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Bundesregierung für Desinteressierte: Sehenswerte BPK vom 16. April 2018

Gute & böse Völkerrechtsbrüche ► RegPK vom 16. April 2018

Themen: US-amerikanische, französische und britische Militärschläge in Syrien, Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion, geplante Senkung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung, geplante USA-Reise der Bundeskanzlerin, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung auf Facebook, Liberalisierungstendenzen in Saudi-Arabien, Jemen-Konflikt, Pflanzenschutzmittel Glyphosat, Situation im Gazastreifen

Naive Fragen zu:
Militärschläge in Syrien (ab 1:00 min)
– die Angriffe der Amerikaner, der Briten und der Franzosen am Wochenende sind völkerrechtswidrig. Warum ist der Bundesregierung, die diese Angriffe unterstützt, das Völkerrecht mittlerweile egal? (ab 12:52 min)
– Sie argumentieren jetzt, dass der Bruch des Chemiewaffenabkommens und dieser Bruch des Völkerrechts mit einem weiteren Völkerrechtsbruch gesühnt wird. Das kann es doch nicht sein, Herr Seibert. Ist das Ihre Argumentation?
– Darf deshalb das Völkerrecht gebrochen werden?
– können Sie noch einmal erklären, wie dieses Nein zur militärischen Teilnahme an den Angriffen in der Bundesregierung entstanden ist? War das eine Entscheidung von Frau Merkel, oder haben auch Herr Maas und Frau von der Leyen gesagt „Ja, auf keinen Fall!“, obwohl Sie ja sagen, dass das erforderlich, angemessen und verhältnismäßig war, also eine geile Sache war? Warum haben Sie denn da nicht mitgemacht? Wie ist es zu dem Nein gekommen? (ab 27:15 min)
– Warum hat man denn nicht angeboten, bei dieser tollen Aktion mitzumachen?

Bundesregierung auf Facebook (ab 43:19 min)
– am Wochenende wurde bekannt, dass die Bundesregierung in den letzten Jahren fast vier Millionen Euro für Facebook-Werbung ausgegeben hat. Federführend ist da das Verteidigungsministerium, aber auch ihr Bundespresseamt. Überlegen Sie angesichts der aktuellen Datenskandale rund um Facebook, dieses Investment, dieses öffentliche Geld nicht mehr an Facebook auszuschütten?
– wenn Sie auf Facebook diese Personalwerbung einstellen, ist das dann für alle sichtbar, oder suchen Sie sich konkret aus, welche Zielgruppen Sie mit diesen Posts erreichen wollen, also zum Beispiel Männer zwischen 16 und 35? Oder ist das für die Allgemeinheit sichtbar, also auch für eine Oma oder eine junge Dame?
– Generell, die „sponsored posts“ sind also auch für alle, ist das korrekt?

Saudischer Kronprinz (ab 46:40 min)
– gibt es Besuchspläne von Herrn Salman für Deutschland? Er macht ja gerade eine PR-Tour auf der ganzen Welt (ab 49:25 min)
– Wann gab es zuletzt bilaterale Gespräche zum Beispiel von Herrn Maas oder von Frau Merkel mit der saudischen Seite über die saudischen Verbrechen im Jemen?
– Und Sie fordern da genau was von den Saudis?

Gazastreifen (ab 58:01 min)
– wie bewertet die Bundesregierung, dass auch an diesem Wochenende wieder Hunderte Menschen beschossen wurden, 200 Menschen wurden laut Gesundheitsministerium im Gaza verletzt, einer wurde getötet. Wie passt das mit der Ansage der Bundesregierung zusammen, dass auf Demonstranten nicht geschossen werden darf? Das hat das AA hier am 6. April klargemacht.
– Nur damit es jetzt kein Missverständnis gibt: Ich habe Sie jetzt nicht so verstanden, dass Sie den Demonstranten, die dort demonstriert haben natürlich nicht so, wie wir uns das hier in Deutschland vorstellen eine Mitschuld geben, dass die Demonstranten die israelische Armee provoziert haben, zu schießen, oder sind das zwei verschiedene Sachen? Auf der einen Seite so, auf der anderen Seite so? Es hörte sich jetzt so an, als ob die Demonstranten eine Mitschuld haben, dass sie beschossen wurden.

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 16. April 2018:

FRAGE HELLER: Gibt es schon irgendwelche positiven Reflexe aus Moskau, die zeigen, dass politische Versuche einer Lösung des Konflikts in Syrien Erfolg haben könnten?

Wenn man sagt, dass gesprochen werden muss, beinhaltet dies auch, dass mit Herrn Assad gesprochen werden muss und dass Herr Assad als Gesprächspartner für die Beilegung der Probleme in Syrien zur Verfügung stehen sollte?

STS SEIBERT: Ich beginne mit der zweiten Frage. Unser Urteil über Präsident Assad ist klar. Beinahe täglich gibt er ja neue Proben seines rücksichtslosen und brutalen Vorgehens gegen all die Syrer, die er als Gegner seines Regimes betrachtet. Gleichzeitig müssen wir in der Außenpolitik mit Realitäten umgehen. Dank der Unterstützung durch Russland und den Iran ist Herr Assad noch Präsident und hat weite Teile Syriens unter seine Kontrolle gebracht.

Syrien und die Syrer brauchen endlich ein Ende aller Kämpfe, ein Ende aller Gewalttaten, und dann brauchen sie einen politischen Prozess unter Beteiligung aller, die im Land und in der Region Einfluss haben und der natürlich den Übergang von diesem Präsidenten, dem natürlich Teile der Bevölkerung und all die, die er aus dem Land vertrieben hat, nicht mehr vertrauen können, hin zu einer anderen Regierung organisieren kann. Eine langfristige Lösung in Syrien ist also nach unserer Vorstellung nur ohne Assad vorstellbar. Aber natürlich müssen wir diesen politischen Prozess, der bisher ja noch keine wesentlichen Schritte erreicht hat, erst einmal in Gang bringen, und natürlich muss ein Übergang organisiert werden.

ZUSATZFRAGE: Was lese ich aus dem heraus? Langfristig ohne Assad, aber kurzfristig ist er als einer der Beteiligten auch ein potenzieller Gesprächspartner. Verstehe ich das so richtig?

STS SEIBERT: Wir stehen bestenfalls am Anfang eines politischen Prozesses, der von den Vereinten Nationen mit viel Einsatz übernommen worden ist, der aber noch keine wesentlichen Ergebnisse zeitigen konnte. Erst einmal muss Frieden in Syrien herrschen. Erst einmal muss die Waffenstillstandsresolution 2401, die derzeit ja nicht eingehalten wird, landesweit eingehalten werden. Dann kann man in diesem politischen Prozess hoffentlich vorankommen. Dazu wollen wir als Bundesregierung zusammen mit unseren Partnern, ganz besonders auch im engen Schulterschluss mit Frankreich, beitragen. Dann werden wir sehen, wie man in die Übergangsphase hineinkommt. Aber da sind wir noch nicht. Bis dahin müssen wir natürlich auch Realitäten hinnehmen, die sich uns in Syrien präsentieren.

FRAGE KÜFNER: Im Prinzip möchte ich eine Frage weitergeben, die auf der Kritik von Wolfgang Ischinger in der Sendung „ANNE WILL“ basiert, in der er sagte, die Haltung der deutschen Bundesregierung sei für ein großes Land in Europa zu wenig. Er stellte die Frage, warum Deutschland kein formelles „endorsement“ zum Beispiel auf europäischer Ebene organisiert hat. Hielten die Partner Großbritannien und Frankreich das nicht für nötig, oder warum hat Deutschland die Unterstützung, die ja verbal ausgedrückt wurde, nicht noch vielleicht mit einem gemeinsamen Papier formalisiert?

STS SEIBERT: Deutschland hat in den Stimmen der Bundeskanzlerin, des Außenministers und der Verteidigungsministerin gleich am Samstagvormittag sehr klar gesagt, wo es in dieser Sache steht, und zwar an der Seite all derjenigen, die über den erneuten Einsatz von C-Waffen durch das Regime Assad entsetzt sind und die dafür arbeiten und dafür ein wichtiges Zeichen setzen wollen, dass die C-Waffenkonvention nicht erodiert und dass es keine Gewöhnung an und keine Straflosigkeit für den Einsatz von C-Waffen gibt.

Ich denke, wenn Sie die Äußerungen der Bundesregierung vom Samstagvormittag sehen, dann stellen Sie fest, dass es überhaupt keinen Zweifel daran geben kann, wo wir stehen, nämlich an der Seite derjenigen, die als permanente Mitglieder des UN-Sicherheitsrates in besonderer Weise Verantwortung übernommen haben.

