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Frauke Petry (AfD) über andere Themen – Folge 262 (Video + Transkript)

Wir reden mit allen. Deshalb wurde es Zeit sich neben Pressekonferenzen und UltraVideos mit der AfD und ihrer Vorsitzenden, Frauke Petry, zu befassen. Kennt Frauke eigentlich noch andere Themen außer Einwanderung, Flüchtlinge und Migration? Schließlich kennt jedes Kind in Deutschland mittlerweile ihre Meinung dazu.

Daher haben wir Frauke mit anderen Politikfeldern konfrontiert: Wie hält sie es mit dem Klimaschutz? Sollte ein Staat wie ein Unternehmen geführt werden? Warum braucht es ein anderes Steuersystem? Welche Alternativen bietet sie in der Drogenpolitik? Hat sie ein Problem mit Überwachung und der Vorratsdatenspeicherung? Welches Verhältnis hat sie zu Russland und Israel? Wie hält Frauke es mit Frauenrechten wie Abtreibung? Heißt Nein immer Nein? Ist sie eine Feministin? Kämpft sie für die Ehe für Alle? Und zahlt sie den Rundfunkbeitrag? Dazu beschäftigen wir uns mit ihrer Biografie: Wo kommt Frauke her, was hat sie gemacht, bevor sie Politikerin wurde?

Das Gespräch haben wir am 20. Juni 2016 vor dem Reichstag in Berlin aufgenommen.

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Transkript (von Anne Wirth)


So, eine neue Folge „Jung&Naiv“. Wir sind in Berlin – und wer bist du?
Frauke Petry.

Frauke, was machst du?
Frauke Petry: Ich bin seit drei Jahren Politikerin. Ganz überraschend, nicht geplant, aber inzwischen Chefin der Alternative für Deutschland.

Das war nicht geplant?
Nein. Geplant habe ich mal irgendwann Kirchenmusik zu studieren, dann ist es Chemie geworden. Geplant habe ich auch nicht vier Kinder zu bekommen, aber es sind vier geworden. Und als mich  Ende 2012 der Zustand Deutschlands und auch Europas dazu gebracht hat Politik zu machen, war das Ergebnis davon eine Parteigründung Anfang 2013, die Alternative für Deutschland. Und der gehöre ich seitdem im Vorstand und Vorsitzende an und seit 2015 als eine von Zweien.

Zur Partei kommen wir gleich. Erstmal wollte ich kurz über dich reden. Kannst du erzählen, so kommst du her, was hast du gemacht vorher, also bevor du Politikerin geworden bist?
Gut, wenn das jetzt zu lang, sagste gleich bescheid!

Dann grätsche ich rein.
Wenn man anfängt sich alt zu fühlen, dann hat das schon eine Weile gedauert, das Leben.

Ich habe gehört, du gehörst zu den Jüngeren.
Ja, ich bin 41. Geboren 1975 in Dresden. Wie ich immer sage als Geburtstourist. Ich habe tatsächlich nie in Sachsen bis 2007 gewohnt, sondern in einem kleinen Ort namens Schwarzheide in heutzutage Brandenburg. Damals Bezirk Cottbus, Kreis Senftenberg. Und habe die DDR als Kind voll erlebt, als eines von zwei Kindern. Und nachdem mein Vater am 1. März 1989, als die DDR noch existierte, als Republikflüchtling das Land verlassen hat, wurde es für die Familie recht ungemütlich und wir konnten dann erst nach Öffnung der Grenzen, im November 89, überhaupt das erste Mal meinen Vater im Westen besuchen und sind dann Anfang des kommenden Jahres 1990 in Dortmund wieder als Familie zusammengezogen. Das war eine sehr prägende Zeit. Ich habe also beide deutschen Länder als Kind erlebt. Ich sage immer: Im Osten groß geworden, im Westen erwachsen geworden. Und  so fühle ich mich so ein bisschen auch als deutsch-deutsches Hybrid.

Voll ausgekostet, nein voll erlebt hast du ja gesagt. Warst du dann auch so in der FDJ und so? Warst du ein Jungpionier?
Ja, ich war noch bei den Jungpionieren, wobei ich wusste, dass meinen Eltern damit große Probleme hatten. Das mussten ja damals die Eltern entscheiden, sie mussten das Ganze unterschreiben. Da lag am ersten Schultag ein Mitgliedsantrag auf der Schulbank. Und ich weiß, dass meine Eltern das nicht gerne gemacht haben. Ich war eine von zweien, die gleichzeitig in die Christenlehre gegangen ist und damit als systemkritisch geoutet…

Weil ihr religiös wart?
Na, meine Eltern gehörten zur evangelischen Kirche. Und all diejenigen, die in die Kirche gingen, die waren gleichgesetzt mit denjenigen, die den Staat kritisierten. Und das war ja in vielen Fällen auch so. Das war nicht einfach. Da gehörte man von vornherein nicht so dazu, aber das war für mich trotzdem selbstverständlich, weil die Kirche einer der wenigen Orte war, wo man frei reden konnte – abgesehen vom Elternhaus.

Warst du den auch selber eine Regimekritikerin in der DDR oder warst du zu jung dafür?
Naja, also ich war Kind. Und als Kind lebt man vor allen Dingen das, was einem seine Eltern vorleben. Und ich bin meinen Eltern bis heute sehr dankbar, dass sie mit uns zu Hause das aufgearbeitet haben, was in der Schule gfls. – sagen wir mal – auch realitätsfern dargestellt wurde. Also zu dem, was damals in den Staatszeitungen wie dem Neuen Deutschland stand, gab es ja eine zweite Wahrheit, die zwischen den Zeilen zu lesen war. Und das haben unsere Eltern mit uns diskutiert. Und haben uns versucht, ein differenziertes Bild von der DDR und auch vom Westen zu geben, wo ein Teil meiner Familie immer gelebt hat. Und das hat auch, glaube ich, auch dazu beigetragen, dass ich über den Westen keine großen Illusionen oder über den Westen hatte, was uns später geholfen hat, uns dann auch einzuleben.

Das Bild vom Westen hat gestimmt, ja?
Naja, also ich denke mir mal, wenn ich hinfahren kann… das Bild eines Landes wird dann immer realistisch, wenn man dagewesen ist. Das gilt im Jahr 1990 oder ’85 genauso wie das im Jahr 2016 gilt. Aber dass im Osten nicht alles schlecht und im Westen nicht alles gut war, ich glaube, dazu gehört nicht viel, um das von vornherein für richtig  zu betrachten.

Können wir heute was vom Osten noch lernen?
Na, ich denke, dass das wiedervereinigte Deutschland erstmal bereit sein muss, die gegenseitige Geschichte anzunehmen. Und ich glaube, was viele ehemalige DDR-Bürger gerade am Westen geärgert hat, war, dass man ihnen auch mit einer relativ großen Arroganz gegenüber getreten ist. Und ich glaube, jede Biografie, egal welchen Landes, ist eine wertvolle. Und ich glaube auch jeder Mensch, egal auf der Welt, wo er lebt, ist grundsätzlich erstmal mit positiven Gefühlen mit seiner Heimat verbunden. Dass uns das in Deutschland manchmal ein bisschen abgeht, das trägt zum Teil  zu den politischen Problemen bei, die meine Partei ganz gern attackieren möchte. Aber deswegen kann ich viele Ostler verstehen, die trotzdem viel auf ihr Land halten – auch wenn sie im Einzelnen an den sozialistischen Zuständen, an der Zwangswirtschaft, an der nicht vorhandenen Reisefreiheit und an der staatlichen Indoktrination zu recht etwas auszusetzen haben. Und das waren ja auch die Gründe, warum meine Eltern den Osten verlassen wollten.

War das ein Wendepunkt in deinem Leben, dass der Papa abgehauen ist?
Natürlich. Wenn der Vater, den man liebt und zu dem man ein inniges Verhältnis hat, nicht mehr da ist, auch wenn man wusste, dass das geplant ist, das ist schon ein Einschnitt. Nicht nur weil dich dann die Aschekästen beim Kohleofen raustragen musste, um mich um die familiären Fahrräder und eventuell aufgetretene Platten kümmern musste, sondern einfach, weil ein geliebter Mensch fehlt. Na, klar.

Gab es noch andere Wendepunkte?
Ich bin in meinem Leben oft umgezogen und ich glaube gerade in der Schulzeit ist es immer ein Wendepunkt, wenn man eine Klasse verlässt und an eine neue Schule geht. Ich bin in Nordrhein-Westfalen zur Schule gegangen, habe da mein Abitur gemacht und dort insgesamt drei Schulen besucht. Ich habe danach drei Jahre in England gelebt und studiert, dann den Bachelorabschluss gemacht. Da hat es viele Wendepunkte gegeben. Aber das ist nichts grundsätzlich Schlimmes. Ich glaube, neue Erfahrungen zu sammeln und sich immer wieder neu einfinden zu müssen, das ist eine Erfahrung, die wenn man es schafft, immer wertvoll ist.

Warum bist du nach England gegangen?
Das war glaube ich noch so ein bisschen ein DDR-Trauma. Ich wollte immer ganz gern ins Ausland. Die nicht vorhandene Reisefreiheit, ich glaube, die hat jeden gestört, der neugierig auf die Welt war und ist. Und ich wollte ganz gern auch mein Englisch verbessern. Der Sprachunterricht in der DDR-Schule war, glaube ich, etwas, was man zu recht kritisieren muss. Der war immer viel schlechter als an vielen westdeutschen Schulen Und die Sprache lernt man am besten im Land und deswegen bin ich drei Jahre an die Uni in Reading, westlich von London, gegangen.

Was hast du studiert?
Chemie.

Warum?
In unserer Familie gibt es eine sehr gute Tradition was Naturwissenschaften angeht. Meine Mutter ist Chemikerin. Sie war immer ein Vorbild für mich. Ich denke, deswegen habe ich das am Ende auch studiert – obwohl ich mir auch hätte etwas anderes vorstellen können. Wie zum Beispiel Kirchenmusik, weil ich seit meinem fünften Lebensjahr Klavier gespielt habe und später eben auch Orgel und das auch im Nebenberuf bis heute tue. Aber meine Eltern waren der Meinung, ich solle etwas Handfestes lernen. Und Musik kann man besser als Hobby betrieben als Chemie.

Und was hast du daraus gemacht?
Na, ich habe in England Chemie studiert, habe hinterher in Göttingen mein Studium beendet mit dem deutschen Diplom und dort promoviert.

Du bist Doktor?
Ich bin Doktor der Chemie, habe allerdings bei den Medizinern promoviert, also bin auch dort andere Wege gegangen, weil ich den Blick nach außen gewagt habe, nicht nur im eigenen Saft schmoren wollte. Und ich fand, die Idee ein menschliches Gen zu beschreiben und zu charakterisieren, ein bisschen in das menschliche Innere einzudringen sehr viel spannender als weitere Synthesen in der Organik im Labor auszuprobieren. In der Grundlagenforschung, überall in Deutschland, ist man natürlich stark theoriegetrieben und ich hatte schon immer einen großen Drang zur Praxis. Und deswegen habe ich wieder einmal einen kleinen Wendepunkt gesetzt und eben dann in einem anderen Fach, also in Toxikologie promoviert, und nicht in reiner Chemie.

