Schweigepflicht! ▼ BPK vom 10. August 2016
Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Kabinettssitzung, Empfang des Präsidenten des Europäischen Rates), Pläne des Bundesinnenministers zur Erhöhung der inneren Sicherheit, Verzicht auf die Einführung der blauen Plakette für Diesel-Fahrzeuge, Medienberichte über angebliche nächtliche Flüge von Flüchtlingen aus der Türkei nach Deutschland, TTIP, Übernahme der KUKA AG durch den chinesischen Media-Konzern, Kernwaffenteststopp-Vertrag, gestriges Treffen des türkischen Staatspräsidenten mit dem russischen Präsidenten, Untätigkeitsklagen von Asylbewerbern, Treffen des Präsidenten der Deutschen Bundesbank mit dem iranischen Notenbankgouverneur, US-Präsidentschaftswahlen
Naive Fragen zu:
Neue „Sicherheits“-Vorschläge der CDU-Innenminister (ab 2:00 min)
– ein paar Lernfragen: Wie viele ausländische Gefährder gibt es in Deutschland und wie viele nicht deutsche Hassprediger? (6:55 min)
– Die Schublade habe ich in der „Berliner Erklärung“ gefunden. Sie geben uns zwar regelmäßig Zahlen der Gefährder, aber nicht der ausländischen Gefährder. Daher wäre das eine neue Zahl, die ich gerne hätte. Was ist denn aus der Sicht des BMI ein Hassprediger? (7:45 min)
– erst einmal zur ärztlichen Schweigepflicht: Wie hoch ist denn die Dunkelziffer angenommener Straftaten, die sonst nicht entdeckt werden konnten? (28:52 min)
– Wir hatten ja gerade schon von Ausnahmen bei der ärztlichen Schweigepflicht gehört. Es gibt ja Bedingungen dafür, dass Auskunft gegeben werden darf und muss, nämlich bei der Planung einer schwerwiegenden Straftat. Darum wundere ich mich, dass das jetzt überhaupt ins Spiel gebracht wird. Wenn nämlich eine schwerwiegende Straftat geplant wird, also zum Beispiel ein Terroranschlag, dann muss der Arzt das ja schon jetzt an die Behörden melden. Was könnte denn da noch anders gemacht werden? Soll das jetzt ganz normale Straftaten betreffen? (28:52 min)
– Ich habe eine Frage zur doppelten Staatsbürgerschaft an das AA und das Familienministerium. Die allwissenden Unionsinnenminister meinen ja, dass die doppelte Staatsbürgerschaft ein „Integrationshindernis“ ist. Sehen das Ihre Ministerien auch so? (32:46 min)
– Wer kann mir diese Dunkelziffer nennen? So ein potenzieller Gesetzesvorschlag muss ja auf irgendwelchen Zahlen oder irgendwelchen sachlichen Gründen fußen.
– Darf ich das Justizministerium fragen, ob es Handlungsbedarf bei der Ausnahmeregelung für die ärztliche Schweigepflicht sieht, weil es ja jetzt schon die Ausnahme für schwerwiegende Straftaten gibt?
– ich habe auch gelesen, dass geplant sei, einen neuen Grund für Abschiebungen einzuführen, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Liebäugelt der Minister damit? Ist es überhaupt mit irgendeiner Verfassung vereinbar, Menschen auf Verdacht als gefährlich zu erklären, ohne dass sie nachweislich gefährlich sind, und sie deswegen abzuschieben? (34:15 min)
– Es ist jetzt anscheinend auch in Planung, die Nutzung der VDS auszuweiten und sie den Geheimdiensten, also zum Beispiel auch dem BND und dem Verfassungsschutz, zu ermöglichen. Befürworten das die Kanzlerin und das Kanzleramt? (35:08 min)
– Ich hatte die Frage vorhin schon gestellt. Da wollten Sie sie nicht beantworten. Ich würde gerne einmal wissen, wie die Bundesregierung den Begriff Hassprediger definiert. Frau Chebli, können Sie uns da aushelfen? Ihr Minister hat nämlich Herrn Trump, einen Präsidentschaftskandidaten der USA, als Hassprediger bezeichnet. (38:05 min)
Resettlement-Programm (ab 45:00 min)
– wenn Flüchtlinge aus der Türkei nach Deutschland eingeflogen werden, wann landen diese Flugzeuge hier wo?
– Können Sie uns noch sagen, wann die letzten Flüge hier im Rahmen des Resettlement-Programms gelandet sind – morgens, mittags, nachmittags, nachts?
Atombomben (ab 52:15 min)
– Im Oktober 2016 stimmen die UN-Mitgliedstaaten darüber ab, ob ein Vertrag zum völkerrechtlichen Verbot von Atomwaffen verhandelt wird. Kennt die Bundesregierung schon ihre eigene Haltung? Wird sie dem zustimmen, sich enthalten oder dagegen stimmen?
– Ich verstehe Sie richtig, dass Sie, weil Sie sich für Abrüstung und eine atomwaffenfreie Welt einsetzen, in dieser Abstimmung zustimmen werden?
– Ich versuche nur, zu verstehen, ob Sie wirklich abstimmen werden oder ob Sie das potenziell vorhaben. Es gibt Berichte, dass Sie dagegen stimmen werden.
US-Präsidentschaftswahlkampf (ab 1:00:54 min)
– Hat die Bundesregierung es aufgegeben, sich neutral zu verhalten? Ich höre, dass Äußerungen, die es aus der Bundesregierung gab, anti-Trump waren.
– Warum mischt sich der Außenminister ein, Frau Chebli?
– Frau Clinton halten Sie nicht für gefährlich?
Was ist „unter eins“? Was ist „unter drei“?
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 10. August 2016:
VORS. WELTY eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN DEMMER sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
SRS’IN DEMMER: Da wir am Freitag keine Regierungspressekonferenz haben, habe ich schon heute die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche mitgebracht.
Am Mittwoch, den 17. August, tagt, wie üblich, um 9.30 Uhr das Kabinett unter der Leitung der Bundeskanzlerin.
Am Donnerstag, den 18. August, empfängt die Bundeskanzlerin gegen 19.30 Uhr den Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, zu einem informellen Gespräch. Der Meinungsaustausch findet im Rahmen eines Abendessens in Schloss Meseberg statt. Im Mittelpunkt des Gesprächs steht die Vorbereitung des informellen Treffens zur Zukunft der EU am 16. September in Bratislava, an dem die Staats- und Regierungschefs der 27 verbleibenden Mitgliedstaaten sowie die Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission teilnehmen werden. In demselben Format hatte bereits am 29. Juni am Rande des Europäischen Rats in Brüssel ein Treffen stattgefunden.
FRAGE HERPELL: Ich habe eine Frage an das Innenministerium. In den Medien kursieren heute Morgen diverse Pläne von Minister de Maizière zur Erhöhung der inneren Sicherheit. Wann sollen diese Pläne präsentiert werden, möglicherweise schon heute in Bremen oder erst morgen? Können Sie schon zu Einzelheiten etwas sagen, auch ganz konkret zu dem Vorhalt der Ärzte, die sagen, an der ärztlichen Schweigepflicht dürfe nicht gerüttelt werden?
DR. PLATE: Vielen Dank für die Frage. – In der Tat ist auch mir nicht entgangen, dass diese Pläne in den Medien waren oder auch noch sind. Ich möchte, weil da ein bisschen Verwirrung entstanden ist so scheint zumindest mir dies, wenn ich die Medienlandschaft anschaue , zwei verschiedene Dinge auseinanderhalten, nämlich zum einen die Pläne, die der Bundesinnenminister vorzustellen gedenkt. Dazu haben wir auch über unseren großen Presseverteiler eingeladen. Er macht das morgen in einer Pressekonferenz um 12 Uhr bei uns im Hause; dabei bleibt es auch.
Das andere ist das, was mit „Berliner Erklärung“ in der Presse zu lesen ist. Wie Sie wissen, treffen sich die sogenannten B-Innenminister, also die CDU-Innenminister, am 18. und 19. August in Berlin zu einer Sitzung, einer B-Innenministerkonferenz. Bei solchen Konferenzen werden immer Erklärungen vorbereitet; das ist auch dieses Mal so. Die Erklärung befindet sich noch in der Abstimmung. Bis zum 18./19. August ist es ja auch noch ein bisschen hin. Deswegen kann ich zu Inhalten dieser Erklärung „unter eins“ gar nichts sagen.
Zu den Plänen des Bundesinnenministers, die er morgen verkündet dafür bitte ich um Verständnis : Er verkündete die eben nicht gestern und verkündet sie nicht heute, auch wenn das Interesse verständlich ist und dies uns letztlich freut, sondern morgen. So haben wir es geplant, und das hat auch seine guten Gründe.
Ich kann aber zu der „Berliner Erklärung“ gerne eine Ergänzung „unter drei“ machen:
Es folgt ein Teil „unter drei“
VORS. WELTY: Damit gehen wir wieder „unter eins“.
