Druck, Druck, mehr Druck! ▼ BPK vom 29. Januar 2016
Naive Fragen zu:
Verhandlungen um Frieden in Syrien
– in Genf wird kein Oppositionsvertreter vom Hohen Verhandlungsrat teilnehmen. Wird denn irgendeine andere Oppositionsgruppe in Genf teilnehmen, oder kann man sich das jetzt alles sparen? (16:40 min)
– Halten Sie denn die Entscheidung Riads und damit des Hohen Verhandlungsrates Riad repräsentiert ja quasi die syrische Opposition, die den Saudis genehm ist für einen Fehler? (18:50 min)
– Andere Frage: Welche anderen Oppositionsgruppen gibt es denn noch außer dieses Hohen Verhandlungsrats? (18:50 min)
– Das Assad-Regime hat ja seine Teilnahme zugesagt. Würde das Auswärtige Amt oder würde die Bundesregierung sagen, dass das Assad-Regime mittlerweile kompromissbereiter ist als große Teile der Opposition? (24:05 min)
– Noch einmal zu der Forderung Ischingers, dass man mit ISIS reden müsse: Der Westen bombardiert ISIS ja schon seit 18 Monaten, irgendwie scheint ISIS also militärisch nicht besiegbar zu sein. Irgendwann gibt es doch gar keine andere Möglichkeit mehr, als auch mit den „Bösen“ zu reden, oder?
Asylkompromiss der Bundesregierung
– zur Aussetzung des Familiennachzugs: Wie passt das mit Artikel 6 des Grundgesetzes, in dem es um den besonderen Schutz der Familie geht, zusammen? (34:45 min)
– Herr Schäfer, der Familiennachzug wurde ja insbesondere vom Auswärtigen Amt immer wieder als Alleinstellungsmerkmal Deutschlands in der Welt dargestellt. War das insofern gestern ein schlechter Tag für Herrn Steinmeier? (34:45 min)
– Marokko, Tunesien und Algerien sollen ja sichere Herkunftsstaaten werden, Senegal und Ghana sind es ja schon. Wann können wir damit rechnen, dass ganz Afrika von Deutschland als sicherer Herkunftskontinent eingestuft wird? (47:20 min)
– Nun gilt Algerien als autoritäres Regime und ist gerade etwa auf Platz 130 von 167 auf dem Demokratieindex. Andere sagen: Auch das ist eine Militärdiktatur. In Marokko sieht es nicht viel besser aus. Bei der Türkei hingegen hat man sich gegen den Status als sicheres Herkunftsland entschieden, obwohl die Türkei viel besser dasteht. Warum sollen also Marokko und Algerien, wo viele Menschen wahrscheinlich auch zu Recht fliehen, weil sie mit dem Regime nichts mehr zu tun haben wollen, jetzt als sichere Herkunftsstaaten gelten?
Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte (ab 1:07:15 min)
– das BKA hat jetzt bekanntgegeben, dass es 2014 199 Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland gab, von denen 177 einen rechtsradikalen Hintergrund hatten. Vergangenes Jahr waren es 1005 Attacken auf Asylunterkünfte, von denen 901 einen eindeutig rechtsradikalen Hintergrund hatten. Sieht die Bundesregierung mittlerweile Handlungsbedarf bei diesem Thema? Sie sagen ja immer wieder, dass Sie handeln, wenn es nötig ist. Ist es mittlerweile nötig, oder muss es noch mehr Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte geben?
– Sie haben die Tatenlosigkeit ja gerade angesprochen. Wo haben Sie denn etwas gemacht? Es ist ja nicht nur Ländersache. Die Strafgesetzgebung ist Bundessache. Da könnte man ja an einigen Stellen etwas machen. Sehen Sie nirgendwo irgendeinen Handlungsbedarf?
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 29. Januar 2016:
VORS. DETJEN eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN WIRTZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
ANGELI: Ich möchte Ihnen aktuelle Informationen zum Zika-Virus geben. Die Zika-Infektion wird hauptsächlich durch die ägyptische Tigermücke oder Gelbfiebermücke übertragen. In Einzelfällen wird über eine sexuelle Übertragung oder eine Infektion von Mutter zu Kind berichtet. Allgemein nimmt die Zika-Infektion einen milden Verlauf; nur ein Fünftel aller Betroffenen entwickelt überhaupt Symptome wie zum Beispiel erhöhte Körpertemperatur, Kopfschmerzen, Hautausschlag oder Bindehautentzündungen. In der Regel heilt die Infektion folgenlos ab. Schwere Verläufe oder Todesfälle, die unmittelbar auf die Zika-Virusinfektion zurückgehen, sind nicht bekannt. Eine Impfung oder eine spezifische Therapie gibt es derzeit nicht. Aktuell sind aus Brasilien und anderen süd- und mittelamerikanischen Staaten allerdings begründete Hinweise darauf eingegangen, dass die Infektion mit dem Zika-Virus Fehlbildungen des Schädels und des Hirns bei Neugeborenen auslösen kann. Das Robert-Koch-Institut und das Auswärtige Amt raten Schwangeren oder Frauen, die vorhaben, schwanger zu werden, deshalb von vermeidbaren Reisen in die Risikogebiete ab. Die Weltgesundheitsorganisation wird sich der Verbreitung des Zika-Virus am 1. Februar in einer Dringlichkeitssitzung annehmen. Sie warnt aber ausdrücklich vor Panik.
In Deutschland sind von Oktober 2015 bis Januar 2016 fünf bestätigte Fälle bei Reiserückkehrern aufgetreten. Eine Übertragung in Deutschland ist nicht bekannt.
Bundesgesundheitsminister Gröhe hat seine Amtskollegen in den Bundesländern darüber informiert, dass er die Einführung einer Meldepflicht für sogenannte Arboviren auf den Weg gebracht hat. Das sind also Viren zum Beispiel das Zika-Virus, das Denguefieber oder auch die Chikungunya-Krankheit gehören dazu , die auf den Kontakt mit Mücken, auf Mückenstiche zurückgehen. Durch diese Meldepflicht kann das Infektionsgeschehen in Deutschland besser überwacht werden, und die Gesundheitsämter vor Ort bekommen den nötigen Vorlauf, um im Bedarfsfall die entsprechenden Vorkehrungen treffen zu können.
Bei den Angaben über die Zahl der Fälle, die in Deutschland bei Reiserückkehrern aufgetreten sind, muss man bedenken, dass die meisten Infektionen nicht diagnostiziert werden. Dadurch, dass jetzt vermehrt Reiserückkehrer betrachtet und untersucht werden, ist schon allein deswegen mit einem Anstieg der Zahl zu rechnen.
Die Bundesregierung dazu haben gerade vier Ministerien eine gemeinsame Pressemitteilung verschickt, und zwar das Bundesgesundheitsministerium, das Ministerium für Bildung und Forschung, das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie das Ministerium der Verteidigung stärkt die Forschung zu Krankheiten, die zwischen Tier und Mensch übertragbar sind. Da gibt es eine sogenannte Zoonosenforschungsvereinbarung. Zoonosen sind die Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind. Diese Forschung soll verstärkt werden. Die Forschungsvereinbarung wurde erneuert. Dazu gibt es, wie gesagt, gerade auch eine aktuelle Pressemitteilung, die Sie auf den Seiten der genannten Ministerien abrufen können. Vielen Dank.
FRAGE BLANK: Da ich mich mit dem Thema leider nur sehr rudimentär auskenne, frage ich: Können Sie etwas über den Krankheitsverlauf bei diesen fünf Reiserückkehrern sagen? Wie ist das da abgelaufen? Sind die wieder gesund oder was auch immer?
ANGELI: Ob die wieder gesund sind, kann ich Ihnen für die fünf Fälle aktuell nicht sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass der Krankheitsverlauf in der Regel milde ist. Es waren keine Schwangeren unter diesen fünf Reiserückkehrern. Das sind Fälle, die von Oktober 2015 bis Januar 2016 diagnostiziert wurden. Das heißt, die müssen Symptome aufgewiesen haben, und zu den Symptomen gehören eben zum Beispiel erhöhte Körpertemperatur, Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen, Bindehautentzündungen oder Hautausschlag.
FRAGE MADELIN: Gilt diese Meldepflicht ab jetzt?
Sie haben gesagt, dass das auch mit europäischen Kollegen besprochen worden ist. Wie soll man das verstehen?
ANGELI: Das ist mit den Kollegen aus den Bundesländern besprochen worden. In Deutschland ist der Infektionsschutz auf Landesebene geregelt. Das heißt, die Bundesländer müssen einer Änderung der Meldeverordnung und des Infektionsschutzgesetzes im Bundesrat auch zustimmen. Das bedeutet, wir haben die Meldeverordnung bzw. die Einführung der Meldepflicht jetzt auf den Weg gebracht. Das wird vermutlich am nächsten Freitag dem Bundesrat zugeleitet werden. Dann wird das vermutlich am 18. März im Bundesratsplenum behandelt werden.
SRS’IN WIRTZ (zu den Terminen der Bundeskanzlerin): Ministerpräsident Tillich hat am 1. November 2015 die Präsidentschaft des Bundesrats übernommen. Vor diesem Hintergrund wird er am Montag, dem 1. Februar, um 14 Uhr einen Antrittsbesuch bei der Bundeskanzlerin machen.
Anschließend, um 14.30 Uhr auch das ist inzwischen eine Tradition , wird die Bundeskanzlerin die diesjährige 2-Euro-Gedenkmünze „Sachsen“ an den Bundesratspräsidenten Tillich übergeben.
