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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 25. November 2015

Alles nur ein Spiel! ▼ BPK vom 25. November 2015

Naive Fragen/Themenübersicht:
Merkel trifft Hollande
– Herr Seibert, wird es der Kanzlerin um die französischen kriegerischen Maßnahmen gegen den Terror gehen, die jetzt eingeleitet wurden?
– Herr Schäfer, können Sie aus deutscher Sicht einmal Beispiele nennen, wo kriegerische Maßnahmen gegen den Terror seit 2001 geholfen haben?
– Wenn Sie jetzt Afghanistan als einziges Beispiel anführen, heißt das dann auch, dass am Ende auch in Syrien einmarschiert werden und das Land von westlichen Kräften besetzt werden muss?

Türkischer Abschuss eines russischen Jets
– Zum türkischen Angriff auf das russische Flugzeug: Der Vizekanzler Gabriel hat die Türkei als unkontrollierbaren Spieler bezeichnet. Herr Schäfer, Herr Seibert, sehen das Auswärtige Amt und das Kanzleramt dies auch so?
– Was für ein Spieler ist denn die Türkei?

Bundeswehr in Mali
– Herr Nannt, in letzter Zeit sind zahlreiche Blauhelm-Soldaten in Mali durch Angriffe und Anschläge getötet worden. Muss die deutsche Öffentlichkeit jetzt damit rechnen, basierend auf der Verfünfundsechzigfachung der deutschen Soldaten in Mali, dass auch tote deutsche Soldaten zurückkommen?
– Wer ist denn der Feind in Mali?

Asyl/Abschiebung für/von Afghanen
– Herr Schäfer, kann ich Sie denn so verstehen, dass dieser Bericht quasi nur eine Ratschlag an das BAMF ist, wenn Sie in diesem Bericht jetzt besonders negativ über die Lage von Frauen und Kindern urteilen und sich das selbst vom Auswärtigen Amt teilweise nach sklavischen Bedingungen in Afghanistan anhört? Ich zitiere: „Traditionell diskriminierende Praktiken und Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter. Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet.“ Heißt das, das BAMF hat am Ende immer noch die Hoheit, zu sagen „Du als afghanische Frau wirst trotzdem zurückgeschickt, obwohl wir wissen, dass es dort für Frauen wie vor 200 oder 300 Jahren zugeht“?
– Herr Dr. Schäfer, es gibt die Idee von innerstaatlichen Fluchtalternativen. Gibt es innerhalb der Bundesregierung Überlegungen finanzieller Art? Wenn zum Beispiel ein Afghane sagt, dass er gerne nach Deutschland flüchten würde und die Bundesregierung mit ihrer Aufklärungskampagne ihn überzeugt, in Afghanistan zu bleiben, er sagt, dass er in einer Region X wohnt, die laut der Bundesregierung unsicher ist, er aber gerne in die Region Y umziehen würde, würde die Bundesregierung dann zum Beispiel den Umzug bezahlen? Kommen solche Überlegungen infrage?

EU-Asylrecht
– Eine Verständnisfrage an Herrn Plate, weil die Bundesregierung auch an einem EU-weiten Asylrecht arbeiten und mit den EU-Staaten zusammen ein Asylrecht schaffen möchte. Würde das dann das deutsche Asylrecht überlagern? Wenn man sich mit europäischen Partnern auf ein Asylrecht einigt, was am Ende faktisch und qualitativ schlechter als das deutsche ist, würde dann das europäische Asylrecht das deutsche überlagern und wäre das deutsche Asylrecht dann quasi irrelevant?

Weltklimakonferenz
– Warum hofft die Bundesregierung auf ein klares Signal aus Paris, wenn wir jetzt schon wissen, dass es anders als zum Beispiel bei Kyoto keine nationalen Verbindlichkeiten geben wird?
– Was kann denn da konkret herauskommen, außer dass sich alle in die Hände schlagen und sagen „Gut, schauen wir mal“?

Terrorfinanzierung
– man hört ja in Sachen Terrorfinanzierung in letzter Zeit immer, Saudi-Arabien habe damit zu tun, die Amerikaner hätten damit zu tun und auch aus anderen Staaten komme viel Geld; Deutschland taucht in diesem Zusammenhang aber gar nicht auf. Kann man das so verstehen, dass aus Deutschland Terror generell nicht finanziert wird, oder muss man das so verstehen, dass der Zoll bzw. andere Behörden das bisher überhaupt nicht festgestellt haben?

Extremismusprävention
– Wir sehen in Frankreich im Zusammenhang mit den Terroranschlägen ja gerade, dass diese jungen Männer einheimische Radikalisierte sind. Gibt es neue Pläne, wie man das gerade in Deutschland verhindern kann? Gibt es neue Programme Antiradikalisierungsprogramme, Sozialprogramm , mit denen man die sogenannten einheimischen Terroristen von dem Wahn, von der Radikalisierung abbringen kann? Hat die Familienministerin da neue Pläne?

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 25. November 2015: 

STS SEIBERT: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich habe drei Hinweise auf Termine der Bundeskanzlerin für Sie.

Der erste betrifft schon den heutigen Abend. Sie wissen es wahrscheinlich schon: Die Bundeskanzlerin wird auf Einladung des französischen Staatspräsidenten Hollande nach Paris reisen zu einem Arbeitsabendessen mit ihm in Élysée-Palast. Für Sie ist interessant, dass die beiden Politiker vor diesem Abendessen gegen 19.45 Uhr Statements vor der Presse abgeben werden.

Der zweite Hinweis bezieht sich auf diesen Sonntag, an dem es ein Sondertreffen der EU mit der Türkei in Brüssel geben wird. Dazu hat der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten eingeladen. Ziel dieses Gipfeltreffens ist die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei vor dem Hintergrund der andauernd hohen Flüchtlingszahlen, die sich aus der Türkei in Richtung Europa in Bewegung setzen. Es gab ja schon beim europäischen informellen Gipfeltreffen Ende September eine Einigung darauf, dass man den Dialog mit der Türkei verstärken will. Es gab dann am Rande des EU-Afrika-Gipfels in Valletta im November die Verständigung auf einen solchen Gipfel mit der Türkei. Nun, wie gesagt, am Sonntag soll er stattfinden.

Die Türkei da sind wir uns alle einig ist ein entscheidendes Land, wenn es um die Ordnung, die Legalisierung und die Reduzierung der Migrationsbewegungen geht. Mehr als zwei Millionen Flüchtlinge, überwiegend Syrer, befinden sich zurzeit in der Türkei. Von dort findet bekanntlich ein erheblicher Zuzug nach Europa statt. Deswegen ist es so wichtig, mit der Türkei zusammenzuarbeiten. Die EU und die Türkei haben in den vergangenen Wochen an einem gemeinsamen Aktionsplan gearbeitet, um ihre Zusammenarbeit zu verstärken.

Der dritte Hinweis betrifft dann den kommenden Montag. Die Bundeskanzlerin wird zum Weltklimagipfel in Paris reisen. Diesmal ist es so, dass die Konferenz am 30. November beginnt, und zwar mit den Staats- und Regierungschefs. Für die Bundesregierung werden neben der Bundeskanzlerin auch Bundesumweltministerin Hendricks und Bundesentwicklungsminister Müller an der Konferenz teilnehmen. Der Plan ist, dass die Staats- und Regierungschefs für die politisch stark umstrittenen Fragen die Richtung vorgeben, dann nach der ersten Woche mit technischen Verhandlungen die fachlich zuständigen Minister in der zweiten Woche, also vom 7. bis 11. Dezember, das Verhandlungspaket schnüren.

Deutschlands Ziel ist: Von Paris soll ein klares Signal an die Welt ausgehen, dass der globale Entwicklungspfad kohlenstoffarm und klimafreundlich ist. Wir erwarten einen dynamischen, modernen und fairen Klimavertrag als das zentrale Ergebnis von Paris.

Was heißt das? Dynamisch, weil dieser Vertrag durch einen flexiblen Mechanismus zur Steigerung der Klimaschutzambitionen weiter entwickelt werden kann. Modern, weil er die Spaltung in Industrie- und Entwicklungsländer überwindet. Und fair, weil er die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und die unterschiedlichen Kapazitäten der Länder auch angemessen berücksichtigt und weil er den besonders Bedürftigen und vom Klimawandel besonders betroffenen Ländern bei Anpassung und bei Minderung Unterstützung zusagt.

