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Bundesregierung für Desinteressierte: Komplette BPK vom 22. Januar 2018

Geisterstunde ► RegPK vom 22. Januar 2018

Themen: Militäreinsatz der Türkei in der Grenzregion zu Syrien, Verurteilung eines aus Deutschland entführten vietnamesischen Geschäftsmannes in Vietnam, Koalitionsverhandlungen, Gesetz zur Reintegration der von Separatisten beherrschten Region Donbass, Rüstungsexportpolitik, geplante Reise des Bundesaußenministers nach Israel, Partnerschaft zwischen der EU und den Palästinensern, Todesurteil gegen eine deutsche Staatsangehörige im Irak, verpflichtender Rückruf von etwa 127 000 Audi-Kfz wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, World Economic Forum in Davos, Iranpolitik der Bundesregierung, Familiennachzug, Anschlag auf ein Hotel in Kabul, in der Türkei inhaftierte deutsche Staatsbürger, Vorstellung einer neuen Nationalen Verteidigungsstrategie der USA, Eindämmung des Verbrauchs von Plastiktüten

Naive Fragen zu:
Türkei vs. syrische Kurden (ab 0:43 min)
– die Türkei ist ein NATO-Partner. Wie bewertet Deutschland als NATO-Staat diese kriegerischen Aktivitäten des NATO-Partners Türkei gegenüber den syrischen Kurden, die zum Beispiel den IS vertrieben haben, die Jesiden vor einem Völkermord geschützt haben? (ab 3:29 min)
– Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung den Angriff der Türken verurteilt und nicht gut findet. Was tut denn die Bundesregierung ihrerseits dafür, dass die Türken mit diesem Angriff aufhören?
– Sehen Sie diesen Angriff vom Völkerrecht gedeckt?
– wenn Sie nicht genau sagen können, was für oder gegen einen Völkerrechtsbruch spricht, was spricht denn nicht dafür? (ab 9:27 min)
– Bricht die Türkei den NATO-Vertrag? Ich erinnere an Artikel 1
– Was würde es denn für einen Unterschied machen, ob das Leopard-Panzer sind oder nicht? Falls sich das herausstellt, wäre das für die Bundesregierung schlimm? (13:24 min)

Rüstungsexporte/Krieg im Jemen (ab 20:43 min)
– können Sie uns einmal die Definition dessen nennen, was Sie unter einer Beteiligung verstehen? Darauf kommt es nämlich an. Daran sind ja eine Menge beteiligt. Dann können Sie vielleicht gleich einmal ausführen, wer die Beteiligten sind.
– Das Sondierungsergebnis ist, dass es einen Exportstopp gegenüber allen am Jemen-Krieg Beteiligten gibt. Beteiligt sind nicht nur Saudi-Arabien, sondern unter anderem auch die USA. Die Amerikaner setzen Navy-SEAL-Teams am Boden ein, sind militärisch aktiv, machen Drohnenangriffe. Ich verstehe es also so, dass Deutschland nicht Waffen an die Amerikaner exportieren wird. Richtig? Habe ich das richtig verstanden, Herr Seibert?
– Wer sind denn die am Jemen-Krieg Beteiligten? (ab 26:15 min)

Taliban-Angriff in Kabul (ab 45:13 min)
– Können Sie uns wenigstens sagen, ob es sich um eine Privatperson handelt, einen Entwicklungshelfer, einen Botschaftsangehörigen? (46:03 min)

Deutsche Gefangene in der Türkei (ab 46:15 min)
– Mich würde interessieren, wie es Herrn Yücel und den anderen deutsch-türkischen Gefangenen in der Türkei geht. Können Sie uns die aktuellen Zahlen nennen? Wie viele sind aus Sicht der Bundesregierung politische Gefangene? Wie viele haben immer noch keine konsularische Betreuung bekommen?

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 22. Januar 2018:

FRAGE HELLER: Ich würde gerne von der Bundesregierung eine Beurteilung der jüngsten Entwicklung in der Türkei hören, wo ja eine Offensive in den türkischen Gebieten in Syrien begonnen hat.

Mich würde zum Zweiten interessieren, ob die Bundesregierung Erkenntnisse darüber hat, ob bei dieser Operation Leopard-Panzer vonseiten der Türkei eingesetzt werden.

Mich würde zum Dritten interessieren, ob, falls Leopard-Panzer eingesetzt werden, irgendwelchen künftigen Geschäften zur Modernisierung dieser Panzer entgegenstünde, dass die Türkei diese Geräte für solche Aktionen einsetzt.

ADEBAHR: Der Bundesaußenminister hat sich schon am Wochenende zur Lage geäußert und hat gesagt, dass die Bundesregierung mit Sorge nach Syrien blickt. Wir sehen, dass die militärische Konfrontation, die sich dort gegebenenfalls aufbaut, auch unkalkulierbare Risiken mit sich bringt. Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass das Letzte, was Syrien jetzt braucht, weitere militärische Konfrontationen sind, denn die Menschen im Norden von Syrien wie auch an anderen Orten in Syrien leiden schon genug. Deshalb haben wir noch einmal ganz intensiv dazu aufgerufen, jetzt den politischen Prozess voranzubringen. Dazu gibt es Ende dieser Woche in Wien bei der sogenannten Genfer Runde erneut Gelegenheit.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen befasst sich heute mit der Lage in Syrien. Es geht zunächst um die humanitäre Situation, die in den Provinzen Idlib und Huta nach wie vor sehr schlecht ist. Es wird auch darum gehen, über das türkische Vorgehen in Syrien zu beraten und sich mit ihm zu befassen. Wir zählen darauf, dass die Mitglieder des Sicherheitsrats dort ihrer Verantwortung gerecht werden und dazu aufrufen, von unbedachten Schritten Abstand zu nehmen, um eben die Risiken in diesem syrischen Konflikt, der politisch gelöst werden muss, nicht noch weiter in die Höhe zu schrauben.

Zur Frage des Einsatzes von Leopard-Panzern: Unser bisheriges Lagebild gibt es nicht her, dass wir den Einsatz bestätigen können. Das ist mein Kenntnisstand von hier aus.

NEUMANN: Den gleichen Kenntnisstand hat das BMVg. Außer den Bildern aus den Medien, die Sie alle kennen, haben wir keine eigenen Erkenntnisse über den Einsatz von Leopard-Panzern.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, die Türkei ist ein NATO-Partner. Wie bewertet Deutschland als NATO-Staat diese kriegerischen Aktivitäten des NATO-Partners Türkei gegenüber den syrischen Kurden, die zum Beispiel den IS vertrieben haben, die Jesiden vor einem Völkermord geschützt haben?

STS SEIBERT: Über genau diese Bewertung hat Frau Adebahr für das Auswärtige Amt gerade schon gesprochen.