Toxikologie heißt irgendetwas mit Giften, oder?
Ja. Wobei die volopolare Toxikologie, also die Zusammenhänge von, sagen wir mal, Metabolismus und Stoffwechselvorgängen im menschlichen Körper sind. Also Grundlagenforschung betreibt man in Deutschland in ganz vielen Fächern – ob das die Biologie ist, die Chemie oder eben die Toxikologie. Und das ist ein Fach, das eben gern von Chemikern, Biologen, Pharmazeuten gewählt wird, weil dort die verschiedenen Wissenschaften aufeinander treffen. Und überall da, wo man in Kontakt kommt, lernt man meistens eine große Menge Neues. Und ich war immer ein sehr neugieriger Mensch.

Bist du vom Glauben abgefallen, als du Chemie gelernt hast? Weil das kann sich ja teilweise widersprechen: an Gott glauben und Naturwissenschaft.
Naja, ich glaube, dass der Glaube, also das Fromm-Sein, sowieso sehr unterschiedlich bei Menschen ausgeprägt ist. Und wenn ich darüber nachdenke, was den Kern meines Glaubens ausmacht und den Zugang dazu, dann hat das sehr viel mit Musik zu tun. Ich bin ein sehr Musik liebender Mensch, spiele selbst Klavier und Orgel, habe immer gern gesungen, solange bis ich Politiker geworden bin, weil mir jetzt einfach die Zeit und manchmal auch die Stimme dazu fehlt, vom vielen Reden.
Aber ich glaube daran, dass wir Menschen nicht alles begreifen können und dass es schon Dimensionen gibt, die wir mit unserem menschlichen Verstand nicht erfassen können. Und der Glaube daran, dass es durchaus etwas Größeres als den menschlichen Verstand gibt, hat etwas Tröstliches und macht einem klar, dass auch dann, wenn unser Verständnis am Ende ist, die Welt nicht zu Ende sein muss. Und das ist etwas, womit ich sehr gut leben kann.

Bist du eher ein Bach-Girl oder Mozart-Girl?
Ich glaube beides.

Wirklich?
Also ich finde Bach einfach unglaublich genial, was die Musik angeht. Ich habe viele seiner Orgelstücke gespielt, wenn auch nicht so gut, wie das viele Profis machen würden, aber einfach weil ich die Musik liebe. Und genauso geht’s mir mit vielen seiner Oratorien. Ob es das Weihnachtsoratorium ist, das für mich zum Weihnachtsfest, also zwanghaft dazugehört – ob ich es selbst singe oder selbst höre. Und Mozart war einfach ein anderes Musikgenie, der es im Leben nicht so einfach hatte, aber dafür einfach fantastische Musik komponiert hat.

Bringt dir dein Doktortitel, dein Beruf was in der Politik?
In Deutschland sind Doktorentitel in der Politik eher hinderlich – anders zum Beispiel als in Österreich. Man transportiert Titel in Deutschland in der Politik auch nicht. Und ehrlich gesagt, brauche ich es auch nicht, denn der Wert eines Menschen und die Fähigkeit politisch zu handeln, ist mitnichten vom Doktortitel oder Professorentitel abhängig. Ich glaube sogar, dass er ein bisschen hinderlich ist.

Ich meinte eher so vom Wissen. Also ich meine, was kannst du aus deinem Fachgebiet einbringen in politische Debatten?
Also wenn die Promotion in Deutschland, wenn man sie klassisch vollzieht, also nicht in einem verschulten Programm, sondern eben letztlich selbstbestimmt, dann bringen diese mindestens drei Jahre einem bei, selbstständig zu arbeiten, seine Arbeit zu analysieren und auf Basis dieser Analyse weiterzumachen, zu entscheiden, ob eine neue Erkenntnis oder eine neue Aufgabenstellung eine Sackgasse ist, oder ob man eben noch einmal völlig neu denken muss, ob die Arbeit in eine völlig andere Richtung gehen muss. Und das ist wertvoll – aber nicht nur in der Politik. Das ist in jedem Beruf, in jedem Job wertvoll. Deswegen glaube ich auch, zählt die Promotion in Deutschland immer noch insgesamt als Berufserfahrung. Man hat dann eben schon drei Jahre gearbeitet, wenn auch auf einem Feld, das man sich selbst ausgesucht hat.

Bist du die letzten drei Jahre schon auf eine Sackgasse gestoßen?
Na, ich denke, die AfD ist das Ergebnis der Erkenntnis einer politischen Sackgasse – ob das beim Euro ist oder bei der Einwanderungspolitik oder vielen anderen Politikfeldern. Ich denke, es gehört zum menschlichen Leben dazu immer mal wieder einen Richtungswechsel vorzunehmen. Wir waren am Anfang bei den Wendepunkten. Aber ich glaube im Großen und Ganzen geht die AfD in die richtige Richtung. Das Arbeiten mit Menschen auch immer zu Sackgassen führt, wenn man sich nicht versteht, wenn man kein gemeinsamen Nenner findet, das ist nicht nur in der Politik so, das kann einem jeden Unternehmen ganz genauso passieren.

Jetzt warst du ja wahrscheinlich schon ein politischer Mensch bevor es die AfD gab. Wen hast du… Wo war deine politische Heimat vorher, wen hast du vorher gewählt?
Das werde ich oft gefragt. Und im Grunde genommen sind meine Eltern ein bisschen schuld. Ich sage das bewusst mit einem breiten Lächeln…

Was Papa wählt, wähle ich auch?
Nein, gar nicht. Sondern ich habe vorhin erzählt, wie meine Eltern uns aufs Leben vorbereitet haben, unter anderem dadurch dass wir viel geredet haben. Ich habe im Jahr 2008 mal in völligem anderem Kontext einer wissenschaftliche  Zeitung ein Interview gegeben und habe damals gesagt, bei uns wurde Politik am Kaffeetisch gemacht. Ich denke, das sind die Wurzeln meines politischen Verständnisses und die sind es bis heute geblieben. Ich habe mich immer interessiert und wenn man zwischen den Welten reist… Und der Umzug von Ostdeutschland nach Westdeutschland war zu Beginn des Jahres 1990 schon der Wechsel von einer politischen Welt in eine andere. Das macht einen in vielen Fällen zum politischen Menschen. Spätestens dann… Ich habe erlebt, wie meine Mutter als Rabenmutter bezeichnet wurde von den Klassenkameraden. Nicht unbedingt, um mich zu ärgern, sondern weil das eine Terminologie war, die es im Westen gab und die es im Osten nicht gab. Weil sie arbeitete, was in den 90ern für viele Mütter im Westen überhaupt nicht normal war. Ich bin selbst als solche bezeichnet worden, als 2002 unsere erste Tochter zur Welt kam, weil ich sie mit sieben Monaten in einer Studentenwerkskindergrippe abgegeben habe, um meine Promotion weitermachen zu können parallel. Also da sind so viele kleine Streiflichter, die einen zum Überlegen bringen und die letztendlich auch dazugeführt haben zu sagen: Doch, ich möchte ganz gern – obwohl ich es nie geplant habe – etwas verändern in diesem Land.

Aber wen hast du früher gewählt?
Ach, ich habe CDU gewählt, ich habe Schröder gewählt.

Den Schröder gewählt?
Als Schröder dann den politischen Wechsel herbeigeführt hat. Ich habe auch einmal FDP gewählt und ich habe einmal glaube ich auch nichts gewählt. Was ich nie gewählt habe, waren die Grünen.

Warum?
Na, als Chemiker geht man mit den Fragen von Umweltschutz, glaube ich, sehr viel differenzierter um als die Grünen. Und überspitzt gesagt, habe ich den Eindruck, dass sich viele Grünen eine menschenfreie Umwelt wünschen, die es aber in einem dichtbesiedelten Land wie Deutschland einfach nicht geben kann. Und deswegen glaube ich, dass viele ihrer Ideen einfach komplett utopisch sind, und dass es darum gehen muss, Natur und Mensch, und in Deutschland natürlich auch Industrie, weil die Industrie die Ursache unseres Wohlstandes im Wesentlichen ist, miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Und wenn heute Landwirte sich darüber beschweren, dass die Grünen nicht ihre politischen Unterstützer, sondern ihre politischen Gegner sind, dann zeigt das auch, dass diese Erkenntnis, die ich aus anderer Perspektive gehabt habe, offenbar auch für viele andere Menschen in Deutschland zutrifft.

Aber gibt es irgendetwas, was ihr von den Grünen gelernt habt oder lernen könnt?
Na, politisch gesehen… strukturell politisch gesehen, sind die Grünen vor der AfD die erfolgreichste jüngere Parteigründung. Und deswegen haben wir schon geschaut, wie die Grünen das in den ’80ern und Folgejahren gemanagt haben. Und gerade die Grünen haben gezeigt, dass politischer Neuanfang auch mit viel Chaos verbunden ist. Und wenn man von den Grünen etwas lernen kann, dann dass sie sehr beharrlich ihre Ziele – auch wenn ich sie politisch in den meisten Fällen nicht teile – über die Jahre, über die Jahrzehnte hinweggetragen haben, sodass am Ende eine Frau Merkel die Energiewende ausruft. Also mehr politische Bestätigung kann es für die Grünen ja eigentlich gar nicht geben. Und Beharrlichkeit ist etwas, was die AfD bestimmt von den Grünen lernen sollte.

Die meisten Sachen lehnt ihr ab. Womit kannst du dich identifizieren? Gibt es irgendetwas?
Die grundsätzliche Idee des Naturschutzes, mit der die Grünen ja großgeworden sind, auch wenn das damals von ihnen an die Wand gemalte Waldsterben nie so eingetreten ist und auch wahrscheinlich damals nicht so dramatisch war, wie von ihnen prognostiziert, aber die grundsätzliche Idee des Naturschutzes und des Verzichts auf Raubbau an der Natur, das ist eine richtige Idee. Nur dass sie von den Grünen meiner Ansicht nach grenzenlos übertrieben wurde. Und eben heute, wie ich gerade sagte, gerade auch der Kulturlandbau sich vor den Grünen rechtfertigen muss, auch wenn klar ist, dass wir ohne die Bauern in Deutschland nicht leben könnten.

Bist du eine Klimaschützerin?
Nein, die bin ich aus Überzeugung nicht.

