„Besatzung“ sagt man nicht! ▼ BPK vom 16. Oktober 2015
Naive Fragen/Themenübersicht:
Erdogan-Besuch von Merkel
– in der Türkei ist ja gerade ein heißer Wahlkampf. Wie kommt es, dass die Kanzlerin sich da auf einmal einmischt? Es gab doch immer die Regel, dass sich die Kanzlerin nicht in Wahlkämpfe anderer Länder einmischt. Warum fährt die Kanzlerin jetzt in die Türkei und hilft vielleicht Herrn Erdogan? (11:35 min)
Flüchtlingspolitik/Asyl
– Ich habe noch eine Lernfrage an das Innenministerium: Mit welcher Zahl rechnen Sie dieses Jahr bei der Abwanderung aus Deutschland? (12:08 min)
– Herr Schäfer, wie viele humanitäre Visa hat die Bundesregierung in diesem Jahr bereits eingeführt? Können Sie vielleicht eine Vergleichszahl aus dem letzten Jahr sagen? In Notsituationen kann die Bundesregierung doch Visa für Familienangehörige ausstellen. (16:15 min)
– Herr Schäfer, wie viele deutsche Visazentren in Nicht-EU-Staaten sind in den letzten Monaten eröffnet worden? Planen Sie vielleicht die Eröffnung von neuen? (18:00 min)
– Was hält die Bundesregierung von öffentlichen Überlegungen im Vatikan, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge durch die Botschaften des Vatikans, sogenannten Nuntiaturen, vatikanische Visa ausstellen zu lassen, um eine legale Einreise nach Europa zu ermöglichen? Die Frage bezieht sich darauf, dass die Kanzlerin im letzten Jahr mit Herrn Ban Ki-moon sich genau das gewünscht hat, also humanitäre Korridore. (22:10 min)
BND-Skandal
– Der BND hat eingeräumt, dass bis weit ins Jahr 2013 Botschaften und andere Behörden von EU-Ländern und weiteren Partnerstaaten ausgespäht wurden. Können Sie denn ausschließen, dass der BND das immer noch macht? (26:02 min)
– Sind diese organisatorischen Defizite im BND behoben? Welche waren das? (26:40 min)
Afghanistan
– neben Ihrem Mantra „gemeinsam rein, gemeinsam raus“- das ist ja so eine Art „mitgehangen, mitgefangen“ – gibt es aus Sicht der Bundesregierung gute Gründe, warum die Bundeswehr neben dieser Allianz in Afghanistan bleiben muss? Was kann die Bundeswehr da schaffen, was sie in den letzten 14 Jahren nicht geschafft hat? (34:00 min)
– sind deutsche Soldaten Teil des NATO-Teams, das den Luftangriff auf die „Ärzte ohne Grenzen“-Klinik in Kunduz untersuchen wird? (37:38 min)
– Würden Sie sich wünschen, dass deutsche Soldaten dabei sind? Denn man würde sich, wenn es um Kriegsverbrechen geht, eine unabhängige Untersuchungskommission wünschen, die zum Beispiel nicht nur aus Amerikanern besteht (37:50 min)
Syrien/ISIS
– Herr Schäfer, am Montag haben die EU-Außenminister ja die Luftangriffe der Russen in Syrien verurteilt. Mich würde einmal interessieren: Warum? (47:23 min)
– Wen bombardieren dann die Russen, wenn nicht ISIS? Sie wissen ja anscheinend, dass es nicht ISIS ist. Wer ist es dann? (47:23 min + 49:14 min)
VDS
– zur beschlossenen, höchst umstrittenen Vorratsdatenspeicherung: Dazu hieß es immer wieder, dass Inhalte von Telekommunikation nie und nimmer gespeichert würden, sondern nur Metadaten. Nun hat sich herausgestellt, dass die Inhalte von zum Beispiel SMS-Verkehr gespeichert und mit geloggt werden. Warum haben Sie uns das verschwiegen? (53:55 min)
– widersprechen Sie den Berichten und sagen, dass SMS-Inhalte nicht gespeichert werden? (55:40 min)
Israel/Palästina
– zu der vorherigen Frage von Herrn Towfigh Nia. Das Zauberwort ist da ja „Besatzung“ gewesen. Sie wollen ja nicht von Besatzung sprechen. Darum möchte ich die Frage anders formulieren: Haben Palästinenser das Recht auf Widerstand in den besetzten Gebieten? (1:01:08 min)
US-Drohnenmorde/Ramstein
– Brandon Bryant hat sich gestern im NSA-UA dazu geäußert und gesagt, dass Ramstein als Signal-Relaisstation für alle Ziele in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens diene: „Alle Daten, jedes einzelne bisschen Dateninformation, das zu Fluggeräten oder Mannschaften übertragen wurde, lief über Ramstein.“ Er sagt außerdem, seine Vorgesetzten hätten ihm versichert, Sie, die deutsche Regierung, seien über diese Funktion der US-Basis im Bilde und damit einverstanden. Jetzt die Frage, Herr Seibert: Warum ist die Bundesregierung mit der Beihilfe zu Drohnen-Morden einverstanden? (1:01:30 min)
– Sind die Informationen aus dem UA verlässliche Informationen? Sie betonen ja immer, dass Sie die Amerikaner gefragt haben und dann eine Antwort bekommen haben. Wann kontrollieren Sie diese Antworten denn einmal? Denn Vertrauen ist ja gut, aber Kontrolle ist in Sachen Drohnen-Morde vielleicht besser. (1:03:05 min)
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 16. Oktober 2015:
STS SEIBERT: Guten Tag! Ich gebe Ihnen einen Überblick über die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche. Wir fangen an diesem Sonntag an das hatten wir schon angekündigt : Die Bundeskanzlerin reist nach Istanbul, um dort Gespräche mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoðlu und dem türkischen Staatspräsidenten Erdoðan zu führen. Im Mittelpunkt der Gespräche werden Themen stehen wie der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus, die aktuelle Lage in Syrien, die Bewältigung der Flüchtlingskrise und natürlich die bilateralen Beziehungen.
Am Montag fährt die Bundeskanzlerin nach Bremerhaven. Sie nimmt dort an der Eröffnung der 9. Nationalen Maritimen Konferenz teil. Um 13.20 Uhr hält sie eine Rede. Bei dieser Konferenz diskutieren Experten aus Unternehmen, aus Verbänden, aus der Politik und der Wissenschaft über Zukunftsstrategien für die maritime Wirtschaft. Am 20. Oktober werden auch der Wirtschaftsminister und der Verkehrsminister auf dieser Konferenz auftreten und Reden halten.
Am Montagnachmittag um 16.30 Uhr nimmt die Bundeskanzlerin den Jahresbericht des Nationalen Normenkontrollrats entgegen. Dass sie das persönlich tut, unterstreicht ein weiteres Mal die große Bedeutung, die sie der Arbeit des Nationalen Normenkontrollrats beimisst, die große Bedeutung, die sie dem Thema Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung insgesamt beimisst. Das ist ein wichtiges Signal und Bekenntnis der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin persönlich, dass man Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung als ein eigenständiges Politikziel begreift. Sie wird dort ein Statement abgeben, ebenso wie der Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrats, Herr Ludewig.
Am Dienstag, den 20. Oktober fährt die Bundeskanzlerin nach Haltern. Das ist eine Reise im Gedenken an die Opfer des Absturzes des Germanwings-Flugs am 24. März dieses Jahres. Sie besucht in Haltern das Joseph-König-Gymnasium. 16 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen dieses Gymnasiums waren bei dem Flugzeugabsturz in den französischen Alpen ums Leben gekommen. Sie waren auf dem Rückflug von einem Schüleraustausch in Spanien. Die Bundeskanzlerin wird an einer Gedenktafel auf dem Schulhof Blumen niederlegen, sie wird mit Schülerinnen und Schülern der elften Jahrgangsstufe zusammentreffen und mit ihnen sprechen, ebenso wie mit Angehörigen der Opfer. Eine kurze Ansprache an die Schulgemeinschaft ist für etwa 12.55 Uhr geplant.
Am Mittwoch, 9.30 Uhr, ist der übliche Termin für das Bundeskabinett unter der Leitung der Bundeskanzlerin.
Am Mittwoch wird die Bundeskanzlerin in Frankfurt den 23. Ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall besuchen. Sie wird dort um 13 Uhr eine Rede halten.
Am frühen Mittwochabend schließlich empfängt sie im Bundeskanzleramt den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu Gesprächen. Es wird voraussichtlich um 19 Uhr eine gemeinsame Pressebegegnung geben.
