Der BND ist nicht alles! ▼ BPK vom 4. November 2015
Naive Fragen/Themenübersicht:
Schutz von Kulturgütern (ab 15:10 min)
– 80% bis 90% der Kulturgüter, die aus IS-kontrollierten Gebieten kommen, landen in den USA. Mich würde interessieren, vielleicht vom Auswärtigen Amt und von Herrn Seibert, ob die Bundesregierung das merkwürdig findet. Wie viel Prozent dieser Kulturgüter aus IS-Gebieten landen in Deutschland? Haben der Zoll oder andere Behörden dazu vielleicht Zahlen vorliegen?
– Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass irgendein Kulturgut aus IS-kontrollierten Gebieten bisher in Deutschland gelandet ist? Mich würde auch interessieren: Wann ist ein Kulturgut ein Kulturgut?
– Geht es also gar nicht um Kulturgüter aus von ISIS kontrollierten Gebieten?
Flüchtlinge (ab 20:35 min)
– Herr Plate, wie ist die Entwicklung der rechtsextremen Gefährder im Land? Können Sie einmal die Zahlen sagen, wie viele rechtsextreme Gefährder es in Deutschland im Vergleich zu islamistischen Gefährdern gibt?
– Ich weiß noch, vor drei Monaten gab es 280 islamistische Gefährder. Das heißt, in den letzten Monaten gibt es 50 Prozent mehr islamistische Gefährder in Deutschland. Aber bei den rechtsextremen Gefährdern stagniert die Zahl. Wie kommt das, gerade im Hinblick auf die Flüchtlingssituation und auf die teils rechtsextremen Anschläge?
VW-Skandal
– Sie sagten gerade, die Angaben der Autohersteller sollten mit den wahren Angaben übereinstimmen. Mich würde interessieren: Sollten oder müssen sie übereinstimmen? (33:05 min)
– Sie haben beide Fragen nicht beantwortet. Ich wollte wissen, ob die Angaben mit der Wahrheit übereinstimmen sollten oder übereinstimmen müssen.
– Warum hat die Bundesregierung keinen Zweifel an dem Aufklärungswillen von VW? Denn, wie gesagt, wenn ein Angeklagter aufgefordert wird, selber aufzuklären, dann hat dieser Angeklagte kein Interesse daran, sich selber zu belasten. Wie kann man da keinen Zweifel haben? (35:30 min)
Afghanistan (ab 42:22 min)
– Der BND-Chef, Schindler, hat gestern oder vorgestern zur Lage in Afghanistan gesagt: Die politische Lage stagniert, die Wirtschaftslage kippt, und die Taliban rücken vor. Afghanistan steht vor einer Abwärtsspirale.
– Herr Seibert, mich würde interessieren: Hört man nicht auf die sogar öffentlichen Angaben des eigenen Geheimdienstes, dass es da überhaupt nicht sicher ist?
– Dann würde mich von Herrn Nannt Folgendes interessieren: Der Ranghöchste NATO-General, Hans-Lothar Domröse, möchte sogar Luftangriffe gegen Taliban in Afghanistan fliegen lassen. Passt das zu der Einschätzung der Bundesregierung, dass es sichere Gebiete in Afghanistan gibt? Passen diese letzten beiden Äußerungen des BND-Chefs und des ranghöchsten NATO-Generals zum Wunsch des Innenministers, dass man doch erwarten könne, das die Menschen dort blieben?
– Interessiert den Innenminister nicht, was der BND-Chef über Afghanistan sagt?
– Woher wissen Sie, wo es in Afghanistan sicher ist, und wo ist es laut Bundesregierung sicher? Sie wollen die Menschen dahin schicken, wo es sicher ist. Können sie bitte erklären, woher Sie wissen, wo es sicher ist? Ich habe vergangene Woche schon gefragt. Damals haben Sie die Antwort verweigert.
Bundeswehr in Uzbekistan (ab 49:40 min)
– Es geht um die Basis in Termez in Usbekistan. Mich würde interessieren zu erfahren, ob man schon mit dem usbekischen Regime darüber gesprochen hat, ob man die Basis angesichts des längeren Afghanistaneinsatzes länger nutzen darf. Gibt es schon zustimmende oder ablehnende Signale aus Taschkent? Prüfen Sie Alternativen zu Termez?
– Lernfrage: Wie viel hat man der usbekischen Regierung dieses Jahr für die Basis gezahlt? Ex-Minister Guttenberg sprach von einer Summe von 15,95 Millionen Euro im Jahr 2010. Wie hoch war die Summe dieses Jahr?
Cannabis-Anbau (ab 50:50 min)
– Es gibt die Meldung, dass die Bundesregierung den Anbau und Verkauf von Cannabis in Deutschland zur Behandlung schwerkranker Schmerzpatienten selber organisieren möchte. Mich würde interessieren, ob Sie das ausführen könnten. Wie soll diese Selbstorganisation funktionieren? Was ist ein schwerkranker Schmerzpatient?
– Der Bericht sagt auch, dass der Vorschlag der Cannabisagentur schon im Kanzleramt liege. Herr Seibert, ist die Kanzlerin für eine Cannabisagentur? Mich würde auch eine Stellungnahme des Gesundheitsministeriums dazu interessieren, dass zum Beispiel in Italien Cannabis von der Armee angebaut wird. Wäre das zum Beispiel eine Aufgabe für die Bundeswehr?
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 4. November 2015:
VORS. WELTY eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
QUENETT: Vielleicht drei Sätze zu meiner Vita, um auch etwas zu erklären, was so ein bisschen die Ausrichtung unserer Pressearbeit beeinflussen könnte, für diejenigen, die mich vielleicht noch von früher kennen: Ich war die letzten sechs Jahre als stellvertretende Chefredakteurin der „Mitteldeutschen Zeitung“ in Halle unterwegs und habe dort die Produktion des Mantels betrieben. Ich war hier vorher sieben Jahre lang Leiterin des gemeinsamen Parlamentsbüros des „Kölner Stadtanzeigers“ und der „Mitteldeutschen Zeitung“. Davor war ich sieben Jahre lang Politik- und Nachrichtenchefin in Köln beim „Kölner Stadtanzeiger“. Die anderen Stationen nur eher kursorisch: Angefangen habe ich bei der BASF, wo ich die „Bergzeitung“ gemacht habe. Dann war ich vier Jahre lang bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ im Politik- und Nachrichtenressort und war knapp eineinhalb Jahre als Pressereferentin im damaligen Pressereferat des BMU.
Sie sehen: Die meiste Zeit habe ich mich beruflich damit beschäftigt, Blatt zu machen. Das sind also insofern Erfahrungen, die ich jetzt auch nicht an der Garderobe des BMBF abgegeben habe. Ich hoffe, dass ich noch genügend mitbringe, um zu wissen, wie Sie fragen, wie Sie Themen angehen und was für Sie von Interesse ist. Ich hoffe, dass wir darüber durchaus in einen intensiven Austausch geraten können. Ich würde mich zumindest darüber freuen und hoffe in diesem Sinne auf eine intensive und gute Zusammenarbeit. Vielen Dank!
VORS. WELTY: Viel Freude und viel Erfolg für die neue Aufgabe. Sie sollen nicht ohne unser Begrüßungspaket vom Hof gehen!
STS SEIBERT: Vor dem Bericht aus dem Kabinett vielleicht ein kleiner Terminhinweis; es geht auch schnell: Die Bundeskanzlerin wird an diesem Sonntagabend den Präsidenten des Europäischen Rats Donald Tusk zu einem informellen Gespräch und Abendessen im Bundeskanzleramt empfangen.
