse dieser Ermittlungen abzuwarten, bevor man darüber urteilt.

DR. PLATE: Ich will das nur ergänzen, weil der Minister ja selbst gemeinsam mit dem IMK-Vorsitzenden in den Maghrebstaaten war und dort darüber verhandelt hat, wo man zu Verbesserungen kommen kann. Das zahlenmäßige Niveau von Abschiebungen in die Maghrebstaaten allgemein, auch wenn Sie speziell nach Tunesien gefragt hatten, ist sozusagen seit Jahren relativ bescheiden. Es sind geringe Zahlen. Im Jahr 2015 waren es zum Beispiel insgesamt 17 Tunesier, die nach Tunesien abgeschoben worden sind. Es kommen noch einige dazu, die dann in andere Länder abgeschoben worden sind, zum Beispiel Dublin-Fälle, aber 17 ist natürlich eine geringe Zahl. Das hat sich seit dem Besuch und seit den Vereinbarungen, die getroffen worden sind, erheblich verbessert. Tunesien hat seinerzeit zum Beispiel auch zugesagt, Charterflüge zu akzeptieren, und dies nicht nur zugesagt, sondern seitdem auch schon getan. Wir haben also Stand Ende November insgesamt 117 Tunesier nach Tunesien abgeschoben. Das ist, wenn man es positiv ausdrücken will, ungefähr eine Versechseinhalbfachung der vorherigen Zahl, aber die Zahl ist natürlich immer noch niedrig. Wir führen Gespräche auf allen Ebenen auch, aber nicht nur mit Tunesien , um die Fortschritte, die es schon gibt, zu verstetigen und weiter auszubauen.

FRAGE JORDANS: Inzwischen hat der italienische Ministerpräsident verkündet, dass er direkt mit Bundeskanzlerin Merkel telefoniert hat. Deshalb möchte ich Sie, Frau Demmer eine Stunde nach meiner ursprünglichen Frage fragen: Sind Sie darüber informiert? Gibt es inzwischen eine offizielle Reaktion der Bundesregierung auf diese offizielle Bestätigung?

SRS’IN DEMMER: Vonseiten der Bundesregierung gibt es nach wie vor keine regierungsamtliche Bestätigung. Es wird eine Pressekonferenz des Generalbundesanwalts um 13.30 Uhr geben, wenn ich jetzt, während die RegPK läuft, richtig darüber informiert worden bin. Ich hatte Ihnen ja gesagt: Die Bundesregierung steht in regem Austausch mit den italienischen Behörden.

VORS. DR. MAYNTZ: Dann kommen wir zu einem anderen Thema, zur Ukraine. Sie behalten das Wort, Frau Demmer!

SRS’IN DEMMER: Die Bundesregierung begrüßt ausdrücklich, dass sich die Konfliktparteien auf der letzten Sitzung der trilateralen Kontaktgruppe am 21. Dezember in Minsk auf eine Waffenruhe zum Weihnachtsfest geeinigt haben beginnend mit dem 24. Dezember um Mitternacht. Im Hinblick auf die notleidende Zivilbevölkerung in der Ostukraine ist es ein wichtiges Signal und von großer Bedeutung, dass die Kampfhandlungen entlang der Kontaktlinie eingestellt werden. Wie Sie wissen, waren die Kämpfe vor allem im Raum Debalzewe in letzter Zeit wieder eskaliert. Dabei wurden auch schwere Waffen eingesetzt.

Es geht jetzt darum, Geist und Buchstaben der Minsker Vereinbarung endlich vollumfänglich zu erfüllen. Bereits vor annähernd zwei Jahren, im Februar 2015, hatten sich die Konfliktparteien dazu verpflichtet, eine nachhaltige Waffenruhe einzuhalten, schwere Waffen abzuziehen und ihre Truppen zu entflechten. All dies ist immer noch nicht in befriedigendem Maße geschehen. Auch haben die Beobachter der OSZE-Sondermission noch immer keinen ungehinderten und sicheren Zugang zu allen Orten im Konfliktgebiet. Deshalb appelliert die Bundesregierung nachdrücklich an die Vertragspartner, ihren Verpflichtungen zum Wohle der Menschen in der Ostukraine nachzukommen.