FRAGE HELLER: Mich würde Folgendes interessieren: Sind denn diese beiden Gesetzesinitiativen länderseitig in irgendeiner Weise zwischen den beiden Seiten abgestimmt? Gab es wieder einen Diskussionsprozess darüber? Wie sind die zeitlichen Vorstellungen des Ministers im Hinblick auf die Umsetzung seiner Pläne? Ist das im Kabinett schon einmal besprochen worden? Wann soll das in das Kabinett gehen? Wann könnte das Gesetz werden? Wann könnte da ein Gesetzentwurf stehen?
DR. PLATE: Vielen Dank. – Die erste Frage habe ich offen gestanden überhaupt nicht verstanden, um ehrlich zu sein. Da müssten Sie vielleicht einmal präzisieren, was Sie gemeint haben. „Unter eins“ habe ich gar nicht von zwei Plänen geredet. Insofern fällt es mir etwas schwer, darauf zu antworten.
Zu der zweiten Frage: Soll ich jetzt zu den Plänen, zu denen ich jetzt nicht Stellung nehme, sagen, wie der Zeitplan ist? Das meinen Sie jetzt nicht ernst, oder? – Also: Der Minister stellt morgen die Pläne vor, zu deren Vorstellung wir eingeladen haben. Über Fragen, wann diese Pläne gegebenenfalls in das Kabinett kommen, ob sie in das Kabinett kommen und ob überhaupt alles davon gesetzliche Pläne sind das unterstellen Sie , wird der Minister morgen natürlich ausführlich informieren.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auf die andere Frage zu der Ärzteschaft einzugehen. Darauf kann ich unmittelbar „unter eins“ nicht eingehen. Aber seien Sie versichert, dass der Minister, wenn von Vorschlägen, die er machen wird, nennenswerte und bedeutende gesellschaftliche Gruppen betroffen sein werden, mit diesen Gruppen das Gespräch suchen wird. Soweit es von diesen Gruppen schon konstruktive Gesprächsangebote gegeben hat oder geben wird, begrüßt das der Minister sehr. Er wird ganz sicher auch noch vor der Verkündung seiner Pläne solche Angebote annehmen.
ZUSATZFRAGE HELLER: Vielleicht können Sie mir wenigstens einmal sagen, was der Anlass war, der den Minister zu diesen Plänen gebracht hat, die so hochgeheim sind, dass sie in allen Zeitungen stehen und Sie nicht dazu Stellung nehmen können. Oder wollte er nur die Ausführungen der Kanzlerin vor einer Woche etwas anreichern?
DR. PLATE: Ob die Pläne geheim sind oder nicht, das ist eine Bewertung, die Sie angestellt haben. Das ist ein Papier, das sich in einem internen Abstimmungsprozess befindet und morgen, wenn es denn fertig ist, vorgestellt wird. Darauf steht kein „Geheim“-Stempel, wenn Sie das meinen. Das Papier befindet sich aber noch in der Abstimmung. Im Rahmen der Vorstellung der Pläne, die der Minister hat, wird er ganz sicher auch sagen ich glaube, das darf ich schon vorwegnehmen, ohne zu viel zu verraten , warum er diese Vorstellung insgesamt und auch zu diesem Zeitpunkt für richtig und notwendig hält.
FRAGE JUNG: Herr Plate, ein paar Lernfragen: Wie viele ausländische Gefährder gibt es in Deutschland und wie viele nicht deutsche Hassprediger?
DR. PLATE: Zu den Gefährdern haben wir hier immer einmal wieder Stellung genommen. Ich habe jetzt keine nennenswerten Zahlen zur Aktualisierung dieser Zahlen dabei. Ich halte es auch nicht für sinnvoll, im Tagesrhythmus neue Zahlen hinauszupusten. Die Zahlen haben wir immer einmal wieder bekannt gegeben. Das werden wir sicherlich auch irgendwann wieder einmal tun. Die Entwicklung ist ja im Prinzip bekannt. Die Schublade „Nicht deutsche Hassprediger“, wenn ich das so formulieren darf, gibt es in den Sicherheitsbehörden nicht, sodass ich Ihnen nichts anbieten kann, was Sie in diese Schublade legen können, um sie dann zu schließen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Die Schublade habe ich in der „Berliner Erklärung“ gefunden. Sie geben uns zwar regelmäßig Zahlen der Gefährder, aber nicht der ausländischen Gefährder. Daher wäre das eine neue Zahl, die ich gerne hätte. Was ist denn aus der Sicht des BMI ein Hassprediger?
DR. PLATE: Zu der ersten Frage da habe ich Ihrer Frage vielleicht doch nicht ganz genau zugehört : Wenn Sie das so spezifiziert haben, will ich gerne prüfen, ob wir Zahlen über ausländische Gefährder nachliefern können. Ich werde gerne nachher mit dem Bundeskriminalamt Kontakt aufnehmen.
Zu der anderen Frage der Hassprediger: Das bezieht sich ja auf einen von Ihnen jedenfalls behaupteten Inhalt der „Berliner Erklärung“. Wenn ich das jetzt beantworten würde, würde das letztlich doch dazu führen, dass ich inhaltlich zu der Erklärung Stellung nehme, die sich aber gerade in einem Entwurfsstadium befindet, und das mache ich nicht. Begründung siehe davor. Das will ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht wiederholen.
FRAGE: Auch ich habe eine Frage an Herrn Plate zu diesem Komplex. Können Sie Beispiele nennen, in denen die ärztliche Schweigepflicht, das Burka-Tragen in der Öffentlichkeit oder die doppelte Staatsangehörigkeit in Deutschland die Bekämpfung von Terrorstraftaten in der Vergangenheit erschwert hätten?
DR. PLATE: Die Frage scheint mir ziemlich aus der Luft gegriffen und hypothetisch zu sein. Deswegen nehme ich dazu nicht Stellung.
ZUSATZFRAGE: Sie sagten gerade, dass das Thema ärztliche Schweigepflicht zu den Vorschlägen des Innenministers gehören würde, bei denen man Änderungen anbringen müsste.
DR. PLATE: Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, aber das sagte ich nicht. Ich habe zu den Inhalten nicht Stellung genommen. Ich habe auf eine Frage des Kollegen in der dritten Reihe geantwortet und in der Beantwortung dieser Frage weder unmittelbar noch mittelbar bestätigt, dass ein solcher Vorschlag Teil der Vorschläge sein wird, die der Minister morgen präsentieren wird.
ZUSATZFRAGE: Ich habe das daraus geschlossen, dass Sie die beiden anderen Themen doppelte Staatsangehörigkeit und Burka-Verbot explizit erwähnt und die ärztliche Schweigepflicht da nicht einbezogen haben. Insofern schließe ich daraus, dass das ein Thema sein könnte, das auch den Innenminister interessiert. Ich formuliere die Frage einmal so: Hat die ärztliche Schweigepflicht in der Vergangenheit die Aufklärung von Terrorstraftaten in Deutschland verhindern? Können Sie Beispiele dafür nennen?
DR. PLATE: Welche Schlussfolgerungen Sie ziehen, muss ich Ihnen überlassen. Ich sage es noch einmal: Die Themen, die ich vorhin herausgegriffen habe übrigens „unter drei“, wenn ich daran erinnern darf; deswegen bin ich nicht dankbar dafür, dass Sie das jetzt „unter eins“ erwähnen; das entspricht wohl auch nicht den Regeln; das ist aber eher eine Sache des Vorsitzes , bezogen sich auf die sogenannte Berliner Erklärung.
Es gibt ein ganz anderes Thema: Welche Vorschläge präsentiert der Minister morgen? Dort werden Sie erfahren, wenn es Sie interessiert, ob er auch auf das Thema ärztliche Schweigepflicht eingeht, auf welche Themen noch und warum er die Vorschläge, die er zu unterbreiten gedenkt, für erforderlich hält oder nicht.
VORS. WELTY: Von der Schweigepflicht habe ich heute auch schon in den Nachrichten gehört.
FRAGE JESSEN: Ich habe zweieinhalb Fragen. Herr Dr. Plate, warum gibt es eine Abstimmung nur mit den B-Ländern, also den Unions-Innenministern? Sind Länder, deren Innenressorts von anderen politischen Farben bekleidet werden, nicht vom Terrorismus gefährdet, oder denkt der Innenminister, dass dort sowieso nichts zu machen ist?
Die zweite Frage richtet sich an das Gesundheitsministerium. Wäre das Gesundheitsministerium im Falle, dass es an eine Einschränkung der ärztlichen Schweigepflicht geht, in der Abstimmung mitbeteiligt, bzw. sind Sie es, und haben Sie schon eine Position?
Die letzte Frage: Inwiefern wäre ein Verbot der Vollverschleierung bei der Terrorismusbekämpfung hilfreich? Erkennt man terroristische Gefährder gegebenenfalls an einer Vollverschleierung?
DR. PLATE: Die Frage zu der „Berliner Erklärung“ kann ich auch „unter eins“ recht gut erklären. Es ist wie folgt: Wenn sich Innenminister treffen, gibt es dafür schon seit Jahrzehnten so vermute ich; ich weiß jetzt nicht genau, wie lange, aber schon wirklich lange verschiedene Formate. Es gibt die Innenministerkonferenz. Daran nehmen alle Innenminister teil, die es im Bund und in den Ländern gibt, egal ob sie der A-, der B- oder einer sonstigen Seite angehören. Das ist zweimal im Jahr.