Warum?
Das kann ich erklären. Also erst einmal: So wie für mich Naturschutz selbstverständlich ist, ist für mich Ressourcenschutz selbstverständlich. Und ich glaube nicht, dass es notwendig ist, das Schreckgespenst eines menschengemachten Klimawandels an die Wand zu malen, um sich ressourcenschonend zu verhalten. Und das sage ich aus einer bewusst chemischen Perspektive.  Ich kann das an einem Beispiel deutlich machen: Also wir gewinnen aus der Natur viele Rohstoffe und Erdöl ist am Ende auch ein natürlicher Rohstoff, den wir unter großem Kraftaufwand aus der ganzen Welt, in Deutschland leider nicht, aber in vielen anderen Ländern, gerade im Mittleren Osten, der Natur abgewinnen. Und in diesem Rohstoff ist verflucht viel chemische Komplexität schon vorhanden. Erdöl ist der Grundstoff für vieles, was wir tragen – ob das Stoffe sind, wenn wir jetzt nicht über Baumwolle, sondern über Synthetikstoffe reden. Er ist der Grundbaustein für Kunststoff. Und Kunststoff bestimmt unser tägliches Leben. Und das sage ich als Kunststoffchemikerin und weiß, wovon ich rede, weil ich selbst in meiner Firma damals Kunststoffe hergestellt habe. Und das grundsätzlich zu verbrennen und daraus Moleküle wie CO2 und Wasser zu machen, um es mal stark zu vereinfachen, das ist für mich schon Ressourenverschwendung. Wir müssten es schaffen, unseren Energiebedarf für Heizung und für Fortbewegung aus Quellen zu decken, die nicht so hochkomplex sind wie das Erdöl.

Also eher Sonne und Wind?
Dass das noch nicht vernünftig funktioniert, weil wir noch nicht die notwendigen Speicherkapazitäten haben und weil die nötige Technologien noch nicht ausgereift sind, das müssten wir uns ehrlicherweise eingestehen. Das tun wir aber nicht. Wir subventionieren momentan mit Steuergeldern und damit zu Lasten von Bürgern, von privaten Verbrauchern eine künstliche Energiewende, bei der wir wissenschaftlich noch nicht so weit sind. Aber Forschung in erneuerbare Energien, die halte ich für wichtig. Ich halte es aber für notwendig, für ökonomisch notwendig, die konventionellen Energieträger wie Gas, Öl und auch notfalls Kernkraft, verbunden mit allen Risiken, nicht komplett außen vorzulassen.
Also ich bin als Wissenschaftler der Meinung, man sollte nie Schwarz oder Weiß denken. Das ist eine Kritik, die ich an den Grünen habe, die für mich eben utopisch und nicht realistisch ist. Und Klimaschutz, um das mal zu beenden, die aktuell vorherrschende These ist, dass der menschengemachte Klimawandel existiert. Dass es einen Klimawandel gibt, da bin ich dabei, weil es den zu allen Zeiten gegeben hat. Allein ich halte die Hypothese, ob der Mensch dafür verantwortlich ist, nicht für bewiesen. Und selbst wenn man Bücher von den sogenannten Klimaschützern liest, es gibt ja in Potsdam ein Klimaforschungsinstitut, dann sind sie bei einer Frage eben auch nicht entschieden, nämlich die Frage, ob zuerst die Erwärmung da war oder erst der CO2-Anstieg – und das ist wie die Frage nach der Henne und dem Ei.

Mmh.
Und ich kann damit leben, diese Frage erstmal nicht zu beantworten und mich trotzdem für Ressourcenschonung einzusetzen. Das ist für mich realistische Politik – und nicht zu sagen: CO2 ist an allem schuld.

Aber du bist ja eine Wissenschaftlerin. Und irgendwie 97 Prozent der Wissenschaftler sagen doch, der Klimawandel ist besonders durch die Menschen verschärft worden.
Ja, es stimmt. Es ist eine große Mehrheit, die das sagen. Wenn man aber weiß, wie  Grundlagenforschung funktioniert und wie sich Förderprogramme finanzieren, und wie es auch in der Wissenschaft leider keine politische Unabhängigkeit gibt. Und wir wissen, dass der Klimarat, der sogenannte IPPC eine politische Einrichtung ist, der zugibt, dass alle Modelle, die wir derzeit haben, die  auf Hypothesen basieren, dass wir nicht erklären können, warum das Ozonloch wieder zugegangen ist, der so der erste politische Schreckensfaktor am Klimahorizont war,…

Weil wir FCKW verboten haben.
Naja, aber wenn wir wissen, dass gerade die Folgeprodukte der FCKWs durchaus auch ozonschädlich sein können, dass die Prozesse, in denen diese Phänomene ablaufen, nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte und zum Teil Jahrhunderte sind, dann bleiben da einfach verdammt viele Fragen offen. Und noch einmal: Ich bin dafür, ressourcenschonend zu arbeiten. Aber ich bin dagegen, den Menschen Angst zu machen. Vielleicht auch deswegen, weil das genau das ist, was man uns immer vorwirft.

Wir kommen mal zu Politik allgemein.
Das war ja schon hochpolitisch.

Jaja, überraschend. Erklär uns mal, was sind denn aus deiner Sicht die Aufgaben von Politik?
Menschen zu bilden.

Bilden?
Ja. Menschen, Bürger zu bilden.

Aufklärung.
Ja, Aufklärung im ganz breiten Sinne. Und auch Bürger dazu zu befähigen, selbst Entscheidungen zu treffen. Also du weißt ja vielleicht, dass die AfD als einzige Partei derzeit vehement für Volksentscheidungen auf Bundesebene eintritt, weil wir sagen: Das Schweizer Modell hat sich in über einhundert Jahren der Schweiz, deren Geschichte ja noch viel länger ist, als sehr tauglich erwiesen. Es vermeidet nicht Fehlentscheidungen, aber Bürger einzubeziehen und die Volksentscheide als Ergänzung zu parlamentarischen Entscheidungen zu betrachten, halten wir für richtig, weil sie eine gesellschaftliche Debatte mit allen wichtigen Fragen erzwingt. Denn das ist dann die Verantwortung aller Politiker zu sagen: Wir brauchen die Bürger an der Stelle, wir müssen mit ihnen reden, um sie entscheidungsfähig zu machen.

Wobei die Bürger sollen und wollen ja nicht über alles abstimmen. Darum: Was sind eure Aufgaben? Du bist Abgeordnete ja auch. Was sind die allgemeinen Aufgaben?
Naja, die eine Frage habe ich gerade bereits beantwortet. Ich glaube, dass ein Großteil der politischen Verantwortung das Reden mit dem Bürger ist und nicht so sehr das Reden über den Bürger. Deswegen bieten wir viele Veranstaltungen an, wo wir einfach völlig ungefiltert viele Fragen zulassen, egal worüber man an dem Abend gerade referiert hat. Und die andere Aufgabe ist natürlich die parlamentarische Arbeit. Und die besteht für einen Abgeordneten darin, Anträge mit einzubringen, in der Opposition die Regierung zu befragen, über Anträge der anderen Parteien zu diskutieren und am Ende darüber abzustimmen. Und dann wieder das, was man im Parlament getan hat, den Bürgern zu vermitteln.

Gehen wir mal ein paar Politikfelder durch und kannst du mir mal erklären, was deine Haltung und die deiner Partei ist. Ich wollte mal zur Sozial- und Wirtschaftspolitik kommen. Muss der Staat wie ein Unternehmen geführt werden?
Das ist eine schwierige Frage, also weder mit „ja“ noch mit „nein“ zu beantworten. Also wenn wir den Staat als ein Instrument einer demokratischen Gesellschaft betrachten, denn der Staat sollte am Ende einer dem Bürger dienen, für den Bürger arbeiten und nicht gegen ihn, was häufig die Empfindung vieler Menschen ist, wenn es an weitere Regularien und Kontrollen geht, gerade auch was kleinere und mittelständische Unternehmen betrifft. Dann ist ein Staat der effizient wie ein Unternehmen wirtschaftet eine gute Sache, aber er muss natürlich immer noch nach den demokratischen Gepflogenheiten agieren. Das heißt, ein Staats und diejenigen, die ihn repräsentieren in der Verwaltung müssen sich an Gesetze halten. Das heißt, ein Parlament beschließt Gesetze, eine Regierung setzt sie in Exekutive um und die Verwaltung tut dann das, was die Regierung umgesetzt hat. Und ich glaube, es gibt weder ein „Wir brauchen nur privat“ und „Wir brauchen nur Staat“. Wir wissen ja, wir haben gerade in den 90er Jahren und auch zu Beginn der 2000er viele Privatisierungsinitiativen hinter uns, weil der Staat angeblich immer zu ineffizient ist. Wenn wir aber die Energiepolitik anschauen, die privatisiert wurde, um sie effizienter zu machen, hat gerade staatliche Politik dazu geführt, dass auch private Unternehmen nicht besser wirtschaften können. Denn wir haben heute Energieverbraucherpreis, die viel höher sind als in den 90er Jahren. Und im Übrigen: Das kein weltweites Phänomen ist, sondern ein sehr deutsches Phänomen. Unter anderem aufgrund der staatlich verordneten Energiewende. Insofern glaube ich, wenn der Staat sich  Unternehmensgedanken zu Regeln und Maximen nimmt, um…

Welche Maxime?
…um professionelle Mitarbeiter in der Verwaltung zu beschäftigen, die dann sachlich fundierte Entscheidungen treffen können, dann hat der Staat von Unternehmen viel gelernt. Aber es heißt eben nicht, dass privat geführte Unternehmen deswegen dem Bürger immer besser dienen müssen. Nehmen wir ein Beispiel: der privaten Wasserversorgung, gegen die es in den letzten drei Jahren in Europa eine regelrechte Bürgerbewegung gegeben hat, weil die Privatisierung unter anderem von der Wasserversorgung dafür sorgt, dass Privatgewinne abgeschöpft werden. Wenn aber das Infrastruktursystem von Wasserleitungen und Wassernetzen eines ist, was einer dauerhaften Pflege bedarf, einer dauerhaften Investition, die eigentlich der Staat trotzdem leisten muss.

Da höre ich ein bisschen raus, als wenn du ein paar Sachen wieder verstaatlichen würdest.
Na, wir sagen nur, dass der Staat die Kernaufgaben bedienen muss.

Was sind die Kernaufgaben?
Na, die Kernaufgaben sind durchaus die Versorgung mit infrastrukturellen Maßnahmen.

Strom, Wasser, Internet?
Na gut, die sind privatisiert. Der Staat hat noch einen Zugriff darauf, aber ich denke, wir können feststellen,… Also Wasser im Übrigen gibt es eine Re-Verstaatlichungswelle in ganz Europa. Ich halte das durchaus für wichtig, wenn der Staat effizient mit den Geldern der Bürger umgeht. Und in der Tat wende ich mich zumindest gegen eine blinde weitere Privatisierung.
Was man auf der Ebene zum Beispiel der Deutschen Bahn tun müsste, wäre eine konsequente Beibehaltung der Verstaatlichung der Schienennetze, aber durchaus den Wettbewerb, was die Verkehrsbetriebe angeht, die gibt es ja zum Teil schon. Stellen Sie sich doch mal vor, es hätte im 19. Jahrhundert keine staatliche Eisenbahn gegeben. Deutschland wäre nie so gut erschlossen worden über Bahnnetze, wie das passiert ist. Insofern muss man sagen: Beides hat seine guten und schlechten Seiten. Und ein Staat, der das Beste sozusagen aus den Ideen der privaten Wirtschaft macht, der hat es richtig gemacht.