DR. SCHÄFER: Ich würde hier gerne einfach nur für das Protokoll und auch in Absprache mit dem Verteidigungsministerium kurz Stellung zu einer Berichterstattung nehmen, die man seit heute Morgen bei „SPIEGEL ONLINE“ findet, und zwar unter dem Titel „Bundeswehr schickt Ausbilder nach Bagdad“. Das trifft nicht zu, jedenfalls nicht so.

Das Erste, was ich dazu sagen möchte, und das ist mir wichtig: Es gibt ausdrücklich keinerlei Zusammenhang mit der von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundestag indossierten Entsendung von Bundeswehrangehörigen für die Ausbildung der Peschmerga im Norden des Irak. Was es gibt, ist eine auf dem Warschauer NATO-Gipfel getroffene Vereinbarung, auf dem sich die NATO darauf verständigt hat, im Laufe des Jahres 2017 dem Irak dabei unter die Arme zu greifen, die eigene Armee auszubilden.

Der deutsche Offizier, der jetzt Anfang Januar so berichtet das ja auch „SPIEGEL ONLINE“ nach Bagdad entsandt werden soll, ist Teil eines sogenannten Kernteams der NATO, das für die NATO eruieren soll, welche Ausbildungsmaßnahmen und welche Beratungsleistungen für das irakische Verteidigungsministerium und die irakischen Sicherheitskräfte vonseiten der NATO sinnvoll und zweckmäßig sind. Deshalb ist ausdrücklich so steht es aber auch korrekt in dem Artikel kein Mandat des Deutschen Bundestags dafür erforderlich. Sie wissen: Der Trigger für ein solches Mandat ist die Entsendung in einen bewaffneten Konflikt, und das ist hier wegen der Tätigkeit des deutschen Bundeswehrangehörigen eindeutig nicht der Fall.

Es geht ausdrücklich auch nur um eine Person. Der Artikel insinuiert, als wenn es hier um mehrere Personen ginge, die sich tatsächlich der Ausbildung der irakischen Sicherheitskräfte verschrieben hätten. Auch das ist ausdrücklich nicht der Fall.

FRAGE WIEGOLD: Eine Frage an das Verteidigungsministerium vor dem Hintergrund, dass im kommenden Frühjahr auf Beschluss der NATO im Rahmen der sogenannten Enhanced Forward Presence mehrere hundert deutsche Soldaten mit Schützen- und Kampfpanzern in Litauen eingesetzt werden. Wie bewertet Ihr Haus vor dem Hintergrund die Verzögerungen der für den Rüstungsexport zuständigen Behörde, den Export von „Boxern“ nach Litauen zu genehmigen?

HENJES: Herr Wiegold, wir haben aus den Medien auch erfahren, dass Litauen beabsichtigt, das Transportfahrzeug „Boxer“ als Austausch für das derzeit genutzte Transportfahrzeug M13 zu erwerben. Ich möchte jedoch betonen, dass der Erwerb dieses geschützten Fahrzeugs keine Initiative der Bundesregierung und auch keine Initiative der Bundeswehr bzw. des Bundesministeriums der Verteidigung ist. Insofern ist die Realisierung vonseiten Litauens ein Rüstungsprojekt. Dieses Rüstungsprojekt Litauens noch an. Sehen Sie es mir nach, dass wir dazu keine Bewertung abgeben.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Dann frage ich einmal das zuständige Ministerium. Gibt es aus Sicht Ihres Hauses Gründe, insbesondere vor dem Hintergrund der genannten NATO-Beschlüsse, die Lieferung nicht zu genehmigen?