Dann geht es weiter: Am Montag wird die Bundeskanzlerin um 15.30 Uhr den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko im Bundeskanzleramt erwarten. Themen das können Sie sich denken werden die Lage in der Ukraine und die Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets sein. Um 15.30 Uhr, also vor dem Gespräch, wird es ein Statement der beiden geben. Ein technischer Hinweis dazu: Wir haben die Akkreditierungsfrist auf heute, 16 Uhr, festgesetzt. Wenn Sie also Interesse haben, bitten wir um eine kurzfristige Meldung.
Am Mittwoch, den 3. Februar, wird die Bundeskanzlerin wie üblich um 9.30 Uhr die Kabinettssitzung leiten.
Um 13.30 Uhr wird die Bundeskanzlerin das Berufsbildungswerk in Greifswald besuchen. Das Berufsbildungswerk ist eine Einrichtung für die Berufsvorbereitung und Erstausbildung junger Menschen, die ein Handicap haben. Dieses Zentrum bietet gleichzeitige eine berufliche, soziale und medizinische Rehabilitation an. Die Bundeskanzlerin wird dort zunächst die Anwesenden begrüßen, dann ein Gespräch mit den Vertretern des Berufsbildungswerks und den Auszubildenden führen, und dann wird sie sich zwei Ausbildungsplätze näher anschauen. Es wird erwartet, dass die Kanzlerin um 14.20 Uhr ein Statement für die Presse machen und um 14.30 Uhr abreisen wird.
Sie wird dann zum Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald weiterreisen. Dort wird sie ab 14.45 Uhr erwartet. Anlass dieses Besuchs ist das erste Experiment, bei dem ein Wasserstoffplasma am Fusionsreaktor Wendelstein gezündet werden soll. Die Bundeskanzlerin wird dieses Experiment starten. Zuvor wird die Bundeskanzlerin eine Rede halten, und zwar wird sie dabei auf die Bedeutung der Kernfusionsforschung für künftige Energieversorgung eingehen.
Das Max-Planck-Institut in Greifswald hat eine große Bedeutung für die Region und für den Universitätsstandort Greifswald. Rund um dieses Projekt sind in der Vergangenheit rund 500 hoch qualifizierte Arbeitsplätze entstanden.
Am Donnerstag, den 4. Februar auf diesen Termin haben wir auch schon häufiger hingewiesen , wird die Bundeskanzlerin zur Geberkonferenz für Syrien und die umliegenden Regionen „Supporting Syria and the Region“ nach London reisen. Die Bundeskanzlerin ist Ko-Gastgeberin dieser Veranstaltung, zusammen mit Premierminister Cameron, der norwegischen Ministerpräsidentin Solberg, dem Emir Al-Sabah aus Kuwait und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.
62 Delegationen aus aller Welt haben ihre Teilnahme zugesagt, 35 davon auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Die Konferenz hat das haben wir in der Vergangenheit hier auch schon häufiger erörtert für die Bundesregierung höchste Priorität. Ziel dieser Konferenz ist es, zum einen eine breite Unterstützung zu mobilisieren, um die akute Notlage in Syrien und in den Nachbarländern zu bewältigen. Es geht darum, Zukunftsperspektiven für die Flüchtlinge in der Region zu schaffen.
Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass in London Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass jedes syrische Flüchtlingskind in der Region einen Schulplatz bis spätestens zum Ende des Schuljahrs 2016/2017 bekommen kann. Darüber hinaus geht es darum, Arbeitsplätze für syrische Flüchtlinge in der Region zu schaffen, und darum, dass es auch einen humanitären Zugang zu Gebieten gibt, die in Syrien umkämpft sind, sodass praktisch die Bevölkerung und die Menschen, die dort teilweise eingekesselt sind, humanitär versorgt werden können. Bei der Konferenz werden die teilnehmenden Staaten Zusagen zur Finanzierung dieser Ziele machen, und auch die Bundesregierung wird sich substanziell an diesen Zusagen beteiligen.
Ein paar Worte zum Ablauf dieser Konferenz: Es wird unterschiedliche Arbeitsgruppen oder unterschiedliche Themenbereiche geben. Zum einen geht es um die Beschäftigungsmöglichkeiten. Dabei wird der Ko-Vorsitz von Großbritannien und Deutschland gehalten. Dabei steht Jordanien im Fokus, um zu sehen, wie man dort Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen kann. Dann wird es um das Thema der Bildung gehen, wie ich gerade schon sagte. Dabei wird Norwegen den Vorsitz übernehmen. In diesem Zusammenhang wird der Libanon eine herausgehobene Rolle spielen. Dann wird unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin und Großbritanniens das Thema „Inside Syria“ behandelt werden, und dabei geht es um den humanitären Schutz und die humanitäre Versorgung der Menschen in Syrien selbst. Dann wird es in einem vierten Themenbereich um das humanitäre Pledging gehen, und dabei werden Kuwait und die Vereinten Nationen den Ko-Vorsitz halten.
Nach jetzigem Stand ist eine Pressekonferenz für 16.15 Uhr geplant, aber das Format ist noch nicht entschieden. Insofern werden Ihnen noch weitere Informationen dazu zugehen.
Dann wird die Bundeskanzlerin am Freitag, den 5. Februar, den neuen portugiesischen Ministerpräsidenten António Costa mit militärischen Ehren zum Antrittsbesuch im Kanzleramt empfangen. Themen dieser Unterredung werden die bilateralen Beziehungen und natürlich verschiedene europapolitische und internationale Fragen sein, ebenso die Fragen der Flüchtlingsproblematik. Geplant ist für 13.15 Uhr eine Pressebegegnung.
Am Sonntag, dem 7. Februar, wird die Bundeskanzlerin schließlich am frühen Abend in Straßburg sein und sich dort mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Martin Schulz, und dem französischen Staatspräsidenten François Hollande zu einem informellen Austausch treffen. Man wird über europapolitische Themen sprechen; das ist naheliegend. Eingeladen zu diesem Essen hat der Präsident des Europäischen Parlaments. Dieser Termin ist nicht presseöffentlich. Insofern wird es auch keine Statements oder Pressekonferenz in diesem Zusammenhang geben.
FRAGE MADELIN: Zu dem Termin in Greifswald: Soll die Kernenergie in der Zukunft wieder eine größere Rolle spielen?
SRS’IN WIRTZ: Es geht dabei ja nicht um Kernspaltung, sondern um eine neuartige Form der Energiegewinnung, nämlich die Energiegewinnung durch Kernfusion. Diese Fragen werden dort in Greifswald behandelt.
FRAGE BLANK: Herr Dr. Schäfer, nach dem, was Russland gestern angekündigt hat, soll es am 11. Februar in München vor der Münchner Sicherheitskonferenz Syrien-Beratungen im Wiener Format geben. Ist schon klar, auf welcher Ebene das stattfinden soll auf der Ebene der Außenminister?
DR. SCHÄFER: Herr Blank, die Beratungen laufen. Wenn die internationale Gemeinschaft und auch viele Außenminister, Ministerpräsidenten und sonstige hohe Vertreter von Staaten im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik zusammenkommen, dann bietet es sich ja irgendwie an, dass man sich in diesem Kontext gegebenenfalls trifft. Wir wissen in der Tat um diese Pläne, so etwas am 11. Februar zu veranstalten, sind auch daran beteiligt und werden uns da selbstverständlich auch einbringen. Auf welcher Ebene das sein wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Es spricht doch einiges dafür, dass es auf politischer Ebene sein wird, und dann wären das natürlich auch die Außenminister.
FRAGE JUNG: Herr Schäfer, in Genf wird kein Oppositionsvertreter vom Hohen Verhandlungsrat teilnehmen. Wird denn irgendeine andere Oppositionsgruppe in Genf teilnehmen, oder kann man sich das jetzt alles sparen?
DR. SCHÄFER: Ich fürchte, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich weder am Genfer Flughafen noch in den Hotels, in denen das stattfindet, stehe; insofern kann ich nicht beurteilen und nicht wissen, wer da jetzt tatsächlich kommt. Wir müssen feststellen, dass eine ganz wichtige, von Herrn de Mistura im Namen der Vereinten Nationen eingeladene Oppositionsgruppe einstweilen entschieden hat, nicht nach Genf zu kommen. Wenn wir das hier in Berlin richtig verstehen, was da gestern in Riad entschieden worden ist, dann geht es darum, dass diese Oppositionsgruppe der Meinung ist, dass Vorbedingungen mit Blick auf humanitären Zugang und die Belagerung von einigen Städten vonseiten der syrischen Regierung nicht erfüllt worden sind. Wir sind wie auch andere Partner des Wiener Prozesses der Meinung, dass das alles ganz wichtige Fragen sind, und wir können verstehen, dass auch die syrische Opposition diese Fragen aufwirft. Wir glauben aber nicht, dass es vernünftig ist, diese Fragen als Vorbedingungen zu formulieren; vielmehr sollten diese Fragen dann natürlich auch Gegenstand der Verhandlungen sein.
Wer da jetzt kommt und wann andere kommen, entzieht sich meiner Kenntnis. Was ich Ihnen aber sagen kann, Herr Jung, ist, dass wir und dass auch der Außenminister selber weiter hart darum ringen, dafür werben und auch dafür kämpfen werden, dass diese Verhandlungen, die in Wien beschlossen worden sind und die im Konsens von der internationalen Gemeinschaft gewollt werden, jetzt nicht weiter blockiert werden, sondern wirklich anfangen können. Ich denke einmal auch, dass die von Herrn Steinmeier ja für die nächste Woche geplante Reise in die Region angesichts der Schwierigkeiten, die Verhandlungen in Gang zu bringen, dabei auch eine gewisse politische Rolle spielen werden.