Die Details zum Programmablauf während des Aufenthalts der Bundeskanzlerin in Paris stehen noch nicht fest. Wir bieten Ihnen zu diesem Thema ein Briefing an, und zwar morgen von 11 Uhr bis 12 Uhr, wegen der Veranstaltung der Bundespressekonferenz ausnahmsweise nicht hier, sondern im Presse- und Besucherzentrum des Bundespresseamtes.

Dann möchte ich Ihnen noch ein anderes Briefing anbieten. Auch zu dem EU-Türkei-Gipfel wird es ein Briefing geben mit dem europapolitischen Berater, Herrn Dr. Corsepius, und mir. Das findet am Freitag um 13 Uhr ebenfalls im BPA statt. Also wird es noch zwei Briefings in dieser Woche geben.

HAUFE: Ich ergänze die Angaben zur Teilnahme der Bundesumweltministerin an der Weltklimakonferenz. Barbara Hendricks, die Umweltministerin, wird an diesem Samstag mit dem sogenannten „Train to Paris“ zu den Klimaverhandlungen reisen. Der „Train to Paris“ ist eine Initiative der Deutschen Bahn, der allen deutschsprachigen Teilnehmern zur Verfügung steht, um nach Paris zu reisen. Frau Hendricks bleibt bis zum 30. November beim Weltklimagipfel und kommt dann am 6. Dezember zurück bis zum Ende der Weltklimakonferenz, um an den Verhandlungen dort teilzunehmen.

FRAGE JUNG (zum Treffen der Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten): Herr Seibert, wird es der Kanzlerin um die französischen kriegerischen Maßnahmen gegen den Terror gehen, die jetzt eingeleitet wurden?

Herr Dr. Schäfer, können Sie aus deutscher Sicht einmal Beispiele nennen, wo kriegerische Maßnahmen gegen den Terror seit 2001 geholfen haben?

STS SEIBERT: Herr Jung, ich weise gern auf die Rede der Bundeskanzlerin im Bundestag in der heutigen Debatte hin. Ich glaube, das werde ich wahrscheinlich nicht zum letzten Mal während dieser Pressekonferenz tun. Die Bundeskanzlerin hat da sehr klar gemacht, dass wir Deutschland, die Bundesregierung fest an der Seite Frankreichs im Kampf gegen den Terrorismus des IS stehen. Sie hat auch gesagt, in welchem Geist sie in das heutige Gespräch mit Präsident Hollande geht. Dieser Geist besagt, dass wir eben gemeinsam mit unseren Freunden in Frankreich handeln werden und dass wir ein zusätzliches Engagement über das hinaus, was wir bereits tun, nicht von vornherein ausschließen.

DR. SCHÄFER: Herr Jung, das ist ja jetzt kein Geschichtsseminar. Beispiele zusammentragen brauchen wir hier, glaube ich, nicht. Darüber können wir gern am Rande mit Ihnen sprechen, wenn Sie das interessiert.

Eins will ich sagen: Der Einsatz der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan seit 2001 hat immerhin dazu beigetragen, dass Afghanistan seither nicht mehr Heimat, Ursprung und Quelle von internationalem Terrorismus ist. Das Ziel der internationalen Gemeinschaft ist, wenn Sie so wollen, hier im Falle von ISIS und islamistischem Terrorismus aus dem Nahen und Mittleren Osten das gleiche, nämlich sicherzustellen, dass die Heimatbasis, die sich der IS auf der Grundlage von Chaos und Anarchie im Irak und jetzt in den letzten fünf Jahren auch in Syrien erobert und erarbeitet hat, eben als solche keinen Bestand mehr haben darf, weil angesichts all der Terroranschläge, die wir in den letzten Wochen erlebt haben von der Türkei über den Libanon, Kamerun, Tunesien gestern Abend, Paris; die Liste ließe sich beliebig fortsetzen , ja unübersehbar ist, dass die internationale Gemeinschaft das nicht mehr erdulden kann und darf. Deshalb gilt, dass Deutschland sich sehr aktiv an der internationalen Koalition gegen ISIS beteiligt. Das tun wir seit September letzten Jahres. Das tun wir weiter. Die Sache bekommt eine neue Dringlichkeit dadurch, dass der islamistische Terrorismus von ISIS nun auch mit den Ereignissen von Paris vor zwölf Tagen mitten im Herzen Europas angekommen ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wenn Sie jetzt Afghanistan als einziges Beispiel anführen, heißt das dann auch, dass am Ende auch in Syrien einmarschiert werden und das Land von westlichen Kräften besetzt werden muss?

DR. SCHÄFER: Ich kenne niemanden im Westen, weder in Deutschland noch sonst wo, der einem Einsatz westlicher Bodentruppen in Syrien das Wort reden würde.

FRAGE JENNEN: Herr Seibert, bezieht sich das mögliche zusätzliche Engagement im Syrien-Konflikt eventuell auch auf eine Lieferung von Tornados für Aufklärungsflüge?

STS SEIBERT: Ich wiederhole, was die Bundeskanzlerin in ihrer Rede gesagt hat, nämlich dass wir ein zusätzliches Engagement nicht von vornherein ausschließen. In Details werde ich hier nicht gehen. Sie wissen aber, wie stark Deutschland bereits jetzt im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus engagiert ist. Sie wissen, dass wir unsere Unterstützung für die Peschmerga wie auch für die Zentralregierung im Irak fortsetzen wollen. Sie wissen, dass die Bundesverteidigungsministerin davon gesprochen hat, dass wir unser Engagement in Mali fortsetzen und sogar noch verstärken, um Frankreich zu entlasten, also um unseren Beitrag in Mali auch im Kampf gegen den Terrorismus noch auszuweiten. Das sind die Fakten. Über diesen ganzen Bereich wird heute Abend gesprochen werden.

FRAGE JUNG: Zum türkischen Angriff auf das russische Flugzeug: Der Vizekanzler Gabriel hat die Türkei als unkontrollierbaren Spieler bezeichnet. Herr Schäfer, Herr Seibert, sehen das Auswärtige Amt und das Kanzleramt dies auch so?

DR. SCHÄFER: Ich habe zu Äußerungen eines Mitglieds der Bundesregierung Sie sprechen Herrn Gabriel an nichts zu sagen. Vielleicht sprechen Sie mit den Kollegen aus dem Wirtschaftsministerium zu diesem Thema.

STS SEIBERT: Dann sage ich vielleicht etwas, da Sie mich ja auch angesprochen haben.

Ich will für die Bundesregierung sagen, dass wir sehr besorgt sind über diesen Zwischenfall an der türkisch-syrischen Grenze. Es gilt grundsätzlich, dass die Türkei genau wie jeder andere Staat das Recht hat, die Integrität des eigenen Luftraums zu wahren und gegebenenfalls auch zu verteidigen.

Zu den Einzelheiten dieses Vorfalls möchte ich jetzt bewusst nicht Stellung nehmen. Ich möchte sagen, worauf es der Bundesregierung vor allem ankommt. Das ist, dass Ankara und Moskau das ist unser Appell jetzt alles, was ihnen möglich ist, unternehmen, um eine weitere Eskalierung über diesen Vorfall hinaus zu vermeiden. Es ist vordringlich, dass beide Regierungen den unmittelbaren Kontakt zueinander suchen, sie in unmittelbarem Kontakt miteinander stehen, und dass sie eine Wiederholung eines solchen Vorfalls vermeiden. Es bleibt bei unserem übergeordneten Ziel. Unser übergeordnetes Ziel heißt eine möglichst breite globale Allianz, also ausdrücklich möglichst auch gemeinsam mit Russland, um den Terrorismus des IS in Syrien und im Irak konsequent zu bekämpfen.

TOSCHEV: Ich würde da gern noch ergänzen. Denn ich glaube, in den Äußerungen, wie Sie sie wiedergegeben haben, die auch nicht korrekt wiedergegeben sind, stellen Sie einen Widerspruch dar, den es so nicht gibt.

Was den Zwischenfall selbst angeht, hat Herr Seibert ja gerade schon Stellung genommen, wie wichtig es ist, diesen aufzuklären und alles, was zur Eskalation beitragen könnte, zu unterlassen.

Der Vizekanzler beziehungsweise Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat sich gestern auf einer Veranstaltung geäußert. Er hat in dem Zusammenhang nicht die Türkei kritisiert, sondern gesagt, dass es in der Region Stimmen gibt, die die Rolle der Türkei nicht immer für unproblematisch halten. Er hat also da auf Äußerungen verwiesen. Insofern möchte ich bitten, das so wiederzugeben, wie es auch gesagt worden ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer, Sie sprechen ja auch gern von Spielern. Was für ein Spieler ist denn die Türkei?