Ja, die Türkei ist ein NATO-Partner. Die Türkei ist auch ein unmittelbarer Nachbar Syriens und damit in besonderer Weise von den gewaltsamen Auseinandersetzungen in Syrien betroffen.

Sie sprachen Erfolge im Kampf gegen den sogenannten IS an, die gemeinsam erzielt wurden. Natürlich dürfen diese Erfolge jetzt nicht gefährdet werden. Deswegen ist es genau so, wie Frau Adebahr gesagt hat. Was Syrien jetzt braucht, ist ein Ende der Gewalt und sind Ansätze von Stabilisierung. Es ist, wo immer man in Syrien hinschaut, eine erschütternde und zum Teil verzweifelte humanitäre Lage. Die Region Idlib ist angesprochen worden, in der sich Millionen Menschen aufhalten, die zuvor aus der kriegszerstörten Region Aleppo dorthin gewandert sind und denen der Krieg und die Gewalttaten des Regimes in Damaskus quasi dorthin gefolgt sind. Ost-Ghouta in der Nähe von Damaskus, nun schon jahrelang belagert und von humanitärer Hilfe abgeschnitten, ist in einer verzweifelten Lage.

Das heißt: Syrien braucht ein Ende der Gewalt, braucht Ansätze der Stabilisierung, und dafür braucht es eine politische Lösung. Das ist der Weg, und dieser führt über den Genfer UN-Prozess. Wir wollen alles tun, um diesen Prozess zu fördern und zu unterstützen. Es ist gut, dass sich der UN-Sicherheitsrat heute nachdrücklich mit dieser Lage befassen wird. Es ist gut, dass er dabei vor allem auch auf die humanitäre Situation eingeht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung den Angriff der Türken verurteilt und nicht gut findet. Was tut denn die Bundesregierung ihrerseits dafür, dass die Türken mit diesem Angriff aufhören?

Sehen Sie diesen Angriff vom Völkerrecht gedeckt?

ADEBAHR: Die türkische Regierung hat ihrerseits mit einem identischen Schreiben vom 20. Januar an die Präsidentschaft des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen das ist in diesem Monat Kasachstan und an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Herrn Guterres, geschrieben und die Hintergründe und die Motivation ihres Vorgehens erläutert. Darin beruft sich die Türkei auf Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Das ist die Sicht der Türkei.

Für die Bundesregierung ist es eine fluide Lage. Es ist im Moment nicht möglich, zu beurteilen, wie man eine völkerrechtliche Einordnung vornehmen würde, weil unser Lagebild dieser komplexen und fluiden Lage einfach nicht vollständig ist, sodass man eine Beurteilung vornehmen könnte. Insofern bekommen Sie diese vom Auswärtigen Amt heute nicht.

Was man sehen muss das hat Herr Seibert auch gesagt , sind natürlich die Sicherheitsinteressen, die die Türkei hat. Auf der anderen Seite sehen wir, dass die Menschen in Syrien, wie schon mehrfach berichtet, leiden und dass Gewalt für diesen Konflikt und für die Menschen dort keine Linderung, sondern eine Verschlimmerung ist. All diese Fakten werden heute im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen unter den beteiligten Sicherheitsratsmitgliedern besprochen werden. Das ist eine Debatte, die wir ganz sicher unterstützen.

FRAGE REICHE: Eine Frage an das Verteidigungsressort. Kann man eigentlich ausschließen, dass die kurdischen Milizen bei Afrin auch deutsche Waffen einsetzen, die Sie beispielsweise über andere Kurdenmilizen bekommen haben?

NEUMANN: Über den Einsatz deutscher Waffen liegen mir keine Informationen vor.

FRAGE CLASMANN: Bundesaußenminister Gabriel hatte zugesagt, dass Deutschland prüfen wolle, ob man Minenschutzausrüstung für Panzer, also eine Aufrüstung der Leopard-2-Panzer, vertreten könnte. Die Frage wäre: Wird im Lichte dieser Offensive in Syrien dass es eine türkische Offensive gibt, bestreitet ja niemand und selbst, wenn das Lagebild nicht komplett ist, diese Anfrage noch einmal anders beurteilt?

ADEBAHR: Ich denke, am vergangenen Freitag ist von dieser Seite aus ausführlich zur Frage der Rüstungsexporte Deutschlands Stellung genommen und auch gesagt worden, dass wir zu Einzelfällen keine Stellung nehmen, dass es ein restriktives Rüstungsexportregime in Deutschland gibt und dass selbstverständlich alle deutschen Rüstungsexporte das rechtliche und gesetzliche Verfahren durchlaufen. Zu Einzelfällen nehmen wir nach wie vor von hier oben aus keine Stellung.

ZUSATZ CLASMANN: Der Minister hatte sich zu diesem Einzelfall selbst geäußert und hatte gefragt, ob es denn akzeptabel ist, dass türkische Soldaten, die gegen den IS kämpfen, ihr Leben riskieren, weil sie diese Minenschutzausrüstung nicht haben. Nun ist aber der Feind in dieser Offensive jemand anders. Von daher ist es, wie ich finde, schon möglich, auf das zurückzugehen, was er gesagt hat, und das im Lichte der Offensive neu oder auch nicht neu zu beurteilen.

ADEBAHR: Ich kann Ihnen von hier aus heute nur dazu sagen, dass selbstverständlich bei jeder Rüstungsexportentscheidung, die Deutschland trifft, sicherheits- und außenpolitische Erwägungen genau abgewogen werden, die Situation genau in Betracht gezogen wird und danach alle gesetzlichen Verfahren durchlaufen werden, die es gibt.

FRAGE JUNG: Frau Adebahr, wenn Sie nicht genau sagen können, was für oder gegen einen Völkerrechtsbruch spricht, was spricht denn nicht dafür?

ADEBAHR: Sie bekommen von mir heute keine völkerrechtliche Einschätzung des gerade begonnenen fortdauernden Engagements der Türkei in Nordsyrien.

ZUSATZFRAGE JUNG: Bricht die Türkei den NATO-Vertrag? Ich erinnere an Artikel 1.

ADEBAHR: Ich glaube, wir haben hier hinreichend deutlich gemacht, dass das Lagebild, das wir von dort haben, einfach unvollständig und wenig komplex ist. Wir haben auch deutlich gemacht, welche Interessen und politischen Erwägungen wir jetzt im Vordergrund sehen, die jetzt auch in New York diskutiert werden.

FRAGE GEBAUER: Es gibt sozusagen eine laufende Wiederannäherung an die Türkei, auch Gesprächskanäle, die teilweise sehr privat sind. Sie sagen, Sie haben kein richtiges Lagebild. Warum nutzt die Bundesregierung eigentlich heute an so einem Tag nicht diesen guten neuen Kontakt zur Türkei und fragt einfach mal: Hallo, was macht ihr? Was ist los? Gebt uns einmal Informationen. Oder hat so ein Kontakt stattgefunden und gab es Gespräche unter den Verteidigungsministern, Außenministern, vonseiten des Kanzleramtes?