ZUSATZFRAGE JUNG: Halten Sie denn die Entscheidung Riads und damit des Hohen Verhandlungsrates Riad repräsentiert ja quasi die syrische Opposition, die den Saudis genehm ist für einen Fehler?
Andere Frage: Welche anderen Oppositionsgruppen gibt es denn noch außer dieses Hohen Verhandlungsrats?
DR. SCHÄFER: Ich glaube ich meine, das hätte ich auch in der Antwort auf Ihre erste Frage bereits gesagt , dass es gut wäre, wenn die Verhandlungen jetzt losgehen könnten und wenn die Fragen, die die syrische Opposition zu Recht erhebt, dann auch Gegenstand dieser Verhandlungen werden können.
Es ist richtig, dass der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen über den Hohen Verhandlungsrat hinaus auch andere Vertreter der syrischen Opposition nach Genf eingeladen hat, aber ich glaube, es wäre jetzt nicht an mir, Ihnen hier eine komplette Liste vorzulegen. Wenn Sie dazu Fragen haben, wäre es, denke ich, angebracht, diese an die Vereinten Nationen als Ausrichter und Gastgeber dieser Gespräche in Genf zu richten.
FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Dr. Schäfer, Sie haben gerade die Reise des Außenministers in die persische Golfregion angesprochen. Was erhofft sich der Minister von dieser Reise auch vor dem Hintergrund, dass es heute in einer schiitischen Moschee in Saudi-Arabien zu einer Explosion mit vielen Toten kam?
DR. SCHÄFER: Vor diesem Hintergrund würde ich jetzt ungern etwas sagen, Herr Towfigh Nia. Dass wir es in der Region mit Terrorismus zu tun haben, dass Terror, dass Selbstmordanschläge, dass Angriffe auf Unschuldige immer wieder geschehen, ist ein trauriges Faktum. Das ist heute oder gestern geschehen, das ist in der Vergangenheit geschehen, und ich fürchte, wir haben eine Situation, in der das auch in der Zukunft noch eine Weile weitergehen wird.
Die Reise von Herrn Steinmeier in die Region nach Teheran und nach Saudi-Arabien dient natürlich dem Ziel, mit den beiden Regierungen in den Hauptstädten Riad und Teheran Gespräche zu führen, die einen Beitrag dazu leisten sollen, den Wiener Prozess, die Suche nach einer politischen Lösung in Syrien und vielleicht auch ein Ende der Kämpfe zu befördern. Es steht völlig außer Zweifel, dass beide Länder großen Einfluss auf das, was in Syrien geschieht, haben. Herr Steinmeier wird ganz sicher dafür werben, dass diese Staaten auf diejenigen, die in Syrien am Werke sind, Einfluss ausüben, um das zu erreichen, was in Wien entschieden und beschlossen worden ist. Aber das ist sicherlich nicht das Einzige. Es wird auch darum gehen, in Teheran und in Saudi-Arabien an Themen der bilateralen Beziehungen zu arbeiten und auch andere Fragen zu besprechen, die immer wieder Gegenstand der Berichterstattung in den deutschen oder den internationalen Medien sind.
FRAGE MADELIN: Herr Schäfer, Wolfgang Ischinger hat sich heute Morgen dazu geäußert, dass man Vertreter des IS zum Verhandlungstisch einladen sollte. Ist das Ihrer Meinung nach überlegenswert?
DR. SCHÄFER: Ich habe das, was Herr Ischinger da gesagt hat, mit Interesse gelesen und gehört. Herr Ischinger hat ja selber eine politische Biografie insbesondere im Zusammenhang mit dem Krieg auf dem Balkan und in Bosnien-Herzegowina , in der er selber persönlich Gespräche mit bestimmten Personen geführt hat ich glaube, er hat in dem Interview selber von Ministerpräsident Milosevic gesprochen, mit dem zu den damaligen Zeiten und vielleicht auch jetzt noch vielleicht nicht jeder so ohne Weiteres die Hand hätte schütteln wollen. Wir nehmen das, was Herr Ischinger sagt, also sehr aufmerksam zur Kenntnis, aber ich glaube, es gibt jetzt, hier und heute überhaupt keinen Grund und auch keinen Anlass, mit ISIS zu sprechen.
Es gibt vielmehr eine breit angelegte Koalition von Staaten und internationalen Organisationen, die sich dem Kampf gegen ISIS verschrieben haben. Die gibt es seit September 2014. An dieser Koalition hat sich Deutschland von Anfang an beteiligt. Wir stehen in vollem Umfang zu all den Teilen der Strategie dieser Koalition den politischen, den sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen, religiösen, wenn Sie so wollen, aber auch den militärischen. Ich kann nicht erkennen, was es hier und heute sinnvoll und politisch zweckmäßig machen sollte, mit ISIS das Gespräch zu führen. Die Art und Weise, wie IS sich verhält Sprengstoffanschläge in Paris, anderswo in Europa und in der Region; ein barbarisches Verhalten , lässt mich hier jetzt auf Anhieb nicht erkennen, welchen Sinn es machen könnte, mit solchen Leuten zu reden.
FRAGE JUNG: Noch einmal zu Genf: Das Assad-Regime hat ja seine Teilnahme zugesagt. Würde das Auswärtige Amt oder würde die Bundesregierung sagen, dass das Assad-Regime mittlerweile kompromissbereiter ist als große Teile der Opposition?
DR. SCHÄFER: Ich glaube, das aus der Tatsache abzuleiten, dass die syrische Delegation, vermeintlich oder tatsächlich sogar angeführt vom syrischen Außenminister, heute oder morgen in Syrien bereitsteht, wäre, glaube ich, ein Irrglaube. Das muss man abwarten. Ich gehe sicher davon aus, dass es noch sehr viel internationalen Drucks bedarf insbesondere vonseiten derjenigen Staaten, die Assad in den letzten Jahren immer wieder politisch und auch in anderer Weise unterstützt haben, also Russlands und des Irans , um das syrische Regime und auch den Präsidenten dazu zu bewegen, die notwendigen Schritt hin zu einer Übergangsregierung zu gehen, so wie das ja bereits seit Jahren die Forderung der internationalen Gemeinschaft und jetzt auch des Sicherheitsrats an das syrische Regime ist.
ZUSATZFRAGE JUNG: Noch einmal zu der Forderung Ischingers, dass man mit ISIS reden müsse: Der Westen bombardiert ISIS ja schon seit 18 Monaten, irgendwie scheint ISIS also militärisch nicht besiegbar zu sein. Irgendwann gibt es doch gar keine andere Möglichkeit mehr, als auch mit den „Bösen“ zu reden, oder?
DR. SCHÄFER: Ich kann mir Ihr Urteil, das der Frage zugrunde liegt, beim besten Willen nicht zu eigen machen. Es war immer klar und es ist auch immer ganz deutlich gesagt worden von Präsident Obama, auch von Vertretern der Bundesregierung, darunter dem Außenminister, und allen anderen, die der Anti-ISIS-Koalition angehören, und zwar seit ihrer Gründung, also seit dem September 2014 in New York , dass der Kampf gegen ISIS, gegen dieses Krebsgeschwür, das sich auf der Grundlage von Chaos und Anarchie erst im Irak und dann in Syrien ausgebreitet hat, ein schwieriger Kampf ist, und dass es eines langen Atems der internationalen Gemeinschaft bedarf, um diesen Kampf erfolgreich zu führen. Ich glaube, es gibt genügend Belege dafür gerade in den letzten Monaten , dass unsere Strategie im Kampf gegen ISIS und wenn ich „unsere“ sage, dann meine ich die der internationalen Gemeinschaft Früchte trägt. Sowohl in Syrien als auch im Irak ist das von IS beherrschte Territorium deutlich geschrumpft. Es ist ganz eindeutig, dass IS militärisch, aber auch politisch unter Druck geraten ist.
Man soll aber den Tag nicht vor dem Abend loben wir sind weit davon entfernt, dieses Krebsgeschwür endgültig besiegt zu haben. Dazu bedarf es weiter großer Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, und ich kann Ihnen sagen, dass auch in der nächsten Woche erneut auf politischer Ebene und sicherlich auch unter Beteiligung der Bundesregierung in Rom ein weiteres Treffen der Anti-ISIS-Koalition geplant ist, um zu schauen: Wo stehen wir, was haben wir nach, wie Sie sagen, jetzt fast 18 Monaten erreicht, gibt es Grund und Anlass, in der vereinbarten Strategie umzusteuern, müssen wir unsere Anstrengungen verstärken, und falls ja, wo müssen wir sie verstärken? Genau das wird Gegenstand der Gespräche sein, die aller Voraussicht nach nächste Woche Mittwoch in Rom stattfinden werden.
FRAGE VAN DE HULSBEEK: Gestern ist in den Niederlanden ein Plan präsentiert worden, nach dem Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, direkt in die Türkei zurückgeschickt werden. Ist darüber vorab mit der Bundeskanzlerin gesprochen worden, und was sagt sie dazu?