DR. SCHÄFER: Zunächst einmal entnehme ich gerade ganz aktuell den Agenturen, dass das, was Herr Seibert gerade für die Bundesregierung als Wunsch ausgeführt hat, dass er sich einen unmittelbaren Kontakt und Kommunikation über dieses Ereignis, aber auch über dieses Ereignis hinaus, im Hinblick auf die Zukunft Syriens und die Lage im Nahen und Mittleren Osten wünscht, sehr viel schneller Gehör gefunden hat als wir uns das vielleicht vorstellen würden.

Die Agenturen berichten davon, dass der russische Außenminister tatsächlich mit seinem türkischen Amtskollegen zusammentreffen möchte und das schon in den nächsten Tagen.

In aller Vorsicht, weil es nur eine Agenturmeldung ist: Sollte sich das als richtig herausstellen, dann können wir das nur begrüßen. Wir wünschen uns, dass das auch die Ergebnisse zeitigt, die sich da beide Nationen wünschen.

Also, die Türkei ist seit 60 Jahren wir erst seit 50 Jahren Mitglied der NATO. Es ist ein Bündnispartner. Das ist der Grund dafür, weshalb sich Deutschland genau wie alle anderen NATO-Partner gestern Nachmittag ausweislich der Äußerung des Generalsekretärs der NATO nach dem von der Türkei beantragten Treffen gestern in Brüssel im NATO-Hauptquartier so eingelassen haben, wie das geschehen ist. Die Türkei ist ein ganz wichtiger Spieler und regionaler Akteur im Nahen und Mittleren Osten für ganz viele Fragen ein großes Volk, eine starke Volkswirtschaft und ein politischer Akteur mit großem Selbstbewusstsein.

Wir haben alles Interesse daran, in unseren Kontakten mit der Türkei, in den Kontakten der Europäischen Union mit der Türkei und in den Kontakten innerhalb des Verteidigungsbündnisses der NATO mit der Türkei zu sprechen, um die gemeinsamen Interessen, die wir haben, möglichst in die Tat umzusetzen. Dem dient unser Gipfel der Europäischen Union am Sonntag mit der Türkei. Dem dienen zahllose bilaterale Beziehungen und Kontakte, die wir mit der Türkei pflegen, u. a. der deutsch-türkische migrationspolitische Dialog. Es gibt doch gar keinen Zweifel aber ich glaube, ich brauche das gar nicht weiter auszuführen , dass die Türkei auch ein Schlüsselland bei der Bewältigung der großen Flüchtlingsströme ist, mit denen wir zurzeit politisch zu tun haben. Ich denke, das wird auch das Kern der Beratungen der Europäischen Union mit dem türkischen Präsidenten am Sonntag sein, da die Aktionspläne, die auf dem Tisch liegen, sozusagen politisch zu verabschieden und so schnell wie nur irgend möglich in die Umsetzung zu gehen.

FRAGE PRÖSSL: Herr Nannt, ich habe zwei Fragen zum bevorstehenden Einsatz der Bundeswehr in Mali. Zum einen: Wie ist aus Ihrer Sicht die Sicherheitslage im Norden Malis? Wie sicher oder unsicher ist die Situation für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr?

Zweitens würde ich gern wissen, warum die Unterstützung der niederländischen Einheiten durch die Bundeswehr die Franzosen entlastet?

NANNT: Zu Ihrer ersten Frage: Die Sicherheitslage ist gefährlich im Norden von Mali. Deswegen ist es auch wichtig das ist ja auch unser Punkt , dass wir dort mit robusten Fähigkeiten hereingehen, dass wir eben geschützt sind. Deswegen haben wir auch schon verschiedene Erkundungen durchgeführt. Wir werden noch letzte Feinerkundungen kurz vor Weihnachten durchführen. Aber es ist ein gefährliches Umfeld. Das muss man sagen.

Der zweite Punkt ist: Ein stabiles Mali hat letztendlich auch ein stabiles Umfeld zur Folge ein stabiles Umfeld insgesamt für Europa, natürlich auch für Frankreich. Wenn wir weiter dazu beitragen, dass der Friedensprozess dort kontinuierlich weiterlaufen kann, dann führt das zu einer spürbaren Entlastung von Frankreich. Was wir jetzt leisten wir sind derzeit mit zehn Soldaten vor Ort; es ist geplant, dort mit bis zu 650 Soldatinnen und Soldaten in MINUSMA zu unterstützen , das ist natürlich ein wesentlicher, substanzieller Beitrag.

Hier bringen wir ganz neue deutsche Qualitäten ein. Das betrifft zum einen den Bereich Aufklärung/Objektschutz, und es sind auch logistische Fähigkeiten. Dadurch können wir bewirken, dass insgesamt der Friedensprozess weiter befördert wird und die Lage stabil wird. Gerade ein stabiles Mali könnte zu einer spürbaren Entlastung führen.

ZUSATZFRAGE PRÖSSL: Sind Ihnen Pläne bekannt, dass Frankreich darauf reagieren kann und vielleicht Truppen herausnimmt?

NANNT: Die Ministerin hat ja in der letzten Woche mit ihrem französischen Amtskollegen darüber gesprochen. Die Franzosen waren hocherfreut darüber, dass wir gesagt haben, dass wir unser Engagement in MINUSMA deutlich ausweiten wollen.

Wie gesagt: Wir sind gerade im Abstimmungsprozess, natürlich mit den Franzosen, genauso aber auch mit den Vereinten Nationen und den Niederländern vor Ort. Insgesamt ist es einfach wichtig, dass wir schnell wirken können. Also wir sind in beiden Einsätzen ich möchte jetzt auch einmal Irak ins Spiel bringen , sowohl in Mali als auch im Irak, jetzt schon vor Ort. Hier können wir schnell, weil wir vor Ort sind, substanziell wirken. Das ist natürlich insgesamt hilfreich, zum Beispiel für die Eindämmung des „Islamischen Staats“, aber auch insgesamt für die Region. Das Thema ist wieder, die Fluchtursachen zu bekämpfen, was ja auch ein wichtiger Punkt außerhalb der Terrorbekämpfung ist.

FRAGE KNABE: Herr Nannt, es war die Rede von einer Erhöhung der Zahl der Bundeswehr-Soldaten zur Unterstützung, Ausbildung und Beratung der Peschmerga-Kämpfer um 500. Ab wann werden diese Soldaten dort sein und wo werden sie konkret stationiert sein?

NANNT: Sie sprechen den Irak an. Dabei geht es das hat die Verteidigungsministerin vorhin gesagt um eine Erweiterung von 100 auf 150 Soldaten. Wie gesagt: Das ist jetzt die Absicht. Dazu gibt es natürlich noch kein Mandat und auch keinen Beschluss. Das ist ja der nächste Prozess, der jetzt laufen muss. Das ist eben unser Vorschlag, den wir einbringen. Darüber muss jetzt natürlich das Parlament befinden. Hier wird es darum gehen, dass man diesen Aufwuchs um 50 Soldaten gerade auch im Bereich der Fähigkeiten hat, zum Beispiel Abc-Abwehr, Sanität, Logistik, wo wir festgestellt haben, dass da noch Bedarf ist.

Die Peschmerga haben ja in den letzten Wochen unheimlich große Erfolge gehabt. Das ist auch wesentlich davon abhängig, was wir in letzter Zeit an Ausrüstung geliefert haben, was wir dort an Ausbildung geleistet haben. Das ist also ein wichtiger Punkt. Ich würde es bisher auch als ein Erfolgsmodell im Bereich der Eindämmung bezeichnen.

Wo das genau sein wird: Wir haben ja gerade das Lager dort bezogen. Das neue wurde vor ungefähr vier Wochen übernommen. Ich gehe davon aus: Wenn es zu einem Beschluss kommen sollte, dann mit Mandat oder Bundestagsbeschluss, dann wird dort im Lager dieser Aufwuchs erfolgen.

ZUSATZFRAGE KNABE: Für wann erwarten Sie den Bundestagsbeschluss darüber?

NANNT: Das wird ja im Januar der neue Prozess sein.

FRAGE JUNG: Herr Nannt, in letzter Zeit sind zahlreiche Blauhelm-Soldaten in Mali durch Angriffe und Anschläge getötet worden. Muss die deutsche Öffentlichkeit jetzt damit rechnen, basierend auf der Verfünfundsechzigfachung der deutschen Soldaten in Mali, dass auch tote deutsche Soldaten zurückkommen?

