Ohne Waffe im Anschlag ► BPK vom 24. Februar 2017
Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Reise der Bundeskanzlerin nach Ägypten und Tunesien, Beziehungen zwischen der Bundesregierung und der neuen US-Administration, Auftritte ausländischer Staats- und Regierungschefs in Deutschland, Medienberichte über Anstiftung zu Spitzeltätigkeiten durch die türkischen Generalkonsulate in Düsseldorf und Essen, Übergabe einer Petition für Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei, Asylanträge türkischer Diplomaten, Verlängerung des Polizeigewahrsams für den Journalisten Deniz Yücel in der Türkei, Abschiebungen nach Afghanistan, Entführung von zwei Archäologen in Nigeria, russischer Militärpark „Patriot“, Atompolitik der USA, Treffen der Bundeskanzlerin mit der IWF-Direktorin Lagarde, von NRW angestrebtes Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung, neue US-Administration
Naive Fragen zu:
Merkel in Ägypten
– welche Wirtschaftsvertreter werden die Kanzlerin begleiten? (3:20 min)
– könnten Sie uns eine menschenrechtliche Einschätzung des Auswärtigen Amtes bezüglich Ägypten geben? (ab 4:23 min)
– welche Fälle von Menschenrechtsverletzungen meinen Sie?
Trump (ab 8:27 min)
– schließt die Bundesregierung ein bilaterales Freihandelsabkommen zwischen Amerika und Deutschland aus? (ab 13:02 min)
– wenn Sie internationale Baustellen ansprechen, ist dann für die Bundesregierung die amerikanische Situation mittlerweile eine Baustelle? (20:13 min)
Erdogan/Yildirim in Deutschland (ab 21:00 min)
– Sie haben es ja gesagt: Der Bund ist für die Außenpolitik zuständig. Was das bei einem Auftritt von Herrn Erdoðan bedeuten würde oder bei Vorhaben ausländischer Staats- oder Regierungschefs in Deutschland wollten Sie nicht näher erläutern. Ich bitte Sie, uns das näher zu erläutern. (ab 44:05 min)
– Welche Entscheidungsmöglichkeiten hat die Bundesregierung?
– Welche Möglichkeiten haben Sie? Können Sie sie erläutern? Angenommen, Sie fänden das nicht gut, welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, das zu unterbinden? Können Sie einen Einreisestopp oder ein Einreiseverbot verhängen? Können Sie das bitte erläutern?
– Können Sie uns ein Update zum Fall Deniz Yücel geben? (ab 46:07 min)
– Können Sie bestätigen, dass Herr Yücel in der Türkei nicht als Auslandskorrespondent akkreditiert war?
Abschiebung nach Afghanistan (ab 52:43 min)
– In welchem sicheren Ort, in welchem sicheren Gebiet sind die 18 Menschen jetzt gelandet oder hingekommen? Finden Sie die Flugkosten von 350 000 Euro für 18 Menschen angemessen? (59:33 min)
Entführung in Nigeria (ab 1:00:45 min)
– Gibt es Lösegeldforderungen? (1:01:35 min)
Atombomben (ab 1:04:25 min)
– Sie haben das Ziel Global Zero und gleichzeitig wollen Sie die Verbotsverhandlungen boykottieren. Kritisieren Sie oder macht Ihnen die Modernisierung der amerikanischen Atombomben ebenso Sorgen, besonders der Atombomben, die in Deutschland lagern? Ist Deutschland dazu bereit, dass noch mehr US-Atombomben in Deutschland stationiert werden? Will die Bundesregierung die eigene Verteidigungsfähigkeit weiter auf Atombomben stützen? (ab 1:07:35 min)
– Ich möchte nur anmerken: Sie haben gerade die Unwahrheit gesagt, dass die Amerikaner ihre Atombomben jetzt nur modernisieren, weil sie so alt sind. Sie haben selber anerkannt, dass diese tatsächlich modernisiert und weiterentwickelt werden. Es überrascht mich, dass Sie jetzt wieder so tun, als ob das nur eine Instandhaltungsmaßnahme ist. Das ist es bei weitem nicht. Die andere Frage war ja noch: Sind Sie bereit, dass noch mehr US-Atombomben in Büchel und wo auch immer stationiert werden?