SRS’IN WIRTZ: Ich habe diese Pressemeldungen gestern auch wahrgenommen und kann dazu nur sagen, dass es auf der europäischen Ebene selbstverständlich verschiedene Gespräche gibt und dass es auch ein großes Einvernehmen gibt, dass man eine gemeinsame Lösung finden will. Konkrete Pläne, so wie sie gestern in den Medien zu lesen waren, kann ich jetzt aber weder bestätigen noch dementieren. Ich kann nur sagen, dass es Prozesse, dass es Gespräche innerhalb der Europäischen Union gibt. Bevor wir da ein Ergebnis verkündet haben bzw. bevor die Europäische Union da ein Ergebnis zu verkündigen hat, kann ich diese einzelnen Schritte jetzt aber nicht kommentieren.
FRAGE BLANK: Nun hat die bayerische Staatsregierung heute den Brief wie auch immer man den nennen mag an die Bundeskanzlerin veröffentlicht. Gestern Abend hat die Bundeskanzlerin gesagt, Briefe würden beantwortet, aber nicht diskutiert. Hat sich durch dieses Vorgehen der bayerischen Staatskanzlei etwas an dieser Haltung geändert?
SRS’IN WIRTZ: Nein.
ZUSATZFRAGE BLANK: Sie wird den Brief also beantworten und nicht darüber diskutieren, nichts veröffentlichen?
SRS’IN WIRTZ: Genau.
ZUSATZFRAGE Blank: Oder wird die Antwort vielleicht auf der CvD-Seite veröffentlicht?
SRS’IN WIRTZ: Sie wird diesen Brief beantworten und die Antwort nicht veröffentlichen.
FRAGE KOLHOFF: Herr Dimroth, zur Aussetzung des Familiennachzugs für Antragsteller mit subsidiärem Schutz dieser Beschluss ist ja im Grunde bestätigt worden : Es hieß im November, das betreffe 2000 Menschen. Gestern war am Rande die Rede davon, das betreffe 18 Prozent. Da ist natürlich die Frage: 18 Prozent von was? Ich nehme an, es geht um 18 Prozent der syrischen Flüchtlinge. Wissen Sie, wie viele Menschen das betrifft und was die Datenbasis dieser Debatten ist?
DR. DIMROTH: Vielen Dank. Die von Ihnen genannten und zitierten Zahlen kann ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht kommentieren, auch weil ich die jeweilige Quelle nicht kenne und es mir insofern sehr schwer fällt, das einzuordnen.
Ganz grundsätzlich lässt sich sagen, dass das natürlich eine Frage ist, die in die Zukunft weist; wie Sie wissen, hat sich das Verfahren gerade auch bei syrischen Antragstellern im letzten Jahr geändert, und zwar insofern, als man für einen gewissen Zeitraum auf die Anhörungen verzichtet und ganz grundsätzlich Schutzbedarf als Flüchtling zuerkennt, sodass die Gruppe der Syrer, die subsidiären Schutzbedarf bekommen haben, gegen Null ging. Wie Sie auch wissen, hat sich die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern im Dezember des letzten Jahres mit diesem Thema befasst, und man ist gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass man nicht zuletzt auch aus Ordnungs- und Sicherheitsgründen wieder zu einem Anhörungsverfahren zurückkehrt, und zwar auch bei syrischen Antragstellern. Am Ende eines solchen Verfahrensprozesses kann dann natürlich auch wieder die Entscheidung stehen, dass subsidiärer Schutz gewährt wird. Dieses Verfahren ist seit dem 4. Januar dieses Jahres in Kraft, sodass es die erste Asylgeschäftsstatistik die, wie Sie wissen, immer monatlich veröffentlich wird dazu noch nicht gibt. Diese wird sicherlich einen Anhalt geben und ein erstes Indiz sein, wenn es darum geht, Ihre Frage beantworten zu können. Aber diesen Zeitraum muss man wohl noch abwarten, weil eben erst zu Beginn dieses Monats unterschiedslos für alle Antragsteller auf diese Praxis mit Anhörung und Einzelfallprüfung umgestellt wurde.
Sie können aber, wenn Sie in der Vergangenheit nach Anhaltspunkten suchen, um Ihre Frage zu beantworten, selbstverständlich auch sehr genau vorherige Asylgeschäftsstatistiken des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge beispielsweise für das Jahr 2014, als es in der Praxis nicht so einen Bruch gab anschauen. Wenn ich mich recht erinnere, waren es bei den syrischen Antragstellern ca. 10 Prozent, die subsidiären Schutzbedarf bekommen haben. Aber da würde ich Sie wirklich bitten das ist veröffentlicht auf der Webseite des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge , sich in die Vergangenheit hinein die Asylgeschäftsstatistiken anzuschauen, die darüber auch genau zu Ihrer Frage, was die Vergangenheit betrifft sehr ausführlich Auskunft geben. Ob und inwieweit das dann auch der Maßstab für die Zukunft sein wird, lässt sich aber, wie gesagt, kaum zuverlässig heute schon beantworten.
ZUSATZFRAGE KOLHOFF: In dem Paket im November war ja schon wie auch im jetzigen Paket wieder die Planung enthalten, fünf zentrale Registrierzentren einzurichten. Da wüsste ich gern den Status. Ich habe irgendwo gehört, zwei solche Registrierzentren seien in Bayern praktisch schon fertig. Ist das vorangeschritten oder hat man mit der Einrichtung gewartet, bis jetzt endgültig das gesamte Paket ins Parlament kommt? Oder hat man in dieser Zeit schon etwas gemacht, und wie weit ist man damit schon?
DR. DIMROTH: Möglicherweise sind Sie da in der Terminologie einmal verrutscht. Wenn Sie nach Registrierzentren fragen, kann ich sagen: Das war ja auch in dieser Veranstaltung schon Gegenstand. Insbesondere gab es am vergangenen Montag die Frage: Inwieweit sind eigentlich die Geschäftsbereichsbehörden des BMI in der Lage, das ankommende Flüchtlingsgeschehen mit flächendeckender Registrierung abzudecken? Dazu gab es am vergangenen Wochenende Irritationen Sie erinnern sich vielleicht; insbesondere auch durch Äußerungen von Gewerkschaftsvertretern ausgelöst , insbesondere mit Blick auf die Frage, ob eine flächendeckende Registrierung tatsächlich möglich ist oder nicht. Dazu kann ich sagen: Das ist der Fall und wir haben die Kapazität inzwischen sogar noch ein Stück weit erhöht, sodass wir Kapazitäten für die Registrierung vorhalten können, die deutlich höher sind als das derzeitige Ankunftsgeschehen. Dass diese beiden Größen sich bedingen, erklärt sich von selbst.
Ihre Frage richtet sich aber, vermute ich, auf die im Asylpaket 2 enthaltene Einrichtung von Entscheidungszentren, die für eine bestimmte Gruppe des Flüchtlingsstroms, nämlich insbesondere solche aus sicheren Herkunftsstaaten, eine schnellere, an einem Ort zusammengeführte Bearbeitung der Anträge ermöglichen sollen. Da ist es so, dass tatsächlich zwei Einrichtungen in Bayern eine Unterbringung dieser Institution möglich machen. Ansonsten ist es so, dass wir davon ausgehen, dass man das relativ schnell auch für weitere Standorte umsetzen könnte. Jetzt ist es ja so, dass wir den Beschluss von gestern haben. Das BMI wird jedenfalls seinen Beitrag dazu liefern, dass dieser Beschluss nunmehr auch sehr zeitnah im Kabinett behandelt werden kann und dass dann parallel dazu auch die weiteren Umsetzungsschritte auch, was die von Ihnen angesprochene Frage betrifft erfolgen können.
FRAGE JUNG: Herr Dimroth, zur Aussetzung des Familiennachzugs: Wie passt das mit Artikel 6 des Grundgesetzes, in dem es um den besonderen Schutz der Familie geht, zusammen?
Herr Schäfer, der Familiennachzug wurde ja insbesondere vom Auswärtigen Amt immer wieder als Alleinstellungsmerkmal Deutschlands in der Welt dargestellt. War das insofern gestern ein schlechter Tag für Herrn Steinmeier?
DR. DIMROTH: Ich habe keinen Zweifel daran, dass das, was gestern beschlossen wurde, mit dem Grundgesetz und auch mit dem von Ihnen gerade zitierten Artikel vereinbar ist. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich hier jetzt nicht in eine juristische Gutachtertätigkeit für Sie eintreten mag; dazu bin ich im Übrigen auch nicht berufen.
Es ist aber so, dass der Rechtszustand bis vor geraumer Zeit gar nicht anders war als der Zustand, der jetzt wieder für zwei Jahre hergestellt werden soll. Daran können Sie ersehen, dass das so unüblich nicht ist. Auch Ihr Verweis auf das europäische Ausland mag einen Anhaltspunkt dafür geben, wie man Ihre Frage juristisch zu bewerten hätte und zu beantworten hat. Im Übrigen ist es in der Sache ja so, dass „subsidiärer Schutzbedarf“ gerade meint, dass Menschen, die hier für einen Zeitraum X Schutz bedürfen, aufgenommen werden; dieser Zeitraum ist aber endlich. Insofern ist ein sachlicher Unterschied zu anderen Gruppen von Flüchtlingen oder Asylsuchenden bei der Bewertung auch bei der Bewertung Ihrer Frage sehr wohl gerechtfertigt.
DR. SCHÄFER: Die Worte, mit denen Sie Ihre Frage gestellt haben, Herr Jung, kamen jedenfalls nicht aus meinem Mund ich glaube, auch nicht aus dem Mund von Herrn Steinmeier. Von einem Alleinstellungsmerkmal zu reden, wäre, glaube ich, auch falsch; denn ich glaube nicht, dass Deutschland das einzige Land in Europa oder gar in der Welt ist, das einen solchen Familiennachzug über die Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention hinaus als Teil der eigenen Wertekultur und der eigenen Rechtsordnung eingeführt hätte.