NANNT: Herr Jung, das war ja das, was ich gerade sagte, nämlich dass der Einsatz gefährlich ist und dass wir deswegen auch ein robustes Mandat brauchen. Es ist unsere Verantwortung, dass wir unsere Soldaten bestmöglich schützen; das ist mir unheimlich wichtig. Daher ist es natürlich der Fall, dass wir mit geschützten Fahrzeugen dort sind und dass wir jetzt eben auch schauen, zum Beispiel bei der Erkundung, wie wir das Feldlager jetzt weiter ausbauen, weil das Feldlager derzeit nicht mehr ausreicht und wir dort vielleicht einen noch besseren Schutz brauchen. Der Schutz hat für uns also oberste Priorität, bevor wir Soldaten irgendwo in den Einsatz schicken.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wer ist denn der Feind in Mali?

NANNT: Ich würde nicht von Feinden sprechen. Wir sind dort, um einen Friedensprozess zu unterstützen. Dieser Friedensprozess wird von uns dort auch im Rahmen des MINUSMA-Einsatzes der Vereinten Nationen geleistet. Diesen Prozess muss man eben letztendlich fördern.

FRAGE VALASSOPOULOS: Herr Seibert, plant Frau Merkel am Sonntag ein bilaterales Treffen mit Herrn Davutoðlu und Herrn Tsipras?

STS SEIBERT: Okay, gerade waren wir noch bei Mali, und jetzt sind wir also beim EU-Gipfel am Sonntag; ich muss ja nur hinterherkommen. Am Sonntag wird es den EU-Türkei-Gipfel geben, und ich kann Ihnen hier keine weiteren Planungen vortragen.

VORS. LEIFERT: Herr Schäfer hatte den Termin am Sonntag ja auch schon in seiner Antwort erwähnt. Deswegen wären wir jetzt auch bei diesem Komplex der Beratungen mit der Türkei in Sachen Flüchtlingsthema.

FRAGE MARSCHALL: Herr Seibert, wird denn die Frage der Kontingentlösung, also der legalen Kontingente, die Europa der Türkei abnehmen könnte, am Sonntag auch schon Teil des Pakets sein?

STS SEIBERT: Wir sprechen natürlich wirklich über eine Fülle von Themen mit der Türkei bzw. die EU bespricht sie. Dabei geht es um ganz unterschiedliche Dinge, die aber natürlich alle mit der Flüchtlingssituation zu tun haben. Dabei geht es um Interessen der Türkei. Es ist natürlich das Interesse, die Lasten, die sie durch die hohe Zahl von Flüchtlingen im Lande hat, auch mit den Europäern zu teilen. Wir haben Verständnis dafür, und deswegen wird eben auch eine substanzielle Stärkung der finanziellen Unterstützung für die Türkei ein Thema sein. Genauso wird es darum gehen, dass wir mit der Türkei über Seenotrettung, über Grenzschutz und über die Bekämpfung der Schleuserkriminalität reden. Es ist natürlich ein starkes Interesse auch der Europäer, dass es auf diesem Meeresstreifen zwischen der Türkei und Griechenland nicht so weitergeht wie bisher, nämlich dass dort die Schlepper die Oberhand haben und Menschen in Lebensgefahr bringen. Es wird darum gehen, die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern. Das ist also ein ganzer Strauß von Themen, die eine Rolle spielen werden.

Um tatsächlich illegale Migration einzudämmen, müssen wir auch darüber nachdenken, legale Möglichkeiten der Einreise zu schaffen. Wir streben daher auch Vereinbarungen mit der Türkei über die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen, über ein „resettlement“ an. Da sind wir dann auch im Bereich der Kontingente, aber das ist natürlich etwas, das im Gesamtzusammenhang zu sehen ist. Je besser es uns also gelingt, die Illegalität der Migrationsbewegungen einzudämmen, und je weniger illegale Fluchtbewegungen es gibt, desto umfangreicher kann man über miteinander ausgehandelte europäische Kontingente beraten.

ZUSATZFRAGE MARSCHALL: Wird es denn gelingen oder kann es gelingen, dass sich die EU-Staaten, bevor dieser Gipfel am Sonntag stattfinden wird, schon einmal, auch wenn sie sich nicht ganz einigen können, über die Richtung einigen, sodass es dann okay ist, dass diese Flüchtlinge, die über Kontingente kommen, auf die EU verteilt werden?

STS SEIBERT: Ich hatte ja vorhin gesagt, dass es schon bei zurückliegenden Gipfeln wie dem informellen Rat im September und wie auch beim EU-Afrika-Gipfel unter den Europäern Einigkeit darüber gab, dass man diesen Prozess der intensivierten Zusammenarbeit mit der Türkei führen will. Das ist eine einige europäische Haltung, und wir gehen davon aus, dass die sich auch am Sonntag in Brüssel wieder zeigen wird.

FRAGE ENGEL: Mein Thema ist „Flüchtlinge ohne Türkei“ oder, genauer gesagt, „Flüchtlinge nach der Türkei“, bezogen auf den Rückweg. Wir haben vor zwei Wochen schon einmal über die Lagebeurteilungen aus dem Auswärtigen Amt geredet, was Afghanistan angeht. Meine Frage geht nach dem, was heute wieder veröffentlicht worden ist, an das Innenministerium: Kann man afghanische Flüchtlinge nach der Lagebeurteilung abschieben?

DR. PLATE: Ich bin mir nicht sicher, ob die Frage im Innenministerium richtig angesiedelt ist. Sie wissen ja, dass für Abschiebungen nicht der Bund zuständig ist, sondern die Länder, und dass das natürlich immer nur nach einer sorgfältigen Einzelfallprüfung geschehen kann. Das, was dazu zu sagen ist, ist von dieser Stelle aus schon mehrfach gesagt worden. Soweit Sie sich darüber informieren möchten, wie die Lage in Afghanistan ist, müssten Sie sich dann an das Auswärtige Amt wenden.

VORS. LEIFERT: Dann ist der Ball jetzt im Lager des Auswärtigen Amtes. Herr Schäfer, bitte!

DR. SCHÄFER: Frau Engel hat mich nicht gefragt.

ZUSATZFRAGE ENGEL: Herr Schäfer, ich möchte unbedingt, dass Sie mir antworten.

DR. SCHÄFER: Ich habe die Agenturmeldungen eines großen norddeutschen Radio- und Fernsehsenders durchaus gesehen. Der hatte uns auch vorab zu ihm offensichtlich zugespielten Informationen befragt. Die Reaktion des Auswärtigen Amtes werden Sie, Frau Engel, und vielleicht auch alle anderen bereits gelesen haben.

Zu vertraulichen Dokumenten insbesondere solchen, die als Verschlusssache qualifiziert sind kann und darf ich hier nicht Stellung nehmen. Deshalb will ich ausdrücklich sagen, dass ich zu den Zitaten, die ich in den Agenturmeldungen und auch den Meldungen des NDR wiedergefunden habe, nichts sagen kann. Selbstverständlich stehe ich für Auskünfte über die Lage in Afghanistan umfassend zur Verfügung.

Vielleicht nur ganz grundsätzlich: Es stimmt, dass für jedes Land der Welt, in dem sich Fragen der Abschiebung oder des politischen Asyls aus solchen Herkunftsstaaten stellen, das Auswärtige Amt in Ausübung seiner Pflicht zur Amtshilfe sogenannte Asyl-Lageberichte erstellt. Diese Asyl-Lageberichte werden innerhalb der Bundesregierung verteilt. Sie dienen aber insbesondere als Entscheidungsgrundlage für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und auch für diejenigen Verwaltungsgerichte in ganz Deutschland, die aufgerufen sind, über Fragen von politischem Asyl zu entscheiden.

Das Auswärtige Amt stellt in diesen Berichten lediglich es ist mir ganz wichtig, das zu sagen asyl- und abschiebungsrelevante Tatsachen und Ereignisse dar. Wertungen und rechtliche Schlussfolgerungen aus dieser tatsächlichen Lage, wie sie vom Auswärtigen Amt beschrieben wird, erfolgen nicht durch das Auswärtige Amt, sondern durch die zuständigen Behörden und die Gerichte. Das wäre im Falle von Asyl dann im Wesentlichen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das wären die zuständigen Verwaltungsgerichte, die solche behördlichen Entscheidungen dann zu überprüfen haben. Im Falle von Abschiebungen wären es die zuständigen Behörden der Länder, die das tun.

FRAGE PRÖSSL: Herr Dr. Plate, ich würde da gerne noch einmal nachfassen. Bundesinnenminister de Maizière hat am 28. Oktober gesagt: Man kann erwarten, dass die Afghanen in ihrem Land bleiben. – Bleibt der Minister angesichts dieses neuen, zumindest erst jetzt der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Berichts bei seiner Position?