Dann kommen wir zum Freitag, 23. Oktober. Um 11 Uhr wird die Bundeskanzlerin hier in Berlin gemeinsam mit dem ukrainischen Premierminister Jazenjuk die Deutsch-Ukrainische Wirtschaftskonferenz eröffnen. Sie findet im Haus der deutschen Wirtschaft in Berlin statt. Das Ziel dieser Konferenz ist es, wirtschaftliche Kooperationsmöglichkeiten mit der Ukraine zu erörtern und für Investitionen in diesem Land zu werben. Im Mittelpunkt stehen die Bereiche Industrie, Energie, Transport, Logistik, Agrar- und Ernährungswissenschaft sowie Informationstechnik.
Im Anschluss daran empfängt die Bundeskanzlerin Ministerpräsident Jazenjuk im Bundeskanzleramt zu einem Gespräch im Rahmen eines Mittagessens. Daran schließt sich gegen 13 Uhr eine gemeinsame Pressebegegnung an.
Am Freitagnachmittag reist die Bundeskanzlerin nach Saarbrücken. Sie nimmt dort am Festakt anlässlich des 60. Jahrestages der Volksabstimmung vom 23. Oktober 1955 teil und hält dort eine Rede. Der Festakt findet im Saarbrücker Staatstheater statt. Unter den Gästen wird zum Beispiel der Premierminister Luxemburgs, Xavier Bettel, sein. Im Anschluss an den Festakt wird die Bundeskanzlerin gemeinsam mit der saarländischen Ministerpräsidentin, Frau Kamp-Karrenbauer, ein Bürgerfest auf dem Schillerplatz in Saarbrücken eröffnen. – So viel zu den Terminen.
FRAGE HELLER: Mit dem Thema Türkeibesuch sind wir auch gleich bei dem Thema Flüchtlinge. Ich würde daher einmal gerne wissen, wie belastbar die genannte Größenordnung von 3 Milliarden ist, die die Kanzlerin wohl als mögliche Hilfsleistung der EU-Länder insgesamt an die Türkei genannt hat. Ist das eine Größenordnung, die gegebenenfalls auch noch überschritten werden kann? Wie viel könnte von einer solchen Größenordnung auf Deutschland entfallen?
Zum Zweiten würde mich interessieren, an das Innenministerium gerichtet: Ich habe von neuen Zahlen über den Flüchtlingszustrom gelesen, in Deutschland über 370.000 allein im September; die Zahl von 800.000 in diesem Jahr ist schon überschritten. Kann das Innenministerium diese Zahlen bestätigen? Hat es möglicherweise die konkreten, genauen Zahlen?
STS SEIBERT: Herr Heller, ich glaube, um mich Ihrer Frage zu nähern, muss ich ein bisschen ausholen, denn sie geht ja zurück auf die gestrige Sitzung des Europäischen Rates. Dieser Europäische Rat hat tatsächlich gestern die Verhandlungen, die die Europäische Kommission mit der Türkei geführt hat, den Aktionsplan, der dabei aufgestellt wurde, begrüßt. Dafür hat sich die Bundeskanzlerin ausdrücklich bedankt. Dieser Aktionsplan ist im Grunde eine Gesprächsgrundlage. Er zeigt, auf welchen Ebenen, bei welchen Themen die Zusammenarbeit intensiviert werden soll, also Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei, Kampf gegen die kriminellen Schlepper. Das sind die Themen. Man muss in dem ganzen Zusammenhang sagen, dass mit der Türkei sehr viel Arbeit zu tun bleiben wird.
Die Einigung auf ein Aktionsprogramm, wie es die Europäische Kommission gestern dem Europäischen Rat vorgelegt hat, ist ein guter Schritt. Es war eine Einigung, die sie nach intensiven Gesprächen mit der Türkei erreicht hat. Das ist eine Gesprächsgrundlage, aber niemand sollte jetzt oder auch am Sonntag bei der Reise der Bundeskanzlerin nach Istanbul kurzfristige Wirkungen erwarten. Solche kurzfristigen Wirkungen kann es nicht geben. Doch ist es absolut richtig und absolut wichtig, die Zusammenarbeit mit der Türkei zu intensivieren. Das ist auch einer der Gründe, warum die Bundeskanzlerin nach Istanbul reist: um diesen europäisch-türkischen Prozess jetzt zu unterstützen.
In diesem Zusammenhang hat sie gestern in der Pressekonferenz gesagt, dass tatsächlich die von Ihnen genannte Zahl in der Diskussion eine Rolle gespielt hat. Aber das ist sicherlich nichts, was jetzt in irgendeiner Weise festlegungsreif ist. Es ist ein Arbeitsprozess mit der Türkei begonnen worden. Es gibt Einigung über die Themen, bei denen man gemeinsam vorankommen will. Da wird erst einmal sehr, sehr viel Arbeit geleistet werden müssen, bevor ich Ihnen eine konkrete Antwort geben kann. So weit ist es einfach noch nicht.
DR. DIMROTH: Wenn wir jetzt schon zum Flüchtlingsthema springen wollen, dann kann ich, Herr Heller, Ihnen „unter eins“ dazu nicht viel sagen, denn wie Sie gelesen haben werden, handelt es sich dabei offensichtlich um eingestufte Dokumente, die vorliegen.
Was ich Ihnen allgemein dazu sagen kann, ist, dass wir unsererseits immer sehr bewusst und deutlich darauf hingewiesen haben, dass die tatsächliche Zahl von Menschen, die zu uns kommen, um Schutz nachsuchen, höher ist als die offiziellen Zahlen, die wir turnusmäßig veröffentlichen. Das liegt schlichtweg an der sehr dynamischen Entwicklung und daran, dass aufgrund dieser dynamischen Entwicklung die Registrierung und damit die Zählung in offiziellen Nummern zeitlich immer etwas nach der tatsächlichen Einreise liegt, sodass es sicher eine Differenz zwischen der Zahl der tatsächlich Eingereisten und den offiziell von uns verwendeten Zahlen gibt.
Ich kann gerne, Frau Vorsitzende, wenn Sie mögen, noch etwas „unter drei“ dazu erläuternd sagen.
VORS. WELTY: Dann gehen wir jetzt „unter drei“. Ich denke, die Regeln dafür sind allen bekannt. Diese Informationen dürfen nicht verwendet werden. Ich bitte dann auch darum, die Fernseh- und Tonaufzeichnungen zu unterbrechen.
VORS. WELTY: Wir gehen jetzt wieder „unter eins“.
ZUSATZFRAGE HELLER: Fährt die Bundeskanzlerin mit einem Mandat oder einem Auftrag ihrer Partner aus Brüssel in die Türkei, oder ist das eine rein bilaterale Veranstaltung?
STS SEIBERT: Sie fährt in enger Abstimmung mit der Europäischen Kommission und den europäischen Partnern nach Brüssel. Es gibt auch bilaterale Themen; das ist ganz klar. Aber der große Bereich der Bekämpfung des Terrorismus, der gemeinsamen Einschätzung der Lage in Syrien und auch der Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise ist etwas, was natürlich auch gestern im Europäischen Rat besprochen wurde und was auch immer wieder eng zurückgekoppelt wird mit den europäischen Partnern, mit den Institutionen.
FRAGE KNABE: Herr Seibert, werden bei den Gesprächen der Bundeskanzlerin mit der türkischen Regierung auch die Spannungen zwischen den Kurden und Türken in der Türkei, die auch eine Rückwirkung auf Deutschland haben, Thema sein?
STS SEIBERT: Ich gehe davon aus, dass bei den Gesprächen, die die Kanzlerin sowohl mit dem Staatspräsidenten als auch dem Ministerpräsidenten führt, auch die innere Lage und Verfasstheit der Türkei eine Rolle spielt.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, zur inneren Lage in der Türkei: Da ist ja gerade ein heißer Wahlkampf. Wie kommt es, dass die Kanzlerin sich da auf einmal einmischt? Es gab doch immer die Regel, dass sich die Kanzlerin nicht in Wahlkämpfe anderer Länder einmischt. Warum fährt die Kanzlerin jetzt in die Türkei und hilft vielleicht Herrn Erdogan?
STS SEIBERT: Da können Sie ganz beruhigt sein: Es wird natürlich keine Einmischung in den Wahlkampf in der Türkei geben. Es gibt Gespräche über die Themen, die ich Ihnen genannt habe, und das hat mit dem Wahlkampf aus unserer Sicht nichts zu tun.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe noch eine Lernfrage an das Innenministerium: Mit welcher Zahl rechnen Sie dieses Jahr bei der Abwanderung aus Deutschland?