Das bringt mich dann schon zu den Themen des Kabinetts: Zunächst einmal das wissen Sie bereits hat das Kabinett heute ein ganzes Bündel gesetzlicher Regelungen zur weiteren Umsetzung der Energiewende beschlossen, so das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarkts, das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende und schließlich die Kapazitätsreserveverordnung. Dazu hat Ihnen Bundesminister Gabriel hier schon eine Stunde lang Rede und Antwort gestanden. Deswegen schlage ich vor, dass ich jetzt nicht näher darauf eingehe. Wenn Sie Fragen haben, werden wir die sicherlich auch beantworten können.
Der nächste Punkt, vom Bundesjustizminister ins Kabinett eingebracht, war der Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Damit reagiert die Bundesregierung auch auf die Berichterstattung über einige sehr öffentlich aufgefallen Fälle wie zum Beispiel den Fall Mollath und höchstrichterliche Rechtsprechung dazu. Wir verfolgen mit diesem Gesetzentwurf das Ziel der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, indem wir die Anordnungs- und die Fortdauervoraussetzungen konkretisieren. Im Wesentlichen sieht der Gesetzentwurf vor, dass erstens die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf gravierende Fälle beschränkt werden soll, dass zweitens bei weniger schwerwiegenden Gefahren unverhältnismäßig lange Unterbringungen vermieden werden sollen und dass drittens unverhältnismäßig langen Unterbringungen auch durch eine kürzere Abfolge von externen und jeweils wechselnden Gutachtern begegnet werden soll; sich selbst bestätigende Routinebegutachtungen sollen dadurch also ausgeschlossen werden.
Anschließend hat die Bundesfamilien- und Bundesjugendministerin in diesem Fall geht es mehr um die Jugend einen Gesetzentwurf eingebracht, der dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von E-Zigaretten und E-Shishas dienen soll. Kinder und Jugendliche sollen also vor gesundheitlichen Schäden durch diese Produkte geschützt werden. Die Abgabe und die Konsumverbote des Jugendschutzgesetzes, die bisher nur für Tabakwaren gegolten haben, werden daher auch auf elektronische Zigaretten und auf elektronische Shishas ausgedehnt. Sie wissen vielleicht, dass gerade diese elektronischen Shishas mit Mangogeschmack und Ähnlichem besonders auf den Geschmack von Kindern und Jugendlichen zielen. Nach neuen Studien sind sie beide, Zigaretten wie E-Shishas, mit deutlichen Gesundheitsrisiken verbunden. Bei vielen wird eine Nikotinlösung eingeatmet. Auch da, wo das nicht der Fall ist, also bei vermeintlich harmlosen nikotinfreien E-Zigaretten und E-Shishas, können die Flüssigkeiten, die dabei verwendet werden, eine krebsauslösende Wirkung haben und bei heranwachsenden die Lungenfunktion beeinträchtigen. Außerdem kann der Gebrauch natürlich dazu verleiten, neue Reize zu suchen und auf nikotinhaltige E-Zigaretten oder herkömmliche Zigaretten umzusteigen. Deshalb war es aus Sicht der Bundesregierung nötig, eine Ausweitung der bestehenden Regelung vorzunehmen. So wird nun sichergestellt, dass die Abgabeverbote von Tabakwaren, von E-Zigaretten und E-Shishas an Minderjährige auch im Versandhandel gelten.
Auch das Jugendarbeitsschutzgesetz wird entsprechend angepasst. Arbeitgeber dürfen künftig weder Tabakwaren noch elektronische Zigaretten oder elektronische Shishas an Jugendliche weitergeben.
Ein weiterer Punkt im Kabinett, vorgelegt von der Kulturstaatsministerin, war der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts. Die neue Regelung, wie sie schon im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist, ist vor allen Dingen aus folgenden Gründen erforderlich: Erstens muss Deutschland wirksamer gegen den internationalen illegalen Handel mit Kulturgut vorgehen. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie wir es zunehmend beobachten, sich ausländische Terrororganisationen Finanzquellen erschließen, und zwar durch Raubgrabungen und durch illegalen Handel mit Kulturgut ihrer Länder. Auch Deutschland steht in der Verantwortung, wenn Staaten in Krisen- und Kriegsgebieten selbst nicht mehr in der Lage sind, ihr kulturelles Erbe zu schützen, dann doch solche Regeln, wie wir sie jetzt festlegen, zu beschließen; denn es geht auch um das kulturelle Erbe der Menschheit.
Durch klare Regelungen zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgut leistet Deutschland seinen internationalen Beitrag und setzt somit auch das UNESCO-Übereinkommen von 1970, das Deutschland 2007 ratifiziert hat, wirksamer und effektiver um. Der Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz 2013 war das hatte eine Novellierung ausdrücklich empfohlen. Darüber hinaus dient dieser Gesetzentwurf auch der Umsetzung der neuen EU-Kulturrückgaberichtlinie von Mai 2014, eine Umsetzung, zu der die Bundesrepublik verpflichtet ist.
Zweiter Grund, warum diese Neuregelung erforderlich ist: Die seit 23 Jahren geltenden Regeln für die Ausfuhr von Kulturgut in EU-Drittstaaten sollen nunmehr auch für den EU-Binnenmarkt gelten. Die dafür geltenden Alters- und Wertgrenzen, auf das Kunstwerk bezogen, werden deutlich angehoben. Bisher war es möglich, dass man eine Genehmigungspflicht für eine Ausfuhr von Kulturgut ins außereuropäische Ausland dadurch umging, dass man das Kulturgut zunächst in einen EU-Mitgliedstaat und von dort ins außereuropäische Ausland brachte. Das unterläuft natürlich die schon 1955 eingeführte Regelung zum Abwanderungsschutz. Deswegen haben fast alle EU-Mitgliedstaaten auch Ausfuhrregelungen für die Ausfuhr innerhalb des EU-Binnenmarktes geschaffen, und das tun wir jetzt auch. Damit wird der im Grundgesetz verankerte Schutz von Kulturgut vor Abwanderung ins Ausland gestärkt.
Ferner wird die Eintragung von Kulturgut in die Verzeichnisse national wertvollen Kulturguts der Länder durch diesen Gesetzentwurf transparenter ausgestaltet. Die Sachverständigenausschüsse, die das festlegen, werden wesentlich gestärkt, indem eben eine Eintragung in diese Liste künftig von ihrer ausdrücklichen Zustimmung abhängig gemacht wird.
Dritter und letzter Punkt: Mit dem Gesetzentwurf werden zentrale Bereiche des Kulturgutschutzes Regelungen gegen illegale Einfuhr, Kulturgüterrückgaberecht und Abwanderungsschutz miteinander in einem Gesetz systematisch miteinander verzahnt. Das schafft Klarheit, das schafft Rechtssicherheit.
Schließlich und zuletzt werden mit dem Gesetzentwurf auch die Sammlungen öffentlicher Museen und die Sammlungen öffentlicher Archive nach Maßgabe europäischen Rechts umfassender geschützt.