ADEBAHR: Für das Außenministerium kann ich sagen, dass die Frage, wie man mit der Türkei dazu ins Gespräch tritt, bei uns besprochen wird. Wenn es Telefonate oder andere Gespräche gegeben hat, dann werden wir Sie, wenn es denn der Fall gewesen ist, darüber informieren, sobald wir das können.

FRAGE JORDANS: Eine Frage an das BMVg. Sie haben gerade die Bilder angesprochen, die in den Medien von diesen angeblichen Leopard-Panzern gezeigt werden. Sind denn das nach Einschätzung des BMVg tatsächlich Leopard-Panzer?

Zweitens. Können die Flugzeuge der Bundeswehr, die ja im Kampf gegen den IS eingesetzt werden, auch in dem Gebiet so genaue Bilder machen, dass man erkennen könnte, ob es dort Leopard-Panzer gibt oder nicht?

NEUMANN: Über die Luftaufklärung wäre das technisch bestimmt möglich. Allerdings ist es natürlich dem Auftrag geschuldet, wo die Tornados eingesetzt werden. Der Auftrag lautet ja, im Kampf gegen den IS tätig zu werden.

Zu Ihrer ersten Frage: Wir kennen die Bilder. Wir können nicht sagen, ob die Bilder wirklich tagesaktuell sind. Ich kann Ihnen lediglich bestätigen, dass Deutschland zweimal Leopard-Panzer Leopard 1 und Leopard 2 an die Türkei geliefert hat. Das war einmal in den 1980er- und 1990er-Jahren der Leopard-1-Panzer in einer Stückzahl von 397 sowie zwischen 2006 und 2011 insgesamt 354 Leopard-2-Panzer.

Noch einmal: Über den Einsatz der Waffensysteme liegen dem BMVg keine Informationen vor.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Es ist schon klar, dass man verifizieren muss, woher die Bilder kommen und ob sie aktuell sind. Die Frage war aber, ob man anhand der Bilder, die Sie gesehen haben, klar genug erkennen kann, ob das wenigstens

NEUMANN: Ich kann nur wiederholen: Technisch wäre das denkbar. Aber wenn Sie an das Mandat der Operation Counter Daesh denken, ist der Einsatz gegen den IS gerichtet.

ZUSATZ JORDANS: Ich meine die Medienbilder.

NEUMANN: Auch was das angeht, habe ich keine Möglichkeit zu verifizieren, von wann sie stammen.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Ist zu erkennen, ob das Leoopard-2-Panzer sind?

NEUMANN: Ich weiß nicht, von wann die Bilder stammen.

FRAGE JUNG: Was würde es denn für einen Unterschied machen, ob das Leopard-Panzer sind oder nicht? Falls sich das herausstellt, wäre das für die Bundesregierung schlimm?

NEUMANN: Welche Waffensysteme die türkische Regierung oder die Armee einsetzt, obliegt der türkischen Armee. Ich kann von hier aus nicht beurteilen oder einschätzen, welche Waffensysteme dort zum Einsatz kommen oder kommen sollten.

FRAGE JORDANS: Ich wollte Frau Adebahr oder Herrn Seibert zu der Verurteilung des vietnamesischen Geschäftsmannes fragen, der angeblich hier in Berlin verschleppt worden ist. Gibt es dazu eine Reaktion?

ADEBAHR: Wir konnten den Prozess in Vietnam beobachten und konnten zu den gesamten Verhandlungen einen Vertreter entsenden. Mit uns haben auch Botschaftsvertreter der Franzosen, der Vereinigten Staaten von Amerika und der EU-Delegation den Prozess verfolgen können. Die Prozessbeobachtung lief korrekt.

Wir haben der vietnamesischen Regierung mehrfach sehr intensiv deutlich gemacht, wie die deutsche Haltung zur Todesstrafe ist. Dass das Urteil dies nicht enthält, ist eine Sache, die wir zur Kenntnis nehmen. Jetzt gibt es noch einen weiteren Prozess, der in Kürze beginnen soll. Auch diesen Prozess gilt es noch abzuwarten.

Ich glaube, der vietnamesischen Seite ist die deutsche Haltung in dem gesamten Verlauf dieser Causa sehr wohl und sehr gut bekannt.

FRAGE BUSCHOW: Frau Adebahr, ich habe zwei Fragen. Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann ist die lebenslange Haft quasi schon einmal ein Fortschritt, weil das Urteil Todesstrafe befürchtet wurde.

Zweite Frage: Die Anwältin hat darum gebeten, dass sich die Bundesregierung weiter dafür einsetzt, dass er vielleicht sogar nach Deutschland zurückkommen kann. Welche Möglichkeiten sehen Sie dafür nach diesem Prozess denn jetzt noch?

ADEBAHR: Für eine weitere Bewertung des Prozesses ist es, wie ich gerade schon anzudeuten versucht habe, zu früh, weil es eben noch ein weiteres Verfahren gibt und auch noch die Möglichkeit eines Berufungsverfahrens ansteht. Insofern ist es für eine Bewertung des Prozesses jetzt zu früh.

Wie gesagt: Unsere Haltung haben wir der vietnamesischen Seite sehr, sehr deutlich gemacht. Wir bedauern auch in der Tat, dass die internationale Presse nicht zugelassen war. Wir bedauern auch sehr, und auch das haben wir der vietnamesischen Seite deutlich gemacht, dass der deutschen Anwältin die Einreise nach Vietnam verwehrt worden war. Das ist eine Sache, die aus unserer Sicht nicht geht, und auch dazu haben wir sehr deutliche Worte gefunden.

FRAGE WIEDEMEYER: Welche Möglichkeiten hat die Regierung, dennoch Druck zu machen? Machen Sie da Druck? Wie beurteilen Sie das? Welche Auswirkungen hat dieser Fall auf das Verhältnis der Bundesrepublik zu Vietnam?

ADEBAHR: Wir sind in einem sehr intensiven Gesprächsprozess mit der vietnamesischen Seite, und der vietnamesischen Seite ist sehr wohl bekannt, was wir von dem gesamten Vorgang seit August gehalten haben. Das ist ein Gesprächsprozess mit der vietnamesischen Seite, der fortbesteht.

Wir sehen auf der anderen Seite in gewisser Weise das Bemühen darum, dass es dort jetzt einen rechtsstaatlichen Prozess gibt. Es gibt aber andersherum auch prozedurale Aspekte, die wir kritisch sehen. Deswegen werden wir, und das ist der Stand, den man zum jetzigen Zeitpunkt eben sehen muss, auch den nächsten Prozess und den weiteren Prozess sehr, sehr aufmerksam beobachten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Anwältin einen guten Zugang zu ihrem Mandanten bekommt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir, internationale Medien und Prozessbeobachter der Europäischen Union diesen Prozess weiter beobachten können. Dann wird man sehen, wie die Sache weitergeht.