Darüber hinaus gibt es sogenannte A- und B-Innenministerkonferenzen. Das ist seit vielen Jahren ein geübtes Format, bei dem sich die A-Innenminister, also die Innenminister, die der SPD-Seite angehören oder sich ihr zugehörig fühlen, treffen. Dann gibt es B-Innenministertreffen. Da treffen sich separat noch zusätzlich die Innenminister, die der CDU angehören oder sich ihr nahe fühlen. Bei diesen Treffen gibt es immer Erklärungen, die abgestimmt werden. So ist es jetzt auch hier. Das ist kein Sonderfall; das ist einfach eine der klassischen Abschlusserklärungen dieser Treffen. Dieses Mal ist es eben ein B-Innenministertreffen. Die Kollegen aus Berlin haben meines Wissens eingeladen. Warum sie wen eingeladen haben, wenn Sie das trotz dieser Ausführungen noch interessiert, müssten Sie vielleicht die Kollegen aus Berlin fragen. Das ist jedenfalls ein geübtes Verfahren. In diesem Rahmen gibt es eben auch eine Erklärung. Demnächst gibt es sicherlich, wie es zweimal im Jahr der Fall ist, wieder eine Innenministerkonferenz, die vom Teilnehmerkreis her keine Einschränkung hat. Dann gibt es am Ende auch wieder eine Erklärung. Da wird man schauen, welche Dinge, die in der einen Erklärung sind, sich vielleicht in der anderen finden oder auch nicht.
Zu der zweiten Frage könnte es sich vielleicht anbieten, dass ich noch einmal kurz etwas „unter drei“ sage. Wenn ich mir erlauben darf, würde ich darum bitten, dass da noch etwas strenger darauf geachtet wird, dass die Dinge, die „unter drei“ gesagt werden, am Ende nicht über Umwege auch in den Bereich „unter eins“ kommen.
Es folgt ein Teil „unter drei“
VORS. WELTY: Dann gehen wir wieder „unter eins“.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Gibt es dazu auch eine Stellungnahme des Gesundheitsministeriums?
Dann war noch die Frage, inwieweit ein Vollverschleierungsverbot bei der Terrorismusbekämpfung hilfreich ist.
DR. PLATE: Vielleicht zunächst zu der Frage, die sich an mich richtet das ist von der Organisation her sicherlich einfacher : Das ist, glaube ich, die identische Frage, die Herr Jung schon gestellt hat. Die Antwort ist deswegen auch die gleiche.
WACKERS: Ich kann Ihnen nur mitteilen: Wir werden zunächst die Vorschläge des Bundesinnenministers abwarten, bevor wir diese bewerten und dazu Stellung beziehen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Wenn Sie die Vorschläge zunächst abwarten, dann ist das für mich ein anderer Vorgang, als wenn die Vorschläge vor der Veröffentlichung mit Ihnen abgestimmt werden. Sehe ich das richtig? Sie warten also auf die veröffentlichten Vorschläge und nehmen dann dazu Stellung.
WACKERS: Da kann ich nur an das anschließen, was der Kollege aus dem BMI gerade gesagt hat. Es wird vorher in dieser Frage einen Kontakt zwischen dem BMI und dem BMG geben.
FRAGE MÜLLER-THUM: Ich habe eine Frage „unter eins“ an Herrn Plate, nämlich ob Sie noch kurz erklären könnten, wie solche Erklärungen bei den Innenministertreffen der Union zustande kommen. Ich glaube, wir dürfen jetzt einfach einmal als gesetzt voraussetzen, dass in dieser „Berliner Erklärung“ etwas zum Thema Burka-Verbot steht. Mich würde ein bisschen überraschen, dass Minister de Maizière das schon jetzt unterschreiben würde; denn er hat sich ja relativ deutlich zu diesem Thema geäußert. Könnten Sie einfach einmal sagen, wie da der Abstimmungsprozess läuft? Setzt man sich mit den Leuten, die es betrifft, insgesamt einmal zusammen und macht sozusagen das Vorpapier und dann ein Endpapier, oder schreiben irgendwelche anderen Leute ein Vorpapier, und man macht dann das Endpapier?
Dann würde ich gerne „unter drei“ noch etwas zu den Aussagen „unter drei“ fragen.
DR. PLATE: Zunächst zu den Fragen, die Sie „unter eins“ gestellt haben. Es ist, ehrlich gesagt, ein bisschen schwierig, ganz global und allgemein zu erklären, wie Erklärungen von Ministern abgestimmt werden. Ganz grundsätzlich ist es so das kann ich sagen, ohne zu sehr in die internen Prozesse zu gehen , dass es sehr häufig Entwürfe auf Arbeitsebene zwischen den beteiligten Häusern gibt, deren Spitzen am Ende ein Papier unterschreiben sollen. Dann, wenn Entwürfe auf Arbeitsebene einen Reifegrad erreicht haben, dass man sich davon verspricht, dass die Spitzen der Häuser, die es angeht, auch Ja dazu sagen könnten, geht es eine Hierarchiestufe weiter. Das kann genauso sein, wenn es Punkte gibt, die vielleicht noch umstritten sind, die aber nicht so leicht zu lösen sind und vielleicht erst auf höherer Ebene gelöst werden können. So laufen im Übrigen auch Abstimmungen zu Gesetzentwürfen. Es gibt einen bestimmten Anteil von Text, der nach einer gewissen Abstimmungsphase wahrscheinlich relativ unstreitig ist und von den Beteiligten vielleicht nur abgenickt werden muss, weil auf jeder Arbeitsebene die Position der jeweiligen Hausspitze sowieso bekannt ist und es da keine Konflikte gibt. Wenn es Gesprächsbedarf gibt, dann wird dieser wahrgenommen.
SRS’IN DEMMER: Es ist doch klar, dass für die gesamte Koalition die innere Sicherheit ein wichtiges Thema ist. Bislang sind wir in der Koalition da immer gemeinsame Wege gegangen. Wir haben jede Menge Gesetzespakete auf den Weg gebracht. Aufgrund der Gefährdungslage in unserem Land haben wir das Asylpaket I und das Asylpaket II auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung prüft natürlich kontinuierlich, wo gegebenenfalls Handlungsbedarf besteht, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern.
VORS. WELTY: Dann gehen wir wieder „unter drei“.
Es folgt ein Teil „unter drei“
VORS. WELTY: Dann gehen wir wieder „unter eins“.
FRAGE: Herr Plate, Herr Riexinger von den Linken spricht schon von einem Anschlag auf die Demokratie. Er meint, die Vorschläge von Herrn de Maizière seien von Populismus geprägt. Dies würde gar keinen Terroranschlag verhindern. Nun erwarte ich von Ihnen natürlich nicht, dass Sie Herrn Riexinger kommentieren. Aber ist denn das, was der Minister morgen vorstellen wird ohne dass Sie sagen, was er morgen vorstellt , aus Ihrer Sicht, aus der Sicht des Ministeriums geeignet, die Gefährdungslage in Deutschland zu verringern und womöglich weitere Anschläge zu verhindern?
Die zweite Frage, wenn ich darf das passt ja dazu , zu der Festnahme in Mutterstadt: Haben Sie heute neue Erkenntnisse dazu zu verkünden?
DR. PLATE: Zu der ersten Frage: Natürlich werde ich nicht den Kommentar eines Politikers einer Bundespartei zu Vorschlägen kommentieren, die wohlgemerkt noch gar nicht auf dem Tisch liegen. Der Innenminister wird solche Vorschläge machen so steht es auch in der Ankündigung der Pressekonferenz, die wir verschickt haben , die er für geeignet hält, die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen.
Zu der zweiten Frage, zu der gestrigen Festnahme: Das ist ein laufendes Ermittlungsverfahren, wie Sie wissen. Dazu äußert sich die Exekutive gar nicht und insbesondere das Innenministerium nicht.
FRAGE KOLHOFF: Die Bundeskanzlerin hatte sich ja bei der Sommer-Pressekonferenz sehr interessiert an diesem Thema gezeigt und einen Neun-Punkte-Vorschlag vorgelegt. Ist die Bundeskanzlerin auch in ihrem Urlaub in diesen internen Abstimmungsprozess, der genannt worden ist, einbezogen? Kennt sie also die elf Punkte, die der Innenminister vorlegen will? Die zweite Frage: Finden sich ihre neun Punkte darin wieder?
SRS’IN DEMMER: Es werden alle Vorschläge wahrgenommen und in der Koalition beraten. Wie ich eben schon gesagt habe: Der Weg war immer ein gemeinsamer Weg. Es steht fest, dass die innere Sicherheit in diesen Zeiten ein wichtiges Thema ist. Die Kanzlerin hat auf der Sommer-PK gesagt: Da, wo es Lücken gibt, müssen wir sie schließen, wie wir es immer getan haben.
