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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK-Folge vom 12. August 2015

Rette sich, wer kann! ▼ Bundespressekonferenz vom 10. August

Naive Fragen- & Themenübersicht:

Kabinettsbeschlüsse (ab 0:40 min)
– (zu den Terrorismusbekämpfungsgesetzen): Herr Seibert, können Sie sagen, welche Wissenschaftler die Sicherheitsbefugnisse untersucht haben? Sie haben von unabhängigen Wissenschaftlern gesprochen… (7:10 min)
– Zur Situation von Flüchtlingen in Ausbildung würde mich interessieren, wie man auf die 15 Monate kommt. Warum nicht 18 Monate, warum nicht zwölf Monate? (8:05 min)

„Rettung“ Griechenlands (ab 8:45 min)
– Herr Seibert, was ich noch nicht ganz verstanden habe: Der IWF will sich nicht an einem dritten Hilfspaket beteiligen, wenn es keinen Schuldenschnitt gibt. Das will die Kanzlerin ja nicht. Aber gleichzeitig will sie nicht, dass der IWF nicht dabei ist. Können Sie diesen Widerspruch vielleicht aufklären? (25:30 min)
– Gibt es denn jemanden in Ihrem Haus, der nicht glaubt, dass die Schuldenquote in den nächsten Jahren steigen wird? (27:25 min)
– noch einmal ganz konkret: Wenn das Hilfspaket durch den Bundestag geht und der IWF im Herbst aussteigt, was passiert dann?(35:50 min)
– Herr Seibert, es gab in den letzten Tagen eine Studie, die besagt, dass Deutschland, also der deutsche Staat, durch die Griechenland-Krise mehr als 100 Milliarden Euro Profit gemacht hat. Weiß die Bundesregierung denn schon, was sie in den nächsten Jahren durch die Griechenland-Krise an Profiten einfahren wird? (40:40 min)
– Die Frage spielte eher darauf an, ob der deutsche Staat bzw. die Bundesregierung ein Interesse daran haben, dass es weiterhin Krisen in Griechenland gibt, um an dieser niedrigen Zinspolitik für Deutschland… (42:18 min)

Saudi-Arabien/Iran (ab 47:30 min)

BND/NSA-Aufklärung (ab 51:00 min)
– Das habe ich nicht ganz verstanden. Sie haben in Sachen Selektorenliste immer gesagt, dass man sich mit den Amerikanern abstimmt, dass es ein Konsultationsverfahren gibt und dass abgewartet wird. Wenn man jetzt den Berichten glaubt, dass die Amerikaner gar nichts dagegen hatten, dann hat die Bundesregierung ja quasi auf eigenem Tun und nach bestem Wissen und Gewissen gesagt: Ja, wir setzen die parlamentarische Kontrolle aus und setzen etwas Neues dazu. – Das hat sich die Bundesregierung also ganz allein ausgedacht, ohne überhaupt irgendein Druck von amerikanischer Seite? Kann man das so bewerten? (54:00 min)

Syrien/Assad (ab 55:35 min)
– Ich wollte zu dem Thema Syrien und Assad kommen. Frau Chebli, US-Präsident Obama hat offiziell den Einsatz von Drohnen und Kampfjets gegen die syrischen Streitkräfte genehmigt, falls das erforderlich sein sollte. Unterstützt die Bundesregierung das und ist das völkerrechtlich in Ordnung? Gibt es einen entsprechenden Beschluss des UN-Sicherheitsrats? (55:40 min)
– Wie ist denn die Haltung der Bundesregierung in Sachen Assad? Muss er aus Sicht der Bundesregierung gehen? (56:20 min)

Entsorgung/Abriss von Atomkraftwerken (ab 58:45 min)

Flüchtlingspolitik (ab 1:00:35 min)

Gestriger Absturz eines US-Kampfjets in Süddeutschland (ab 1:02:05 min)
– Eine Frage wahrscheinlich an das Bundesverteidigungsministerium zu dem gestrigen Absturz des amerikanischen Kampfjets. Gab es Kontakt zu dem US-Stützpunkt und hat sich die Bundesregierung um Einzelheiten bemüht, was da passiert ist? (1:02:10 min)
– Wer kommt denn für die Aufräumarbeiten auf, wer bezahlt das? Die US-Armee ist im Kompromiss mit der Bundesregierung hier. Wenn da etwas passiert, muss doch geregelt sein, wer bei Unfällen dafür aufkommt. Wer zahlt für die Aufräumarbeiten beim Absturz eines US-Kampfjets über deutschem Gebiet? Das weiß die Bundesregierung nicht? (1:02:48 min)

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Vollständiges BPK-Transkript vom 12. August 2015:

STS SEIBERT: Meine Damen und Herren, guten Tag! Der erste Punkt, über den ich Ihnen berichten möchte, ist die Verlängerung von Befugnissen der Sicherheitsbehörden, die das Bundeskabinett heute beschlossen hat, Befugnisse, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 durch die Terrorismusbekämpfungsgesetze eingeführt worden waren. Es geht im Wesentlichen um Befugnisse der Nachrichtendienste, beispielsweise Auskünfte bei Luftfahrtunternehmen, bei Kreditinstituten und bei Telekommunikationsdiensten einzuholen, wobei Bestands- und Verkehrsdaten erhoben werden und nicht etwa Gesprächsinhalte.

Diese Regelungen zur Terrorismusbekämpfung sind bis Januar 2016 befristet. Es ist gesetzlich vorgesehen, dass ihre Anwendung vor Ablauf der Frist evaluiert werden muss. Das ist geschehen, und zwar durch unabhängige Wissenschaftler. Diese Evaluierung hat gezeigt, dass die Befugnisse wichtige Erkenntnisse für die Bekämpfung des Terrorismus erbringen und dass sie dabei von den Nachrichtendiensten gemäß den gesetzlichen Vorgaben maßvoll eingesetzt werden.

Daher hat das Bundeskabinett beschlossen, dass die Befugnisse beibehalten werden sollen. Sie werden erneut befristet, und sie müssen vor Ablauf der neuen Frist, die am 10. Januar 2021 abläuft, wiederum evaluiert werden.

Das zweite Thema betrifft das große gesellschaftliche Thema der Pflege und Pflegebedürftigkeit. Das Bundeskabinett hat sich mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz befasst. Sie wissen: Das Erste Pflegestärkungsgesetz ist am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten und hat breite Steigerungen der Leistungen der Pflegeversicherung erbracht.

Jetzt geht es darum, dass die pflegerische Versorgung neu geordnet wird. Ein neuer Begriff der Pflegebedürftigkeit wird eingeführt. Also: Wer benötigt wie viel Pflege? Maßgeblich ist zukünftig der Grad der Selbstständigkeit eines Menschen. Statt wie bisher drei Pflegestufen wird es fünf Pflegegrade geben.

Damit einher geht ein neues System der Begutachtung. Dabei wird festgestellt, in welchen Pflegegrad ein Pflegebedürftiger kommt und welche Leistungen er aus der Pflegeversicherung erhält. Pflegebedürftigkeit lässt sich dadurch umfassender berücksichtigen. Dies kommt vor allem der doch großen Gruppe von Demenzkranken zugute.

Festgehalten ist das Ganze im Zweiten Pflegestärkungsgesetz. Dessen Entwurf hat das Kabinett heute beschlossen. Ich nenne kurz einige Stichpunkte, denn der Bundesminister hat dazu heute schon eine Pressekonferenz gegeben.

Weitere wesentliche Punkte sind: Die neuen Pflegegrade führen dazu, dass die Leistungsbeträge in der Pflege weiter erhöht werden.

Es bekommen mehr Menschen Leistungen. Der neue Pflegegrad 1 erreicht auch Menschen, die bisher keine Unterstützung bekommen haben. Das können mittelfristig bis zu 500.000 Menschen zusätzlich sein.

Wer in einem Pflegeheim lebt, erhält einen Rechtsanspruch auf zusätzliche Betreuung und Aktivierung. Außerdem das ist sehr wichtig wird der pflegebedingte Eigenanteil für die Pflegegrade 2 bis 5 einheitlich festgelegt. Das heißt, niemand muss mehr befürchten, dass, wenn sein Pflegebedarf steigt, auch sein Eigenanteil steigt.

Alle Pflegebedürftigen, also etwa 2,8 Millionen Menschen, die bisher Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, werden in das neue System übergeleitet, ohne erneut begutachtet zu werden. Sie müssen also keinen Antrag auf Einstufung in einen Pflegegrad stellen. Das ist eine große Erleichterung für alle Betroffenen. Auch zu wissen, dass keiner der bisherigen Leistungsbezieher schlechter gestellt sein wird als bisher, ist sicherlich eine große Beruhigung.