ZUSATZFRAGE KÜFNER: Sieht sich Deutschland dann nicht in der Rolle, eine gesamteuropäische Unterstützung zu organisieren?

STS SEIBERT: Ich gebe gleich an die Kollegin aus dem Auswärtigen Amt weiter; denn heute sind die Außenminister zusammen und besprechen auch die Lage in Syrien.

ADEBAHR: Heute Morgen hat in Luxemburg der Außenministerrat begonnen. Syrien steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung. Die Debatte zu Syrien ich habe gerade noch einmal telefoniert läuft. Die einzelnen Mitgliedsstaaten präsentieren ihre Beiträge. Bisher wird dort deutlich, dass der Wille, darauf jetzt einen politischen Prozess aufzusetzen und politisch voranzukommen, dort von allen ganz klar zum Ausdruck gebracht wird. Wir reden heute natürlich auch noch einmal mit den französischen und den britischen Kollegen das wird der Außenminister tun , damit man sich dort ganz eng abstimmt und um jetzt zu versuchen, möglichst schnell und möglichst konkret einen Prozess in Gang zu bringen und ihm neuen Schub zu geben, um die Arbeit des VN-Sondergesandten Staffan de Mistura zu unterstützen.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, kurz nach den Luftangriffen gab es aus den USA gleich Kritik, dass Deutschland hätte mitbombardieren oder sich beteiligen sollen. Zur Klärung: Gab es eine entsprechende Anfrage aus den USA an die Bundesregierung?

Zweite Frage: Frau von der Leyen hat gesagt, dass sie kurz vor der Attacke von Herrn Mattis informiert worden sei. Gab es vorher auch eine Unterrichtung der Kanzlerin durch Herrn Trump?

STS SEIBERT: Über interne Kommunikationswege berichte ich Ihnen hier ja grundsätzlich nicht.

Zu Ihrer ersten Frage: Es bedarf dazu keiner Klärung. Denn das ist am Wochenende mittlerweile mehrfach gesagt worden: Nein, es gab keine Anfrage, dass sich Deutschland an diesen Luftschlägen militärisch beteiligt.

FRAGE GRÄSER: Wie realistisch sind die diplomatischen Initiativen jetzt, nach den Bomben, die abgefeuert wurden, bevor die zuständige Organisation für das Verbot chemischer Waffen die Vorwürfe in Duma untersucht und wenn Außenminister Maas das gleich wieder mit der Vorbedingung verknüpft, dass eine langfristige Lösung nur ohne Assad möglich ist, obgleich Herr Assad große Zustimmung in der syrischen Bevölkerung erfährt?

Wird bei den Initiativen, die dazu in Gang gesetzt werden, an bisherige russische und andere Initiativen angeknüpft, die zu einer politischen Lösung führen sollen und die auch zum Beispiel von UN-Generalsekretär Guterres in München im Februar gelobt worden sind?

Ich habe dann noch eine Frage zu den Aktivitäten der Bundesrepublik Deutschland. Im Vorfeld der aktuellen Ereignisse gab es im Jahr 2012 Berichte, dass die Bundesregierung aktiv an einer Arbeitsgruppe für eine Zeit nach Assad beteiligt ist bis hin zu einer Arbeitsgruppe zum Wirtschaftsaufbau. Es gab die Meldung über BND-Spionage mit Hilfe der Bundeswehr vor der syrischen Küste, wozu die „BILD“-Zeitung damals berichtete, dass die Erkenntnisse über die britischen und amerikanischen Dienste auch an die syrischen Rebellen weitergeleitet würden. Mich interessiert, ob diese deutschen Aktivitäten von vor einigen Jahren fortgesetzt werden.

STS SEIBERT: Das war jetzt eine Menge auf einmal, und ich habe vergessen mitzuschreiben. Über die Aktivitäten von 2012, ganz besonders die von Ihnen angesprochenen angeblichen geheimdienstlichen Aktivitäten, kann ich hier keine Auskunft geben.

Sie fragen, wie realistisch es ist, dass man der politischen Lösung, die das Land braucht, einen neuen Schub gibt. Ich denke, es ist so realistisch, wie der Einsatz all derjenigen in der Region stark ist, die dort Verantwortung und Einfluss haben eben auch der Iran, eben auch Russland , zunächst einmal mit der Umsetzung des landesweiten Waffenstillstandes und dann eben auch mit den Friedensbemühungen für Syrien ernst zu machen. Diese Friedensbemühungen sollten nicht auf der Basis brutaler Angriffe gegen die syrische Bevölkerung erfolgen, sondern sie sollten von wirklichem Friedenswillen getragen sein.

ADEBAHR: Wenn ich das noch hinzufügen darf: Sie sehen an diesem Wochenende und nach diesen Geschehnissen ja, dass sich in dieser Situation auch auf internationaler Ebene Aktivität ergibt. Wir haben heute das Außenministertreffen. Ende April wird es eine große Konferenz der Hohen Repräsentantin der EU zu Syrien geben. Wir haben im Sicherheitsrat einen neuen Resolutionsentwurf. Das heißt, es gibt jetzt schon so etwas wie die Erkenntnis, dass es jetzt neuen Schub braucht, um einen politischen Prozess aufzusetzen.

Zur Frage, wie dabei mit Assad umzugehen ist, hat Herr Seibert alles gesagt. Jetzt sind Gespräche mit allen Akteuren, die Einfluss in der Region haben das ist auch der Iran, und das ist auch Russland , auf der Tagesordnung, um sich an einen Prozess zu machen, in dem man über die nächsten konkreten Schritte redet. Die nächsten konkreten Schritte das hat Herr Seibert schon gesagt, und das hat der Außenminister gesagt , sind erst einmal ein Waffenstillstand nach der Resolution 2401 und humanitärer Zugang. Dann müssen wir darüber reden, wie ein Übergangsprozess in Gang kommt mit einer Übergangsphase, mit einer Verfassungsreform. Am Ende dieses Prozesses müssten Wahlen stehen, in denen sich alle Syrerinnen und Syrer sowie alle Bevölkerungsgruppen mit ihren Interessen wiederfinden. In diesem Prozess müssten sie eine nachhaltige Zukunft für ihr Land definieren können. Das ist ein langer Weg. Ich denke, niemand gibt die Garantie dafür.

Ja, Sie haben darauf hingewiesen, dass es in den vergangenen sieben Jahren Fortschritte und viele Rückschritte gab. Aber es ist doch schon zu sehen, dass jetzt vielleicht der Moment gekommen ist, das international neu anzugehen.

ZUSATZFRAGE GRÄSER: Nach Bomben ohne Beweise? Die Bomben wurden abgeworfen, bevor die Organisation für das Verbot chemischer Waffen vor Ort tätig sein konnte. Sie ist erst nach den Bombenangriffen, nach den Raketenangriffen aktiv geworden. Ist das realistisch?

STS SEIBERT: Wir haben für die Bundesregierung sehr klar gemacht, wie es auch die Partner, die die Luftschläge gefahren haben, tatsächlich gesagt haben, dass alle vorliegenden Erkenntnisse das sind zahlreiche nicht nur dafür sprechen, dass es ein Chemiewaffeneinsatz war auch das ist zum Teil bestritten worden , sondern auch dafür, dass das syrische Regime erneut für diesen Einsatz verantwortlich ist.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, die Angriffe der Amerikaner, der Briten und der Franzosen am Wochenende sind völkerrechtswidrig. Warum ist der Bundesregierung, die diese Angriffe unterstützt, das Völkerrecht mittlerweile egal?

STS SEIBERT: Diesen Vorwurf würde ich inhaltlich gar nicht teilen. Ganz sicher ist der wiederholte Chemiewaffeneinsatz ein ganz elementarer Bruch des Völkerrechts, der in keiner Weise hinnehmbar ist. Ich denke, es ist im Interesse aller Staaten, dass das C-Waffeneinsatzverbot, wie es in der C-Waffenkonvention, der übrigens auch Syrien angehört, niedergelegt ist, nicht erodiert, dass es ernst genommen wird und nicht eine Kultur der Straflosigkeit Einzug hält. Dagegen haben aus unserer Sicht in angemessener und notwendiger bzw. erforderlicher Weise die drei Staaten ihre Luftschläge geflogen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie argumentieren jetzt, dass der Bruch des Chemiewaffenabkommens und dieser Bruch des Völkerrechts mit einem weiteren Völkerrechtsbruch gesühnt wird. Das kann es doch nicht sein, Herr Seibert. Ist das Ihre Argumentation?

