Isch over! ► BPK vom 26. September 2016
Themen: Personalie, Kondolenztelegramm der Bundeskanzlerin zum Tod von Shimon Peres, Kabinettssitzung (Entwurf für ein Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Bericht nach Paragraf 3 des Energieleitungsausbaugesetzes, Entwurf eines Regierungsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, aktueller Stand bei Integrationskursen und berufsbezogener Sprachförderung), Presseberichte über angebliche Rettungspläne der Bundesregierung für die Deutsche Bank, Studie von McKinsey für das BAMF zum Thema Abschiebungen, Veröffentlichung des Joint Investigation Teams zum Abschuss von Flug MH17, Bearbeitung von Asylanträgen in Griechenland, Verhandlungen über ein deutsch-ägyptisches Sicherheitsabkommen, Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet
Naive Fragen zu:
Jägers neuer Job (1:20 min)
– Herr Jäger, Sie sollen ab sofort in Baden-Württemberg für Abschiebungen von Afghanen nach Afghanistan zuständig sein. Vorher waren Sie schon Botschafter für Deutschland in Afghanistan. Hilft Ihnen die einstige Tätigkeit jetzt bei der Abschiebung von Afghanen nach Afghanistan? (10:40 min)
Beerdigung von Peres
– Herr Gauck wird zu der Beerdigung fahren. Werden auch Mitglieder der Bundesregierung vor Ort sein? (12:05 min)
Untergang der Deutschen Bank (ab 13:03 min)
– ist die Deutsche Bank systemrelevant für die Bundesregierung? (ab 15:05 min)
– welche Teile der Deutschen Bank, sollte die Deutsche Bank aufgespaltet werden müssen, müssen in Deutschland verbleiben?
– an das Wirtschaftsministerium aus wirtschaftlicher Sicht: Ist die Deutsche Bank systemrelevant? (16:48 min)
McKinseys Millionenhonorar/BAMF (ab 18:20 min)
– Warum will McKinsey jetzt vom BAMF für eine Studie zum Thema Abschiebung 1,86 Millionen Euro? Ich war auf dem Stand, dass McKinsey die Beratung und Unterstützung in Sachen Flüchtlingen, Flüchtlingskrise kostenlos angeboten hat. Das ist auch das Zitat, das ich vom Berliner Bürgermeister bekommen habe. McKinsey hat der Bundesregierung ein Angebot gemacht, kostenlos zu unterstützen und zu helfen. Das hat McKinsey auch den Bundesländern angeboten. Jetzt soll dafür bezahlt werden. Warum?
– Warum gab es diesbezüglich keine Ausschreibung? Welche Summe hat der Bund dieses Jahr bisher an McKinsey gezahlt?
– Können Sie sagen, was das BAMF für McKinsey ausgegeben hat?
Abschuss von MH17 (ab 21:10 min)
– nur zum Verständnis: Was ist für Sie jetzt noch Spekulation? Dass es eine russische Luftabwehrrakete war? Dass es von Separatisten benutzt wurde? Dass es von russischen Soldaten benutzt wurde? Was genau ist für Sie jetzt noch Spekulation, und was ist für Sie schon Fakt? (25:55 min)
– Heißt das, dass Sie, wenn Sie anerkennen, dass es eine russische Luftabwehrrakete ist und dass sie im Separatistengebiet abgefeuert wurde, trotzdem nicht eins und eins zusammenzählen möchten? (27:00 min)
– Zum Verständnis: Sie wollen Namen wissen, Sie wollen den Namen des Soldaten wissen, der diese Rakete abgefeuert hat, bevor Sie eine Schuldzuweisung treffen? (29:30 min)
Flüchtlingsdeal mit Ägypten
– können Deutschland und die EU mit einem Land, das sich nicht an Menschenrechte hält, einen Flüchtlingsdeal abschließen? (ab 40:25 min)
– Herr Schäfer tut ja so, als ob es hier um Waffenexporte ginge. Es geht aber doch um Menschen bzw. um ein Abkommen über Menschen, und Sie sagen: Na ja, wir haben da unterschiedliche Meinungen, und Menschenrechtsstandards werden da nicht eingehalten. Aber muss es in Sachen Flüchtlingsabkommen nicht auch um Menschenrechte gehen?
„Hate Speech Taskforce“ (ab 48:05 min)
– das BMJV hatte jugendschutz.net beauftragt, im August und September testweise bei YouTube, Facebook und Twitter in Deutschland strafbare Inhalte zu melden, was dann auch in insgesamt 622 Fällen geschehen ist. Ein Kollege hatte in der entsprechenden Pressekonferenz schon nachgefragt, aber Sie haben bisher nicht darauf geantwortet: Wie viele dieser 622 strafbaren Inhalte sind denn bis jetzt zu einer Anzeige geführt worden, und wie viele Verurteilungen gab es?
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Tilo Jung
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 28. September 2016:
VORS. DETJEN eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
JÄGER: Ich bin gekommen, um mich heute zu verabschieden. Ende dieser Woche „isch over“. Ab nächster Woche werde ich neue Aufgaben in Stuttgart übernehmen.
Ich möchte mich für die gute und wirklich immer professionelle Zusammenarbeit bedanken. An der einen oder anderen Stelle ist es auch etwas sportlich zugegangen, aber immer fair. Deshalb auch noch ein besonderes Dankeschön an die griechischen Kollegen.
Zum Schluss möchte ich Ihnen sagen: Mir hat es viel Spaß gemacht. Wir hatten einen guten Austausch. Wer immer von Ihnen sich in Zukunft in Richtung Süden auf den Weg macht, der ist auf einen Kaffee oder auf ein Gespräch im Innenministerium in Stuttgart herzlich willkommen. – Vielen Dank.
VORS. DETJEN: Herr Jäger, vielen Dank. Wir wünschen Ihnen alles Gute bei Ihren neuen Aufgaben und spannende Zeiten in Stuttgart. Manchmal führen die Wege von Süden wieder Richtung Nordosten. Vielleicht sehen wir uns auch an dieser Stelle wieder. Alles Gute!
STS SEIBERT: Bevor ich zu dem Kabinettsbericht komme, möchte ich gerne noch auf etwas anderes eingehen. Heute früh erreichte uns alle die Nachricht vom Tode Shimon Peres’, des früheren israelischen Ministerpräsidenten, Staatspräsidenten und Friedensnobelpreisträgers. Die Bundeskanzlerin blickt in großer Dankbarkeit auf viele Jahre der Begegnungen und Gespräche mit Shimon Peres zurück. Es waren Begegnungen mit einem großen Mann, mit einen Mann des Ausgleichs und nicht zuletzt mit einem Freund Deutschlands. Die Bundeskanzlerin trauert daher heute mit dem israelischen Volk um Shimon Peres.
