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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 8. April 2016

Mäßigen Sie ihre Sprache! ▼ BPK vom 8. April 2016

Naive Fragen zu:

Wirtschaftsvertreter mit dem Landwirtschaftsminister
– Was spricht denn dagegen, dass Sie uns sagen, wer aus der Wirtschaft den Minister begleitet? (12:30 min)
– Können wir also damit rechnen, dass wir im Nachhinein erfahren werden, welche Menschen das genau sein werden?

Steueroasen
– ich hatte schon am Montag und am Mittwoch nach den „Panama Papers“ gefragt. Da wollten Sie jeweils nicht darauf antworten, weil Sie keine Lust darauf hatten. Die Frage war: Wo sind die Briefkastenpraktiken wie in Panama aus Ihrer Sicht auch in Europa möglich? (ab 16:30 min)
– Können Sie mir sagen, wer auf Ihrer schwarzen Liste der Steueroasen steht?
– Es gibt keine schwarze Liste, oder es steht niemand darauf?
– das Tax Justice Network gibt jedes Jahr den Schattenfinanzindex heraus, der die Attraktivität eines Landes für Schwarzgeldkonten, Geldwäsche und Steuerhinterziehung misst. Auf diesem Schattenfinanzindex ist Deutschland auf Platz acht, fünf Plätze vor Panama. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass Deutschland für Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Schwarzgeldkonten attraktiver als Panama ist, aber nicht so attraktiv wie Luxemburg? (23:45 min)
– sind Luxemburg und Holland für die Bundesregierung Steueroasen? (30:45 min)

Libyen (ab 36:50 min)
– wer ist der Ansprechpartner der Bundesregierung in Libyen? Mit wem kommunizieren Sie da? (43:25 min)
– Herr Streiter, die Kanzlerin, wenn ich sie richtig verstanden habe, hat gestern gesagt, dass sie einen Deal wie mit der Türkei auch mit Libyen anstrebt, also diesen Flüchtlingsdeal. Ist das ihr Ernst? (45:00 min)
– Stellen Sie sich denn einen ähnlichen Deal wie mit der Türkei vor?

EU/Türkei Deal (ab 54:05 min)
– Die türkischen Behörden sagen, dass Nicht-Syrer, die von Griechenland zurück in die Türkei gebracht werden, abgeschoben werden. Sie kommen nicht in die Flüchtlingslager, sondern nur die Syrer. Ich hatte das BMI am 1. April in Bezug auf genau diesen Punkt gefragt, ob es bezüglich des EU-Türkei-Deals richtig ist, dass die Türkei Nicht-Syrer nicht in Flüchtlingslager steckt, sondern abschiebt. Ihr Kollege Herr Plate hat gesagt: Das ist nicht zutreffend und deckt sich nicht mit dem, was hier vorgetragen ist. Die Türkei macht das Gegenteil. Jetzt will ich wissen: Was ist es nun? Ist das im Deal vereinbart und die Türken dürfen das machen, oder machen die Türken das, obwohl das im Deal so nicht vereinbart ist, oder steht in dem Deal gar nichts, was mit den Nicht-Syrern gemacht werden soll oder kann? Hat die Türkei da freie Hand?
– Das sind ja offizielle Aussagen türkischer Behörden. Nehmen Sie die wahr?
– Aber die widersprechen sich doch. Wer hat denn jetzt Recht? Dürfen die Türken das machen oder dürfen sie es nicht machen?

NSU (ab 57:20 min)
– Herr Dimroth, geht die Bundesregierung immer noch von einer Drei-Täter-Theorie in Sachen NSU aus? (59:50 min)
– Herr Streiter, die Kanzlerin hat 2011 gesagt: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermännern aufzudecken. Was bedeutet „alles“? Hat die Kanzlerin das Gefühl, dass alles getan wird? (59:50 min)
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 8. April 2016:

VORS. FELDHOFF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS STREITER sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
SRS STREITER: Zu den Terminen der Bundeskanzlerin:

Am Dienstag, den 12. April 2016 wird die Bundeskanzlerin am Forschungsgipfel 2016 im Berliner Allianz Forum am Pariser Platz teilnehmen und dort gegen 10.30 Uhr eine Rede halten. Darin wird die Bundeskanzlerin die Schwerpunkte der Bundesregierung im Bereich „Wissenschaft und Forschung“ sowie Deutschlands Position als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort darstellen und die Bedeutung der Digitalisierung für Forschung und Innovation herausstellen. Im Anschluss an die Rede wird die Bundeskanzlerin in einer etwa 25-minütigen Diskussionsrunde mit 17 hochrangigen Teilnehmern zum Gipfelthema „Digitalisierung im Fokus“ sprechen.

Der jährlich stattfindende Forschungsgipfel wird gemeinsam vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Akademie der Wissenschaften, vertreten durch die Leopoldina Halle und der Expertenkommission Forschung und Innovation, EFI, ausgerichtet. Der diesjährige Gipfel trägt das Motto „Perspektiven für Wirtschaft, Wissenschaft und Innovation“ mit dem Schwerpunkt auf dem Thema Digitalisierung. Teilnehmen werden rund 400 hochrangige Vertreter von Wissenschaftsorganisationen, Vorstände forschungsstarker Unternehmen, Wissenschaftler sowie Mitglieder des Deutschen Bundestags.

Danach, gegen Mittag, wird die Bundeskanzlerin den Staatspräsidenten von Mexiko, Enrique Peña Nieto, im Bundeskanzleramt empfangen. Staatspräsident Peña Nieto befindet sich auf Einladung von Bundespräsident Joachim Gauck in Deutschland. Nach der Begrüßung werden beide Politiker die Gelegenheit für ein Gespräch zu den beiderseitigen Beziehungen sowie zur aktuellen Situation in der Region haben. Dabei werden sich beide Regierungschefs unter anderem über Themen der bilateralen Zusammenarbeit austauschen. Herausragend sind hier sicherlich das 2016 stattfindende Mexikojahr in Deutschland und das Deutschlandjahr in Mexiko.

Im Rahmen eines Arbeitsessens, an dem auch hochrangige Wirtschaftsvertreter aus beiden Staaten teilnehmen werden, sollen schließlich die hervorragenden wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands und Mexikos sowie zukünftige Kooperationsmöglichkeiten diskutiert werden. Vor dem Arbeitsessen um 12.30 Uhr ist ein Fototermin der beiden Regierungschefs mit den Wirtschaftsvertretern vorgesehen. Eine Begegnung mit der Presse ist für ca. 13.45 Uhr geplant.

Von 18 Uhr bis 18.45 Uhr wir sind noch immer beim Dienstag wird Bundeskanzlerin Merkel dann wie auch in den vergangenen Jahren am Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen teilnehmen und dort ein Grußwort sprechen. Der Empfang findet in der Katholischen Akademie in Berlin statt.

Anschließend, von 19 Uhr bis 21 Uhr, wird die Kanzlerin dann Vertreter der im „Cercle de l’Industrie“ zusammengeschlossenen französischen Industrie sowie Vertreter der deutschen Industrie zu einem Arbeitsessen im Bundeskanzleramt empfangen. Dabei sollen aktuelle Fragen der europäischen Industriepolitik besprochen werden. Zentrales Thema ist die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und französischer Unternehmen und damit zusammenhängende Aspekte wie die Digitalisierung der Wirtschaft, der energie- und klimapolitische Rahmen sowie die Stärkung von Innovations- und Investitionsbereitschaft. Auch handelspolitische Angelegenheiten wie zum Beispiel TTIP werden sicherlich eine Rolle spielen.

Am Mittwoch, dem 13. April, wird wie üblich um 9.30 Uhr die Sitzung des Bundeskabinetts stattfinden.

Von 14 Uhr bis 15.30 Uhr wird die Bundeskanzlerin dann in Stolpe an der Peene an der Regionalkonferenz der Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer, der sogenannten MPK-Ost, teilnehmen. Einer der Schwerpunkte des Gesprächs wird der Austausch von Positionen bezüglich eines gesamtdeutschen Systems zur Förderung von strukturschwachen Regionen ab 2020 sein. Auch zur Angleichung der Rentenberechnung in Ost- und Westdeutschland ist ein Meinungsaustausch vorgesehen. Für ca. 15 Uhr ist eine Pressekonferenz geplant, an der neben der Kanzlerin auch Ministerpräsident Erwin Sellering teilnehmen wird.