DR. DIMROTH: Da gibt es keine Prognose. Das liegt auch daran, dass die Migration aus Deutschland heraus keine dauerhaft gezählt Zahl ist, die wir vorhalten, sondern das Migrationsgeschehen aus Deutschland heraus wird vor allem über das Meldewesen gezählt. Das heißt, immer dann, wenn ein Mensch sich aus Deutschland abmeldet, fällt er in diese Statistik. Dazu veröffentlichen wir jährlich den Migrationsbericht, aus dem sich auch genau die Zahl der aus Deutschland Abwandernden ergibt. Er wird hier im Rahmen der Bundespressekonferenz regelmäßig vorgestellt und ist für das vergangene Jahr einsehbar. Aber es gibt keine Prognose vergleichbar mit der zu den Zugängen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Haben Sie die Zahl vom letzten Jahr vorliegen?
DR. DIMROTH: Habe ich nicht dabei. Aber wie gesagt, das ist eine veröffentlichte Studie; die finden Sie im Netz. Dazu kann ich Ihnen aber gerne nachher noch den Link schicken.
FRAGE HELLER: Noch zwei Fragen zum Thema Flüchtlinge, zur Aktualität: Ungarn hat seinen Zaun gegenüber Kroatien fertiggestellt, wie das Land gestern mitgeteilt hat. Entscheidungen, ob man diesen Zaun dann auch dichtmacht, sollen, glaube ich, heute fallen. Gleichzeitig hat Kanzleramtschef Altmaier heute Morgen mit Blick auf den Gipfel gesagt, in den Dokumenten sei nichts enthalten, was Zäune und Mauern in Europa in irgendeiner Weise rechtfertige oder fordere. Steht das, was Ungarn im Moment tut, nämlich einen zweiten Zaun an der Grenze zu Kroatien aufzubauen, nach Ihrer Auffassung im Einklang mit der Flüchtlings- und Asylpolitik der EU?
Hat die Bundesregierung eine Kommentierung des Vorfalls in Bulgarien, wo offenbar ein afghanischer Flüchtling an der Grenze erschossen worden ist?
STS SEIBERT: Ohne genaue Kenntnis des Vorfalls in Bulgarien, von dem ich auch nur gelesen habe, kann ich das natürlich nicht kommentieren außer dass ich sage, dass, wenn es zum Tod eines Menschen an einer Grenze in Europa kommt, es immer eine Tragödie ist.
Zu Ihrer weiteren Frage: Ich möchte eine noch gar nicht stattgefundene Maßnahme eines europäischen Mitgliedstaates nicht kommentieren. Ich glaube, es würde sich vielleicht lohnen, noch einmal in die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin von gestern hineinzugehen, in der sie klar gesagt hat, dass Abschottung für Europa im 21. Jahrhundert keine Strategie sein kann.
Wir haben eine gesamteuropäische Herausforderung durch die sehr große, sehr hohe Zahl von Flüchtlingen, die in unsere Länder und vor allem auch nach Deutschland streben. Der müssen wir klug und vor allem gemeinsam begegnen. Abschottungsmaßnahmen sind aus unserer Überzeugung nicht zielführend.
Was richtig ist, ist das, was wir jetzt in Europa tatsächlich auch einleiten und wofür sich die Bundesregierung sehr intensiv einsetzt, nämlich wieder eine wirksame Kontrolle an den europäischen Außengrenzen zu erzielen, Hotspots einzurichten, in denen Menschen empfangen werden können und dann aber auch in ihrer Bleibeperspektive eingeschätzt und von dort aus verteilt werden können. Deswegen ist die europäische solidarische, faire Verteilung, ein Mechanismus dafür für uns etwas Wichtiges. Das sind kluge Maßnahmen, mit denen Europa auf diese Herausforderungen reagieren kann. Da haben wir noch erheblich Arbeit zu tun, haben aber immerhin auch schon europäische Beschlüsse gefasst und haben, was beispielsweise die Verteilung betrifft, auch schon begonnen, sie umzusetzen. Da müssen wir jetzt weitermachen.
FRAGE JUNG: Ich habe noch zwei Lernfragen an das Auswärtige Amt: Herr Schäfer, wie viele humanitäre Visa hat die Bundesregierung in diesem Jahr bereits eingeführt? Können Sie vielleicht eine Vergleichszahl aus dem letzten Jahr sagen?
DR. SCHÄFER: Ich bin ein bisschen am Rätseln, was Sie mit der Frage meinen. Was sind denn humanitäre Visa?
ZUSATZFRAGE JUNG: In Notsituationen kann die Bundesregierung doch Visa für Familienangehörige ausstellen.
DR. SCHÄFER: Das Erste, was mir darauf einfällt, ist darüber ist in diesem Raum schon sehr häufig gesprochen worden, auch von dem Kollegen aus dem Innenministerium , dass es für Flüchtlinge aus Syrien Programme des Bundes und Programme der Länder gegeben hat. Insgesamt 37.000 Menschen können auf der Grundlage dieser Kontingente mit einem Einreisevisum versehen werden. Ich glaube, der überwiegende Teil dieser Zahlen ist ausgeschöpft. Ich weiß nicht, Herr Dimroth, ob Sie die Zahl selber parat haben. Ich müsste sie nachtragen; ich habe sie hier nicht dabei.
Sie haben recht: Das Aufenthaltsgesetz sieht in der Tat vor, dass unter bestimmten Umständen die Möglichkeit besteht, Visa zu erteilen. Aber auch da bin ich zurzeit nicht in der Lage, Ihnen Zahlen zu geben, weil ich sie nicht dabeihabe. Das ist aber, glaube ich, eine Zahl, die wirklich sehr, sehr, sehr überschaubar ist.
ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage bezog sich darauf, ob diese Zahl sich vielleicht im Vergleich zum letzten Jahr deutlich erhöht hat, weil die Not sich ja auch
DR. SCHÄFER: Das habe ich durchaus verstanden. Aber wenn ich noch nicht einmal die Zahl von diesem Jahr habe, wird es mir auch schwerfallen, den Vergleich zum letzten Jahr zu ziehen. Ich denke, das können Sie verstehen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer, wie viele deutsche Visazentren in Nicht-EU-Staaten sind in den letzten Monaten eröffnet worden? Planen Sie vielleicht die Eröffnung von neuen?
DR. SCHÄFER: Auch da bin ich jetzt ein bisschen am Rätseln, was Sie mit der Frage meinen könnten. Die allermeisten unserer Auslandsvertretungen unterhalten, wenn Sie so wollen, Visazentren, indem die Konsularabteilungen die Möglichkeit anbieten, dass Staatsangehörige des Landes, in dem sich diese Botschaft oder das Konsulat befindet, vorbeischauen können, um ein Visa zu beantragen.
Es gibt ganz viele Länder, von denen aus man visafrei in den Schengen-Raum und damit auch nach Deutschland einreisen kann, aber auch eine Menge Länder, in denen die Einreise mittels eines Visums erfolgt. Da gibt es dann Konsularstellen, an denen man seine Anträge abgeben kann. Die werden dann geprüft. Dann gibt es ein Visum, und dann kann man in den Schengen-Raum oder nach Deutschland reisen. Über Pläne, das zu erweitern, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht berichten.
FRAGE PAPPAS: Eine Frage an Herrn Seibert und das Bundesfinanzministerium: Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, Griechenland aufgrund der Flüchtlingskrise finanziell entgegenzukommen? Ich lese heute bei deutschen Medien von einer Art Deal: Wenn Griechenland sich bei der Flüchtlingskrise kooperativ zeigt, mehr Flüchtlinge aufnimmt, dann wird die Bundesregierung nicht strikt auf der Umsetzung des Programms beharren.
STS SEIBERT: Diese Verbindung sollten wir jetzt nicht ziehen. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass es die gesamteuropäische Überzeugung ist, dass wir dringend eine geordnete Situation an der EU-Außengrenze und damit auch in der Ägäis zwischen Griechenland und der Türkei brauchen. Warum? Vor allem, um den Menschen zu helfen. Vor allem, damit die Schlepper dort nicht mehr das Sagen haben und ihr lebensgefährliches Handwerk ausüben.
Deswegen bauen wir zum einen auf die Kooperationsbereitschaft auch der türkischen Partner, aber wir wollen das hatte ich hier neulich schon gesagt auch Griechenland dabei unterstützen, dass es seinen Aufgaben als Mitgliedstaat der EU, seine Grenze zu schützen, wirklich wirksam nachkommen kann. Eine Form dieser Unterstützung ist Frontex, die Stärkung von Frontex. Es war ja gestern auch Thema beim Europäischen Rat, dass die einzelnen Mitgliedstaaten dafür stärker Personal zur Verfügung stellen sollen. Aber wir meinen damit auch eine bilaterale Unterstützung beispielsweise Griechenlands im Bereich der Ausbildungshilfe, der Ausstattungshilfe. Ich hatte hier neulich schon Fingerabdruckgeräte, die wir zuletzt zur Verfügung gestellt haben, als Beispiel genannt. Da wird man sicherlich auch über Weiteres nachdenken können.