In einem Kondolenztelegramm an Ministerpräsident Netanjahu spricht sie auch im Namen der Menschen in Deutschland ihr tief empfundenes Beileid aus. Ich darf vielleicht einiges daraus zitieren. Die Bundeskanzlerin schreibt:
„In all seinen Ämtern setzte sich Shimon Peres mit seiner ganzen Kraft für die Sicherheit, die Freiheit und die Entwicklung des Staates Israel ein. Unermüdlich arbeitete er allen Widrigkeiten zum Trotz für einen Ausgleich mit der arabischen Welt. Er war zutiefst davon überzeugt, dass Israelis und Palästinenser friedlich nebeneinander leben können.
Seine Vision für einen tragfähigen Frieden im Nahen Osten trug maßgeblich zum Friedenschluss von Oslo bei, wofür Peres zusammen mit Yitzak Rabin und Jassir Arafat 1994 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Die Verwirklichung seines Traumes zu erleben, ist ihm und uns bis heute versagt geblieben. Weiter dafür zu arbeiten -“
– dies schreibt die Bundeskanzlerin –
„das ist sein Vermächtnis und unsere Verpflichtung.“
So viel zu diesem Thema.
Das erste Thema im Kabinett, vorgestellt vom Bundeswirtschaftsminister, ist das Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die Bundesregierung will das Wettbewerbsrecht zeitgemäß gestalten. Sie will vor allem auch ökonomische Besonderheiten der zunehmenden Digitalisierung der Märkte berücksichtigen und einige Rechtslücken schließen. Deswegen gibt es diesen Gesetzentwurf für ein Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.
Der Entwurf stellt klar, dass ein Markt im Sinne des Wettbewerbsrechts auch dann vorliegen kann, wenn zwischen den unmittelbar Beteiligten kein Geld fließt. Der Entwurf enthält zudem einen Katalog neuer Kriterien, anhand derer die Marktstellung von Unternehmen besser beurteilt werden kann, die auf mehrseitigen Märkten oder auch in Netzwerken agieren.
Der Bundeswirtschaftsminister, der auch Energieminister ist, hat den Bericht nach Paragraf 3 des Energieleitungsausbaugesetzes vorgelegt. Das Bundeskabinett hat diesen Bericht beschlossen. Das Energieleitungsausbaugesetz für Fachleute: EnLAG gibt es seit 2009. Es ist damals beschlossen worden, um den Ausbau der Höchstspannungsnetze, der großen Stromtrassen zu beschleunigen. Das ist notwendig, damit das Stromnetz dem ständig wachsenden Anteil erneuerbarer Energien und den längeren Transportstrecken gerecht werden kann. Das EnLAG legt fest, welche Bauvorhaben besonders wichtig sind. Es strafft die Planungs- und Genehmigungsverfahren. Inhalt des Berichts ist in erster Linie der aktuelle Stand des Stromnetzausbaus für diese besonders wichtigen Vorhaben.
Knapp gefasst sieht es so aus: Es gibt 22 EnLAG-Vorhaben mit einer Leitungslänge von insgesamt etwa 1800 Kilometern. Davon waren bis Mitte dieses Jahres konkret: 30. Juni 2016 knapp die Hälfte genehmigt und über ein Drittel realisiert. Bis Ende 2017 rechnen die Übertragungsnetzbetreiber damit, dass rund 45 Prozent dieser Projekte fertiggestellt worden sind.
Das ist im Übrigen ein Bericht, den es bisher alle drei Jahre gegeben hat und künftig alle zwei Jahre im Bundeskabinett geben wird.
Zuletzt wurde der Entwurf eines Regierungsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie behandelt. Das ist ein Regierungsprogramm, das von 2016 bis 2026 laufen soll, Teil der Innovationsstrategie der Bundesregierung und Baustein eines nachhaltigen Energiesystems, das auch für den Klimaschutz gut ist.
Wasserstoff und Brennstoffzelle sind Schlüsseltechnologien, wenn wir das Energiesystem umgestalten wollen. Wasserstoff aus erneuerbaren Energien kann als Kraftstoff für Fahrzeuge dienen. Mit Brennstoffzellen können beispielsweise Fahrzeuge und Heizungen effizient und emissionsarm arbeiten.
Schon seit zehn Jahren fördert die Bundesregierung diese Technologien mit dem Nationalen Innovationsprogramm. Auch dank dieser Förderung sind diese Technologien in den letzten zehn Jahren alltagstauglich geworden und erste kommerzielle Brennstoffzellenprodukte am Markt verfügbar. Im Ergebnis dieser ersten zehn Jahre haben wir nun eine moderne Industriebranche in Deutschland mit rund 500 Unternehmen und Organisationen. Dadurch wird Deutschland natürlich auch attraktiv für Investoren aus dem Ausland in diese Branche. Das trägt in diesem Bereich zur Wertschöpfung bei uns im Land bei. Aufgrund dieses Erfolgs setzt die Bundesregierung mit dem neuen Programm, das, wie gesagt, bis 2026 laufen wird, die Förderung über weitere zehn Jahre fort. Ziel ist nun, von der Technologiereife zur Marktfähigkeit zu kommen.
Zum Schluss, wie immer, das Kabinettsthema Flucht und Migration. Heute ging es im Wesentlichen um den Bericht, den die Arbeits- und Sozialministerin sowie der Innenminister über den aktuellen Stand bei Integrationskursen und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung vorgelegt haben. Da kann eine positive Zwischenbilanz gezogen werden: Bis Mitte September 2016 haben nahezu 200 000 Personen einen Integrationskurs begonnen. Das ist schon bis Mitte September mehr als im ganzen Jahr 2015, als die Zahl bei etwa 180 000 Personen lag. Mit dem Integrationsgesetz und anderen Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten Monaten zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Teilnehmerzahlen weiter zu erhöhen.
Wichtig ist vor allem die Erhöhung der Mindestvergütung für die Lehrkräfte um 12 auf 35 Euro pro Unterrichtseinheit. Das ist sehr wichtig, um Lehrkräfte auf einem schwierigen Markt zu finden und zu rekrutieren und natürlich auch die Qualität des Unterrichts zu sichern. Auch die Erhöhung des Kostenerstattungssatzes für Kursträger mit Wirkung zum 1. Juli hat zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der qualifizierten Lehrkräfte geführt. Sie liegt jetzt bei etwa 15 000.