Am Donnerstag, dem 14. April, wird die Bundeskanzlerin um 18 Uhr beim Jahresempfang des Deutschen Caritasverbandes im Congress Center Berlin eine Rede halten. Die Bundeskanzlerin wird in ihrer Rede auf die Demografie-Initiative der Caritas und das diesjährige Thema „Mach dich stark für Generationengerechtigkeit“ eingehen sowie die Arbeit der Caritas und der Wohlfahrtsverbände würdigen.

Am Sonntag, dem 17. April, wird von 12 Uhr bis 13.30 Uhr im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn ein Staatsakt für Bundesminister a. D. Hans-Dietrich Genscher stattfinden. Bundeskanzlerin Merkel wird an der Veranstaltung teilnehmen. Die Trauerreden werden Bundespräsident Joachim Gauck, Bundesaußenminister a. D. Klaus Kinkel, der frühere amerikanische Außenminister James Baker und der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer halten. Anschließend folgt eine militärische Ehrerweisung durch die Ehrenformation der Bundeswehr. – So weit der Ausblick auf die Termine in der kommenden Woche.

DR. DIMROTH: Zum letzten Punkt, dem Staatsakt, nur eine Ergänzung, falls das für Sie von Interesse ist, was das Akkreditierungsverfahren und Ähnliches anbetrifft: Das BMI ist ja, wie üblich, vom Bundespräsidenten mit der Durchführung betraut worden. Dazu werden wir noch heute im Laufe des späten Vormittags eine Pressemitteilung herausgeben, sodass Sie alle darüber informiert sind, wie das Akkreditierungsverfahren geplant ist.

URBAN: Sehr geehrte Damen und Herren, Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt wird morgen zu einer zweitägigen Reise in die iranische Hauptstadt Teheran zu politischen Gesprächen aufbrechen. Er wird dabei von einer Delegation aus hochrangigen Vertretern der Land- und Ernährungswirtschaft begleitet. Bundesminister Schmidt wird unter anderem mit seinem iranischen Amtskollegen Mahmud Hodschati zu Gesprächen zusammenkommen, mit dem er bereits im Januar im Rahmen der Berliner Welternährungskonferenz eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Landwirtschaft geschlossen hat.

Neben weiteren politischen Gesprächen wird der Minister mit der Wirtschaftsdelegation auch mit dem Geschäftsführer der Außenhandelskammer, iranischen Wirtschaftsvertretern und dem Präsidenten der Iran-Kammer für Industrie, Bergbau und Landwirtschaft zusammentreffen. Ziel der Reise ist es, die Zusammenarbeit der beiden Länder im Landwirtschaftssektor nach dem Wegfall der Sanktionen zu stärken.

FRAGE WONKA: Herr Streiter, mit welcher Regierungsposition geht Frau Merkel hinsichtlich der Fragen der Fortführung des Solidarpakts und zur Rentenangleichung in das Gespräch mit den Ministerpräsidenten?

SRS STREITER: Was zum Beispiel die Rente betrifft, gibt es ja klare Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Darin ist vorgesehen, dass zum 1. Juli dieses Jahres geprüft wird, wie weit sich der Angleichungsprozess der Rentenwerte bereits vollzogen hat. Auf dieser Grundlage wird dann entschieden, ob mit Wirkung ab 2017 eine Teilangleichung notwendig wird. Das ist dort aber zunächst einmal ein reiner Meinungsaustausch – auch, was das andere Thema betrifft.

ZUSATZFRAGE WONKA: Wenn ich mich richtig erinnere, hat sich die Koalition vorgenommen, die Rentenangleichung durchzuführen, nicht, sie zu prüfen. Welche Position wird die Bundeskanzlerin bei dem Treffen mit den Ost-Ministerpräsidenten vertreten?

SRS STREITER: Wenn Sie eine Rentenangleichung durchführen wollen, dann müssen Sie ja erst einmal den Status quo aufklären. Wenn Sie die Rentenerhöhungen der vergangenen Jahre betrachten, dann werden Sie feststellen, dass sich die Renten zwischen Ost und West zunehmend angleichen. Darüber wird gesprochen werden. Es ist eine ganz klare Vereinbarung, dass, wenn eine Teilangleichung notwendig wird, diese 2017 erfolgen soll.

EHRENTRAUT: Ich kann noch ergänzen, dass wir noch im Sommer einen Bericht zum Stand der Rentenangleichung anfertigen und auch einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeiten werden.

ZUSATZFRAGE WONKA: Nur noch einmal zur Klarstellung gefragt: Bejaht die Bundeskanzlerin noch das von ihr mit unterzeichnete Ziel, dass die Rentenangleichung im Jahr 2017 vollzogen werden soll?

SRS STREITER: Die Bundeskanzlerin bejaht den Koalitionsvertrag, den sie unterschrieben hat, und daraus habe ich Ihnen gerade ein paar Dinge vorgelesen.

FRAGE HELLER: Ich würde gerne vom Sprecher des Landwirtschaftsministeriums wissen, ob denn bei der Reise (des Bundeslandwirtschaftsministers nach Teheran) neue Verträge unterzeichnet werden, und zwar über das hinaus, was schon geschehen ist.

Ich würde mir gerne zum Zweiten berichten lassen wahrscheinlich vom Wirtschaftsministerium , wie denn gegenwärtig die Situation in Bezug auf Hermes-Bürgschaften für Geschäfte mit dem Iran aussieht. Ist da schon wieder eine volle Abdeckung möglich, oder ist das noch im Werden?

URBAN: Herr Heller, hinsichtlich Ihrer ersten Frage nach den Abkommen mit dem Iran hatte ich ja gerade schon angesprochen, dass der Minister bereits im Januar bei der Berliner Welternährungskonferenz mit seinem iranischen Amtskollegen eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Landwirtschaft geschlossen hatte. Ziel des Besuchs ist unter anderem, eine Veterinärvereinbarung abzuschließen, zum Beispiel zur Vereinfachung des Exports von Tieren und Fleisch und zur Kooperation bei der Bekämpfung von Tierseuchen.

MOITEAUX: Ich kann es ganz kurz machen: Mit Blick auf die Hermes-Bürgschaften kann ich Ihnen noch keinen neuen Stand nennen.

FRAGE WIEGOLD: Können Sie uns denn sagen, welche Unternehmen respektive Verbände den Minister auf der Reise begleiten werden?

URBAN: Ich möchte gerne bei der Tradition bleiben, dass wir die Delegationsliste hier nicht bekannt geben. Aber es werden hochrangige Vertreter aus dem Bereich der Landwirtschaft und der Ernährungswirtschaft sein.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Wenn Sie „bei der Tradition bleiben“ sagen, ist das jetzt eine Absprache unter den Ministerien?

URBAN: Ich gehe nicht davon aus bzw. habe hier noch nicht gehört, dass Delegationslisten im Vorfeld bekannt gegeben worden sind. Aber wir werden entsprechend auch im Nachgang des Besuchs noch Pressearbeit machen. Ich habe aber nicht vor, die Delegationsliste hier jetzt einmal vorzulesen.

FRAGE JUNG: Was spricht denn dagegen, dass Sie uns sagen, wer aus der Wirtschaft den Minister begleitet?

URBAN: Herr Jung, ich hatte gerade gesagt: Wir werden von einer Delegation aus hochrangigen Vertretern der Land- und Ernährungswirtschaft begleitet. Da gibt es

ZURUF JUNG: Ja, aber wer ist das?

URBAN: Da gibt es eine Reihe von Spitzenverbänden, die den Minister begleiten werden. Alles Weitere können wir dann gerne am Montag im Nachgang des Besuchs und der Reise des Ministers nach Teheran klären.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können wir also damit rechnen, dass wir im Nachhinein erfahren werden, welche Menschen das genau sein werden?

URBAN: Da der Minister auf dieser Reise unter anderem von Journalisten begleitet werden wird, werden wir das dann entsprechend klären, wenn die Leute im Flugzeug auf dem Weg zurück sitzen und wieder mit uns hier hingekommen sein werden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das dann am Montag nachreichen?

URBAN: Wir können am Montag gerne wieder darüber sprechen.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Urban, es gab ja vor einiger Zeit Medienberichte darüber, dass Milchprodukte im Iran verkauft werden würden. Ist dieses Thema weiterhin aktuell?