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 24. Februar 2017:
SRS’IN DEMMER: Auch von mir ein freundliches Hallo! Es ist heute so schön voll hier, da lohnt es sich ja richtig!
Am Donnerstag und Freitag wird die Bundeskanzlerin nach Ägypten und Tunesien reisen.
Am Donnerstag wird die Kanzlerin auf ihrer ersten Station zunächst von Ministerpräsident Sherif Ismail begrüßt. Dem schließt sich ein Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Al-Sisi an. Im Mittelpunkt der Unterredung stehen die bilateralen und wirtschaftlichen Beziehungen, regionale Fragen im Zusammenhang mit der Lage in Afrika sowie die Migrationspolitik. Auch die Lage in Libyen dürfte auf der Agenda stehen. Es ist auch ein Zusammentreffen der Bundeskanzlerin und des Staatspräsidenten mit den Vertretern der deutschen Wirtschaft geplant.
Weiterhin wird die Kanzlerin in der Markuskathedrale mit dem Papst von Alexandrien und Patriarchen des Heiligen Stuhls, Papst Tawadros II., zusammentreffen und mit ihm zusammen auch die Kirche St. Peter und Paul besichtigen. Im Anschluss ist ein Treffen mit dem Großscheich Dr. Al-Tayeb geplant. Die Bundeskanzlerin wird auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammentreffen. Am Abend findet auf Einladung von Präsident Al-Sisi ein gemeinsames Abendessen im kleinen Kreis statt.
Am Freitag wird die Kanzlerin dann nach Tunesien weiterreisen. In Tunis stehen Gespräche mit Präsident Essebsi und Ministerpräsident Chahed auf der Agenda. Wie Sie sich erinnern, war Ministerpräsident Chahed erst am 14. Februar zu einem offiziellen Besuch in Berlin. In den Gesprächen werden die bilateralen und wirtschaftlichen Beziehungen, die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen sowie Migrationsfragen erörtert. Außerdem ist ein Zusammentreffen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft vorgesehen.
Die Kanzlerin wird in Ägypten und Tunesien von einer Unternehmerdelegation begleitet.
Es wird ein Briefing zu dieser Reise geben, und zwar hier in der Bundespressekonferenz am 1. März um 12.45 Uhr mit Herrn Hecker, dem Leiter des Koordinierungsstabs Flüchtlingspolitik, und Herrn Bertele, dem stellvertretenden Abteilungsleiter für Außen- und Sicherheitspolitik im Bundeskanzleramt.
FRAGE JUNG: Frau Demmer, welche Wirtschaftsvertreter werden die Kanzlerin begleiten?
SRS’IN DEMMER: Da muss ich Ihnen leider die Standardantwort geben: Das können wir vor der Reise nicht sagen. Fragen Sie doch einfach nach der Reise noch einmal nach.
FRAGE HERPELL: Frau Demmer, können Sie ein bisschen ausführen, um welche Migrationsfragen es in Ägypten und Tunesien gehen wird? Wird es also auch möglicherweise insgesamt um die sogenannten Aufnahmelager in Afrika gehen, die ja in letzter Zeit öfter ein Thema waren?
Zweite Frage: Wird die Kanzlerin in Ägypten auch mit der Opposition zusammentreffen? Sie hatten bis jetzt von Treffen mit der Zivilgesellschaft gesprochen.
SRS’IN DEMMER: Mehr Details zu den Reisen kann ich Ihnen jetzt nicht nennen.
Beim Thema Migration geht es natürlich wie immer um die Sicherung der Außengrenzen und die Bekämpfung der Fluchtursachen. Darüber muss man mit den Nachbarn an den europäischen Grenzen sprechen, und das ist jetzt eben auch bei Ägypten und Tunesien der Fall.
FRAGE JUNG: Herr Schäfer, könnten Sie uns eine menschenrechtliche Einschätzung des Auswärtigen Amtes bezüglich Ägypten geben?