FRAGE REICHE: Was haben denn die deutschen Diplomaten im Gerichtssaal dem Außenamt über die Beobachtungen aus dem Saal berichtet, auch was die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens betraf?

ADEBAHR: Die Beobachtungen aus dem Saal, die wir bekamen, waren zu ganz großen Teilen die, dass das dem rechtsstaatlichen Verfahren, das das vietnamesische Strafgesetzbuch für solche Prozesse vorgibt, entsprochen hat.

FRAGE WAHL: Meine Frage richtet sich an Herrn Dr. Neymanns bzw. Frau Adebahr; ich bin mir nicht so sicher. Weil ja bei den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen jetzt das Thema Familiennachzug noch einmal auf der Agenda stehen wird, könnten Sie vielleicht zur Klarstellung den Status quo, was die Härtefallregelung betrifft, noch einmal erläutern. Kann man näher definieren, wer unter den Begriff der Härtefälle fällt?

DR. NEYMANNS: Ich glaube, das gleiche Thema hatten wir hier schon einmal vor zwei Wochen. Ich kenne, ehrlich gesagt, keinen neuen Sachstand. Ich schaue einmal zur Kollegin vom AA herüber, ob das dort anders ist. – Ich sehe, ehrlich gesagt, keinen Ergänzungsbedarf.

FRAGE: Am Donnerstag hat das ukrainische Parlament das sogenannte Donbass-Reintegrationsgesetz verabschiedet. In diesem Gesetz ist die Rede von sogenannter russischer Aggression. Die selbst ernannten Volksrepubliken im Donbass gelten offiziell als okkupierte Territorien, und die Russische Föderation figuriert als Okkupant. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlich steil festgelegten Gleichung: Wie steht die Bundesregierung zu den Beschlüssen in diesem Gesetz, aber auch zu den möglichen verheerenden Folgen für den Friedensprozess in der Region?

STS SEIBERT: Wir hatten hier dazu am Freitag Fragen erhalten da waren Sie nicht dabei und haben das relativ ausführlich besprochen. Ich hätte dem jetzt für die Bundesregierung aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Wir haben genau diese Themen am Freitag hier besprochen.

ZUSATZFRAGE: Soweit ich weiß, hat Herr Breul die Aussagen des US-Präsidenten und des kasachischen Präsidenten nicht beurteilen wollen. Darum bitte ich auch gar nicht. Es geht tatsächlich um das Gesetz, das am Tag vor der Freitagsregierungspressekonferenz verabschiedet wurde. Wurde das am Freitag besprochen?

STS SEIBERT: Genau darum geht es. Ich schlage in solchen Fällen ja vor, dass man das im Protokoll nachliest, in dem man sieht, dass wir genau das besprochen haben, denn ansonsten machten wir ja immer alles doppelt. Da seit Freitag kein neuer Stand eingetreten ist, gilt die Haltung, die die Bundesregierung hier zu dem Gesetz und zu Begriffen wie Besetzung, Aggressor usw. vertreten hat. Die gilt noch.

FRAGE JUNG: Ich wollte noch einmal zum Exportstopp in Bezug auf die am Jemen-Krieg Beteiligten kommen, Herr Seibert, Frau Adebahr und Herr Jornitz. Herr Seibert, können Sie uns einmal die Definition dessen nennen, was Sie unter einer Beteiligung verstehen? Darauf kommt es nämlich an. Daran sind ja eine Menge beteiligt. Dann können Sie vielleicht gleich einmal ausführen, wer die Beteiligten sind.

STS SEIBERT: Ich habe zu dem Thema nur das zu sagen, was wir hier am Freitag in der Pressekonferenz gesagt haben und was ich dann anschließend zur Präzisierung noch nachgereicht habe.

ZURUF JUNG: Das waren ja zwei verschiedene Dinge.

STS SEIBERT: Nein, es ging eigentlich genau darum. – Die Bundesregierung trifft bei Rüstungsexportgenehmigungen derzeit keine Entscheidungen, die nicht mit dem Sondierungsergebnis in Einklang stehen. Das ist der Stand der Dinge. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

Wir haben ansonsten das wissen Sie schon die gültigen strengen Rüstungsexportrichtlinien, nach denen Einzelfall für Einzelfall geprüft wird. Aber als Überschrift habe ich zur Präzisierung nachgereicht: Nur Entscheidungen, die mit dem Sondierungsergebnis in Einklang stehen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das habe ich ja verstanden. Das Sondierungsergebnis ist, dass es einen Exportstopp gegenüber allen am Jemen-Krieg Beteiligten gibt. Beteiligt sind nicht nur Saudi-Arabien, sondern unter anderem auch die USA. Die Amerikaner setzen Navy-SEAL-Teams am Boden ein, sind militärisch aktiv, machen Drohnenangriffe. Ich verstehe es also so, dass Deutschland nicht Waffen an die Amerikaner exportieren wird. Richtig? Habe ich das richtig verstanden, Herr Seibert?

STS SEIBERT: Ich habe mich dazu geäußert. Es gibt immer den Wortlaut eines Ergebnisses und den Geist eines Ergebnisses. Beides ist immer zu berücksichtigen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es hieß „alle Beteiligten“, und die Amerikaner sind beteiligt. Also wird die Bundesregierung keine Rüstungsgüter, solange der Jemen-Krieg läuft, an die Amerikaner liefern. Korrekt?

STS SEIBERT: Das ist Ihre Folgerung, nicht meine. Für

ZURUF JUNG: Das ist doch logisch, wenn Sie „alle Beteiligten“ sagen!

STS SEIBERT: Aber wenn Sie die Antwort schon haben, warum fragen Sie mich denn dann? – Ich habe hier gesagt, was ich hierzu zu sagen habe. Hinsichtlich weiterer Auslegungen des Sondierungsergebnisses bitte ich Sie, die Sondierer zu befragen.

ZUSATZ JUNG: Aber Sie sind doch die Bundesregierung!

STS SEIBERT: Ich habe für die Bundesregierung das gesagt, was dazu zu sagen ist.

VORS. DR. MAYNTZ: Vielleicht möchte der Kollege einfach wissen, ob wir Waffen in die USA exportieren.

ZURUF JUNG: Ja, gerne!

STS SEIBERT: Es ist nett, dass Sie die Frage noch einmal stellen, aber

VORS. DR. MAYNTZ: Die steht hier jetzt ganz groß im Raum.

STS SEIBERT: Ich habe für die Bundesregierung das Notwendige dazu gesagt. Für die weitere Auslegung des Sondierungsergebnisses ist mit den Parteien zu reden. Ich glaube, die Aussage, die wir gemacht haben, ist sehr klar. Ich habe auch vom Geist des Sondierungsergebnisses gesprochen.