URBAN: Grundsätzlich gilt für uns, dass die Reise letztendlich der Steigerung des Exports und dem Abbau von Handelshemmnissen gilt. Das wird von großer Bedeutung sein. Die Bemühungen sind aber auch nicht auf einen einzelnen Anwendungsbereich beschränkt. Sie können davon ausgehen, dass grundsätzlich die Themen Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft und damit auch das Thema „Milch und Milchprodukte“ eine Rolle spielen werden.

FRAGE: Die Länder haben ja gestern auch noch einmal betont, dass sie in Anbetracht der Enthüllungen (durch die „Panama Papers“) Handlungsbedarf sehen. Andererseits ist es beim Thema Geldwäsche, das dabei ja auch mitschwingt, so, dass es bis in die jüngste Zeit hinein Zahlen gibt, die zeigen, dass die Geldwäschekontrolle in den Ländern extrem schlecht funktioniert bzw. ausgestattet ist. Sieht das BMF möglicherweise weiteren Handlungsbedarf, vielleicht auch, indem man Untergrenzen dafür festlegt, wie viele Kontrolleure es in diesem Bereich geben muss?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ohne jetzt ganz konkret auf diese Stellungnahme der Länderfinanzministerkonferenz einzugehen, ist es ja in der Tat so, dass sich die Geldwäschekontrolle aufspalten lässt, und zwar auf die Geldwäschekontrolle im Bereich des Finanzsektors das liegt im Bereich des Bundes; damit ist vor allem die BaFin betraut und auf die Geldwäschekontrolle im Nicht-Finanzsektor, also in Geschäften, in Unternehmen. Deren Kontrolle obliegt den Ländern.

Wir haben ja in diesem Zusammenhang als Bundesfinanzministerium in diesem Jahr auch eine Studie veröffentlicht, die wir in Auftrag gegeben haben und die in der Tat aussagt, dass in diesem Bereich erhöhte Risiken bestehen. Wir haben hier im Wesentlichen schon einige Maßnahmen identifiziert, die sich zum Teil auch bereits in der Umsetzung befinden. Ein Beispiel, dass ich Ihnen da nennen kann, ist die Verlagerung der sogenannten FIU. Das ist die nationale Meldestelle für Verdachtsmomente vom BKA im Bereich des Zolls und des Zollkriminalamtes, also in dem Bereich der Finanzverwaltung, der sich auch mit Finanzkriminalität auskennt. Das ist innerhalb der Bundesregierung konzertiert und wird jetzt vorbereitet.

ZUSATZFRAGE: Hält das BMF die Personalausstattung der Länder so, wie sie jetzt ist, für ausreichend? In Berlin kommt, glaube ich, eine halbe Stelle auf 1 Million Berliner.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich habe ja gesagt, dass wir uns der Schlussfolgerung der Studie, dass wir hier ein erhöhtes Risiko haben, anschließen. Ich will jetzt nicht auf einzelne Länder und Personalausstattungen eingehen, aber in der Tat ist das ein Thema, dem man sich widmen kann.

FRAGE JUNG: Frau Tiesenhausen, ich hatte schon am Montag und am Mittwoch nach den „Panama Papers“ gefragt. Da wollten Sie jeweils nicht darauf antworten, weil Sie keine Lust darauf hatten. Die Frage war: Wo sind die Briefkastenpraktiken wie in Panama aus Ihrer Sicht auch in Europa möglich?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Herr Jung, ich kann Ihnen heute nichts anderes dazu sagen als am Mittwoch.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie mir sagen, wer auf Ihrer schwarzen Liste der Steueroasen steht?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Es gibt eine schwarze Liste der OECD. Das Listenwesen, was die Listung von nicht kooperativen Staaten im Steuerbereich angeht, ist etwas kompliziert. Da gibt es zum Teil auch nationale Initiativen.

Die EU hat im letzten Jahr versucht, die verschiedenen Listen zu amalgieren. Eine Liste, die sicherlich großen Aussagecharakter hat, ist die Steuerkooperationsliste der OECD; die finden Sie auch im Internet. Darin sind, was den Bereich des Steuerdatenaustauschs angeht, derzeit vier Staaten gelistet das können Sie aber auch alles bei der OECD erfragen : Panama, Bahrain, Nauru und Vanuatu.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich hatte mich aber für die schwarze Liste der Bundesregierung interessiert. Wer steht da drauf?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Da gibt es niemanden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es gibt keine schwarze Liste, oder es steht niemand darauf?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Die praktizierte Liste ist die der OECD, und da stehen die genannten Staaten drauf. Das gilt damit auch für die Bundesregierung, und wir machen hier keinen gesonderten nationalen Ansatz.

FRAGE HELLER: Nach dem Deutsch-Französischen Ministerrat gestern versicherten die beiden Länder in ihrer gemeinsamen Erklärung, dass sie beim Thema Steuerbetrug, Steuerflucht die Bekämpfung weiter voranbringen wollen. Werden wir in absehbarer Zeit ein neues Konzept der Bundesregierung zusammen mit Frankreich bekommen, in dem neue Vorschläge stehen, die in den bisherigen Initiativen nicht enthalten sind?

Zweitens. Es war ursprünglich eine Dreiergruppe, die zum Beispiel bei BEPS die Dinge vorangetrieben hat, nämlich Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Ist der dritte Partner, Großbritannien, verlorengegangen vielleicht sogar über die jüngsten Veröffentlichungen?

Drittens. Bemüht sich das Bundesfinanzministerium oder bemühen sich nachgeordnete Behörden darum, sich dieses ganze Datenpaket einmal anzuschauen

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Vielleicht noch einmal im Rückgriff auf das, was hier schon am Montag angekündigt wurde: Die Bundesregierung ist ohnehin an dem Thema Herstellung größerer Transparenz in der internationalen Steuerkooperation dran. Das ist das wissen Sie als jemand, der uns hier seit vielen Jahren verfolgt ein absolutes Kernthema dieses Bundesfinanzministers, und es finden zu diesem Thema ständig Kooperationen insbesondere mit unseren engen europäischen Partnern Frankreich und Großbritannien haben Sie genannt statt. Ich muss Sie an dieser Stelle noch ein wenig vertrösten: Wir haben in der Tat es ist ja angekündigt worden, dass wir das vor der Frühjahrstagung machen werden derzeit auch Abstimmungen; da gibt es in der Tat auch Kooperationen mit besagten europäischen Ländern. Das ist aber noch nicht so spruchreif, dass ich Ihnen das hier schon im Detail ausbreiten könnte.

Zu Ihrer letzten Frage nach der Herausgabe: Für das Bundesfinanzministerium und die nachgeordneten Bereiche kann ich Ihnen sagen, dass man sich jetzt nicht offiziell an die Medien gewandt hat, die diese „Panama Papers“ ausgewertet und veröffentlicht haben. Wir haben ja zur Kenntnis genommen, dass sich Vertreter der Medien so geäußert haben, dass sie die Daten nicht herausgeben werden. Das ist ihr Recht. Insofern kann ich Ihnen zu diesem Bereich auch nichts in der Hinsicht bekanntgeben.

ZUSATZFRAGE HELLER: Da Sie so schön „Kooperation mit den besagten Ländern“ sagten: Großbritannien ist als Partner der Dreiergruppe noch mit an Bord?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich will hier jetzt nicht auf Gruppen eingehen es gibt ja immer wieder verschiedene Zusammensetzungen. Wir haben eine enge Kooperation mit Großbritannien. Mit Großbritannien haben wir bei der Entwicklung des automatischen Informationsaustauschs in Finanzkontofragen und auch bei der BEPS-Initiative sehr eng zusammengearbeitet. Diese Zusammenarbeiten werden fortgeführt.

FRAGE HÜBSCHEN: Auch noch einmal zum Thema Geldwäschekontrolle: Das ist ja nicht nur eine Frage der Menge an Personal, sondern auch eine Frage der Qualifizierung von Personal. Ist es im Sinne der Bundesregierung, dass einige Bundesländer das an die Ordnungsämter ausgelagert haben? In Schleswig-Holstein beispielsweise müssen ja Standesbeamte die Geldwäschekontrolle durchführen.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich kann eigentlich nur noch einmal betonen, was ich schon vorhin gesagt habe: Es ist bekannt, dass wir im Nichtfinanzbereich bei der Geldwäschekontrolle nicht das Entdeckungsrisiko herstellen können, das man sich eigentlich wünscht; da sind sich alle einig. Über die Schritte, mit denen man jetzt in der Zuständigkeit der Länder Verbesserungen herstellt, wird geredet, aber ich möchte jetzt nicht auf einzelne Länder und deren Standesbeamte eingehen.