Gibt es Sozialversicherungen, die ihr privatisieren wollt, die du privatisieren würdest?
Das geisterte so ein bisschen durch die Medien. Stimmt aber nicht. Die AfD hat das nicht vor. Das waren individuelle libertäre Entwürfe, die sich aber in der AfD nicht durchgesetzt haben und meiner Ansicht nach auch nicht durchsetzen werden.

Private Rentenvorsorge, private Krankenversicherung,…
Naja, die gibt es ja.

Jaja, aber man könnte ja die Gesetzlichen streichen.
Naja, zur Krankenversicherung haben wir uns noch nicht geäußert. Da bin ich auch ganz froh, dass wir da erstmal konzeptintern arbeiten, bevor wir das in die Öffentlichkeit…

Wie ist denn deine Haltung? Bist du gesetzlich versichert oder privat?
Ich war lange gesetzlich versichert, ich bin jetzt privat versichert, weil ich zwischendurch Unternehmer war und mich als Unternehmer privat versichern musste und bin das geblieben. Aber ich glaube durchaus, dass dieses Zweiklassensystem in Deutschland ein Problem ist. Nicht weil ich grundsätzlich etwas gegen die Privaten habe, sondern weil es de facto zu  einer Zweiklassenmedizin führt und dazu, dass insbesondere Politiker, aber auch Beamte in dieses System nicht einzahlen. Das heißt, wir haben nicht nur ein Ausgabenproblem, wir haben auch ein Einnahmeproblem, das insbesondere Familien stark belastet. Und als Mutter von vier Kindern weiß ich, was Familie kostet und wie viel Belastung, finanzielle Belastung, man sowieso schon hat und glaube, dass es mir an der Stelle zwar noch gut geht, weil Politiker trotzdem – entgegen vieler Bekundungen von Politikern – trotzdem recht gut bezahlt sind, aber ich sehe, wie es vielen Arbeitnehmern geht. Gerade wenn Familien mehrere Kinder haben, die haben es echt schwer, über die Runden zu kommen. Und ich glaube, dass da ein Umdenken bei der Krankenversicherung hilft. Aber ich glaube, dass wir da ein abgestimmtes Konzept brauchen – und das habe wir noch nicht.

Bei der Rente, du hast die Schweiz angesprochen, die haben ja die Volksabstimmung. In der Schweiz zahlt jeder in die Rente ein. Beamte, Blablabla.
Korrekt.

Alle! Braucht es so etwas auch in Deutschland?
Ich habe gerade ja schon gesagt, die Tatsache, dass der Staat mit seinen Beamten in die Rentenversicherung nicht einzahlt. Ich weiß nicht, ob es bekannt ist, aber die meisten Beamten sind ja beihilfeberechtigt. Das heißt, sie zahlen keine Beiträge und der Staat springt aber im Falle einer Krankheit dann für ihre Kosten ein. Das heißt aber, dass sie beim Solidarsystem nicht beitragen. Das führt interessanterweise auch dazu, dass das Netto-Einkommen eines Beamten immer höher ist als eines vergleichbaren Angestellten mit identischem Brutto-Einkommen. Was wiederum dazu führt, dass bei der Rentenberechnung, die auf der Netto-Basis berechnet wird, dann der Angestellte am Ende wieder weniger Rente rausbekommt als jemand, der eine Pension empfängt. Weil auch das Netto eines Beamten aufgrund der fehlenden Sozialversicherungsbeiträge höher ist, als bei einem Angestellten. Also da gibt es große Unterschiede. Und in der Tat, glaube ich, dass diese Ungleichbehandlung in weiten Teilen Deutschlands nicht verstanden wird und als Ungerechtigkeit betrachten werden.

Bist du auch gegen diese Beitragshöchstgrenze?
Naja, die AfD überlegt gerade, aber wir sind noch nicht am Ende der Diskussion, ob man  nach Schweizer Modell eine Ausweitung der Beitragsbemessungsgrenze erreichen sollte. Aber das Rentensystem ist so komplex. Und wir haben seit Jahren aufgrund der fehlenden Kinder, aufgrund der sinkenden Geburtenzahlen einfach eine Schieflage von Einzahlern und Empfängern im Rentensystem. Und deswegen gibt es ja diese Quersubventionierungen über Steuerausgaben oder Steuermittel schon heute. Und deswegen halte ich wenig davon jetzt ein unausgegorenes, halbes Konzept zu präsentieren, daran sollten wir in aller Ruhe arbeiten. Tatsache ist nur, dass wir so nicht weiterarbeiten können und dass uns das demografische Ungleichgewicht – oder auf deutsch: der Kindermangel – einfach schon jetzt auf die Füße fallen und auch weiter auf die Füße fallen werden, wenn wir das nicht ändern. Und das ist eine langfristige Aufgabe.
Wir brauchen also wieder mehr Kinder. Also die freundliche Aufforderung an alle jungen Leute, die zuhören,… Ich glaube, es ist eine gute Entscheidung sich für Kinder zu entscheiden. Nicht nur für eins oder zwei, sondern gern auch für drei oder vier. Und das sage ich ganz bewusst als Mutter von vier Kindern, die häufigerweise auch acht zu Hause hat, weil man Partner selbst auch nochmal vier Kinder hat.

Wow.
Das ist zwar anstrengend, aber es erdet auch gewaltig. Und ich glaube, wenn wir mehr Politiker mit vielen Kindern hätten, würde das Politik auch versachlichen.

So wie bei Ursula von der Leyen, ja?
Ja. Ich meine, Ursula von der Leyen sieht ihre Kinder auch nicht mehr sehr häufig. Sie hat sieben, soweit ich weiß und die sind auch deutlich älter als meine. Meine sind 5,7, 11 und 14. Aber ja, Politiker mit Kindern sind etwas Gutes!

Apropos Kinder: Erbschaftssteuer, würde ich mal ganz kurz ansprechen wollen. Die wollt ihr abschaffen, habe ich gehört?
Ja, total kontroverses Thema in der AfD. Aber ich glaube auch ein kontroverses Thema in der Gesellschaft, weil es an der Grundfrage rührt. Ich persönlich kann das sagen, weil der Parteitag schon entschieden hat, bin gegen eine Erbschaftssteuer. Aus einem ganz einfachen Grund, weil ich sage, bereits einmal besteuertes Einkommen sollte nicht noch einmal besteuert werden. Und die Gegner, die ich verstehen kann, auch wenn ich die Meinung persönlich nicht teile, sagen, wer etwas ererbt hat und gar nichts dafür getan hat, also das Geld geschenkt bekommt, warum sollte der nicht mit einer Steuer auch einen Beitrag zur Gesellschaft leisten? Also ich kann das nachvollziehen. Aus Unternehmerperspektive teile ich das nicht und sage, man könnte sich ja auf einen Kompromiss vielleicht auch irgendwann einigen, denn die AfD ist derzeit noch nicht mehrheitsfähig. Insofern ist unsere Idee der Abschaffung eine politische Aussage und Forderung, aber ja noch kein Gesetz in Deutschland. Aber eine Idee für einen Kompromiss könnte vielleicht so aussehen, dass man sagt: Wenn es darum geht Wirtschaftsfähigkeit zu erhalten, und da geht es mir besonders um die mittelständische Wirtschaft, die arg gebeutelt ist, wenn es darum geht, dass vererbtes Eigentum wie Firmenanteile und dergleichen mehr und auch vererbtes Eigentum, dass man ja häufig als Kapitalrücklage für ein Unternehmen braucht für Krisenzeiten, dass das definitiv nicht besteuert wird. Weil gerade der Mittelstand, und besonders im Osten, es total schwer hat, in Krisenzeiten zu überleben. Das sehen wir gerade jetzt, nicht nur bei den Bauern, die wegen der Russlandsubventionen, die Milchbauern, weil der Absatz in China eingebrochen ist, oder auch weil viele ostdeutsche Unternehmen nach Russland aktuell nicht verkaufen können, weil die in große wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, weil ihnen das Geld fehlt, um ihre Unternehmen dann in Krisenzeiten privat stützen zu können. Und am Ende, und das sage ich aus eigener Erfahrung, agieren die meisten Mittelständler so, die verzichten eher auf ihr eigenes Gehalt, um ihre Angestellten nicht entlassen zu müssen. Und da gibt es eine große Diskrepanz in der deutschen Wirtschaft zwischen dem Mittelstand, der nach wie vor extrem wichtig für die wirtschaftliche Stabilität ist, und den Großunternehmen, bei denen es letztendlich egal ist, ob das Manager A, B oder C ist, der das Unternehmen regiert, weil die Struktur so riesig ist, dass es auf die Repräsentationsfigur an der Spitze häufig gar nicht mehr ankommt. Das ist ein bisschen so wie bei den Ministerien, wo das Fachpersonal unter dem Minister häufig sehr viel wichtiger ist als der Repräsentant, der dann am Ende vor der Kamera oder auch vor dem Mikrofon steht. Und aus dem Grund sage ich, Erbschaftssteuer sehe ich generell kritisch. Deswegen hat die AfD diesen Beschluss gefasst, der aber intern auch nicht unumstritten ist. Und es muss am Ende eine faire und gerechte Verteilung von Lasten in der Gesellschaft geben – und deswegen würde ich gern viele Sorten der Doppelbesteuerung abschaffen, wie zum Beispiel Stromsteuer und Mehrwertsteuer,  Ökosteuer und Mehrwertsteuer. Sektsteuer, die wir immer noch zahlen, die mal zur Finanzierung der kaiserlichen Marine gedacht worden war. Den Kaiser haben wir nicht mehr.

Aber die Marine noch.
Die Marine noch, wenn auch nicht in großem Maße. Steuertransparenz ist das, was die Leute brauchen. Und gerade für die jungen Leute kann man sagen: Also ihr versteht das Steuersystem bestimmt nicht mehr, ich verstehe es in weiten Teilen auch nicht mehr. Und die Idee von Herrn März von der CDU damals, die Steuererklärung auf dem Bierdeckel machen zu können, die war zwar sehr plakativ oder heute sagt man populistisch, aber ich finde sie richtig. Wenn Politiker dafür kämpfen wollen, dann ist Transparenz ein wesentliches Element von Demokratie.

Aber ganz kurz nochmal: Bei der Erbschaftssteuer da geht es ja nicht nur um Unternehmen, verstehe ich. Es geht ja auch darum, wenn Opa mir 1.000 Euro vererbt, dann sagst du: Darauf brauche ich keine Steuern zahlen.
Naja, die 1.000 Euro sind – unter uns – jetzt nicht das Problem. Die sind selbst jetzt kein Problem im aktuellen Erbschaftsteuersystem, die sind die Freigrenze.