Ansonsten kann ich dazu sagen: Erst einmal wird ja der Familiennachzug dem Grunde nach überhaupt nicht in Frage gestellt, und zum anderen gilt, dass die Einigung, die gestern in der Koalition erzielt worden ist, auf die Zustimmung des Außenministers stößt.
FRAGE MADELIN: Herr Dimroth, können Sie uns sagen, wie viele syrische Flüchtlinge letztes Jahr überhaupt subsidiären Schutz bekommen haben?
Sollen diejenigen, die einen Antrag stellen, direkt bei der Antragstellung sagen, ob sie als Flüchtling anerkannt werden wollen oder ob sie subsidiären Schutz bekommen wollen, oder kann man im Nachhinein zum Beispiel sagen: „Dein Antrag war generell gestellt, ich gebe dir subsidiären Schutz“?
DR. DIMROTH: Was die Fragen nach den Zahlen anbetrifft, würde ich Sie wirklich bitten, auf der Webseite des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nachzuschauen. Dort sind die Asylgeschäftsstatistiken der vergangenen Jahre veröffentlicht, in denen alle diese Zahlen sehr schön aufbereitet enthalten sind. Wenn ich Ihnen noch einen Servicetipp geben darf: Sie finden die Antwort auf Ihre Frage immer auf Seite 2. Ich wäre durchaus auch bereit und vielleicht auch in der Lage, das jetzt schnell nachzuschauen; ich habe heute aber dummerweise mein BlackBerry vergessen, insofern bitte ich um Nachsicht, dass ich es während der Pressekonferenz leider auch nicht nachreichen kann.
Was Ihre zweite Frage anbetrifft: Es kommt nicht im engeren Sinne darauf an, dass der Mensch, der in Deutschland Schutz nachsucht, die richtige Antragsform wählt. Es kommt vielmehr darauf an, was für einen Schutzgrund er in dem Sachverhalt, den er zu berichten hat, vorträgt; es kommt also darauf an, was ihn dazu gebracht hat, in Deutschland um Schutz nachzusuchen. Dann gibt es gesetzliche Regelungen die im Übrigen von diesem Beschluss nicht betroffen sind , die den Rahmen für die sogenannten Entscheider beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgeben, wenn es darum geht, eine passgenaue Entscheidung bzw. Kategorisierung des jeweiligen Flüchtlings vorzunehmen, sodass er für die Schutzgründe, die er vorträgt, auch eine entsprechende Einstufung erhält. Aber es gibt kein formales Hindernis in der Form, dass jemand konkret dieses oder jenes beantragen müsste; vielmehr kommt es darauf an, warum er hier ist und aus welchem Grund er sein Herkunftsland oder auch ein Drittland verlassen musste.
ZUSATZFRAGE MADELIN: Das bedeutet, dass auf alle Anträge hin, die vorliegen, subsidiärer Schutz gewährt werden kann?
DR. DIMROTH: Ja, auch dazu hatten wir hier schon mehrfach beraten, weil es da jedenfalls eine Zeit lang möglicherweise das Missverständnis gab, dass die Entscheidung zur Rückkehr zu der Einzelfallprüfung und insbesondere auch zur Anhörung dazu beitrüge, dass nunmehr beinahe ausnahmslos nur noch subsidiärer Schutz gewährt würde. Das ist mitnichten der Fall. Vielmehr gibt es gesetzliche Regeln die gelten im Übrigen ja die ganze Zeit und auch für alle anderen Flüchtlingsgruppen ohnehin uneingeschränkt , nach denen in jedem Einzelfall nach Anhörung und nach sehr sorgfältiger Prüfung durch die Kolleginnen und Kollegen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Entscheidung getroffen wird. Diese Entscheidung kann letztlich in vier Kategorien erfolgen: gar kein Schutzbedarf, subsidiärer Schutzbedarf, Flüchtlingsanerkennung oder Anerkennung als Asylberechtigter.
FRAGE BLANK: Herr Dr. Dimroth, es gibt ja mehrere Gesetzgebungsverfahren. Nun hat Ihr Minister gesagt, nächste Woche gehe es im Kabinett um das Asylpaket 2, darüber hinaus ist in den Beschlüssen von gestern Abend noch von einem weiteren Gesetzgebungsverfahren die Rede, und dann gibt es noch die Geschichte mit den sicheren Herkunftsländern. Haben Sie einen ungefähren Zeitplan im Auge, wie Sie das alles durchs Parlament und durch den Bundesrat bringen wollen?
DR. DIMROTH: Jedenfalls für den von Ihnen konkret in Ihrer Frage angesprochenen Teil, nämlich den des parlamentarischen Verfahrens, fragen Sie mich jetzt eigentlich unzuständigkeitshalber; denn das liegt in der Hoheit des Parlaments. Ich gehe davon aus, dass auch dort ganz grundsätzlich die Bereitschaft besteht, diese Verfahren soweit als möglich zu beschleunigen. Da kann ich Ihnen aber tatsächlich in Ermangelung von Zuständigkeit keinen Zeitplan nennen.
Was das Asylpaket 2 anbetrifft: Ich vermute, Sie sprechen dazu eine mögliche Einstufung dreier nordafrikanischer Staaten als sogenannte sichere Herkunftsstaaten an. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass jedenfalls wir als Ministerium bereit und in der Lage sind und vorbereitet sind, sehr rasch das heißt, in Tagesfrist einen abschließenden Gesetzentwurf für beide Dossiers vorzulegen in der guten Hoffnung, dass dann auch sehr schnell das Kabinett darüber beraten und entscheiden wird, sodass in den nächsten Wochen mindestens der Anfang des parlamentarischen Verfahrens zu erreichen sein müsste.
ZUSATZFRAGE BLANK: Ich würde nicht ganz zustimmen, denn ich denke, auch bei dem dritten Punkt von gestern Abend also was auszubildende Flüchtlinge angeht , muss zunächst einmal die Regierung sagen, wann sie einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen will. Das war auch die Frage: Wann wird man das denn angehen?
DR. DIMROTH: Sie sprechen vermutlich ein mögliches Asylpaket 3 an, ohne damit jetzt eine Terminologie Ich meine nur, da gibt es ja viele Ideen, die auf dem Markt sind. Es gibt ja nicht nur das Thema, das Sie ansprechen da ist eine klare Verabredung getroffen, dass man das angehen will , sondern es gibt beispielsweise auch die Ihnen bekannte anhaltende Diskussion über die Frage einer Wohnortzuweisung. All das sind ja mögliche Inhalte für ein weiteres Gesetzgebungspaket wie gesagt, ob man das jetzt Asylpaket 3 nennt oder nicht, sei dahingestellt. Daran laufen jedenfalls die Arbeiten, und auch da bin ich sehr zuversichtlich, dass wir recht rasch einen Gesetzentwurf vorlegen können.
Allerdings muss ich beispielsweise zu dem Thema Wohnortprinzip dazusagen, das das ein sehr komplexes Thema ist, das jetzt gar nicht streitig ist im Sinne von unterschiedlichen Ressortsichten auf dieses Dossier, sondern das einfach sehr komplex ist, wenn man das Regelungsziel erreichen will, also wenn man verhindern will, dass sich Menschen sozusagen in sozialen Brennpunkten sammeln, und erreichen will, dass eine möglichst gleichmäßige Verteilung auch außerhalb der Ballungsräume stattfindet. Insofern ist das regelungstechnisch einfach ziemlich komplex und braucht deswegen, der gebotenen Sorgfalt folgend, ein gewisses Maß an Zeit anders als die zu Beginn von mir angesprochenen Gesetzespakete, die weitestgehend vorbereitet oder gar schon fertig in der Schublade liegen. Insofern wird das sicherlich noch etwas dauern, aber Sie können sich genauso sicher sein, dass wir jetzt mit Hochdruck daran arbeiten, auch den von Ihnen angesprochenen Punkt in Gesetzesform zu gießen.
FRAGE CHILAS: Wie steht die Bundesregierung zu der Drohung der Kommission, Griechenland in dem Fall, dass das Land seine Grenzen zur Türkei nicht genügend absichert, aus dem Schengen-Raum auszuschließen?
SRS’IN WIRTZ: Im Grunde genommen kann ich dazu noch einmal genau das wiederholen, was ich eben auch schon auf die Frage der Kollegin zu der Meldung, die es gestern aus Holland gab, gesagt habe: Es ist nach wie vor so, dass auf der Ebene der Europäischen Union in der Tat Gespräche geführt werden und nach Lösungen gesucht wird. Einhellige Meinung ist, dass es tatsächlich darum geht, die Außengrenzen der Europäischen Union besser zu schützen. Dazu gibt es Bemühungen auf der Ebene der Europäischen Union, aber es gibt jetzt in keinster Weise irgendwelche abgeschlossenen Szenarien oder abgeschlossenen Lösungen, die hier zu diskutieren wären.
ZUSATZFRAGE CHILAS: Ja, aber es gibt konkrete Vorschläge. Meine Frage war, wie sich Berlin zu diesen Vorschlägen verhält.