STS SEIBERT: Meine Argumentation ist, dass in der Tat die Chemiewaffenkonvention durchzusetzen und aufrechtzuerhalten ein hohes Ziel ist, ein Ziel, dass wir

ZUSATZFRAGE JUNG: Und dann darf das Völkerrecht gebrochen werden?

STS SEIBERT: Ich würde den Satz gern noch zu Ende führen. Das ist ein Ziel, das wir mit unseren Verbündeten teilen. Die Haltung Deutschlands wie der Verbündeten ist: Der Einsatz von Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung darf nicht ungestraft vonstattengehen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Darf deshalb das Völkerrecht gebrochen werden?

STS SEIBERT: Das ist das, was ich dazu jetzt sagen kann, nämlich dass ich es für einen hohen Wert halte, dass die C-Waffenkonvention, die ein wirklicher wichtiger zivilisatorischer Beitrag ist, zu dem sich die allermeisten der Staaten der Welt verpflichtet haben, aufrechtzuerhalten, während sie in Gefahr ist, durch diejenigen, die C-Waffen wiederholt gegen die eigene Bevölkerung einsetzen, ausgehöhlt und verspottet zu werden.

FRAGE DR. TUYALA: Herr Seibert, Sie sprachen gerade von zahlreichen Erkenntnissen, die vorlägen. Der US-Verteidigungsminister Mattis hat noch am Vortage des Angriffes gesagt, dass die USA über keinerlei Beweise verfügten, sondern sich lediglich auf Berichte Dritter, zum Beispiel auf Medienberichte oder Videos und Fotos aus Social-Media-Kanälen, stützten. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?

STS SEIBERT: Sowohl Briten als auch Franzosen und Amerikaner haben von ihren Erkenntnissen gesprochen. Wir teilen diese Erkenntnis und sehen es genauso, dass nämlich alle vorliegenden Erkenntnisse dafür sprechen, dass am 7. April ein C-Waffenangriff gegen die Bevölkerung von Duma geleistet wurde und dass dieser Angriff erneut auf das Konto des syrischen Regimes geht.

ZUSATZFRAGE DR. TUYALA: Die Weißhelme waren die Ersten, die Videos und Fotomaterial ins Internet gestellt haben. Die Weißhelme werden aber nicht nur von zwei ehemaligen britischen Botschaftern beschuldigt, unter anderem Komplizen eben der islamistischen Extremisten in Syrien zu sein. Wie schätzt die Bundesregierung diese Weißhelme ein?

ADEBAHR: Die Weißhelme sind eine Organisation, mit der die Bundesregierung und auch das Auswärtige Amt in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben und die unserer Einschätzung nach eine hohe Glaubwürdigkeit in ihrer Arbeit, in dem, was sie tut, und in ihrer unglaublich tollen Hilfsleistung, die sie in Syrien an den Tag legt, hat.

STS SEIBERT: Wir haben das nach meiner Erinnerung ausgedrückt, als die Weißhelme den Alternativen Nobelpreis bekamen. Da haben wir hier gesessen und die Haltung der Bundesregierung zum Einsatz und zur Leistung dieser Menschen deutlich gemacht.

FRAGE DR. VITZTHUM: Der Außenminister sagte heute, dass sich wohl niemand vorstellen könne, dass jemand, der Chemiewaffen gegen die Bevölkerung einsetze, Teil der Lösung sein könne. Herr Seibert, wie passt dies zu dem, was Sie gesagt haben, dass er offensichtlich zumindest Teil eines Übergangsprozesses sein könnte?

STS SEIBERT: Ich sehe darin keinen Widerspruch. Wir beide haben hier doch skizziert, dass man einerseits Realitäten natürlich annehmen muss, wenn man Außenpolitik betreiben will, und andererseits doch Ziele haben muss. Das Ziel eines Syriens mit einer Regierung, der die Menschen dort vertrauen können, heißt automatisch, dass das jedenfalls langfristig nicht ein Syrien unter der Führung des derzeitigen Präsidenten ist.

Aber wir sind beim Einstieg in diesen politischen Prozess. Das muss man doch auch noch einmal sagen. Wir hoffen, dass dieser Prozess jetzt neuen Schub bekommt. Vielleicht sehen wir dafür auch erste Anzeichen. Aber das alles muss doch noch belastbar werden.

FRAGE JESSEN: Zum einen, damit ich es für mich klar sehe: Der Bruch staatlicher Souveränität ohne UN-Mandat wäre natürlich eine Verletzung eines wichtigen völkerrechtlichen Prinzips. Herr Seibert, wenn ich Sie richtig verstehe, dann sagen Sie: Die Tatsache, dass nach Ihrer Überzeugung Assad durch einen Chemiewaffeneinsatz gegen die eigene Bevölkerung in einem gravierenderen Ausmaß Völkerrecht verletzt habe, rechtfertige diese andere Form des Eingriffs, der eben auch eine Verletzung von Völkerrecht ist. Zwei Völkerrechtsbrüche stehen also gegeneinander, und Sie bewerten den ersten von Assad so hoch, dass der zweite dadurch legitimiert wird. Ist das die Erklärung?

Meine zweite Frage: Sie haben gesagt, alle Hinweise deuteten darauf hin, dass der jüngste Angriff wiederum von Assad ausgegangen sei. Wie passt das zu der Erklärung von Präsident Macron, der gesagt hat, es sei jetzt notwendig, dass eine unabhängige Untersuchung durchgeführt werde? Muss man eine unabhängige Untersuchung dann noch machen, wenn doch klar zu sein scheint, wer der Übeltäter bzw. der Verbrecher war?

STS SEIBERT: Erstens: Das, was ich gesagt habe, habe ich gesagt. Ich bitte, das, was ich gesagt habe, für die Aussage der Bundesregierung zu nehmen und nicht Ihre Paraphrasierung. Ich habe mich so geäußert, wie ich mich geäußert habe.

Zweitens: Wir wünschen uns seit Monaten, dass der UN-Sicherheitsrat in der Syrien-Frage seine Arbeit machen kann. Seit Monaten ist er in der Fähigkeit, seine Arbeit zu machen und seine Funktion wirklich auszuüben, immer und immer wieder blockiert worden. Das bedauern wir sehr. Es wäre gut das ist natürlich ein Appell an Russland und andere , den Sicherheitsrat wirklich seine Arbeit machen zu lassen.

ADEBAHR: Ich kann dazu sekundieren. Es gab sechs russische Vetos im Zusammenhang mit den Chemiewaffen, und es gab zwölf russische Vetos insgesamt zu Syrien in den letzten Monaten. Dass der Sicherheitsrat handlungsunfähig ist und auch im vorliegenden Fall nicht handeln konnte, ist eine traurige Realität, die man in der ganzen Diskussion auch mit einbeziehen muss.

Noch einmal zur unabhängigen Untersuchung: Im Moment tagt der OVCW-Exekutivrat in Den Haag. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen ist die Organisation, von der wir uns wünschen und von der sich auch der Sicherheitsrat immer wünscht, dass sie die Vorfälle untersuchen kann. Sie hat das in der Vergangenheit unter zum Teil sehr schwierigen Bedingungen tun können und hat dabei die Verantwortung von Assad für Chemiewaffeneinsätze festgestellt. Im Moment sind auch Experten vor Ort. Es geht darum, dass sie Beweise sammeln und sie aufbereiten, um auch diesen Vorfall zu dokumentieren.

Natürlich unterstützen wir die Organisation in dieser wichtigen Arbeit, für die sie leider im Moment kein Mandat vom Sicherheitsrat hat, weil Russland die Verlängerung des unabhängigen Untersuchungsmechanismus JIM heißt der leider im November verhindert hat und es seitdem einen solchen Mechanismus eben nicht mehr gibt. Es ist gut, wenn sich die OVCW das jetzt als zuständige internationale Organisation anschaut.

ZUSATZ JESSEN: Herr Seibert, ich habe das ja nicht paraphrasiert, um Ihnen etwas in den Mund zu legen, sondern um Sie zu verstehen, und ich habe verstanden, dass Sie sagten, der Einsatz von Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung sei ein massiver Bruch des Völkerrechts. Das haben Sie so gesagt. Daraufhin habe ich gesagt, dass ein Waffeneinsatz gegen einen Staat ohne ein UN-Mandat aber zweifellos auch ein Eingriff ins Völkerrecht ist. Da stehen also zwei völkerrechtliche Prinzipien gegeneinander. Deswegen war meine Frage nicht eine Paraphrasierung, eine Frage , ob für die Bundesregierung der erstgenannte Völkerrechtsbruch so schwer wiegt, dass er den zweiten Völkerrechtseingriff legitimiert. Das ist keine Paraphrasierung!