ZUSATZFRAGE PAPPAS: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den beiden Themen, also einmal der Flüchtlingskrise und wie Griechenland sich bei dieser Krise verhält und der Umsetzung des Programms?
STS SEIBERT: Die Europartner haben mit Griechenland ein drittes Hilfsprogramm aufgeschrieben. Das ist nun beschlossen, und es ist auch vom griechischen Parlament beschlossen. Das ist ein Prozess, den wir, glaube ich, jetzt erst einmal für sich und unabhängig laufen lassen sollten und hier nicht mit den tagesaktuellen Herausforderungen der Flüchtlingskrise vermischen sollten.
Dennoch sage ich: Deutschland und Europa sind bereit, diesem besonders herausgeforderten Mitgliedsland Griechenland auch Unterstützung zukommen zu lassen.
VORS. WELTY: Möchte das Finanzministerium ergänzen?
VON TIESENHAUSEN-CAVE: Nein. Ich schließe mich da an.
FRAGE JUNG: Eine Frage an Herrn Seibert, womöglich an Herrn Schäfer, zum Thema humanitäre Korridore: Was hält die Bundesregierung von öffentlichen Überlegungen im Vatikan, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge durch die Botschaften des Vatikans, sogenannten Nuntiaturen, vatikanische Visa ausstellen zu lassen, um eine legale Einreise nach Europa zu ermöglichen? Die Frage bezieht sich darauf, dass die Kanzlerin im letzten Jahr mit Herrn Ban Ki-moon sich genau das gewünscht hat, also humanitäre Korridore.
STS SEIBERT: Diese Frage enthält jetzt sehr vieles auf einmal: Herrn Ban Ki-moon, den Vatikan, die Nuntiaturen und humanitäre Korridore. Ich kenne den Vorschlag des Vatikans nicht. Deswegen bin ich jetzt hier ad hoc nicht in der Lage, darauf einzugehen. Ich glaube, dass man so etwas auch nur Land für Land, Herkunftsland für Herkunftsland sinnvoll diskutieren kann.
ZUSATZFRAGE JUNG: Der Punkt ist ja, dass der Vatikan den Menschen Visa geben kann, damit sie nach Europa reisen können. Würde die Bundesregierung das unterstützen? Die Kanzlerin hat sich ja genau das gewünscht, als sie Herrn Ban Ki-moon im Januar 2014 getroffen hat.
STS SEIBERT: Hat sie sich in einem Treffen mit Herrn Ban Ki-moon gewünscht, dass der Vatikan Visa ausstellt? Das erscheint mir, wenn ich das so sagen darf, unwahrscheinlich.
ZUSATZFRAGE JUNG: Sie hat sich gewünscht, dass Europa das schafft. Europa hat das bisher nicht geschafft. Der Vatikan überlegt das jetzt gerade öffentlich.
STS SEIBERT: Ich möchte Pläne des Vatikans, die ich nicht kenne, hier nicht kommentieren.
FRAGE DECKER: Zur neuesten BND-Affäre habe ich zwei Fragen an Herrn Seibert. Die erste Frage: Wie kann es sein, dass der Vorgang, also der Einsatz BND-eigener Selektoren, im Oktober 2013 vom Kanzleramt gestoppt worden ist und der Untersuchungsausschuss davon erst im Oktober 2015 erfährt?
Zweite Frage: Wie verträgt sich das mit den Äußerungen von Frau Merkel, die gesagt hat: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht!“?
Dann schließe ich die dritte Frage gleich an: Die Grünen haben eine Ablösung von Herrn Schindler ins Gespräch gebracht. Halten Sie das für denkbar, möglicherweise sogar für erforderlich?
STS SEIBERT: Herr Decker, vielen Dank für die Fragen. Zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten äußern sich die Bundesregierung und auch ich als ihr Sprecher nur gegenüber den zuständigen und geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages. Diese werden fortlaufend über Sachverhalte unterrichtet. Sie wurden und werden auch zu dem Vorgang, den Sie jetzt ansprechen und der in Presseveröffentlichungen vorkommt, fortlaufend unterrichtet. Grundsätzlich gilt, dass die Bundesregierung die Arbeit der Gremien vollumfänglich unterstützt.
ZUSATZFRAGE DECKER: Zumindest die dritte Frage dürfte vielleicht hier in diesem Rahmen beantwortbar sein: ob Herr Schindler in irgendeiner Weise zur Disposition steht.
STS SEIBERT: Das Bundeskanzleramt steht zu dem in den Presseveröffentlichungen thematisierten Vorgang mit dem Bundesnachrichtendienst in intensivem Kontakt. Es hat ihn angewiesen, diesen sehr komplexen Sachverhalt vollständig aufzuklären. Das ist es, worauf wir uns jetzt konzentrieren: die Aufklärung dieses Sachverhalts.
FRAGE JUNG: Der BND hat eingeräumt, dass bis weit ins Jahr 2013 Botschaften und andere Behörden von EU-Ländern und weiteren Partnerstaaten ausgespäht wurden. Können Sie denn ausschließen, dass der BND das immer noch macht?
STS SEIBERT: Grundsätzlich möchte ich sagen, dass ich mich zu der Frage, inwieweit die in den Presseveröffentlichungen behaupteten Tatsachen zutreffen, hier nicht äußern kann, sondern dass die Bundesregierung auch dies gegenüber den geheim tagenden parlamentarischen Gremien tut.
ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage bezog sich auf Aussagen von Herrn Schindler im Untersuchungsausschuss.
STS SEIBERT: Dann werden sie auch genau dort zu bewerten sein.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe noch eine Frage zu den organisatorischen Defiziten, die Sie uns hier vor einem halben Jahr nahebringen wollten. Sind diese organisatorischen Defizite im BND behoben? Welche waren das?
STS SEIBERT: Ich wollte sie Ihnen damals nicht nahebringen; ich habe damals darauf hingewiesen, dass das Bundeskanzleramt im Rahmen seiner Dienst- und Fachaufsicht solche Defizite, und zwar technisch wie organisatorisch, identifiziert hatte und dass es unverzüglich Weisung erteilt hat, dass diese behoben werden. Über weitere Details dazu werden ebenfalls die zuständigen und geheim tagenden parlamentarischen Gremien fortlaufend unterrichtet.
FRAGE JORDANS: Herr Seibert, ich denke, zu der zweiten Frage des Kollegen könnten Sie vielleicht doch ein bisschen etwas erläutern. Das geht ja auf eine Aussage der Bundeskanzlerin zurück. Vielleicht könnten Sie sagen, ob die Parole „Spionieren unter Freunden geht gar nicht!“ während der gesamten Amtszeit der Bundeskanzlerin galt.
STS SEIBERT: Das Diktum der Kanzlerin gilt.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Gilt jetzt, im Präsens? Oder galt während der gesamten
STS SEIBERT: Das Diktum der Kanzlerin gilt. Und es galt selbstverständlich auch, als sie es zum ersten Mal ausgesprochen hat.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Erst dann oder schon vorher?
STS SEIBERT: Das Diktum der Kanzlerin gilt.
FRAGE ULRICH: Ich würde gern das Verteidigungsministerium und das Außenministerium in Sachen Afghanistan ansprechen. Da bremst US-Präsident Obama jetzt den Rückzug. Auch Frau von der Leyen hat schon angedeutet, dass die Bundeswehr dort länger bleiben könnte. Wie genau wird sich das jetzt in „Resolute Support“ weiterentwickeln und äußern?
DR. SCHÄFER: Das ist eine Frage, die wir jetzt noch nicht in toto beantworten können. Zunächst einmal gilt das, was für die Bundesregierung dazu von der Verteidigungsministerin und auch vom Außenminister gestern nach der Pressekonferenz von Präsident Obama gesagt wurde: Wir begrüßen diese Entscheidung, weil sie, so glauben wir, im Einklang steht mit den Notwendigkeiten der Sicherheitslage in Afghanistan und unserem Ziel, der afghanischen Regierung und den Menschen in Afghanistan weiter zur Seite zu stehen.
Dazu gehört unser großes ziviles Engagement. Dazu gehört aber auch, dass Afghanistan weiter Hilfe durch Beratung und Ausbildung in seinen Sicherheitsstrukturen braucht.