Wir stärken das Prinzip „Rehabilitation vor Pflege: Die Zahl der Reha-Maßnahmen soll durch ein neues Verfahren erhöht werden. Wir wollen für pflegende Angehörige die Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung verbessern. Der sogenannte Pflege-TÜV, die „Pflegenoten“, wird auf neue Füße gestellt. Die Ergebnisqualität rückt dabei in den Vordergrund.

Und zuletzt: Der Beitragssatz der Pflegeversicherung wird um weitere 0,2 Beitragssatzpunkte ab 2017 erhöht. Er beträgt ab 2017 dann 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens für Versicherte mit Kindern. Kinderlose zahlen wie bisher 0,25 Prozent mehr.

Das ist der große und wichtige Bereich der Pflege mit einer großen Reform, die hier in ihrem zweiten Teil daherkommt.

Anschließend hat Bundesinnenminister de Maizière dem Kabinett zur Flüchtlings- und Asylsituation in Deutschland berichtet. Daran schloss sich eine Aussprache mit Beteiligung verschiedener Minister an.

Ich will in diesem Zusammenhang noch sagen, dass das Bundeskabinett heute auch Maßnahmen beschlossen hat, um junge Flüchtlinge bei Ausbildung und Studium zu unterstützen. Konkret: Geduldete, die sich mindestens 15 Monate in Deutschland aufhalten, können ab 1. Januar 2016 BAföG und Berufsausbildungsbeihilfe erhalten.
Bisher mussten sich geduldete Ausländerinnen und Ausländer vier Jahre in Deutschland aufhalten, um diese Förderung zu bekommen, jetzt also nur noch mindestens 15 Monate. Die neue Regelung war ursprünglich für den 01.08.2016 vorgesehen. Sie wird auf 1. Januar 2016 vorgezogen.

Außerdem werden die ausbildungsbegleitenden Hilfen für geduldete Menschen geöffnet. Die Arbeitsagenturen können ab Januar kommenden Jahres solche ausbildungsbegleitenden Hilfen und die assistierte Ausbildung auch für diese jungen Menschen einsetzen. Beide Instrumente sollten helfen, die Ausbildung erfolgreich zu bewältigen und Ausbildungsabbrüche zu vermeiden.

Mit dem Vorziehen dieser verkürzten Voraufenthaltsdauer wird übrigens auch ein Prüfauftrag aus dem Beschluss der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs und -chefinnen der Länder von Mitte Juni umgesetzt.

FRAGE JUNG (zu den Terrorismusbekämpfungsgesetzen): Herr Seibert, können Sie sagen, welche Wissenschaftler die Sicherheitsbefugnisse untersucht haben? Sie haben von unabhängigen Wissenschaftlern gesprochen.

STS SEIBERT: Da würde ich gerne an das Innenministerium abgeben, in dessen Ressort diese Sache liegt.

DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage, Herr Jung. Die Evaluierung wurde durch unabhängige Wissenschaftler des Instituts für Gesetzesfolgenabschätzung durchgeführt. Sie wurden gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag ausgewählt.

Den Bericht, den diese unabhängigen Wissenschaftler verfertigt haben, werden wir heute Nachmittag auf der Webseite des BMI veröffentlichen, sodass er dann auch für Sie alle einsehbar ist und nachvollziehbar ist, auf welcher Grundlage diese Entscheidung getroffen wurde.

FRAGE JUNG: Zur Situation von Flüchtlingen in Ausbildung würde mich interessieren, wie man auf die 15 Monate kommt. Warum nicht 18 Monate, warum nicht zwölf Monate?

DALDRUP: Das ist eine Angleichung. Das ist im Gesetz jetzt einheitlich. Es gelten auch für andere Hilfen bereits diese 15 Monate. Das heißt, man hat das vereinheitlicht.

FRAGE HELLER: Ich würde gern zum Thema Griechenland kommen. Hier sind Herr Seibert und auch Herr Weißgerber vom Finanzministerium gefragt. Zunächst einmal: Die Vereinbarung aus Athen halten Sie jetzt in den Händen. Gibt es denn schon vor dem Ende der Detailprüfung eine erste grobe Einschätzung, ob sich das, was Sie bekommen haben, als Diskussionsgrundlage eignet?

Mich würde zum Zweiten interessieren: Ist damit die Option einer Brückenfinanzierung für Griechenland jetzt vom Tisch?

Zum Dritten würde mich interessieren: Welche Abstimmungsprozesse laufen denn jetzt, bis eine Entscheidung nötig wird? Steht für den Freitag die Eurogruppensitzung jetzt schon fest, oder ist das nach wie vor nur eine vage Planung? Gibt es davor noch ein Spitzengespräch in der Koalition, um die Linie abzustimmen, die möglicherweise am Freitag von Deutschland vertreten wird?

STS SEIBERT: Ich fange an und Herr Weißgerber ergänzt dann. Es stimmt: Die Institutionen, inklusive IWF und Griechenland, haben sich gestern auf ein sogenanntes Memorandum of Understanding geeinigt. Darin ist die Programmkonditionalität für ein weiteres mögliches neues ESM-Hilfsprogramm festgelegt. Dieses Memorandum enthält die Reformauflagen für die nächsten Jahre, eine Vielzahl von Vorabmaßnahmen, den bekannten Prior Actions, die vor einer möglichen ersten Auszahlung von Griechenland beschlossen werden müssten.

Tatsächlich will das griechische Parlament dieses MoU und die Vorabmaßnahmen morgen in seinem Parlament verabschieden. Wenn man sich vergegenwärtigt, von wo wir in der Diskussion in den letzten Monaten kommen, ist das ein beachtliches Ergebnis.

Nun hat der Entwurf dieses Memorandums die Bundesregierung gestern schon am etwas späteren Abend erreicht. Es wird nun mit Hochdruck geprüft. Es ist aber noch zu früh, um eine klare Bewertung vorzunehmen. Es liegen auch noch nicht alle Dokumente vor. Ich erinnere noch einmal daran, dass wir uns dieses dritten Hilfsprogramms und auch dieses Memorandums mit der nötigen Gründlichkeit annehmen sollten, denn es ist ja ein Programm für drei Jahre geplant.

Es stimmt: Die griechische Regierung war in der Zusammenarbeit mit den Institutionen in einer Weise konstruktiv und ergebnisorientiert und es konnte in einer Atmosphäre verhandelt werden wie seit Monaten nicht, sodass man sagen kann: Die Richtung der Vereinbarung stimmt. Aber zu dieser Stunde ist es schlicht noch nicht möglich, zu sagen, ob die Sache bereits reif ist, um den nationalen Prozess, also eine Bundestagsbefassung, einzuleiten.

DR. WEISSGERBER: Sehr gerne ergänze ich noch. Es ist in der Tat so: Wir haben das gestern spätabends bekommen. Wenn Sie es konkret wissen wollen: Um 21.30 Uhr ist die E-Mail eingegangen. Die Verhandlungen liefen zwischen den Institutionen und der griechischen Regierung. Geldgeber sind aber die Mitgliedstaaten. Insofern sehen wir es jetzt schon als sehr wichtig an, dass die Mitgliedstaaten ausreichend Zeit haben, das Memorandum zu prüfen. Der Umfang des MoU sind 29 Seiten, eng bedruckt, mit Reformmaßnahmen. Insofern geben Sie uns bitte auch die Zeit, das ausführlich zu prüfen. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.

Zu Ihren weiteren Fragen: Die Brückenfinanzierung ist tatsächlich noch nicht vom Tisch. Wenn es nicht möglich ist, eine erste Tranche im August auszuzahlen, dann kommt für uns weiterhin eine Brückenfinanzierung in Betracht, um die anstehenden Fälligkeiten Griechenlands zu bedienen. Die Brückenfinanzierung bleibt als Option also auf dem Tisch.

Die dritte Frage betraf das weitere Verfahren, also die Eurogruppe. Formal zuständig für die Einladung ist der Präsident der Eurogruppe, also Herr Dijsselbloem. Bis zur jetzigen Stunde liegt uns noch keine Einladung vor. Wir können also insofern noch nicht sagen, ob am Freitag eine Eurogruppensitzung stattfinden wird.

Wir werden das jetzt danach fragten Sie ja auch zur weiteren Abstimmung im Haus sorgfältig prüfen und uns, wenn die Prüfung abgeschlossen ist, entsprechend äußern.