DR. SCHÄFER: Ich glaube, man muss diesen großen und wichtigen Staat in der arabischen Welt in all seinen Facetten betrachten. In der Tat arbeiten wir mit Ägypten deshalb reist die Bundeskanzlerin ja auch dahin in außen- und sicherheitspolitischen Fragen im Südosten Europas und in Nordafrika sehr, sehr intensiv zusammen. Das gilt für unsere gemeinsamen Bemühungen um die Herstellung von Staatlichkeit in Libyen. Es gilt für die ganzen Krise und Konflikte in der arabischen Welt, im Nahen und Mittleren Osten. Auf der anderen Seite haben wir es mit einem Staat und mit einer Verfassung zu tun, die nicht unseren Maßstäben entspricht, in denen es zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Das sind alles Themen, die wir im Auswärtigen Amt natürlich sehr intensiv und sehr ausführlich mit unseren ägyptischen Gesprächspartnern besprechen.
Wir haben auch andere Themen mit den Ägyptern auf der Tagesordnung. Dazu gehört insbesondere der Umgang mit politischen Stiftungen in Ägypten und ihre Arbeit. Da sind wir mit den Ägyptern in den letzten Monaten doch manches Stück vorangekommen. Das zeigt uns, dass es sich lohnt, mit den Ägyptern den Dialog zu pflegen so schwierig das ist und so sehr sich auch unsere Vorstellungen von einem Staat unterscheiden mögen , dass wir mit den Ägyptern zusammenarbeiten können und dass wir dann auch bei schwierigen Themen zum Beispiel auch bei innenpolitischen Themen wie dem Umgang mit politischen Stiftungen Fortschritte erzielen können.
SRS’IN DEMMER: Ich würde das gerne noch ergänzen wollen. Auch für die Bundeskanzlerin ist das natürlich immer ein wichtiges Thema. Ohne der Agenda vorgreifen zu wollen, ist es Wunsch der Bundeskanzlerin, das Thema der politischen Stiftungen und natürlich auch die Situation der Zivilgesellschaft in Ägypten anzusprechen; das ist der Bundeskanzlerin ein wichtiges Anliegen. Sie wissen, dass die Bundesregierung in Gesprächen mit anderen Regierungen immer Wert auf die Einhaltung der Menschenrechte und faire rechtsstaatliche Prozesse legt.
ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer, welche Fälle von Menschenrechtsverletzungen meinen Sie?
DR. SCHÄFER: Ich glaube, es bringt jetzt nichts, Einzelfälle aufzuzählen. Es gibt viele Fälle, in denen wir Vorgänge innerhalb der ägyptischen Justiz zumindest zweifelhaft finden. Es gibt auch durchaus Einzelfälle, die das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben etwa den Fall eines italienischen Doktoranden, der auf fürchterliche Art und Weise in Ägypten ums Leben gekommen ist , in denen es an der Aufklärung hapert. All das sind Fälle, die wir im tagtäglichen Geschäft mit unseren ägyptischen Gesprächspartnern hier in Berlin, an der ägyptischen Botschaft, aber natürlich auch mit einer sehr gut aufgestellten deutschen Botschaft in Kairo gegenüber unseren ägyptischen Gesprächspartnern aufnehmen und besprechen.
Dabei versuchen wir eben, die Dinge durchaus voneinander zu trennen. Dass man einerseits einen kritischen Dialog auch zu innen- und menschenrechtspolitischen Fragen pflegen und andererseits mit den Ägyptern in außen- und sicherheitspolitischen Fragen gut zusammenarbeiten kann, schließt sich aus unserer Sicht nicht aus und ist ein Zeichen dafür, dass wir mit der ägyptischen Führung reden können, und zwar nicht nur um des Redens willen, sondern auch, um Ergebnisse zu erzielen.
FRAGE MÜLLER-THUM: Frau Demmer, stimmt es, dass die Kanzlerin in Tunis auch ein Rückkehrerzentrum besuchen bzw. eröffnen wird?