Präsident Obama hat in der Tat angekündigt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika über das Jahr 2016 hinaus planen und beabsichtigen, ihre Militärpräsenz in Afghanistan aufrecht zu erhalten, wenn auch mit reduzierten Zahlen. Das setzt uns jetzt nach den Beratungen, die wir mit unseren Partnern und auch mit Washington in den letzten Monaten geführt haben, in die Lage, selber konkret zu planen. Es galt immer in Afghanistan das Prinzip „gemeinsam rein und gemeinsam raus“. Nur so macht das auch Sinn. Das bedeutet jetzt: Das „gemeinsam raus“ wird weder 2015 noch 2016, sondern irgendwann jenseits von 2017 erfolgen können, und zwar hoffentlich erst dann, wenn die afghanischen Sicherheitskräfte vollends in der Lage sind, die Sicherheit des Landes in die eigenen Hände zu übernehmen.
Die Beratungen im Kreise der Partner von Resolute Support, das heißt in der NATO, laufen jetzt weiter. Sie sind ja vorher schon geschehen. Der Plan ist, dass bis zum Treffen der Außenminister der NATO beziehungsweise bis zum Treffen der Außenminister der Mitgliedstaaten von Resolute Support das ist für den letzten Monat im Jahr geplant, für Anfang Dezember, glaube ich; ein genaues Datum kann ich Ihnen nachreichen, wenn Sie möchten die Vorbereitungen so weit abgeschlossen sind, dass dann die politische Entscheidung darüber fallen kann, wie mit Resolute Support weiter umgegangen wird. Die Haltung der Bundesregierung haben Sie, wie gesagt, gestern den Äußerungen der beiden Minister entnommen. Sie sind der Meinung, dass es vernünftig ist, Resolute Support und damit auch das deutsche militärische Engagement in Afghanistan zu verlängern.
Was das in concreto bedeutet, wie viel Mann oder Frau Soldaten damit verbunden sind, das sind alles Fragen, die jetzt mit den Partnern besprochen werden müssen, weil es natürlich darum geht, ein schlüssiges verantwortbares Gesamtkonzept der militärischen Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft für Afghanistan auf die Beine zu stellen. Da sind wir jetzt gut im Zeitplan. Das wird dann sicherlich Anfang Dezember endgültig indossiert werden können.
STS SEIBERT: Ich möchte, wenn ich darf, ganz kurz, weil das wirklich eine sehr wichtige Angelegenheit ist, auch im Namen der Bundeskanzlerin einstimmen. Sie begrüßt diese gestrige Ankündigung von Präsident Obama zum künftigen Engagement der USA in Afghanistan ausdrücklich. Diese Ankündigung ist ein wichtiges Zeichen an die internationale Gemeinschaft, ein wichtiges Zeichen an die Bündnispartner der USA, aber vor allem ein wichtiges Zeichen an die afghanische Bevölkerung.
ZUSATZFRAGE ULRICH: Herr Dr. Schäfer, Sie sagen, was das konkret heißt Soldaten, Soldatinnen , müsse alles mit den Partnern besprochen werden. Ist aber trotzdem jetzt schon vorstellbar, dass nicht nur Abzüge gebremst werden, sondern auch wieder aufgestockt wird? Das ist meine eine Frage.
Die andere Frage: Gibt es denn konkrete Planungen? Das wäre ja für die Bundestagszustimmung nötig.
DR. SCHÄFER: Die Mandate des Deutschen Bundestages sind grundsätzlich immer auf zwölf Monate angelegt. Das ist auch im Falle Afghanistans so. Es hat einmal eine Ausnahme in den letzten Jahren gegeben, als es aus Gründen des internationalen Kalenders erforderlich war, ein Mandat über 15 Monate zu verabschieden. Wir haben zwölf Monatsrhythmen. In diesem regelmäßigen Rhythmus wird selbstverständlich die Bundesregierung den Bundestag, falls erforderlich, um eine Verlängerung des Mandats bitten. Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt hier noch keine konkreten Äußerungen über Mandatssollstärken, Mandatsobergrenzen oder konkrete Planungen machen schlicht und ergreifend deshalb, weil es davon abhängt, in welchem Gesamtkonzept sich das Ganze bewegen wird.
VORS. WELTY: Vielleicht möchte das Verteidigungsministerium ergänzen.
NANNT: Ich habe keine Ergänzung dazu.
FRAGE HELLER: Ich habe in Erinnerung, dass derzeit die Mandatsstärke auf 850 festgelegt ist. Wie viele sind es denn im Moment konkret, die in Afghanistan sind? Ist diese Obergrenze ausgefüllt?
NANNT: Wir haben die Mandatsobergrenze von 850. Wir sind derzeit etwas darüber. Durch Kontingentwechsel, aber auch durch den Rückbau, den wir jetzt in Termez in Usbekistan machen, sind wir bei etwa 890 Soldaten. Das ist aber nur zeitweise.
FRAGE JUNG: Herr Schäfer, neben Ihrem Mantra „gemeinsam rein, gemeinsam raus“ das ist ja so eine Art „mitgehangen, mitgefangen“ gibt es aus Sicht der Bundesregierung gute Gründe, warum die Bundeswehr neben dieser Allianz in Afghanistan bleiben muss? Was kann die Bundeswehr da schaffen, was sie in den letzten 14 Jahren nicht geschafft hat?
DR. SCHÄFER: Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nicht so, dass die internationale Gemeinschaft wie wir seit gestern wissen, auch die Vereinigten Staaten von Amerika der Meinung wäre, dass man Afghanistan jetzt schon einfach seinem eigenen Schicksal überlassen könnte. Die Schritte, die wir in den letzten Jahren im Grunde seit der Londoner Afghanistan-Konferenz 2010 gegangen sind, nämlich das militärische Engagement der internationalen Gemeinschaft langsam, aber sicher zurückzufahren und gleichzeitig Sorge dafür zu tragen, dass die afghanischen Sicherheitsbehörden, die Polizei und das Militär in die Lage versetzt werden, das, was von der internationalen Gemeinschaft nicht mehr gemacht werden sollte, zu übernehmen, das alles haben wir über Jahre hinweg sehr sorgfältig geplant und haben damit auch das glaube ich, guten Gewissens sagen zu können einige Erfolge erzielt.
Die afghanischen Sicherheitskräfte sind grosso modo in der Lage, die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Über den Fall Kundus haben wir hier in den letzten Wochen ja des Öfteren gesprochen. Das können wir gern noch intensivieren, wenn Sie das wollen.
Aber ich glaube so hat es der amerikanische Präsident auch gestern zum Ausdruck gebracht , es geht jetzt darum, all das, was in 14 Jahren in Afghanistan erreicht worden ist an sozialen Errungenschaften, an Rechten der Frauen, an Schulbildung für Kinder, an Wiederaufbau von Infrastruktur nach einem Bürgerkrieg, der im Grunde seit dem Ende der Siebziger Jahre angedauert hat , nicht aufs Spiel zu setzen und noch etwas mehr Zeit, Geld und auch politisches Engagement zu investieren, damit das nicht verlorengeht, sondern den Menschen in Afghanistan erhalten bleibt. Es bleibt unser Ziel, dauerhaft dafür Sorge zu tragen, dass in Afghanistan nicht mehr Chaos und Anarchie aufkommen, dass Afghanistan nie mehr ein Hort des internationalen Terrorismus werden kann, so wie das im letzten Jahrzehnt noch der Fall gewesen ist. Wir sollten uns gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft wirklich dafür engagieren, dem Land auf die Beine zu helfen, den Menschen Perspektiven zu geben und für eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung und Frieden zu sorgen.
NANNT: Vielleicht noch eine Ergänzung dazu: Wir haben in den letzten Jahren zusammen mit unseren nationalen und internationalen Partnern über 350.000 afghanische Sicherheitskräfte aufgebaut.
Was jetzt wichtig ist, weil Sie ja auch die Frage stellten, was die Bundeswehr da noch leisten kann: Wir haben jetzt eine Ausbildungs- und Beratungsmission. Das heißt, wir haben die Quantität an afghanischen Sicherheitskräften. Aber es ist natürlich auch wichtig, dass man weiterhin die Qualität herstellt. Da ist unsere Beratungs- und Ausbildungsleistung, die wir jetzt zum Beispiel ganz speziell in Masar-e-Scharif leisten, unheimlich wichtig. Da sollte man da kann ich den Worten von Herrn Schäfer nur zustimmen das, was man erreicht hat, nicht gefährden.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe noch einmal eine Frage zu Kundus. Sie hatten das ja gerade angesprochen. Herr Nannt, mich würde interessieren, ob deutsche Soldaten Teil des NATO-Teams sind, das den Luftangriff auf die „Ärzte ohne Grenzen“-Klinik untersuchen wird?
NANNT: Sie hatten keine deutschen Soldaten dabei.