ZUSATZFRAGE HÜBSCHEN: Es ist aber nicht angedacht oder es ist nicht möglich, dass man das vielleicht ein Stück weit aus der Zuständigkeit der Länder herauslöst und das als Bund tut? Das ist ja durchaus eine internationale Aufgabe.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Wir haben in Deutschland den Föderalismus. Ich kann Ihnen hier diesbezüglich jetzt keine aktuellen Pläne berichten.

FRAGE JENNEN: Noch einmal zurück zur Transparenzinitiative: Nach einem Medienbericht soll es auch darum gehen, die Hintermänner besser aufspüren zu können. Erst einmal: Um welche Hintermänner geht es da? Sollen das die Banken sein, sollen das die Unternehmen sein, die das benutzen, oder in welche Richtung wird da gedacht? Vielleicht könnten Sie auch noch ein bisschen etwas dazu sagen, wie man das erreichen möchte?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich weiß nicht, welchen Medienbericht Sie meinen, Frau Jennen ich habe heute auch einige Medienberichte gelesen. Ich kann Ihnen hier zum jetzigen Zeitpunkt keine detaillierte Beschreibung eines Aktionsplans geben, weil daran noch gearbeitet wird. Insofern macht es auch keinen Sinn, hier jetzt über einzelne Fragen zu reden.

Ganz grundsätzlich ist ja die Zielrichtung auch im Steueraustausch, dass man bei den Registern auch die wirtschaftlich Berechtigten hinter Firmenkonstrukten stärker offenlegt. Das machen wir in Deutschland schon. Da gibt es aber natürlich auch Feinheiten und in der internationalen Ausführung auch wieder Schwierigkeiten, weil nicht immer die Gesellschaftsformen die gleichen sind. In dieser Richtung wird auf internationaler Ebene aber sowieso gedacht. Ich denke, das ist die Antwort auf die Fachfrage „Worum geht es?“: Es geht eben um die wirtschaftlich Berechtigten, die von solchen Konstrukten dann profitieren.

FRAGE JUNG: Frau von Tiesenhausen, das Tax Justice Network gibt jedes Jahr den Schattenfinanzindex heraus, der die Attraktivität eines Landes für Schwarzgeldkonten, Geldwäsche und Steuerhinterziehung misst. Auf diesem Schattenfinanzindex ist Deutschland auf Platz acht, fünf Plätze vor Panama. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass Deutschland für Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Schwarzgeldkonten attraktiver als Panama ist, aber nicht so attraktiv wie Luxemburg?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich kann diesen Index in der Tat überhaupt nicht nachvollziehen. Deutschland erfüllt die Empfehlungen der Financial Action Taskforce das ist die OECD-Untereinheit, die sich mit dem Thema Geldwäsche spezialisiert beschäftigt und beteiligt sich grundsätzlich auch konstruktiv an der Weiterentwicklung dieser Standards.

Deutschland ist im Übrigen in einigen Bereichen diesen internationalen Standards schon seit Langem voraus. Wir haben diesbezüglich zuletzt Straftatbestände eingeführt, zuletzt im vergangenen Jahr zum Beispiel den Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung und auch den der Selbstgeldwäsche. Da sind wir den internationalen Vorgaben voraus. Wir haben ein ausgeprägtes uns verlässliches Registerwesen. Wir haben das deutsche Kontenabrufverfahren, das in der EU als vorbildlich gilt, und die EU-Kommission wird nun prüfen, das auch in anderen Mitgliedstaaten so einzuführen. Wir haben weiterhin, was die Umsetzung der Geldwäscherichtlinie angeht das ist die EU-Geldwäscheinitiative, die seit letztem Jahr gilt , in einigen Bereichen auch hier bereits Maßnahmen vorweggenommen. Wir haben zum Beispiel bereits 2013 die Betreiber von Online-Glücksspielen als Verpflichtete mit in das Geldwäschegesetz aufgenommen.

Insofern: Diese Einstufung kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

FRAGE CHILAS: Bezüglich der griechischen Wikileaks hat Herr Jäger Anfang der Woche erklärt, dass er sie also dieses Dokument, diese Enthüllungen nicht anerkenne, dass sie für ihn inexistent seien. Gilt das für die Panama-Papiere genauso?

Zweitens. Warum will Ihr Ministerium nicht mit der „Süddeutschen Zeitung“ und den anderen Blättern, die diese Enthüllungen bringen, zusammenarbeiten? Wäre das nicht im Interesse der Bundesregierung?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich glaube, man muss hier sehr deutlich trennen. Nur, weil darin das Wort „leak“ vorkommt, ist das nicht das Gleiche. Natürlich erkennen wir an, dass ein internationales Recherchenetzwerk mit den „Panama Papers“ eine bedeutende Aufdeckung im Bereich der Steuerflucht gemacht hat. Das ist insofern auch von niemandem infrage gestellt worden. Der Punkt, der in der Regierungspressekonferenz am Montag gemacht wurde, war, dass es sich dabei um ein Transkript eines vertraulichen Telefonats handelt und man auf vertrauliche Telefonate, die in Institutionen oder in befreundeten Regierungen stattfinden, generell nicht eingeht. Da dürfen Sie sich nicht davon leiten lassen, dass in beiden Begriffen „leak“ vorkommt.

Was die Frage des Zugangs zu solchen Informationen angeht: Wir haben eine Trennung von Staat und Medien in Deutschland, und wir nehmen zur Kenntnis, dass die Vertreter dieser Medien das nicht herausgeben wollen. Das ist uns auch im direkten Gespräch versichert worden, und das haben diese Vertreter ja auch sehr deutlich und auch für Sie wahrnehmbar zum Beispiel in öffentlichen Sendungen gesagt. Ich kann jetzt nicht für die Länder sprechen. Natürlich denke ich, dass die Behörden allen Ansatzpunkten, die sich aus diesen Veröffentlichen ohnehin ergeben, auch nachgehen werden. Das heißt, wir erkennen absolut an, dass es diese Veröffentlichung gibt, und die Behörden werden, sobald es da Anhaltspunkte gibt und wo es sie jetzt schon gibt, auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen.

ZUSATZFRAGE CHILAS: Habe ich das richtig verstanden: Ihr Ministerium hat die „Süddeutsche Zeitung“ ersucht, die Papiere herauszugeben, und die hat sich geweigert?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Nein, das habe ich nicht so gesagt. Ich habe gesagt: Wir haben zur Kenntnis genommen, dass das so nicht ist und dass die Institutionen, die an den Veröffentlichungen beteiligt waren, diese Daten nicht herausgeben werden. Insofern haben wir das in einem Rechtsstaat, in dem es ein Zeugnisverweigerungsrecht gibt, zur Kenntnis zu nehmen.

FRAGE JORDANS: Frau von Tiesenhausen, die OECD hat ja auch eine weiße Liste von kooperativen Ländern, und darauf stehen unter anderem die Britischen Jungferninseln. Wenn Sie sagen, dass die Liste der OECD von der Bundesregierung übernommen wird, dann können Sie mir sicherlich sagen, wie die Britischen Jungferninseln, die ja in den „Panama Papers“ durchweg auftauchen, auf diese weiße Liste gekommen sind?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Da überfragen Sie mich jetzt ganz ehrlich. Zu den Einstufungen der OECD im Detail und dazu, wie das für die vielen hundert Staaten jeweils ist, die sich auf diesen Listen befinden, kann ich hier für die Bundesregierung keine Stellung nehmen. Ich würde Sie daher bitten, dass Sie noch einmal bei der OECD nachfragen; denn die OECD führt in ihrer Gänze diese Einstufungen durch.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Aber ich habe das schon richtig verstanden, dass man erst einmal der OECD in dieser Listenerstellung vertraut, und auf dieser Basis arbeitet das Finanzministerium mit den verschiedenen Ländern also auch den Britischen Jungferninseln oder Panama zusammen?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Die OECD-Liste ist sicherlich die maßgebliche Liste, die es dazu im Moment weltweit gibt. Das Listenwesen ist in der Tat noch im Entstehen; das habe ich auch vorhin schon gesagt. Die OECD-Liste ist aber sicherlich die umfassendste, ja.