SRS’IN DEMMER: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.
FRAGE HELLER: Ich möchte das Auswärtige Amt etwas fragen, aber auch das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium. Ich lese, dass es ein Gespräch des US-Präsidentenberaters Bannon mit dem deutschen Botschafter in Washington gegeben hat. Dort soll von amerikanischer Seite die Rede von einer Reorganisation der Handelsbeziehungen stärker bilateral, nicht mehr EU als Ganzes gewesen sein. Hat es dieses Treffen gegeben? Ist dieses Thema der Reorganisation der Handelsbeziehungen angesprochen worden?
Ich würde abseits dieses Treffens vom Wirtschaftsministerium wissen wollen, wie denn dort der Stand hinsichtlich der künftigen Handelspolitik der USA ist. Gibt es da neue Erkenntnisse, vielleicht auch neue Kontakte Ihres Hauses?
Vom Finanzministerium würde ich gerne wissen, ob das Thema Steuern, das ja offenbar für die neue Regierung auch ein großes Gewicht hat sei es bei dem Gespräch mit dem Botschafter, sei es auch sonst wie , konkretisiert worden ist.
DR. SCHÄFER: Wir haben an dieser Stelle schon ganz häufig über den Umgang, den Kontakt, die Beziehungen und das Netzwerk der Bundesregierung mit der neuen amerikanischen Administration gesprochen. Immer wieder habe auch ich davon gesprochen, dass wir wirklich noch keine völlige Gewissheit darüber haben, wie sich die neue US-Administration außen- und sicherheitspolitisch sowie auch in den von Ihnen angesprochenen handelspolitischen Fragen aufstellt. Letztlich gilt das auch heute noch. Wir haben jegliches Interesse daran, mit wichtigen Figuren der ja jetzt langsam wachsenden US-Administration jeden Tag gibt es neue Ernennungen in Kontakt zu treten, unsere Überzeugungen und Positionen darzulegen und das Gespräch zu führen.
Nun ist es nicht an mir, im Einzelnen einzelne Gesprächskontakte auf Arbeitsebene oder zwischen unserem Botschafter und Vertretern des Weißen Hauses zu kommentieren, und deshalb möchte ich das auch nicht bestätigen. Was ich aber gerne sagen möchte, ist, dass wir natürlich mit niemandem den Dialog und das Gespräch scheuen, auch nicht mit solchen Personen, von denen man vermeintlich oder tatsächlich annehmen mag, dass sie in der einen oder anderen außen- und sicherheitspolitischen oder handelspolitischen Frage nicht einer Meinung mit uns sein sollten.
Die beiden Gespräche, die Außenminister Gabriel mit dem amerikanischen Vizepräsidenten und mit dem neuen amerikanischen Außenminister in Washington und in Bonn geführt hat, bestärken uns geradezu darin, ganz intensiv, sehr schnell und insbesondere in der ersten Phase dieser neuen amerikanischen Administration den Dialog zu suchen, das Gespräch zu pflegen und Positionen deutlich zu machen dazu hat der amerikanische Außenminister gerade in Handelsfragen auch ausdrücklich eingeladen , und das tun wir auch.
DR. BARON: Ich kann das im Wesentlichen nur bestätigen und auch nicht viel Neues ergänzen. Die Ministerin hat ja immer deutlich gemacht, dass wir ein großes Interesse daran haben, weiterhin eng mit den USA zusammenzuarbeiten. Wir haben sehr gute, enge Wirtschaftsbeziehungen, die es natürlich auch in Zukunft geben soll. Sie hat deutlich gemacht: Wir bieten einen sachlichen und selbstbewussten Dialog an. Das ist weiterhin das Angebot, das wir machen. Wir werden dann, sobald die ganzen Besetzungen auf amerikanischer Ebene abgeschlossen sein werden, natürlich auch schnellstmöglich den Kontakt aufnehmen. Das ist der Stand, den ich bislang schildern kann.