Das Kabinett hat, wie Sie wissen, einen ständigen Tagesordnungspunkt: Flüchtlinge und die Entwicklung der Flüchtlingslage. Dabei ging es heute um zwei Dinge: Zunächst einmal hat die Bundesministerin der Verteidigung zum Stand der Unterstützung des Bundes bei der Unterbringung der ankommenden Flüchtlinge berichtet. Ich will es ganz kurz machen: Sie wissen ja, dass die grundsätzliche Zuständigkeit für die Unterbringung von Flüchtlingen bei den Ländern und Kommunen liegt. Ende September hatten sich Bund und Länder auf ein umfassendes Maßnahmenpaket geeinigt. Zu diesen Maßnahmen zählt auch, dass den Kommunen bundeseigene Liegenschaften mietfrei zur Verfügung gestellt werden. Zwischenbilanz, Stand 2. November: Bisher wurden knapp 115.000 Unterbringungsplätze in Liegenschaften der BImA, also der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, bereitgestellt. Dazu zählen auch etwa 32.000 Unterbringungsplätze, die von der Bundeswehr entweder zurückgegeben oder zur Mitbenutzung freigegeben wurden. Zurzeit werden zusätzliche schnell verfügbare Liegenschaften geprüft. Dabei werden sie erst einmal identifiziert, erkundet und dann gegebenenfalls auf Kosten des Bundes hergerichtet. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet.
Der zweite Punkt der Befassung unter der Überschrift „Flüchtlingslage“ war ein Austausch über die Erwartungen an den EU-Afrika-Gipfel, der in der kommenden Woche auf Malta in Valletta stattfinden wird. – So weit der Bericht aus dem Kabinett.
CHEBLI: Es haben ja einige Kollegen von Ihnen mehrfach angefragt, wann denn jetzt das Ukraine-Treffen stattfinden wird, das Treffen im sogenannten Normandie-Format. Ich kann Ihnen bestätigen, dass es am Freitagnachmittag stattfinden wird. Das Treffen wird um 14 Uhr beginnen. Wir werden Ihnen Details zum Pressetermin und zur Akkreditierung innerhalb der nächsten Stunden zukommen lassen.
Vielleicht lassen Sie mich ein paar Punkte zum generellen Stand der Entwicklung in der Ukraine-Krise sagen, weil diese Krise, auch wenn die Ukraine-Krise von den Headlines und den Schlagzeilen der Blätter verschwunden ist, natürlich ganz oben auf der Tagesordnung der Bundesregierung bleibt. In den letzten Wochen haben wir eine Menge erreicht. Der Waffenstillstand hält weitgehend seit fast bzw. sogar mehr als zwei Monaten. Das ist für die Menschen ein langersehntes Durchatmen. Es gibt Fortschritte in der Kontaktgruppe, etwa beim Gefangenenaustausch, bei der Verbesserung der Bewegungsfreiheit und bei einigen wirtschaftlichen Fragen. Der in Paris vereinbarte Rückzug der leichten Waffen kommt gut voran und könnte vielleicht sogar als Modell für den Abzug der schweren Waffen herhalten. Klar ist aber: Belastbar wird dieser Waffenstillstand auf Dauer nur sein, wenn wir auch bei der politischen Lösung des Konflikts Fortschritte machen. Hier dürfen wir nicht nachlassen. Deshalb ist auch das jetzige Normandie-Treffen am Freitag so wichtig.
Neben den positiven Aspekten, die ich genannt habe, stehen natürlich noch schwierige Aufgaben vor uns, vor allem schwierige politische Fragen. Dabei geht es zum Beispiel um das Dezentralisierungsgesetz oder die Verfassungsreform. Dazu hat es gestern Gespräche in der AG Politik gegeben, wo es noch Meinungsverschiedenheiten gibt. Aber gleichzeitig wird das auch am Freitag eines der Themen sein. Was den Zugang der OSZE-Beobachter angeht: Auch hier muss es uns gelingen, dass die Beobachter, aber auch die internationalen Organisationen lückenlosen Zugang zu den von den Separatisten kontrollierten Gebieten gewährt bekommen. Bezüglich all dieser Themen wollen wir am Freitag eine Bestandsaufnahme machen und konkrete nächste Schritte vereinbaren.
Dem Treffen am Freitag wird eine Vorbereitungsrunde auf hoher Beamtenebene vorausgehen. So ist es ja meistens, wenn sich die Außenminister treffen: Vorher treffen sich entweder die Politischen Direktoren, oder es gab auch schon einmal Treffen, bei denen sich die Staatssekretäre im Vorfeld der Außenministertreffen getroffen und miteinander beraten haben. – So viel zu dem Normandie-Treffen.
FRAGE FIRSOVA: Frau Chebli, habe ich Sie richtig verstanden, dass dieses Treffen zur Vorbereitung eines anderen Treffens dienen wird, und zwar auf einer hohen Ebene?
CHEBLI: Nein, am Freitag werden sich die Außenminister treffen. Das, was ich jetzt am Ende gesagt habe, ist, dass es im Vorfeld des Treffens am selben Tag, am Freitag, ein Treffen auf Beamtenebene geben wird. Das ist häufig der Fall. Bisher war es immer so, dass sich, wenn sich die Außenminister getroffen haben, vorher auch die Politischen Direktoren zusammengesetzt haben, um das Treffen der Außenminister vorzubereiten.
ZUSATZFRAGE FIRSOVA: Aber gibt es auch die Überlegung, dass nach diesem Treffen ein nächstes Treffen stattfinden soll, und zwar auf einer höheren Ebene?
CHEBLI: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Das steht gerade nicht auf der Tagesordnung. Ich weiß nicht, ob Herr Seibert dazu etwas sagen will. – Nein.
FRAGE JUNG: 80 Prozent bis 90 Prozent der Kulturgüter, die aus IS-kontrollierten Gebieten kommen, landen nach Studien in den USA. Mich würde interessieren, vielleicht vom Auswärtigen Amt und von Herrn Seibert, ob die Bundesregierung das merkwürdig findet. Wie viel Prozent dieser Kulturgüter aus IS-Gebieten landen in Deutschland? Haben der Zoll oder andere Behörden dazu vielleicht Zahlen vorliegen?
CHEBLI: Zu dem, was Sie jetzt gesagt haben: Ich kann überhaupt nicht sagen, was davon jetzt in den USA landet. Konkrete Zahlen habe ich nicht, auch nicht bezüglich der zweiten Frage.
ZUSATZFRAGE JUNG: Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass irgendein Kulturgut aus IS-kontrollierten Gebieten bisher in Deutschland gelandet ist? Mich würde auch interessieren: Wann ist ein Kulturgut ein Kulturgut?
CHEBLI: Ich weiß nicht, ob ein Kulturgut jemals in Deutschland gelandet ist, aber letztendlich hat Herr Seibert doch ganz genau beschrieben, was das Interesse der Bundesregierung bei diesem Kulturgüterschutzgesetz ist. Wir tun auf nationaler Ebene das, was wir tun können und tun müssen, um Kulturgut zu beschützen. Wir tun auf europäischer Ebene das, was wir tun müssen, um gemeinsam mit den europäischen Partnern beim Thema Kulturschutz voranzukommen. Wir leisten auch auf internationaler Ebene dazu hat Herr Seibert ja auch beigetragen einen wichtigen und fundamentalen Beitrag dazu, Kulturgüter zu schützen.
Sie wissen wir haben alle die Bilder aus Palmyra und die sonstigen Bilder aus dem Irak und aus Syrien gesehen , wie barbarisch und wie bewusst ISIS eigentlich gegen Kulturgut vorgeht. Für sie geht es ja nicht um einen Stein, den sie zerstören, sondern es geht eigentlich darum, die Identität einer ganzen Bevölkerung damit zu zerstören und zu zeigen: Diese Steine, die ihr hier verehrt habt, sind überhaupt nichts wert, und wir entwurzeln euch. Im Prinzip geht es um eine Entwurzelung der Menschen. Sie rauben ihnen ihre Identität.