SRS’IN WIRTZ: Berlin stellt sich insofern zu diesen Vorschlägen, als diese Gespräche auf der Ebene der Europäischen Union weiter geführt werden und weiter gemeinsam an dem Ziel gearbeitet wird, dass die Außengrenzen besser geschützt werden selbstverständlich auch im Gespräch mit Griechenland. Aber das ist der Weg, den die Bundesregierung geht. Abgesehen davon war das natürlich auch ein Thema beim Rat der Innenminister. Aber insgesamt kann ich für die Bundesregierung sagen: Es ist weiter so, dass darüber innerhalb der Europäischen Union gesprochen wird.
ZUSATZFRAGE CHILAS: Ist die Option des Ausschlusses Griechenlands aus dem Schengen-Raum Teil der Überlegungen in Ihrer Regierung?
SRS’IN WIRTZ: Ich möchte hier jetzt, auch wenn Sie mehrfach nachfragen, nicht in irgendeiner Form über Zwischenschritte spekulieren. Ich kann nur sagen, dass die Gespräche laufen und dass es Überlegungen dazu gibt, wie man die Außengrenzen schützt. Irgendwelche Szenarien kann ich jetzt aber in keinster Weise bestätigen.
FRAGE KOLHOFF: Ich habe eine Nachfrage im Zusammenhang mit der Frage von Herrn Blank eben: Ich meine heute Morgen Agenturmeldungen gesehen zu haben, in denen es hieß auch mit Nennung des Namens de Maizière , das sei schon nächste Woche im Kabinett. Können Sie das bestätigen? Irgendwo habe ich auch gelesen, das Ziel sei, das bis Ende Februar am 26. tagt ja auch der Bundesrat durch Bundestag und Bundesrat gebracht zu haben.
DR. DIMROTH: Wenn Sie mit „das“ jetzt das Asylpaket 2 und die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten meinen, dann kann ich dazu sagen: Unser Ziel ist auch wenn das natürlich nicht allein in unserer Hand liegt tatsächlich, so schnell als möglich das Kabinett zu erreichen. Die nächste Möglichkeit wäre eben das Kabinett der nächsten Woche.
Noch einmal: Was das parlamentarische Verfahren anbetrifft, würden wir jedenfalls bereitstehen, alles zu tun, um jedweden Beschleunigungseffekt nutzen zu können. Aber da traue ich mir eine Prognose nicht zu, weil ich da einfach nicht die Verfahrenshoheit habe.
FRAGE JUNG: Auch zu diesem Thema: Marokko, Tunesien und Algerien sollen ja sichere Herkunftsstaaten werden, Senegal und Ghana sind es ja schon. Wann können wir damit rechnen, dass ganz Afrika von Deutschland als sicherer Herkunftskontinent eingestuft wird?
SRS’IN WIRTZ: An wen geht die Frage, Herr Jung? Ich würde jetzt erst einmal sagen, dass es um die Länder geht, über die jetzt gesprochen worden ist und über die auch in der Vergangenheit gesprochen worden ist. Wie Sie wissen, haben die Balkanstaaten diesen Status in den vergangenen Monaten bekommen; jetzt hat man sich auf weitere Länder verständigt. Ich möchte jetzt nicht darüber spekulieren, was mit dem ganzen Kontinent Afrika passieren wird.
ZUSATZFRAGE JUNG: Nun gilt Algerien als autoritäres Regime und ist gerade etwa auf Platz 130 von 167 auf dem Demokratieindex. Andere sagen: Auch das ist eine Militärdiktatur. In Marokko sieht es nicht viel besser aus. Bei der Türkei hingegen hat man sich gegen den Status als sicheres Herkunftsland entschieden, obwohl die Türkei viel besser dasteht. Warum sollen also Marokko und Algerien, wo viele Menschen wahrscheinlich auch zu Recht fliehen, weil sie mit dem Regime nichts mehr zu tun haben wollen, jetzt als sichere Herkunftsstaaten gelten?
SRS’IN WIRTZ: Es gibt verschiedene Gesichtspunkte und Kriterien, die dazu führen, dass man einen Staat als sicheren Herkunftsstaat einstuft. Das ist das eine. Da kommen verschiedene Faktoren zusammen.
Vielleicht auch das zunächst noch vorausgeschickt: Der Mechanismus des sicheren Herkunftsstaates legt die Vermutung nahe, dass die Menschen, die von dort kommen, keinen Asylgrund mit sich bringen. Aber das Gegenteil kann immer bewiesen werden. Das ist die Logik, die Systematik und Mechanik eines sicheren Herkunftsstaates.
Vielleicht will Herr Dimroth noch weitere Details dazu sagen oder ergänzen, aber das ist das, was ich dazu sagen kann.
DR. DIMROTH: Die Einladung nehme ich gern an. Frau Wirtz hat aber das Wesentliche schon gesagt. Es ist ja nicht so, dass man sozusagen in freier Ermessensausübung von diesem Instrument Gebrauch machen kann, sondern es gibt gewisse Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine solche Einstufung rechtlich haltbar vorzunehmen. Die Kriterien sind auf der einen Seite insbesondere ein systematisch erkennbarer Schutzbedarf oder eben auch nicht, den man in der Regel an Anerkennungs- und Schutzquoten abliest. Parallel dazu ist auch die Frage, wie stark Migrationsentwicklungen aus den jeweiligen Ländern sind, immer eine relevante Größe.
Um auf Ihre vielleicht nicht ganz ernst gemeinte Eingangsfrage zu antworten: Wenn man diese beiden Kriterien zugrunde legt, ist es völlig ausgeschlossen, dass man sämtliche Staaten Afrikas als sichere Herkunftsstaaten einstufen könnte.
FRAGE JOLKVER: Herr Schäfer, zum bevorstehenden Poroschenko-Besuch. Im Vorfeld dieses Besuches hat der ukrainische Botschafter den Vorwurf erhoben, die Bundesregierung habe den Druck auf Russland abgeschwächt. Mich würde zum einen interessieren, wie Sie diesen Vorwurf kommentieren, und zum anderen, wie Sie die Bereitschaft den Minsker Prozess weiterzutreiben, einschätzen, einerseits in Kiew und andererseits in Moskau.
DR. SCHÄFER: Auf Ihre erste Frage würde meine Antwort lauten: Ich kann das nicht erkennen. Deutschland und Frankreich sehen sich bei dem Versuch einer Bewältigung des Konflikts der Krise in der Ostukraine als Vermittler zwischen der Ukraine und Russland. In dieser Rolle hat Berlin im Zusammenwirken mit Paris unter anderem am 11. und 12. Februar vergangenen Jahres fast genau vor einem Jahr darauf hingewirkt, dass sich die Konfliktparteien auf einen Fahrplan einigen, der zu einer politischen Überwindung der Krise führen sollte. Minsk wird sich nur umsetzen lassen, wenn beide Seiten, beide Länder, beide Hauptstädte und beide Regierungen bereit sind, sich an das unter anderem in Minsk Vereinbarte zu halten und es umzusetzen.
Es ist offensichtlich, dass es bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu Verzögerungen gekommen ist. Denn der Fahrplan sah eigentlich vor, dass der letzte Schritt, nämlich die Übernahme der Grenzkontrolle auch im Donbass durch die Ukraine an der ukrainisch-russischen Grenze, Ende 2015 hätte erfolgen sollen. Das ist nicht geschehen. Mit Zustimmung der Regierungen in Russland und der Ukraine sind Deutschland und Frankreich bereit, den Minsker Prozess und damit die Vermittlerrolle zwischen der Ukraine und Russland fortzusetzen. Wir haben auch nach den Gesprächen, die der außenpolitische Berater der Bundeskanzlerin und der Staatssekretär im Auswärtigen Amt in den letzten Tagen in Kiew und in Moskau geführt haben, weiterhin den Eindruck, dass beide Regierungen entschlossen sind, nicht nur den Konflikt politisch zu lösen, sondern ihn auch nach dem Minsker Fahrplan umzusetzen. An diesen selber verkündeten Bekenntnissen wollen wir die beiden Regierungen festhalten. Ich gehe davon aus, dass wir in den Gesprächen, die Herr Poroschenko hier am Montag führen wird, und auch in allen weiteren Bemühungen der deutschen Außenpolitik weiter darauf drängen werden, dass es zu Fortschritten im Konflikt in der Ostukraine kommt, die dem Fahrplan von Minsk Rechnung tragen.
Dafür haben wir nicht ewig Zeit, weil sich der Minsker Prozess nicht ewig in die Länge ziehen lässt. Aber wir meinen, dass wir, vorausgesetzt beide Seiten machen mit, im Laufe des Jahres die Chance und die Möglichkeit haben, wirklich Fortschritte zu erzielen, die zu einem Abschluss des Minsker Fahrplans führen können.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: Ich wollte an den ersten Teil der Frage erinnern: Kommentar zu dem Botschafter. – Wenn wir schon dabei sind, frage ich auch: Bleibt die Bundesregierung bei der bisherigen Haltung, dass die Aufhebung der Sanktionen nur dann erfolgen kann, wenn das Minsker Protokoll voll erfüllt ist und nicht peu à peu?
DR. SCHÄFER: Ich habe eingangs meiner Antwort auf Ihre erste Frage, Herr Jolkver, gesagt: Ich kann das nicht erkennen. – Damit meine ich: Ich bin sicher, dass niemand in der Bundesregierung den Druck von den Konfliktparteien auch nicht von Moskau nimmt, sich an den Fahrplan von Minsk zu halten.