VON TIESENHAUSEN-CAVE: Von mir vielleicht nur kurz zum Thema Steuern: Wir nehmen natürlich auch wahr, dass in der US-Öffentlichkeit derzeit Debatten stattfinden. Wir nehmen Ankündigungen wahr. Aber zu Fragen danach, ob wir exklusives Wissen hätten: Ich glaube, es gibt im Moment noch nichts Exklusives zu wissen. Es sind hier noch keine abgestimmten Konzepte zu bewerten. Insofern ist es für uns jetzt nicht an der Zeit, einzelne konkrete Maßnahmen zu bewerten.
Grundsätzlich werden wir alle Möglichkeiten nutzen, den Weg der internationalen Kooperation in Steuerfragen weiterzugehen. Ich verweise einmal auf den BEPS-Prozess. Wir streben natürlich alle an, auch international auf diesem Themengebiet abgestimmt zu bleiben. Dies gesagt, bleibt es aber auch so, dass wir auf Eventualitäten vorbereitet sind.
FRAGE JUNG: Frau Baron, Herr Schäfer, schließt die Bundesregierung ein bilaterales Freihandelsabkommen zwischen Amerika und Deutschland aus?
DR. SCHÄFER: Die Antwort darauf ist ziemlich einfach: Seit 1957, seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, gibt es eine exklusive handelspolitische Zuständigkeit, damals der Europäischen Gemeinschaft, jetzt der Europäischen Union. Die Kommission führt für Europa und für uns handelspolitische Verhandlungen und schließt handelspolitische Verträge. Das ist der rechtliche Stand, an dem wir politisch überhaupt nichts auszusetzen haben. Ganz im Gegenteil: Wir sind sehr gut damit gefahren, als Binnenmarkt, als großer Block, der unseren handelspolitischen Partnern viel zu bieten hat, gemeinsam und einheitlich aufzutreten. Ich glaube, die neue politische Konstellation in den USA und sonst wo sollte niemanden dazu verleiten, eine andere Haltung einzunehmen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Schließen Sie das also aus?
DR. SCHÄFER: Ja.
FRAGE JESSEN: Herr Schäfer, Sie möchten einzelne Gespräche nicht kommentieren. Die andere Seite tut es aber offenbar. Ich weiß nicht, ob das Gespräch, dass der Kollege Heller angesprochen hatte, das gleiche ist, das ich meinte. Das hat wohl zwischen Herrn Wittig und Herrn Bannon vor etwa zwei Wochen stattgefunden, jedenfalls vor Pences Europareise. Das wird von der amerikanischen Seite in der Berichterstattung als sehr konfrontativ beschrieben. Darin habe Bannon die EU sozusagen als versagende Konstruktion bezeichnet. Auf der anderen Seite hört man jetzt von der EU-Administration, das sei gar kein Gespräch gewesen, sondern nur ein „quick hello“. Könnten Sie wenigstens sagen, um was für eine Art von Gespräch es sich dabei gehandelt hat?
DR. SCHÄFER: Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass wir jegliches Interesse daran haben, dass unser Botschafter in Washington, Peter Wittig, gute und vertrauensvolle Kontakte in alle wesentlichen Teile der amerikanischen Administration pflegt, auch in das Weiße Haus. Deshalb werde ich mich hier auch von Ihnen und auch durch Ihre Nachfrage nicht dazu verleiten lassen, Vertrauliches aus vertraulichen Gesprächen zu berichten. Es gehört sich nicht, das auf diese Art und Weise zu tun. Die andere Seite wer auch immer es ist, den Sie da meinen kann dazu natürlich das sagen, was sie für richtig hält.
Dass es innerhalb der neuen amerikanischen Administration sozusagen kritische Worte an die Adresse der Europäischen Union gibt, habe ich jedenfalls in einem „BILD“-Interview mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gelesen. Dass es deshalb andere innerhalb der Administration gibt, die das so ähnlich sehen mögen, halte ich jetzt nicht für ausgeschlossen. Allerdings haben wir bei dem Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten Pence in der letzten Woche in Brüssel sehr ermutigende und sehr positive Worte auch an die Adresse der Europäischen Union gehört. Was sich daraus jetzt im Endeffekt als Haltung der amerikanischen Administration herausmendeln wird, müssen wir abwarten. Wir werden jedenfalls nicht müde, unseren amerikanischen Partnern den Segen und die Vorteile der europäischen Integration für alle nicht nur für die Europäer, sondern auch für die Amerikaner deutlich zu machen. Wir sind davon zutiefst überzeugt und werden uns davon natürlich auch nicht abbringen lassen.