Es geht immer um das Erlernen der deutschen Sprache als zentrales Fundament für Integration, sowohl gesellschaftliche als berufliche Integration. Das baut auf den Integrationskursen auf. Die berufsbezogene Sprachförderung dient dem Spracherwerb bis zu dem sogenannten Sprachniveau C2. Damit werden davon sind wir überzeugt, und so erleben wir es auch in der Praxis die neu zu uns Gekommenen in ihren Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt deutlich gefördert.
So weit aus dem Kabinett.
FRAGE JUNG: Herr Jäger, Sie sollen ab sofort in Baden-Württemberg für Abschiebungen von Afghanen nach Afghanistan zuständig sein. Vorher waren Sie schon Botschafter für Deutschland in Afghanistan. Hilft Ihnen die einstige Tätigkeit jetzt bei der Abschiebung von Afghanen nach Afghanistan?
JÄGER: Herr Jung, es wäre jetzt wirklich schade gewesen, wenn ich meine letzte Pressekonferenz ohne eine Frage von Ihnen gehabt hätte. Das, wonach Sie befragen, bezieht sich allerdings auf meine künftige Tätigkeit. Sie haben zwar insofern recht, als ich einmal Botschafter in Afghanistan war. Ich kann mich noch daran erinnern; das war eine sehr gute Zeit.
Dazu, was die Aufgaben in Stuttgart angeht, die ich ab kommendem Dienstag wahrnehme, gibt es Mitteilungen des dortigen Innenministeriums. Ich kann Ihnen jetzt, weil ich hier für das Bundesfinanzministerium spreche und wir mit Abschiebungen bekanntlich gar nichts zu tun haben, nur einfach den freundschaftlichen Hinweis oder Tipp geben: In Stuttgart gibt es eine Landespressekonferenz, die sicherlich auch für Innovationen und Besucher von außerhalb offen ist. Gehen Sie einfach einmal dorthin! Dann diskutieren wir diese Themen mit großer Freude dort.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, Herr Gauck wird zu der Beerdigung fahren. Werden auch Mitglieder der Bundesregierung vor Ort sein?
STS SEIBERT: Das stimmt: Deutschland wird bei der Trauerfeier in Jerusalem am Freitag durch den Bundespräsidenten, also das Staatsoberhaupt, vertreten sein. Die Bundeskanzlerin dies kann ich Ihnen so weit sagen wird nicht reisen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Warum?
STS SEIBERT: Deutschland ist durch das Staatsoberhaupt vertreten.
FRAGE LAUTENBACH: Ich habe eine Frage an Herrn Jäger. Das ist vielleicht Ihr letztes Dementi hier. Was sagen Sie denn zu den behaupteten Rettungsplänen für die Deutsche Bank durch die Bundesregierung?
JÄGER: Ihre Ahnung trügt Sie nicht. Auch ich habe diese Presseberichterstattung heute Morgen gelesen. Sie ist nicht zutreffend; diese Berichterstattung ist falsch. Die Bundesregierung bereitet keine Rettungspläne für die Deutsche Bank vor. Es gibt auch keinen Anlass für derartige Spekulationen. Ich darf daran erinnern, dass die Deutsche Bank dies selbst auch ausdrücklich klargestellt hat.
FRAGE MADELIN: Herr Jäger, könnten Sie einmal die Rechtslage schildern, wie das funktioniert, wenn eine Bank in große Schwierigkeiten gerät? Wir haben die neue europäische Richtlinie. Könnten Sie einmal sagen, wann die Gläubiger, Aktionäre oder Kunden in Anspruch genommen werden? In welchen Ausnahmefällen könnte der Staat einspringen?
JÄGER: Nein, das werde ich heute nicht tun. Ich verweise darauf, dass es ein bestehendes Regelwerk gibt. Sie können sich mit diesem Regelwerk vertraut machen. Es ist da und gilt. Aber ich werde jetzt hier nicht in szenarische Überlegungen einsteigen und irgendwelche hypothetischen Abläufe projizieren.
ZUSATZFRAGE MADELIN: Vielleicht nur für die Laien: Wie läuft das grob ab?
JÄGER: Für die Laien würde ich in diesem Zusammenhang auf die Website des Bundesfinanzministeriums verweisen. Dort ist es so erklärt, dass auch nicht spezialisierte Journalisten es dort nachlesen und sogar verstehen können.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, Herr Jäger, ist die Deutsche Bank systemrelevant für die Bundesregierung?
JÄGER: Über die Einordnung der Deutschen Bank im Zusammenhang mit Fragen der Finanzmarktstabilität ist allgemein Konsens. Jeder weiß um die Bedeutung der Deutschen Bank. Auch dem ist nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Das war nicht die Frage.
JÄGER: Aber das war die Antwort.
ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Seibert, ist die Deutsche Bank systemrelevant für die Bundeskanzlerin?
STS SEIBERT: Ich habe der Antwort, die gerade Herr Jäger für das Bundesfinanzministerium gegeben hat, nichts hinzuzufügen.
FRAGE JUNG: Herr Jäger, welche Teile der Deutschen Bank, sollte die Deutsche Bank aufgespaltet werden müssen, müssen in Deutschland verbleiben?
JÄGER: Herr Jung, diskutieren Sie solche Fragen mit dem Sprecher der Deutschen Bank in Frankfurt.
FRAGE JORDANS: Herr Jäger, noch sind Sie ja Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Deshalb bin ich etwas verwundert, dass Sie uns auf die Website verweisen, ohne für das Bundesfinanzministerium einfach einmal darzulegen, was die Umstände sind, unter denen die Bundesregierung bereit oder in der Lage ist, bei einer Bankenrettung einzuspringen. Können Sie das nicht, oder wollen Sie das nicht?
JÄGER: Es tut mir leid, wenn Sie verwundert sind. Ich wiederhole, was ich auf die erste Frage zu diesem Thema gesagt habe: Ich werde jetzt hier nicht in szenarische Überlegungen hypothetischer Abläufe einsteigen.
FRAGE JUNG: Die Frage an das Wirtschaftsministerium aus wirtschaftlicher Sicht: Ist die Deutsche Bank systemrelevant?
DR. BARON: Ich glaube, das wurde gerade durch Herrn Jäger erörtert.
ZUSATZ JUNG: Nö.