ZUSATZFRAGE JUNG: Würden Sie sich wünschen, dass deutsche Soldaten dabei sind? Denn man würde sich ja quasi, wenn es um Kriegsverbrechen geht, eine unabhängige Untersuchungskommission wünschen, die zum Beispiel nicht aus Amerikanern besteht?
NANNT: Herr Jung, ich bin hier nicht dazu da, um hier Wünsche zu äußern. Wie gesagt: Wir sind bei der Untersuchung nicht dabei. Das wurde in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Das wird jetzt auch im Bereich Resolute Support untersucht. Sie können sicher sein, dass diesem Vorfall genau nachgegangen wird.
FRAGE KNABE: Hat Sie die gestrige Äußerung oder Erklärung von Präsident Obama sehr überrascht? Das klingt fast so aus Ihren Darlegungen.
DR. SCHÄFER: Nein, sie hat uns gar nicht überrascht. Wir haben ja in den letzten Monaten intensiv hinter den Kulissen mit unseren Partnern und insbesondere mit Washington über all diese Fragen beraten. Es war klar, dass die Entscheidung für den amerikanischen Präsidenten nicht leicht sein würde, weil sie ja auch damit zu tun hat, mit welchen Versprechen er gegenüber seinem amerikanischen Wahlvolk angetreten war.
Ich denke, man kann da durchaus sagen, dass auch die Haltung der Bundesregierung, die wir in den letzten Monaten immer wieder auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit der amerikanischen Regierung ausgetauscht haben, eine Rolle dabei gespielt hat, dass der amerikanische Präsident sich gestern öffentlich so eingelassen hat, wie er das getan hat.
ZUSATZFRAGE KNABE: Herr Nannt, schließen Sie in diesem Zeitpunkt aus, dass deutsche Soldaten, wenn der Einsatz dort geplant wird, nicht nur als beratende Kräfte dort sein werden, sondern auch als kämpfende?
NANNT: Ich glaube, die Antwort hat gerade Herr Schäfer schon in der ersten Antwort gegeben, dass wir jetzt dabei sind, das gemeinsam mit unseren Partnern abzustimmen. Wir haben eine Zeitlinie Anfang Dezember. Dort findet das NATO-Außenminister-Treffen statt. Alles Weitere muss man jetzt besprechen.
ZUSATZFRAGE KNABE: Also Sie schließen es nicht aus in diesem Zeitpunkt?
NANNT: Grundsätzlich schließe ich hier nie Antworten aus.
Wie gesagt: Wir haben jetzt diesen Zeitplan, der läuft. Alles Weitere werden wir dann sehen. Aber wichtig das habe ich auch mit der Antwort an Herrn Jung noch einmal betont ist einfach diese Ausbildungs- und Beratungsgeschichte, die entscheidend für die weitere Qualität der afghanischen Sicherheitskräfte ist.
DR. SCHÄFER: Ich glaube, es gibt Konsens innerhalb der internationalen Gemeinschaft, nicht in den Status quo ante zurückzukehren, sozusagen wieder einen festen Kampfeinsatz in der NATO oder mit irgendwelchen internationalen Allianzen zu beginnen.
FRAGE JENNEN: Eine Frage an das Finanzministerium: Es gibt einen Bericht, wonach die Bundesregierung bereit sein könnte, den Commerzbank-Anteil an Lloyds zu verkaufen. Gibt es da irgendwelche Kontakte, vielleicht auch zu Lloyds, oder können Sie dazu etwas sagen?
VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich habe dazu keinen Kommentar.
FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Dr. Schäfer, am 18. Oktober, also am Sonntag, ist ja der „Adoption Day“, was die Umsetzung des Wiener Nuklearabkommens angeht. Wann erwarten Sie die Aufhebung der EU-Sanktionen? Es gibt Berichte, dass schon am Montag die Sanktionen gegen Iran aufgehoben werden.
DR. SCHÄFER: Sie sagen das so lapidar daher, Herr Towfigh Nia, am Sonntag sei „Adoption Day“. Das stimmt. Wir gehen in der Tat davon aus, dass der Sonntag der Tag ist, an dem förmlich die Wiener Vereinbarung vom 14. Juli über das iranische Atomprogramm in Kraft treten wird. Das ist, wenn Sie so wollen, das Startdatum, der Startschuss dafür, dass die beiden Seiten die in der Wiener Vereinbarung festgelegten Vereinbarungen jetzt in die Tat umsetzen. Das bedeutet insbesondere, dass der Iran ab diesem Zeitpunkt verpflichtet ist, all das zu tun, was das Abkommen vorsieht, also seine Zentrifugen abzubauen, das angereicherte Uran aus dem Land auszuführen, die Überwachungs- und Transparenzmaßnahmen in Gang zu setzen, mit der Internationalen Atomenergiebehörde über all die Fragen zu verhandeln, die aus der Vergangenheit noch offen sind und vieles mehr. Die Gegenleistung der E3+3 ist in der Tat, dass die Vorbereitungen dafür getroffen werden, die Sanktionen auszusetzen, die es gegen den Iran zum heutigen Zeitpunkt noch gibt, also die Vorbereitungen zu treffen, diese Sanktionen auszusetzen.
Zu einem Zeitpunkt, der im Vertrag nicht zeitlich festgelegt ist, sondern davon abhängt, wann der Iran seine Verpflichtungen aus dem Abkommen umgesetzt hat, wird der Moment kommen der sogenannte „Implementation Day“ , an dem dann auch die E3+3 und damit die Europäische Union ihre Sanktionen aussetzen oder aufheben werden. Wann genau das der Fall sein wird, Herr Towfigh Nia, das kann ich Ihnen nicht sagen, weil das davon abhängt, wie viel Zeit der Iran braucht, um seine Verpflichtungen aus der Wiener Vereinbarung ab „Adoption Day“ tatsächlich umzusetzen.
Ich glaube, ich kann hier eine Prognose wagen und Ihnen sagen, dass es uns möglich erscheint, dass der Iran seine Aufgaben, seine Hausaufgaben, im Laufe des ersten Quartals 2016 erfüllen könnte. Je eher das sagen wir aus Sicht der Bundesregierung ganz ausdrücklich , desto besser. Jedenfalls wird sichergestellt sein, dass die Schritte zum „Implementation Day“, die von Seiten der Europäischen Union zu unternehmen sind, dann jederzeit rechtzeitig umgesetzt werden können.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Sie haben sich jetzt sehr skeptisch geäußert, was die Umsetzung der iranischen Verpflichtung angeht. Haben Sie irgendwelche Hinweise, dass Iran seinen Verpflichtungen bis jetzt nicht nachgekommen ist?
DR. SCHÄFER: Wenn es bei Ihnen skeptisch angekommen ist, dann tut mir das Leid. Es war von mir gar nicht skeptisch gemeint. Wir haben bisher und zwar seit November 2013, seitdem wir den „Joint Plan of Action“ miteinander in Genf vereinbart haben erlebt und gesehen, dass der Iran sich an sämtliche überprüfbare Verpflichtungen gehalten hat, die seit dem November 2013 existiert haben. Da gibt es überhaupt keinen Grund zur Klage.
Aber ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen, dass das alles keine Frage von Vertrauen ist Vertrauen ist in den letzten zwölf Jahren manches kaputt gegangen , sondern es geht darum, dass Vereinbarungen eingehalten werden, und zwar transparent und überprüfbar. Genau so, wie das in der Wiener Vereinbarung angelegt ist, werden wir das auch umsetzen. Wir hoffen sehr, dass das Ergebnis dieser gemeinsamen Anstrengung, sich an Geist und Buchstaben der Wiener Vereinbarung zu halten, dann auch neues Vertrauen entstehen lassen kann, von dem wir hoffen, dass es eben nicht nur Wirkung im Rahmen des iranischen Atomprogramms zeigt, sondern auch bei all den anderen schwierigen regionalen Fragen, an denen der Iran so wie wir ein großes Interesse hat.
FRAGE JORDANS: Herr Seibert, hat denn die Bundeskanzlerin wahrgenommen, dass bei einer Demonstration in Dresden am Montag ein Galgen mit ihr und dem Namen des Vizekanzlers herumgetragen wurde? Wenn ja, wie hat sie darauf reagiert? Ist das jetzt eine legitime Meinungsäußerung, oder hat man damit eine Grenze überschritten?
STS SEIBERT: Ich glaube, dank der reichlichen Presseberichterstattung haben wir das alle wahrgenommen. Ob da eine Grenze überschritten ist, ob das strafrechtlich zu bewerten ist, das müssen die Behörden, die dafür zuständig sind, entscheiden. Ansonsten haben sich ja mehrere Minister auch aus der Bundesregierung darüber wie über die Guillotine, die bei einer Anti-TTIP-Demonstration herumgetragen wurde und den Namen des Wirtschaftsministers trug, geäußert. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Also was den öffentlichen politischen Diskurs in der Bundesrepublik angeht, wie er dadurch beeinflusst wird oder wie man das in dem Kontext sehen muss, dazu haben Sie keine Meinung?