DR. PLATE: Ich habe dem, was ich gerade gesagt habe, wirklich gar nichts hinzuzufügen. Der Bericht ist auch nicht so neu; das sei vielleicht nur dazu gesagt.

DR. SCHÄFER: Ich sage vielleicht einfach nur zwei Sätze, ganz allgemein: Wir wiederholen uns hier, weil wir das Thema ich kann verstehen, dass es Interesse und Aufmerksamkeit bei Ihnen erzielt an dieser Stelle in den letzten Monaten mehrfach behandelt haben. Ich glaube, unter dem Strich, ohne jetzt auf die Details eingehen zu wollen, ist es einfach so, wie Herr Plate es gerade gesagt hat: Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Ein pauschales Urteil darüber, wie die Lage in ganz Afghanistan ist, kann man nicht treffen. Dazu sind die Verhältnisse in Afghanistan einfach viel zu unterschiedlich.

Dort gibt es Gegenden, in denen Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Aimaken, Hazara und Kuchi wohnen. Da gibt es eine Fülle von unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen, die in diesem Afghanistan zusammenleben, an verschiedenen Orten, miteinander und untereinander. Es gibt Siedlungsgebiete, in denen bestimmte Bevölkerungsgruppen unter sich bleiben. Anderswo, in den großen Agglomerationen, ist das ein großes kulturelles Gemisch. Da gibt es unterschiedliche Sprachen und Kulturen. Weil das so ist, ist auch die Sicherheitslage ganz anders. Die Insurgents, die Taliban, sind in unterschiedlicher Weise erfolgreich bei ihrem Versuch, Afghanistan zu destabilisieren. Es ist einfach keine Aussage darüber möglich, dass die Lage in Afghanistan per se ich weiß nicht, wie man das sagen soll katastrophal ist das geht überhaupt nicht , sondern es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.

Im Übrigen, ohne dabei auf die Details einzugehen, ist das auch genau der Tenor der Berichterstattung der Kollegen aus den Auslandsvertretungen in Masar-e Scharif und Kabul, unter anderem als Hilfestellung für die Entscheidungen der zuständigen Behörden in Sachen Asyl und Abschiebungen. Gleiches gilt auch für die generelle Sicherheitslage, die ja eine Grundlage für die Entscheidung der Bundesregierung darüber ist, im Rahmen von Resolute Support weiter voranzugehen. Auch da gilt: Die Sicherheitslage ist schwierig, und das bestreitet überhaupt niemand, aber sie ist divers. Man muss eben genau hinschauen, um ein präzises, faires und objektives Urteil fällen zu können.

ZUSATZFRAGE PRÖSSL: Herr Dr. Plate, habe ich es richtig verstanden, wenn ich den Ausführungen von Herrn Dr. Schäfer jetzt entnehme, dass man beispielsweise dann, wenn die Herkunft eines Flüchtlings geklärt und im Einzelfall mit diesem Bericht abgeglichen wird, eben zu einem Urteil darüber kommen kann, dass es gefährlich wäre oder eben nicht, denjenigen abzuschieben? Dann kann man ja noch andere Aspekte heranziehen. Gewalt gegen Frauen ist ja auch ein Teil in dem Bericht. Es wird auch von labilen Justizsystemen gesprochen. Heißt das also, man würde die einzelnen Punkte Was macht der beruflich? Welchem Geschlecht gehört der an? in so einem Fall durchgehen?

DR. PLATE: Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob ich Ihre Frage jetzt richtig verstanden habe. Ich verweise noch einmal auf das, was ich gesagt habe: Abschiebung ist Sache der Länder. Die Behörden, die das zu entscheiden haben, sind die Ausländerbehörden.

Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden haben sollte, erwarten Sie jetzt, dass ich sozusagen für die Ausländerbehörden der Länder spreche und sage, wie die ihre Arbeit genau machen. Das wäre unüblich, und das mache ich auch nicht.

FRAGE JUNG: Herr Schäfer, kann ich Sie denn so verstehen, dass dieser Bericht quasi nur eine Ratschlag an das BAMF ist, wenn Sie in diesem Bericht jetzt besonders negativ über die Lage von Frauen und Kindern urteilen und sich das selbst vom Auswärtigen Amt teilweise nach sklavischen Bedingungen in Afghanistan anhört? Ich zitiere: „Traditionell diskriminierende Praktiken und Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter. Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet.“ Heißt das, das BAMF hat am Ende immer noch die Hoheit, zu sagen „Du als afghanische Frau wirst trotzdem zurückgeschickt, obwohl wir wissen, dass es dort für Frauen wie vor 200 oder 300 Jahren zugeht“?

DR. SCHÄFER: Ich mache mir Ihre Vorbehalte ausdrücklich nicht zu eigen, weil ich das nicht kann. Aber ich kann Ihnen ganz fest versichern, dass das Auswärtige Amt und die Auslandsvertretungen in Afghanistan nichts beschönigen, sondern ihre Aufgabe sehr ernst nehmen, die darin besteht, die Informationen und Tatsachen zusammenzutragen, die die zuständigen Behörden in die Lage versetzen das sind, und ich kann es gerne noch einmal wiederholen, Herr Plate hat es ja ausgeführt, für Abschiebungen die Ausländerbehörden der Länder, für die Frage der Gewährung von Asyl eben das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dann, weil wir ein Rechtsstaat sind, in der rechtlichen Überprüfung die zuständigen Verwaltungsgerichte , auf Grundlage des deutschen Rechtes vernünftige Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet: Da werden aus all den Quellen, die den Kollegen dann zugänglich sind, Informationen zusammengetragen und auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft, und das wird, wo möglich das ist in Afghanistan wegen der Sicherheitslage nicht so einfach , sozusagen mit eigenen Augen und eigenen Wahrnehmungen ergänzt. Daraus entsteht dann ein faktenbezogenes, informations- und ereignisbezogenes Lagebild, das solche Wertungen enthalten kann, wie Sie die gerade vorgetragen haben, Herr Jung. Dies wird dann in einem zusammenfassenden Bericht zu all den verschiedenen Kategorien zusammengefasst. Die Entscheidungsgrundlage auf der Grundlage des deutschen Rechts wird den zuständigen Behörden ausdrücklich nicht das Auswärtige Amt übermittelt, damit die auf der Grundlage der bestmöglich verfügbaren, objektiven Informationen eine Entscheidung treffen können, die den Regelungen des deutschen Rechtsstaats und der geltenden Rechtslage entspricht.

Wenn die Erkenntnis so wäre, wie Sie es in Ihrer Frage andeuten, nämlich dass für bestimmte Personengruppen für Frauen, für Kinder in bestimmten Regionen des Landes die Lage so sein sollte, dann wäre sie so, und dann hätten die zuständigen Behörden daraus eben die aus ihrer Sicht korrekten rechtsstaatlichen Entscheidungen abzuleiten.

DR. PLATE: Vielleicht nur ganz kurz, weil Herr Schäfer es eigentlich jetzt schon gesagt hat, und ich habe es auch schon gesagt, aber es scheint noch nicht deutlich genug angekommen zu sein: Anders als Sie, Herr Jung, gesagt haben, ist das BAMF nicht die Behörde, die über die Frage der Abschiebung entscheidet.

ZURUF JUNG: Das war auch gar nicht meine Frage. Ich habe mich über Asylgründe

DR. PLATE: Nein, das hatten sie nicht. Sie hatten gefragt, ob das BAMF auf dieser Grundlage darüber entscheidet oder nicht entscheidet, ob jemand zurückgeschickt wird. Das ist sozusagen vulgo das, was als Abschiebung oder Rückführung bezeichnet wird. Das BAMF ist nicht diese Behörde; das ist mir nur wichtig klarzustellen, weil hier sonst etwas Falsches hängen bleibt, wie es offenbar schon geschehen ist.

FRAGE ENGEL: Es tut mir leid, dass wir so unpräzise gefragt haben. Deswegen frage ich jetzt noch einmal: Kann man auf dieser Basis überhaupt einen Asylantrag von jemandem, der aus Afghanistan kommt, im BAMF ablehnen?