ZUSATZFRAGE KOLHOFF: Nun war meine Frage ein bisschen anders als Ihre Antwort. Ich hatte gefragt, ob die Bundeskanzlerin in die Abstimmung einbezogen worden ist und ob sich ihre neun Punkte darin wiederfinden.
SRS’IN DEMMER: Ich habe dazu das gesagt, was ich dazu sagen möchte.
FRAGE DECKER: Ich habe zwei Fragen: Erstens. Was ist der Anlass für die Pläne des Bundesinnenministers? Er hat nach dem Anschlag von Ansbach gesagt, er sehe keinen Anlass, schon jetzt über neue Gesetze usw. zu reden. Sind die Ereignisse von Würzburg, Reutlingen und Ansbach trotzdem der Auslöser für diese Überlegungen? Hat sich der Minister eines anderen besonnen, oder gibt es diese Überlegungen schon länger?
Zweitens: Aus Unions-Kreisen hört man, das, was Herr de Maizière erst einmal für sich autonom plant, sei ein Paket, das nicht zustimmungspflichtig sei, also der Zustimmung des Bundesrates nicht bedürfe. Ist das so? Gibt es darüber hinaus Projekte, die zustimmungspflichtig sind?
DR. PLATE: Vielleicht darf ich beginnen, auch wenn ich vorab um Nachsicht dafür bitten muss, Sie zu korrigieren. Sie geben den Minister nicht richtig wieder mit dem, was er nach Ansbach gesagt hat. Der Minister hat gesagt, jetzt sei zunächst einmal Zeit abzuwarten, was die Ermittlungen für erste Ergebnisse brächten. Er hält es nicht für sinnvoll, schon bevor man Ergebnisse von Ermittlungen kennt, jedenfalls zum Teil kennt, mit konkreten Gesetzgebungsvorschlägen nach vorne zu treten, sondern man muss mit Besonnenheit schauen mit meinen Worten zusammengefasst , was wir aus den Vorfällen lernen können. Dann werde sorgfältig geprüft, ob es gegebenenfalls einen Anpassungsbedarf gibt oder nicht.
Zu der zweiten Frage, warum er jetzt die Vorschläge macht, warum er dies für erforderlich hält: Ich glaube, diese Frage ist vorhin schon einmal identisch gestellt worden. Deswegen gibt es dazu auch keine neue Antwort.
Zu der Zustimmungspflichtigkeit: Wenn ich hier zu Vorschlägen, die der Minister morgen macht, nicht Stellung nehme, weil er sie erst morgen vorstellt, dann können Sie, mit Verlaub, auch nicht erwarten, dass ich zu der Zustimmungspflichtigkeit durch den Bundesrat, das wirklich eine echte Detailfrage zu den Vorschlägen ist, zu denen ich hier heute „unter eins“ nichts sage, Stellung nehme.
FRAGE: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium. Auch nach dem Germanwings-Absturz gab es eine Diskussion über die ärztliche Schweigepflicht und ob diese noch zeitgemäß ist. Ich würde gerne wissen, ob seitdem Diskussionen laufen, die ärztliche Schweigepflicht zu lockern, und ob das in den letzten Wochen an Aktualität gewonnen hat.
Meine zweite Frage: Die ärztliche Schweigepflicht ist ein professioneller Eid der Ärzte. Die Frage ist eher, ob man Ärzte, die ihre ärztliche Schweigepflicht nicht lockern wollen, juristisch verfolgt. Können Sie mir ein bisschen erklären, wie die ärztliche Schweigepflicht in Deutschland funktioniert? Der Arzt schweigt, und der Staatsanwalt geht dann dem schweigenden Arzt nach?
WACKERS: Wir alle erinnern uns daran, dass wir anlässlich des Flugzeugabsturzes im letzten Jahr hier die Schweigepflicht hinauf und hinunter diskutiert haben. Es ist in Deutschland so geregelt, dass die ärztliche Schweigepflicht ein hohes Gut ist. Sie gehört mit zum ärztlichen Berufsverständnis und ist auch für das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und dem Patienten wichtig.
Die ärztliche Schweigepflicht ist aber nicht sakrosankt in Deutschland; sie ist also nicht unantastbar. Schon heute sind Ausnahmen geregelt, und zwar sowohl im Berufsrecht als auch im Strafrecht. Wenn ein höheres Rechtsgut, zum Beispiel der Schutz des Lebens Dritter, in Gefahr steht, dann kann von der ärztlichen Schweigepflicht abgewichen werden. Zu Einzelfällen kann ich Ihnen hier nichts sagen.
ZUSATZFRAGE: Damals wurde hier viel besprochen. Aber soweit ich weiß, ist nichts Konkretes dabei herausgekommen. Die Frage ist: Warum kommt das jetzt wieder hoch, wenn es damals nicht nötig war, da irgendetwas zu machen? Inzwischen gab es den Vorfall in München eines deutschen Staatsbürgers mit iranischem Hintergrund oder auch von Migranten, Asylbewerbern. Warum steht jetzt auf einmal die ärztliche Schweigepflicht zur Disposition?
WACKERS: Wie ich Ihnen gerade geschildert habe, sind Ausnahmen schon heute geregelt.
ZUSATZFRAGE: Diese Ausnahmen reichen also nicht aus?
WACKERS: Das kann ich nicht bewerten. Das bewerten Sie jetzt. Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.
FRAGE MÜLLER-THUM: Ich habe noch eine inhaltliche Nachfrage dazu. Sie haben gesagt, in Ausnahmefällen könne von der Schweigepflicht abgewichen werden. Wie ist das denn geregelt? Weichen die Ärzte dann davon ab, wenn irgendwelche Ermittlungsbehörden kommen und nachfragen, oder wird von den Ärzten in einem solchen Fall erwartet, dass sie das melden?
WACKERS: Das ist eine Ermessensfrage des einzelnen Arztes. Ein gutes Beispiel, das auch in den Erläuterungen zum Berufsrecht der Bundesärztekammer beschrieben wird, ist: Wenn ein HIV-infizierter Patient dem Arzt gegenüber versichert, dass er nicht vorhat, diese Infektion seinem Partner zu offenbaren, dann ist der Arzt berechtigt, dem Partner über die Infektion Bescheid zu geben. Hier wäre ein Abweichen von der ärztlichen Schweigepflicht angezeigt. Aber wie gesagt: Ich kann Ihnen zu Einzelfällen nichts sagen. Das ist ein Beispiel aus den Erläuterungen der Bundesärztekammer.
ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Ist der Arzt in bestimmten Fällen berechtigt oder verpflichtet?
WACKERS: Ich kann Ihnen das nicht sagen. Das ist eine Ermessensentscheidung. Letztendlich befinden Gerichte darüber, sollte es dazu kommen.
FRAGE WONKA: Frau Demmer, können Sie mir einmal die genaue Position der Bundesregierung zu der doppelten Staatsbürgerschaft erklären, die derzeit gilt? Gibt es für die Bundesregierung Handlungsbedarf, oder ist das eine parteipolitische Angelegenheit?
SRS’IN DEMMER: Die Bundesregierung plant derzeit nicht, das Staatsangehörigkeitsrecht zu ändern.
ZUSATZFRAGE WONKA: Gibt es dafür einen Grund, weshalb die Bundesregierung das nicht plant?
SRS’IN DEMMER: Ich glaube nicht, dass ich jetzt begründen muss, warum wir etwas nicht ändern.
ZUSATZFRAGE WONKA: Doch. Wenn ein Teil der Bundesregierung das verlangt und die Bundesregierung sagt: „Wir planen das nicht“, dann ist da offenbar ein Diskussionsprozess entstanden. Das war der Grund, weshalb ich danach frage. Es gibt also keinen Diskussionsprozess zur doppelten Staatsbürgerschaft in der Bundesregierung?
SRS’IN DEMMER: Die Bundesregierung plant derzeit nicht, das Staatsangehörigkeitsrecht zu ändern.
DR. PLATE: Vielleicht darf ich ganz kurz etwas ergänzen, weil jetzt eine Unterstellung in der Frage verborgen war, deren Bestätigung ich über einen Umweg vorbeugen will. Sie haben unterstellt, dass ein Teil der Bundesregierung der Auffassung sei, dass das geändert werden sollte. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, woher Sie das nehmen. Diese Unterstellung kann jedenfalls ich nicht bestätigen, es sei denn, es gibt Teile der Bundesregierung, von denen Sie wissen und ich nicht, dass sie solche Änderungen konkret planen.
ZUSATZ WONKA: Ich muss ja nicht Ihren Minister gemeint haben.
DR. PLATE: Das müssen Sie nicht. Aber für den Fall, dass Sie ihn gemeint hätten, war es mir wichtig, dass den Äußerungen von dieser Bank nicht durch die Hintertür eine Bestätigung entnommen wird, dass das so sei.
FRAGE JUNG: Ich habe noch ein paar Lernfragen, erst einmal zur ärztlichen Schweigepflicht: Wie hoch ist denn die Dunkelziffer angenommener Straftaten, die sonst nicht entdeckt werden konnten, Herr Plate?