Im Übrigen kann man nur noch einmal daran erinnern, dass, wenn Sie so wollen, ja die Amerikaner selbst die Geburtshelfer der europäischen Integration sind. Bevor Schuman, Adenauer und andere den europäischen Integrationsweg beschritten haben, waren es die Amerikaner mit dem Marshallplan, die die Europäer zur Zusammenarbeit gezwungen haben. Denn der Großteil der Mittel im Marshallplan, im European Recovery Program, war überhaupt nur dann für die Staaten des damaligen Westeuropas abrufbar, wenn sie bereit gewesen sind, miteinander zu arbeiten und miteinander Kooperation und Dialog zu pflegen. Das scheint uns damals ein sehr weiser und sehr vernünftiger Weg der amerikanischen Administration gewesen zu sein, und wir würden uns wünschen, dass das bis heute fortgilt.
ZUSATZ JESSEN: „Die andere Seite“ war, wie Sie wissen, zum einen die Berichterstattung auf CNN und zum anderen die Einordnung des Gesprächs seitens der Trump-Administration. Das bedeutet, dass Sie das Darstellungsmonopol im Moment bei den Amerikanern liegen sehen. Ich weiß nicht, ob die deutsche Seite nicht auch eine eigene Einschätzung dieser Situation abgeben sollte.
DR. SCHÄFER: Ich weiß nicht, ob es Ihre Frage ist, dass Sie das nicht wissen.
ZUSATZ JESSEN: Das ist ein nochmaliges indirektes Ausdrücken des Wunsches, dass Sie vielleicht doch etwas über den Charakter dieses Gespräch sagen.
DR. SCHÄFER: Ich kann dazu nur sagen: Wir wünschen Dialog. Wir wollen Dialog. Wir werden sprechen, und wir nutzen alle Gesprächskanäle in wichtige Teile der neuen amerikanischen Administration, um unsere Sicht der Dinge zu Europa, zur NATO, zum Bündnis, zu den transatlantischen Beziehungen, zu Handelsfragen, auch zu den großen Baustellen auf der internationalen Agenda des Krisen- und Konfliktmanagements, also zu Syrien, zu Libyen, zum Ukraine-Konflikt sehr deutlich zu machen und das Gespräch mit den Amerikanern zu suchen.
Ich kann für den Außenminister in Anspruch nehmen, dass er das vom ersten Tag an sehr intensiv betrieben hat er ist sehr früh in Washington gewesen , und andere Kabinettskollegen haben das auch getan. Er hat das Gespräch in Bonn am letzten Donnerstag gesucht, und wir werden das selbstverständlich fortsetzen. Ich kann Ihnen auch sagen, dass führende Beamte, also hohe Beamte aus dem Auswärtigen Amt, in den nächsten Tagen auch wieder nach Washington reisen werden, um den Gesprächsfaden, der mit Rex Tillerson geknüpft werden konnte, zu verdicken und auf dieser Schiene eben noch einmal unsere Interessen, unsere Werte und unsere Überzeugungen deutlich zu machen. Dafür ist es nicht erforderlich, dies über Sie oder über andere Medien zu tun, sondern das tun wir auf direktem Wege und am liebsten auch hinter den Kulissen, weil sich das so für das vertrauliche Gespräch gehört.
FRAGE HELLER: Ich möchte noch einmal auf Ihre Formulierung zu sprechen bekommen, Frau Tiesenhausen, dass Sie auf alle Eventualitäten vorbereitet seien. Das finde ich schön. Dann können Sie mir auch sagen, wie die Bundesregierung reagieren wird, wenn die US-Regierung ihr Versprechen, die Steuern zu senken, umsetzt. Sagen Sie dann „Das machen wir nicht mit“, oder sagen Sie „Dann müssen wir uns das auch einmal überlegen“?