FRAGE: Frau von Tiesenhausen, ich hätte noch eine Nachfrage zu den Geldwäscheregularien: Sie haben gesagt, dass Deutschland im Kampf gegen die Terrorismusfinanzierung führend sei. Meines Wissens hat die FATF noch 2014 genau deswegen gedroht, Deutschland als Hochrisikoland einzustufen. Ist Deutschland da wirklich Antreiber oder vielleicht doch eher Getriebener?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Nein, ich habe gesagt: Deutschland erfüllt die Empfehlungen der FATF, und wir sind dem in einigen Bereichen auch voraus. Wenn Sie auf die FATF zugehen und sich dort nach einer Einstufung Deutschlands erkundigen, dann werden Sie das auch erfahren.

FRAGE JUNG: Frau Tiesenhausen, sind Luxemburg und Holland für die Bundesregierung Steueroasen?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Herr Jung, es ist interessant, dass Sie es jetzt noch einmal so versuchen, aber ich könnte dazu nur das wiederholen, was ich vorhin schon gesagt habe.

FRAGE WONKA: Ich muss noch einmal zu den Terminen der Bundeskanzlerin zurück. Herr Streiter, ich wollte nur wissen: Trifft sich die Bundeskanzlerin nächste Woche mit dem Bundespräsidenten?

SRS STREITER: Das weiß ich nicht. Ich habe hier über öffentliche Termine der Bundeskanzlerin gesprochen und habe Ihnen alles vorgetragen, was ich vorzutragen habe.

ZUSATZFRAGE WONKA: Sie sucht nächste Woche also nicht das Gespräch mit dem Bundespräsidenten?

SRS STREITER: Ich kann Ihnen darüber nichts sagen.

FRAGE HÜBSCHEN: Auch noch einmal zu den Terminen, weil ich nicht auf Zack war: Es geht um das Thema Staatsakt für Genscher. Sie haben ja gesagt, dass Herr Baker dort eine Rede halten werde. Sind denn auch Staatsgäste aus Osteuropa eingeladen, vor allen Dingen aus Russland, die dort anwesend sein werden?

SRS STREITER: Das weiß ich nicht, das weiß aber vielleicht Herr Dimroth.

DR. DIMROTH: Das weiß ich, ehrlich gesagt, auch nicht jedenfalls nicht aus dem Stand. Die von mir vorhin angekündigte Pressemitteilung ist aber gerade rausgegangen; vielleicht ergibt sich das daraus. Ansonsten würde ich gerne auch noch einmal bilateral auf Sie zukommen. Ich hoffe aber, dass Ihre Frage vielleicht dadurch schon beantwortet ist.

VORS. FELDHOFF: Ich denke, dass das für alle interessant ist vielleicht kann einfach nachgeliefert werden, wer von auswärtiger Seite an dem Staatsakt teilnimmt.

FRAGE BOESE: Eine Frage an das Umweltministerium zum Umweltministertreffen und der Umweltplakette für emissionsarme Pkw: Warum braucht es die? Ist das wirklich ein Fortschritt, wenn in Ihrem Ministerium selbst von „Symptomkurierung“ die Rede ist?

Zweite Frage: Wäre eine höhere Dieselsteuer als Reaktion auf den Abgasskandal nicht sinnvoller gewesen?

HAUFE: Sie gehen auf die Länderumweltministerkonferenz von gestern ein. Die Länderumweltminister haben den Bund beauftragt, die Plakettenverordnung zu verändern bzw. zu ergänzen. Es geht darum, dass eine neue Plakette eingeführt werden soll wahrscheinlich eine sogenannte blaue Plakette , die vor allen Dingen die Stickoxidemissionen anspricht. Sie fragen, warum: Wir haben in den letzten Jahren nach wie vor ein deutliches Stickoxidproblem in den Städten zu verzeichnen. Zum Beispiel sind im letzten Jahr an 60 Prozent der Messstellen die Emissionen deutlich über den Grenzwerten gewesen; das heißt, an etwa 130 Messstellen in Deutschland werden die Grenzwerte nicht eingehalten. Weil das so ist, befinden wir uns auch in einem EU-Vertragsverletzungsverfahren. Die Kommunen brauchen daher dringend ein kurzfristig einsetzbares Mittel, um die Stickoxidemissionen zu senken; denn Stickoxidemissionen sind in verschiedener Hinsicht gesundheitsschädlich.

Ja, es stimmt, dass auch vom Herumdoktern an Symptomen gesprochen wurde. Das ist aber nicht so negativ gemeint, es ist quasi nur dazu gedacht, das realistisch einzuschätzen; denn damit lösen wir natürlich nicht auf mittlere auf lange Sicht das Stickoxidproblem. Vielmehr schaffen wir jetzt eine kurzfristige Möglichkeit für die Kommunen, um vor allen Dingen Straßengebiete, Wohngebiete oder andere Gebiete in den Städten, die hohe Stickoxidemissionen aufweisen, so ausgewiesen werden können, dass nur noch emissionsarme Autos hineindürfen. Das heißt, wenn Fahrzeuge die Euro-VI-Norm einhalten oder wenn sie einen Elektroantrieb bzw. einen sonstigen Antrieb haben, der sich durch geringe Stickoxidemissionen auszeichnet, dann dürfen sie noch in diese Gebiete hinein. Das heißt, bestimmte Fahrzeuge, zum Beispiel wenn sie die Euro-6-Norm einhalten oder wenn sie Elektroantrieb oder andere Antriebe haben, die wenig Stickoxidemissionen aufweisen, dürfen dann noch hinein. Damit haben die Kommunen in den nächsten Jahren eine Möglichkeit, auf das Problem einzugehen.

Wir brauchen aber mittel- und langfristig noch mehr. Genau das bringen wir gerade auf den Weg. Wir wollen generell mehr Elektroantrieb im Verkehr bei den Fahrzeugen haben. Wir brauchen eine gute Ausstattung des öffentlichen Nahverkehrs. Wir brauchen eine bessere Infrastruktur für den Radverkehr, gerade auch in Städten. Denn in großen Städten ist unter anderem die Luftbelastung ein Problem. An diesen Dingen arbeiten wir und sind auch schon länger dabei. Das muss man immer sehen. Es ist ganz wichtig, das im Zusammenhang zu sehen. Nur die Plakette allein ist nicht Teil der Lösung.

ZUSATZ BOESE: Ich hatte noch die Frage nach einer höheren Dieselsteuer.

HAUFE: Die Länderumweltminister haben sich nicht darauf einigen können, ein Dieselprivileg abzuschaffen. Im Weiteren ist das eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Wir sind nicht für Steuerfragen zuständig.

ZUSATZFRAGE BOESE: Aber hätten Sie das als Reaktion auf den Abgasskandal sinnvoller gefunden?

HAUFE: Die Ministerin hat sich vor Kurzem im Rahmen der Förderung der Elektromobilität dazu geäußert und gesagt, dass sie, wenn das Finanzministerium auch dieses Steuerprivileg in eine Diskussion zur Finanzierung der Elektromobilität mit einbeziehen will, die Letzte ist, die dagegen ist.

Aber das Problem bei den Dieselemissionen löst man vor allem dadurch, dass man, erstens, die Typgenehmigung verändert. Das tun wir ab dem nächsten Jahr. Das heißt, die Messverfahren müssen anders und strenger werden. Wir brauchen Nachkontrollen auf den Straßen. Genau diese sind jetzt auf dem Weg. Wir brauchen, zweitens, insgesamt emissionsärmere Fahrzeuge. Das erreichen wir unter anderem dadurch, dass wir Autos mit Elektroantrieben oder Kombielektroantrieben fördern. Das sind wirksamere Maßnahmen als einfach ein Steuerprivileg abzuschaffen.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich habe dem jetzt nichts hinzuzufügen.

FRAGE WIEGOLD: Eine Frage an Herrn Fischer und Herrn Henjes: Können sie uns kurz den Sachstand zu Libyen geben? Es zeichnet sich ab, dass es nunmehr eine allgemein akzeptierte und funktionsfähige Regierung zu geben scheint. Was bedeutet das aus deutscher Sicht nicht nur politisch, sondern unter anderem auch für die Bundeswehr, was sowohl mögliches Agieren in den Hoheitsgewässern Libyens bei der Operation „Sophia“ angeht als auch die angekündigte Ausbildungsmission in Tunesien?