ZUSATZFRAGE HELLER: Wenn Sie jetzt um ausreichend Zeit bitten, dann frage ich natürlich, was ausreichend Zeit ist. Denn es gibt ja Einschränkungen. Ist das Ziel, eine Vereinbarung zu haben, noch bevor die Kanzlerin am nächsten Mittwoch nach Brasilien reist, oder ist dieser Zeithorizont für Sie noch völlig offen?

Eine zweite Sache, die ich noch nachfragen wollte: Die Bundesregierung hat immer betont, dass der IWF eine ganz zentrale Rolle als Beteiligter spielen sollte. Nun gibt es einen Zeitungsbericht, der von Überlegungen der Bundesregierung spricht, Zahlungen Griechenlands an den IWF im Rahmen der EU zu garantieren. Gibt es solche Überlegungen? Würde das überhaupt die Probleme, die man mit der Beteiligung des IWF hat, lösen?

DR. WEISSGERBER: Zu Ihrer ersten Frage: Wir haben ja gesagt, dass wir bereit sind, in dieser Woche zu prüfen. Das meine ich auch mit „ausreichend“. Wir gehen davon aus, dass wir bis zum Ende der Woche hier eine Position finden. Aber wie gesagt: Beide Optionen, also sowohl die Verabschiedung des MoU als auch eine weitere Brückenfinanzierung, sind noch auf dem Tisch.

Zu Ihrer zweiten Frage, zum IWF: Diese Meldung haben wir auch gesehen. Allerdings ist im Bundesfinanzministerium nichts dergleichen bekannt. Solche Überlegungen werden nicht angestellt. Für uns steht fest: Wir müssen den IWF an Bord halten. Auch falls der IWF erst später auszahlen sollte, müsste der IWF die Konditionalität und Schuldentragfähigkeit vollständig mittragen. Aber einfach unsere Haftung zu erhöhen, wie es in diesem Zeitungsartikel gesagt wird, wäre kein geeigneter Weg.

FRAGE WONKA: Herr Seibert, entspricht das Letzte, was Herr Weißgerber gesagt hat, nach wie vor der offiziellen Haltung der Bundesregierung und damit auch der Kanzlerin: Keine Griechenlandlösung, ohne dass nicht im dritten Paket auch der IWF finanziell in Leistungen eintritt?

Die zweite Frage: Kann es vielleicht sein, dass die Kanzlerin nach der Erfahrung der letzten Tage einfach Angst vor einer schnellen Sondersitzung hat, weil sie nicht weiß, wie ihre Abgeordneten aus dem Sonderurlaub zurückkommen? Vielleicht sind sie frisch aufgestachelt, um Herrn Kauder oder Frau Merkel mal die Meinung zu geigen. Spielt deswegen die Kanzlerin bei der Sondersitzung auf Zeit?

STS SEIBERT: Um 21.30 Uhr ist dieses 29-seitige Memorandum of Understanding bei der Bundesregierung eingetroffen, das zu einem dreijährigen Hilfsprogramm führen soll. Ich glaube, da kann jeder verstehen, dass am nächsten Mittag eine gründliche und wirklich verantwortungsbewusste Prüfung noch nicht abgeschlossen sein kann. Das ist der Grund. Deswegen prüfen wir das nun mit Hochdruck.

Ansonsten ist die Bundeskanzlerin mit dem Finanzminister in engster Abstimmung über alle Aspekte der Griechenlandpolitik. Das gilt heute, wie es in der Vergangenheit gegolten hat.

ZUSATZFRAGE WONKA: Vermutlich hatten Sie es nicht ganz verstanden. Meine konkrete Frage war, ob die Position der Bundesregierung, insbesondere der Kanzlerin, auch heute noch ist, dass es kein drittes Paket für Griechenland gibt, ohne dass der IWF materiell mit in Leistungen eintritt.

Die zweite Frage war, ob die Kanzlerin Sorgen hat, dass aufgeheizte Urlaubsrückkehrer in der Fraktion vielleicht nicht mehr ganz politisch sachlich, nüchtern und abgewogen die Frage entscheiden können und man sich deswegen lieber etwas mehr Zeit für die Sondersitzung nehmen sollte.

STS SEIBERT: Ich glaube, ich habe erstens gut verstanden, was Sie mich gefragt haben. Ich glaube zweitens, dass ich auch klar begründet habe, warum wir uns mit der Prüfung zumindest die notwendige Zeit lassen, um 29 Seiten gewissenhaft durchgearbeitet und bewertet zu haben. Das ist der einzige Grund dafür.

Das andere ist, glaube ich, hier auch mehrfach gesagt worden, auch gerade wieder von dem Kollegen aus dem Bundesfinanzministerium: Es ist für uns wichtig wie es das immer war , dass der IWF sich zu dem Memorandum, bei dessen Aushandlung er im Übrigen dabei war, bekennt und dass er vollumfänglich an Bord bleibt.

FRAGE BLANK: Herr Seibert, würden Neuwahlen in Griechenland die Geschäftsgrundlage für eine mögliche Abstimmung ändern? Sollte Herr Tsipras Neuwahlen ankündigen, könnte das ein Grund sein, eine Brückenfinanzierung anzustreben?

STS SEIBERT: Erstens ist die Frage hypothetisch, zweitens betrifft sie innenpolitische Vorgänge in einem anderen Land zwei Gründe, warum ich darauf natürlich jetzt nicht eingehe.

ZUSATZ BLANK: Sie sind aber natürlich auch ganz entscheidende Grundlagen für die Abstimmung hier in Deutschland. So hypothetisch ist das Ganze ja nicht.

STS SEIBERT: Wir haben aber immer gesagt, dass ein Abkommen, eine Vereinbarung, ein Memorandum, das eine Regierung schließt, nicht hinfällig wird, wenn es in dem Land danach zu Wahlen kommt. Das gilt übrigens ganz grundsätzlich für die europäische Politik.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, ich wollte an die Frage des Kollegen Wonka anschließen. Ein bisschen anders gefragt: Unionsabgeordnete führen vor allem auch praktische Probleme an, warum man nächste Woche diese Abstimmung möglicherweise nicht machen kann. Da wäre meine Frage: Sieht die Kanzlerin eigentlich auch derartige praktische Probleme, oder hält sie es zumindest theoretisch für möglich, dass diese Abstimmung nächste Woche stattfindet? Das wäre meine erste Frage.

Die zweite Frage: Man kann heute lesen das wird aus Athen kolportiert , dass es ein etwas lautstarkes Telefonat zwischen Herrn Tsipras und der Kanzlerin gegeben hat, interessanterweise schon in der Nacht zuvor, also bevor dieses Memorandum of Understanding eingegangen ist. Haben auch Sie bei diesem Telefonat irgendwie laute Töne gehört? Gab es die? Wie würden Sie dieses Telefonat beschreiben, wenn Sie es können?

STS SEIBERT: Die Behauptung, dass das Telefonat in der Nacht gewesen sein soll, ist übrigens nicht das einzig Falsche an dieser Berichterstattung.

Also: Es hat sowohl am Montag als auch am Dienstag Telefonate der Bundeskanzlerin mit Ministerpräsident Tsipras gegeben, beide tagsüber. Dabei wurden Argumente ausgetauscht. Dass es laut zugegangen wäre, wie ich jetzt von Ihnen noch einmal höre, daran hat die Bundeskanzlerin keine Erinnerung.

Zum ersten Teil Ihrer Frage: Sie haben Verständnis dafür, dass ich mich jetzt hier nicht in parlamentarische Angelegenheiten und parlamentarische Abläufe einmische. Heute geht es darum das war ja auch der Ausgangspunkt der Fragen : Wie bewerten wir das Memorandum of Understanding, das uns gestern Abend erreicht hat? Wir haben, glaube ich, begründet dargelegt, warum wir zwar finden, dass die Verhandlungen in den letzten Tagen in einer Weise konstruktiv waren wie schon lange nicht mehr, es aber zu dieser Stunde noch zu früh ist, um dieses Memorandum abschließend bewerten zu können.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Dann habe ich noch eine Nachfrage zur Klärung: Sie sieht offenbar nicht dieselben praktischen Probleme, wie sie die Abgeordneten sehen. Das heißt, theoretisch wäre es möglich?

STS SEIBERT: Ich kann über praktische Probleme des parlamentarischen Ablaufs jetzt hier nicht sprechen, auch nicht darüber, ob es die gibt oder nicht.

Für mich als Sprecher der Bundesregierung steht jetzt im Vordergrund: Uns ist dieses Memorandum zugeleitet worden. Es ist übrigens auch schon an den Bundestag weitergereicht worden. Nun müssen wir uns mit Hochdruck damit befassen, es zu bewerten.