VON TIESENHAUSEN-CAVE: Auch wenn es Sie enttäuscht, Herr Heller, werde ich Ihnen jetzt noch einmal in Grundzügen sagen, was unsere Präferenz ist: Wir sind für internationale Kooperation in Steuerfragen. Wir haben da innerhalb Europas und auch international in den letzten Jahren viel erreicht. Diesen Weg wollen wir weitergehen.
Ich werde mich jetzt nicht auf Spekulationen darüber einlassen, was denn wäre, wenn. Unsere Präferenz ist klar, und die haben wir auch gegenüber unseren amerikanischen Gesprächspartnern auf vielfältigem Wege klargemacht.
FRAGE JUNG: Herr Schäfer, wenn Sie internationale Baustellen ansprechen, ist dann für die Bundesregierung die amerikanische Situation mittlerweile eine Baustelle?
DR. SCHÄFER: Nein, das Wort „Baustelle“ müssen Sie jetzt bitte nicht wörtlich nehmen. Mit „Baustelle“ meinte ich einfach vielleicht viel zu flapsig Themenbereiche, Länder oder Regionen, in denen wir gemeinsam mit unseren amerikanischen Partnern ein Interesse daran haben, zur Beruhigung der Konflikte und zu einer Überwindung der Krisen beizutragen. Dazu zähle ich ausdrücklich nicht die Vereinigten Staaten von Amerika.
FRAGE DR. LOHSE: Herr Plate oder Herr Schäfer, im Vorfeld des Referendums in der Türkei werden die Stimmen lauter, mögliche Auftritte ausländischer Staats- und Regierungschefs in Deutschland in diesem Falle vor allen Dingen Herrn Erdoðans zu verhindern. Ich wüsste gerne, welche formalen Möglichkeiten es dafür gibt, und zwar grundsätzlich und, falls sich das vom Fall Erdoðan unterscheidet, auch speziell.
DR. SCHÄFER: Die Türkei ist ein Partnerland Deutschlands. Wir sind seit Jahrzehnten gemeinsam im Bündnis, der NATO, und stehen im Rahmen der kollektiven Sicherheit füreinander ein. Die Türkei steht seit Langem, seit vielen Jahren, in Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union über den Beitritt zur selben. Wir haben jegliches Interesse, mit einem solchen Land, mit dem wir auch darüber hinaus allerengste Beziehungen pflegen vielleicht in mancherlei Hinsicht so enge wie mit keinem anderen Land der Welt , auf jeder Ebene vom Staatspräsidenten bis in die Ministerialbürokratie über die Kultur bis zur Zivilgesellschaft einen möglichst intensiven Dialog zu pflegen, um Missverständnisse zu verhindern und Probleme vielleicht schon im Vorhinein aus dem Weg zu räumen. Ich hoffe, dass hier bei uns Einigkeit darüber besteht, dass der Staatspräsident eines Landes, mit dem wir so enge Beziehungen pflegen, in Deutschland grundsätzlich willkommen ist.
Alles was darüber hinausgeht, Herr Lohse, scheint mir bislang ausschließlich im Bereich der Hypothese, des Konjunktivs und vielleicht sogar der Fiktion zu liegen. Es gibt das kann ich für das Auswärtige Amt heute, 11.20 Uhr, sagen keinerlei konkrete Anzeichen dafür, dass der türkische Staatspräsident beabsichtigen würde, innerhalb absehbarer Zeit sagen wir, innerhalb einer Zeitspanne der nächsten sechs Wochen oder bis zum Verfassungsreferendum Deutschland einen Besuch abzustatten. Diplomatische Gepflogenheiten sehen es vor, dass uns eine solche Reise, wenn sie geplant ist, mit hinreichendem Zeitvorlauf mitgeteilt wird, weil es natürlich Vorbereitungen für ein angemessenes Willkommen eines ausländischen Staatsoberhaupts zu treffen gibt. Eine solche Mitteilung haben wir nicht vorliegen. Deshalb, glaube ich, ergibt es auch überhaupt keinen Sinn, jetzt über Eventualitäten zu sprechen. Wenn wir nicht wissen, aus welchem Grund der türkische Staatspräsident den Wunsch hat, zu uns zu kommen, dann bringt es doch überhaupt nichts, theoretische Debatten darüber zu führen, ob eine Veranstaltung, auf der vielleicht dieses oder jenes gemacht werden könnte, im Vorhinein verboten oder nicht verboten werden sollte. Ich finde das unsinnig. Ich finde es vielmehr richtig, dass wir uns an die Fakten halten und in dem Moment, in dem wir innerhalb der Bundesregierung tatsächlich eben nicht nur über anonyme Quellen in großen deutschen Tageszeitungen von einer solchen Besuchsabsicht erfahren, damit umgehen, aber doch bitte nicht eher.