STS SEIBERT: Bei diesem Chemiewaffeneinsatz durch das Assad-Regime in Duma handelt es sich um einen elementaren Bruch des Völkerrechts. Der ist in keiner Weise hinnehmbar. Der UN-Sicherheitsrat ist zum wiederholten Male durch das russische Veto blockiert worden, und aus diesem Grund begrüßt die Bundesregierung, dass unsere Verbündeten im Sicherheitsrat mit ihrem Vorgehen gegen Chemiewaffeneinrichtungen des syrischen Regimes Verantwortung übernommen haben, um Präsident Assad von weiteren Verstößen gegen die Chemiewaffenkonvention abzuhalten.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Auch dann, wenn dieser Einsatz selbst ein Bruch des Völkerrechts ist?

STS SEIBERT: Ich habe das jetzt so gesagt, wie es unsere Überzeugung ist.

FRAGE MADELIN: Ich bin ein paar Minuten später gekommen. Vielleicht ist die Frage also schon gestellt worden; es tut mir leid. Fühlt sich die Bundesregierung auf der Höhe ihrer eigenen Erwartungen, die im Koalitionsvertrag stehen, was die Rolle Deutschlands angeht, also dass Deutschland mehr Verantwortung übernehmen will? Es geht um diesen Einsatz oder diese Nichtbeteiligung an diesem Einsatz.

In dem Statement vom Samstag steht, dass die USA, Großbritannien und Frankreich als ständige Mitglieder des Sicherheitsrats in angemessener Weise reagiert hätten. Heißt das im Umkehrschluss, dass Sie, wenn sich Deutschland für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat bewirbt und wenn Sie in so einer Rolle wären, an solchen Einsätzen teilnehmen würden?

Herr Flossdorf, wir wissen, dass Deutschland eine Parlamentsarmee hat. Könnte es für die Bundeswehr trotzdem theoretisch möglich sein, solche Einsätze schnell zu planen und Rückendeckung des Bundestages zu bekommen, oder ist das einfach unmöglich?

STS SEIBERT: Erstens: Ja, Deutschland bewirbt sich um einen zeitweiligen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Was dann hypothetisch geschehen wird, ist hier für mich überhaupt nicht darstellbar, weil wir gar nicht wissen, wie die Lage sein wird.

Ich will auf das eingehen, was Sie im Subtext sagen, nämlich dass sich Deutschland nicht genügend engagiere. Das möchte ich sehr stark zurückweisen. Deutschland engagiert sich international vielfältig. Es ist nichts Besonderes, dass Deutschland einen Einsatz seiner Verbündeten und Freunde unterstützt, militärisch jedoch nicht an ihm beteiligt ist. Das gibt es umgekehrt ganz genauso. Wir erleben das auch in schwierigen Militäreinsätzen, in denen unsere Bundeswehr steht, sei es in Mali, sei es in Afghanistan. Auch dort gibt es Partnerländer und Verbündete, die selbst keine Truppen schicken, aber diesen Einsatz politisch absolut unterstützen und hinter ihm stehen. Deutschland ist seiner internationalen Verantwortung in den letzten Jahren vielfältig und auch militärisch gerecht geworden und tut das weiterhin. Ich muss Ihnen die Mandate und Engagements hier, glaube ich, nicht aufzählen.

Ich will aber noch hinzufügen, weil das für uns eben auch immer wichtig ist und es auch in der Region Syriens und der umliegenden Länder wichtig ist: Wir sind seit Jahren einer der wichtigsten und größten Partner im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe und der Armutsbekämpfung, und wir sind entschlossen, auch dieses Engagement weiter systematisch auszubauen.

FLOSDORFF: In der Regel gelten natürlich die Kuratelen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes für die Bundeswehr. Es gibt bestimmte Ausnahmefälle, doch das hängt dann auch von dem jeweiligen Fall ab, und das ist sicherlich nicht so pauschal zu beantworten.

ADEBAHR: Wenn ich ich weiß nicht, ob das so bekannt ist noch etwas zu den Vereinten Nationen sagen darf: Da wird es am 8. Juni eine Wahl in New York geben, und wir bewerben uns um einen nicht ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Auf diese Wahl bereiten wir uns derzeit vor. Sie finden ganz verschiedentlich gemachte Äußerungen des Bundesaußenministers dazu, was dabei unsere Schwerpunkte sein werden und wie wir uns dort für diesen zweijährigen „term“ engagieren wollen, den wir anstreben.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, können Sie noch einmal erklären, wie dieses Nein zur militärischen Teilnahme an den Angriffen in der Bundesregierung entstanden ist? War das eine Entscheidung von Frau Merkel, oder haben auch Herr Maas und Frau von der Leyen gesagt „Ja, auf keinen Fall!“, obwohl Sie ja sagen, dass das erforderlich, angemessen und verhältnismäßig war, also eine geile Sache war? Warum haben Sie denn da nicht mitgemacht? Wie ist es zu dem Nein gekommen?

STS SEIBERT: Ich wiederhole es gerne noch einmal. Erstens gab es keine Anfrage danach, dass sich Deutschland militärisch an den Luftschlägen in Syrien beteiligen solle. Zweitens sind wir in dieser Frage wie in allen anderen Aspekten der Syrienpolitik in dieser Bundesregierung einig.

ZUSATZFRAGE JUNG: Warum hat man denn nicht angeboten, bei dieser tollen Aktion mitzumachen?

STS SEIBERT: Weil jedes Land seinen eigenen Beitrag leistet. Wir begrüßen es sehr, dass die drei ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in dieser Sache Verantwortung übernommen haben. Wir unterstützen sie politisch-diplomatisch mit all unseren Mitteln.

Ich habe es Ihnen gerade zu erklären versucht: Wir sind an vielen Stellen der Welt militärisch engagiert. Nicht in jedem dieser Einsätze sind alle westlichen Partner und Verbündeten militärisch engagiert, und dennoch unterstützen sie ihn. So ist der Zusammenhalt unter den westlichen Verbündeten, dass jeder situationsabhängig seinen Beitrag leistet.

FRAGE DR. TUYALA: Herr Seibert, Herr Flosdorff, wie plausibel ist es denn für die Bundesregierung, dass Präsident Assad ohne jeglichen militärtaktischen Grund Giftgas gegen Frauen und Kinder einsetzt, obwohl man sich ja gerade ich meine, sogar am Vortag mit den verbliebenen Extremisten auf einen Abzug geeinigt hatte und Ost-Ghuta jetzt wieder unter voller Kontrolle der syrischen Regierung steht?

STS SEIBERT: Ich sehe keine Veranlassung für mich als Regierungssprecher, hier über mögliche militärtaktische Erwägungen des syrischen Präsidenten zu sprechen. Ich frage mich, was die militärtaktische Begründung gewesen sein soll, um in Chan Schaichun vor fast genau einem Jahr gegen die eigene Bevölkerung C-Waffen einzusetzen. Das ist nicht meine Überlegung. Wir stellen fest, was ist, und das muss die westliche Gemeinschaft und müssen alle, die an der C-Waffen-Konvention festhalten, beantworten.

FLOSDORFF: Herr Seibert und Frau Adebahr haben die Frage ja auch schon einmal sehr treffend beantwortet. Ich füge dem jetzt nichts hinzu.

ZUSATZ DR. TUYALA: Sie reden jetzt wieder von Chan Schaichun. Es müsste Ihnen doch bewusst sein, dass die OPCW selbst ja gar nicht vor Ort war und gar keine eigenen Untersuchungen vor Ort durchgeführt hat. Sie führen das immer wieder ins Feld, aber auch bei diesem Fall gab es ja eben keine Beweise seitens der OPCW.

Die Frage ist ja auch, warum seitens der Bundesregierung ausgeschlossen wird, dass so ein Giftgasanschlag auch von den Extremisten hätte durchgeführt werden können, um genau diese Szenarien hervorzurufen, die wir jetzt gerade erleben. Deswegen müssen Sie sich, wenn Sie sagen „Das war gerechtfertigt; das war sogar vernünftig“, doch auch Gedanken über ein Motiv Assads gemacht haben. Daher stelle ich die Frage, und ich denke schon, dass die legitim ist, Herr Seibert und Herr Flosdorff.