DR. BARON: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
FRAGE MADELIN: Herr Jäger, ich glaube, der Chef des Bundesverbands deutscher Banken hat heute die Geldpolitik der EZB dafür verantwortlich gemacht, dass die Deutsche Bank etwas schwach ist. Ist das auch Ihre Meinung?
JÄGER: Auch diese Frage bitte ich Sie mit denen zu diskutieren, die sich zu Wort gemeldet haben, sprich: mit dem genannten Verbandsvertreter. Wenn Sie es vertiefen wollen, würde ich Ihnen empfehlen: Gehen Sie auf die Kollegen in Frankfurt bei der EZB zu, die dazu sicherlich sprechfähig und auskunftsbereit sind.
FRAGE JORDANS: Können Sie uns sagen, ob diese Woche im Bundesfinanzministerium irgendwelche Veranstaltungen oder Gespräche speziell mit Bezug auf die Situation der Deutschen Bank stattfinden oder stattgefunden haben?
JÄGER: Völlig unabhängig von der Deutschen Bank wissen Sie, dass wir über interne Treffen und Gespräche hier nicht berichten.
FRAGE JUNG: Herr Dimroth, zum Thema McKinsey und BAMF: Warum will McKinsey jetzt vom BAMF für eine Studie zum Thema Abschiebung 1,86 Millionen Euro? Ich war auf dem Stand, dass McKinsey die Beratung und Unterstützung in Sachen Flüchtlingen, Flüchtlingskrise kostenlos angeboten hat. Das ist auch das Zitat, das ich vom Berliner Bürgermeister bekommen habe. McKinsey hat der Bundesregierung ein Angebot gemacht, kostenlos zu unterstützen und zu helfen. Das hat McKinsey auch den Bundesländern angeboten. Jetzt soll dafür bezahlt werden. Warum?
DR. DIMROTH: Zunächst einmal: Zu den konkreten Inhalten einer vertraglichen Absprache kann ich hier verständlicherweise nicht Stellung nehmen. Dass McKinsey allerdings mit einer solchen Unterstützungsleistung beauftragt ist, ist auch schon Gegenstand dieser Veranstaltung gewesen. Wenn ich mich recht erinnere, waren Sie nicht zugegen, als wir hier darüber diskutiert haben. Insofern erlaube ich mir, Sie auf die Protokolle zu verweisen. Darin werden Sie lesen können, dass es in diesen Prozessen eine Reihe von Schnittstellen und Beteiligten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene gibt.
Wir sind gemeinsam mit einigen Bundesländern zu der Erkenntnis gekommen, dass es sehr sinnvoll ist, die Unterstützung Dritter und die Beratung von Experten insbesondere in Bezug auf Prozessoptimierung hinzuzuziehen nicht auf Inhalte und nicht auf materielle Regelungen; da sind wir schon hinreichend gut aufgestellt , um möglichst rasch Verbesserungsbedarfe und Schnittstellenproblematiken zu identifizieren und dann im weiteren Verlauf idealerweise auch rasch gemeinsam abstellen zu können.
ZUSATZFRAGE JUNG: Noch zwei Lernfragen: Warum gab es diesbezüglich keine Ausschreibung? Welche Summe hat der Bund dieses Jahr bisher an McKinsey gezahlt?
DR. DIMROTH: Die letzte Frage kann ich schon per se nicht beantworten, weil ich nicht für den Bund spreche. Insofern verbietet sich hier eine Antwort von mir.
ZURUF JUNG: Können Sie das für das BAMF beantworten?
DR. DIMROTH: Das BAMF kann auch nicht beantworten, was der Bund in diesem Jahr für McKinsey ausgegeben hat. Auch das liegt weder im Zuständigkeitsbereich
ZURUF JUNG: Können Sie sagen, was das BAMF für McKinsey ausgegeben hat?
DR. DIMROTH: des Innenministeriums noch des BAMF. Ich sagte gerade, dass konkrete Vertragsinhalte regelmäßig Vertragsinhalte sind und damit nicht für die öffentliche Berichterstattung.
Nichtsdestoweniger kann ich gern die Frage mitnehmen, ob das BAMF in anderen Bereichen Geschäftsbeziehungen hat. Das weiß ich schlicht nicht, kann aber die Frage gern mitnehmen. Sollte das so sein, würde ich Ihnen im Nachgang gern eine Antwort zukommen lassen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Und was ist mit der Frage nach der Ausschreibung?
DR. DIMROTH: Dazu liegt mir keine Information vor. Auch das würde ich gegebenenfalls nachreichen.
FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, wie soeben gemeldet wird, hat die internationale Ermittlergruppe in Holland bestätigt, dass der Flug MH17 von einer russischen Rakete, die von den Separatistengebieten abgefeuert wurde, abgeschossen wurde.
Ist für Sie damit die Schuldfrage endgültig geklärt?
STS SEIBERT: Ich würde gern an den Sprecher des Auswärtigen Amtes weitergeben, weil Herr Schäfer über die neuesten Erkenntnisse etwas besser informiert ist als ich.
DR. SCHÄFER: Sind Sie damit einverstanden, Herr Jolkver? Die Pressekonferenz des gemeinsamen Ermittlungsteams läuft zurzeit noch. Ich meine, sie hat genauso wie diese Regierungspressekonferenz vor 22 Minuten begonnen. Aber ich denke, man kann bereits jetzt Folgendes sagen: Das Joint Investigation Team das sind Forensiker, strafrechtliche Experten aus den Niederlanden, aus Belgien, aus Australien, aus Malaysia und der Ukraine, das sind die Länder, die beim Absturz von MH17 mit Abstand die meisten Opfer zu beklagen hatten hat heute ein Zwischenergebnis ihrer Ermittlungen präsentiert. Es ging darum, zu klären, wer für den Absturz des Fluges MH17 über der Ostukraine verantwortlich ist, und entsprechende Untersuchungen anzustellen.
Sie wissen vielleicht, dass bereits vor gut einem Jahr, nämlich im Oktober 2015, das Dutch Safety Board einen Bericht über die Absturzursache veröffentlich hat. Damals ging es um die Frage, wie sich der schreckliche Absturz von MH17 im Juli 2014 ereignen konnte. Aber es ging noch nicht um die Frage, wer dafür verantwortlich war.