FRAGE GEERS: Ich habe zwei Fragen. Herr Seibert, Sie haben jetzt schon zum zweiten Mal die konstruktive Atmosphäre betont, in der die Gespräche stattgefunden haben. Heißt das jetzt, das Vertrauen in die griechische Regierung ist im Vergleich zum Status quo von vor einigen Wochen oder Monaten wiederhergestellt oder zumindest wieder gestiegen?

Die zweite Frage: Können Sie oder Herr Weißgerber sagen, welche Punkte im Moment besonders geprüft werden? Sind es die Haushaltsziele, ist es die Zahl der Raten, in die die 85, 86 Milliarden Euro aufgeteilt werden, oder welche Punkte sind es?

STS SEIBERT: Ich will jetzt hier nicht in weitere Bewertungen hineinkommen. Ich habe über die Atmosphäre gesprochen. Ich habe gesagt: Man kann sicherlich sagen, auch die Richtung der Vereinbarung stimmt. Aber natürlich müssen wir uns jetzt die Details anschauen. Wir haben auch gesagt: Es liegen noch nicht alle Dokumente vor. Dazu kann Herr Weißgerber sicherlich noch mehr sagen. Das ist das, was zählt.

Ebenso zählen natürlich die Handlungen der griechischen Politiker, das, was in den letzten Tagen und Wochen im griechischen Parlament schon beschlossen wurde und was morgen zum Beschluss vorliegt. Das werden wir uns genau anschauen.

DR. WEISSGERBER: Das, was wir prüfen, hängt damit zusammen: Es handelt sich hier um ein Programm, das drei Jahre lang Gültigkeit haben muss. Das heißt, wir prüfen es dahin gehend: Ist das ein tragfähiges Programm? Sind die Maßnahmen, die da genannt werden, Grundlage für eine ambitionierte Haushalts- und Finanzplanung? Gibt es eine glaubwürdige Privatisierungsstrategie, und gibt es eine nachhaltige Pensionsreform? Um nur einige wenige Maßnahmen zu nennen, die uns wichtig sind.

Ein Zahlentableau liegt uns noch nicht vor. Das hat ja Herr Seibert auch gesagt. Das muss also auch noch nachgereicht werden. Damit zusammenhängend ist dann die Frage des Gesamtvolumens des Programms. Auch die Schuldentragfähigkeitsanalyse liegt uns noch nicht vor.

ZUSATZFRAGE GEERS: Aus der Unionsfraktion ist zu hören, dass man großen Wert darauf legt, dass die 86 Milliarden möglichst klein gestückelt werden, damit man möglichst oft möglicherweise die Gelegenheit hätte, mit der Auszahlung zu warten, bis Griechenland sich wieder bewegt hat, falls der Reformwille mal nachlassen sollte. Ist das auch die Haltung des Finanzministeriums?

DR. WEISSGERBER: Über die Modalitäten der Auszahlungsraten wird ja noch verhandelt. Ich hatte am Montag gesagt: Wir können uns vorstellen, dass wir die Raten an die Umsetzung der Reformen knüpfen, also immer Zug um Zug Rate gegen Reformen. Das ist dann Teil der Verhandlungen. Da muss man sich ja auch den Finanzbedarf anschauen, der dann ansteht. Das muss man dann jeweils sehen und prüfen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, was ich noch nicht ganz verstanden habe: Der IWF will sich nicht an einem dritten Hilfspaket beteiligen, wenn es keinen Schuldenschnitt gibt. Das will die Kanzlerin ja nicht. Aber gleichzeitig will sie nicht, dass der IWF nicht dabei ist. Können Sie diesen Widerspruch vielleicht aufklären?

STS SEIBERT: Ich glaube, Sie setzen hier das Wort „Schuldenschnitt“ und Schuldenerleichterungen gleich. Die Tatsache, dass der IWF die Notwendigkeit von Schuldenerleichterungen sieht, ist uns bekannt. Auf die hat der Bundesfinanzminister auch im Juli gegenüber dem Deutschen Bundestag in seinem Beschlussantrag hingewiesen. Das ist also nichts Neues.

Warum wir nach dem geltenden Recht einen Schuldenschnitt nicht für möglich und nicht für erlaubt halten, haben wir hier oft dargelegt.

DR. WEISSGERBER: Der IWF das haben wir in dem Antrag an den Bundestag auch festgehalten hat ja gesagt, dass er die erste Programmüberprüfung im Herbst abwarten wird, um dann zu entscheiden. Wenn eine neue Schuldentragfähigkeitsanalyse vorliegt, wenn klar ist, welche Maßnahmen umgesetzt worden sind, wird er entscheiden, ob er sich an dem Programm beteiligt. Das wissen die Abgeordneten auch. Das haben wir ihnen mitgeteilt.

Auch wir selbst auf dem Eurogipfel wurde das so beschlossen haben gesagt: Wenn die Maßnahmen vollständig umgesetzt worden sind und es einen positiven Abschluss des ersten Reviews gibt, können zusätzliche Maßnahmen erwogen werden, eben ein längerer Tilgungsaufschub und längere Rückzahlungsfristen. Insofern ist das Dilemma, das Sie sehen, zu dem jetzigen Zeitpunkt noch nicht gegeben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Gibt es denn jemanden in Ihrem Haus, der nicht glaubt, dass die Schuldenquote in den nächsten Jahren steigen wird?

DR. WEISSGERBER: Die Frage ist ja nicht eine der Schuldenquote, sondern wenn man eine Tragfähigkeitsanalyse durchführt, dann ist das ja ein geschlossenes Modell, bei dem es eben um die Primärüberschüsse, die Privatisierungen und die Wachstumsraten geht. Das alles hängt dann eben davon ab, wie die Maßnahmen umgesetzt werden, und auf dieser Basis macht man dann eben so eine Schuldentragfähigkeitsanalyse. Aber dafür, hat der IWF eben gesagt, muss im Herbst zuerst eine erste Programmüberprüfung stattfinden, und die müssen wir jetzt eben abwarten.

FRAGE HELLER: Ich möchte zum einen gerne noch einmal auf die Frage zurückkommen, die ich anfangs gestellt hatte, ob in den nächsten Tagen ein Spitzengespräch geplant ist vielleicht kann auch der Sprecher des Vizekanzlers etwas dazu sagen , und zwar zwischen den Koalitionsspitzen und möglicherweise Herrn Schäuble, um die Linie nach dem Ergebnis der Prüfungen des MoU durch das Finanzministerium festzulegen.

Die Sache mit dem IWF lässt mich auch nicht los. Was bedeutet das, was Sie da sagen, Herr Weißgerber? Wenn der IWF nach dem ersten Review im Herbst zu dem Ergebnis kommen sollte „Das langt uns alles nicht; wir machen nicht mit“, bedeutet das, dass die Bundesregierung dann abrupt ihre Beteiligung an dem schon beschlossenen europäischen Programm einstellt, oder was heißt das?

STS SEIBERT: Ich kann ganz kurz sagen, dass es innerhalb der Koalition und auch zwischen der Bundeskanzlerin und Wirtschaftsminister Gabriel laufend Abstimmungen gibt, natürlich auch zu diesem wichtigen Thema Griechenland.

DÜNOW: Ich kann das so bestätigen.

DR. WEISSGERBER: Es hat ja keinen Sinn, jetzt darüber zu spekulieren, was im Herbst sein wird. Man muss sich jetzt anschauen: Wenn dieses Programm so beschlossen werden würde und die Griechen die Maßnahmen umsetzen würden, dann hätte das ja Einfluss auf die Schuldentragfähigkeitsanalyse. Wir können sie ja nicht vorwegnehmen. Wenn die griechische Regierung das machen sollte, dann wäre es durchaus vorstellbar, dass der IWF weiter an Bord bleibt. Daran arbeiten wir, und davon gehen wir aus.

ZUSATZFRAGE HELLER: Ich frage nur nach der Logik. Wenn nicht, was heißt das dann?

DR. WEISSGERBER: Alle Beteiligten wissen ja, worum es geht. Es geht ja darum, jetzt Vertrauen aufzubauen. Insofern liegt daran eben auch, wie dieses Programm, wenn es denn dazu käme, umgesetzt werden würde.

VORS. MAIER: Möchte der Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums das noch ergänzen?

DÜNOW: Nein. Ich kann das, was Herr Seibert gesagt hat, vollumfänglich bestätigen.

FRAGE WONKA: Herr Weißgerber, wann muss denn Ihr Minister den Antrag bei Herrn Lammert stellen, damit noch bis spätestens Mittwochfrüh oder Mittwochmittag dann wird ja ein Teil der Regierung inklusive Merkel nach Brasilien fliegen der Bundestag entscheiden könnte, wenn er denn entscheiden wollen sollte?