DR. PLATE: Ich kann dazu jetzt schlecht im Detail Stellung nehmen, weil dazu erforderlich wäre, weitere Details dieses VS-eingestuften Berichts zu nennen. Richtig ist, dass die Entscheidung über Asyl ebenso wie die Entscheidung der Ausländerbehörden über Abschiebungen eine Einzelfallentscheidung ist, die nach einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls erfolgt. Der Bericht zeichnet so weit kann ich vielleicht gehen, ohne sozusagen zu viele Details aus diesem Bericht zu verraten eben gerade anders als jetzt vielleicht zum Teil medial kolportiert wird ein sehr differenziertes Bild der Sicherheitslage und insbesondere auch ein regional sehr stark zu differenzierendes Bild der Sicherheitslage. Auf dieser Grundlage werden die Entscheidungen des BAMF über Asylanträge gefällt. Wenn Sie möchten, schauen Sie in die Asylgeschäftsstatistik. Da werden Sie sehen, dass auch heute schon ganz unterschiedliche Ergebnisse dabei herauskommen.

FRAGE KNABE: Es gab ja vor einiger Zeit vor ein paar Wochen die Idee, Schutzzonen bzw. sichere Zonen innerhalb Afghanistans für Binnenflüchtlinge oder auch zurückgeschickte Asylbewerber einzurichten. Welche Bedeutung hat vor dem Hintergrund der Schilderung, die Herr Dr. Schäfer gerade abgegeben hat, eine solche Idee noch? Die Frage richtet sich am ehesten an Herrn Nannt, denke ich.

NANNT: Ich kann Ihnen bei der Frage nicht weiterhelfen.

ZUSATZFRAGE KNABE: Wer dann? – Hat die Idee innerhalb der Bundesregierung noch irgendeine Relevanz?

VORS. LEIFERT: Herr Schäfer!

DR. SCHÄFER: Ich versuche einmal, das in aller Kürze zu beantworten.

Wenn Sie so wollen, war doch das Ziel der internationalen Gemeinschaft seit 2001, aus ganz Afghanistan eine Schutzzone zu machen, in der Frieden, Freiheit und Wohlstand herrschen kann. Die Lage ist eine andere als die, die jedenfalls zu Beginn der internationalen Aktivitäten in Afghanistan anvisiert worden ist. Wir sind im Laufe der Zeit aufgrund der Erfahrungen, die man gemacht hat, realistischer geworden. Es bleibt bei unserem Bekenntnis und dem Bekenntnis der internationalen Gemeinschaft gegenüber Afghanistan, an den eigenen Bemühungen für Sicherheit und Entwicklung sehr aktiv mit Beratung, Ausbildung, finanzieller Unterstützung und vielem anderen mehr teilzuhaben und Afghanistan auf diesem Weg zu unterstützen.

Was das Konzept einer Schutzzone angeht, weiß ich nicht recht, was damit gemeint wäre. Ich kenne das Konzept einer Schutzzone aus den seit Jahren laufenden Verhandlungen und Beratungen zum Thema Syrien. Es ist ein türkischer Vorschlag, dass man gewissermaßen bestimmte Regionen in Syrien freikämpft, militärisch absichert, um dort wieder Menschen aus Syrien oder zurückkehrende Flüchtlinge ansiedeln zu können. Ein solches Konzept für Afghanistan kann ich mir per se nicht so leicht vorstellen, und zwar schlicht und ergreifend, weil die strategischen Entscheidungen, die die internationale Gemeinschaft mit Ende 2014 getroffen hat, nämlich sich auf Beratung, Ausbildung und Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte zu konzentrieren, aber die eigene militärische Präsenz zurückzufahren, im Grunde bedeuten, dass die Zahl der internationalen Soldaten, wenn denn geplant wäre, durch internationales militärisches Engagement eine solche Schutzzone zu sichern, ganz sicher nicht ausreicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es in der internationalen Gemeinschaft viele Staaten gibt, die sich so etwas vorstellen können. Aber das Konzept einer Schutzzone in Verbindung mit Afghanistan ist, glaube ich, keines, das Sie jemals von jemanden auf dieser Seite, also von der Bundesregierung, gehört hätten. Deshalb sind wir vielleicht auch nicht die richtigen Gesprächspartner. Ich habe das hier und da einmal in den Medien gelesen. Aber wenn Sie fragen, was damit genau verbunden ist, müssten Sie am besten diejenigen fragen, die diesen Vorschlag gemacht haben.

ZUSATZFRAGE KNABE: Also nicht vonseiten der Bundesregierung?

DR. SCHÄFER: Vom Auswärtigen Amt jedenfalls nicht.

FRAGE JUNG: Herr Dr. Schäfer, es gibt die Idee von innerstaatlichen Fluchtalternativen. Gibt es innerhalb der Bundesregierung Überlegungen finanzieller Art? Wenn zum Beispiel ein Afghane sagt, dass er gerne nach Deutschland flüchten würde und die Bundesregierung mit ihrer Aufklärungskampagne ihn überzeugt, in Afghanistan zu bleiben, er sagt, dass er in einer Region X wohnt, die laut der Bundesregierung unsicher ist, er aber gerne in die Region Y umziehen würde, würde die Bundesregierung dann zum Beispiel den Umzug bezahlen? Kommen solche Überlegungen infrage?

Herr Plate, was die afghanischen Flüchtlinge angeht, würde mich interessieren: Wie viele afghanische Frauen und Kinder wurden dieses Jahr schon zurück nach Afghanistan geschickt? Wie ist die Zahl im Vergleich zu den Vorjahren?

DR. SCHÄFER: Die innerstaatliche Fluchtalternative ist keine Idee der Bundesregierung, sondern Asylrecht. Wenn es ich bin kein Experte für Asylrecht und deshalb sehr vorsichtig mit dem, was ich sage eine innerstaatliche Fluchtalternative in einem Land gibt, aus dem Flüchtlinge zu uns kommen, dann ist es nach geltendem Asylrecht möglich, den Antragsteller auf diese Fluchtalternative zu verweisen. Das ist nicht eine Idee der Bundesregierung, sondern ein rechtlicher Gedanke, der für viele Länder gelten mag. Ich glaube, dabei belasse ich es einstweilen.

DR. PLATE: Was die Aufschlüsselung dieser Zahlen angeht, die ja Länderzahlen sind Abschiebung ist Zuständigkeit der Länder, wie hier heute schon mehrfach ausgeführt , so kann ich Ihnen eine Aufschlüsselung nach Geschlecht nicht mitteilen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das vielleicht nachreichen?

DR. PLATE: Ich bin nicht sicher. Weil es Länderzahlen sind, bin ich nicht sicher, ob die Zahlen aufgeschlüsselt nach Geschlecht bei uns vorliegen.

VORS. LEIFERT: Sollten sie vorliegen, könnten Sie das über unseren Verteiler schicken.

FRAGE CHILAS: Gibt es Zahlen darüber, wie viele der 160.000 Flüchtlinge, die in Griechenland und in Italien sind und auf andere EU-Länder verteilt werden sollten, inzwischen verteilt sind?

DR. PLATE: Das wird, wie Sie wissen, von der EU koordiniert. Sie müssten die aktuellen Zahlen bei der EU-Kommission erfragen.

FRAGE MARSCHALL: Ich habe eine Frage zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz bzw. zum Asylpaket II. Die Bundeskanzlerin hat heute gesagt, dass sie hofft, dass man sich in den nächsten Tagen einigt. Herr Seibert, gibt es irgendwelche Treffen der Parteivorsitzenden, wo der Knoten durchgeschlagen wird?

Die Bundeskanzlerin hat auch gesagt, in dieses Asylpaket würden noch ein paar andere Sachen mit hineingepackt. Können wir vielleicht erfahren, was das sein könnte?

STS SEIBERT: Ich habe dem, was die Bundeskanzlerin heute im Deutschen Bundestag gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Ich gebe hier üblicherweise bevorstehende Treffen innerhalb der Regierung oder der Koalitionsparteien nicht bekannt. Die normalen Arbeitsweisen, die wir hier miteinander haben, sind, dass wir, wenn eine Entscheidung bevorsteht, miteinander reden.

ZUSATZ MARSCHALL: Die Frage bezüglich der Details war noch offen.

STS SEIBERT: Ich habe dem, was die Bundeskanzlerin zu diesem Thema gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

FRAGE JUNG: Eine Verständnisfrage an Herrn Plate, weil die Bundesregierung auch an einem EU-weiten Asylrecht arbeiten und mit den EU-Staaten zusammen ein Asylrecht schaffen möchte. Würde das dann das deutsche Asylrecht überlagern? Wenn man sich mit europäischen Partnern auf ein Asylrecht einigt, was am Ende faktisch und qualitativ schlechter als das deutsche ist, würde dann das europäische Asylrecht das deutsche überlagern und wäre das deutsche Asylrecht dann quasi irrelevant?