Die Klassifizierung dessen, was ein Kulturgut ist, kann ich Ihnen juristisch gar nicht nennen; das weiß ich nicht. Aber Sie wissen ja auch, wenn wir hier über Kulturgüterschutz reden oder wenn wir die medialen Debatten zumindest verfolgen, dass es ja vor allem um Kulturgüter im Irak und in Syrien sowie um den Schutz der Kulturgüter vor Ort geht.
STS SEIBERT: Ich will das vielleicht, wenn ich darf, ganz kurz ergänzen. Ich finde, Frau Chebli hat gerade wunderbar beschrieben, was diese barbarischen Akte des sogenannten Islamischen Staats in Palmyra und an anderen Orten wirklich bedeuten und was sie auslösen sollen. Wir beobachten ja nicht nur diese Zerstörungen, diese Plünderungen, sondern wir beobachten auch, und dafür gibt es sehr ernste Hinweise, dass Raubgrabungen und illegaler Handel eben auch zu den Finanzierungsquellen solcher Terrororganisationen zählen. Klare Gesetze zu Ein- und Ausfuhr sowie für An- und Verkauf von Kulturgut, die sich Deutschland jetzt gibt, sind unser internationaler Beitrag, um dagegen vorzugehen.
Zu der Frage, wie man Kulturgut definiert: Ich kann das auch nicht weltweit definieren. Ich kann aber sagen, dass dieser Gesetzentwurf für Deutschland national wertvolles Kulturgut definiert. Der Gesetzentwurf ist übrigens unter www.kulturstaatsministerin.de für jeden zum Nachlesen eingestellt. Die Definition in § 7 des Gesetzentwurfs lautet: ein Kunstwerk, das besonders bedeutsam für das kulturelle Erbe Deutschlands und damit identitätsstiftend für Deutschland ist, dessen Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde und deshalb sein Verbleib im Bundesgebiet im herausragenden kulturellen öffentlichen Interesse liegt. Das ist die Definition, mit der dieses Kulturgutschutzrecht arbeitet.
ZUSATZFRAGE JUNG: Geht es also gar nicht um Kulturgüter aus von ISIS kontrollierten Gebieten?
STS SEIBERT: Sie haben nicht richtig zugehört, wenn ich das sagen darf. Ich hatte ja bemüht, es vorzutragen und man kann es, wie gesagt, auch nachlesen. Es hat beide Richtungen. Es geht um die Frage: Welches Kulturgut darf hier in Deutschland eingeführt werden?
Wir wollen eben dem einen Riegel vorschieben, dass hier in Deutschland Kulturgut gehandelt wird, das einer anderen Nation geraubt und durch Terroristen in Umlauf gebracht worden ist.
Dann gibt es die Frage der Ausfuhr von Kulturgut aus Deutschland in EU-Mitgliedstaaten und in Drittländer. Beide Richtungen sind von diesem Gesetz betroffen.
FRAGE: Ich wollte fragen, ob es nach dem Treffen der Bundeskanzlerin mit Tusk eine Presseunterrichtung gibt?
STS SEIBERT: Nein. Wie bei solchen informellen Abendessen üblich, gibt es sie nicht.
FRAGE JUNG: Zum Thema Angriff auf Flüchtlingsheime: Herr Plate, wie ist die Entwicklung der rechtsextremen Gefährder im Land? Können Sie einmal die Zahlen sagen, wie viele rechtsextreme Gefährder es in Deutschland im Vergleich zu islamistischen Gefährdern gibt?
DR. PLATE: Das kann ich gern machen, Herr Jung.
Vielleicht lassen Sie mich einleitend ganz kurz in Erinnerung rufen, was der Gefährderbegriff bedeutet, weil man diesen Begriff, der ein sehr spezieller polizeilicher Begriff ist, jetzt auch nicht dahingehend überbewerten darf, dass er allumfassend alle Menschen abbildet, die irgendwie geartete rechtsextrem motivierte Straftaten begehen könnten.
Es ist vielmehr so, dass ein Gefährder eine Person ist, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100 a Strafprozessordnung, begehen wird.
Dies vorweggeschickt, ist es so, dass wir im Moment im Bereich der politisch motivierten Kriminalität rechts von 15 Gefährdern und 120 sogenannten relevanten Personen ausgehen. Das ist ein erweiterter Kreis. Im Bereich islamistischer Terrorismus ist die Zahl: circa 420 Gefährder und 320 grob weitere relevante Personen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich weiß noch, vor drei Monaten gab es 280 islamistische Gefährder. Das heißt, in den letzten Monaten gibt es 50 Prozent mehr islamistische Gefährder in Deutschland. Aber bei den rechtsextremen Gefährdern stagniert die Zahl. Wie kommt das, gerade im Hinblick auf die Flüchtlingssituation und auf die teils rechtsextremen Anschläge?
DR. PLATE: Ich kann das mit den 50 Prozent natürlich nicht ganz bestätigen. Rechnerisch stimmt das nicht so ganz, auch angesichts der Zahlen, die Sie selber genannt haben. Aber in der Tat ist der Aufwuchs in dem Bereich erheblicher ausgefallen als in dem anderen von Ihnen genannten Bereich. Das erklärt sich einerseits mit der Definition des Gefährders, der auf sehr spezielle und schwere Straftaten gemünzt ist.
Zum anderen weise ich noch einmal darauf hin, dass die Untersuchungen des BKA bezüglich des Anstiegs der Straftaten gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte ja ergeben haben, dass zum Beispiel bei etwa 70 Prozent der Tatverdächtigen keine einschlägige Vorbelastung aus dem Bereich PMK-rechts vorliegt. Wir sehen also mit einer gewissen Sorge, dass das Phänomen solcher Straftaten ein bisschen in Richtung Mitte der Gesellschaft rückt. Ob das eine umfassende Erklärung für die Frage ist, die Sie gestellt haben, das kann man zum jetzigen Zeitpunkt, glaube ich, noch nicht sagen. Aber es ist jedenfalls ein Erklärungsansatz.
FRAGE WEFERS: Herr Seibert, ich habe eine Frage zu VW: Die Kanzlerin hatte gestern beim Tag der Deutschen Industrie gesagt, dass durch die Abgasschwierigkeiten so will ich es einmal sagen , die VW hat, das Marken- und Gütezeichen „made in germany“ nicht gefährdet oder beschädigt ist. Ich kann es jetzt nicht ganz genau zitieren. Da wusste sie, glaube ich, noch nicht, dass VW jetzt auch bei CO₂ Schwierigkeiten hat. Gilt diese Aussage unverändert?
STS SEIBERT: Ja, sie gilt wie auch die Überzeugung der Bundesregierung gilt, dass diese Vorwürfe ernst zu nehmen sind und VW in der Pflicht steht, diese transparent und umfassend aufzuklären. Diese Zusage hat VW erteilt. Es ist ja immerhin interessant, dass die neuesten Unregelmäßigkeiten bei den CO₂-Werten von VW selber als Ergebnis seiner Aufklärungsarbeit genannt wurden. Das ist ganz wichtig, dass diese Aufklärung vom Konzern selber transparent und gründlich geleistet wird.
ZUSATZFRAGE WEFERS: Die Grünen hatten eine, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, europäische Zulassungsstelle gefordert. Wie steht denn die Bundesregierung zu einem solchen Vorschlag?
STS SEIBERT: Das wäre vielleicht eher eine Frage für die Kollegen von Wirtschaft und Verkehr.
ZUSATZFRAGE WEFERS: Gern. Wer auch immer sich dazu äußern kann.