Wir hatten ja gerade schon von Ausnahmen bei der ärztlichen Schweigepflicht gehört. Es gibt ja Bedingungen dafür, dass Auskunft gegeben werden darf und muss, nämlich bei der Planung einer schwerwiegenden Straftat. Darum wundere ich mich, dass das jetzt überhaupt ins Spiel gebracht wird. Wenn nämlich eine schwerwiegende Straftat geplant wird, also zum Beispiel ein Terroranschlag, dann muss der Arzt das ja schon jetzt an die Behörden melden. Was könnte denn da noch anders gemacht werden? Soll das jetzt ganz normale Straftaten betreffen?
Ich habe eine Frage zur doppelten Staatsbürgerschaft an das AA und das Familienministerium. Die allwissenden Unionsinnenminister meinen ja, dass die doppelte Staatsbürgerschaft ein „Integrationshindernis“ ist.
VORS. WELTY: Können wir das ein bisschen sortieren, vielleicht erst einmal bei den Fragen zur Schweigepflicht bleiben und dann zur doppelten Staatsbürgerschaft kommen?
ZUSATZFRAGE JUNG: Sehen das Ihre Ministerien auch so? – Ich bin schon fertig.
DR. PLATE: Zur Schweigepflicht: Ich weiß nicht, woher Sie die Aussage nehmen, dass das jetzt wieder ins Spiel gebracht wird. Von mir haben Sie es jedenfalls nicht gehört. Insofern ist, ehrlich gesagt, auch weiteren Fragen die Grundlage entzogen, jedenfalls aus meiner Sicht.
Hinsichtlich der Frage, ob es Dunkelziffern in der von Ihnen beschriebenen Art gibt, kann ich, ehrlich gesagt, keine Ressortzuständigkeit des BMI erkennen. Mir liegen sie jedenfalls auch nicht vor.
ZUSATZFRAGE JUNG: Wer kann mir diese Dunkelziffer nennen? So ein potenzieller Gesetzesvorschlag muss ja auf irgendwelchen Zahlen oder irgendwelchen sachlichen Gründen fußen.
DR. PLATE: Vielleicht noch einmal ganz kurz: Ich weiß nicht, warum Sie davon ausgehen, dass ein Gesetzgebungsvorschlag zu diesem Thema präsentiert wird. Ich habe das nicht
ZUSATZFRAGE JUNG: Nein, wir können das völlig davon abkoppeln! Ich will einfach nur wissen, ob die Bundesregierung Erkenntnisse über Dunkelziffern von Fällen hat, die durch die ärztliche Schweigepflicht hätten verhindert werden können.
Die zweite Frage betraf die schwerwiegenden Straftaten, Herr Plate.
DR. PLATE: Ich kann darin, ehrlich gesagt, keine zweite, gesonderte Frage erkennen. Das ist doch das Gleiche!
ZUSATZ JUNG: Nö.
DR. PLATE: Dann habe ich Sie nicht verstanden. Ich bitte
ZUSATZ JUNG: Das waren die Ausnahmen für die ärztliche Schweigepflicht. Schon jetzt muss ein Arzt die Planung einer schwerwiegenden Straftat den Behörden melden.
DR. PLATE: Herr Jung, Sie reden offensichtlich mit mir über einen Straftatbestand, die Nichtanzeige geplanter Straftaten. Das weiß ich zufällig, weil ich Jurist bin. Aber Sie wissen auch, dass das Bundesinnenministerium für die Ausübung des Strafrechts überhaupt nicht zuständig ist. Deswegen werde ich Ihnen, da die kürzere Erläuterung dazu, warum ich keine Antwort gebe, offenbar nicht gereicht hat, jetzt noch einmal erklären, dass es hier zu der konkreten Auslegung der Reichweite des Straftatbestandes der Nichtanzeige geplanter Straftaten jedenfalls vonseiten des Bundesinnenministeriums mangels Ressortzuständigkeit keine Stellungnahme gibt.
ZUSATZFRAGE JUNG: Darf ich das Justizministerium fragen, ob es Handlungsbedarf bei der Ausnahmeregelung für die ärztliche Schweigepflicht sieht, weil es ja jetzt schon die Ausnahme für schwerwiegende Straftaten gibt?
MALACHOWSKI: Noch einmal, bitte. Meinen Sie, ob wir die Notwendigkeit für eine Ausnahme von der ärztlichen Schweigepflicht sehen?
ZUSATZ JUNG: Die Ausweitung der Ausnahmen!
MALACHOWSKI: Das ist etwas, das nicht in unsere federführende Zuständigkeit fällt. Es gibt, wie Herr Plate angedeutet hat, glaube ich, § 138 oder 139 StGB, der das Nichtanzeigen von Straftaten betrifft. Im Übrigen gibt es auch den rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB. Sie können gerne nachschauen und das nachlesen. Ansonsten ist die Schweigepflicht nichts, das von uns im Justizministerium geregelt wird.
ZUSATZ JUNG: Dann war noch die Frage nach dem Integrationshindernis der doppelten Staatsbürgerschaft an das AA und das Familienministerium offen.
CHEBLI: Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, wie Sie darauf kommen, dass das AA dazu Stellung beziehen sollte.
ZUSATZ JUNG: Vielleicht haben Sie ja Erkenntnisse darüber, ob das wahr ist.
CHEBLI: Nein, ich habe keine Erkenntnisse darüber. Das liegt nicht in unserem Zuständigkeitsbereich.
HERB: Ich sehe das genauso. Ich sehe hier auch keine Ressortzuständigkeit des Familienministeriums, und ich
ZURUF JUNG: Wenn Ihre Ministerin hier in der BPK sitzt und über Integration redet, kann ich ja wohl erwarten, dass Ihre Ministerin und Ihr Ministerium davon Ahnung haben!
HERB: Ich glaube, dass Frau Demmer klargemacht hat, wie die Bundesregierung gerade zur Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts steht, und deswegen kann ich Ihnen sagen: Ich sehe hinsichtlich Ihrer Frage keine Ressortzuständigkeit des Familienministeriums.
FRAGE HELLER: Ich wollte noch einmal auf die aktuellen Ereignisse in Rheinland-Pfalz und die Durchsuchung zurückkommen, die es in Nordrhein-Westfalen wohl im Moment gibt oder heute Morgen gegeben hat. Ich weiß, dass Sie dazu nichts sagen können, Herr Plate. Ich möchte das aber zum Anlass nehmen, nach einer möglichen Veränderung der aktuellen Gefährdungslage zu fragen. Hat sich irgendetwas im Hinblick auf die akute Bedrohung der inneren Sicherheit bzw. auf eine konkrete Anschlagsgefahr geändert?
DR. PLATE: Die Gefährdungslage ist unverändert hoch, und der konkrete Vorfall, auf den Sie anspielen das sagt schon das Wort „unverändert“ , hat darauf auch keinen konkreten Einfluss.
FRAGE JUNG: Ich habe auch gelesen, dass geplant sei, einen neuen Grund für Abschiebungen einzuführen, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Herr Plate, liebäugelt der Minister damit? Ist es überhaupt mit irgendeiner Verfassung vereinbar, Menschen auf Verdacht als gefährlich zu erklären, ohne dass sie nachweislich gefährlich sind, und sie deswegen abzuschieben?
DR. PLATE: Herr Jung, ich erspare uns allen einfach die Vorrede, weil ich die, glaube ich, hier und heute schon vier- oder fünfmal sozusagen über Sie habe ergehen lassen. Was der Innenminister hinsichtlich der Dinge, die er vorschlagen möchte, für richtig hält, werden Sie morgen erfahren jedenfalls dann, wenn es Sie interessiert , denn er wird es bekanntlich um 12 Uhr der staunenden Öffentlichkeit verkünden.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe noch eine Frage an Frau Demmer. Das Kanzleramt ist für den BND zuständig. Es ist jetzt anscheinend auch in Planung, die Nutzung der Vorratsdatenspeicherung auszuweiten und sie den Geheimdiensten, also zum Beispiel auch dem BND und dem Verfassungsschutz, zu ermöglichen. Befürworten das die Kanzlerin und das Kanzleramt?
SRS’IN DEMMER: Über nachrichtendienstliche Tätigkeiten gebe ich hier keine Auskunft.
FRAGE JESSEN: Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich als Nichtjurist eine Lernfrage stellen muss. Da das Innenministerium, wie Sie sagten, Herr Dr. Plate, hinsichtlich der Reichweite der Auslegung der Nichtanzeige einer geplanten Straftat nicht zuständig ist, das Justizministerium, wie wir dann von Herrn Malachowski gehört haben, aber offenbar auch nicht zuständig ist, wer wäre denn dann zuständig?