FRAGE JESSEN: Vielleicht verschließt sich mir die Klarheit noch. Ich bitte um weitere Aufklärung. Ich finde, dass das, was hier am Freitagvormittag oder mittags gesagt wurde, doch nicht ganz identisch mit dem ist, was dann nachgereicht wurde. Freitagvormittag kam auf die Frage eines Kollegen, ob die Formulierung der Sondierungsverhandlungen bedeuten würde, dass ab sofort keine Rüstungsexporte an am Jemen-Krieg Beteiligte mehr genehmigt werden würden, sowohl vom Sprecher des Wirtschaftsministeriums als auch von Ihnen, Herr Seibert, die Antwort, dass man eine solche pauschale Aussage nicht machen könne, sondern dass es jeweils um eine Einzelfallprüfung gehe. Bindend sei das, was zwischen den beteiligten Ministerien vereinbart sei. Am Nachmittag kam dann Ihre Präzisierung, nämlich die Aussage, dass nichts genehmigt werden würde, was dem Sondierungsgespräch widerspräche. Das war dann eben doch eine pauschale Bewertung. Was war es sonst?

Die Frage, die sich stellt, ist: Was ist der Unterschied zwischen dem Vormittag und dem Nachmittag? Gab es eine solche Vereinbarung zwischen den beteiligten Ministerien schon, und Sie wussten nur nicht von ihr oder wollten sie nicht nennen, oder wurde eine solche Vereinbarung – „Wir genehmigen nichts, was dem Sondierungsergebnis widerspricht“ erst am Nachmittag getroffen?

STS SEIBERT: Wir haben eine Präzisierung nachgereicht, weil uns eine Präzisierung notwendig erschien, und an die können Sie sich ich glaube, sie ist sehr klar halten.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ja, aber mit Verlaub, Herr Seibert: Wenn eine Präzisierung in der Substanz etwas anderes als das ist, was am Vormittag gesagt wurde, dann ist es keine Präzisierung, sondern ein Kurswechsel, eine neue Position. Ich bitte einfach um eine Erklärung dafür, was zu dieser neuen Position führte. Es ist nämlich ein Unterschied, wenn man sagt „Wir können keine pauschale Aussage machen“ und ein paar Stunden später sagt „Die pauschale Aussage ist: Es gibt keine Genehmigung für Exporte in diese Gebiete“. Das sind zwei unterschiedliche Positionen. Das ist keine Präzisierung.

STS SEIBERT: Gut, jetzt sind wir im Definitionsstreit, den ich mit Ihnen nicht eingehen werde. Wir haben eine deutliche Präzisierung bzw. Haltung nachgereicht. Die gilt. Die ist, glaube ich, auch dort von ausreichender Klarheit, wo es möglicherweise am Vormittag nicht ausreichende Klarheit gab. Jetzt gibt es sie.

FRAGE JUNG: Ausreichend ist sie auf keinen Fall. Frau Adebahr, ich versuche es bei Ihnen: Wer sind denn die am Jemen-Krieg Beteiligten?

ADEBAHR: Ich glaube, Herr Seibert hat zu diesem ganzen Komplex

ZURUF JUNG: Nein, nein!

ADEBAHR: Ich habe dem, was Herr Seibert gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Weiß die Bundesregierung nicht, wer am Jemen-Krieg beteiligt ist?

ADEBAHR: Ich verweise auf meine Antwort von eben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das nachreichen? Sie müssen ja wissen, an wen Sie nicht mehr Waffen liefern wollen! Das möchten Sie nicht erläutern.

VORS. DR. MAYNTZ: So scheint es jetzt zu sein. Dann wechseln wir das Thema.

FRAGE YANIN: Ich wollte Frau Adebahr etwas fragen. Es wurde letztens in den israelischen Medien bekannt, dass Außenminister Gabriel wahrscheinlich nach Israel reisen wird. Wissen Sie schon, wann er sich mit Premierminister Netanjahu treffen wird?

ADEBAHR: Es gibt entsprechende Planungen für eine Reise des Bundesaußenministers nach Israel für Ende Januar. Die genaue Ankündigung und den genauen Programmablauf werden wir dann bekannt geben, sobald alles festgezurrt ist und alle Details genau feststehen, an denen wir noch arbeiten. Dann lassen wir Sie das gerne wissen.

FRAGE CLASMANN: Frankreich drängt darauf, dass die EU-Partnerschaft mit den Palästinensern enger wird, vielleicht auch als Reaktion auf das, was Trump in Bezug auf Jerusalem angekündigt hat. Wie die deutsche Position zu diesem französischen Vorstoß aussieht, ist noch nicht ganz deutlich. Vielleicht können Sie sie erläutern.

ADEBAHR: Die deutsche Position zur Partnerschaft mit den Palästinensern und zur Hilfe zum Beispiel über das Flüchtlingshilfswerk UNRWA, das den Palästinensern hilft: Das ist eine sehr enge Partnerschaft, und wir helfen Palästina seit Jahrzehnten. Wir helfen dort über verschiedene Organisationen den Menschen, und das ist natürlich eine Sache, die wir fortführen wollen. Auch heute gibt es in Brüssel wieder Gespräche. Herr Abbas ist heute in Brüssel. Dort werden die EU-Mitgliedstaaten natürlich auch über diesen ganzen Fragenkomplex diskutieren. Man wird sehen, was dabei herauskommen wird.

Grundsätzlich hat sich unsere Haltung auch nach der Ankündigung aus den USA zu Jerusalem nicht verändert. Wir haben darüber ja mehrfach gesprochen. Wie sich die EU dazu in den nächsten Schritten weiter positionieren wird und in welche Richtung es gehen wird, wird natürlich auch dort im Kreise zu besprechen sein.

ZUSATZFRAGE CLASMANN: Es geht ja aber um eine eher politische Partnerschaft so habe ich die Franzosen zumindest verstanden , nicht um Hilfe zum Beispiel für UNRWA. Meine Kollegen in Brüssel haben ganz klar verstanden, was die Franzosen und auch andere Staaten wollen. Aber was die deutsche Position angeht, war es eben sehr undeutlich. Ich wüsste gerne: Wie sieht die denn aus? Unterstützt man das, oder ist man da eher skeptisch?

ADEBAHR: Ich muss sagen, dass ich zu dem, was heute Morgen vielleicht auch von französischer Seite in Brüssel gesagt wurde, noch kein genaues „readout“ und noch keine Interpretation dazu abzugeben vermag, weil ich das nicht im Ohr habe. Die sitzen jetzt heute in Brüssel beieinander und reden über viele Fragen und diesen ganzen Komplex, und dann wird man schauen, wie diese Gespräche verlaufen. Ich vermag heute Vormittag nicht aus der Ferne eine Äußerung zu interpretieren, die ich nicht konkret kenne.