STS SEIBERT: Ihre Fragen sind Ihnen hier natürlich vollkommen freigestellt. Das ist natürlich legitim. Dafür machen wir eine Pressekonferenz. Aber ich glaube nicht, dass Sie von den Sprechern der Bundesregierung erwarten können, dass wir uns in das Denken eines Regimes und mögliche taktische Überlegungen eines Regimes hineinversetzen, das ganz offensichtlich nichts dabei findet, immer und immer wieder gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen, und zwar in brutalster Weise.

ZUSATZFRAGE DR. TUYALA: Deswegen habe ich ja die Zusatzfrage, warum Sie denn dann offensichtlich ausschließen, dieser Angriff hätte auch von den Extremisten durchgeführt worden sein können, um genau diese Reaktionen hervorzurufen, die wir jetzt gerade erleben. Das war die Zusatzfrage, warum das ausgeschlossen wird.

STS SEIBERT: Weil alle vorliegenden Erkenntnisse bei uns wie bei den Partnern, die diese Luftschläge geflogen haben darauf hinweisen, dass erneut eine Verantwortung des syrischen Regimes vorliegt.

FLOSDORFF: Ich hätte es nicht schöner sagen können.

FRAGE JESSEN: Ich habe noch einmal zwei Fragen, zum einen: Wenn ich die Nachrichtenlage richtig sehe, dann hat Assad dem französischen Vorstoß, ein neues Format zu begründen, wohl entschieden widersprochen; vielleicht nicht überraschend. Für wie realistisch halten Sie es, dass dieses Format dann doch zustande kommen wird?

Zum Zweiten habe ich eine konkrete Frage: Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele der ungefähr 110 abgefeuert Raketen und Bomben tatsächlich ins Ziel gegangen sind? Es gab ich glaube, seitens der syrischen oder der russischen Regierung Angaben darüber, dass mindestens zwei Drittel davon abgefangen worden seien. Haben Sie eigene Erkenntnisse, von denen Sie uns berichten können?

FLOSDORFF: Ich habe hier keine Erkenntnisse, die ich Ihnen mitteilen könnte.

ZURUF JESSEN: Aber Sie haben welche!

ADEBAHR: Für wie realistisch halten wir das? Natürlich geht die Bundesregierung und gehen die Partner da selbst mit Schwung und Elan rein. Aber wir sehen, dass Deutschland dabei natürlich nicht im luftleeren Raum agiert, dass es schwierig wird, dass es ein steiniger Weg ist, dass wir eine Lösung dieses Konflikts auch nicht von jetzt auf gleich bekommen werden und dass es Zeit und Beharrlichkeit bedarf, bis man ein Format in Unterstützung der Vereinten Nationen aufgesetzt haben wird. Man muss mit Russland sprechen, man muss mit den Regionalmächten sprechen, und man muss natürlich alle Akteure, die dort eine Rolle spielen, in der einen oder anderen Art und Weise einbinden und versuchen, auch Russland dazu zu bringen, das seine Hand schützend über das Assad-Regime hält, dort seinen Einfluss geltend zu machen.

Wir alle können hier, glaube ich, nicht darüber spekulieren, wie der Fortgang jetzt sein wird. Wir können nur deutlich machen, dass es vielleicht wird heute auch in Brüssel ein Signal von der EU ausgehen jetzt ein Momentum gibt, um da neu einzusteigen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Schmälert die schroffe Ablehnung durch Assad also nicht zwangsläufig die Chancen dieses neuen Ansatzes? Das ist ja der Versuch, da, wo der Sicherheitsrat blockiert ist, zu sagen: Wir schaffen ein neues Instrumentarium. – Werden diese Chancen dadurch nicht geschmälert?

ADEBAHR: Wenn Sie sich den Genfer Prozess bisher angeschaut haben, dann war es dort auch so, dass sich die Delegation des syrischen Regimes der Diskussion verweigert hat und selbst die Diskussion über die Tagesordnung blockiert hat. Das ist ein Faktum, mit dem wir seit Jahren umgehen müssen. Es ist natürlich so, dass das schwierig bleiben wird, und das ist auch allen bewusst. Dennoch muss man da jetzt einen neuen Anlauf wagen.

STS SEIBERT: Ich möchte gerne noch ganz kurz, wenn ich darf, weil Chan Schaichun hier wieder eine Rolle gespielt hat, etwas nachreichen, was ich gerade nicht zur Hand hatte: Im Juni 2017 die Tat in Chan Schaichun fand im April 2017 statt hat ein vom UN-Sicherheitsrat mandatiertes gemeinsames Untersuchungsteam der UN und der OVCW den Einsatz von Sarin bei diesem Einsatz bestätigt und die Streitkräfte des syrischen Regimes als Verantwortliche für dieses Verbrechen benannt.

FRAGE GRÄSER: Ich habe noch einmal eine Frage zu diesen diplomatischen Initiativen: Warum geht es um Eigeninitiativen? Warum wird das, was selbst von UNO-Vertretern wie dem Generalsekretär und auch Herrn de Mistura im Gespräch mit mir bestätigt wurde, nicht unterstützt, nämlich Versuche einer politischen Lösung durch verschiedene Gespräche in Genf, in Astana, in Sotschi oder zum Beispiel die Arbeit des russischen Versöhnungszentrums in Syrien, das in vielen Gebieten in Syrien dafür gesorgt hat, dass Kämpfe vor Ort lokal bzw. regional beendet wurden und dass auch Rebellengruppen in die Lösungen vor Ort einbezogen wurden? Das ist, wie gesagt, mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen auch von der UNO gelobt worden. Warum unterstützen die westlichen Staaten auch die, die dort jetzt mit Raketenangriffen aktiv wurden nicht das, was da bisher läuft? Warum unterstützt das auch die Bundesregierung nicht?

Ich will noch daran erinnern, dass General Kujat erklärt hat, dass eine politische Lösung ohne die Aktivitäten Russlands gar nicht in Sicht wäre und der Westen bisher ohne Plan sei. Wo ist heute der westliche Plan?

ADEBAHR: Ich verweise Sie dazu vielleicht auf die Äußerungen des Bundesaußenministers vom Wochenende, der erklärt hat ich glaube, das möchten wir auch nicht missverstanden wissen , dass wir die Vereinten Nationen und den Sondergesandten Staffan de Mistura, zu dem auch ein enger Kontakt dieser Bundesregierung besteht, sowie den Genfer Prozess natürlich weiter in ihrer Arbeit unterstützen, dass es dafür neuen Schub braucht und dass sich dafür jetzt eben die wichtigen, einflussreichen Staaten zusammensetzen müssen, um das zu besprechen. Er hat auch deutlich gemacht, dass man dazu mit Russland ins Gespräch kommen muss und dass das wichtig ist. Auch das können Sie, glaube ich, in allen Äußerungen vom Wochenende ganz verschiedentlich nachlesen.

FRAGE GAMMELIN: Das Kapitel I des Koalitionsvertrags ist ja überschrieben mit „Ein neuer Aufbruch für Europa“. Am morgigen Dienstag gibt es nun eine Sitzung der Bundestagsfraktion der Union, in der wahrscheinlich eine Stellungnahme verabschiedet wird, die der Bundeskanzlerin dann in den europäischen Gesprächen, ich würde einmal sagen, die Hände ziemlich binden wird. Meine Frage an Herrn Seibert: Wie wird die Bundeskanzlerin damit umgehen, dass die eigene Fraktion ihre Verhandlungsfreiheit in Europa beschneidet? Ist es dann überhaupt noch möglich, ambitionierte Reformen durchzusetzen?

Die zweite Frage: Die SPD hat bisher signalisiert, dass sie am Ende im Bundestag nicht für so einen Parlamentsvorbehalt mitstimmen wird. Ist das aus Ihrer Sicht problematisch? Wie wollen Sie sich da einigen?

STS SEIBERT: Dies ist nicht die richtige Position, um Geschehen in den Fraktionen zu besprechen dem Sie auch noch vorgreifen.

ZUSATZ GAMMELIN: Na ja, es betrifft ja auch Regierungshandeln.

STS SEIBERT: Aber die Fraktionssitzung hat ja noch gar nicht stattgefunden.

ZUSATZ GAMMELIN: Ja, aber es gibt ja die Dokumente, die schon da sind, und die Unionsfraktion hat sich auch dazu geäußert.

STS SEIBERT: Die beziehen sich auf das sogenannte Nikolauspaket der Europäischen Kommission. Die Diskussionen im Europäischen Rat und auch die Diskussionen unter den Finanzministern sind ja weiter gefasst.