STS SEIBERT: Ob das strafbar ist, das müssen die Behörden entscheiden. Es ist doch klar, dass niemand von uns und sicherlich auch niemand von Ihnen möchte, dass das jetzt die Zeichen sind, die Demonstrationen in Deutschland prägen. Das versteht sich von selbst.
FRAGE JUNG: Herr Schäfer, am Montag haben die EU-Außenminister ja die Luftangriffe der Russen in Syrien verurteilt. Mich würde einmal interessieren: Warum?
Zweitens. Wen bombardieren dann die Russen, wenn nicht ISIS? Sie wissen ja anscheinend, dass es nicht ISIS ist. Wer ist es dann?
DR. SCHÄFER: In der Tat: Sie haben Recht. Die Außenminister der Europäischen Union haben in ihren Rat-Schlussfolgerungen vom Montag auch die russischen Luftangriffe in Syrien kritisiert. Sie haben darauf hingewiesen und das auch in den vorher stattgefundenen Beratungen diskutiert, dass das Eingreifen Russlands in Syrien die Lage in Syrien jedenfalls nicht leichter gemacht hat und dass die Luftangriffe entgegen ersten öffentlichen Verlautbarungen der russischen Regierung eben nicht oder jedenfalls nicht nur ISIS, sondern auch anderen Zielen gelten. Das ist das, worauf die Außenminister hingewiesen haben.
Ansonsten würde ich Sie gern auf ein aktuelles Interview verweisen, das der Außenminister gestern mit einer großen deutschen Tageszeitung geführt hat. Das finden Sie heute im Blatt und auch im Internet. Da hat der Außenminister eine ganze Menge Fragen beantwortet, auch zu dem Thema, was das Eingreifen Russlands in Syrien für ihn, für die Bundesregierung und für unsere Bemühungen um einen Einstieg in eine politische Lösung, in ein Ende des Bürgerkriegs, bedeuten mag. Ich kann das gern im Detail ausführen, wenn Sie dazu präzisere Fragen haben sollten.
ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage war ja: Was sind diese anderen Ziele? Das muss man ja wissen, wenn man weiß, dass es nicht ISIS war.
DR. SCHÄFER: Ich glaube, dies ist nicht unbedingt der richtige Ort, um nachrichtendienstliche Erkenntnisse mit Ihnen zu teilen; das könnte ich nicht. Es ist aber durchaus öffentlich bekannt, dass viele der Luftangriffe der russischen Luftwaffe in Syrien im Nordwesten des Landes geflogen werden, nämlich genau dort, wo die syrische Armee sich mit anderen Gruppierungen als ISIS entweder in gegenseitigen Angriffs- oder Verteidigungsstellungen befindet oder wo andere Gruppen der Rebellen, der syrischen Opposition, militärische Operationen durchführen, auf die die russische Luftwaffe ganz offenbar Angriffe fliegt. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Angriffe koordiniert sind mit der syrischen Armee und sich irgendwie in eine militärische Gesamtstrategie einfügen lassen. Jedenfalls ist das unser Eindruck, wenn wir die Äußerungen aus Moskau und aus Damaskus vonseiten der syrischen Armee und der syrischen Regierung nebeneinanderlegen.
FRAGE JENNEN: Eine Frage an das Verkehrsministerium die wahrscheinlich auch schon in der Vergangenheit einmal gestellt wurde zum EU-Kommissionsvorschlag zum „Real Driving Emissions“-Test: Was ist dazu die Position der Bundesregierung? Könnten Sie sich da ein gestuftes Verfahren vorstellen, in dem man beim sogenannten Konformitätsfaktor von 2,2 auf den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Faktor von 1,6 heruntergeht?
STRATER: Ich werde diese Vorschläge nicht im Detail bewerten. Es gilt das, was wir auch am Rande des Verkehrsministerrates in der vergangenen Woche gesagt haben: Wir wollen, dass diese Tests realistischer werden, wir wollen die RDE-Verfahren haben. Deutschland hat seit einigen Jahren sehr aktiv daran mitgearbeitet, und wir wollen, dass das zügig umgesetzt wird. Jetzt sind wir in der Phase der Umsetzung, aber ich kann hier nicht Detailstellungnahmen, die jetzt zunächst einmal intern erfolgen, kundtun.
FRAGE ULRICH: Ebenfalls zu diesem Thema an Herrn Strater: „SPIEGEL“ wird jetzt darüber schreiben, dass in Ihrem Haus offenbar darüber nachgedacht wird, eine EU-Verordnung, die eigentlich schon seit 2007 gilt, tatsächlich umzusetzen nämlich eine Verordnung, die beinhaltet, dass die Hersteller Zugang zu Steuergeräten bzw. zur Software geben, sodass man weiß, was da bei den Herstellern passiert. Das ist offenbar eigentlich EU-Verordnung, aber ist bei uns noch nicht umgesetzt worden. Sind Sie dabei, die Verordnungen zur Abnahme von neuen Pkw auch über das Verkehrsministerium zu verschärfen, und wo stehen Sie da gerade?
STRATER: Ich kenne diese „SPIEGEL“-Meldung, die Sie da zitieren, nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es um eine Thematik geht, die im Rahmen der Überarbeitung der Typgenehmigungsvorschriften diskutiert werden muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das schon irgendwo festgelegt ist. Grundsätzlich geht es ja darum das hat auch mit den RDE-Verfahren zu tun, die ich gerade beschrieben habe , dass man auf europäischer Ebene dabei ist, diese Typgenehmigungsvorschriften zu überarbeiten. Wenn es das ist, worauf Sie sich beziehen, dann geht es auch darum, wie man solche „defeat devices“ entdecken kann bzw. ob die Typgenehmigungsvorschriften dahingehend überarbeitet werden, dass genau das nachgeprüft wird. Wenn es das ist, was der „SPIEGEL“ meldet, dann kann ich dazu sagen, dass nach Auffassung des BMVI das Erkennen und Verhindern von solchen „defeat devices“ Bestandteil der Weiterentwicklung sein sollte.
Das heißt, wir sind da in einem Prozess. Das erfolgt alles im europäischen Rahmen, weil wir uns hier auf europäischem Rechtsboden befinden. Im Rahmen dieser Diskussion auf europäischer Ebene muss eben geprüft werden, ob die Offenlegung der Motorelektroniksoftware Teil dieser Weiterentwicklung ist, die wir eben insgesamt diskutieren.
ZUSATZFRAGE ULRICH: Aber was ist da Ihre Auffassung? Finden Sie, das sollte so sein, dass diese Motorsoftware
STRATER: Habe ich ja gerade gesagt: Nach Auffassung des BMVI sollte das Erkennen und Verhindern von rechtswidrigen „defeat devices“ Bestandteil dieser Weiterentwicklung sein. Diese Weiterentwicklung muss man auf europäischer Ebene diskutieren. Das wird ja gemacht im Sinne von realistischeren Prüfverfahren und auch mit Blick auf die Erkennung von solchen Softwareanwendungen.
FRAGE JUNG: Ich habe noch eine Frage an Herrn Scholz zur gerade beschlossenen, höchst umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Dazu hieß es ja immer wieder auch hier von Ihnen , dass Inhalte von Telekommunikation nie und nimmer gespeichert würden, sondern nur Metadaten. Nun hat sich herausgestellt, dass die Inhalte von zum Beispiel SMS-Verkehr gespeichert und mit geloggt werden. Warum haben Sie uns das verschwiegen?
SCHOLZ: Verschwiegen haben wir da gar nichts. Vielen Dank für die Frage, Herr Jung; das gibt mir die Möglichkeit, vielleicht noch einmal Folgendes klarzustellen. Das Gesetz, das heute im Bundestag beschlossen worden ist, wie Sie gerade schon erwähnt haben, ist in diesem Punkt eindeutig: Es sieht an keiner Stelle die Speicherung von Inhalten vor; es ist klar geregelt, dass nur Verkehrsdaten gespeichert werden. Das gilt auch für Kurznachrichtendienste, also für die SMS-Kommunikation. Da gibt es also keinen Zweifel, die Regelungen sind eindeutig und klar. Der Katalog der Daten bzw. die Datenarten, die gespeichert werden müssen, sind im Gesetz eindeutig geregelt.
ZUSATZ JUNG: Es ist eindeutig, dass die Inhalte, die SMS-Daten, gespeichert werden, weil das nicht anders geht.