STRATER: Es gibt die nationale Zulassungsstelle. Das ist das Kraftfahrtbundesamt. Das Kraftfahrtbundesamt prüft im Rahmen der europäischen Regelungen die Konformität der Fahrzeuge. Was wir auf europäischer Ebene machen, ist die Prüfverfahren weiterzuentwickeln. Dazu gab es ja auch in der vergangenen Woche Entscheidungen zu den sogenannten RDE-Verfahren.
Zu anderen Dingen kann ich jetzt keine Stellung nehmen. Was wir natürlich auch immer machen, ist die Konformität der Fahrzeuge zu untersuchen. Ich schließe mich ausdrücklich dem an, was Herr Seibert hier gesagt hat. Dass solche Sachverhalte auch von VW kommuniziert und erkannt werden, ist auch ein Ergebnis der Arbeit unserer Untersuchungskommission, die der Minister eingesetzt hat, die VW ausdrücklich aufgefordert hat, an allen Stellen zu prüfen, ob es Manipulationen gibt. Wenn solche zutage treten, ist das eben Teil der Aufklärungsarbeit.
STS SEIBERT: Ich will noch etwas hinzufügen: Zu der Erwartung an den Konzern, umfassend und transparent aufzuklären, hatte die Bundeskanzlerin auch mehrere Male in der Vergangenheit die Erwartung geäußert, dass die Strukturen in der Zukunft so sind, dass so etwas nicht wieder passieren kann. Es ist also wichtig Strukturen zu schaffen, um solche Vorfälle zu vermeiden. Auch diese Erwartung gilt.
FRAGE BAUER: Zu dem, Herr Seibert, was Sie gerade gesagt haben, zu der Bedeutung des Aufklärungswillens von VW: Ist es aber nicht auch ein bisschen ein Armutszeugnis der deutschen Behörden, dass man jetzt so stark darauf setzt, dass der Konzern, also der Beschuldigte selbst, die Aufklärung leistet? Immerhin geht es um überschrittene potenziell gesundheitsschädliche Grenzwerte. Da würde ich mir doch wünschen, dass die Regierung, die zuständigen Behörden, ein deutliches Aufklärungsinteresse zeigen. Ist das nicht ein bisschen zu wenig, was da passiert?
Damit verbunden ist vielleicht auch die Frage an Herrn Strater: Wie weit ist man denn beim Kraftfahrzeug-Bundesamt mit den Nachprüfungen, die versprochen wurden? Wenn aufgedeckt wird, dann kommt es entweder von VW oder aus Amerika. Das muss doch auch unbefriedigend sein.
STS SEIBERT: Auf Ihre Frage hin: Ich habe ja nicht gesagt, dass sich ausschließlich der VW-Konzern mit der Aufklärung befassen soll. Sie wissen, dass schon im September der Bundesverkehrsminister eine Untersuchungskommission eingesetzt hat, die sich natürlich auch mit diesem ganzen Komplex befasst. Diese hat bereits im September ihre Arbeit aufgenommen. Trotzdem ist es am Konzern, auch mit den Behörden sowohl in den USA wie hier intensiv zusammenzuarbeiten und Aufklärung zu leisten.
STRATER: Vielleicht ergänzend: Wir haben einen klaren Maßnahmenplan. Dazu gehört die Untersuchungskommission, die unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe eingesetzt worden ist. Die Kommission hat VW aufgefordert, an allen Stellen zu prüfen. Nun werden Sachverhalte bekannt. Es ist also Teil der Aufklärungsarbeit.
Der zweite Schritt, den der Minister nach Bekanntwerden der Vorwürfe eingeleitet hat, war die Anordnung der strengen Nachprüfungen von den in Rede stehenden Diesel-Fahrzeugen, aber auch von anderen Fahrzeugen in- und ausländischer Hersteller, von Volumenherstellern.
Wenn Sie fragen, wie weit wir damit sind: Diese Untersuchungen laufen noch. Wir kommunizieren auch keine Einzelheiten, sondern wenn es Ergebnisse gibt, dann werden sie im Gesamtpaket vorgestellt. Insofern kann ich jetzt auch keine Zwischenergebnisse nennen, sondern das ist ein Gesamtpaket von vielen Fahrzeugen, die da getestet werden. Da werden wir dann das Gesamtergebnis kommunizieren.
ZUSATZFRAGE BAUER: Das heißt, wenn Sie jetzt bei diesen Nachprüfungen feststellen würden, dass bei einzelnen Fahrzeugen sei es von VW oder von anderen Herstellern merkwürdige Sachen auftreten, dann würden Sie das nicht kommunizieren, bis Sie nicht mit allen Autos durch sind, die Sie prüfen wollen?
STRATER: Sie müssen sehen: Solche Überprüfungen laufen in verschiedenen Stufen ab. Sie gewinnen Rohdaten. Diese Daten müssen ausgewertet werden. Sie müssen vielleicht noch einmal gegengeprüft werden. Insofern sind dort Zwischenergebnisse auch nicht hilfreich. Wenn diese Untersuchungen abgeschlossen werden und es dort Erkenntnisse gibt, dann werden sie im Gesamtpaket vorgestellt. Dann wird auch über Konsequenzen zu sprechen sein.
FRAGE MADELIN: Ich hätte ein paar Fragen an Herrn Strater: Diese Untersuchungen sollen natürlich die Diesel-Werte überprüfen. Werden auch die CO₂-Werte überprüft? War das von vornherein geplant, dass man auch danach schaut?
Dann vielleicht eine Lernfrage: Wie funktioniert das? Also es geht um die 800.000 Modelle, die jetzt VW genannt hat. Wenn ich das richtig verstehe: Die Zulassung wurde in Deutschland gemacht und gilt europaweit. Wie funktioniert das jetzt, wenn die Zulassung dann ungültig oder irgendwie nicht in Ordnung ist, wenn sie also bei den CO₂-Werten nicht den Anforderungen entspricht? Gibt es da europaweit Auswirkungen? Gibt es auch Auswirkungen auf die Kfz-Steuer?
Eine Frage an Herrn Seibert, wenn ich darf, zu dieser neuen Affäre um die CO₂-Werte. Man beobachtet, dass die CO₂-Werte von Autos jetzt in Deutschland nicht transparent oder nicht zuverlässig herausgegeben worden sind. In China gibt es auch neue Enthüllungen, dass die Kohlekraftwerke dort viel mehr CO₂ emittieren als vorher gedacht. Sehen Sie da eine Gefahr für die ganze Debatte um Klima und CO₂, also Fragen der Klima-Erwärmung, vor der Klimakonferenz in Paris?
STRATER: Ich fange einmal mit den Nachprüfungen an. Ich kann Ihnen das technisch nicht genau erklären, welche Parameter jetzt im Einzelnen nachgemessen werden. Das sind Tests, die sowohl auf der Rolle als auch auf der Straße nach strengen RDE-Prüfverfahren ablaufen. Wir gehen also hier schon einen Schritt weiter als das gesetzlich vorgesehen ist.
Zu dem Komplex 800.000 Fahrzeuge oder den überschrittenen CO₂-Werten: Damit befasst sich auch zur Stunde die Untersuchungskommission, die mit VW zusammengetreten ist. VW muss hier erst einmal detaillierte Unterlagen vorlegen. Sie müssen wir dann prüfen. Die Gespräche dauern zur Stunde an. Ich kann Ihnen da im Moment noch kein Ergebnis mitteilen.