DR. PLATE: Ich weiß jetzt nicht genau, ob Sie sozusagen vom Bundesinnenministerium im Rahmen seiner Zuständigkeit eine Zuständigkeitszuweisung an ein bestimmtes Ressort erwarten. Diese Erwartungshaltung kann ich, ehrlich gesagt, nicht erfüllen. Es ist einfach so das ist sozusagen das System von Sprechern, Sprechern von Ministerien, Sprechern der Bundesregierung , dass jeder sozusagen über den Bereich spricht, für den es eine federführende Zuständigkeit gibt, und nicht, wenn ich das so salopp sagen darf, sozusagen „unter eins“ seinen Senf zu Themen abgibt, für die eine mitwirkende, aber nicht federführende Zuständigkeit besteht. In diesem Sinne war meine Äußerung zu verstehen, dass ich zu der Reichweite eines Straftatbestandes, von dem ich gar nicht erkennen kann, dass seine Veränderung zur Disposition stünde, auch aus diesen beiden Gründen hier nicht Stellung beziehe.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Das habe ich schon verstanden. Sie grenzen sich ab und sagen: Das ist nicht unser Ding. Ich versuche es jetzt nur zu begreifen. Wir reden ja doch über eine Situation, die zumindest nicht völlig unrealistisch ist, nämlich dass gesagt wird und in der Diskussion ist: Es kann sein, dass wir die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten in irgendeiner Form neu regeln müssen. Das muss doch dann in rechtliche Vorschriften gegossen werden. Wenn das so passiert, muss doch jemand dafür zuständig sein. Ich versuche ja nur zu begreifen, wer das gegebenenfalls wäre. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da eine Art Bermuda-Dreieck gibt.
DR. PLATE: Ich sage vielleicht etwas „unter drei“.
VORS. WELTY: Dann gehen wir „unter drei“.
Es folgt ein Teil „unter drei“
VORS. WELTY: Dann gehen wir wieder „unter eins“. – Herr Jung!
FRAGE JUNG: Herr Plate, Sie hatten ja vorhin angesprochen, welche Punkte der Innenminister aus der Berliner Erklärung herausgenommen haben möchte. Was Sie nicht genannt haben, war unter anderem der Satz
VORS. WELTY: Herr Jung, das haben wir doch besprochen!
DR. PLATE: Das geht echt nicht; es tut mir leid.
ZUSATZFRAGE JUNG: Dann habe ich noch eine Frage. Ich hatte die Frage vorhin schon gestellt. Da wollten Sie sie nicht beantworten. Ich würde gerne einmal wissen, wie die Bundesregierung den Begriff Hassprediger definiert. Frau Chebli, können Sie uns da aushelfen? Ihr Minister hat nämlich Herrn Trump, einen Präsidentschaftskandidaten der USA, als Hassprediger bezeichnet.
VORS. WELTY: Auch dieses Thema führt jetzt, glaube ich, weiter als das andere Thema, bei dem wir gerade noch sind.
ZURUF JUNG: Wir sind bei den Vorschlägen der Unionsinnenminister!
CHEBLI: Ich kann Ihnen keine Definition dessen geben, was ein Hassprediger ist. Die Worte des Ministers habe ich hier nicht zu kommentieren. Der Minister hat das gesagt, was er in Bezug auf den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten sagen wollte, und das habe ich nicht zu kommentieren.
DR. PLATE: Zur Vermeidung von Wiederholungen kann ich im Interesse aller nur sagen: Zur Berliner Erklärung und auch zu der konkreten Frage habe ich alles gesagt, was ich dazu zu sagen habe.
ZUSATZFRAGE JUNG: Das ist ja das Problem. Sie haben nichts zu Hasspredigern gesagt. Können Sie uns die Definition nachreichen?
DR. PLATE: Nein! Ich habe dazu das gesagt, was ich dazu zu sagen habe, Herr Jung.
FRAGE HERPELL: Ich habe eine Frage an das Umwelt- und das Verkehrsministerium. Es gibt Meldungen, die blaue Plakette stehe vor dem Aus. Die Verkehrsministerkonferenz befasst sich wohl mit dem Thema, und es soll Alternativvorschläge geben. Wie könnten die aus Ihrer Sicht aussehen?
An das Umweltministerium: Warum kommt plötzlich diese Reißleine, die da gezogen wird?
HAUFE: Ich kann zu den Vorschlägen, die die Verkehrsminister machen, natürlich noch nichts sagen; das wird meine Kollegin tun.
Wir befinden uns ja seit einiger Zeit in der Debatte über die Luftqualität in vielen Städten, speziell über das Thema der Stickoxide. Die Luft ist belastet, und in den letzten Tagen hat sich die Diskussion ja sehr stark auf die blaue Plakette eingeschossen, als wäre sie das einzige Mittel, das gegen dieses Problem genutzt werden kann. Es war jetzt wichtig, das Zeichen zu geben, dass wir die Diskussion wieder auf das ausrichten müssen, worum es eigentlich geht, nämlich die Luftqualität in den Städten zu verbessern und die Stickoxidwerte zu senken. Dafür gibt es ein Set an Möglichkeiten. Die blaue Plakette ist eine. Wir haben damit in der Diskussion klar signalisiert: Wir sind kompromissbereit und bereit, über Alternativen zu reden. Das waren wir auch schon vorher. Aber es war nötig, noch einmal ein deutliches Zeichen in diese Richtung zu setzen.
Ich gebe noch einmal die Äußerung des Staatssekretärs wieder. Er hat gesagt: Wir haben die blaue Plakette vorerst auf Eis gelegt. – Sie ist also nicht vom Tisch, sondern sie liegt, um in der Bildsprache zu bleiben, im Tiefkühlfach, und das kann man wieder öffnen.
ZUSATZFRAGE HERPELL: Haben Sie sich jetzt also erst einmal ein Stück weit geopfert, um die Diskussion wieder in Gang zu bringen, um verhärtete Fronten aufzuweichen?
HAUFE: Das ist, denke ich, unsere Aufgabe als verantwortliche Stelle, die mit dafür zuständig ist, dass die Luftqualität so ist, dass sie unterhalb von Grenzwerten liegt, und dass hunderttausende Menschen, die betroffen sind, keine Gesundheitsbelastungen haben. Das ist unser Job. Dementsprechend führen wir die Diskussion, damit es in dieser Richtung vorangeht.
MOOSMAYER: Ich kann der Diskussion der Länderverkehrsminister natürlich nicht vorgreifen. Wie Sie wissen, ist der Bund bei der Länderverkehrsministerkonferenz lediglich als Gast dabei. Ich kann aber wiederholen, was der Bundesverkehrsminister gesagt hat, nämlich dass er von Verboten für Fahrzeuge, die vielleicht nur zweimal im Monat in die Stadt fahren, nichts hält, sondern dass es wichtig ist, dass man die Fahrzeuge, die sehr häufig in der Stadt fahren das sind Busse, Taxen, die Behördenfahrzeuge usw., die hier tagtäglich fahren , auf alternative Antriebe umstellt und so sehr viel mehr erreicht.
FRAGE DR. KÜRSCHNER: Herr Haufe, wenn dieses Vorhaben gewissermaßen auf Eis gelegt wird, ist das denn rechtlich unproblematisch? Die EU-Kommission hat nämlich festgestellt, dass laufend Grenzwerte in größeren Städten wie Berlin, Stuttgart, München usw. verletzt werden. Wenn Sie jetzt an der blauen Plakette zumindest vorerst nicht mehr festhalten, kann man ja sagen, dass Sie diese Überschreitungen gewissermaßen tolerieren, die die EU-Kommission sanktionieren will.
HAUFE: Sie erwähnen richtigerweise das EU-Vertragsverletzungsverfahren bezüglich der Luftqualität gegen Deutschland, das schon seit einigen Jahren läuft. Es ist so, dass die Städte ja eine Reihe von Maßnahmen um nicht zu sagen: zig Maßnahmen ergriffen haben, um die Grenzwerte einzuhalten. Nun gibt es ein Hindernis, über das wir hier in der ganzen Zeit auch schon öfter gesprochen haben, nämlich die nicht funktionierenden Abgasnormen. Das heißt natürlich, dass die eine oder andere Kommune an ihre Grenzen kommt: Wenn die Abgasnormen nicht funktionieren, dann kann sie natürlich auch nicht die Stickoxidwerte weiter senken, auch wenn sie den Verkehr umsteuert und verschiedene Maßnahmen ergreift, wie den ÖPNV, für den die Stadt selbst zuständig ist, umzustellen.
Eben weil wir uns in diesem Verfahren befinden, ist es umso wichtiger, dass die Diskussion jetzt weiter in Gang kommt. Der nächste Schritt ist die Verkehrsministerkonferenz der Länder im Herbst. Die Umweltminister und die Verkehrsminister wollen an dieser Stelle einen Kompromiss finden. Das ist nun, so hoffen wir, noch besser möglich, als es vielleicht in den letzten Wochen erschien. Das war einfach ganz klar ein Zeichen dafür, die Diskussion zu entspannen und in die Richtung zu bringen, in die sie gehört, nämlich sich um die Gesundheitsbelastung der Menschen zu kümmern.
ZUSATZFRAGE DR. KÜRSCHNER: Präferieren Sie also, dass sich die Verkehrsminister und die Umweltminister jetzt zusammensetzen, um einen Kompromiss zu finden?
HAUFE: Das ist ein vereinbartes Verfahren. Dieses Verfahren wurde in den letzten Wochen vereinbart. Es gibt dazu auch einen Beschluss der Umweltministerkonferenz vom 17. Juni. Der ist auch im Protokoll festgehalten, den kann jeder nachlesen. Dort heißt es: Wir warten jetzt die Beschlüsse der Verkehrsminister zu dem Thema ab, wie die Verkehrsminister die Emissionsgrenzwerte einhalten wollen. Dann wird man sich aufeinander zubewegen.