Die Ermittlungsergebnisse, wie sie gerade eben auch der Öffentlichkeit vorgestellt worden sind, werden von der Bundesregierung begrüßt. Aber die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse, die jetzt vorgelegt worden sind, haben es möglich gemacht, den Verantwortlichen näherzukommen. Aber es fehlen doch noch weitere Ermittlungen, um wirklich Ross und Reiter zu benennen und die Täter sozusagen mit Namen zu ermitteln. Wir sind weiter der Überzeugung, dass diejenigen, die für dieses schreckliche Unglück verantwortlich sind, strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden müssen, und zwar entsprechend der Resolution 2166 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2014. Wir werden weiter die laufenden internationalen Bemühungen um verbindliche und glaubwürdige Strafverfolgungsmaßnahmen unterstützen und rufen alle Staaten zur Zusammenarbeit auf.
Ich will hinzufügen, dass die Bundesregierung die jetzt auch der Öffentlichkeit vorgelegten Ergebnisse für sehr sorgfältig und sehr ernsthaft recherchiert hält und deshalb auch für glaubwürdig.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: Herr Schäfer, welche Folgen hat die Tatsache, dass die Rakete von den Separatistengebieten aus abgeschossen wurde?
DR. SCHÄFER: Das ist zunächst eine Tatsache, die wir zur Kenntnis nehmen müssen. Sie entspricht durchaus dem, was unmittelbar im Anschluss an die schrecklichen Ereignisse vom 17. Juli 2014 vermutet worden war. Wir sind glühende Verfechter des Rechtsstaates. Das heißt, wenn man jemanden beschuldigt und strafrechtlich zur Rechenschaft ziehen will, kommt es darauf an, nach den Regeln eines Rechtsstaates gerichtsverwertbare Beweise dafür auf den Tisch zu legen.
Die gemeinsame Ermittlungsgruppe hat jetzt Ergebnisse präsentiert, nach denen das, was Sie in Ihrer Frage richtig beschrieben haben, gerichtsfest beweisbar ist. Das ist ein großer Schritt vorwärts. Jetzt wird es darum gehen, konkret zu ermitteln, wer für diese Untat strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden kann. Soweit ich weiß, ist die gemeinsame Ermittlungsgruppe zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage, konkrete Namen zu nennen und dann vielleicht auch entsprechende Verfahren einzuleiten.
FRAGE JUNG: Herr Schäfer, nur zum Verständnis: Was ist für Sie jetzt noch Spekulation? Dass es eine russische Luftabwehrrakete war? Dass es von Separatisten benutzt wurde? Dass es von russischen Soldaten benutzt wurde? Was genau ist für Sie jetzt noch Spekulation, und was ist für Sie schon Fakt?
DR. SCHÄFER: Ich halte mich dabei an die Ermittlungsergebnisse, die jetzt, während wir miteinander sprechen, der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Danach ist es in der Tat so ich kann das nur in indirekter Rede wiedergeben, weil es nicht Ermittlungsergebnisse der Bundesregierung sind , dass der Abschuss durch eine Luftabwehrrakete russischer Bauart erfolgte und aus einem Gebiet, das zum Zeitpunkt des Abschusses de facto in der Hand von Separatisten war. Das ist es, was ermittelt worden und aus Sicht des Ermittlungsteams gerichtsfest beweisbar ist nicht mehr und nicht weniger.
ZUSATZFRAGE JUNG: Heißt das, dass Sie, wenn Sie anerkennen, dass es eine russische Luftabwehrrakete ist und dass sie im Separatistengebiet abgefeuert wurde, trotzdem nicht eins und eins zusammenzählen möchten?
DR. SCHÄFER: Ich denke, ich habe gerade eben in der länglichen Antwort auf die Frage von Herrn Jolkver darauf hingewiesen, dass es uns darauf ankommt, nach den Regeln des Rechtsstaats vorzugehen und nicht einfach bloße Behauptungen in den Raum zu stellen, sondern uns an das zu halten, was beweisbar ist. Dafür gibt es die gemeinsame Ermittlungsgruppe, deren Arbeit wir von Anfang an unterstützt haben.
Diese Ermittlungsgruppe wird ihre Arbeit nun fortsetzen. Ich gehe davon aus und hoffe, dass sie bei ihrer schwierigen Arbeit weiter vorankommen wird, um dann auch noch die Fragen zu beantworten, die Sie und andere in den Raum gestellt haben.
Dass auch wir uns diese Fragen stellen, können Sie sich denken. Aber ich denke, es ist nicht sinnvoll, Spekulationen in den Raum zu werfen, sondern wir halten uns an Fakten und Beweise.
FRAGE JORDANS: Herr Schäfer, ohne dass ich Sie bitte, zu spekulieren: Glauben Sie, dass diese Ermittlungsergebnisse irgendwelche Auswirkungen auf den Friedensprozess haben könnten, in dem die Bundesregierung ja stark engagiert ist?
DR. SCHÄFER: Ich denke, das, was ich glaube, spielt jetzt keine Rolle. Ich gehe davon aus, dass die laufenden Ermittlungen keinen Einfluss auf die Bemühungen haben werden, die Minsker Vereinbarung im Normandie-Format oder auf andere Art und Weise umzusetzen. Ich gehe davon aus, dass wirklich alle Beteiligten ein Interesse an einer objektiven Aufklärung haben und sich daran in angemessener Weise beteiligen.
FRAGE JOLKVER: Eine ähnliche Frage: Wird der Minister dieses Thema innerhalb der Viererrunde ansprechen?
DR. SCHÄFER: Ich kann Ihnen jetzt nicht von geplanten Telefonkonferenzen oder Gesprächen berichten. Dass das Thema der Ostukraine einschließlich der Vorfälle vom Juli 2014 im Bewusstsein des Außenministers eine wichtige Rolle spielt, können Sie sich denken. Deshalb gehe ich davon aus, dass bei zukünftigen Gesprächen auch dieses Thema eine Rolle spielen wird, klar.
FRAGE JUNG: Zum Verständnis: Sie wollen Namen wissen, Sie wollen den Namen des Soldaten wissen, der diese Rakete abgefeuert hat, bevor Sie eine Schuldzuweisung treffen?
DR. SCHÄFER: Ich weiß nicht, ob wir jetzt eine Art Proseminar in Fragen des allgemeinen Strafrechts machen wollen.
Das Strafrecht eines Rechtsstaates die fünf Staaten, die gemeinsam ermittelt haben, sind solche Rechtsstaaten sieht vor, dass man strafrechtliche Vorwürfe gegen natürliche Personen erhebt, die bestimmte Taten begangen oder etwas unterlassen haben. Es gibt unterschiedliche Formen der Mitwirkung. Es gibt zum Beispiel den, der auf den Knopf gedrückt hat, und den, der den Befehl gegeben hat, auf den Knopf zu drücken, oder den, der dem, der den Befehl gegeben hat, einen Befehl gegeben hat.