DR. PLATE: Das ist, Herr Jung, ein Stück weit eine hypothetische Frage. Ganz generell wissen Sie sicher, dass das Europarecht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem deutschen Recht egal welchen Ranges vorgeht. Aber das gilt natürlich nur insoweit wird es dann doch komplizierter, und da geraten wir in den hypothetischen Bereich , soweit es sozusagen den fraglichen Themenbereich thematisch abdeckt. Da wir aber nicht wissen, ob es zu einem europäischen Asylrecht kommt und was es am Ende beinhaltet, lässt sich der Grad einer möglichen Überlagerung heute natürlich schlecht von hier aus einschätzen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber wenn es zu einem Asylrecht kommt, dann steht das europäische Asylrecht dem deutschen vor?

DR. PLATE: Darauf kann ich nur das Gleiche sagen, was ich gerade schon gesagt habe. Vielleicht liegt das aber auch an dem nicht ganz präzisen Wort „wenn“. Wenn Sie das durch das Wort „soweit“ ersetzen, sage ich ja.

FRAGE KREUTZFELDT: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium und an Herrn Seibert. Die Bundesumweltministerin hat gestern Abend bei einem Pressegespräch in Sachen COP21 das Ziel in Aussicht gestellt, innerhalb von 20 bis 25 Jahren aus der Kohle auszusteigen. Ich glaube, Herr Haufe war dabei. Diese Zahl habe ich vorher von einem Regierungsmitglied noch nie gehört. Sie ist ja auch recht ambitioniert. Ich wüsste gerne, was das Wirtschaftsministerium darüber denkt, ob Sie diese Forderung in Sachen Kohleausstieg in 20 bis 25 Jahren teilen.

Von Herrn Seibert wüsste ich gerne, ob es zu diesem Thema Kohleausstieg vonseiten der Bundesregierung nach bisherigem Stand in Paris irgendwelche Signale geben wird.

TOSCHEV: Ich war gestern bei dem Gespräch natürlich nicht dabei und kann Ihre Äußerung jetzt nur so zur Kenntnis nehmen.

Es ist ganz klar das liegt auch in der Zuständigkeit des Bundesumweltministeriums , dass die Bundesregierung sich sehr ambitionierte und klare Klimaziele gesetzt hat. Das ist für die nächsten Jahrzehnte ja definiert, unter anderem auch auf EU-Ebene. Diese Ziele unterstützen wir natürlich auch. Der nächste konkrete Schritt ist die Minderung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990.

Was den Bereich des Bundeswirtschaftsministeriums angeht, so haben wir mit der Energiewende Prioritäten gesetzt und eine klare strategische Ausrichtung getroffen, wie wir gedenken, den Umbau unseres Energieversorgungssystems auszugestalten. Es gibt zwei Säulen: den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die Steigerung der Energieeffizienz. Sie kennen auch die konkreten Ziele für den Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien: von den derzeit 27 oder 30 Prozent auf 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025, 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035 und 65 Prozent im Jahr 2040. Das geht natürlich mit einem Rückgang des Anteils fossiler Energieträger am Energiemix einher. Diese Projektion und diese Zielsetzung werden natürlich den Energiemix deutlich verändern.

Wir haben auch schon diesbezüglich Schritte unternommen. Wir haben einen Plan zur Stilllegung von Braunkohlekapazitäten im Strombereich mit einem Umfang von 13 Prozent und haben uns klar und deutlich zu diesem Minderungsbeitrag, den der Stromsektor leisten muss und den auch Braunkohle leisten muss, bekannt. Wir haben aber auch immer klar gesagt, dass natürlich Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit garantiert sein müssen und dass es keine Strukturbrüche geben darf. Das ist die Position. Darüber hinausgehende Planungen sind mir nicht bekannt.

STS SEIBERT: Ich habe dem, was der Kollege gesagt hat, nicht so sehr viel hinzuzufügen.

Wir wollen, dass das Pariser Abkommen sozusagen dieses Zwei-Grad-Obergrenzen-Ziel in ein globales Langfristziel übersetzt. Das wäre dann das von uns erhoffte klare Signal, das dann zum Beispiel weltweit neue Investitionsentscheidungen auch in Richtung kohlenstoffarmer Technologie lenkt. Ich erinnere Sie an die Schlussfolgerungen des G7-Gipfels. Dort ist eine Dekarbonisierung der Wirtschaft als globales Ziel für den weiteren Verlauf dieses Jahrhunderts formuliert worden. Das ist das, was ich dazu sagen kann. Daran halten wir fest. Darüber, wie sich das dann in nationale Strategien übersetzt, wird sicherlich auch im Lichte von dem, was man in Paris miteinander zustande bekommt, weiter zu reden sein.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Herr Toschev, wie Sie richtig vermutet haben, kannte ich diese Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums. Deswegen hatte ich ja nach dem gefragt, was ich noch nicht kannte, nämlich das Ziel 20 bis 25 Jahre. Meine Frage ist konkret: Teilt das Wirtschaftsministerium dieses Ziel – ja oder nein?

TOSCHEV: Ich kann Ihnen momentan nicht mehr sagen. Die Dekarbonisierungsstrategie, die auch Herr Seibert gerade erwähnt hat, steht natürlich, und wir bekennen uns zu dem Klimaprozess und der anstehenden Konferenz in Paris. Weitere Details kann ich Ihnen momentan nicht nennen.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Also nein?

TOSCHEV: Ich überlasse die Bewertung Ihnen. Ich habe Ihnen klar skizziert: Der Anteil der erneuerbaren Energien wird kontinuierlich ausgebaut und geht natürlich einher mit einem sinkenden Anteil fossiler Energieträger.

FRAGE JUNG: Warum hofft die Bundesregierung auf ein klares Signal aus Paris, wenn wir jetzt schon wissen, dass es anders als zum Beispiel bei Kyoto keine nationalen Verbindlichkeiten geben wird?

STS SEIBERT: Sie wissen ja, dass Kyoto bei allem Verdienst, den dieses Abkommen hat auch einen erheblichen Teil der Welt außen vor gelassen hat bzw. ein erheblicher Teil der Welt sich daran nicht beteiligt hat; das ist sicherlich ein Mangel. Nun haben wir einen neuen Anlauf, der, wenn die Konferenz so gelingt, wie wir es uns erhoffen und sie ist von französischer Seite sehr gut vorbereitet worden , der auch neue Chancen gibt. Ich teile nicht Ihren Pessimismus, den Sie ja ausdrücken; wir gehen mit Optimismus und mit Entschlossenheit in diese Klimakonferenz.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was kann denn da konkret herauskommen, außer dass sich alle in die Hände schlagen und sagen „Gut, schauen wir mal“?

STS SEIBERT: Da würde ich Ihnen nun sehr empfehlen, die 14 Tage von Paris einmal ganz genau zu beobachten.

FRAGE: Herr Seibert, wie bewertet die Bundesregierung die russischen Angriffe in den Regionen in Syrien, in denen eine überwiegend türkischstämmige Bevölkerung die Bayýr-Bucak-Türken lebt und in denen es gar keine Daesh-Terroristen gibt?

STS SEIBERT: Da mir über solche Angriffe hier keine eigenen und verlässlichen Erkenntnisse vorliegen, kann ich Ihre Frage schlicht nicht beantworten.

ZUSATZFRAGE: Diese russischen Angriffe dauern schon zwei, drei Wochen an, und dabei sind unschuldige Türken getötet worden. Deswegen: Gibt es dazu gar keine Reaktion von der deutschen Regierung?

STS SEIBERT: Sie wissen, dass es die deutsche Haltung ist, dass in Syrien der Feind und das kann man, glaube ich, inzwischen für die gesamte freie Welt sagen die Terroristen des „Islamischen Staates“ sind. Wir hoffen auf eine gut koordinierte Haltung der Staaten der freien Welt gegen diese Terroristen. Über weitere Angriffsziele kann ich hier mangels eigener Erkenntnisse nicht sprechen.

FRAGE: Erste Frage: Wie bewerten Sie, dass die russische Luftwaffe in Syrien jetzt S-400 Luftabwehrraketenkomplexe bekommt?

Zweite Frage: Sind Sie bzw. ist die NATO überhaupt bereit, die Informationen über den Flugplan des abgestürzten russischen Kampfjets zu bekommen und zu bewerten?

VORS. LEIFERT: Herr Schäfer, wollen Sie das beantworten?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, Ihre zweite Frage richten Sie am besten an die NATO. Deutschland ist Mitglied der NATO, aber Ihre Frage betrifft das Verhalten der NATO; insofern ist, glaube ich, die Pressestelle des NATO-Hauptquartiers in Brüssel dafür die richtige Adresse.