FISCHER: Ich fange einmal an. Ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben: Der Außenminister hat sich gestern gegenüber einer großen deutschen Tageszeitung bereits zu Libyen geäußert und erklärt, dass es ein großer Fortschritt sei, dass trotz aller Bedrohung und Sabotageversuche die Einheitsregierung jetzt in Tripolis Fuß gefasst hat und breite Akzeptanz im Land findet, und dass es besonders ermutigend sei, dass auch einige der bisherigen Blockierer ihren Widerstand aufgegeben haben. Trotzdem bleibt die Lage natürlich höchst fragil. Die Konflikte können jederzeit wieder eskalieren. Um zu einer Lösung zu kommen, sodass wir mit einer handlungsfähigen Regierung arbeiten können, braucht es noch viele kleine Schritte und auch sehr konkrete Unterstützung von allen Seiten, auch von Deutschland, damit Libyen wieder Stabilität und Frieden findet.

Über die vergangenen Wochen haben wir uns ein paar Gedanken gemacht, indem wir darauf hingearbeitet haben, die Anstrengungen des UN-Sonderbeauftragten Kobler zu unterstützen, wie wir, wenn es denn eine Einheitsregierung gibt, die im ganzen Land anerkannt ist und dort auch Regierungsgewalt ausüben kann, mit Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau beitragen können. Wir haben hierzu auch mit dem UNDP und anderen internationalen Partnern gesprochen und bieten an, gemeinsam mit dem UNDP einen Fonds für Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau aufzubauen. Damit haben wir das wissen Sie vielleicht im Irak bereits ganz gute Erfahrungen gemacht. Da gibt es ein ähnliches Instrument, das wir zum Beispiel eingesetzt haben, nachdem Tikrit von ISIS befreit wurde, um dort Sofortmaßnahmen einzuleiten und der Bevölkerung die Rückkehr zu ermöglichen. Das waren verschiedenste Projekte, vom Gesundheitsbereich bis zum Wasserbereich. Heutzutage sind schon 90 Prozent der vor ISIS geflohenen Bevölkerung nach Tikrit zurückgekehrt. Das ist sozusagen die Blaupause, die wir verfolgen, um den Menschen in Libyen die Gelegenheit zu geben, wieder Vertrauen in ihren Staat zu fassen und letztlich auch eine Friedensdividende zu spüren.

Wir haben gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen des BMZ entschieden, dass Deutschland bereit ist, ein Viertel dieser Fazilität, dieses Stabilitäts- und Aufbaufonds, der rund 40 Millionen Euro betragen könnte, zu zahlen, also ungefähr 10 Millionen Euro. Die ersten Reaktionen von internationaler Seite waren durchaus positiv. Aber die Gespräche auch mit internationalen Partnern, die ja auch in diesen Fonds einzahlen müssten, müssen in den nächsten Wochen natürlich noch ausgebaut und weiter substanziiert werden. Dazu kann ich auch sagen, dass der Leiter unserer Stabilisierungsabteilung im Auswärtigen Amt, Botschafter König, am 12. April aus diesem Anlass zu einem Gebertreffen nach Tunis reist, um weiter an der Errichtung dieser Stabilisierungsfazilität zu arbeiten. – So weit erst einmal von mir.

HENJES: Auch das Verteidigungsressort steht nicht abseits. Auch für uns ist die Konsolidierung und Stabilisierung in dieser Region wesentlich. Insofern haben Sie es schon richtig angesprochen: Ins Auge gefasst wird eine Ausbildungsmission libyscher Sicherheitskräfte im Nachbarland, in Tunesien. Voraussetzung dafür ist aber, dass wir eine ansprechbare und verfestigte Einheitsregierung in Libyen haben. Sie liegt zurzeit nicht vor. Deswegen betrachten wir mit großem Interesse und auch großer Hoffnung das Ringen, das sich zurzeit auf diplomatischer Ebene vollzieht. Insofern gilt: Die Gespräche laufen hinsichtlich Umfang, Ort und auch der Frage, mit welchen Partnern wir dieses Ausbildungsprogramm dann tatsächlich durchziehen können.

Zur Frage nach der europäischen Mission „Sophia“: Wie Sie wissen, ist sie in der jetzigen Phase noch in internationalen Gewässern. Auch das Bundestagsmandat sieht das vor. Für die darüber hinausgehenden weiteren schon ins Auge gefassten Phasen mögliche Operationen in nationalen Gewässern bedarf es daher einer Änderung. Auch das ist zurzeit nicht da. Wir werden sehen, inwiefern diese Änderung bei veränderter Sicherheitslage und veränderter Regierung auch dafür brauchen wir eine Einheitsregierung in Libyen als Ansprechpartner möglich ist. Ich denke, dann werden wir uns dem nicht verschließen.

FISCHER: Um es vielleicht noch kurz zusammenzufassen: Es ist schon so, dass es in den vergangenen Tagen wichtige Schritte nach vorn gegeben hat. Nach unserem Eindruck ist es durchaus so, dass die Gegenregierung Tripolis teilweise verlassen hat und sich teilweise zurückzieht und dass sich immer mehr libysche Institutionen der Regierungsgewalt der Einheitsregierung unterstellen. Aber wir sind eben noch nicht an dem Punkt, dass die Einheitsregierung die volle Unterstützung aller notwendigen libyschen Institutionen erhalten hat.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Dazu eine Lernfrage: Wer entscheidet, wann diese Regierung so handlungsfähig ist, dass man mit ihr arbeiten kann? Muss das vonseiten der UN kommen? Muss Herr Kobler sagen: „Das ist jetzt gut“? Oder entscheidet jedes Land für sich: „Wir akzeptieren das“? Es gibt ja durchaus unterschiedliche Einschätzungsmöglichkeiten, ob die Regierung jetzt funktioniert oder nicht.

FISCHER: Der Sonderbeauftragte agiert ja nicht im luftleeren Raum. Er ist derjenige, der für die internationale Gemeinschaft die Verhandlungen über die Konstituierung der Einheitsregierung führt. Er ist derjenige, der den Friedensprozess voranbringt. Er ist derjenige, der dem Sicherheitsrat regelmäßig Bericht erstattet, wie er es auch gerade getan hat. Dementsprechend kommt dem Sonderbeauftragten genauso wie dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der sich schon zwei Mal in Resolutionen zu Libyen eingelassen und zur Unterstützung der Einheitsregierung aufgerufen hat, in dieser Hinsicht eine ganz wichtige und zentrale Funktion zu.

FRAGE JUNG: Herr Fischer, wer ist der Ansprechpartner der Bundesregierung in Libyen? Mit wem kommunizieren Sie da?

Herr Streiter, die Kanzlerin, wenn ich sie richtig verstanden habe, hat gestern gesagt, dass sie einen Deal wie mit der Türkei auch mit Libyen anstrebt, also diesen Flüchtlingsdeal. Ist das ihr Ernst?

FISCHER: Wer der Ansprechpartner ist, ergibt sich aus den Entwicklungen der letzten Wochen. Zum einen unterhalten wir natürlich in alle libyschen Gesellschaftsschichten hinein Kontakte. Unsere Botschaft vor Ort ist zwar geschlossen, aber unser Botschafter handelt von Tunis aus. Er stand auch schon im Kontakt mit Premierminister Scharradsch, dem neuen Premierminister der Einheitsregierung.

Aber Sie erinnern sich vielleicht auch, dass wir vor rund einem Jahr die damalige Regierung und Gegenregierung zu Friedensgesprächen hier in Berlin hatten und dabei den damaligen UN-Vermittler unterstützt haben. Daraus ergibt sich, dass wir in Kontakt mit allen Seiten stehen. Unser Ziel ist es genauso wie das Ziel der internationalen Gemeinschaft und des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie von Martin Kobler, dem Sonderbeauftragten, dass die Einheitsregierung, die sich sowohl aus Teilen der Gegenregierung als auch der Regierung gebildet hat und Vertreter aller dieser Strömungen in sich vereint, die legitime und anerkannte Regierung Libyens wird.

SRS STREITER: Die Kanzlerin hat nicht gesagt, dass sie einen „Deal“ mit Libyen anstrebt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Stellen Sie sich denn einen ähnlichen Deal wie mit der Türkei vor?

SRS STREITER: Die Kanzlerin schließt überhaupt keine „Deals“ ab. Das weise ich einfach zurück.