Aber wenn der mir eine Million gibt, dann auch keine Steuern?
Ja. Persönlich sage ich: Wenn der Opa das auf hoffentlich legalem Wege erworben hat und dafür Steuern gezahlt hat,…

Das kann ich nicht garantieren,…
Das ist aber eher ein Problem deines Opas als des Gesetzes.
Also Gesetze müssen ja grundsätzlich in einem Rechtsstaat für die Gesetzestreuen gemacht sein. Und manchmal habe ich denn Eindruck, dass Gesetze heutzutage dann gemacht werden, wenn man damit das Fehlverhalten einer Minderheit rechtfertigen will. Nimm mal zum Beispiel das Thema der Bargeldeinschränkung. Das ist ein Thema der AfD, weil wir uns für den Erhalt von Bargeld einsetzen. Nicht nur, weil wir wollen, dass es egal ist, welche CD ich in welchem Laden kaufe und welches Geschenk für welche Freundin oder für welchen Liebsten ich erwerbe, was man über die Kreditkarte, über die EC-Karte, beim Bargeldkauf aber nicht, sondern weil wir sagen, dass zur Abschaffung oder zur Einschränkung des Bargeldes ein trifftiger Grund gehört. Und die Regierung rechtfertigt das aktuell damit…

Terrorismus.
Mit Terrorismus und mit organisiertem Verbrechen. Wenn ma die Statistik aber anguckt, dann sind nur vier Prozent, also übersetzt für alle die, die in Prozentrechnung nicht so stark sind, und ich weiß, dass das viele sind, auch bei den Politikern übrigens, vier Euro, die in irgendeiner Weise in kriminellen Handlungen ausgegeben werden. Das heißt aber, dass 96 Prozent der Bevölkerung oder 96 Prozent des verwendeten Bargeldes regelgerecht eingesetzt werden. Und dann ist eine Begründung der vier Prozent einfach keine rechtsstaatliche Begründung für die Abschaffung oder Einschränkung. Und dann sagt die Regierung: Nein, abschaffen wollen wir es ja gar nicht, nur einschränken. Aber in Schweden ist das Bargeld de facto abgeschafft. Eingeschränkt, eingeschränkt, eingeschränkt – das ist die Salamitaktik von Politikern, die ich fürchterlich finde und die ich mir hoffentlich nie aneignen werde.

Wechseln wir mal das Politikfeld.
Ja.


Welche Alternativen bietet ihr bei der Drogenpolitik?
Erwischt, sage ich. Wir haben an der Stelle, abgesehen von unserer Jugendorganisation, die sagt Drogen legalisieren, weil…

Nein!
Ja. Also nicht alle legalisieren, aber ich glaube Cannabis wollen sie gerne legalisieren.

Also wie die Grünen, ja?
Das dürfen unsere Jugendlichen aber auch sagen, weil die Jugendorganisation immer mehr Freiheiten hat als die Mutterpartei.

Wie ist denn deine Meinung?
Die Partei hat da zur Zeit keine Position dazu. Als Parteichefin ist ja jede Meinung, die ich privat äußere ja meistens auch sofort Parteimeinung und deswegen gehört die Bemerkung davor, dass die AfD sich dazu nicht geäußert hat.
Ich bin hin und hergerissen aus folgendem Grund. Ich wohne in Sachsen. Und in Sachsen stellt man schon seit über zehn Jahren fest, dass die Kriminalität gerade mit Crystal, das oftmals aus der Tschechei eingeführt wird, enorm angestiegen ist. Und das Problem haben wir nicht erst seit 2,3 Jahren, wo es öffentlich wird, sondern die Bundespolizei sieht diese Schmuggelaktivitäten schon seit langem. Wäre Crystal legal, dann dürfte der Handel damit auch gar nicht mehr eingeschränkt bzw. verfolgt werden. Und wir wissen, dass gerade bei Crystal, wenn Jugendliche es nehmen oder es gfls. gegeben bekommen. Es gibt ja auch die Fälle, wo die Kollegen es einfach in die Cola mixen in der Disko.

Crystal Meth in der Cola?
Andere synthetische Drogen. Siehst schon, ich bin schon kein Drogenexperte. Aber dass der Gebrauch von Crystal nach einer kurzen Zeit nicht nur zu einer schweren Abhängigkeit, sondern auch zu schweren physischen Schäden führt. Und ich habe eine Mitarbeiterin meiner Firma gehabt, die am Ende ihren Enkelsohn betreut hat, weil seine Mutter Crystal Meth abhängig war und weil das Kind darunter massiv gelitten hat.
Und wir haben so wenige Kinder in Deutschland, dass ich eine große Gefahr darin sehe, Drogen zu legalisieren und damit ja, „hoffähig“ zu machen.

Aber bei der Legalisierung geht es ja eher so ab 18, ne? Kommen wir mal zum Gras.
Ja.

Das ist ja so die ungefährlichste Droge. Und da geht es nicht darum, dass Kinder, Jugendliche das rauchen können sollen, sondern erwachsene Menschen. Und liberal – also von der FDP habe ich gelernt: Freiheit heißt, mit seinem Körper machen zu können, was man will.

Ja, ich glaube die FDP verwechselt liberal mit beliebig. Also das ist der Grund, warum ich die FDP nicht mehr wählen könnte. Und das ist auch der Grund, warum auch viele ehemalige FDP-Mitglieder bei der AfD gelandet sind, weil die zu einer kleinen Teepartei verkommen ist.

Marihuana.
Ja, sagen wir mal so: Ich selbst habe nie Drogen genommen, insofern bin ich wahrscheinlich total uncool.

Du hast noch nie gekifft?
Ja, das gebe ich offen zu. Aber ich habe es auch nicht vermisst. Ich habe auch nie geraucht.

Nein?
Ja.

Nur gesoffen?
Ab und zu als Student.

Oh, was getrunken.
Naja, ich glaube, das ist gut, wenn das in der Vergangenheit bleibt. Ich glaube, mal betrunken gewesen zu sein, gehört in der Regel an Selbsterfahrung dazu. Aber ich muss das nicht immer wiederholen, aber ich trinke in der Regel solange es schmeckt und wenn nicht, dann höre ich auf. Und das ist meistens ein guter Punkt.

Anders als viele Bundestagsabgeordnete würdest du jetzt jeden Drogentest bestehen?
Naja. Das Schlimme ist, dass in der Politik manchmal nur das Gerücht ausreicht, um jemand zu beschädigen, dass man es ihm nicht nachweisen kann. Das ist das Wesen der Medien.
Aber zurück zur Legalisierung von Drogen. Also ich verstehe diejenigen, die sagen, dass eine Kriminalisierung gerade von harmloseren von Drogen dazu beiträgt, dass man es in den Untergrund drängt und das Verbotene… Natürlich Menschen, gerade Jugendliche erst recht anlockt. Ich verstehe die Argumentation. Ich halte allerdings, meine persönliche Meinung, dass das Risiko, der Drogenkonsum noch akzeptierter wird, wenn er zumindest teilweise legalisiert wird, durchaus ebenfalls für risikobehaftet. Und wäre mindestens neutral an der Stelle. Und glaube, dass man das durchaus in Breite diskutieren müsste. Ich persönlich kann es mir nicht vorstellen. Und ich glaube glaube, dass es ohne Drogen im Leben nicht abgeht. Auch der Tee ist eine Droge.

Kaffee.
Ja.

Kaffee trinkst du?
Ja, aber ich habe während meiner Schwangerschaft mit meinen Kindern auch auf Kaffee verzichtet für ein Jahr. Also es geht auch ohne.

Mmh.
Aber mein Generalsekretär sagt immer: Die Summe aller Laster ist gleich. Der eine isst Schokolade,  auch das macht durchaus süchtig, weil Zucker drin ist. Und ich denke, über gefährliche Drogen muss man durchaus ernsthaft politisch diskutieren.

Wechseln wir das Thema. Überwachungsstaat. Welche Alternativen bietet ihr da?
Das ist eine spannende Kiste, weil in der AfD Mitglieder und Funktionäre zusammenkommen, die aus der CDU stammen, aus der FDP, vorher aus keiner Partei kommen, das ist die Mehrheit der Mitglieder nach wie vor. Und wir an der internen Diskussion immer merken, dass die Liberaleren, die Freiheitlicheren sagen: Bitte, bitte ja nicht so viel Überwachung. Und die sicherheitsorientierten Konservativen sagen: Ja, aber wir brauchen den Staat, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.

Was sagst du?
Das spannende…
Ich sage, das Spannungsfeld müssen wir aushalten und wir müssen die Polizei in ihren Aufgaben bestärken. Ich bin deswegen für  Grenzkontrollen, weil ich sage, dort kann Sicherheit sehr effizient ausgeführt werden, ausgeübt werden, weil grenznahe, mobile Kontrollen viel aufwendiger und teurer sind als Grenzkontrollen direkt an der Grenze. Aber ich will keinen Überwachungsstaat.
Und ich möchte, dass wir uns darüber klar werden, dass der Staat seit 2001, ob das die Fluggastdatenspeicherung, der mögliche Zugriff auf Konten, die Überwachung von Bankkonten von Bürgern und auch die Videoüberwachung an vielen öffentlichen Orten, das die zu einer zunehmenden Überwachung führen. Und wir haben de facto kein Bankgeheimnis mehr. Und die Blaupause in Zypern, wo man in der Staatsschuldenkrise auf das private Geld von Bürgern zugegriffen hat, um die Staatskrise zu beenden, das halte ich für einen schwerwiegenden Eingriff in das private Eigentum und deswegen ist da für mich eine Grenze erreicht. Und der freiheitliche Staat, den ich gerne erhalten möchte, und den die AfD gern erhalten möchte, der muss eben die Sicherheitsinteressen gegen die Freiheitsinteressen immer abwägen. Und ich sage: Kontrolle des Staates nur da, wo es definitiv nicht anders geht. Und da könnten wir zum Beispiel bei Unternehmen in vielen Stellen ansetzen. Der Staat muss nicht wissen, was ich als Unternehmer wann wohin verkauft habe. Der Staat muss auch genau genommen nicht wissen, wofür ich mein Geld ausgebe. Viele der Statistiken, die wir erheben, als gründliche Deutsche, wie man manchmal sagen möchte, die sind zwar vielleicht spannend für den statistisch Versessenen, notwendig sind sie aber nicht.

Okay. Aber was ist mit NSA-Überwachung? Also die digitale Überwachung, Vorratsdatenspeicherung?
Die AfD ist in der Mehrheit gegen eine Vorratsdatenspeicherung. Mindestens für eine Begrenzung.

Wow.
Ja. Ich bin auch dagegen.