Von Herrn Seibert wüsste ich gerne Folgendes: Die Position hinsichtlich des IWF, die Herr Weißgerber netterweise noch einmal präzise dargestellt hat, läuft doch darauf hinaus, dass die Bundeskanzlerin zusammen mit ihrem Finanzminister den Bundestag bitten wird, einer Regelung für Griechenland, die etwas kostet, zuzustimmen, ohne dass die Abgeordneten wissen, ob der IWF weiterhin an Bord ist oder nicht. Ich habe zur Kenntnis genommen: Sie wollen, dass er an Bord ist, aber es gibt sozusagen keine verbindliche Abstimmung darüber, dass, wenn man jetzt abstimmt, der IWF dabei ist. Habe ich das so richtig verstanden?

STS SEIBERT: Ich dachte eigentlich, dass Herr Weißgerber das schon gesagt hatte. Wollen Sie es noch einmal hören?

ZUSATZ WONKA: Ich will wissen, ob die Bundeskanzlerin genau dies von ihren Abgeordneten erwartet, nämlich einer Regelung zuzustimmen, ohne dass verbindlich klar ist, dass der IWF dabei ist.

STS SEIBERT: Das Kanzleramt und das Bundesfinanzministerium liegen dabei auf einer Linie.

ZUSATZ WONKA: Sie haben also sozusagen nur das politische Wollen, aber nicht die tatsächlich verbindliche Zusage des IWF. Das ist doch Ihre Position.

DR. WEISSGERBER: Das haben wir den Abgeordneten ja schon bei der Antragstellung am 17. Juli mitgeteilt. Da hat der Bundestag ja im Wissen darüber, dass das so ist, mit großer Mehrheit zugestimmt. Das stand eben damals schon im Antrag. Insofern hat sich an dieser Situation nichts geändert.

ZUSATZFRAGE WONKA: Bis wann muss der Antrag für die Sondersitzung gestellt werden? Ich glaube, bis zum Mittwoch um 11 Uhr ginge es noch. Ab dann käme der Flugplan durcheinander. Bis wann stellt Ihr Minister

DR. WEISSGERBER: Es gibt da keine formellen Regelungen; das ist nirgendwo niedergeschrieben. Es ist gute Praxis, das 48 Stunden im Voraus zu machen, aber es gibt nicht die eine Regelung, wie viele Tage vorher das zu erfolgen haben muss.

FRAGE WEILAND: Herr Weißgerber, ich habe noch eine Frage zu den Tranchen; das ist ja in der Tat eine strittige Frage. Die Griechen wollen natürlich eine möglichst große Tranche haben; es ist die Rede von 40 Milliarden Euro. Würden Sie auch mit einer großen Tranche oder eher mit einer kleineren starten wollen, um noch einmal zu den Tranchen zurückzukommen?

DR. WEISSGERBER: Immer vorausgesetzt, dass das so käme und man sich auf ein MoU einigte, ist es tatsächlich unser Anliegen, die erste Tranche auf das zu begrenzen, was eben tatsächlich zu Beginn an akutem Finanzbedarf besteht.

ZUSATZFRAGE WEILAND: Gäbe es dafür von Ihrer Seite eine Zahl?

DR. WEISSGERBER: Eine Zahl möchte ich jetzt nicht nennen.

FRAGE BLANK: Ich möchte auch noch einmal daran anschließen. Gestern hieß es von Athener Seite, es seien noch einzelne Fragen offen; das wurde so lapidar eingestreut. Nach dem, was Sie, Herr Weißgerber, jetzt sagen, steht in dem jetzt übermittelten MoU offensichtlich nicht mehr die Gesamthöhe der zu zahlenden Kredite und auch nicht der Tranchen, über die wir jetzt gerade reden. Das sind ja doch ganz wesentliche Punkte, die noch nicht verhandelt sind. Fallen die dann unter die politische Einigung, die jetzt also sozusagen bis Freitag noch politisch ausgehandelt werden muss, oder wie hat man das zu verstehen? Das scheint ja nicht gerade eine Lappalie zu sein. Halten Sie es dann überhaupt für möglich, das bis Donnerstag, wenn das Parlament in Athen abstimmen muss, also in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, schon zu regeln? Das ist ja nur noch ein Tag.

Die zweite Frage: Gab es, Herr Seibert, gestern oder heute vielleicht Gespräche und Abstimmungen zwischen der Kanzlerin und Herrn Hollande oder Herrn Juncker in diesem Zusammenhang?

DR. WEISSGERBER: Ich habe ja schon gesagt, dass uns diese Aufstellung des Finanztableaus heute oder morgen erreichen wird. Wir haben aber auch immer wieder gesagt: Wir wollen es gründlich prüfen. Wenn das nicht möglich ist, dann reden wir eben über eine Brückenfinanzierung. Auch das habe ich ja bereits gesagt.

ZUSATZFRAGE BLANK: Wie würden Sie diese noch offenen Fragen denn qualifizieren? Sind das Lappalien, oder sind das zentrale Punkte?

DR. WEISSGERBER: Dazu würde ich jetzt keine Qualifizierung abgeben. Man muss das immer im Gesamtkontext sehen.

STS SEIBERT: Ja, es hat Telefonate mit beiden gegeben.

ZUSATZFRAGE BLANK: Wann denn?

STS SEIBERT: Gestern.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, Herr Weißgerber, noch einmal ganz konkret: Wenn das Hilfspaket durch den Bundestag geht und der IWF im Herbst aussteigt, was passiert dann?

STS SEIBERT: Es gibt überhaupt keinen Grund und hat auch keinen Sinn, hier jetzt eine Wenn-dann-Fragesituation aufzubauen. Wir prüfen jetzt dieses Memorandum. Das umfasst eine Reihe von wirklich wichtigen und sinnvollen Maßnahmen. Wir warten ab, was das Athener Parlament morgen beschließen wird, auch, was die Vorabmaßnahmen betrifft. Dann werden wir das dem Deutschen Bundestag, der ja jetzt auch Zeit hatte, das zu prüfen, vorlegen, wenn es reif dafür ist. Dann wird man wie auch bei bisherigen Hilfsprogrammen für Griechenland Schritt für Schritt von Review zu Review, von Überprüfung zu Überprüfung vorgehen. Es hat keinen Zweck, hier jetzt spekulative Fragen zu beantworten.

FRAGE: Ich habe auch noch zwei Fragen. Zum einen betrifft es die Machtposition der Bundesregierung. Ich meine, Sie hier in Berlin entscheiden ja nicht alleine darüber, ob das Paket angenommen wird oder nicht, sondern das wird ja zusammen mit den Euro-Partnern im ESM entschieden. Der deutsche Anteil liegt dort bei knapp 27 Prozent. Meine Frage: Sind diese knapp 27 Prozent ausreichend, um Stichwort Sperrminorität eine Einigung so lange zu blockieren, bis deutsche Positionen in ausreichendem Maße berücksichtigt wurden?

Die zweite Frage, ganz kurz, dreht sich um das Thema Brückenfinanzierung: Über welche Summen reden wir denn, wenn diese käme, im Vergleich zu den 85 Milliarden Euro, die dieses Hilfspaket umfasst?

STS SEIBERT: Wollen Sie auf die Stimmanteile im ESM eingehen?

DR. WEISSGERBER: Wenn wir so ein MoU beschließen, dann geht es darum, dass das mit Einstimmigkeit beschlossen wird. Es gibt die Möglichkeit, dass das im äußersten Notfall mit einer Mehrheit von 80 Prozent beschlossen wird. Uns geht es aber darum, das mit Einstimmigkeit zu machen.

Zur zweiten Frage: Helfen Sie mir noch einmal kurz.

ZUSATZ: Die Höhe der Brückenfinanzierung.

DR. WEISSGERBER: Das ergibt sich aus den anstehenden Finanzierungsverpflichtungen, die Griechenland dann eben hat. Die erste Rate, 3,2 Milliarden Euro, betrifft die Rückzahlung an die EZB am 20. August. Ich habe jetzt nicht den genauen Tilgungsplan vorliegen, aber das lässt sich daraus ableiten.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, die Frage einer Beteiligung des IWF hat ja doch auch einen prinzipiellen Charakter, und vielleicht könnten Sie sie bei allem Respekt vor der Notwendigkeit der Prüfung des Memorandumstextes dann doch beantworten. Ich verstehe Ihre Ausführungen jetzt so, dass nach heutigem Stand eine Beteiligung des IWF keine Conditio sine qua non für eine Zustimmung wäre. Stimmt das, oder bleibt es bei der bisherigen Position der Kanzlerin, die ja in der Vergangenheit doch allergrößten Wert darauf gelegt hat, dass der IWF bei einem dritten Paket dabei ist? Eigentlich geht ja nur eine der beiden Aussagen. Welche geben Sie uns jetzt?