ZUSATZ JUNG: Nein, die EU.

SRS STREITER: Nein. Auch die EU schließt keine „Deals“ ab. Sie sollten einfach einmal Ihre Sprache mäßigen. Die Kanzlerin hat niemals gesagt, dass sie einen „Deal“ mit Libyen abschließt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Der Deal mit der Türkei ist auch kein Deal?

SRS STREITER: Nein. Wir haben mit der Türkei keinen „Deal“.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was dann?

VORS. FELDHOFF: Ich denke, über die Sprachverwirrung sollten wir im Anschluss an diese Pressekonferenz vielleicht noch einmal reden.

FRAGE: Eine Frage an Herrn Ehrentraut. Katja Kipping von der LINKEN bezeichnet die Hartz-IV-Sanktionen als rechtswidrig. Sie bezieht sich dabei auch auf neue Zahlen aus Ihrem Ministerium, wonach mehr als ein Drittel der Widersprüche gegen diese Sanktionen und 40 Prozent aller Klagen Erfolg haben. Inwiefern planen Sie, etwas an der Sanktionspraxis zu ändern? Wie erklären Sie diese nach wie vor sehr hohen Zahlen?

EHRENTRAUT: Danke für die Frage. – Dass die bestehende Sanktionspraxis rechtswidrig sei, weise ich natürlich ausdrücklich zurück. Die bestehende Sanktionspraxis folgt den gesetzlichen Regelungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Wir sind weiterhin der Auffassung, dass die Sanktionsregelungen verfassungsgemäß sind. Das hat das Bundessozialgericht im vergangenen Jahr auch bestätigt.

Zu den Widersprüchen: Ja, es ist richtig, dass die Zahl der Widersprüche und auch die Zahl der erfolgreichen Widersprüche hoch sind. Warum sind sie so hoch? – Dazu müssen Sie wissen, dass Sanktionen eintreten, wenn jemand nicht zu einem Termin erscheint, eine Maßnahme nicht antritt oder diese abbricht. Viele Leistungsberechtigte haben aber häufig einen wichtigen Grund, warum sie eine Pflichtverletzung begehen, zum Beispiel weil sie krank sind oder Kinder zu betreuen haben und deshalb eine Pflichtverletzung begehen. Die Jobcenter erfahren aber häufig erst im Widerspruchsverfahren von diesen wichtigen Gründen, sodass diese Widersprüche natürlich erfolgreich sind.

Grundsätzlich ist es für uns nicht so, dass es an der Sanktionspraxis etwas zu ändern gibt. Vielmehr funktioniert der Rechtsschutz hier, weil die Betroffenen, wenn sie einen Widerspruch rechtmäßig einlegen, auch Recht bekommen.

ZUSATZFRAGE: Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Kommunikation zwischen den Jobcentern und den Betroffenen über eine Sanktion geregelt wird? Erfährt man also erst durch eine Sanktion das, was man auch durch eine Frage erfahren könnte?

EHRENTRAUT: Nein. Da wird es sicherlich unterschiedliche Gründe geben. Ich kann nicht jeden Einzelfall genau bewerten und auch gar nicht beurteilen. Aber grundsätzlich ist es so, dass die Jobcenter erst im Nachhinein von einem besonderen Grund erfahren, wenn zum Beispiel ein Termin nicht abgesagt worden ist.

ZUSATZFRAGE: Die Initiative Sanktionsfrei fordert jetzt dazu auf, auf jede Sanktion mit einem Widerspruch zu reagieren. Das Ziel ist wörtlich , die Ämter und die Behörden lahmzulegen. Sie behauptet auch, dass die Jobcenter nicht mehr arbeitsfähig wären, wenn nur doppelt so viele Sanktionierte also nicht 5 Prozent, sondern zum Beispiel 10 Prozent oder mehr Widerspruch einlegen würden. Was können Sie dazu sagen?

EHRENTRAUT: Ich kenne diese Aussage nicht und kann zu Spekulationen, ob die Jobcenter dann überfordert wären, keine Stellung nehmen.

FRAGE HELLER: Ich möchte das Arbeits- und das Finanzministerium zur Riester-Rente fragen. Ich meine, etwas von großer Unzufriedenheit der Bundesregierung mit diesem Thema und von einem Einfrieren der Riester-Rente gelesen zu haben. Es muss wohl eine Diskussion gegeben haben, an denen Staatssekretäre Ihrer Häuser, Frau Fahimi und Herr Meister, teilgenommen haben. Mich würde grundsätzlich interessieren: Plant die Regierung irgendwelche Änderungen bei der Riesterrente?

Zum Zweiten würde mich interessieren, wie die Bundesregierung das Instrument Riester-Rente gegenwärtig auch mit Blick auf die Niedrigzinsphase einschätzt, um eine zusätzliche Altersvorsorge herzustellen.

EHRENTRAUT: Mir ist von einem Gespräch nichts bekannt. Grundsätzlich ist die Riester-Rente ein wichtiger Teil, eine wichtige Säule der Altersversorgung neben der gesetzlichen Rente und einer Betriebsrente. Grundsätzlich gibt es bei der Riester-Rente das wird Frau von Tiesenhausen noch ergänzen das Produktinformationsblatt, das im kommenden Jahr noch kommen soll. – Soweit von mir.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich habe gerade noch einmal nachgeschaut, weil ich in Erinnerung hatte, dass es eine Verwirrung in der Berichterstattung gab. Ich denke, das, worauf Sie anspielen, ist, dass sich der Staatssekretär Herr Dr. Meister angeblich kritisch zur Riester-Rente geäußert habe. Das ist nicht der Fall. Da hat eine Verwechslung stattgefunden. Er hat sich nicht auf der Tagung zur Riester-Rente geäußert. Das ist auch als korrigierter Bericht abrufbar auf der Seite versicherungsjournal.de. Dort können Sie es nachlesen.

ZUSATZFRAGE HELLER: Es gibt keine Pläne für irgendwelche Änderungen an der Riester-Rente?

EHRENTRAUT: Nein.

FRAGE WIEGOLD: Herr Henjes, im Nachgang zum Besuch der Verteidigungsministerin in Mali hat sie sehr eindeutig betont, dass die Terrorbekämpfung in der Region Aufgabe der französischen Streitkräfte sei und dass die Deutschen für die Aufklärung im Rahmen der UN-Mission zuständig sind.

Gestern gab es ein Briefing des Kommandeurs von USAFRICOM, des US-Afrikakommandos, der ausdrücklich gesagt hat, Frankreich, die USA und die Vereinten Nationen teilen „intelligence“, also Geheimdienst- und Aufklärungserkenntnisse, im Hinblick auf diese Region. Mit anderen Worten: Verstehe ich es richtig, dass die deutschen Aufklärungsergebnisse letztendlich auch den USA und den Franzosen zugutekommen?

HENJES: Die Aufklärungsergebnisse der deutschen Kräfte im Rahmen der Mission, die von Ihnen eben geschildert wurde, fließen in die Mission ein. Insofern gibt es nichts weiter hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Entschuldigung, das war nicht meine Frage. Meine Frage war, ob die deutschen Aufklärungsergebnisse auf dem Weg über die Vereinten Nationen auch den Antiterroroperationen der USA und Frankreichs zugutekommen.

HENJES: Herr Wiegold, um das noch einmal zu sagen: Sie fließen in die Mission und die dortigen Kräfte zum Schutz der Mission der UN-Kräfte ein. Was den weiteren Gang aus der Mission heraus angeht, kann ich Ihnen nichts dazu sagen.

FRAGE PAPPAS: Eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Frau von Tiesenhausen, die Troika-Delegation ist aus Griechenland abgereist. Was ist Ihr Informationsstand? Sind die Verhandlungen abgebrochen worden? Was wissen Sie darüber?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich habe das auch gerade in den Agenturmeldungen gelesen. Ich habe dazu hier keinen aktuellen Informationsstand. Ich muss Sie bitten, sich an die Institutionen zu wenden.

FRAGE HELLER: Ich wollte der Vollständigkeit halber nach unserer Diskussion am Mittwoch zum Thema unterschiedliche Auffassungen von Bundesregierung und Griechenland in Sachen Privatisierung nachfragen. Hat es da inzwischen irgendeine Form von Klärung gegeben, vielleicht an einen Anruf von Athen oder einen Anruf von Berlin nach Athen, in dem es heißt „Jetzt alles klar, haben uns falsch verstanden“?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Mir ist dazu nichts bekannt.