Was die Sanktionen angeht, ist es nicht zu übersehen, dass es bereits jetzt, Ende Januar 2016, eine Diskussion um den Fortgang dieser Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland gibt. Das finde ich persönlich etwas ungewöhnlich, weil nach meiner Erinnerung ich mag mich irren , die Sanktionen, die eigentlich bis Ende Januar, also bis übermorgen, befristet waren, bereits im Dezember verlängert worden sind, und zwar um ein halbes Jahr. Nach Adam Riese macht Ende Januar plus sechs Monate Ende Juli. Aus meiner Sicht gibt es jetzt, hier und heute, überhaupt keinen Grund, diese Frage zu erörtern, weil wir letztlich ja nur hypothetisch über die Zukunft debattieren können. Natürlich gilt, was gesagt und beschlossen wurde. Es ist geltende, einstimmige Vereinbarung im Europäischen Rat, dass eine Umsetzung von Minsk eine Vorfrage für den Umgang mit den Sanktionen gegenüber Russland ist. Aber wir haben jetzt ein halbes Jahr bis Ende Juli. Das ist jede Menge Zeit für die Umsetzung von Minsk und für gewichtige Fortschritte im Minsker Prozess, die wir Moskau gern einräumen wollen, aber auch Kiew geben, um mit der Bereitschaft Deutschlands und Frankreichs, daran weiter mitzuarbeiten, da deutlich voranzukommen.
Irgendwann im Laufe des Frühjahrs oder im Frühsommer werden wir sehen, wie weit wir damit gekommen sind. Dann wird sich die Frage stellen, welches Schicksal die Sanktionen, die jetzt bis Ende Juli verlängert sind, erleiden, ob sie wieder verlängert, ob sie modifiziert, suspendiert oder aufgehoben werden. Das alles ist eine Entscheidung, die der Rat der Europäischen Union, die 28 Mitgliedsstaaten, dann einstimmig zu treffen hätte.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: An das Wirtschaftsministerium habe ich eine Frage. Der Botschafter hat in diesem Interview auch beklagt, dass Deutschland das Projekt „Nord Stream 2“ unterstützt, das für die Ukraine einen Verlust von 2 Milliarden im Jahr bedeuten würde. Ich zitiere die Frage: Wie kann Deutschland erklären, dass es der Ukraine helfen will, und gleichzeitig ein solches Projekt verwirklichen?
DR. AUDRETSCH: Sie wissen, dass der Wirtschaftsminister gerade heute in Polen ist. Diese Frage wird auch dort zurzeit aktuell diskutiert. Der Wirtschaftsminister hat sich in den verschiedensten Zusammenhängen, auch auf europäischer Ebene in Interviews, schon sehr dezidiert zu genau dem Punkt geäußert und immer drei Bedingungen in den Vordergrund gestellt, die erfüllt sein müssen. Zum Ersten ist das, dass Russland die Transitpipeline durch die Ukraine auch nach 2019 weiter ausreichend mit Gas bedient und dass der Transit von Gas weitergeführt wird. Das Zweite ist, dass die Versorgungssicherheit in Osteuropa garantiert ist. Das ist die zweite Bedingung. Die dritte Bedingung ist, dass sich das Projekt an die europäischen und deutschen Regeln zu halten hat, also nach europäischer Gesetzgebung durchgeführt werden muss.
Ich will zu dem Punkt noch ganz allgemein sagen, dass das Projekt in einem sehr, sehr frühen Stadium ist. Im Moment haben wir im Netzentwicklungsplan noch nicht einmal die Planungen dafür festgezurrt. Zum Zweiten liegt auch noch keine abschließende Finanzierungsentscheidung dafür vor. Das heißt, wir sind in einem Stadium, in dem das ganze Projekt ein unternehmerischer Prozess ist, bei dem es im Moment auch erst einmal darum geht, unternehmerische Entscheidungen abzuwarten. Aber auch daran, dass der Wirtschaftsminister heute in Polen ist und sehr offen über die ganzen Fragen spricht, sehen Sie schon, dass der Wirtschaftsminister ein großes Interesse daran hat, die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen und auch Gespräche zu führen.
FRAGE KIRSCHNER: Herr Strater, infolge des Abgasskandals gibt es verschiedene Überlegungen, die Zulassung von Pkw neu zu regeln. Die EU-Kommission hat sich zu Wort gemeldet und will stärker auf eine Vereinheitlichung dringen. Der Bundesjustizminister denkt an das Umweltbundesamt, das im Verbraucherschutzinteresse eine größere Rolle oder überhaupt eine Rolle spielen soll.
Mich würde interessieren, wie der Bundesverkehrsminister dies sieht. Denn es gibt ja auch von Umweltverbänden bereits Klagen gegen das Kraftfahrt-Bundesamt.
Und schon die Zusatzfrage: Wird es am Dienstag ein Treffen zwischen Ihrem Minister, Minister Gabriel und der Kanzlerin in Sachen E-Mobilität geben?
STRATER: Ich beginne mit Ihrer Frage zu den Vorschlägen seitens der EU-Kommission. Dazu haben wir uns am Mittwoch schon geäußert, und zwar wie folgt: Sie werden über die Vorschläge in Europa reden. Allerdings brauchen wir keine neue europäische Behörde. Wir brauchen in Europa eine gleiche Anwendung von optimierten Typgenehmigungsregeln und die Anwendung von RDE-Tests auf der Straße. Das haben wir hier mehrfach betont. Wir brauchen Realwertmessungen auf der Straße. Schon im vergangenen Oktober gab es im Verkehrsministerrat die Initiative unsererseits, das auf die Tagesordnung zu setzen. Es gab Beschlüsse dazu. Jetzt ist das Europäische Parlament am Zug.
Darüber hinaus haben wir betont, dass die Untersuchungskommission, die der Minister eingerichtet hat, ein Maßnahmenpaket erarbeiten wird. Die Punkte, die bereits feststehen, haben wir hier ebenfalls schon mehrfach genannt. Dabei geht es zum Beispiel um die Offenlegung der Fahrzeugsoftware, um die Rotation der Prüfdienste und um staatliche Prüfstände. All das dient der Weiterentwicklung der Prüfverfahren.
Zum Aspekt der Kompetenzen für das UBA hat Dr. Rudolph hier vergangenen Montag schon gesagt, dass das nicht zu den Überlegungen dazugehört.
Zu Ihrer letzten Frage. Da das kein Termin von uns ist und jedenfalls ich nicht weiß, ob es dazu einen presseöffentlichen Termin geben wird, kann vielleicht das Kanzleramt etwas dazu sagen, ich jedenfalls nicht.
SRS’IN WIRTZ: Heute war in den Medien schon davon zu lesen, dass es einen solchen Termin geben kann oder sollte. Richtig ist, dass es in der kommenden Woche einen Termin der Bundeskanzlerin zu diesem Thema gibt. Wer allerdings daran teilnehmen und was genau Gesprächsinhalt sein wird, dazu kann ich Ihnen keine weiteren Angaben machen.
FRAGE JENNEN: Eine Frage an Herrn Strater. Herr Seehofer hat sich gerade geäußert und noch einmal seine Unterstützung für die Kaufprämie geäußert. Zudem hat er daran erinnert, dass Herr Dobrindt ein bayerischer Bundesminister ist und entsprechend die Interessen in der Bundesregierung umsetzt. Wie steht Herr Dobrindt denn jetzt zur Kaufprämie?
STRATER: In Sachen Elektromobilität verweise ich auf das, was der Minister dazu am vergangenen Mittwoch auf dem Empfang des VDA gesagt hat. Vorschläge sind jetzt genug gemacht. Sie kennen sie alle. Sie sind hier sehr ausführlich diskutiert worden. Jetzt müssen Entscheidungen getroffen werden. Aber diese fallen nicht hier in diesem Moment.
ZUSATZFRAGE JENNEN: Trotzdem noch einmal die Frage: Wie steht Herr Dobrindt jetzt zur Kaufprämie? Wird er das jetzt mit unterstützen? Sieht er vielleicht Kompromisswege, oder lehnt er das weiterhin ab?
STRATER: Auch zu dieser Thematik hat der Minister auf dem VDA-Empfang etwas gesagt. Wir brauchen ein Bundesprogramm für den stärkeren Ausbau der Ladestruktur. Dafür braucht es auch eine Bundesförderung. Wir brauchen auch ein Programm, um den Markthochlauf der E-Fahrzeuge anzureizen. Diesen Worten habe ich im Moment nichts hinzuzufügen.
FRAGE BLANK: Habe ich Sie richtig verstanden? Sie haben also nicht bestätigt, dass es am Dienstag ein Treffen der Kanzlerin mit den Vorstandsvorsitzenden der großen deutschen Automobilunternehmen geben wird. Oder haben Sie das bestätigt?
SRS’IN WIRTZ: Ich habe bestätigt, dass es einen Termin im Kanzleramt mit der Bundeskanzlerin zu diesem Thema gibt und habe gesagt, dass ich zu den Teilnehmern nichts sagen kann.
ZUSATZFRAGE BLANK: Darüber hinaus die Frage, die wir jetzt gerade diskutieren: Wie zufrieden ist die Kanzlerin mit den Bemühungen der einzelnen Ministerien, was den Bereich der Elektromobilität angeht? Sieht sie einen Anlass, der möglicherweise mit diesem Termin verknüpft ist, dieses Thema an sich zu ziehen?
SRS’IN WIRTZ: Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, dass bis 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen Deutschlands unterwegs sein sollen. Auch innerhalb der Bundesregierung gibt es verschiedene Ideen zu diesem Thema. Diese werden diskutiert. Sobald es in dieser Hinsicht eine Einigung gibt, werden wir Sie sicherlich unterrichten. Aber im Moment läuft der Prozess. Die Entscheidungen werden vorbereitet. Wenn eine Entscheidung kommt, dann wird sie kommuniziert.