Deutschland und Frankreich, die Kanzlerin und Präsident Macron, sind in einem intensiven Diskussions- und Arbeitsprozess zu allen Facetten dieses Themas Eurozonenreform. Dabei gibt es Übereinstimmungen genau wie unterschiedliche Meinungen. Das ist übrigens zwischen deutschen und französischen Regierungschefs etwas ziemlich Normales. Vor allem gibt es aber, wie die Kanzlerin gesagt hat, den festen Willen, einen gemeinsamen Weg zu finden. Das findet seinen Niederschlag ja auch in der Koalitionsvereinbarung. Wir haben verschiedene Themenfelder von der Bankenunion bis zur Stärkung des ESM , die in unterschiedlichen Zusammenhängen mit Frankreich und mit den Partnern in Brüssel diskutiert werden. Besonders der enge Austausch mit Frankreich ist für uns natürlich von Bedeutung.

Ich möchte hier jetzt nicht über einzelne Elemente sprechen, schon gar nicht im Vorgriff auf Sitzungen in Fraktionen. Ich kann nur sagen: Der feste Wille, einen gemeinsamen Weg zu finden, ist da. Ich würde Sie bitten, die Gespräche der nächsten Tage und Wochen einfach noch abzuwarten. Bei all dem haben wir ja die Zielrichtung des Europäischen Rats im Juni.

ZUSATZFRAGE GAMMELIN: Ja, aber wenn Sie im Europäischen Rat im Juni etwas erreichen wollen, müsste jetzt wir haben jetzt April, das sind also noch ungefähr sechs bis acht Wochen ja alles auf Hochtouren laufen, und genau in dieser Phase kommt jetzt die Unionsfraktion und sagt: Nein, halt, wir wollen da alles unter Parlamentsvorbehalt stellen. Wie machtvoll kann man dann denn überhaupt noch verhandeln?

STS SEIBERT: Fragen an die Fraktion richten Sie bitte auch an die Fraktion. Die Bundeskanzlerin wird in dieser Woche, am Donnerstag, mit Präsident Macron zu einer weiteren ausführlichen Arbeitssitzung über im Wesentlichen genau diese Themen zusammentreffen. Wahrscheinlich werden auch andere außenpolitische Themen eine Rolle spielen, aber das ist der Kern des Treffens. Ich würde Sie bitten, das einfach einmal abzuwarten. Wir sind und zwar mit viel Einsatz von beiden Seiten mitten im Arbeitsprozess.

FRAGE HELLER: An das Arbeitsministerium bzw. das Gesundheitsministerium: Am Wochenende gab es Meldungen über Beitragssenkungen, die es schon zum 1. Januar 2019 geben solle. Ist das der Zeitpunkt? Gibt es schon eine genaue Vorstellung, in welchem Maße diese Beiträge gesenkt werden?

WACKERS: Ich würde für das Gesundheitsministerium anfangen. Wir arbeiten darauf hin, dass die Senkung das ist ja die Einführung der Parität, das heißt dann für die Versicherten, dass sie im Schnitt 0,5 Prozentpunkte weniger bezahlen müssten zum 1. Januar 2019 kommt. Das steht im Übrigen auch im Koalitionsvertrag.

WESTHOFF: Genau. Dazu laufen in der Tat Gespräche. Was die Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags betrifft der soll ja um 0,3 Prozentpunkte abgesenkt werden : Wann das genau kommen kann und kommen wird, wird man sehen. Ob das dann in einem Gesetzentwurf oder in verschiedenen Gesetzentwürfen kommt und ob es sozusagen eine gemeinsame Entlastung auch formell in einem Gesetz gibt oder nicht, wird man sehen; dazu laufen im Moment noch Gespräche, die noch nicht abgeschlossen sind. Festhalten darf man auf jeden Fall schon einmal: In beiden Bereichen soll es eine deutliche Entlastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler geben. Das wird kommen. Die Frage ist nur, wie das formell umgesetzt wird und was der genaue Zeitpunkt dafür sein wird.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, ich habe eine Frage zum deutsch-amerikanischen Verhältnis: Können Sie uns auf den neusten Stand bringen, was den geplanten Besuchs der Kanzlerin in Washington angeht? Man hat das Gefühl, dass es doch ungewöhnlich lange dauert, bis da jetzt Klarheit herrscht, ob sie überhaupt fährt und wann sie fährt.

Können Sie bestätigen, dass die Initiative für diesen Besuch von deutscher Seite ausging und nicht von amerikanischer Seite?

STS SEIBERT: Die zweite Frage, muss ich sagen, ist mir sehr fremd. Man macht Besuche oder man empfängt Besuche, weil zwei Seiten einander sehen und sprechen wollen. Das ist immer so.

Zum anderen kann ich Ihnen sagen: Die Vorarbeiten und die Absprachen für diesen Besuch sind sozusagen in der Schlussphase, und wir werden Ihnen dazu relativ bald Mitteilungen machen können.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Das heißt, wir können erwarten, dass die Kanzlerin demnächst nach Washington fliegt?

STS SEIBERT: Das heißt, dass ich glaube, Ihnen dazu relativ bald Mitteilungen machen zu können.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, am Wochenende wurde bekannt, dass die Bundesregierung in den letzten Jahren fast vier Millionen Euro für Facebook-Werbung ausgegeben hat. Federführend ist da das Verteidigungsministerium, aber auch ihr Bundespresseamt. Überlegen Sie angesichts der aktuellen Datenskandale rund um Facebook, dieses Investment, dieses öffentliche Geld nicht mehr an Facebook auszuschütten?

STS SEIBERT: Das Bundespresseamt ist da ja so gut wie nicht beteiligt.

ZUSATZ JUNG: Ich frage aber schon den Sprecher der Bundesregierung.

STS SEIBERT: Gut. Dazu habe ich mich hier in der letzten Woche da waren Sie nicht da sehr deutlich geäußert.

ZUSATZ JUNG: Das war ein anderes Thema.

STS SEIBERT: Was jetzt? Soll ich antworten? Sie fragen doch nach Facebook, ja?

ZUSATZ JUNG: Korrekt, aber nach den vier Millionen Euro. Letzte Woche Freitag war das Thema, was Sie da allgemein machen. Ich frage nach den Geldern, die für „sponsored posts“ eingesetzt wird.

STS SEIBERT: Das Bundespresseamt sponsert keine Posts, deswegen kann ich dazu nichts sagen. Die Ministerien machen ihre Kommunikationsarbeit ja auch unter eigener Verantwortung, deswegen müssten Sie sie dann fragen.

Ich denke, man sollte dennoch zwei Dinge nicht miteinander verwechseln, nämlich zum einen die berechtigte Kritik an Facebook und an seinem Umgang mit den Daten der Nutzer eine Kritik, hinter der wir absolut stehen und die Facebook natürlich auffordert, erhebliche Veränderungen vorzunehmen und zum anderen die grundsätzliche Frage, wie man mit Öffentlichkeitsarbeit, mit Informationen der Bundesregierung auch die Menschen erreicht, die man erreichen möchte.

FLOSDORFF: Ich kann das gerne noch ergänzen, damit hier nicht alles in einen Topf geschmissen wird. Ich glaube, man muss da auseinanderhalten zwischen den Informationen über die Regierungsarbeit und der Personalwerbung, die die Bundeswehr schaltet. Wie Sie wissen, ist die Bundeswehr seit einigen Jahren keine Wehrpflichtarmee mehr, vielmehr ist sie jetzt eine Freiwilligenarmee. Selbstverständlich nutzt die Bundeswehr alle Möglichkeiten, auch personalwerblich junge Menschen für den Arbeitgeber Bundeswehr zu interessieren. Natürlich spielen die Social-Media-Kanäle dabei eine sehr große Rolle. Früher lief das vielleicht über die Printmedien, dann hat das weniger interessiert, und heute läuft das über die Social-Media-Kanäle; insofern ist das ganz normal.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Flosdorff, wenn Sie auf Facebook diese Personalwerbung einstellen, ist das dann für alle sichtbar, oder suchen Sie sich konkret aus, welche Zielgruppen Sie mit diesen Posts erreichen wollen, also zum Beispiel Männer zwischen 16 und 35? Oder ist das für die Allgemeinheit sichtbar, also auch für eine Oma oder eine junge Dame?

FLOSDORFF: Das, was wir machen, ist dort sichtbar.

ZUSATZFRAGE JUNG: Generell, die „sponsored posts“ sind also auch für alle, ist das korrekt?

FLOSDORFF: Ich kann das jetzt nicht für jedes einzelne Produkt sagen wir haben in der Personalwerbung eine sehr große Produktpalette. Das, was Sie kennen und was im großen Rahmen diskutiert wird, ist sichtbar.