STS SEIBERT: Herr Madelin, ich kann darauf nur grundsätzlich antworten. Ich denke, es steht außer Frage, dass das, was der Öffentlichkeit oder den Verbrauchern an CO₂-Ausstoß mitgeteilt wird sei es nun von Autos oder von Kraftwerken , auch dem wahren Ausstoß entsprechen sollte. Wo sich das als falsch oder nicht richtig herausstellt, da muss ermittelt werden. Da muss dafür gesorgt werden, dass diese beiden Dinge zusammenpassen.
ZUSATZFRAGE MADELIN: Herr Strater, war Herr Dobrindt über diese neuen Vorwürfe der EPA informiert? Er war in der letzten Woche in Amerika.
STRATER: Welche Vorwürfe meinen Sie genau?
ZUSATZFRAGE MADELIN: Jetzt wird es kompliziert. Diese 10.000 Diesel-Fahrzeuge.
STRATER: Sie meinen die Drei-Liter-Maschinen?
ZURUF MADELIN: Genau.
STRATER: Natürlich sind wir über all diese Vorgänge informiert, auch über die wie jetzt in der Presse berichtet wurden betroffenen 800.000 Fahrzeuge. Darüber hat natürlich VW informiert. Sie wissen, der Minister hat in der letzten Woche in den USA auch selber mit der EPA gesprochen. Aber auch über die Schiene Untersuchungskommission sind wir mit VW im engen konstruktiven Austausch. Sobald dort neue Dinge berichtet werden oder zutage treten, werden sie detailliert besprochen.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, Sie sagten gerade, die Angaben der Autohersteller sollten mit den wahren Angaben übereinstimmen. Mich würde interessieren: Sollten oder müssen sie übereinstimmen?
Die zweite Frage: Wie ernsthaft ist der Wunsch der Bundesregierung, das VW selber aufklären zu lassen? Wenn ein Angeklagter seine Tat selber aufklären soll, dann ist das Motiv des Angeklagten doch, sich nicht selber zu belasten.
STS SEIBERT: Zu Ihrer zweiten Frage kann ich nur das sagen, was wir dazu in den vergangenen zehn Minuten schon gesagt haben: VW muss aufklären, transparent und umfassend. Die Zusage hat der Konzern erteilt. Für die Bundesregierung besteht kein Grund, daran zu zweifeln.
An der Sache ist aber nicht nur VW beteiligt. Sie wissen, dass die EPA in den USA beteiligt ist und dass es eine Untersuchungskommission des Bundesverkehrsministers gibt. All das wurde bereits gesagt. Ansonsten muss man, denke ich, erwarten, dass Aussagen, die Verbrauchern gemacht werden, eingehalten werden.
ZUSATZFRAGE JUNG: Sie haben beide Fragen nicht beantwortet. Ich wollte wissen, ob die Angaben mit der Wahrheit übereinstimmen sollten oder übereinstimmen müssen.
STS SEIBERT: Sie haben es gerade gesagt. Man muss erwarten, dass das übereinstimmt.
FRAGE WEFERS: Ich möchte von Herrn Strater wissen, ob sich diese Untersuchungskommission jetzt auch mit Porsche beschäftigt, abgesehen davon, dass Sie sowieso alle möglichen Marken testen lassen.
STRATER: Die Untersuchungskommission befasst sich mit den Dingen, die aktuell berichtet worden sind. Sie haben ja gehört, was alles dazugehört. Ich kann jetzt nicht im Einzelnen darlegen, mit welchen einzelnen Punkten sie sich befasst. Aber Sie können davon ausgehen, dass sich die Untersuchungskommission mit allen aktuell diskutierten Aspekten intensiv befasst. Schlussfolgerungen können wir aber jetzt noch nicht ziehen, weil die Gespräche noch andauern.
Ich möchte übrigens hier den Hinweis geben: Auch der Minister wird sich heute noch einmal zu dem Thema äußern. Am Nachmittag wird es dazu eine Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag geben. Da können Sie dann Aussagen des Ministers verfolgen.
ZUSATZFRAGE WEFERS: Hatten Sie gesagt, wann der Bericht veröffentlicht wird?
STRATER: Nein, das hatte ich nicht.
ZUSATZFRAGE WEFERS: Können Sie es sagen?
STRATER: Nein, im Moment nicht.
FRAGE JUNG: Warum hat die Bundesregierung keinen Zweifel an dem Aufklärungswillen von VW? Denn, wie gesagt, wenn ein Angeklagter aufgefordert wird, selber aufzuklären, dann hat dieser Angeklagte kein Interesse daran, sich selber zu belasten. Wie kann man da keinen Zweifel haben?
STS SEIBERT: Sie stellen mir dieselbe Frage zum zweiten Mal. Ich habe meine Antwort darauf gegeben.
ZUSATZ JUNG: Das war keine Antwort, sondern ein Ausweichen.
FRAGE: Gibt es möglicherweise rückwirkend Auswirkungen über die Kfz-Steuer? Die Frage richtet sich an Frau von Tiesenhausen-Cave.
VON TIESENHAUSEN-CAVE: Der Kollege vom BMVI hat gerade gesagt, dass die Untersuchungen noch laufen. Sie wissen, dass die CO2-Werte seit 2009 auch für die Bemessung der Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland herangezogen werden.
Um das Verfahren zu erklären: Es gibt ein zweistufiges Verfahren. Zuerst gibt es den Grundlagenbescheid der Zulassungsbehörde. Das ist, denke ich, das, was Sie gerade angesprochen haben. Da werden Abgasnormen und CO2-Normprüfwerte festgelegt. Das sind die im Kraftfahrzeugsteuerrecht gesetzlich bindenden Grundlagenbescheide. Es ist Aufgabe des BMVI. Darauf aufbauend kommen in einem zweiten Schritt dann erst die Kfz-Steuerbeschiede der Zollverwaltung. Insofern befinden wir uns noch in Phase 1. Auf eventuelle Auswirkungen für die Kfz-Steuer kann ich jetzt noch nicht eingehen.
FRAGE WEFERS: Daran anschließend: Hat es Auswirkungen auf die Gewerbesteuer? Denn Sie befinden sich ja in der Steuerschätzung. Es sind auch schon Zahlen bekannt geworden, die aus dem Bundesfinanzministerium gekommen sind.
VON TIESENHAUSEN-CAVE: Sie geben das Stichwort. Wir befinden uns in der Scheuerschätzung. Sie läuft derzeit in Nürnberg. Morgen um 15 Uhr wird der Bundesfinanzminister die Ergebnisse der November-Steuerschätzung vorstellen. Sie sind herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.
ZUSATZFRAGE WEFERS: Vielen Dank, das ist ja schon erfolgt. Ich hatte nach den Erwartungen des Ministeriums und nicht des Arbeitskreises Steuerschätzung gefragt.
VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ja, aber wir werden vorher natürlich nicht auf Einzelheiten eingehen. Das Schätzverfahren dauert noch an. Darüber werden Sie morgen etwas erfahren.
ZUSATZFRAGE WEFERS: An Herrn Seibert: BDI-Präsident Grillo hat gestern gesagt, dass solche Fehler gleich vom Markt bestraft werden und die Manager aus der Komfortzone heraus müssen. Teilt die Bundesregierung diese Meinung?
STS SEIBERT: Ich möchte hier die Aussage von Herrn Grillo nicht kommentieren, die ich auch nicht im Zusammenhang kenne.
ZUSATZ WEFERS: Die Kanzlerin war ja da.
STS SEIBERT: Ja, aber mir liegt das jetzt nicht im Zusammenhang vor. Ich meine auch nicht, dass es einen Grund gibt, die Rede von Herrn Grillo seitens der Bundesregierung zu kommentieren. Die Bundeskanzlerin hat ihre Rede nach Herrn Grillo gehalten. Was sie dort gesagt hat, auch zum Fall VW, das steht.