ZUSATZFRAGE BLANK: Zum Zufriedenheitsgefühl der Kanzlerin wollen Sie nicht Stellung nehmen?
SRS’IN WIRTZ: Zufriedenheitsgefühle der Kanzlerin kommentiere ich grundsätzlich sehr ungern.
FRAGE GRIMM: Eine Frage an Frau von Tiesenhausen. In der Diskussion sind seitens der SPD auch Forderungen, diesen Hochlauf mit 2 bis 2,5 Millilarden Euro aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Nun kann man lesen, dass es den Termin am Dienstag gibt. Mit welcher Haltung geht denn Herr Schäuble an diese Frage heran?
VON TIESENHAUSEN-CAVE: Der Bundesfinanzminister hat sich auch schon mehrfach zu dieser Frage geäußert, zuletzt gerade gestern in einem Interview. Im Tagestakt hat sich die Meinung hier nicht geändert. Ich würde die Antwort nachlesen.
ZUSATZFRAGE GRIMM: Meiner Meinung nach hat sich der Finanzminister gegen die Kaufprämie ausgesprochen. Frau Wirtz, könnten Sie noch einmal die Position der Kanzlerin klarmachen? Ist sie jetzt für eine Kaufprämie, oder ist sie eher aufseiten des Finanzministers?
SRS’IN WIRTZ: Ich sagte ja gerade, dass es innerhalb der Bundesregierung verschiedenen Ideen zu diesem Thema gibt und dass diese verschiedenen Ideen innerhalb der Bundesregierung diskutiert werden. Sicherlich wird auch der Termin in der kommenden Woche dazu beitragen, zu einer Meinungsbildung zu kommen. Solange die Meinungsbildung nicht abgeschlossen ist, kann ich das nicht kommentieren.
FRAGE BLANK: Eine Frage an Herrn Dr. Schäfer. Im Zusammenhang mit dem Fall „Lisa“ hat nach russischen Quellen der Außenminister heute mit Herrn Lawrow telefoniert. In den vergangenen Tagen gab es ja ein kleines Geplänkel, man könnte es vielleicht auch „Auseinandersetzung“ nennen. Was hat er denn dort geäußert?
DR. SCHÄFER: Das weiß ich nicht.
ZURUF BLANK: Das wissen Sie nicht?
DR. SCHÄFER: Ich sage Ihnen auch, warum, Herr Blank. In der Tat ist ein Gespräch des deutschen Außenministers mit seinem russischen Kollegen geplant gewesen. Allerdings hat es nach meiner Kenntnis noch gar nicht stattgefunden. Dann kann ich nicht wissen, was Gegenstand des Gespräches gewesen ist.
ZUSATZFRAGE BLANK: Dann sind andere Quellen möglicherweise falsch informiert?
DR. SCHÄFER: Es kann auch sein, dass ich falsch informiert bin, wer weiß. Aber das werden wir sicherlich bald herausbekommen.
ZUSATZ BLANK: Das werden wir nachher erfahren.
DR SCHÄFER: Hoffentlich. Ich will Ihnen das nicht versprechen. Schauen wir mal.
FRAGE JUNG: Frau Wirtz, das BKA hat jetzt bekanntgegeben, dass es 2014 199 Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland gab, von denen 177 einen rechtsradikalen Hintergrund hatten. Vergangenes Jahr waren es 1005 Attacken auf Asylunterkünfte, von denen 901 einen eindeutig rechtsradikalen Hintergrund hatten. Sieht die Bundesregierung mittlerweile Handlungsbedarf bei diesem Thema? Sie sagen ja immer wieder, dass Sie handeln, wenn es nötig ist. Ist es mittlerweile nötig, oder muss es noch mehr Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte geben?
SRS’IN WIRTZ: Zunächst einmal kann ich die Zahlen, die Sie gerade vorgehalten haben
ZURUF JUNG: Das ist Ihr BKA.
SRS’IN WIRTZ: Ich sage ja, ich habe die aktuelle BKA-Statistik nicht vor mir liegen. Insofern kann ich diese Zahlen jetzt nicht bestätigten.
Abgesehen davon unterstellen Sie in Ihrer Frage, dass die Bundesregierung tatenlos zusieht, wenn Asylbewerberheime oder Asylbewerber in Deutschland angegriffen werden. Wie wir hier schon mehrfach ausgeführt haben, ist diese Frage in der Kompetenz der Länder, auch der Schutz der Asylbewerberheime und der Unterkünfte. Ich kann nicht erkennen, dass die Länder dieser Verpflichtung und dieser Kompetenz nicht nachgehen und auch dem nicht mit Nachdruck nachgehen, wenn solche Fälle geschehen sind. Die Bundesregierung in Person der Bundeskanzlerin hat bei verschiedenen Gelegenheiten klargemacht, dass solche Vorfälle, wenn es zu ihnen gekommen ist, aufgeklärt und entsprechend der strafrechtlichen Bestimmungen abgeurteilt werden. Insofern kann ich die Unterstellung, die in Ihrer Frage angelegt ist, weder nachvollziehen noch mich in irgendeiner Form aufgerufen fühlen, neue Handlungsprojekte der Bundesregierung zu verkünden.
ZUSATZFRAGE JUNG: Sie haben die Tatenlosigkeit ja gerade angesprochen. Wo haben Sie denn etwas gemacht? Es ist ja nicht nur Ländersache. Die Strafgesetzgebung ist Bundessache. Da könnte man ja an einigen Stellen etwas machen. Sehen Sie nirgendwo irgendeinen Handlungsbedarf?
SRS’IN WIRTZ: Sie haben natürlich recht, das Strafgesetzbuch ist in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Aber das würde ja voraussetzen, dass es in dieser Hinsicht Strafbarkeitslücken gäbe. Strafbarkeitslücken in Bezug auf Straftaten, die gegen Asylbewerberheime oder gegen Asylbewerber selbst verübt werden, kann ich nicht erkennen. Wenn es solche Lücken gibt, ist sicherlich der Bund gefordert und wird sicherlich sehr gründlich prüfen, inwieweit man solche Strafbarkeitslücken schließen muss. Aber zunächst einmal sind an dieser Stelle natürlich die Länder und die Polizeien der Länder gefordert, die Asylbewerberheime zu schützen.
Natürlich gibt es inzwischen, in diesem und im vergangenen Jahr, viel mehr Flüchtlinge in Deutschland, womit in gewisser Weise vielleicht auch ein gewisser Anstieg der Zahlen einhergeht. Aber ich kann für die Bundesregierung nicht pauschal erkennen, dass der Schutz für Asylbewerberheime in irgendeiner Form vernachlässigt würde. Für die Bundesregierung kann ich auch noch einmal ganz klar sagen, dass jeder Angriff auf ein Asylbewerberheim einer zu viel ist. Das ist ganz klar. Diese Vorfälle, so es sie gibt, müssen vorbehaltlos aufgeklärt und dann entsprechend abgeurteilt werden.
Wenn es eines Tages Strafbarkeitslücken geben sollte, dann wird der Bund von seinen Kompetenzen sicherlich Gebrauch machen.
DR. DIMROTH: Nur ganz kurz. Aufsetzend auf das, was Frau Wirtz gesagt hat, haben im Bereich der Prävention, wo die Aufgaben des BMI liegen, sowohl das BKA als auch das BfV eine Reihe von Maßnahmen ergriffen das habe ich schon mehrfach vorgetragen , um die Länder zu ertüchtigen oder jedenfalls bei der effektiven Wahrnehmung dieser Aufgabe zu unterstützen. Schon insoweit ist also der Vorwurf der Untätigkeit falsch.
Sie müssen keine zwei Tage zurückschauen, dann werden Sie sich erinnern, dass der Bundesminister des Inneren am Mittwoch eine Internetplattform in Form eines Vereinsverbots verboten hat dort gibt es nämlich eine Handlungsoption für den Bund , mittels der rechtsradikales Gedankengut, Hass und Aufruf zu Gewalt verbreitet wurden. Insofern erschließt sich mir tatsächlich überhaupt nicht, warum Sie von Untätigkeit der Bundesregierung in diesem Deliktsfeld oder in diesem Phänomenbereich ausgehen.
DR. ZADO: Ich kann das, was Frau Wirtz und Herr Dimroth gesagt haben, natürlich nur voll unterstützen. Darüber hinaus kann ich noch eine Sache ergänzen, die Sie in diesem Zusammenhang vielleicht interessieren könnte. Sie haben das Strafgesetzbuch erwähnt. Der Bundesjustizminister setzt sich natürlich mit dieser Thematik auseinander und zeigt sich sehr erschüttert und bestürzt über Angriffe auf Flüchtlingsheime. In dem Zusammenhang hat er die Länderkollegen, die Justizminister, eingeladen, nach Berlin zu kommen das wird im März sein , um darüber zu sprechen, inwieweit man noch zu Verbesserungen in der Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung kommen kann.
DR. SCHÄFER (zum Fall „Lisa“): Wir hatten die Frage offen gelassen, ob die russischen Medien oder ich Recht hatten. Ich habe jetzt von den Kollegen dankenswerterweise gerade noch einen Hinweis erhalten, dass es ein Gespräch der beiden Außenminister, des deutschen und des russischen, in der Tat noch gar nicht gegeben hat. Wenn es also russische Meldungen über ein solches Gespräch gäbe, dann muss ich es Ihrem Urteil überlassen, was das denn bedeutet.