STS SEIBERT: Ich denke nicht, dass wir uns hier in diesem Punkt unklar ausgedrückt haben. Es bleibt dabei, dass die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister eine Beteiligung des IWF für wichtig halten.

ZUSATZFRAGE JESSEN: In der Tat ist „wichtig“ etwas anderes. Deshalb habe ich auch die Frage nach der Conditio sine qua non gestellt. Sie ist wichtig, aber sie ist nicht unverzichtbar. Verstehen wir Sie da richtig?

STS SEIBERT: Wir wollen, dass der IWF an Bord bleibt. Wir wollen, dass er sich zu dieser Vereinbarung bekennt. Er hat sie mit ausgehandelt. Da sollten Sie nun nicht in die Exegese einzelner Worte einsteigen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, es gab in den letzten Tagen eine Studie, die besagt, dass Deutschland, also der deutsche Staat, durch die Griechenland-Krise mehr als 100 Milliarden Euro Profit gemacht hat. Weiß die Bundesregierung denn schon, was sie in den nächsten Jahren durch die Griechenland-Krise an Profiten einfahren wird?

STS SEIBERT: Da der deutsche Staat kein profitorientiertes Unternehmen ist, finde ich den Ausdruck etwas unglücklich. Wollen wir jetzt

ZURUF JUNG: Das ist ein Ausdruck der Studie.

STS SEIBERT: Gut. Ich kann ihn ja trotzdem unglücklich finden. – Ich weiß nicht, ob wir jetzt diese Studie debattieren wollen, deren Grundthese es war, dass in den Jahren, in denen Griechenland und andere, aber ganz besonders Griechenland, das Vertrauen der Anleger verloren haben, die Anleger in ein besonders sicheres Land wie Deutschland gegangen sind, was uns, glaube ich, wenig vorzuwerfen ist. Ich weiß nicht, zu welcher Frage das jetzt führt. Wir rechnen nicht in dieser Profit-Kategorie, sondern wir wollen wie seit 2010, dass Griechenland innerhalb der Eurozone eine gute, nachhaltige Zukunft haben kann, dass es auf einen Wachstumspfad zurückkehren kann und dass es auf einen Pfad zurückkehren kann, auf dem es seiner Bevölkerung und vor allem seinen jungen Menschen Arbeit bieten kann. Das ist nach unserer festen Überzeugung nur möglich, wenn in Griechenland wichtige Strukturreformen stattfinden und wenn der Haushalt auf einen vernünftigen Pfad gebracht wird. Deswegen gab es das Hilfsprogramm 1 und das Hilfsprogramm 2, und deswegen gibt es jetzt auch die Verhandlungen über dieses Memorandum.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage spielte eher darauf an, ob der deutsche Staat bzw. die Bundesregierung ein Interesse daran haben, dass es weiterhin Krisen in Griechenland gibt, um an dieser niedrigen Zinspolitik für Deutschland

STS SEIBERT: Die Antwort nehme ich jetzt einmal vorweg: Nein, selbstverständlich nicht. Die Kanzlerin hat mehrfach gesagt, und das ist, glaube ich, die Haltung, die hier alle eint, dass es auch Deutschland auf Dauer in Europa nur gut gehen kann, wenn es den anderen europäischen Partnern gut gehen kann. Das ist unser Interesse, und dafür engagieren wir uns massiv.

DR. WEISSGERBER: Ich würde gerne noch etwas zu dieser Studie des IWH ergänzen. Diese 100 Milliarden Euro weisen wir ganz klar zurück. Die Berechnung ist so, wie sie ist, höchst spekulativ und für uns auch nicht nachvollziehbar. Was da gemacht wurde, ist: Man hat einen hypothetischen Zinssatz aus der Vergangenheit fortgeschrieben, der nach einem bestimmten Modell gelten würde, wenn es die Krisen der vergangenen Jahre alle nicht gegeben hätte. Man wendet diesen Zinssatz auf die deutsche Staatsverschuldung an, überlegt sich dann die Differenz zum jetzigen Zinssatz, addiert das über fünf Jahre hinweg und kommt dann auf diese 100 Milliarden Euro. Das ist ein Vorgehen, das man so machen kann, klar, aber wir teilen diese Vorgehensweise nicht.

Zuerst einmal ist das nicht nur auf die Griechenland-Krise zurückzuführen, sondern dahinter stehen auch noch eine Finanzkrise aus den Jahren 2007 und 2008, eine weltweit sehr expansive Geldpolitik der Notenbanken, die auch zu diesem niedrigen Zinsniveau geführt hat, sowie weitere Fragen, die alle nichts mit der Griechenland-Krise zu tun haben, nämlich eine demografische Entwicklung und ein weltweit zu sehender Trend zu niedrigen Zinsen. Die Zuspitzung in dieser Rechnung basiert also eben auf falschen Annahmen.

Wenn ich weil das auch immer wieder aufkommt, ist dies eine schöne Gelegenheit, es hier einmal zu sagen noch etwas zum Bundeshaushalt sagen darf: Wir hatten 2010 im Bundeshaushalt Zinsausgaben in Höhe von 33 Milliarden Euro. Wir hatten letztes Jahr Zinsausgaben in Höhe von 26 Milliarden Euro. Das heißt, das ist ein Rückgang in Höhe von 7 Milliarden Euro zwischen 2010 und 2014. In der gleichen Zeit ist das Defizit des Bundes von 44 Milliarden Euro auf null reduziert worden; dies, um einmal die Größenordnungen zu sortieren.

Der Zinsrückgang ist vorhanden. Wir haben ihn als Teil unserer Konsolidierungsstrategie genutzt. Aber es ist jetzt also nicht so, dass wir 100 Milliarden Euro an Zinsersparnissen gehabt hätten und großer Profiteur wären. Die Bundesregierung empfinde diesen Zustand, wie er jetzt ist, auch als keinen Idealzustand. Im Gegenteil: Wir arbeiten daran, dass dieses Niedrigzinsniveau durch unsere Krisenpolitik überwunden wird.

Wir haben auch im Blick, welche Auswirkungen das auf die Altersvorsorge und auf andere hat, auf die Lebensversicherung. Es ist also nicht so, dass das ein Idealzustand ist. Nur man muss eben die Probleme an den Wurzeln anpacken. Wenn es Krisen gibt die Finanzkrise, die Eurokrise, die Schuldenkrise in Griechenland , dann muss man eben die Ursachen der jeweiligen Krisen bekämpfen, und das ist unsere Politik.

FRAGE DR. DELFS: Ich habe zwei kurze Fragen an Herrn Weißgerber.

Wäre es nach Ansicht der Bundesregierung oder des Finanzministeriums im Falle einer Brückenfinanzierung notwendig, noch einmal den Bundestag in Gänze damit zu befassen? Das wäre meine erste Frage.

Die zweite Frage: Sie erwähnten eben diese 80 Prozent Mehrheit im Notfall, wie Sie sich ausdrücken. Wo soll es denn diese Mehrheit geben? In der Eurogruppe oder wo?

DR. WEISSGERBER: Zur zweiten Frage: Im ESM-Gouverneursrat. Da sind die Finanzminister der am ESM teilnehmenden Mitgliedstaaten zusammen je nach Stimmgewicht, je nach Anteil am ESM.

Zu Ihrer ersten Frage kann ich hier an der Stelle nichts sagen, weil es noch kein entsprechendes Modell gibt, wie eine solche Brückenfinanzierung dann aussehen würde. Also da bitte ich jetzt um Verständnis.

STS SEIBERT: Das wäre auch mit dem Parlament zu diskutieren. Dort läge die Entscheidung.

FRAGE TOWFIGH NIA: Eine Frage an Frau Chebli zum Thema Saudi-Arabien. Der saudische Außenminister hat am Montag eine Annäherung an den Iran abgelehnt. Was bedeutet das für die Lösung der Konfliktherde in Syrien und Jemen?

Eine zweite Frage zu derselben Pressekonferenz: Der Bundesaußenminister sprach von einer militärischen Wende im Jemen nach dem Fall der Stadt Aden in die Hände der Hadi-Truppen. Wie ist das jetzt zu verstehen? Heißt das, dass der Minister eine militärische Lösung im Jemen unterstützt?