Zu Ihrer ersten Frage vielleicht nur ganz allgemein: Viele Beobachter und Analysten haben bereits vor dem gestrigen Ereignis im türkisch-syrischen Luftraum immer darauf hingewiesen, dass es angesichts der vielen Flugbewegungen von Kampfflugzeugen nicht nur der Russischen Föderation, sondern auch anderer Staaten, die Gefahr von Missverständnissen, Fehlern, Pannen, menschlichen Fehlern gibt, die dazu führen können, dass so etwas passiert, wie es gestern passiert. Damit verbinde ich überhaupt keine These oder Theorie, was jetzt wirklich der Grund oder die Motivationslage für das, was gestern geschehen ist, war. Ich sage einfach nur: Die Gefahr ist allen Beteiligten bekannt gewesen. Deshalb hat die Bundesregierung bereits seit Wochen, nein, seit Monaten immer wieder darauf gedrungen, dass sich diejenigen, die im syrischen Luftraum Luftangriffe fliegen, bestmöglich abstimmen, damit Missverständnisse ausbleiben und damit keine Dinge geschehen, die einfach das Risiko einer zusätzlichen Eskalation nur noch erhöhen.

Jetzt haben wir eine Situation, in der es zu dem Abschuss eines russischen Flugzeugs gekommen ist. Herr Seibert hat dazu für die Bundesregierung bereits alles Notwendige gesagt; das möchte ich gar nicht wiederholen. Es kommt jetzt darauf an, dass die beiden Seiten, die, wenn Sie so wollen, diese Ereignisse zu verantworten haben, miteinander darüber reden, das aufklären und vor allen Dingen sicherstellen, dass so etwas nicht noch einmal passieren kann.

FRAGE: Herr Seibert, Sie haben gesagt, das Ziel sei jetzt eine möglichst breite Koalition gegen den Terror. Ist ein mögliches Trade-off hinsichtlich der Sanktionen gegen Russland Teil dieser Strategie oder zumindest in Betracht gezogen worden?

STS SEIBERT: Dass es da eine Zusammenhang gibt, haben wir hier immer geleugnet, und diesen Zusammenhang sehe ich auch heute nicht.

Ich will noch einmal ganz kurz sagen: Die Koalition gegen den Terror des IS, diese Bekämpfung des IS, hat eine militärische Seite, aber sie hat natürlich nicht ausschließlich eine militärische Seite; vielmehr gehört das zwingend zusammen mit den Bemühungen, zur Lösung der Syrien-Krise einen politischen Prozess zu schaffen. Da haben wir jetzt mit der Wiener „International Syria Support Group“ erste wichtige Schritte gemacht, und es ist uns unglaublich wichtig, dass gerade auch vor dem Hintergrund dessen, was gestern passiert ist, diese ersten wichtigen Schritte nun nicht gefährdet werden und dass die Verhandlungen zur Lösung des Syrien-Konflikts weiter vorangetrieben werden. Das gehört also zusammen: die gemeinsame konsequente Bekämpfung der Terroristen des IS, der politische Prozess und eine nationale Waffenruhe in Syrien. Das muss auch weiter auch nach dem Zwischenfall gestern im Vordergrund stehen und unser Ziel sein.

DR. SCHÄFER: Und dazu braucht es die Kooperation der Türkei mit Russland, Russlands mit der Türkei und der beiden Staaten mit den Staaten, die in Wien am Verhandlungstisch sitzen. Sonst wird es nicht gehen.

FRAGE JUNG: Frau Tiesenhausen, man hört ja in Sachen Terrorfinanzierung in letzter Zeit immer, Saudi-Arabien habe damit zu tun, die Amerikaner hätten damit zu tun und auch aus anderen Staaten komme viel Geld; Deutschland taucht in diesem Zusammenhang aber gar nicht auf. Kann man das so verstehen, dass aus Deutschland Terror generell nicht finanziert wird, oder muss man das so verstehen, dass der Zoll bzw. andere Behörden das bisher überhaupt nicht festgestellt haben?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich weiß jetzt nicht, auf welchen Angaben Ihre Behauptung beruht. Ganz generell wird die Terrorfinanzierung international durch die „Financial Action Task Force“, die FATF, beobachtet. Wenn Sie genaue Auskünfte haben wollen, wie die einzelnen Länder bei der Terrorfinanzierung aufgefallen sind, dann würde ich mich an diese Task Force wenden. Was Deutschland betrifft, ist es aber in der Tat so, dass wir da überhaupt keine Rolle spielen.

FRAGE JUNG: An das Familienministerium: Wir sehen in Frankreich im Zusammenhang mit den Terroranschlägen ja gerade, dass diese jungen Männer einheimische Radikalisierte sind. Gibt es neue Pläne, wie man das gerade in Deutschland verhindern kann? Gibt es neue Programme Antiradikalisierungsprogramme, Sozialprogramm , mit denen man die sogenannten einheimischen Terroristen von dem Wahn, von der Radikalisierung abbringen kann? Hat die Familienministerin da neue Pläne?

KEMPE: Herr Jung, vielen Dank für die Frage. Wir sind beim Thema Extremismusprävention schon sehr breit aufgestellt. Seit Anfang dieses Jahres läuft unser Bundesprogramm „Demokratie leben!“, das unter anderem Radikalisierungsprävention beinhaltet. Ich kann Ihnen sagen, dass wir dieses Programm noch einmal aufgestockt haben, und zwar auf insgesamt 50,5 Millionen Euro. Was speziell die Radikalisierungsprävention im Bereich Islamismus/Salafismus betrifft, sind derzeit 24 Modellprojekte am Start. Des Weiteren gibt es für die Koordinierung und Vernetzung in den Demokratiezentren in jedem Bundesland 40.000 Euro pro Jahr. Außerdem um die Sache rund zu machen geben wir in diesem Jahr 5,8 Millionen Euro für die Präventionsarbeit im Zusammenhang mit Islamismus/Salafismus aus.

DR. PLATE: Um das Bild noch etwas abzurunden: Es passiert ja ziemlich viel, und zwar sowohl zivilgesellschaftlich als auch staatlich. Es gibt sehr viele Initiativen und Programme in diesem Bereich. Es gibt auch eine Beratungsstelle Radikalisierung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die als erste Anlaufstelle für Angehörige und das soziale Umfeld dienen soll, wenn Sorgen über das Abdriften eines Angehörigen bestehen. Das wird inzwischen auch sehr stark zunehmend in Anspruch genommen. Es ist auch so, dass die Bundeszentrale für politische Bildung da einiges tut. Sie hat ein Format bei YouTube entwickelt, für das einige relativ bekannte YouTuber gewonnen werden konnten, um auch hier sowohl Orientierungswissen zu vermitteln als auch Deradikalisierungsansätze verbreiten zu helfen. Auch im BKA läuft in diesem Bereich einiges an Forschung. Ich möchte das jetzt gar nicht weiter vertiefen, aber es gibt da zahlreiche Ansätze in Bund, Ländern und Kommunen, zivilgesellschaftlich wie staatlich.

ZUSATZFRAGE JUNG: Könnten Sie da noch ein paar Infos nachreichen was im BKA läuft usw.?

DR. PLATE: Kann ich gerne nachreichen, habe ich hier auch alles. Ich wollte sozusagen nicht die Zeit aller damit strapazieren, das ganz zu verlesen, aber das reiche ich gerne nach.

VORS. LEIFERT: Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr auf dem Zettel. Das gibt mir Gelegenheit, noch Frau Diroll das Wort zu erteilen, die uns eine neue Kollegin vorstellen möchte.

DIROLL: Vielen Dank, Herr Vorsitzender! Bei uns in der Pressestelle des BMZ sind derzeit zwei Kollegen in Elternzeit, deshalb darf ich Ihnen, wie es in der Bundespressekonferenz gute Sitte ist, ein neues Gesicht, eine neue Stimmen vorstellen, nämlich Frau Abel, die aus dem Afrikabereich in Bonn zu uns nach Berlin in die Pressestelle gekommen ist. Bitte sehr, Frau Abel.

ABEL: Vielen Dank für die freundliche Einführung! Ich bin von Hause aus Islamwissenschaftlern und war, wie Frau Diroll erwähnte, zuletzt im Afrika-Referat. Ich freue mich jetzt sehr auf eine gute Zusammenarbeit. Vielen Dank!

VORS. LEIFERT: Vielen Dank, Frau Abel! Wir freuen uns auch auf diese Zusammenarbeit.

 

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