STS SEIBERT: Ich kann auch nur sozusagen die Grundhaltung noch einmal nennen, was das Ziel eines palästinensischen Staates betrifft: Wir unterstützen dieses Ziel eines palästinensischen Staates, der Seite an Seite in Frieden, in Harmonie, in Sicherheit existiert mit Israel und allen anderen Nachbarn. Wir unterstützen dieses Ziel, das nach unserer festen Überzeugung nur durch Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern über eine Zwei-Staaten-Lösung erreicht werden kann. Das ist die Grundhaltung, mit der wir daran herangehen; die ist den palästinensischen Politikern sehr gut bekannt. Unter dieser Grundhaltung gibt es dann zahlreiche humanitäre Belange, um die wir uns auch mitkümmern zusammen mit anderen in der internationalen Gemeinschaft.

FRAGE CLASMANN: Was unternimmt Deutschland im Fall von Lamia K., der zum Tode verurteilten deutschen Staatsangehörigen im Irak? Gibt es da den Versuch, auf die irakischen Behörden einzuwirken, und wenn ja, in welchem Sinne?

ADEBAHR: Wir kennen die Berichte über ein Todesurteil gegen eine deutsche Staatsangehörige im Irak. Wir selbst haben von der irakischen Seite noch keine offizielle Bestätigung über ein solches etwaiges Urteil erhalten. Unsere Botschaft steht in engem Kontakt mit den irakischen Behörden, und wir haben dort konsularische Betreuung angeboten und auch geboten. Insofern werden wir auch das weitere Verfahren, das gegen betroffene Personen dort in Bagdad läuft, natürlich weiter sehr genau beobachten. Das ist momentan unser Stand.

Zu möglichen Ermittlungen von deutscher Seite würde ich an das BMJV oder an den Generalbundesanwalt abgeben. Ich kann von hier aus für das Auswärtige Amt eben für die Tatsache der konsularischen Betreuung sprechen und habe Ihnen den aktuellen Konsularstand dazu dargelegt.

STEFFEN: Ich muss in diesem Fall leider an die Pressestelle des Generalbundesanwalts verweisen.

FRAGE REICHE: Wie viele deutsche Frauen befinden sich denn nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes derzeit in Haft im Irak? Ist bekannt, ob auch weiteren ein solch hohes Strafmaß droht?

ADEBAHR: Ich kann Ihnen mitteilen, dass wir derzeit in Bagdad vier Personen konsularisch betreuen; das ist eine Zahl, die wir herausgeben können. Zu möglichen Verfahren bzw. laufenden Verfahren und dem, was dort von der irakischen Seite vorgebracht wird, können wir aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes von hier aus nicht öffentlich Stellung beziehen.

ZUSATZFRAGE REICHE: Eine der vier ist ja die noch minderjährige Linda W. aus Sachsen, die ja ich glaube, man hat es sogar von ihr selber gehört zurück nach Deutschland will. Wie ist denn da der Stand, wie stehen ihre Chancen?

ADEBAHR: Das ist wiederum eine Frage, die ich für das Auswärtige Amt von hier aus nicht beantworten kann.

FRAGE MEYER-FÜNFFINGER: Ich habe eine Frage an das Bundesverkehrsministerium zu dem Zwangsrückruf bei Audi ich glaube, 130 000 Fahrzeuge sind da jetzt vom KBA zwangszurückgerufen worden. Ich habe nicht so ganz verstanden vielleicht können Sie das noch einmal erklären , was da die Hintergründe sind. Audi hat ja, glaube ich, im Sommer vergangenen Jahres selber 850 000 Fahrzeuge identifiziert, die ein Update bekommen sollen, und jetzt gibt es diese Zwangsmaßnahme vom KBA. Was genau steckt dahinter? Wenn ich mich richtig erinnere, gab es im vergangenen Jahr einen Verkaufsstopp des Porsche Cayenne, bei dem es auch um eine Aufwärm- oder Aufheizeinrichtung für den Diesel ging. Ist der Hintergrund jetzt der gleiche? Wie ist dann diese große Zeitspanne zu erklären?

FRIEDRICH: Grundsätzlich erst einmal zu den Zahlen, die Sie genannt haben: Es ist in der Tat so, dass von diesem verpflichtenden Rückruf bei Audi aktuell 77 600 zugelassene Fahrzeuge in Deutschland betroffen sind. Die Zahl, die Sie jetzt nannten, sind die rund 127 000 Fahrzeuge, die insgesamt weltweit betroffen sind. Das Kraftfahrt-Bundesamt führt nach wie vor selber Prüfungen durch und geht auch Hinweisen nach. In diesem Fall wurden Audi-Kfz mit 3,0-Liter-Dieselmotor nach Euro-6-Norm und zwar die Modelle A4, A5, A6, A7, A8, Q5, SQ5 und Q7 überprüft, und es wurde festgestellt bzw. nachgewiesen, dass es unzulässige Abschalteinrichtungen gibt. Worum geht es hier genau? Es geht hier um die Motoraufwärmfunktion, die erst im Prüfzyklus NEFZ anspringt; im realen Verkehr hingegen kommt es nicht zu einer NOx-Schadstoffminderung. Das ist sehr allgemein formuliert, aber bei den einzelnen Fahrzeugen, die überprüft worden sind, sind die Strategien der Abschalteinrichtungen minimal anders. Das heißt, wir haben hier unterschiedliche Formen der unzulässigen Abschalteinrichtung, die aber alle darauf hinauslaufen, dass die NOx-Schadstoffminimierung im realen Verkehr nicht funktioniert bzw. unterbleibt.

Ich denke, inzwischen ist auch bekannt, was passiert ist: Das KBA hat hier veranlasst, dass es zu einem verpflichtenden Rückruf kommt. Das heißt, bis Anfang Februar muss hier von Audi vorgelegt werden, in welcher Form die Fahrzeuge wieder in einen rechtskonformen Zustand überführt werden können. Das heißt, Audi muss vorlegen, wie das Motorsoftwareupdate aussehen soll. Das KBA wird dann die Freigabe erteilen aber erst dann, wenn es sich von der Wirksamkeit dieses Updates überzeugt hat bzw. wenn keine Zweifel an der Zulässigkeit dieses Updates bzw. des optimierten Konzepts bestehen. Nach der Freigabe des Updates ist es so, dass die betroffenen Fahrzeuge unverzüglich zurückgerufen werden müssen. Es gibt dann wieder die bekannten Schreiben an die Halter, und natürlich gibt es dann wieder den bekannten Zeitraum von 18 Monaten, die der Hersteller dann Zeit hat, um diese Rückrufaktion abzuschließen.