CHEBLI: Zu Ihrer ersten Frage: Ich bin nicht die Sprecherin des saudischen Außenministers. Aber soweit ich mich erinnern kann, hat er sich lobend über die Wiener Atomvereinbarung geäußert. Wie unsere Haltung dazu ist und wie wir das im Kontext der Regionen bewerten, habe ich hier in dem Raum mehrfach und auch der Minister in zahlreichen Interviews geäußert. Ich glaube, darauf muss ich nicht eingehen.

Unser Interesse ist natürlich, dass wir den regionalen Akteuren das Abkommen erklären. Der Minister hat mit dem saudischen Außenminister darüber gesprochen und ihm unsere Haltung dazu dargestellt. Wir haben gesagt, wir verstehen die Sorgen, haben aber gleichzeitig unterstrichen, dass dieses Abkommen für uns ein gutes, ein richtiges, ein wichtiges Abkommen ist und vor allem ein Abkommen, das die Chance bietet, dass endlich Frieden in die Region einkehrt und das ein „window of opportunity“ darstellt.

Was Ihre Jemen-Anfrage angeht: Nein, unsere Haltung hat sich nicht geändert. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass dieser Konflikt nicht militärisch gelöst werden kann. Auch darüber hat der Minister mit seinem saudischen Counterpart gesprochen.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Meine Frage bezog sich nicht auf das Atomabkommen. Der Bundesaußenminister hat wiederholt geäußert, dass Iran und Saudi-Arabien zusammen kooperieren müssen, um diese Konfliktherde wie Jemen und Syrien zu lösen. Wie können diese Konfliktherde jetzt gelöst werden, wenn Saudi-Arabien ganz klar und unmissverständlich sagt, dass momentan keine normale Beziehung mit Iran möglich ist und dass eben diese Annäherung so nicht stattfinden kann?

CHEBLI: Ich möchte die Aussagen des saudischen Außenministers hier nicht bewerten. Ich habe unsere Haltung hier mehrfach dargestellt. Es bleibt unsere Hoffnung und unser Ziel, auch in Gesprächen mit den Akteuren in der Region, sie davon zu überzeugen, dass es wichtig ist, an einem Strang zu ziehen, damit endlich Frieden in die Region einkehrt und wir zum Beispiel in Syrien vorankommen.

Wie Sie wissen, Herr Towfigh Nia Sie sind ja gut informiert , gab es zu der Syrien-Frage in der Vergangenheit, in den vergangenen Wochen oder auch Tagen, eine sehr aktive Reisediplomatie und zahlreiche Gespräche verschiedener Akteure, in denen auch Saudi-Arabien und Iran eine Rolle gespielt haben.

Genau das ist der richtige Weg, dass die Akteure miteinander sprechen. Wir müssen, zum Beispiel in der Syrien-Frage, endlich vorankommen, weil der Status Quo so nicht haltbar ist.

FRAGE BLANK: Ich habe eine Frage an den Regierungssprecher. Die „ZEIT“ meldet heute im Zusammenhang mit der Diskussion um die Freigabe der NSA-Selektorenliste, dass das Weiße Haus keinesfalls Bedenken gehabt habe, die Liste freizugeben das schreiben sie unter Bezug auf eigene Quellen und dass auch niemand aus dem Weißen Haus und aus der US-Regierung damit gedroht habe, die Geheimdienstkooperation mit Deutschland einzuschränken. Können Sie da ein bisschen Licht in diese Fragen bringen? Stimmt das so?

STS SEIBERT: Ich kann dazu nur sagen, dass es zur Offenlegung dieser Dokumente keinerlei neuen Stand gibt. Zu vertraulichen und vertrauensvollen Gesprächen, die die Bundesregierung mit anderen ausländischen Regierungen führt, kann ich auch hier keine Auskunft geben.

Ich kann nur so viel sagen, und das wissen Sie: Die Bundesregierung hat gegenüber dem Deutschen Bundestag ein Angebot gemacht. Auf das ist das Untersuchungsgremium eingegangen, nämlich eine sachverständige Vertrauensperson zu benennen. Diese Person wird nun auch diesen Auftrag ausfüllen. Es war immer klar, dass nach den Konsultationsverfahren die Bundesregierung ihre eigene Entscheidung zu treffen hat und das hat sie getan.

FRAGE JUNG: Das habe ich nicht ganz verstanden. Sie haben in Sachen Selektorenliste immer gesagt, dass man sich mit den Amerikanern abstimmt, dass es ein Konsultationsverfahren gibt und dass abgewartet wird. Wenn man jetzt den Berichten glaubt, dass die Amerikaner gar nichts dagegen hatten, dann hat die Bundesregierung ja quasi auf eigenem Tun und nach bestem Wissen und Gewissen gesagt: Ja, wir setzen die parlamentarische Kontrolle aus und setzen etwas Neues dazu. – Das hat sich die Bundesregierung also ganz allein ausgedacht, ohne überhaupt irgendein Druck von amerikanischer Seite? Kann man das so bewerten?

STS SEIBERT: Ich kann und werde mich hier zum Wahrheitsgehalt dieser jüngsten Berichte nicht äußern. Ich kann nur sagen, und das haben wir immer gesagt: Es gab ein Konsultationsverfahren. Danach hatte die Bundesregierung ihre Entscheidung zu fällen, und zwar in Abwägung der Haltung des Partners, mit dem wir ein Geheimschutzabkommen haben, und dem großen Respekt vor dem Untersuchungsauftrag des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Die Entscheidung ist gefallen. Sie führt zu dem Angebot, diese unabhängige Vertrauensperson einzusetzen. Dieses Angebot hat der Untersuchungsausschuss angenommen. So wird nun auch vorgegangen. Da gibt es überhaupt nichts Neues. Dass ich Ihnen über vertrauliche Gespräche, die zum Beispiel im Rahmen einer solchen Konsultation stattgefunden haben, hier nicht berichte, das ist auch nichts Neues für Sie.

FRAGE GRAEBERT: Eine Frage an Herrn Dimroth vom Innenministerium zum Geheimnis- und Landesverratsverfahren. Noch einmal: Die „Frankfurter Rundschau“ berichtet heute, dass das Bundesinnenministerium nicht nur wie bisher gesagt von der Strafanzeige informiert gewesen sei, die Herr Maaßen gegen Unbekannt gestellt hat, sondern aktiv daran beteiligt sei. Das gehe aus einer Anfrage an die Staatssekretärin hervor, die gesagt hat, die Strafanzeige sei in enger Abstimmung gelaufen. Zur Klarstellung: Wie bewerten Sie den Fall noch einmal? War das Bundesinnenministerium lediglich über die Strafanzeige informiert, oder hat sie diese mit ausgearbeitet?

DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage. Das gibt mir Gelegenheit, dazu noch einmal Stellung zu nehmen.

Mich hat die Berichterstattung auch insoweit überrascht, als wesentlicher Gegenstand der Begriff Abstimmung ist. Das BMI hat sich in der letzten Woche dazu ja mannigfaltig verhalten und unter anderem den Sachverhalt aus seiner Sicht geschildert. In diesem Zusammenhang hat es schon darauf hingewiesen, dass die Tatsache selbst, das Stellen der Strafanzeige, mit dem BMI auf Arbeitsebene abgestimmt war, mitnichten aber die Inhalte oder gar Details, Ausformulierungen oder Ähnliches. Genau dieses Wort „Abstimmung“ haben wir letzte Woche durchgängig verwendet, genauso wie es auch in der Beantwortung der von Ihnen zitierten Kleinen Anfrage nunmehr Niederschlag findet. Insofern gibt es da keinerlei neue Erkenntnis oder Weiterentwicklung. Das Ob war abgestimmt; die Details, die Inhalte, die Formulierungen waren es nicht. Das ergibt sich eben auch aus dieser Beantwortung.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich wollte zu dem Thema Syrien und Assad kommen. Frau Chebli, US-Präsident Obama hat offiziell den Einsatz von Drohnen und Kampfjets gegen die syrischen Streitkräfte genehmigt, falls das erforderlich sein sollte. Unterstützt die Bundesregierung das und ist das völkerrechtlich in Ordnung? Gibt es einen entsprechenden Beschluss des UN-Sicherheitsrats?

CHEBLI: Ich habe die Äußerung des amerikanischen Präsidenten zu Drohnen selber nicht gelesen und kann deswegen dazu nichts sagen.

Was die völkerrechtliche Frage dieses Konflikts angeht, so habe ich das hier ausführlich zum Ausdruck gebracht. Vor dem Hintergrund muss ich mich, glaube ich, nicht wiederholen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie ist denn die Haltung der Bundesregierung in Sachen Assad? Muss er aus Sicht der Bundesregierung gehen?