Dass alles muss nach den Regeln des Strafrechtes aufgearbeitet werden. Es gibt, wie gesagt, unterschiedliche Formen der Mitwirkung. Im deutschen Recht ist man bei Beteiligung entweder Täter oder Anstifter oder leistet Beihilfe. Ich nehme an, dass das in den Strafrechtssystemen der Staaten, die die gemeinsame Ermittlungsgruppe geführt haben, ganz ähnlich ist.
FRAGE JOLKVER: Herr Schäfer, erwarten Sie ernsthaft, dass diese Ermittlergruppe den Namen des Soldaten nennt, der auf den Knopf gedrückt hat?
DR. SCHÄFER: Ich weiß nicht, welche Beweise in dieser Frage die gemeinsame Ermittlungsgruppe bereits jetzt zur Hand hat oder noch zu ermitteln im Stande ist. Das kann ich nicht wissen. Aber natürlich geht es der Ermittlungsgruppe darum, strafrechtliche Vorwürfe zu ermitteln, um zu schauen, ob es einen hinreichenden Tatverdacht dafür gibt, dass bestimmte Personen vielleicht angeklagt werden können, klar.
FRAGE: Wie schätzt die Bundesregierung die Bemühungen Griechenlands bei der Bearbeitung von Asylanträgen der Flüchtlinge und die damit verbundenen Rückführungen von nicht anerkannten Flüchtlingen ein?
STS SEIBERT: Zunächst einmal muss man sagen, wenn ich vielleicht anfangen darf: Griechenland beherbergt eine sehr hohe Zahl von Migranten und Flüchtlingen, und das ist für das Land eine schwere Belastung. Das sehen wir auch. Europa hat vielfach Hilfe angeboten und leistet auch Hilfe, damit das Land mit dieser Belastung zurechtkommen kann.
Wir haben bei der Umsetzung des sogenannten Eins-zu-eins-Mechanismus, also der Rücksendung von syrischen Flüchtlingen in die Türkei, bei der dann für jeden einzelnen Zurückgesandten ein Syrer aus der Türkei nach Europa gebracht werden könnte, sicherlich noch große Schwierigkeiten. Es ist bekannt, und das ist auch in Europa zuletzt beim Wiener Balkantreffen immer wieder ein Thema, dass Griechenland da besser werden muss. Die Griechen selbst sprechen davon, dass sie diese Schwierigkeiten sehen, sie sprechen davon, welche Gründe sie dafür sehen, und auch davon, wie sie sie bewältigen wollen. Da ist also bei der Umsetzung eines immerhin wichtigen Teils des EU-Türkei-Abkommens sicherlich noch einiges zu leisten. Europa steht bereit, um dafür Unterstützung bereitzustellen.
FRAGE WACKET: Der griechische Minister hat angekündigt, dass er die Flüchtlinge von den Inseln auf das Festland umsiedeln will. Das würde ja im Widerspruch zum EU-Türkei-Abkommen stehen, wäre also ein weiterer Bestandteil des Abkommens, der dann nicht erfüllt wäre. Vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen.
Generell ist es natürlich auch so, dass die Umverteilung insgesamt stockt. Was denn da geplant ist, wäre die zweite Frage.
Vielleicht noch eine dritte Frage, eher an das Innenministerium, schätze ich einmal: Herr de Maizière hat sich dafür ausgesprochen, Flüchtlinge wieder zurück nach Griechenland zu überweisen. Das wird dort strikt abgelehnt. Wie ist denn da der Stand der Debatte?
STS SEIBERT: Was die Umsiedlung betrifft, die sogenannte Relocation von Schutzsuchenden aus Griechenland in die anderen europäischen Mitgliedstaaten, so haben Sie recht: Da ist noch einiges zu leisten. Die Bundeskanzlerin hat ja beim Wiener Westbalkantreffen angekündigt, dass Deutschland bereit ist, sich stärker daran zu beteiligen. Andere sind es auch, und wir erwarten auch von anderen Mitgliedstaaten, dass auch sie ihre Aufnahmeverpflichtung erfüllen. Das ist deswegen wichtig, weil das ja Menschen mit Bleiberecht sind, und wenn für diese Menschen die in Aussicht gestellte Relocation nach Europa nicht stattfände, dann könnten Sie natürlich auf den Gedanken kommen, illegale Wege nach Europa zu suchen, und das kann in niemandes Interesse sein. Das würde die griechisch-bulgarische Grenze oder andere Grenzen wieder aufs Neue unter Druck setzen.
ZUSATZFRAGE WACKET: Was sagen Sie zu dem Thema der Umsiedlung von Inseln auf das Festland, die ja jetzt von Griechenland angekündigt wurde?
STS SEIBERT: Ich will grundsätzlich sagen
ZUSATZ WACKET: Das hat ja mit dem EU-Türkei-Abkommen zu tun.
STS SEIBERT: Richtig, aber es ist eben auch ein EU-Türkei-Abkommen. Das heißt, Griechenland sollte über solche Pläne das Gespräch mit den europäischen Institutionen suchen. Tatsächlich steht Griechenland ja auch im ständigen Gespräch mit den europäischen Institutionen. Ich will hier jetzt bilateral nichts dazu sagen.
DR. DIMROTH: Ich darf vielleicht einmal die Gelegenheit ergreifen, das insofern zu ergänzen, als ja auch zu lesen war, dass diese geplante Maßnahme sozusagen damit begründet werde, dass Relocation nicht in hinreichendem Umfang stattfinde. Das ist deswegen durchaus bemerkenswert, weil mit der griechischen Regierung verabredet worden ist, dass Relocation in Bezug auf diejenigen Flüchtlinge stattfindet, die sich auf dem Festland aufhalten, eben gerade nicht auf den Inseln. Insofern kann dieser Konnex so überhaupt nicht hergestellt werden; der besteht schlichtweg nicht.