FRAGE: Frau Adebahr, wir hören seit Wochen und fast schon Monaten immer wieder Berichte aus Saudi-Arabien über Tendenzen zur Liberalisierung. Diese Woche werden erstmals seit Langem wieder Kinos eröffnet. Wie beurteilen Sie diese Tendenzen? Ist das wirklich eine Liberalisierung in dem Land? Ist das vielleicht sogar der Anlass, unser Verhältnis zu Saudi-Arabien nachzujustieren und aus einem neuen Blickwinkel zu beurteilen?

ADEBAHR: Die Reformagenda, die Kronprinz Salman sich dort vorgenommen hat, ist sehr ehrgeizig. Die rührt schon an lange Grundüberzeugungen, die in der saudischen Gesellschaft bisher vorgeherrscht haben. Das ist schon eine sehr ehrgeizige, sehr moderne Agenda, und die umfasst übrigens ganz verschiedene Bereiche: Die umfasst die Wirtschaft, die umfasst die Diversifizierung des saudischen Haushalts, dessen Einnahmequellen bisher fast ausschließlich aus Ölprodukten bestand, die umfasst den Transfer der saudischen Wirtschaft in das 21. Jahrhundert, mit der Planung ganz großer Wirtschaftszentren, und die umfasst in einem sehr ambitionierten Bereich auch die Modernisierung des Bildes der Frau in der Gesellschaft. Wir haben alle mit Freude, glaube ich, die Nachricht gehört, dass Frauen in Saudi-Arabien jetzt Auto fahren dürfen. Der Anteil der Studentinnen in Saudi-Arabien steigt rapide an, und auch die Arbeitsaufnahme von Frauen in Saudi-Arabien ist auf einem ganz aufsteigenden Ast.

Insofern: Auch die Eröffnung des ersten Kinos ich glaube, das war vor eineinhalb Wochen ist ein Beitrag, der in diese Richtung geht. Ich denke, es ist zu begrüßen, dass die saudische Gesellschaft durch ihre Regierung Anstöße bekommt, um sich fit zu machen für das 21. Jahrhundert, und zwar in ganz vielen Bereichen. Das ist eine Sache, die wir natürlich mit Unterstützung betrachten und auch als einen richtigen und wichtigen Schritt empfinden, den Saudi-Arabien da jetzt geht.

ZUSATZFRAGE: Gibt es Korrekturen oder neue Nuancen durch den Ministerwechsel? Unter Sigmar Gabriel war das Verhältnis ja ein bisschen angespannt, um es einmal freundlich auszudrücken Stichwort „Abenteurertum“, der Botschafter wurde da abgezogen. Bleibt Minister Maas jetzt eher auf dieser Linie oder korrigiert er da die Haltung?

ADEBAHR: Ich glaube, Minister Maas wird seine Haltung da finden. Klar ist, dass Saudi-Arabien und das sieht auch der Minister so ein wichtiger Partner in der Region ist, dass man mit Saudi-Arabien ins Gespräch kommen muss und auch im Gespräch bleiben muss und dass man vielleicht auch Schritte unternimmt, die einem engen Verhältnis zwischen unseren beiden Ländern in Zukunft dienen können.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, gibt es Besuchspläne von Herrn Salman für Deutschland? Er macht ja gerade eine PR-Tour auf der ganzen Welt.

STS SEIBERT: Auch das wäre vielleicht eher eine Frage an die saudische Botschaft. Ich gebe hier mit den üblichen Rhythmen die Termine für die Bundeskanzlerin bekannt. Darüber hinaus müsste ich Sie dann wirklich an das Land verweisen, von dem Sie jetzt etwas wissen wollen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Gut. Wann gab es zuletzt bilaterale Gespräche zum Beispiel von Herrn Maas oder von Frau Merkel mit der saudischen Seite über die saudischen Verbrechen im Jemen?

ADEBAHR: Das Auswärtige Amt ist über unsere Botschaft mit den saudischen Gesprächspartnern im Gespräch, und es gab vor Kurzem auch eine Reise des zuständigen Abteilungsleiters nach Saudi-Arabien. Ich mache mir Ihre Wertung nicht zu eigen, aber da kommen alle Themen, die im bilateralen und im regionalen Verhältnis wichtig sind, zur Sprache; da gibt es einen Austausch, natürlich.

ZUSATZFRAGE JUNG: Und Sie fordern da genau was von den Saudis?

ADEBAHR: Unsere Haltung zum Jemen-Konflikt wenn Sie das darauf beziehen ist, glaube ich, sehr klar: Wir fordern einen humanitären Zugang, wir fordern, dass es eine politische Lösung für diesen Konflikt gibt, damit das Leid der Menschen, das massiv ist, ein Ende hat. Wir bemühen uns, unsere humanitäre Hilfe so gut wir es eben können auch dort den Menschen zugutekommen zu lassen. Ich glaube, darüber haben wir hier vielfach gesprochen.

FRAGE DR. TUYALA: Trotzdem möchte ich noch einmal an die gleiche Frage anschließen, auch wenn das Thema wirklich schon oft behandelt wurde. Es war jetzt gerade wirklich sehr auffällig, dass Sie geradezu begeistert über die möglichen Reformpläne Saudi-Arabiens und des Kronprinzen referiert haben das ist eine Interpretation, entschuldigen Sie bitte. Gleichzeitig drängt sich, wenn man das Ganze beobachtet, doch ein bisschen der Verdacht auf, dass es da eine Art von selektiver Empörung gibt angesichts der Vorfälle in Duma und in Syrien generell und angesichts zahlreicher Kriegsverbrechen der saudischen Seite im Jemen das ist ja nun wirklich bewiesen. Wie lässt sich das erklären? Wie gesagt, man hat den Eindruck, dass das eine selektive Empörung, eine selektive Wahrnehmung von Gegebenheiten ist.

ADEBAHR: Ich glaube, Sie vermischen jetzt verschiedene Konflikte und Themen miteinander

ZUSATZ DR. TUYALA: In der Tat, ja.

ADEBAHR: und verbinden das mit einer Wertung, die Sie jetzt treffen.

Ich kann noch einmal wiederholen, dass wir mit Saudi-Arabien zu allen Themen und die haben wir hier oft genug behandelt in Gesprächen sind. Unsere Haltung zu den einzelnen Konflikten, die man auch in ihrer Einzelheit betrachten sollte, haben wir, glaube ich, auch deutlich gemacht.

STS SEIBERT: Wir haben hier doch sehr häufig das haben Sie selber gesagt über unsere große Sorge angesichts der humanitären extremen Notlage, die in Jemen herrscht, gesprochen. Nicht nur gibt es das Problem der Cholera, es gibt auch die Ausbreitung der lebensgefährlichen Diphterie. Das sind gewaltige Risiken für eine Bevölkerung, die in der Krise natürlich ohnehin schon schwer belastet ist. Deswegen sind wir der Auffassung, dass alles getan werden muss, um humanitäre Zugänge zu öffnen, damit Hilfsorganisationen ihre Güter und ihrer Unterstützung für die Menschen ins Land bringen können. In diesem Zusammenhang haben wir das übrigens auch gegenüber Saudi-Arabien klar formuliert. Wir haben aber auch zur Kenntnis genommen, dass Ende Januar die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz einen humanitären Hilfsplan für Jemen, die „Yemen Comprehensive Humanitarian Operations“, vorgestellt hat. Dieser Hilfsplan enthält immerhin signifikante Mittelzusagen für humanitäre Unterstützung in Jemen, und jetzt wird eben die Umsetzung dieses Planes entscheidend sein, also die Sicherstellung, dass Hilfsgüter aller Art medizinische Hilfe, Kraftstoff, kommerzielle Güter auch bei den Bedürftigen ankommen. Darüber sprechen wir natürlich mit Saudi-Arabien.

Wir nehmen allerdings auch zur Kenntnis und auch darüber muss man sprechen , dass Saudi-Arabien zum wiederholten Mal zum Ziel von Raketen wurde, die aus Jemen abgeschossen wurden und denen beispielsweise in Riad auch schon ein Mensch zum Opfer gefallen ist.

ZUSATZ DR. TUYALA: Herr Seibert, nichtsdestotrotz, Sie benutzen das Wort ja selber und sagen, die Bundesregierung drücke ihre Sorge aus. Aber darin erschöpft sich das Ganze ja auch schon. Im Fall von Duma werden Bombenangriffe gutgeheißen, es wird von vernünftigen, angemessenen Schritten gesprochen. Das ist doch durchaus ein messen mit zweierlei Maß, das müssen Sie angesichts Ihrer eigenen Worte doch eingestehen.