CHEBLI: Wir haben immer gesagt, dass nach inzwischen vier Jahren Bürgerkrieg der Status quo nicht haltbar ist und dass wir zu einer Lösung kommen müssen. Wir unterstützen in dem Zusammenhang die Bemühungen des Sonderbeauftragten de Mistura. Wie Sie den Agenturen entnehmen können, wird es heute in den UN eine Erklärung dazu geben, die darauf hinweist, dass die Bemühungen des Sonderbeauftragten unterstützt werden. Das ist eigentlich der Weg, den wir in Bezug auf den Bürgerkrieg in Syrien für richtig halten.

Ich glaube, die Lage ist sehr kompliziert und sehr komplex. Wenn es jetzt Bewegung gibt das ist das, was ich vorhin Herrn Towfigh Nia gesagt habe , wenn es zum Beispiel Gespräche zwischen Russland und den USA gibt, die wir in der Vergangenheit ja gesehen haben, dann ist das alles richtig und wichtig und von uns zu unterstützen. Auch der Minister hat in den vergangenen Tagen und Wochen zahlreiche Gespräche mit dem Sonderbeauftragten geführt, der, wie Sie wissen, die verschiedenen Konfliktparteien an einen Tisch bringen will, um mit ihnen gemeinsam zu erörtern, wie man einen Weg aus dem Bürgerkrieg heraus finden kann.

Es gibt vielleicht ein bisschen Hoffnung, dass wir in dieser Frage vorankommen. Das ist alles noch keine Garantie, auch die heutigen Beratungen nicht. Aber wir hoffen und wünschen uns gerade für die Menschen in Syrien, dass es endlich zu einer Lösung kommt und dass alle Beteiligten erkennen, dass es nach so vielen Millionen Vertriebenen, so vielen Millionen Flüchtlingen und so vielen Tausenden von Toten ein „Weiter so“ in Syrien nicht geben kann.

FRAGE HELLER: Ich habe eine kleine Frage an das Wirtschaftsministerium. Der Chef des Energiekonzern E.ON hat heute den Bundeswirtschaftsminister zu gemeinsamen Bemühungen und Aktionen im Herbst aufgefordert, um das Problem Abriss und Entsorgung von Atomkraftwerken gemeinsam zu lösen. Das Wort „gemeinsam“ tauchte in seinen Ausführungen immer wieder auf. Gibt es irgendwelche konkreten Pläne für eine Runde im Herbst, auf der man das Problem aus der Welt schaffen will? Gibt es irgendwelche Modifikationen an der Position des Ministers, dass für den Rückbau finanziell allein die Industrie und keiner sonst einzustehen hat? Hat sich dazu in den letzten Tagen und Wochen irgendetwas verändert?

DÜNOW: Ich kann es ganz kurz machen: Nein.

Ein bisschen ausführlicher: Die Rechtslage ist klar. Selbstverständlich sind die Atomkonzerne dafür verantwortlich, den Rückbau und die Entsorgung der Atomkraftwerke zu finanzieren. Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, dass wir, nachdem wir im Frühjahr dieses Jahres ein Gutachten zu dem ganzen Komplex veröffentlicht haben, sehr daran interessiert sind, eine rechtliche Unklarheit zu beseitigen, die sich auf gesellschaftsrechtliche Veränderungen bei den Energieversorgern bezieht. Insofern gibt es da nichts Neues.

ZUSATZFRAGE HELLER: Gibt es auch keine Gesprächstermine oder Planungen, was ein Treffen zwischen Bundesregierung und Industrie zu diesem Problemkreis angeht?

DÜNOW: Dazu ist mir nichts bekannt. Ehrlich gesagt sehe ich auch keinen grundsätzlichen Gesprächsbedarf. Die Sachfrage, dass die Konzerne für die Entsorgung des Atommülls finanziell aufkommen müssen, ist völlig unstrittig. Das hat Herr Teyssen, wenn ich das richtig gelesen habe, heute auch noch einmal bekräftigt.

FRAGE WEILAND: Eine Frage zum Thema Flüchtlingspolitik an den Sprecher des Bundesinnenministeriums. Aus der sächsischen CDU, der ja auch der Innenminister angehört, ist vom dortigen innenpolitischen Sprecher die Forderung aufgekommen, das Schengen-Abkommen auszusetzen und wieder Grenzkontrollen gegenüber Flüchtlingen einzuführen. Gibt es dazu eine Haltung des Bundesinnenministers? Können Sie mir dazu etwas sagen?

DR. DIMROTH: Zu der konkreten Äußerung, die ich auch wahrgenommen habe, möchte ich hier ungern einen Kommentar abzugeben.

Ganz grundsätzlich haben sowohl wir hier als auch der Minister selbst unsere Haltung zu diesem Thema mehrfach, auch in jüngerer Vergangenheit, dargelegt, und sie lautet wie folgt: Die Reisefreiheit innerhalb Europas ist einer der zentralen Werte von Europa, die derzeit aus seiner Sicht nicht infrage gestellt werden sollte. Allerdings ist es auch so, dass, wenn weiterhin Defizite in der Umsetzung dessen, was wir „Dublin“ nennen die Verabredung, wie mit Asylverfahren innerhalb Europas umzugehen ist , festzustellen sind, sich fortsetzen, möglicherweise perpetuieren, man auch den Zusammenhang mit der Reisefreiheit in den Blick nehmen muss. Das ist das, was der Bundesinnenminister dazu gesagt hat. Das ist auch seine Haltung, an der sich durch die von Ihnen zitierte Äußerung von heute nichts ändert.

FRAGE JUNG: Eine Frage wahrscheinlich an das Bundesverteidigungsministerium zu dem gestrigen Absturz des amerikanischen Kampfjets. Gab es Kontakt zu dem US-Stützpunkt und hat sich die Bundesregierung um Einzelheiten bemüht, was da passiert ist?

NANNT: Wie Sie gesagt haben, handelt es sich um einen Absturz eines amerikanischen Kampfjets. Wir waren insofern betroffen, als unsere Feldjägerkräfte dort mit unterstützt haben und den militärischen Sicherheitsraum quasi mit aufgebaut haben. Das ist also quasi unsere Zuständigkeit, und wir sind dort auch im direkten Kontakt. Zurzeit laufen die Untersuchungen, die natürlich von amerikanischer Seite her geführt werden. Aber auch dabei unterstützen wir.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wer kommt denn für die Aufräumarbeiten auf, wer bezahlt das?

NANNT: Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Vielleicht fragen Sie einmal die US-Kräfte. Das weiß ich nicht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das herausfinden und nachreichen?

NANNT: Ich sehe da nicht die Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums. Insofern kann ich das nicht nachreichen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wer kann das denn nachreichen?

NANNT: Vielleicht sollten Sie einmal im Landkreis nachfragen.

ZUSATZ JUNG: Die US-Armee ist im Kompromiss mit der Bundesregierung hier. Wenn da etwas passiert, muss doch geregelt sein, wer bei Unfällen dafür aufkommt.

VORS. MAIER: Was ist die Frage, Kollege Jung?

FRAGE JUNG: Wer zahlt für die Aufräumarbeiten beim Absturz eines US-Kampfjets über deutschem Gebiet? Das weiß die Bundesregierung nicht?

STS SEIBERT: Das können wir Ihnen ganz offensichtlich in diesem Moment nicht sagen. Wir können einmal versuchen, uns kundig zu machen. Sie könnten Ihrerseits einmal an der Absturzstelle den zuständigen Landkreis fragen. Es ist nicht sicher, dass das eine Bundesangelegenheit ist. Dann werden wir einmal schauen, ob wir da zu einer Lösung kommen.

FRAGE BLANK: Eine ganz kurze Anregung dazu: Ich denke, es gibt sicher ein Truppen-Statutabkommen, das wahrscheinlich über das Außenministerium verhandelt worden ist, oder?

CHEBLI: Ja, klar. Es gibt ein Truppen-Statutabkommen. Aber was hat das jetzt mit der Sache zu tun?

ZUSATZ BLANK: Wenn ein Militärfahrzeug eines befreundeten Landes, das hier stationiert ist, hier herunterfällt, dann muss geregelt sein, wer dafür aufkommt.

CHEBLI: Herr Seibert hat doch gesagt: Wir kümmern uns, schauen, ob wir wer auch immer eine Antwort dazu liefern können. Und dann bekommen Sie eine Antwort.

ZUSATZ BLANK: Das war ja nur eine Anregung.

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