FRAGE JUNG: Herr Plate, wenn Flüchtlinge aus der Türkei nach Deutschland eingeflogen werden, wann landen diese Flugzeuge hier wo?
DR. PLATE: Ich vermute einmal, sie spielen auf eine Berichterstattung an, die es gegeben hat, und zwar darüber, dass es angeblich tausende Flüge über Nacht geben soll, durch die Flüchtlinge eingeflogen werden sollen. Falls sich Ihre Frage auf diese Berichterstattung beziehen sollte, kann ich dazu sagen, gerne auch „unter eins“: Das ist der größte Unsinn, den ich seit Langem gehört habe!
Über die Flügel, die es tatsächlich im Rahmen des Eins-zu-eins-Resettlements aus der Türkei gibt, haben wir immer regelmäßig berichtet. Es gibt aktuell keinen, der so konkret ansteht, dass das schon verkündungsreif wäre.
Flughäfen, die mir aus der Vergangenheit als Landeorte solcher Flüge bekannt sind, waren Hannover und Kassel-Calden.
ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie uns noch sagen, wann die letzten Flüge hier im Rahmen des Resettlement-Programms gelandet sind – morgens, mittags, nachmittags, nachts?
DR. PLATE: Nein, ehrlich gesagt, nicht auswendig. Ich weiß im Falle Hannovers von zwei Flügen. Die fanden beide im Laufe des Vormittags bis in den Mittag hinein statt. Bei Kassel-Calden weiß ich es, ehrlich gesagt, nicht auswendig. Ich glaube, da war es aber auch nicht nachts.
FRAGE HELLER: Ich wollte das Wirtschaftsministerium noch einmal kurz nach dem TTIP-Komplex fragen. Es gab einen Bericht über einen Expertenbericht. Ist davon auszugehen, dass der Minister den Tenor dieses Expertenberichts aus Ihrem Hause teilt? Ist man im Wirtschaftsministerium inzwischen der Auffassung, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es TTIP einmal geben wird, sowohl kurzfristig als auch mit Blick auf die Position der US-Präsidentschaftskandidaten gegen null tendiert?
ALEMANY: Danke, Herr Heller. Sie wissen ja, dass ich mich hier immer äußerst ungern über Wahrscheinlichkeiten äußere. Sie sprechen unsere Bestandsaufnahme an. Das ist eine Bestandsaufnahme, kein Expertengutachten. Das ist quasi eine sachlich fundierte, ehrliche Bestandsaufnahme des Verhandlungsstandes, wie er sich jetzt nach drei Jahren der Verhandlungen mit den Amerikanern und nach insgesamt 14 Verhandlungsrunden darstellt. Darin sind alle bisherigen Verhandlungsrunden aufgeführt, die Inhalte, die Bereiche, in denen konsolidierte Texte vorliegen, die Bereiche, in denen Verhandlungsangebote schon ausgetauscht wurden, und die jeweiligen Bereiche, in denen es noch keine Verhandlungsangebote gibt.
Wir haben die Bestandsaufnahme angekündigt. Wir haben sie auch an die anderen Ressorts innerhalb der Bundesregierung geschickt und versandt, um jetzt einfach einmal eine gemeinsame Standortbestimmung zu ermöglichen, weil die Verhandlungen in einer wichtigen und schwierigen Phase sind. Diese wird jetzt in den weiteren Meinungsbildungsprozess der Bundesregierung einfließen.
FRAGE JENNEN: Frau Demmer, können Sie schon Stellung dazu nehmen, wie sich die Bundeskanzlerin dazu positionieren wird? Wird sie diese Einschätzung dann letztendlich teilen?
Insgesamt zum Verfahren und dazu, wie die Diskussion innerhalb der Bundesregierung weitergehen soll: Soll es eine Ressortabstimmung darüber geben, ob man zu einer gemeinsamen Bewertung kommt, oder wie geht es da weiter?
SRS’IN DEMMER: Das Papier hat das Kanzleramt gestern erreicht. Die Kanzlerin ist offen für einen Diskussionsprozess. Gemeinsam wird man das Papier jetzt bewerten. Man wird es dann auch mit der Kommission besprechen. Man wird auch erst einmal mit der Kommission besprechen müssen, wie denn deren Stand ist. Das Ganze wird sicherlich auch beim EU-Rat im September ein Thema sein.
Es bleibt aber dabei: Die Bundesregierung hält den zügigen Abschluss des Abkommens natürlich für ein zentrales Vorhaben im Rahmen der transatlantischen Beziehungen. Das hat die Bundeskanzlerin ja auch hier in ihrer Sommer-Pressekonferenz betont. Das Ziel ist es, die Verhandlungen bis zum Jahresende abzuschließen. Es geht dabei natürlich um den Abschluss eines ehrgeizigen und umfassenden, aber eben doch für beide Seiten vorteilhaften Abkommens, das die in Europa geltenden hohen Standards in keiner Weise einschränkt. Vielmehr bietet das Abkommen große Chancen für Wachstum und Beschäftigung wie auch dafür, in unserem Sinne Standards zu setzen, die dann auch über die EU hinaus ausstrahlen.
FRAGE: Frau Alemany, würden Sie noch einmal sagen, welche Konsequenzen der Minister aus der Bestandsaufnahme zieht?
ALEMANY: Die Frage deckt sich ein bisschen mit der Frage von Herrn Heller. Natürlich ist eine Bestandsaufnahme des BMWi immer gleichlautend mit der Meinung des Ministers; da gibt es keine Differenz.
Ansonsten ist der aktuelle Verhandlungsstand dargelegt. Das ist ein Informationsangebot an die Bundesregierung. Ich denke, bei so komplexen Verhandlungssystem wie einem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Amerika ist es ganz wichtig, Fakten und Stände zu kennen, bevor man sich eine Meinung bilden kann. Das ist Ziel und Konsequenz dieses Papiers.
ZUSATZFRAGE: Aber der Minister steht noch vollkommen hinter seinen früheren Aussagen, dass er TTIP gerne umgesetzt sehen würde?
ALEMANY: Wie Sie wissen, hat sich Minister Gabriel seit seinem Amtsantritt schon für den Freihandel stark gemacht. Er hat auch in Bezug auf TTIP viele Verbesserungsvorschläge eingebracht und hat einen TTIP-Beirat, der mit Pro- und Contra-Positionen besetzt ist, installiert. Natürlich möchte er gute Abkommen; das gilt für CETA wie für TTIP. Wir wollen ein TTIP-Abkommen, das umfassend ist und die hohen Standards auch gewährleistet.
FRAGE: Der chinesische Media-Konzern hat am Montag mitgeteilt, dass er sich ungefähr 95 Prozent der KUKA-Aktien sichern könne. Begrüßt die Bundesregierung diese neueste Entwicklung bzw. wird sie die Übernahme zulassen?
Wie sieht die Prüfung nach dem Außenwirtschaftsgesetz aus?
ALEMANY: Das war ein kurzer Themenwechsel. Ich kann gerne zu KUKA etwas sagen:
Wir behalten uns die Prüfung noch vor.
SRS’IN DEMMER: Es gibt derzeit keine konkreten Pläne für eine Gesetzesänderung.
FRAGE JUNG: Eine Frage an das Auswärtige Amt zum Thema Atombomben. Im Oktober 2016 stimmen die UN-Mitgliedstaaten darüber ab, ob ein Vertrag zum völkerrechtlichen Verbot von Atomwaffen verhandelt wird. Kennt die Bundesregierung schon ihre eigene Haltung? Wird sie dem zustimmen, sich enthalten oder dagegen stimmen?
CHEBLI: Unsere Haltung zum Thema Atombomben haben wir hier breit diskutiert, Herr Jung, auch auf viele Ihrer Nachfragen hin. Die Bundesregierung steht für eine atomfreie Welt und wird sich in allen Foren, die es dazu gibt, in denen das Thema debattiert wird, dementsprechend positionieren und sich dafür einsetzen. Wir sind leider noch nicht so weit, wie wir gerne sein möchten. Unsere Haltung ist hier aber ganz klar.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich verstehe Sie richtig, dass Sie, weil Sie sich für Abrüstung und eine atomwaffenfreie Welt einsetzen, in dieser Abstimmung zustimmen werden?
CHEBLI: Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Welt eine atomfreie Welt ist. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass wir bei dieser Abstimmung genau diese Position vertreten werden.
ZUSATZ JUNG: Aber
CHEBLI: Herr Jung, das ist doch eine Antwort. Ich verstehe überhaupt nicht, worauf Sie hinaus wollen. Sie fragen mich, wie wir abstimmen werden. Ich sage Ihnen, wie unsere Position ist. Was ist denn das Problem?
ZUSATZ JUNG: Ich versuche nur, zu verstehen, ob Sie wirklich abstimmen werden oder ob Sie das potenziell vorhaben. Es gibt Berichte, dass Sie dagegen stimmen werden.