STS SEIBERT: Nein, ich würde sagen, das ist auf Ihrer Seite eher ein Gleichsetzen von Dingen, die man nicht gleichsetzen kann.

ZUSATZFRAGE DR. TUYALA: Wenn im Jemen Hochzeiten bombardiert werden, bei denen Dutzende Menschen sterben, inwieweit ist das nicht gleichzusetzen? Das verstehe ich jetzt nicht.

STS SEIBERT: Ich glaube, dass es keinen Zweck hat, so Ereignisse gegeneinander aufzuwiegen. Wenn in einem Krieg Zivilisten sterben, wenn es Ereignisse gibt wie die, die Sie gerade beschreiben, dann ist das schrecklich. Dann ist es natürlich die Verantwortung derjenigen, die militärisch agieren, sicherzustellen, dass so etwas möglichst nicht vorkommt. Das gilt in jedem militärischen Konflikt.

FRAGE SCHWENCK: Eine kurze Frage zu Glyphosat. Die Landwirtschaftsministerin hat gesagt, dass es mit dem Verbot nicht so einfach werden wird. Meine Frage ist: Was sind die Gründe dafür?

Die zweite Frage an das Umweltministerium: Bleibt das Umweltministerium dabei, dass Glyphosat verboten werden sollte?

Weil es ja schwierig ist: Gab es denn schon Gespräche mit dem Landschaftsministerium?

LENZ: Vielen Dank für die Frage. Die Ministerin hat sich dazu sehr klar geäußert und auch schon in der Regierungserklärung klargemacht, dass sie sich an den Koalitionsvertrag hält. Der sagt ja ganz deutlich, dass man mit einer systematischen Minderungsstrategie den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich mit dem Ziel einschränken wird, die Anwendung so schnell wie möglich und grundsätzlich zu beenden.

Das hat sie in dem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ betont, auf das Sie wahrscheinlich anspielen, und auch heute Morgen noch einmal. Diesbezüglich besteht auch kein Dissens mit dem Umweltministerium, sondern wir halten uns an den Koalitionsvertrag.

HAUFE: Ich kann das genauso wiedergeben. Das Stichwort ist: Anwendung beenden. Wir wollen die Anwendung des Wirkstoffs Glyphosat in Deutschland beenden. So steht es im Koalitionsvertrag, so hat es auch die Bundesumweltministerin immer vertreten.

Ein Verbot dieses Wirkstoffs würden wir nur auf europäischer Ebene hinbekommen. Aber darum geht es im Moment gar nicht. Auf der europäischen Ebene ist ja entschieden worden, dass dieser Wirkstoff erst einmal wieder für fünf Jahre zugelassen wird. Davon abgesehen gibt es ja in der Europäischen Union eine Diskussion zwischen verschiedenen Ländern, wie man dann danach mit diesem Wirkstoff weitermacht. Gleichzeitig gibt es Länder, die fordern, dass man auch vonseiten der EU stärker in die Alternativforschung eintritt. Das ist also eine Debatte, die etwas von dem getrennt werden muss, worum wir uns jetzt kümmern, nämlich um diese systematische Minderungsstrategie.

Noch zur Einordnung: Die Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat enthalten, haben ihre Zulassung verloren. Die Hersteller müssen sie jetzt neu beantragen, was sie auch gemacht haben. Dafür sind zwei Behörden zuständig, nämlich das Bundesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft und das Umweltbundesamt. Im Laufe dieses Jahres müssen diese Mittel neu zugelassen werden. Das ist dann auch die Situation, in der es mögliche Einschränkungen für diese Mittel gibt.

Noch einmal auf die praktische Ebene geschaut: Der Ausstieg ist möglich, der Ausstieg ist auch schon längst im Gang. Es gibt etwa über 180 Kommunen in Deutschland, die bereits beschlossen haben, dass sie auf ihren kommunalen Flächen keine Mittel mehr mit Pestiziden einsetzen. Es gibt auch Unternehmen, die diesen Wirkstoff mittlerweile ablehnen. Wir sind also bereits mitten in diesem Prozess, die Anwendung zu beenden.

FRAGE JUNG: Zum Gazastreifen. Frau Adebahr, Herr Seibert, wie bewertet die Bundesregierung, dass auch an diesem Wochenende wieder Hunderte Menschen beschossen wurden, 200 Menschen wurden laut Gesundheitsministerium im Gaza verletzt, einer wurde getötet. Wie passt das mit der Ansage der Bundesregierung zusammen, dass auf Demonstranten nicht geschossen werden darf? Das hat das AA hier am 6. April klargemacht.

ADEBAHR: Wir verfolgen die Proteste in Gaza natürlich weiter sehr genau und sehen auch, dass es dort eine reale Gefahr der Eskalation gibt. Deshalb ist es nach wie vor unsere Position, alle Beteiligten und alle Seiten zu einer größtmöglichen Zurückhaltung aufzurufen, denn wenn wir uns die Lage anschauen, bleibt sie nach wie vor bedrückend.

Ich kann noch einmal das wiederholen, was wir von dieser Stelle aus schon gesagt haben, dass friedlicher Protest natürlich kein Deckmantel für Gewalt sein kann. Wer öffentlich zu Gewaltfreiheit aufruft, aber gleichzeitig zu Gewalt aufhetzt, der stellt eben infrage, dass er sich auf das Recht zum friedlichen Protest berufen kann. Das Verbrennen israelischer Flaggen ich glaube, das haben wir hier auch schon sehr deutlich gemacht ist absolut inakzeptabel.

Auf der anderen Seite das haben wir ja auch schon unterstrichen würde ich gerne noch einmal deutlich machen, dass der Schusswaffeneinsatz gegenüber unbewaffneten Demonstranten es gab den Fall eines Journalisten, der sehr breit durch die Presse gegangen ist eine berechtigte Frage der Verhältnismäßigkeit aufwirft. Israel ist natürlich berechtigt, den Grenzzaun zu sichern. Aber wir begrüßen es auch, dass die israelische Seite angekündigt hat, dass gewisse Vorfälle nun lückenlos untersucht und aufgeklärt werden. In dieser Situation befinden wir uns jetzt.

Wir befinden uns nach wie vor in einer Situation, in der die humanitäre Lage in Gaza sehr bedrückend ist. Auch dort ist es eben das Grundanliegen der Bundesregierung, weiterhin zu helfen. Das tun wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln natürlich weiterhin.

ZUSATZFRAGE JUNG: Nur damit es jetzt kein Missverständnis gibt: Ich habe Sie jetzt nicht so verstanden, dass Sie den Demonstranten, die dort demonstriert haben natürlich nicht so, wie wir uns das hier in Deutschland vorstellen eine Mitschuld geben, dass die Demonstranten die israelische Armee provoziert haben, zu schießen, oder sind das zwei verschiedene Sachen? Auf der einen Seite so, auf der anderen Seite so? Es hörte sich jetzt so an, als ob die Demonstranten eine Mitschuld haben, dass sie beschossen wurden.

ADEBAHR: Nein. Ich wollte ausdrücken, dass für beide Seiten unser Aufruf an Zurückhaltung gilt und dass wir an beide Seiten appellieren, dass es bei friedlichen Protesten bleibt. So wollte ich verstanden werden.

FRAGE JESSEN: Ist die Position, die Herr Breul hier am 6. April, wie zitiert, explizit vertreten hat, dass auf Demonstranten nicht geschossen werden dürfe das war ja kategorisch auch der israelischen Regierung explizit kundgetan worden oder sagen Sie „Das wissen die sowieso“?

Zweitens. Herr Seibert, wenn man die Auseinandersetzungen im Gazastreifen ein Stück weit auch als Ausdruck von Verzweiflung oder unbefriedigenden Lebensverhältnissen sieht, gibt es aktuelle Überlegungen der Bundesregierung, den Palästinensern vor allem im Gazastreifen in irgendeiner Form zu helfen, bei aller gebotenen Solidarität mit Israel?

ADEBAHR: Zur ersten Frage: Wir sind mit der israelischen Botschaft hier und auch über unsere Botschaft dort in einem ständigen Austausch. Ich kann Ihnen jetzt von keinem konkreten internen Gespräch berichten. Der Austausch ist natürlich ständig und auf verschiedenen Ebenen mit der israelischen Seite da.

STS SEIBERT: Ich müsste Ihnen eine Antwort dazu nachliefern, was es möglicherweise an europäischen Projekten gibt.

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