FRAGE JUNG: An das Innenministerium. Die türkischen Behörden sagen, dass Nicht-Syrer, die von Griechenland zurück in die Türkei gebracht werden, abgeschoben werden. Sie kommen nicht in die Flüchtlingslager, sondern nur die Syrer. Ich hatte das BMI am 1. April in Bezug auf genau diesen Punkt gefragt, ob es bezüglich des EU-Türkei-Deals richtig ist, dass die Türkei Nicht-Syrer nicht in Flüchtlingslager steckt, sondern abschiebt. Ihr Kollege Herr Plate hat gesagt: Das ist nicht zutreffend und deckt sich nicht mit dem, was hier vorgetragen ist. Die Türkei macht das Gegenteil. Jetzt will ich wissen: Was ist es nun? Ist das im Deal vereinbart und die Türken dürfen das machen, oder machen die Türken das, obwohl das im Deal so nicht vereinbart ist, oder steht in dem Deal gar nichts, was mit den Syrern gemacht werden soll oder kann? Hat die Türkei da freie Hand?

DR. DIMROTH: Zunächst einmal anknüpfend an, das was Herr Streiter gesagt hat: Mir ist auch kein Deal bekannt, sondern es gibt eine Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und der Türkei; das meinen Sie vermutlich mit dem Begriff „Deal“.

Auch wenn das Datum, auf das Sie rekurrieren, bezüglich dessen, was Herr Plate am 1. April hier ausgeführt hat, vielleicht anderes vermuten lässt, habe ich auch heute nichts hinzuzufügen. Wenn Sie Erkenntnisse oder Informationen aus der Türkei haben, kann ich diese nicht bewerten, insbesondere nicht auf Belastbarkeit bewerten. Insofern werde ich mich dazu hier auch nicht verhalten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das sind ja offizielle Aussagen türkischer Behörden. Nehmen Sie die wahr?

DR. DIMROTH: Und die offizielle Aussage der deutschen Regierung kennen Sie aus der Regierungspressekonferenz vom 1. April dieses Jahres.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber die widersprechen sich doch. Wer hat denn jetzt Recht? Dürfen die Türken das machen oder dürfen sie es nicht machen?

DR. DIMROTH: Ich kann nur darauf verweisen, dass die Vereinbarung das enthält, was Herr Plate hier ausgeführt hat, und kann nicht kommentieren, was Sie möglicherweise aus der Türkei an Informationen erhalten haben, die dem entgegenstehen. Ich kann nur darauf verweisen, dass selbstverständlich das zutrifft, was hier zu dem Inhalt der Vereinbarung und den daraus resultierenden Verpflichtungen ausgeführt wurde.

FRAGE HÜBSCHEN: Herr Dimroth, eine Lernfrage. Ist denn in dem Abkommen erfasst, was mit Nicht-Syrern passiert, die in die Türkei zurückgeführt werden? Steht das in dem Abkommen oder steht es nicht in dem Abkommen?

DR. DIMROTH: Das Abkommen ist jedenfalls in Grundzügen öffentlich einsehbar. Ich müsste den Punkt ehrlich gesagt selber noch einmal nachlesen, kann aber nur empfehlen, das Ihrerseits zu tun, weil das ja kein Geheimdokument ist.

Im Übrigen bezieht sich der Kern der Vereinbarung, insbesondere was das sogenannten Eins-gegen-eins-Verfahren betrifft, auf syrische Staatsangehörige das ist richtig , nämlich auf die Frage: Inwieweit resultiert aus der grundsätzlichen Bereitschaft der Türkei, zurückgeführte Migranten aufzunehmen wie im Übrigen heute ein zweites Mal geschehen eine Verpflichtung der Europäischen Union ihrerseits, syrische Staatsangehörige im Wege des Resettlement aufzunehmen? Das ist Anfang der Woche bereits das erste Mal geschehen. Weitere Prüfungen dazu laufen. Dieser Teil der Vereinbarung, der sozusagen eine Verpflichtung der Europäischen Union enthält, bezieht sich ausschließlich auf syrische Staatsangehörige.

Was Ihre spezifische weitergehende Frage betrifft, kann ich Sie gerne, wie gesagt, erstens darauf verweisen, kann das aber auch gerne mitnehmen und prüfen, ob das in der Vereinbarung so enthalten ist.

FRAGE JORDANS: Gestern hat es Berichte verschiedener Medien gegeben, Herr Dimroth, die übereinstimmend aus mehreren Quellen bestätigen, dass Mitglieder der NSU-Zelle bei Firmen eines V-Mannes gearbeitet haben. Das BfV sagt, man habe dazu keine Hinweise. Sehen Sie eine Notwendigkeit, noch einmal in den Akten nachzuforschen, um sicherzustellen, dass die NSU-Morde nicht vor den Augen der Sicherheitsbehörden passiert sind?

DR. DIMROTH: Zunächst einmal hat sich heute eine dazu vielleicht noch berufenere Stelle geäußert, nämlich der Generalbundesanwalt, der mit den Ermittlungen dieses Themenkomplexes betraut ist, und hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass jedenfalls nach seinen Erkenntnissen diese Mutmaßungen nicht zutreffen. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich mich hier ganz grundsätzlich nicht zu Informationen verhalten kann, die einen möglichen Einsatz oder auch Nicht-Einsatz von sogenannten V-Männern betrifft, weil diese Informationen ganz grundsätzlich der Art eingestuft sind, dass sie nicht veröffentlichbar sind und das im Übrigen ich kann nur um Verständnis werben nicht ohne Grund geschieht, sondern sowohl die Zielerreichung mit einem solchen Mittelansatz als auch die betroffenen Personen selbst durch eine entsprechende Veröffentlichung auch gefährdet werden können.

Das erklärt vielleicht auch ein Stück weit, warum die parlamentarische Anfrage, die auch Grundlage der Berichterstattung gestern gemacht wurde, so beantwortet wurde, wie sie beantwortet wurde, nämlich auf Verweis dessen, was ich hier gerade zu der Vertraulichkeit ausgeführt habe, die diesen Themenkomplex insgesamt umfasst.

Das ist aber etwas anderes als die Frage, inwieweit die Aufklärung im dafür zuständigen parlamentarischen Untersuchungsausschuss sowohl in der letzten Legislaturperiode als auch in der laufenden Legislaturperiode durch das BMI und auch die ihm angegliederten Geschäftsbereichsbehörden, also das BfV unterstützt werden. Was diesen sogenannten V-Mann „Primus“ angeht, um den es ja hier geht, ist es so, dass der einschlägige Aktenbestand in der letzten Legislaturperiode dem bestellten Ermittlungsbeauftragten Herrn Heintschel-Heinegg vollständig vorlag und von ihm gesichtet wurde, insofern also, anders als gestern teilweise von dritter Seite vorgetragen, hier nicht erkennbar ist, dass das BfV sich an seiner Zulieferungsverpflichtung an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht hinreichend beteiligt hätte.

FRAGE JUNG: Herr Dimroth, geht die Bundesregierung immer noch von einer Drei-Täter-Theorie in Sachen NSU aus?

Herr Streiter, die Kanzlerin hat 2011 gesagt: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermännern aufzudecken. Was bedeutet „alles“? Hat die Kanzlerin das Gefühl, dass alles getan wird?

DR. DIMROTH: Ich beteilige mich hier nicht an einer spekulativen Diskussion darüber, welche Theorien es in Bezug auf die schrecklichen Verbrechen der NSU zu vertreten gibt. Es gibt dazu berufene Stellen, die sich der Aufklärung widmen. Es läuft dazu, wie Sie wissen, ein Strafverfahren. An den dafür zuständigen Stellen sollte die Klarheit in Bezug auf Ihre Frage endgültig hergestellt werden.

SRS STREITER: Die Bundeskanzlerin hat das nicht 2011, sondern 2012 gesagt. Dieses Versprechen gilt. Unabhängig davon, ob es einen Anhaltspunkt gibt oder nicht, nehmen wir grundsätzlich erst einmal alle Hinweise sehr ernst. Wir werden nicht ruhen, bis diese Morde vollständig aufgeklärt sind. Wir schaffen Strukturen, die eine Wiederholung eines solchen schrecklichen Vorgangs ausschließen.

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