CHEBLI: Ich kenne diese Berichte nicht.
FRAGE JESSEN: Eine Frage an das Auswärtige Amt zum gestrigen Treffen von Herrn Erdoğan und Herrn Putin. Manche haben vorab befürchtet, das sei der Beginn einer autokratischen Internationale. Nun hat der Bundesaußenminister die Tatsache des Treffens grundsätzlich begrüßt. Es ist auch gesagt worden, es sei von Petersburg ein Signal an den Westen gegeben worden. Können Sie sagen, welches Signal im Auswärtigen Amt nach der Analyse angekommen ist?
CHEBLI: Wer soll gesagt haben, dass ein bestimmtes Signal ausgesandt worden sei?
ZUSATZ JESSEN: In der Berichterstattung über das Treffen wird gesagt, dies sei auch ein Signal an den Westen gewesen.
CHEBLI: Ich habe gerade gelesen, dass Herr Çavuşoğlu laut einer Agenturmeldung gesagt habe, dass das überhaupt keine Botschaft an den Westen sei. Von daher vielleicht die Antwort.
Wir bleiben dabei: Wir begrüßen, dass nach den Spannungen, die es in den letzten Monaten und in der Vergangenheit gegeben hat, beide Länder wieder eine Annäherung suchen. Ein Abbruch von Dialog und Gesprächskanälen ist in einer von Krisen gebeutelten Welt, in der Krisen so komplex und brandgefährlich sind, der denkbar schlechteste Weg. Das ist der Ansatz des Ministers, den er eigentlich in allen Fragen vertritt. Miteinander sprechen ist immer besser als Gespräche zu kappen.
Wir sehen das ganz klar als nicht gegen Europa gerichtet. Wenn man den Ausführungen des türkischen Außenministers folgen mag, sieht er das genauso.
Fakt ist doch: Das eine zu tun, das heißt die Annäherung an Russland zu suchen, schließt das andere nicht aus. Das heißt, die Annäherung an Russland zu suchen, heißt nicht, (nicht) weiter mit Europa zusammenzuarbeiten. Wir brauchen die Türkei, und die Türkei braucht uns. Es gibt so viele politische und wirtschaftliche Interessen, die wir gemeinsam haben, auch, wie ich schon am Montag gesagt habe, aufgrund der über drei Millionen Deutsch-Türken hier in Deutschland. Wir können es uns überhaupt nicht leisten, auf die Türkei zu verzichten. Es ist aber auch genauso andersherum. Ich glaube, man unterschätzt das Interesse der Türkei an Europa.
SRS’IN DEMMER: Ich würde das gerne bekräftigen. Wir begrüßen den Besuch.
Wenn Sie sich zurückerinnern, war die NATO nach dem Abschuss des Flugzeugs in großer Sorge über das Zerwürfnis zwischen der Türkei und Russland, über den Streit an einer NATO-Außengrenze. Da ist es natürlich gut, wenn die wesentlichen Akteure wieder zueinanderfinden und nach Wegen suchen, den Streit beizulegen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Ein spezifisches Signal an den Westen, in dem Fall an Deutschland, erkennt weder die Bundesregierung insgesamt noch das Auswärtige Amt im Besonderen. Das habe ich richtig verstanden? Keine spezielle Petersburger Botschaft?
CHEBLI: Das sehen wir nicht so.
FRAGE: Herr Plate, es gab am Montag Berichte, dass die Zahl der Untätigkeitsklagen von Asylbewerbern auf Höchststand sind, und zwar auf deutlichem Höchststand. Wie bewertet das Bundesinnenministerium das? Haben Sie Verständnis für diese Asylbewerber? Uns liegen Zahlen vor, nach denen Asylbewerber zum Teil bis zu zwischen zwei und drei Jahren auf ihren Bescheid warten.
DR. PLATE: Wir nehmen die Berichterstattung zur Kenntnis. Deutschland ist ein Rechtsstaat, in dem man sich sowohl gegen Entscheidungen, die einem nicht gefallen, als auch wegen sozusagen nicht im gewünschten Zeitrahmen eingegangener Entscheidungen an Gerichte wenden kann. Das geschieht. Es ist so, dass diese Verfahren nicht dazu führen, dass diese Anträge nun gerade priorisiert bearbeitet werden.
Ich will an der Stelle vielleicht doch darauf hinweisen, dass Sie mitnichten davon ausgehen können, dass es dort, wo eine Klage eingereicht wird, in aller Regel auch zu einem Obsiegen des Klägers kommt. Ich rege an, dem vielleicht einmal bei der Justiz nachzugehen.
Wichtig ist jedenfalls Folgendes: Das BAMF steht seit vielen Monaten man muss sogar sagen: Jahren vor einer epochalen Herausforderung. Es ist sehr viel im BAMF geschehen, um diese Herausforderung anzunehmen und besser und besser zu bewältigen. Wir sehen gute Anzeichen dafür, dass das zunehmend gelingt. Nach wie vor ist es so, dass viele Antragsbearbeitungen länger dauern, als wir uns das wünschen, als sich das natürlich auch die Antragsteller und Antragstellerinnen wünschen. Neue Anträge werden schon jetzt in einer Durchschnittsdauer von immerhin 3,8 Monaten bearbeitet. Es gibt natürlich noch eine ganze Reihe von Anträgen, die einfach schon länger liegen. Diese gehen, wenn sie jetzt erledigt werden, in die Gesamtdurchschnittsdauer ein, teilweise auch mit Bearbeitungsdauern von über einem Jahr. Die ziehen dann natürlich auch die Durchschnittsbearbeitungszeit nach oben; das ist völlig logisch.
Sie haben in unserer Asyl-Pressemitteilung gesehen, dass das BAMF im Moment über 500 000 Anträge in Bearbeitung nehmen konnte. Ich formuliere das bewusst so, weil über Monate das Problem war, dass aus verschiedenen Gründen, die nur teilweise beim BAMF lagen, die Dauer, bis es überhaupt zur Antragsannahme kommen konnte, relativ lang war. Das wird immer besser. Wir sind zuversichtlich, dass das weiter besser wird.
Sie wissen auch, dass viele Leute neu eingestellt worden sind, die aber erst einmal qualifiziert werden müssen. Viele sind schon qualifiziert worden. Das geht aber nicht von selbst, sondern man braucht natürlich auch erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um die neuen Mitarbeiter so zu schulen, dass sie nicht nur schnelle, sondern auch qualitativ hochwertige Arbeit leisten. Deswegen ist das alles ein Prozess, der nicht von heute auf morgen beendet ist. Wir sehen aber sehr gute Anzeichen dafür, dass wir auf dem absolut richtigen Weg sind.
FRAGE GRIMM: Ich habe eine Frage zum Thema Iran. Mitte vergangenen Monats war der iranische Notenbankchef Seif zu Gast in Frankfurt und hat dort den Präsidenten der Bundesbank, Jens Weidmann, getroffen. Meine Frage ist: Hat Herr Seif auch Mitarbeiter der Bundesregierung vonseiten BMWi, BMF oder AA getroffen?
CHEBLI: Ich weiß nicht, ob das der Fall war. Ich würde das in Erfahrung bringen und Ihnen mitteilen, wenn dem so war.
ALEMANY: Gleiches gilt für mich.
DR. WEISSGERBER: Für mich auch.
FRAGE JUNG: Eine Verständnisfrage an das AA und Frau Demmer in Sachen US-Präsidentschaftswahlkampf; das Thema hatten wir ja schon einmal besprochen. Hat die Bundesregierung es aufgegeben, sich neutral zu verhalten? Ich höre, dass Äußerungen, die es aus der Bundesregierung gab, anti-Trump waren.
SRS’IN DEMMER: Für die Bundeskanzlerin gilt, was sie hier gesagt hat: Sie mischt sich in den Wahlkampf nicht ein und kommentiert das nicht.
ZUSATZFRAGE JUNG: Warum mischt sich der Außenminister ein, Frau Chebli?
CHEBLI: Ich kann Ihnen nicht sagen, warum er das macht. Er tut es jedenfalls und ist in der Tat in der Frage nicht neutral, weil er der Meinung ist, dass einem, wenn man den Aussagen von Trump folgt, echt Bange werden muss, was aus dieser Welt werden könnte, wenn dieser Kandidat tatsächlich Präsident würde. Darauf macht der Außenminister aufmerksam, und das ist sein gutes Recht.
ZUSATZFRAGE JUNG: Zum Verständnis: Frau Clinton halten Sie nicht für gefährlich?
CHEBLI: Zu Frau Clinton hat der Minister das gesagt, was er dazu zu sagen hat. Das habe ich nicht zu ergänzen, zu evaluieren oder zu bewerten. Sie haben mich zu Trump gefragt. Ich habe Ihnen gesagt, was die Haltung des Ministers zu Trump ist. Von Frau Clinton hat der Minister ganz eindeutig nicht diesen Eindruck.
FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Demmer, teilt die Bundeskanzlerin die Meinung des Außenministers, dass Trump ein Hassprediger ist?
SRS’IN DEMMER: Sie kommentiert den US-Wahlkampf nicht.