Soweit mir bekannt ist, ist dies eine andere Form der Abschalteinrichtung als beim Porsche Cayenne. Da müsste ich mich aber noch einmal rückversichern bzw. mir den Fall des Porsche Cayenne, der mir im Moment nicht präsent ist, noch einmal genauer ansehen. Warum kam es hier zu diesem langen Zeitraum? Es ist einfach so, dass die Untersuchungskommission, die jetzt ja schon seit fast zwei Jahren besteht, immer wieder Hinweisen nachgeht, aber auch selber Prüfungen durchführt. Im Fall dieser Nachprüfungen durch das KBA kam es eben dazu, dass man diese unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt hat. Es handelt sich hier um einen laufenden Prozess. Letztendlich ist es, wie gesagt, so, dass jedem Hinweis nachgegangen wird.

ZUSATZFRAGE MEYER-FÜNFFINGER: Was ich jetzt nicht verstanden habe: Wenn Audi selber diese Fahrzeuge identifiziert hat, basiert das dann auf eigenen Erkenntnissen des KBA, oder warum stellt man das jetzt sozusagen unter Zwang? Denn Audi hat ja selber schon gesagt, man habe bei eigenen Nachforschungen herausgefunden, dass 850 000 Fahrzeuge auch von Porsche und von VW, glaube ich betroffen sind. Warum gibt es jetzt also diese Zwangsmaßnahme des KBA?

FRIEDRICH: Es geht hier nicht um Zweifel, die bei der Abschalteinrichtung bestehen Sie spielen hier ja gerade auf das Thema „Gruppe 2“ an, also Fahrzeuge, die die Untersuchungskommission als jene identifiziert hat, bei denen nicht ganz klar ist, ob die Abschalteinrichtung wirklich dem Motorschutz dient. Es ist hier so, dass vom KBA festgestellt worden ist, dass die unzulässige Abschalteinrichtung eben nicht dem Motorschutz dient, sondern unzulässig ist, und in diesem Fall kommt es dann auch zu einem verpflichtenden Rückruf.

ZUSATZFRAGE MEYER-FÜNFFINGER: Wissen Sie zufällig aus der Hüfte, ob der Verkaufsstopp für den Cayenne aus dem vergangenen Jahr noch gilt?

FRIEDRICH: Ich nehme an, dass er noch gilt, aber aus der Hüfte müsste ich jetzt auch sagen, dass ich das noch einmal überprüfen muss.

FRAGE DR. DELFS: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert zum Auftritt der Kanzlerin in Davos: Es ist ja angekündigt, dass die Kanzlerin dort eine längere Rede zum Thema Europa halten wird. Können wir erwarten, dass es da schon eine gewisse Konkretisierung der Position der Kanzlerin zu diesem Thema geben wird, auch mit Blick auf die Reformpläne auf Frankreich und mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen? Es besteht ja eine gewisse Sicherheit, dass wir bald eine neue Regierung haben werden, insofern könnte sich die Kanzlerin da ja durchaus schon etwas konkreter äußern.

STS SEIBERT: Angekündigt ist, dass die Kanzlerin am Mittwoch nach Davos reist. Davos hat am Mittwoch thematisch sozusagen einen Europa-Schwerpunkttag, deswegen passt das besonders gut. Sie wird deswegen dazu das Wort ergreifen. Was dann der genaue Ablauf im Plenum des World Economic Forum ist, wie lang ihr Redebeitrag ist und ob es auch noch wie in den vergangenen Jahren eine Frage-und-Antwort-Runde mit dem Publikum gibt, kann ich Ihnen an dieser Stelle noch nicht sagen. Ich verweise jetzt einmal, was die europäischen Themen betrifft, auf die Äußerungen der Kanzlerin am Freitag an der Seite des französischen Präsidenten und am Samstag an der Seite des bulgarischen Ministerpräsidenten und mache Sie damit hoffentlich ein bisschen neugierig auf Davos.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Herr Neumann, ist es jetzt eigentlich sicher, dass auch die Verteidigungsministerin nach Davos fährt? Am Mittwoch könnten ja auch schon die Koalitionsverhandlungen beginnen.

NEUMANN: Die Teilnahme von Ministerin von der Leyen befindet sich derzeit in Klärung.

FRAGE HELLER: Ich würde mich gerne von der Bundesregierung, sprich vom Auswärtigen Amt oder Ihnen, Herr Seibert, erläutern lassen, ob die Bundesregierung vor einer Kurswende im Hinblick auf Sanktionen gegenüber dem Iran steht. Stimmt es, dass die Bundesregierung dafür plädiert, neue Sanktionen gegen den Iran im Zusammenhang mit dessen Rolle in Konflikten im Nahen Osten einzuleiten?

ADEBAHR: Ich glaube, darüber haben wir letzten Mittwoch geredet. Seitdem gibt es keinen neuen Stand. Wir plädieren dafür, jetzt mit unseren europäischen Partnern und auch gemeinsam mit dem Iran sowie natürlich auch den USA zusammenzukommen und über verschiedenste Fragen zu sprechen. Wir bringen weiter unsere Unterstützung für das Nuklearabkommen zum Ausdruck und beobachten natürlich die regionale Rolle des Irans mit Sorge. Die Außenminister haben sich dazu vorvergangene Woche in Brüssel getroffen und haben gemeinsam darüber beraten und beschlossen, mit Iran auch ins Gespräch über solche Fragen zu kommen. Das wird dann der Fall sein. Die Beratungen unter den hochrangigen Beamten Deutschlands, Frankreichs und der EU beginnen jetzt; es gibt Gespräche, und die schreiten fort. Wenn es dort ein Ergebnis zu verkünden gibt, dann werden wir das sicherlich tun. Das sind aber laufende Gespräche, in die wir jetzt eingetreten sind und in denen wir uns weiter befinden, und das muss man jetzt erst einmal abwarten.

Unsere Grundposition ist unverändert: Wir unterstützen das Nuklearabkommen mit Iran, sehen aber auch Probleme mit Blick auf die regionale Rolle des Iran. Insofern gibt es viel zu besprechen, und das gehen wir jetzt an.

ZUSATZFRAGE HELLER: Ich hatte konkret nach Sanktionen gefragt. Am Wochenende ist ein Bericht aufgekommen, in dem es hieß, die Bundesregierung plädiere für Sanktionen oder werbe in Europa für Sanktionen. Können Sie mir noch einmal ganz konkret sagen, wie die Bundesregierung zu neuen Sanktionen steht? Ist das eine Option?

ADEBAHR: Ich kann Gesprächen, die es jetzt geben wird, nicht vorgreifen, und ich möchte Pressebeiträge, die sich um bestimmte Punkte drehen, auch nicht kommentieren. Wir gehen in Gespräche und werden sehen, was herauskommt. Das ist der Stand, den wir jetzt haben, und so gehen wir jetzt vorwärts.