Abschaffung oder Begrenzung? Weil begrenzt ist sie ja jetzt schon.
Genau. Sie ist ja vom Europäischen Gerichtshof auch zurückgeholt worden. Deutschland wollte ja andere…

Und jetzt wieder beschlossen worden.
Und jetzt wieder ja in einer veränderten Form beschlossen worden. Die Extremposition der AfD ist komplett abschaffen. Ich sehe, wenn ich mit der Polizei rede, dass es gute Argumente dafür gibt, eine begrenzte Speicherung durchaus zuzulassen. Parteimeinung, geschlossene Meinung ist aber keine Vorratsdatenspeicherung. Ich glaube tatsächlich, dass wir, wenn wir über Sicherheit reden, schauen müssen, was die Kernaufgaben der Polizei sind. Und dazu gehören Grenzkontrollen, die wir lange Zeit hatten und die uns natürlich auch Geld kosten, die aber uns Deutsche weder in der Reisefreiheit jemals beschränkt haben noch in unserem Wirtschaftstreiben. Wir waren damals schon Exportweltmeister und damals Reiseweltmeister, als es noch Grenzkontrollen gab. Dass wir die nicht ohne Not über Bord hätten werfen sollen, auch wenn es toll ist, an der Grenze nicht mehr den Pass vorzeigen zu müssen. Dass wir viele Probleme, die wir uns durch Migration eingehandelt haben, nicht hätten einhandeln müssen. Und dass wir, wenn wir die Probleme gelöst haben, und dann sehen, dass wir im Internet immer noch zum Teil Kontrolle brauchen, um zum Beispiel Kinderpornografie zu verhindern, dass wir daran gehen sollten die Polizei professionell auszustatten. Wenn ich manchmal vorm Staatsschutz höre, womit die linksextremistische Szene ausgestattet ist an elektronischen Equipment und was unsere Polizei und der Staatsschutz zur Verfügung haben, dann hängen unsere Behörden gegenüber mancher Vereinigung am Rande der Gesellschaft datentechnisch echt hinterher. Da können wir helfen, bevor wir den Bürger unter Generalverdacht stellen.

Wirst du überwacht?
Das weiß ich nicht.

Das weißt du nicht?
Nein.

Glaubst du das überhaupt?
Das ist gar nicht so entscheidend, was ich glaube an der Stelle. Es ändert auch nichts. Und es ändert auch mein Verhalten nicht. Es gibt sicherlich einige Indizien, die dafür sprechen, dass Mobiltelefone, die grenzübergreifend telefonieren, abgehört werden. Weil, du hast es gerade gesagt, der NSA nach wie vor auf deutschem Boden agiert. Das finde ich, ist ein schwerer rechtsstaatlicher Verstoß, wenn die Bundesregierung ihn weiterhin zulässt. Denn wenn es eigene Geheimdienste gibt, die im Land und im Ausland überwachen, dann halte ich das für eine Notwendigkeit, auch wenn es persönlich vielleicht nicht schön ist. Aber dass die Bundesregierung zulässt, dass ausländische Geheimdienste in Deutschland spionieren und quasi damit die Aufgaben der eigenen Geheimdienste übernehmen, dann halte ich das für nicht richtig.

Wen würdest du überwachen lassen?
Also ich denke, dass es gerade im Feld der illegalen Einwanderung richtig ist, wenn der Verfassungsschutz sagt, dass wir extremistisches Treiben überwachen müssen – und zwar an allen politischen Rändern, links und rechts.

Linksextreme Flüchtlinge?
Nein. Ich denke, dass es Linksextremismus immer in Deutschland gegeben hat genauso wie es Rechtsextremismus gegeben hat.
Und was die Migration angeht als drittes großes Feld, wissen wir, dass es wahrscheinlich eine 5-stellige Anzahl an Personen gibt in Deutschland, die als noch nicht einmal verdeckte, zum Teil auch offene Dschihadisten oder Hisbollah-Kämpfer oder anders geartete religiöse Vorkämpfer nach Deutschland eingewandert sind. Und ich glaube, wir können von anderen Staaten wie zum Beispiel Israel, die das jetzt seit Jahrzehnten professioneller betreiben als wir, lernen, wie man geheimdienstlich solche Aktivitäten überwacht. Ich bin froh, dass es in Deutschland noch nicht zu solchen Anschlägen gekommen ist, aber…

Gab es schon einen islamistischen Anschlag in Deutschland?
Naja, wir haben Anschläge dieser Größenordnung wie in Brüssel zum Beispiel jetzt zuletzt noch nicht erlebt. Wir wissen, dass wir Bandenkriminalität, die durchaus auch durch Einwanderer gespeist wird, in allen deutsche Großstädten, haben.

Aber Terroranschläge. Gab bisher einen islamistischen Terroranschlag  in Deutschland?
Sehen sie… Sage ich ja gerade: Einen Anschlag dieser Größenordnung hat es bisher nicht gegeben. Wenn die Berichte damals darüber stimmten, haben wir im Sauerland terroristische Aktivitäten gehabt. Wir haben immer wieder verhinderte Anschläge. Ich bin nicht bei der Polizei. Wir müssen dem glauben, was wir in der Öffentlichkeit hören. Ich denke aber schon, dass die Gefahr dafür massiv gestiegen ist. Die Frage darf ja nicht sein: Hatten wir schon einen, und werden wir erst dann tätig? Sondern die Aufgabe von Polizei und Sicherheitsdiensten ist Prävention. Der sprichwörtliche Schutzmann … um es auf die Ebene von Polizisten hinunterzubrechen. Das ist das, was wir brauchen. Und wenn ich mit Polizisten rede, und wir haben viele Polizisten in den eigenen Reihe, aus Überzeugung. Und einen sehr, sehr guten Kontakt zum Beispiel zu den Polizeigewerkschaften. Dann sagen die zu dieser Aufgabe, dem Wahrnehmen der Schutzfunktion, kommen wir schon lange nicht mehr.

Wechseln wir das Feld mal ein bisschen: Außenpolitik. Du hast gerade Israel angesprochen. Welche Verhältnis hast du zu Israel?
Ich war erst einmal privat in Israel. Ist ein spannendes Land. Ich glaube, in Israel kann man sehen, wie rechtsstaatlich versucht wird, auch Religionstoleranz mit allen Aufgaben zu leben. Und ich glaube schon, Deutschland hat die Aufgabe Israel zu unterstützen, weil es ein demokratischer Staat außerhalb Europas ist, zu dem es viele Werteverwandtschaften ist. Ich glaube allerdings, dass auch da viel Unwissenheit über die tatsächlichen Verhältnisse besteht.

Welche, was kann die deutsche Politik von Israel lernen? Du hast es ja gerade schon angedeutet.
Naja, gerade im Umgang mit Migration, gerade im Umgang mit dem Islam, denke ich, können wir viel von Israel lernen. Der israelische Staat ist sehr stark bemüht, demokratische Regeln aufrecht zu erhalten, wird immer wieder von Anschlägen erschüttert. Es gibt natürlich Konflikte mit den Palästinensern. Man versucht rechtsstaatlich zu lösen. Und ich glaube, dass nicht nur aufgrund gemeinsamer Werte, die wir mit dem Staat Israel teilen, sondern auch natürlich aufgrund der deutschen Geschichte es gute Gründe gibt, dass wir Israel helfen, seine Demokratie aufrecht zu erhalten. Und gerade im Feld der Sicherheitspolitik hat Israel gezeigt, dass es trotz massiver Anfeindungen aus der islamischen Welt, seit Jahrzehnten schafft, diesen Staat aufrecht zu erhalten. Und das geht nur mit einer wehrhaften Demokratie. Von der redet man ja in Deutschland auch ganz gern, öffnet dann aber die Grenzen, man könne sich vorstellen, was passiert, wenn Israel keine Grenzkontrollen mehr vornehme: Das Land wäre innerhalb von Wochen am Ende.

Wie sieht es mit Russland aus? Wie ist dein Verhältnis zu Russland?
Wenn du mich fragst, dann bitte immer verstehen, dass ich auch an der Stelle auch immer im Namen der AfD an der Stelle antworte, wenn es an der Stelle eine Position gibt.
Die AfD setzt sich dafür ein, dass wir als Deutsche, an Deutschland, einen ausgleichenden Faktor in Europa darstellen, also eine Ausgleichspolitik zwischen den Interessen betreiben. Und gerade was Russland angeht, freue ich mich, dass auch Herr Steinmeier, unser Außenminister, nun mal inzwischen geäußert hat, dass Deutschland derzeit auf Konfrontation geht. Ich weiß nicht, ob den Hörern das bekannt ist, aber die Bundeswehr beteiligt sich an Manövern, Nato-Manövern im Baltikum. Offiziell sind das reine Übungsmanöver. Aber alle, die sich in der Szene auskennen, wissen, dass Manöver immer auch als Aggression verstanden werden.

Immer?
Ja, Militärmanöver sind immer ein symbolisches Säbelrasseln.

Das machen die Russen an ihrer Grenze dann auch auch.
Genau. Und die Frage ist, ob man darauf, was gfls. der Partner oder auch der Kontrahent tut, mit gleicher Münze antwortet. Da kann man wieder mal ganz gut das Christentum rekurrieren.

Auge um Auge, Zahn um Zahn?
Das sagt das alte Testament. Das neue Testament sagt etwas anderes. Das sagt, dass man notfalls die andere Wange hinhalten sollte. Das geht in der Politik nicht immer. Aber wenn man sich überlegt, dass wir mal eine Nato-Partnerschaft mit Russland vor einigen Jahren hatten, also dass sogar überlegt wurde, Russland in die Nato aufzunehmen, und dass wir uns gerade aktuell auf einem Weg zurück in den Kalten Krieg mit Russland befinden, dann halte ich das für immens schädlich.
Schau mal zurück auf die vierzig Jahre der deutschen Teilung: Da gehörte ein Teil Deutschlands zum Ostblock, ein Teil Deutschlands zum Westblock. Und das hat Europa nicht genützt, weil man eben seine Energie in Auseinandersetzungen verbraucht hat. Und ich denke, dass deswegen eine Ausgleichspolitik mit Russland nötig ist, was nicht heißt, dass man nicht völkerrechtswidrige Aktionen trotzdem kritisiert. Und die Annexion der Krim war rein rechtlich völkerrechtswidrig.
Auf der anderen Seite muss man betrachten, dass die Nato sich Stück um Stück nach Osten ausgeweitet hat. Und dass die Amerikaner eine große Tradition darin haben, Krieg auf der ganzen Welt fernab der Heimat zu fahren, das kann Europa so nicht machen und damit Deutschland auch nicht, weil der Mittlere und Nahe Osten eben wesentlich näher an Europa und Deutschland dran ist als für die Amerikaner. Und deswegen brauchen wir eine Ausgleichspolitik mit Russland und deswegen setzt sich die AfD für eine Beendigung der Sanktionen ein.