SCHOLZ: Nein, es ist jetzt Aufgabe der verpflichteten Telekommunikationsunternehmen, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Technisch ist dabei eine Trennung zwischen Verkehrsdaten und Speicherdaten möglich und machbar. Das ist jetzt also eine Frage der Umsetzung. Wie gesagt, die gesetzlichen Vorgaben sind eindeutig, da ist eine Speicherung von Inhalten nicht vorgesehen. Dementsprechend muss das technisch umgesetzt werden.
ZUSATZFRAGE JUNG: Also widersprechen Sie den Berichten und sagen, dass SMS-Inhalte nicht gespeichert werden?
SCHOLZ: Ich widerspreche nicht den Berichten oder bestätige nicht die Berichte, sondern ich rede über das, was in dem Gesetz, das heute beschlossen worden ist, drinsteht. Darin steht nichts von einer Speicherung von Inhalten, deswegen wird eine Speicherung von Inhalten auf Basis dieses Gesetzes auch nicht stattfinden.
FRAGE JORDANS: Herr Dimroth, ich weiß nicht, ob das jetzt zu kurzfristig kommt, aber der DFB hat soeben bekanntgegeben, dass er eine Zahlung von knapp 7 Millionen Euro des Organisationskomitees für die WM 2006 an die FIFA untersucht, weil es möglicherweise nicht für den angegebenen Zweck, nämlich das FIFA-Kulturprogramm, verwendet wurde. Ich würde gerne wissen: War das Innenministerium, das ja auch für Sport zuständig ist, über diesen Vorfall informiert, und laufen in diesem Zusammenhang bei Ihnen irgendwelche Vorgänge?
DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage. Die in Ihrer Frage geäußerte Einschätzung trifft leider zu. Ich kenne die Berichterstattung dazu noch nicht; ich habe dazu dementsprechend leider auch noch keine Stellungnahme und kann auch Ihre konkrete Frage im Moment leider nicht beantworten.
FRAGE TOWFIGH NIA: Dr. Schäfer, der Bundesaußenminister hat sich wieder zur Situation in Israel in den besetzten Gebieten geäußert, hat seine Besorgnis darüber geäußert und hat gesagt, dass Israel jegliches Recht habe, sich vor diesen Angriffen zu schützen. Ich hatte schon am Montag danach gefragt, ob die Palästinenser das Recht auf Widerstand gegen die Besatzung haben; leider habe ich an dem Tag von Ihnen keine Antwort bekommen.
DR. SCHÄFER: Die bekommen Sie auch jetzt nicht, weil die Wortwahl, die Sie da wählen, nicht die Sprache der Bundesregierung ist.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Das heißt, Sie gestehen den Palästinensern nicht das Recht auf Widerstand gegen die Besatzung zu?
DR. SCHÄFER: Wir reden hier, glaube ich, Herr Towfigh Nia, über etwas ganz anderes. Der Außenminister hat sich heute Morgen in der Tat zu Wort gemeldet genauso wie ich das in seinem Namen und im Namen des Auswärtigen Amtes und andere das auch schon getan haben und hat sich zutiefst betroffen darüber geäußert, was da in der Tat in Ostjerusalem und anderswo in Israel und im Westjordanland passiert, nämlich dass da Menschen, die sich keiner Gefahr versehen, plötzlich mit einem Messer attackiert werden und umgebracht werden sollen. Er hat deshalb, genau wie das hier vorher schon geschehen ist, seine Meinung zum Ausdruck gebracht, dass er von allen Verantwortlichen, die Einfluss auf die Art und Weise, wie die Menschen sich verhalten, erwartet, dass deutlich gemacht wird, dass Besonnenheit und Augenmaß das Gebot der Stunde ist und bitte niemand Öl ins Feuer gießen möge. Das bedeutet auch, dass alle Reaktionen und alle Maßnahmen, die da von amtlicher Seite erfolgen, ebendieses Augenmaß zeigen müssen, damit das gegenseitige Hochschaukeln der Gewalt nicht noch weitere Ausmaße annimmt.
Der Regierungssprecher hat ja gerade eben angekündigt, dass der israelische Ministerpräsident ich ergänze in Klammern: auch der amtierende Außenminister; das ist er nämlich auch Benjamin Netanjahu in der kommenden Woche zu uns nach Berlin kommen wird. Ich gehe sicher davon aus, dass die aktuelle Lage, das, was da geschehen ist, und die Art und Weise, wie die israelische Regierung darauf reagiert hat und weiter zu reagieren gedenkt, auch Gegenstand der Gespräche mit uns sein wird.
Aber noch einmal: Die Äußerung des Außenministers bezieht sich genau auf die Eskalation der Gewalt, die wir da in den letzten Wochen beobachten, und seine klare Aufforderung an alle Seiten ist, darauf hinzuwirken, dass das ein Ende hat. Er hat im Übrigen auch noch einmal gesagt und das kann ich nur wiederholen und bekräftigen , dass die obwaltende Sprachlosigkeit zwischen der palästinensischen Autonomiebehörde und der Vertretung der Palästinenser einerseits und der Regierung des Staates Israel andererseits über die von beiden Seiten ja gewollte Zwei-Staaten-Lösung ganz sicher auch ein Faktor ist, der auf beiden Seiten dazu beiträgt, die Enttäuschung und damit vielleicht auch die Gewaltbereitschaft zu erhöhen. Er hat deshalb beide Seiten noch einmal dazu aufgefordert, in sich zu gehen und darüber nachzudenken, ob jetzt nicht ein guter Moment sein könnte, genau das, was beide Seiten wollen und was sich die internationale Gemeinschaft ja seit vielen Jahren wünscht und auch erwartet, jetzt in die Tat umzusetzen, nämlich die Verhandlungen aufzunehmen.
FRAGE JUNG: Ich habe noch eine kurze Nachfrage zu der vorherigen Frage von Herrn Towfigh Nia. Herr Schäfer, das Zauberwort ist da ja „Besatzung“ gewesen Sie wollen ja nicht von Besatzung sprechen. Darum möchte ich die Frage anders formulieren: Haben Palästinenser das Recht auf Widerstand in den besetzten Gebieten?
DR. SCHÄFER: Ich habe alles, was ich Ihnen zu diesem Thema zu sagen habe, hier gesagt.
FRAGE JUNG: Dann habe ich noch eine Frage an Herrn Seibert und womöglich auch an Herrn Schäfer zu Ramstein und den aktuellen Enthüllungen zu den Drohnen-Morden. Brandon Bryant hat sich gestern im NSA-Untersuchungsausschuss dazu geäußert und gesagt, dass Ramstein als Signal-Relaisstation für alle Ziele in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens diene. Ich zitiere ihn: „Alle Daten, jedes einzelne bisschen Dateninformation, das zu Fluggeräten oder Mannschaften übertragen wurde, lief über Ramstein.“ Er sagt außerdem, seine Vorgesetzten hätten ihm versichert, Sie, die deutsche Regierung, seien über diese Funktion der US-Basis im Bilde und damit einverstanden. Jetzt die Frage, Herr Seibert: Warum ist die Bundesregierung mit der Beihilfe zu Drohnen-Morden einverstanden?
STS SEIBERT: Herr Jung, wie haben über dieses Thema Drohneneinsätze hier schon häufig gesprochen, es war Gegenstand parlamentarischer Unterrichtungen, es war Gegenstand von Presseerklärungen auch schon in der vergangenen Legislaturperiode. Die US-Regierung hat der Bundesregierung, nachdem wir entsprechende Fragen übermittelt hatten und nach intensiven Gesprächen, Mitte Januar 2015 noch einmal versichert, dass von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland Einsätze bewaffneter ferngesteuerter Luftfahrzeuge weder geflogen noch befehligt werden. Anderslautende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. Sollten entsprechende verlässliche Informationen vorliegen oder auftauchen, werden wir die intensiv prüfen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Erstens. Sind die Informationen, die Sie aus dem Untersuchungsausschuss bekommen, verlässliche Informationen?
Zweitens. Sie betonen ja immer, dass Sie die Amerikaner gefragt haben und dann eine Antwort bekommen haben. Wann kontrollieren Sie diese Antworten denn einmal? Denn Vertrauen ist ja gut, aber Kontrolle ist in Sachen Drohnen-Morde vielleicht besser.
STS SEIBERT: Ich kann unmöglich von hier aus beurteilen, wie verlässlich die Informationen sind, die Sie gerade ansprechen. Ich kann sagen, dass, wenn entsprechend verlässliche Informationen vorliegen, sie auch entsprechend geprüft werden. Wir haben aber zum heutigen Stand keine neuen Erkenntnisse, die über das hinausgehen, was die amerikanische Regierung der Bundesregierung Mitte Januar auf unsere Fragen hin zu diesem Thema mitgeteilt hat.