FRAGE: Die Frage geht an das Bundesgesundheitsministerium. Seit gestern tobt in den sozialen Netzwerken ein kleiner Entrüstungssturm – ich meine, auf Neudeutsch sagt man dazu „Shitstorm“ – gegen das ZDF und die Redaktion von Maybrit Illner in Bezug auf die Sendung am kommenden Donnerstag, bei der auch Herr Gröhe zu Gast sein wird. Der Präsident des Deutschen Pflegerats wurde kurzfristig ausgeladen, was für großes Entsetzen sorgt.
Meine Frage ist, wie gern Herr Minister Gröhe mit Herrn Westerfellhaus diskutiert hätte. Gibt es ein Bedauern von Herrn Gröhe, dass Herr Westerfellhaus nicht dabei sein wird?
MASCHKE: Dazu kann ich aktuell keine Angaben machen. Ich denke, es war eine redaktionelle Entscheidung. Aber das ist mir nicht bekannt. Ich gehe davon aus, dass Herr Gröhe gern mit ihm diskutiert hätte und dies auch könnte.
ZUSATZFRAGE: Ein großer Teil der Krankenhausreform, die auch diskutiert wird, sind die beiden Pflegeprogramme: Pflegezuschlag und Pflegeförderprogramm. Hat das BMG den Eindruck, dass gerade diese beiden Aspekte in der Öffentlichkeit ausreichend kommuniziert und in den Medien wahrgenommen werden?
MASCHKE: Das hoffen wir. Wir betonen es immer. Es ist ganz wichtig, dass die Pflege gestärkt wird, besonders auch die Pflege am Bett. Deshalb haben wir diese Krankenhausreform auch auf den Weg gebracht.
FRAGE GARVERT: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert. Es geht um das Atommoratorium von 2011. Am Freitag wird die Kanzlerin vom Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags als Zeugin zu diesem Moratorium befragt. In diesem Zusammenhang hat der hessische Ministerpräsident Bouffier zum Thema Schadenersatzforderungen, die es von RWE wegen der Abschaltung von Biblis A und B bei diesem Moratorium gibt, gesagt, dass ihm eine politische Zusage gegeben worden sei, dass der Bund die Länder bei Schadenersatzforderungen nicht im Regen stehen lässt. So hat er sich ausgedrückt. Gibt es eine solche Zusage?
STS SEIBERT: Herr Garvert, die Bundeskanzlerin stellt sich am Freitag den Fragen des hessischen Untersuchungsausschusses. Aus Respekt vor dieser Veranstaltung werde ich zu diesem gesamten Komplex hier überhaupt nichts sagen. All das findet in dem Untersuchungsausschuss statt.
ZUSATZFRAGE GARVERT: Eine zweite Frage, auch an Sie, Herr Seibert. Vielleicht kann das Umweltministerium aushelfen. Können Sie grundsätzlich etwas zur Rolle des Bundes bei dem Moratorium sagen? Der damalige Umweltminister Röttgen hatte ja, als die Entscheidung gefallen ist, immer betont, dass Bund und Länder gemeinsam diese Entscheidung getroffen hätten. Gelten die Worte von damals noch? Oder haben Sie heute einen anderen Blick darauf?
STS SEIBERT: Ich werde Ihrer Vorberichterstattung für diese Sitzung und Zeugenvernehmung des hessischen Untersuchungsausschusses hier keine Zitate beisteuern. Die Bundeskanzlerin steht den Damen und Herren des Untersuchungsausschusses so lang und ausgiebig zur Verfügung wie sie es für notwendig halten. Dort werden all diese Fragen beantwortet, nicht hier.
HAUFE: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
FRAGE JUNG: Thema Afghanistan. Die Frage geht an das Verteidigungsministerium, an das BMI und an Herrn Seibert. Der BND-Chef, Schindler, hat gestern oder vorgestern zur Lage in Afghanistan gesagt: Die politische Lage stagniert, die Wirtschaftslage kippt, und die Taliban rücken vor. Afghanistan steht vor einer Abwärtsspirale.
Herr Seibert, mich würde interessieren: Hört man nicht auf die sogar öffentlichen Angaben des eigenen Geheimdienstes, dass es da überhaupt nicht sicher ist?
Dann würde mich von Herrn Nannt Folgendes interessieren: Der Ranghöchste NATO-General, Hans-Lothar Domröse, möchte sogar Luftangriffe gegen Taliban in Afghanistan fliegen lassen. Passt das zu der Einschätzung der Bundesregierung, dass es sichere Gebiete in Afghanistan gibt? Passen diese letzten beiden Äußerungen des BND-Chefs und des ranghöchsten NATO-Generals zum Wunsch des Innenministers, dass man doch erwarten könne, das die Menschen dort blieben?
STS SEIBERT: Herr Jung, Sie haben Herrn Schindler gerade mit drei verschiedenen Aussagen zitiert. Die Aussage, dass in Afghanistan nichts sicher ist, hat er nicht getroffen. Sie haben sie ihm gerade in den Mund gelegt.
Die Bundesregierung hat natürlich ein Lagebild über die Situation in Afghanistan, das sich aus vielen Quellen speist. Erstens haben wir eine Botschaft in Kabul. Zweitens haben wir immer noch Angehörige der Bundeswehr in Afghanistan. Wir haben Entwicklungshelfer, Partner und Alliierte in Afghanistan und natürlich auch Erkenntnisse unserer Dienste. Dies alles fließt in unsere Beurteilungen der Lage in Afghanistan zusammen.
NANNT: Wie Sie wissen – die Diskussion hatten wir ja schon in den letzten Wochen , sind wir derzeit in der Phase der Abstimmung, wie wir Resolute Support weiter fortsetzen. Dazu sind wir jetzt in der Abstimmung mit unseren Partnern. Dazu wird am 23. November in Berlin ein Treffen mit den Partnern stattfinden, die bei uns gemeinsam im Norden eingesetzt sind. Dort besprechen wir auch, wie wir es fortsetzen.
Die Äußerung von General Domröse muss man in dem Zusammenhang sehen, dass er auch empfiehlt, eine Diskussion darüber zu führen, wie diese Unterstützungsleistungen aussehen. Welche Optionen sich am Ende daraus entwickeln, das ist eine Diskussion, die auch im Rahmen der NATO geführt wird. Der Fahrplan zielt auf das NATO-Außenministertreffen Anfang Dezember.
Ich hatte vor zwei oder drei Wochen schon einmal deutlich gemacht, worum es geht. Wir haben 350.000 afghanische Sicherheitskräfte ausgebildet. Das ist eine unheimlich hohe Zahl, die wir in wenigen Jahren erreicht haben. Wir stellen fest, dass die Qualität insgesamt noch nicht auf dem Niveau ist, das wir uns wünschen würden. Das heißt zum Beispiel für Kundus: Dort ist es ein Rückschlag gewesen, dass es den Taliban zeitweise gelungen ist, Kundus zu besetzen. Aber auch dort hat sich gezeigt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte wieder in der Lage sind, diese Situation zu bereinigen. Wir haben in Afghanistan insgesamt 34 Provinzen. Deswegen muss man das Gesamtbild Afghanistan sehen.