Das Zweite, das heute ja auch noch einmal zu lesen war, ist, dass Deutschland oder die EU insgesamt Griechenland nicht hinreichend bei der Erledigung der Aufgaben auf den Inseln unterstützten. Auch das kann ich jedenfalls für Deutschland so nicht stehen lassen, weil aus den Geschäftsbereichen des Innenministeriums, was sowohl die Bundespolizeikollegen als auch das BAMF anbetrifft, sehr umfassende Hilfsangebote bei den Verantwortlichen EU-Agenturen Frontex und EASO hinterlegt worden sind. Die sind nicht vollumfänglich abgerufen worden, was offensichtlich auch damit zu tun hat, dass auf den Inseln gar nicht jedenfalls nicht überall hinreichend Platz und Ressourcen geschaffen worden sind, damit diese Experten dann auch zum Einsatz kommen können. Diese beiden Dinge möchte ich also vielleicht einmal vorab klarstellen.
Zu Ihrer Frage nach der Dublin-Rücküberstellung nach Griechenland: Da gibt es eine klare Beschlusslage, nämlich dass jedenfalls bis zum Beginn des nächsten Jahres von solchen Rücküberstellungen abgesehen wird, und zwar aufgrund des fortwährend nicht hinreichenden Niveaus des griechischen Asylsystems. Der Bundesinnenminister hat im Übrigen wiederholt schlicht seiner Erwartung Ausdruck verliehen, dass, wenn wie geschehen sehr weitreichende Hilfsmaßnahmen insbesondere eben der Europäischen Union nach Griechenland gehen, um die Systeme zu ertüchtigen, dann daraus selbstverständlich die Erwartung erwächst, dass zu einem geeigneten Zeitpunkt, an dem diese Maßnahmen greifen, auch Rücküberstellungen nach Griechenland wieder möglich sein müssen, wie sie in alle anderen EU-Länder das muss man ja auch einmal ganz deutlich sagen ohnehin schon üblich sind. Dieser Zeitpunkt ist nicht erreicht. Aber die Erwartungshaltung ist, dass die ergriffenen Hilfsmaßnahmen insbesondere seitens der Europäischen Union sozusagen dadurch fruchtbar werden, dass sich das System so weit stabilisiert, dass dann auch eine Rückführung wieder möglich sein muss.
FRAGE MADELIN: Herr Dimroth, können Sie vielleicht noch sagen, wie viele Experten oder Bundespolizisten vor Ort sind und wie viele angeboten wurden?
DR. DIMROTH: Ja, das kann ich Ihnen gerne sagen: Angeboten sind aus dem Bereich der Bundespolizei 200 Polizeivollzugsbeamte und aus dem Bereich der Asylexperten 100 Asylexperten. Abgerufen worden sind derzeit von Frontex 20 Polizisten und von EASO 18 Asylexperten.
FRAGE CONRAD: An das Innenministerium: Können Sie mir sagen, wie weit die Verhandlungen zu dem deutsch-ägyptischen Sicherheitsabkommen vorangeschritten sind und ob die heutigen Vorwürfe von Human Rights Watch, dass ägyptische Sicherheitskräfte Folter verüben, vor allem im Tora-Gefängnis, diese Verhandlungen behindern oder zumindest verlangsamen könnten?
DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage. Ganz allgemein kann ich Ihnen versichern, dass die von Ihnen angesprochenen und heute offensichtlich auch öffentlich kritisierten Dinge bei der Verhandlung solcher Abkommen selbstverständlich immer auch eine Rolle spielen; das ist gar keine Frage. Ich kann Ihnen heute leider mangels eigener Kenntnis keinen tagesaktuellen Zwischenstand über den Verhandlungsprozess nennen. Ich kann ihn entweder gerne nachreichen, wenn es ihn gibt, oder ansonsten können wir das auch gerne noch einmal am kommenden Freitag aufnehmen. Ich bin schlichtweg nicht sozusagen tagesaktuell informiert, was den Verhandlungsstand anbetrifft.
Wenn ich darf, würde ich die Gelegenheit vielleicht gerade nutzen, um eine der noch offen gebliebenen Fragen von Herrn Jung in Bezug auf die Studie zu beantworten, und zwar in Bezug auf die Frage der fehlenden Ausschreibung. Dazu kann ich Ihnen sagen, Herr Jung, dass dieser Auftrag ein Abruf aus einem bestehenden Rahmenvertrag war und man aus bestehenden Rahmenverträgen seitens öffentlicher Auftraggeber stets ohne eine entsprechende Ausschreibung abrufen kann. Das ist gerade der Sinn und die Natur eines solchen Rahmenvertrags. Dieser Rahmenvertrag bietet hier, wie gesagt, einen hinreichenden Raum und wäre selbstverständlich seitens Dritter, die meinen, dass der sozusagen nicht den Buchstaben des Gesetzes folgt, angreifbar gewesen. Er ist nicht angegriffen worden und insofern eine solide Grundlage für diese Beauftragung.
FRAGE JUNG: Zu Ägypten: Herr Schäfer, können Deutschland und die EU mit einem Land, das sich nicht an Menschenrechte hält, einen Flüchtlingsdeal abschließen?
DR. SCHÄFER: Jedenfalls sind wir gut beraten, glaube ich über diese Werte und politischen Fragen haben wir an dieser Stelle schon ganz häufig miteinander diskutiert und vielleicht auch gestritten , nicht nur mit solchen Staaten vertragliche Beziehungen zu unterhalten, die eins zu eins unsere Werte teilen; denn dann würden wir außerhalb der Europäischen Union vielleicht noch mit Liechtenstein, der Schweiz und den USA Verträge schließen. Nein, die Welt ist leider kompliziert, und wir haben es mit vielen Ländern zu tun, die in bestimmten Politikfeldern Gelegenheit bieten, gemeinsame Interessen auch vertraglich festzulegen, und mit denen wir in anderen Politikfeldern über Kreuz liegen.
Gerade in der arabischen oder muslimischen Welt gibt es viele solcher Länder, und für Ägypten gilt das erst recht. Ägypten ist ein ganz wichtiges Land in der arabischen Welt, das nicht nur geopolitisch und geographisch an einer entscheidenden Stelle für Europa, aber auch für die Region liegt, sondern Ägypten ist auch ein ganz wichtiger außen- und sicherheitspolitischer Spieler für ganz viele Fragen im Mittleren und Nahen Osten: für die Sicherheit Israels, für die Lage in Libyen, für den Nahost-Friedensprozess, für den Umgang mit der Krise in Syrien.
Deshalb gilt da genau so, wie Herr Dimroth es gesagt hat wie überall sonst: Bei all den Gesprächen über Themen, bei denen wir gemeinsame Interessen identifizieren und die wir regeln wollen, haben wir immer im Kopf, dass es auch andere Bereiche gibt, in denen die Zusammenarbeit vielleicht nicht so einfach ist oder man über Kreuz liegt.