Ist Deutschland ein souveräner Staat?
Darauf antworte ich immer mehr gern: Souveränität beginnt im Kopf – und meinem Geschmack nach haben wir zu wenig souveräne deutsche Politiker. Das fängt damit an…

Der Staat an sich! Ist die Bundesregierung eine souveräne Regierung.
Naja, ich beantworte bewusst erst einmal so darauf, denn wenn wir ganz bewusst juristisch werden, wir feststellen müssen, dass wir infolge der Besatzungspolitik nach dem 2. Weltkrieg wir immer noch Gesetze in Deutschland haben, wie das Telekommunikationsgesetz, das eine Fortschreibung von Besatzungsrecht ist. Also wir haben noch nicht in allen Bereichen volle Souveränität erlangt, Und die Tatsache, dass wir immer noch britische und amerikanische Truppen in Deutschland haben, bei der sich die AfD übrigens einen Abzug wünscht, weil wir der Meinung sind, dass wenn die Russen abgezogen sind zur Wende, die Amerikaner und die Briten hätten auch abziehen können, dass das ein Symbol von Souveränität wäre. Grundsätzlich gehört zur Souveränität eines Landes aber souveräne Politik. Denn am Ende ist es faktische Politik, die über Souveränität entscheidet. Und deswegen komme ich wieder zu der Anfangsaussage zurück: Mir ist Frau Merkel in vielen Bereichen nicht souverän genug, und auch mancher deutscher Politiker. Und ich halte insbesondere die Tatsache, dass viele Entscheidungen in Brüssel und Straßburg getroffen werden für einen Ausdruck von politischem Mangel an Souveränität. Ich denke, dass viele Fragen genauso gut in Deutschland, in London, in Paris getroffen werden könnten. Dann bekommen die Bürger etwas davon mit. Und das ist ein Hauptgrund unserer Kritik: die mangelnde Transparenz, die dadurch zustande kommt, dass eben Entscheidungen von Berlin, um jetzt mal bei Deutschland zu bleiben, hinweg nach Brüssel und Straßburg verlagert werden, wo die Bürger sie schlichtweg nicht mehr mitbekommen.

Ich habe jetzt nicht ganz verstanden, ob wir jetzt souverän sind, oder nicht?
Mit der aktuellen Regierung sind wir nicht souverän. Ich glaube, dass es souveräne Politiker braucht, davon hat die AfD ein paar zu bieten. Wir sind noch eine junge Partei, wir sind noch nicht an der Regierung.
Und zum Beispiel der Ausdruck einer souveränen Entscheidung war Schröders Entscheidung mit seiner Regierung damals, nicht in den Irakkrieg zu ziehen. Das war leider nur halbsouverän, denn anstatt sich ganz rauszuhalten aus dem Konflikt, der im Übrigen am Ende ein Angriffskrieg war, weil die Gründe für den Einmarsch in den Irak, die angeblichen Massenvernichtungswaffen, die man gefunden haben wollte, und die in Wirklichkeit gar nicht da waren, sondern eine gute Propagandalüge, weil die sich am Ende jeweils falsch herausgestellt haben. Schröder hat keine deutschen Truppen geschickt, aber er hat dafür bezahlt. Und insofern haben wir uns am Ende doch nicht herausgehalten. Und souverän wäre gewesen, uns rauszuhalten und deswegen fordern wir, dass die Bundeswehr ihren Verteidigungsauftrag wahrnimmt, den sie hat, und sich aus Angriffskriegen heraushält.

Ganz kurz mal zu Deutschland noch: Was ist das deutsche Volk?
Tja.

Kann man das sagen?
Naja, grundsätzlich ist das auch juristisch definiert. Und derjenige, der einen deutschen Pass hat, der ist erst einmal Deutscher. Wir sehen aber über Jahre eine Veränderung des Staatsbürgerschaftsrechts. Die Einbürgerung wird immer einfacher gemacht und gerade SPD und Grüne begründen das gern damit, dass wir über Einwanderung und schnelle Einbürgerung unser Geburtendefizit beheben. Ich glaube nicht daran, dass das funktioniert. Und deswegen ist deutsch vieles.

Was ist das Volk, wer gehört zum Volk? Gehören alle zum Volk, die hier sind?
Naja, ich habe die Frage gerade juristisch beantwortet. Und ich denke, am Ende gehört jeder dazu, der sich in Deutschland integriert, der ein Teil dieses Landes sein will und auch seine Interessen vertritt. Nicht jeder, der sich nur in Deutschland aufhält, gehört deshalb automatisch zum deutschen Volk. Ich nehme an, dass du auch so ein bisschen auf die Einwanderungs- und die Migrationsdebatte abhebst. Nicht jeder, der ein Bleiberecht hat in Deutschland, ein temporäres, ist deswegen zugehörig zum deutschen Volk. Deswegen ist es sauber, es übers Staatsbürgerschaftsrecht zu definieren. Und ich glaube, dass wir die Hürden da die Staatsbürgerrecht zu erlangen nicht absenken sollten, weil immer ein Bekenntnis, ein Herzens-Bekenntnis zum Land dazugehört. Und jemand, der beispielsweise aus Südamerika einwandert und hier leben möchte und hier sterben möchte auch, der kann nach wenigen Jahren zu Deutschland gehören. Und Menschen, die vor 20 Jahren nach Deutschland eingewandert sind, und noch heute sagen, dass zum Beispiel die Scharia ihnen wichtiger ist als das Grundgesetz, bei denen ist in der Tat die Frage, ob sie tatsächlich zu Deutschland dazugehören.

Was sind deutsche Werte?
Das ist eine gute Frage. Ich glaube, solche Werte bilden sich über Jahrhunderte hinaus. Also „Made in Germany“ ist etwas, was letztlich…

Ist ein Slogan.
Ja, ist ein Slogan, der ja aber aus deutscher Wertarbeit entstanden ist. Im Übrigen nicht von Deutschland selbst als Slogan herausgegeben, sondern… Ich glaube ursprünglich sogar mal dazu gedacht, um deutsche Produkte so ein bisschen psychologisch zu sanktionieren, was sich dann aber im Nachgang, ich glaube, das war nach dem 1. Weltkrieg, als Qualitätssymbol herausgestellt hat. Ordnung ist immer noch etwas, was man sehr mit Deutsch-Sein in Verbindung bringt. Auch Pünktlich-Sein. Auch wenn ich offen zugebe, dass ich es nicht immer schaffe, man zu viele Termine hat… Aber danach zu streben, ist etwas durchaus sehr deutsches.

Das sind die Werte? Ordnung und Pünktlichkeit?
Ich glaube, dass Ordnung, Gründlichkeit und Pünktlichkeit durchaus etwas ist, was man im Ausland mit dem Deutsch-Sein in Verbindung bringt.
Für mich persönlich hat es viel mit Musik zu tun. Deutsche Kultur und Werte kann man voneinander nicht trennen. Bach, Mozart, das hast du selbst vorhin mit ins Spiel gebracht. Auch andere Künstler. Die deutsche Aufklärung, die deutschen Philosophen, die Idee von einer Werteordnung, von einer Weltgemeinschaft… Vieles davon ist in Deutschland geboren und in die Welt transportiert worden. Vieles davon ist heute auch gleichbedeutend als europäisch anerkannt, weil auch die Wissenschaftler der Vergangenheit oftmals nicht nur national, sondern europäisch oder sogar in Weltdimensionen gedacht haben.
Deutsch sind auch, obwohl du das gut versteckt hast, die Socken in den Schuhen, noch deutscher wäre, wenn du Sandalen angehabt hättest.

Das wäre ein Fashion Crime.
Das ist auch ein Fashion Crime, aber durchaus etwas, was man mit Deutschen in Verbindung bringt. Und als ich nach England gegangen bin, war das erste, was ich über deutsche Frauen gehört habe, war dass es die sind, die sich nie die Achselhaare wegrasieren. Also da gibt es vieles, was auch lustig ist. Aber ich glaube,…

So hat man dich erkannt damals?
Nein, das habe ich nicht gesagt. Das habe ich nicht gesagt. Und ich glaube, so privat müssen wir auch nicht werden. Da gibt es Lustiges und Skurriles.
Aber ich glaube, dass Deutschland eine große Offenheit für vieles hat, und dass uns die Geschichte auch gelehrt hat, dass wir uns selbst nicht überhöhen dürfen. Das ist auch deutsch. Manchmal ist deutsch aber inzwischen leider auch, dass wir unsere eigene Kultur gern anderen Kulturen unterordnen. Und das ist etwas, was, glaube ich,  nicht funktioniert. Wenn das im Gleichgewicht miteinander steht, dann wären wir auf einem guten Weg. Und die AfD will dazu beitragen, solche unterschiedlichen Ansichten wieder in ein Gleichgewicht zu bringen.

Ich wollte nochmal zu Frauenrechten kommen und der Sexualpolitik. Ich habe gehört, bei der Abtreibung… Du bist kein großer Fan von Abtreibungen?
Naja, das ist auch wieder eine der medialen Säue, die jetzt 2014 durchs Dorf getrieben wurden, und deren Spuren man noch im Internet finden kann, wenn man will.

Wie hältst du es mit Abtreibungen?
Genau. Das muss vorweg geschickt werden, weil ich es tatsächlich nie gesagt habe. Also Punkt 1: Ich finde es schade, dass es nach wie vor so viele Abtreibungen in Deutschland noch immer gibt. Weil ich…Als jemand, der Kinder einfach liebt und deswegen auch selbst vier hat, mir mehr Kinder in Deutschland wünsche. Und ich finde es schlimm, dass eine so reiche Gesellschaft viele junge Frauen nicht dazu bewegen kann, die Kinder zu bekommen, wenn sie ungewollt schwanger werden. Das ist Punkt 1. Ich glaube nicht, dass man das durch eine Gesetzesverschärfung regeln kann. Das ist mir damals unterstellt worden, ich wolle Abtreibung verbieten. Das ist falsch, das habe ich nie gesagt. Und ich glaube auch nicht, dass das in einer so mobilen Welt so funktioniert. Dann würden die Frauen, wenn es ihnen so dringend ist, eben ins Ausland gehen, um dort eben abtreiben zu lassen, Damit helfen wir ihnen nich, damit kriminalisieren wir sie. Und das halte ich für rundweg falsch. Aber wir sollten in der Politik eine Willkommenskultur für Kinder machen, die es möglich macht, dass viel mehr Kinder auf die Welt kommen und nicht abgetrieben werden.

Aber du kannst es schon verstehen, wenn eine Frau abtreibt?
Das hängt sehr von der Lebenslage ab. Also ich selbst weiß, wie solche Beratung aussehen, weil ich selbst mal an solchen Beratungen teilgenommen habe. Und ich weiß,…

Du hast mal überlegt, oder was?
Ich habe mal an so einer Beratung mal teilgenommen. Und ich finde es gut, dass es diese Beratungsstellen gibt. Ich glaube, dass es in vielen Fällen dann aber doch zu leicht gemacht wird abzutreiben. Aber das liegt eben auch daran, dass vor allen Dingen gebildete junge Frauen das Gefühl haben, dass sie Familie und Beruf finanziell nicht unter einen Hut bekommen. Und das liegt daran, dass wir eine falsche Familienpolitik machen. Dass gerade Frauen, junge Paaren, die die in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, Sorge haben, dass sie das nicht mehr schaffen, wenn Kinder da sind. Und daran müssen wir etwas ändern. Das wäre für mich eine gute Familienpolitik, die glaube ich, mit der entsprechenden Vermittlung in de Gesellschaft auch dauerhaft dazu führen könnte, und hoffentlich dazu führen würde, dass die Abtreibungszahlen sinken. Und dafür würde ich mich ganz gern einsetzen.

Die Pille danach, die man in der Apotheke holen kann, die findest du okay?
Naja, die gibt es erst einmal. Und ich denke, bevor wir jetzt anfangen, alles mögliche abzuschaffen und einzuschränken, und das ist… ob das die Pille danach ist oder verschärfte gesetzliche Regelungen, wir sollten etwas Positives dafür tun, dass Frauen sich dagegen entscheiden, Kinder abzutreiben.