FRAGE WAHL: Ich komme noch einmal zum Familiennachzug zurück. Ich habe jetzt das Protokoll vom 10. Januar überflogen: Da ging es um andere Sachen im Zusammenhang mit dem Familiennachzug, aber nicht um Härtefallregelungen. Darum noch einmal die Frage an Frau Adebahr und Herrn Dr. Neymanns: Wie definieren Sie jetzt die gesetzliche Lage mit Blick auf Härtefallregelungen? Für wen gelten diese Härtefallregelungen also, gelten sie für Minderjährige oder für Kranke, und ab welchem bzw. bis zu welchem Alter?

NEYMANNS: Ich kann hier ad hoc keine Gesetzesauslegung vornehmen. Sie können in das Aufenthaltsgesetz gucken, da ist es in einem Paragraf in den 50ern geregelt. Ich kann gerne auch heute Nachmittag noch einmal gucken. Wenn ich etwas Konkretes finde, dann würde ich es nachreichen, aber versprechen kann ich es nicht.

FRAGE JORDANS: Frau Adebahr, über Nacht gab es widersprüchliche Meldungen zum Anschlag auf ein Hotel in Kabul, bei dem mehrere Menschen umgekommen sind. Darunter waren auch Berichte, dass mindestens ein Deutscher gestorben sei. Haben Sie dazu irgendwelche Informationen?

ADEBAHR: Ja. Ich muss Ihnen leider bestätigen, dass es bei dem furchtbaren Anschlag im Hotel Intercontinental in Kabul auch ein deutsches Todesopfer gegeben hat. Nähere Angaben zur Person und zu Einzelheiten kann ich Ihnen aus Gründen des Identitätsschutzes nicht machen. Die Benachrichtigung der Angehörigen wird, denke ich, in diesen Sekunden abgeschlossen.

Wir haben keine Hinweise auf deutsche Verletzte, also auf andere Personen, die eventuell verletzt sind.

FRAGE JUNG: Können Sie uns wenigstens sagen, ob es sich um eine Privatperson handelt, einen Entwicklungshelfer, einen Botschaftsangehörigen?

ADEBAHR: Nein.

ZUSATZFRAGE JUNG: Mich würde interessieren, wie es Herrn Yücel und den anderen deutsch-türkischen Gefangenen in der Türkei geht. Können Sie uns die aktuellen Zahlen nennen? Wie viele sind aus Sicht der Bundesregierung politische Gefangene? Wie viele haben immer noch keine konsularische Betreuung bekommen?

ADEBAHR: Herr Yücel konnte vergangene Woche von unserem Generalkonsul, Herrn Birgelen, besucht werden. Darüber haben wir vergangene Woche hier gesprochen. Insofern verweise ich auf das dort Gesagte.

Zu den aktuellen Zahlen kann ich Ihnen mitteilen, dass sich noch sieben Personen, sieben Deutsche, bei denen wir davon ausgehen müssen, dass es um politische Vorwürfe geht, in Haft befinden, davon vier Doppelstaatler. In drei Fällen es sind drei Doppelstaatlerfälle haben wir leider immer noch keinen konsularischen Zugang.

FRAGE PALUCKI: Der US-amerikanische Verteidigungsminister, Jim Mattis, stellte am Freitag die neue Nationale Verteidigungsstrategie der USA vor. Zitat aus dem Dokument: Nicht mehr Terrorismus, sondern der zwischenstaatliche strategische Wettkampf ist nun das wichtigste Anliegen der nationalen Sicherheit der USA. Des Weiteren sagte Mattis am Freitag Zitat : Die USA werden jegliche Bedrohung des US-amerikanischen Demokratieexperiments erwidern, unter anderem mit Militärmacht.

Ist die deutsche Außenpolitik im Einklang mit diesem radikalen Kurswechsel der USA?

ADEBAHR: Ich würde mir Ihre Wertung jetzt nicht zu eigen machen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich die Strategie noch nicht gelesen und studiert habe. Bevor ich hier eine Bewertung dieses Dokuments vornehme, müsste ich mich erst über den genauen Inhalt kundig machen. Ich weiß nicht, wie es im Verteidigungsministerium aussieht.

Ich denke, die Grundlinien des transatlantischen Verhältnisses zwischen den USA und Europa bzw. Deutschland haben wir hier bei vielen Gelegenheiten mehrfach dargelegt. An ihnen rütteln wir von unserer Seite nicht. Sehen Sie es mir nach, dass es zum Dokument, wie gesagt, von mir hier im Moment keine Bewertung gibt.

NEUMANN: Ich habe dazu auch keine Ergänzung aus Sicht des BMVg.

FRAGE WEBER: Ich habe eine Frage an Herrn Kübler vom BMUB zu einem neuen Thema. Es ist für unser Mittagsmagazin und geht um das Thema Plastiktüten und die Eindämmung und das Verbot von Plastiktüten. Dazu gibt es ja eine EU-Richtlinie. Auch in Deutschland kosten sie jetzt ja flächendeckend Geld. Jetzt gibt es eine neue Umfrage, nach der 70 Prozent der Deutschen möchten, dass die Kleinverpackungen bei Obst und Gemüse verboten werden.

Jetzt ist die Frage: Gibt es irgendwelche Initiativen in Ihrem Haus oder Maßnahmen, über die berichtet werden könnte?

KÜBLER: Ich möchte hier zunächst noch einmal auf die freiwillige Vereinbarung verweisen, die das Bundesumweltministerium mit dem Handel vor gut anderthalb Jahren getroffen hat. Diese zeigt sehr signifikant Wirkung. Stetig ist der Verbrauch von Tüten im Handel gesunken. Der Handel selbst spricht von einer Reduktion um rund ein Drittel der Tüten.

Wir werden dieses Jahr einen eigenständigen Monitoringbericht vorlegen, der diese Zahlen prüft und verifiziert. Damit haben wir dann wirklich eine Aussage, ob das Ziel, das mit dem Handel in der freiwilligen Vereinbarung getroffen wurde, dass 2018 80 Prozent der Tüten kostenpflichtig sein müssen, erreicht wird. Im Moment sieht es danach aus, dass es stark in diese Richtung geht. Insofern wäre diese freiwillige Vereinbarung ein sehr großer Erfolg.

Bei den sehr dünnwandigen Tüten für Obst, von denen Sie sprechen, wird häufig angeführt, dass man um diese Tüten aus hygienischen Gründen derzeit kaum herumkomme. Aber sehr große Handelsketten unternehmen im Moment verschiedene Versuche, auch hierfür Alternativverpackungen in den Handel zu bringen, um Obst hygienisch gut mit nach Hause zu bekommen. Wir werden das weiter verfolgen und auch in unseren Monitoringbericht, den wir dieses Jahr vorlegen, einbeziehen.

Zu weiteren ordnungspolitischen Maßnahmen werden wir uns erst danach äußern.

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