DUBEL: Sie sprechen ein laufendes Antragsverfahren an, wie schon der Kollege ausgeführt hat. Darüber kann ich keine näheren Auskünfte geben. Ich bitte um Verständnis, dass wir über Ausfuhranträge für ein bestimmtes Exportvorhaben, die anhänglich sind, hier keine Auskunft geben. Wir informieren im Rahmen der Rüstungsexportberichte regelmäßig über die Ausfuhren, aber darüber hinaus nicht über laufende Verfahren.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Ich könnte natürlich noch die stellvertretende Regierungssprecherin fragen, ob sich das in die Bemühungen der „deterrence“ im Rahmen der NATO einordnet oder wie sich das einordnet.

SRS’IN DEMMER: Ich kann Ihnen grundsätzlich zur Rüstungsexportkontrolle sagen, dass wir unverändert an strengen Regeln festhalten. Ich habe ansonsten den Kommentierungen nichts hinzuzufügen.

ZUSATZ WIEGOLD: Entschuldigung! Meine Frage bezog sich nicht auf Rüstungsexportkontrolle, sondern auf die Zusammenarbeit mit einem NATO-Partnerland unter den besonderen, auf dem Warschauer NATO-Gipfel vereinbarten Bedingungen.

SRS’IN DEMMER: Ich habe den kompetenten Ausführungen des BMVg nichts hinzuzufügen.

FRAGE MÜLLER-THUM: Ich habe eine Frage an das BMWI. Frau Dubel, es gibt Spekulationen über den Gesundheitszustand von Minister Gabriel. Ich glaube, die Medienberichte scheinen nicht ganz korrekt zu sein. Ich wollte nur einmal fragen, ob Sie uns darüber aufklären können.

DUBEL: Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich mich als Sprecherin des BMWI dazu natürlich nicht im Detail äußern kann. Ich kann bestätigen, dass es richtig ist, dass sich der Minister zu einer dreitägigen stationären Überprüfung und Behandlung befunden hat. Diese ist jetzt abgeschlossen. Der Minister ist inzwischen wieder zu Hause, und es geht im gut.

ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Es ist also jetzt nicht mit einer längeren Abwesenheit oder etwas Ähnlichem zu rechnen?

DUBEL: Nein.

VORS. DR. MAYNTZ: Wir können in solchen Fällen auch „unter drei“ gehen.

DUBEL: Ich hätte dem auch „unter drei“ nichts hinzuzufügen. Wie gesagt, die Behandlung ist abgeschlossen.

FRAGE SCHWIETZER: An das BMWI eine Frage zum Thema Netzentgelte. Bezüglich des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes machen im Moment die ostdeutschen Länder ziemlich viel Druck. Wie ist der aktuelle Stand? Wann kann das kommen, und wo hakt es gegebenenfalls noch?

Vielleicht können Sie kurz skizzieren, wie Sie sich erhoffen, regionale Unterschiede, die vor allen Dingen im Moment noch zu Lasten des Ostens gehen, ausgleichen zu können.

DUBEL: Sehr gerne. Es ist richtig, dass es in einigen Regionen Nord- und Ostdeutschlands zu höheren Netzentgelten kommt. Diese Thematik ist uns bewusst. Dazu sind wir mit den Ländern schon seit einiger Zeit in Gesprächen. Unser Ziel ist es, die regionalen Unterschiede bei den Netzentgelten zu verringern und hier zu einer fairen Lastenverteilung zu kommen. Deswegen haben wir vor einiger Zeit den Gesetzentwurf zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur erarbeitet. Wir haben hierzu die Länder- und Verbändeanhörung und die Ressortabstimmung durchgeführt. Der Gesetzentwurf befindet sich jetzt in der finalen Überarbeitung. Wir gehen davon aus, dass wir damit zügig ins Kabinett gehen können.

ZUSATZFRAGE SCHWIETZER: Können Sie noch einmal kurz inhaltlich skizzieren, wie diese Angleichung vorgenommen werden soll?

DUBEL: Es geht inhaltlich im Grunde genommen um zwei Maßnahmen. Erstens geht es darum, die Übertragungsentgelte bundesweit zu vereinheitlichen. Zweitens geht es darum, dass die sogenannten vermiedenen Netzentgelte abgeschmolzen werden. Das wird beides dazu beitragen, dass sich die Unterschiede bei den Netzentgelten verringern werden.

 

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