Das gilt im Hinblick auf die Menschenrechtslage ganz sicher; da liegen wir nicht auf einer Wellenlänge. Ganz im Gegenteil: Wir arbeiten mit Nachdruck daran, gegenüber unseren ägyptischen Gesprächspartnern immer wieder Themen wie diejenigen anzusprechen, über die heute auch in den Medien berichtet worden ist. Das schließt aber nicht aus, dass wir in anderen Bereichen zum Beispiel bei der Regelung von Flüchtlings- und Migrationsangelegenheiten mit Ägypten kooperieren. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern das gilt natürlich auch für die Europäische Union.
STS SEIBERT: Ich unterstreiche alles, was Herr Schäfer gesagt hat, und füge nur hinzu: Bei solchen Abkommen bisher haben wir in Flüchtlingsfragen ja nur ein Abkommen zwischen der EU und der Türkei geht es natürlich immer auch darum, die Situation der Flüchtlinge in dem betreffenden Land zu verbessern. Das ist bei dem EU-Türkei-Abkommen sehr klar nachweisbar, und das wäre sicherlich auch ein Element aller weiteren Abkommen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer tut ja so, als ob es hier um Waffenexporte ginge. Es geht aber doch um Menschen bzw. um ein Abkommen über Menschen, und Sie sagen: Na ja, wir haben da unterschiedliche Meinungen, und Menschenrechtsstandards werden da nicht eingehalten. Aber muss es in Sachen Flüchtlingsabkommen nicht auch um Menschenrechte gehen?
DR. SCHÄFER: Ich weiß nicht, was Sie mir, der Bundesregierung, dem Auswärtigen Amt oder der Europäischen Union jetzt unterstellen wollen. Haben Sie das Gefühl, dass von dieser Regierungsbank von irgendjemandem in Abrede gestellt wird, dass Flüchtlinge und Migranten Menschen sind? Haben Sie wirklich? Dann tut es mir leid. Das Verhalten und die Aktivitäten der Bundesregierung in den letzten Jahren und Monaten beweisen aus meiner Sicht sehr subjektiv eigentlich das Gegenteil, lieber Herr Jung.
Zu Ihrer konkreten Frage: Ja, auch in Ägypten geht es uns um Menschen. Wenn wir uns mit Ägypten über die Lage der Menschenrechte streiten, geht es uns um Menschen. Wenn Menschenrechte verletzt werden, werden Menschen verletzt, und deshalb kümmern wir uns darum; absolut, da haben Sie völlig Recht. Auch dann, wenn es um Vereinbarungen mit dem Ziel geht, die Lage der Flüchtlinge zu verbessern und die Migration zu regeln, geht es um Menschen. Wir wollen dann zum Beispiel verhindern, dass sich verzweifelte Menschen von Ägypten aus auf den Weg über das Mittelmeer machen, sich in die Hände von skrupellosen Schleusern begeben und dabei ums Leben kommen und absaufen. Da geht es uns um Menschen. Wenn es so ist, wie Herr Seibert das sagt, dass wir das Ziel verfolgen, in Ägypten und anderswo die zum Teil erbärmliche Lage, in der sich Flüchtlinge und Migranten befinden das beste Beispiel dafür scheint mir die Lage in Libyen zu sein, einem Staat, der ja nicht wirklich als ein Staat funktioniert , dann geht es uns um Menschen, absolut.
STS SEIBERT: Herr Schäfer hat es gesagt. Ich würde, um dem moralischen Impetus von Herrn Jung zu begegnen, eines noch einmal betonen wollen.
Wie sieht denn die derzeitige Situation vor der Küste von Ägypten aus? Zuletzt haben wir gehört, dass ein von Schleppern mit Flüchtlingen gefülltes Schiff untergegangen ist mit Hunderten von Toten. Das war im Übrigen auch die Situation in der Ägäis. Diese Illegalität, dieses Verbrechen an Menschen zu beenden, ist doch auch eine ganz klare Triebfeder dafür, solche Abkommen zu beschließen; denn dabei geht es darum, diese Illegalität, dieses Verbrechen zu beenden wie es im Übrigen auf der Ägäis durch das EU-Türkei-Abkommen weitestgehend gelungen ist. Genau deswegen müssen wir solche Abkommen auch mit anderen Nachbarn im nordafrikanischen Raum in Partnerschaft abschließen.
FRAGE WACKET: Zu einem ganz anderen Thema: Der französische Präsidentschaftskandidat das kann man ja sagen Sarkozy hat angekündigt hat, die „Brexit“-Debatte sozusagen noch einmal aufzurollen und Großbritannien noch einmal die Chance zu geben, auf Basis eines reformierten EU-Vertrages in die EU zurückzukehren. Denkt die Bundesregierung, dass das in der Tat ein gangbarer Weg wäre?
STS SEIBERT: Herr Wacket, Sie kennen die hier oft dargelegte Haltung der Bundesregierung zur Frage des „Brexits“ bzw. zu der Frage, wie man mit dem britischen Referendum umgehen sollte. Diese Haltung hat sich nicht geändert, auch nicht durch Vorkommnisse und Erklärungen im französischen Wahlkampf in den ich hier im Übrigen nicht eingreifen möchte.
FRAGE JUNG: An das Justizministerium zu Ihrer Hate-Speech-Taskforce: Sie hatten jugendschutz.net beauftragt, im August und September testweise bei YouTube, Facebook und Twitter in Deutschland strafbare Inhalte zu melden, was dann auch in insgesamt 622 Fällen geschehen ist. Ein Kollege hatte in der entsprechenden Pressekonferenz schon nachgefragt, aber Sie haben bisher nicht darauf geantwortet: Wie viele dieser 622 strafbaren Inhalte sind denn bis jetzt zu einer Anzeige geführt worden, und wie viele Verurteilungen gab es?
DR. BAER-HENNEY: Ich habe keine konkrete Zahl dabei. In der Pressekonferenz ist ja dargelegt worden, dass die Löschquote insgesamt viel zu gering ist, vor allem wenn die entsprechende Institution nicht als solche aufgetreten ist, sondern praktisch wie ein privater User aufgetreten ist. Ich werde versuchen, Ihnen die genauen Zahlen etwa, in wie vielen Fällen das in Strafverfahren gemündet ist nachzureichen. Ich weiß aber nicht, ob wir das tatsächlich leisten können, denn die Ermittlungsverfahren werden ja bekanntermaßen nicht bei uns geführt.