Wie gesagt, das Entscheidende ist, wie es in der Abstimmung aussieht. Aber bei dem, was gebraucht wird, auch für die Fortsetzung des Engagements, geht es um Ausbildung und Beratung in Fortsetzung zu Resolute Support. Diese Fähigkeiten werden wirklich gebraucht. Alles Weitere werden dann die NATO-Außenminister bis Anfang Dezember weiter besprechen.
CHEBLI: Da habe ich nichts zu ergänzen. Ich will noch Herrn Plate abwarten, um zu sehen, ob ich das mit dem ergänzen kann, was wir dazu zu sagen haben.
DR. PLATE: Sehr viel Substanzielles möchte ich, ehrlich gesagt, nicht ergänzen, weil ich im Lichte der Äußerungen von Herrn Seibert und Herrn Nannt einen einordnenden oder sonstigen zusätzlichen Beitrag zu den Äußerungen des Bundesinnenministers nicht für erforderlich halte.
ZUSATZFRAGE JUNG: Darf ich noch einmal fragen, Herr Plate: Interessiert den Innenminister nicht, was der BND-Chef über Afghanistan sagt?
An Herrn Nannt, Frau Chebli und Herrn Seibert: Woher wissen Sie, wo es in Afghanistan sicher ist, und wo ist es laut Bundesregierung sicher? Sie wollen die Menschen dahin schicken, wo es sicher ist. Können sie bitte erklären, woher Sie wissen, wo es sicher ist? Ich habe vergangene Woche schon gefragt. Damals haben Sie die Antwort verweigert.
STS SEIBERT: Ich habe Ihnen gerade die verschiedenen Quellen genannt, aus denen sich unsere Beurteilung der Lage in Afghanistan speist. Aus diesen Quellen wissen wir relativ viel über die Sicherheitslage in den verschiedenen 34 Provinzen des Landes.
NANNT: Nur kurz eine Antwort von mir, weil Sie gefragt hatten. Sie können selbstverständlich davon ausgehen, dass der Bundesinnenminister mit großem Interesse die Beiträge der Chefs der Bundessicherheitsbehörden verfolgt. Dazu gehört selbstverständlich auch der BND.
CHEBLI: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
FRAGE: Eine Frage an das Arbeitsministerium. Es geht um das Bildungs- und Teilhabepaket. Der „Tagesspiegel“ schildert heute einen interessanten Fall am Robert-Koch-Gymnasium hier in Berlin. Ich frage generell dazu: Halten Sie denn die Verwendung der Mittel in diesem Falle für sinnvoll? Hielten Sie gegebenenfalls auch Obergrenzen für sinnvoll, um Auswüchse zu vermeiden?
EHRENTRAUT: Danke für die Frage. Den von Ihnen angesprochenen Fall in Berlin habe ich nicht zu bewerten. Grundsätzlich fallen die Leistungen, die aus dem Bildungs- und Teilhabepaket ausgezahlt werden, in die Verantwortung der Länder. Wie Sie vielleicht wissen, ist das Bildungs- und Teilhabepaket so ausgelegt, dass die Umsetzung bei den Ländern liegt. Es wäre auch möglich, dass die Länder eine Obergrenze einrichten könnten. Das ist dem BMAS aufgrund der föderalen Grundordnung nicht möglich.
Im Gesetz steht, dass die Kosten für Klassenfahrten an den jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen entlang übernommen werden können. Für die schulrechtlichen Bestimmungen sind die Länder zuständig.
ZUSATZFRAGE: In Einzelfällen kommt es wohl oft zu Konflikten zwischen Eltern, die voll unterstützt werden, und Eltern, die selber zahlen müssen. Ist es im Sinne des Gesetzgebers, dass solche Konflikte entstehen?
EHRENTRAUT: Wie gesagt, die Umsetzung des Bildungspaketes liegt in den Kompetenzen der Länder. Wir als BMAS können keine Obergrenzen festlegen. Es entspräche auch nicht dem Sinn des Bildungspaketes, wenn dies vom Bund festgelegt würde. Sondern es soll regional und lokal nutzbar sein, sodass die Zuständigen vor Ort auch für die Umsetzung zuständig sind.
FRAGE JUNG: An Herrn Nannt. Es geht um die Basis in Termez in Usbekistan. Mich würde interessieren zu erfahren, ob man schon mit dem usbekischen Regime darüber gesprochen hat, ob man die Basis angesichts des längeren Afghanistaneinsatzes länger nutzen darf. Gibt es schon zustimmende oder ablehnende Signale aus Taschkent? Prüfen Sie Alternativen zu Termez?
NANNT: Vor zwei oder drei Wochen haben wir bereits kommuniziert, dass wir Termez zum Ende des Jahres aufgeben werden. Dementsprechend sind keine weiteren Gespräche notwendig.
ZUSATZFRAGE JUNG: Dann habe ich noch eine Lernfrage: Wie viel hat man der usbekischen Regierung dieses Jahr für die Basis gezahlt? Ex-Minister Guttenberg sprach von einer Summe von 15,95 Millionen Euro im Jahr 2010. Wie hoch war die Summe dieses Jahr?
NANNT: Herr Jung, dazu kann ich nichts sagen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie es nachreichen?
NANNT: Das kann ich auch nicht.
ZUSATZFRAGE JUNG: Warum nicht?
NANNT: Ich kann es Ihnen nicht nachreichen.
FRAGE JUNG: An das Gesundheitsministerium. Es gibt die Meldung, dass die Bundesregierung den Anbau und Verkauf von Cannabis in Deutschland zur Behandlung schwerkranker Schmerzpatienten selber organisieren möchte. Mich würde interessieren, ob Sie das ausführen könnten. Wie soll diese Selbstorganisation funktionieren? Was ist ein schwerkranker Schmerzpatient?
MASCHKE: Ich kann es leider aktuell noch nicht ausführen, weil gerade erst die Ressortabstimmung für dieses Gesetz begonnen hat. Es ist richtig, dass da auch der Vorschlag einer Cannabisagentur gemacht wird. Der Minister hat sich vor einiger Zeit zu dem Thema geäußert, dass es wichtig ist, dass schwerkranken Menschen, denen nur Medizinalhanf helfen kann, geholfen wird. Deshalb werden die rechtlichen Bedingungen angepasst. Dazu gehört auch die Frage der Kostenerstattung durch die Krankenkassen in diesen medizinisch begründeten Fällen. Das könnte ich Ihnen noch geben. Aber da eben erst die Ressortabstimmung begonnen hat, kann ich darauf noch nicht genau eingehen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Der Bericht sagt auch, dass der Vorschlag der Cannabisagentur schon im Kanzleramt liege. Herr Seibert, ist die Kanzlerin für eine Cannabisagentur? Mich würde auch eine Stellungnahme des Gesundheitsministeriums dazu interessieren, dass zum Beispiel in Italien Cannabis von der Armee angebaut wird. Wäre das zum Beispiel eine Aufgabe für die Bundeswehr?
STS SEIBERT: Zu der einzurichtenden Agentur hat die Kollegin gerade alles gesagt. Das bezieht sich auf den Cannabisanbau für schwerkranke Menschen. In dem Zusammenhang wird das Projekt jetzt vorangetrieben.
ZUSATZFRAGE JUNG: Hat die Kanzlerin eine Haltung dazu?
STS SEIBERT: Das BMG handelt im Rahmen seiner Ressortzuständigkeit und wird dazu etwas vorlegen, das dann für die ganze Bundesregierung gilt.
MASCHKE: Die Ressortabstimmung hat, wie bereits gesagt, gerade erst begonnen. Das alles ist noch „in der Mache“. Es gibt noch keinen öffentlichen Entwurf. Deshalb kann ich darauf noch nicht genau eingehen.