Ich wollte nochmal zu Vergewaltigungen kommen. Heißt nein nein? Das wird ja gerade aktuell diskutiert, dass generell… Nein heißt nein.
Du meinst, wenn Frauen sagen nein… Das gilt ja jetzt für alle.

Heißt nein immer nein?
Ja, natürlich. Wenn die Frau nein, dann sagt sie nein. Oder jeder, der sexuell bedrängt wird, wenn der Nein sagt, dann ist das nein.  Das ist was Kinder meiner Ansicht nach schon in der Schule beigebracht bekommen sollten. Es gibt dafür richtig tolle Präventionsprogramme von der Polizei, die aber aufgrund des Geldmangels in der Bildung häufig gar nicht umgesetzt werden können. Meine große Tochter hat so etwas gehabt in der Grundschule und ich fand’s super. Ein anderer Leitspruch ist: Mein Körper gehört mir. Und ich finde das gut, wenn Jugendliche, egal ob Junge oder Mädchen, das frühzeitig lernen und dafür müssen wir meiner Ansicht nach mehr Geld ausgeben.

Bist du eine Feministin?
Ich bin eine, wenn Familie, Frausein und Unabhängigkeit zusammengehören, dann ja. Wenn Feministin so gelebt wird, wie in den vergangenen Jahrzehnten, insbesondere aus der grünen Ecke, dass man Feministin nur dann sein kann, wenn man ohne Kinder unterwegs ist und ohne Mann und mit Achselhaaren unterwegs ist, dann bin ich keine.

Und seid ihr für die Ehe für alle?
Nein, sind wir nicht.

Nein?
Nein. Also die AfD akzeptiert, dass es gleich geschlechtliche Lebenspartnerschaften gibt, dass es auch eine steuerliche Gleichstellung gibt, so wie es der Status Quo ist. Die Ehe für alle halten wir deshalb nicht für richtig, weil… aus gutem Grund: Weil Ehe und Familie einen besonderen Schutz des Staates genießen. Und weil es staatliche, damit politische Aufgabe in erster Linie ist zu definieren, welches Modell des Zusammenlebens staatlich subventioniert werden sollte. Und da wir einen Kindermangel in Deutschland haben, hat das eine reine praktische Erwägung. Wir möchten die Formen des Zusammenlebens fördern, aus denen Kinder hervorgehen, weil wir seid über 60 Jahren einen Kindermangel in Deutschland haben.

Schwule Männer oder lesbische Frauen können auch adoptieren. Lesbische Frauen haben ja auch schon manchmal Kinder.
Ja, das ist richtig, aber da gibt es nach wie vor noch Einschränkungen beim Adoptionsrecht, die wir auch für richtig halten. Was nicht heißt, dass nicht auch schwule Paare hingebungsvoll Kinder erziehen können. Aber es ist ja nicht die Frage, was ich zum Regelmodell erklären möchte, und was nicht. Und nur darum geht, den politischen Standard zu definieren. Und der politische Standard für die AfD ist die Partnerschaft die Familie aus Frau, Mann und Kindern, weil daraus in der Regel zumindest die Kinder hervorgehen. Und wenn man weiß, dass die Geburtenzahlen in Deutschland seit dem Jahr ’65 sich halbiert haben. Damals waren es 1,35 Millionen Geburten pro Jahr, heute sind es ungefähr 650.000 mit ganz leicht steigender Tendenz, wobei wir immer noch auf dem vorletzten Rang der Geburtenrate weltweit sind, dann müssen wir dafür etwas tun. Und wenn du mal die meisten jungen Leute fragst, und man kann das überall tun, auch in Konfirmandengruppen in der Schule, dann wünschen sich die meisten Jugendlichen eine Familie, ein Haus und einen stabilen Beruf, ein stabiles Einkommen und das ist etwas, was wir gerne fördern wollen.
Und wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fast kein Spielfilm in Deutschland mehr damit auskommt, ohne das schwule Pärchen, das dann ganz toll gefunden wird von Mutter und Vater, die nach Hause kommen,…

Dann guckst du weg?
Nein, da brauche ich nicht wegzugucken, weil ich zum Fernsehen gar keine Zeit habe. Aber dann möchte ich einfach nicht, dass das zum Standard erhoben wird. Ich akzeptiere, dass das so ist, weil die Menschen so sind wie sie sind und weil es Schwulsein zu allen Zeiten gegeben hat und es im alten Griechenland auch schonmal schick war, dass Männer eher mit Männern Sex hatten anstatt mit ihren Frauen, die primär zum Kindergebären da waren. Aber ich denke, dass die AfD einen guten Grund hat, den Standard aus Frau, Mann und Kindern zu vertreten. Andere können ja anderes tun und am Ende entscheidet der Wähler, was er für gut hält.

Frauke, wir sind durch. Hast du noch zwei Minuten für ganz kurze Fragen?
Ich versuch das mal.

Okay.
Wie feierst du heute den Weltflüchtlingstag?
Ich feiere heute nicht, ich arbeite.

Was ist deine Lieblingsreligion?
Ich bin Christ, deswegen ist das meine Lieblingsreligion. Aber als Politiker hat man keine Lieblingsreligion. Aber privat kann man nur einer Religion angehören und das ist bei mir das Protestantentum, ich bin evangelischer Christ.

Warst du schonmal arbeitslos?
Ja.

Wie lange?
Sechs Wochen.

Hast du Arbeitslosengeld bekommen?
Ja.

Gute Sache, ja?
Das Arbeitslosengeld sollte erhalten bleiben, ja. Und es ist über die Jahre sehr stark eingeschränkt worden, was auch Zeit, dass wir etwas am Sicherungssystem tun müssen.

Wann bin ich in Deutschland voll integriert, wann weiß ich das?
Wenn ich überpünktlich zum Konzert erscheine.

Zu einem deutschen Konzert.
Und Ordnung für richtig halte!

Das tue ich manchmal auch nicht. Bin ich damit auch nicht wirklich integriert?
Ähm.

Ich bin unordentlich, zum Beispiel.
Jaja, also da kannst du noch etwas tun, oder?

Um deutscher zu sein?
Ja, haha.

Zahlst du den Rundfunkbeitrag?
Ich habe keinen Fernseher. Aktuell nicht.

Aber das muss man ja trotzdem.
Aktuell zahle ich nicht.

Nicht?
Naja, also ich habe noch keine Gebührenaufforderung bekommen.

Aha.
Aber wenn sie kommt, würdest du es gerne machen?
Das müssen wir uns überlegen. Mein Partner und ich sind der Meinung, dass durchaus ein Widerstand gegen diese Rundfunkgebühren angesagt ist.

Warum?
Weil wir die Rundfunkfinanzierung für, sagen wir, nicht zielgerichtet halten. Es gibt in der AfD eine große Diskussion. Die Mehrheit würde den GEZ-Betrag gerne abschaffen.

Ui.
Ja, weil wir glauben, dass viel zu viel Geld ineffizient vergeudet wird. Ich meine, wenn man die Pensionslasten der Öffentlich-Rechtlichen sieht, dann ist das ja nicht hinzunehmen. Und vor allem wird das, was ihr Auftrag ist, die Gesellschaft zu bilden, in viel zu geringem Maße nur wahrgenommen. Und wir haben politische Beeinflussung auch bei den Medien, gerade auch bei den Öffentlich-Rechtlichen. Entweder reformieren wir das System stark oder wir versuchen es mal mit einem anderen.

Aber nur privat ist doch scheiße.
Das war jetzt deine Meinung. Also es ist…

Ich kann mir vorstellen, dass nur Privatfernsehen scheiße wäre.
Sagen wir so, es gibt…

…für politische Bildung.
Naja, wenn man sieht, dass im KIKA Frauke Petry als die politische Lügnerin aller Zeiten ausgerufen wird, weil eine sehr unwissenschaftliche Studie von Kölner Journalisten das herausgefunden hat, dann ist Öffentlich-Rechtliches auch nur oft Propaganda – und die brauchen wir echt nicht.

De letzte Frage hat sie ja schon beantwortet: Du guckst kein Fernsehen, also brauche ich auch gar nicht fragen, was für eine TV-Show oder Lieblingsshow du hast. Games of Thrones oder so etwas?
Also es gibt ja Gott sei Dank das Internet und mit Livestream kann man ja auch fernsehen. Und das tue ich und meine Kinder tuen das ab und zu auch. Aber in der Tat ist, glaube ich, weniger fernsehen manchmal mehr. Und wenn ich Zeit habe meinen Kindern ein Gute Nacht Buch vorzulesen, dann ist das allemal besser als KIKA.
Ansonsten finde ich Dokumentationen toll. Es gibt im ZDF eine Reihe von Terra X-Dokumentationen, die ich klasse finde und mir in der Mediathek gerne anschaue. Aber die Tagesschau hat für mich massiv an Wert in den letzten Jahren verloren. Als Kind habe ich die gerne geschaut.

Seitdem sie über dich berichten?
Heute ist das nicht mehr der Fall.
Nein, das hat mit mir weniger zu tun. Wenn man sieht, dass eine letztlich steuerfinanzierte Berichterstattung politisch nicht neutral ist, dann bin ich an der Stelle einfach enttäuscht. Und deswegen glaube ich, dass das Internet in vielen Fällen schon abgelöst und überholt hat und das die Konkurrenz den Öffentlich-Rechtlichen echt gut tut.

Im Internet ist auch nichts neutral.
Nein, das stimmt. Aber das Internet bietet die Möglichkeit, dass viele nicht neutrale Meinungen ihren gleichberichtigten Platz nebeneinander finden. Und darauf kommt es an.

Und letzte Frage: Wir sehen das Kanzleramt hinter uns… Stell dir mal vor, du wärst morgen Kanzlerin. Was wäre das Erste, was du veranlassen würdest?
Na, als Erstes würde ich veranlassen, dass die Grenzen kontrolliert werden. Das ist etwas, was dringend in Deutschland Not tut und worauf nicht nur viele deutsche Bürger, sondern auch fast die gesamte Europäische Union wartet: dass Deutschland endlich seine Verantwortung wahrnimmt.

Obwohl keine Flüchtlinge kommen?
Naja, sie kommen ja trotzdem. Sie kommen übers Mittelmehr. Und viele fahren los in der Erwartung, dass sie nach Deutschland einreisen dürfen. Und dort für realistische Politik zu sorgen, im Sinne eines gemeinsamen Europas. Das hat Angela Merkel nach wie vor versäumt und sie sieht ihren Fehler nicht ein. Das ist katastrophal für uns alle.

Hast du Gemeinsamkeit mit ihr?
Wir sind beide Frauen.

Aus dem Osten,…
Das ist sicherlich unsere Herkunft.

Christlich.
Ja.
Es gibt sicherlich viele Unterschiede. Aber ich glaube, diese Unterschiede würde ich tatsächlich anderen der Beurteilung überlassen. Das wird bestimmt viel objektiver als wenn ich das mache.

Frauke, Dankeschön.
Sehr gern.

 

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