DR. PLATE: Ich habe, ehrlich gesagt, gar nicht so viel zu ergänzen. Über die kleinteiligen Möglichkeiten oder Nicht-Möglichkeiten ist ja hier in den Regierungspressekonferenzen der letzten Wochen auch schon mehrfach extrem ausführlich gesprochen worden.
Sozusagen das vorweggeschickt, was Herr Schäfer gesagt hat, nämlich dass das alles im Moment hypothetisch ist, solange wir gar nichts Konkretes über solche möglichen Besuchsplanungen und deren Zielrichtung wissen, habe ich dem außer dem sozusagen erinnernden Verweis an die letzten Regierungspressekonferenzen nichts hinzuzufügen.
DR. SCHÄFER: Dann würde ich gerne auf Ihre Frage hin, Herr Lohse, nur noch zwei Sätze hinzufügen und sagen: Ich finde es absolut selbstverständlich und bin sicher, dass das unsere türkischen Partner genauso sehen, dass man sich bei solchen Besuchen an die Regeln freundschaftlichen, partnerschaftlichen Umgangs hält und dass man sich bei solchen Besuchen nicht in die innenpolitischen Angelegenheiten eines anderen Staates einmischt. Das gilt selbstverständlich im Gegenseitigkeitsverhältnis.
ZUSATZFRAGE DR. LOHSE: Das war sozusagen der Erdoðan-spezifische Teil. Dafür vielen Dank. Ich hatte aber auch nach etwas Grundsätzlichem gefragt. Lassen wir Herrn Erdoðan einmal weg. Ich habe nicht jedes Detail aus den letzten Wochen verfolgt, kann es aber nachlesen. Aber welche Möglichkeiten haben wir grundsätzlich, einen solchen Besuch abzulehnen und zu verweigern?
DR. SCHÄFER: ich bin nicht ganz sicher, worauf Sie jetzt abzielen, Herr Lohse. Meinen Sie völkerrechtliche, staatsrechtliche, verfassungsrechtliche oder sonstige rechtliche Erwägungen, oder meinen Sie politische Erwägungen, oder haben Sie etwas anderes im Kopf?
ZUSATZ DR. LOHSE: Nein, politische meine ich nicht, sondern formale Erwägungen: Haben Sie überhaupt eine Chance, einen Besuch, wenn er ihn wünscht, abzulehnen?
Ein ehemaliger Verwaltungsrichter aus Nordrhein-Westfalen, Herr Bertrams, sagt in einem Gastbeitrag, der dieser Tage erschienen ist, das sei Angelegenheit des Bundes, und der Bund könne dafür sorgen, dass ein Besuch in diesem Falle ein Besuch Erdoðans nicht stattfinde. Meine Frage ist nur die nach der rechtlichen, formalen Seite.
DR. SCHÄFER: Ich denke, ein Blick in das Grundgesetz reicht, um zu verstehen, dass der Bund für die auswärtigen Beziehungen zuständig ist. Das besagt, denke ich, Artikel 32. Welche rechtlichen und politischen Konsequenzen sich daraus ableiten, brauchen wir, denke ich, hier nicht im Detail zu erläutern. Aber dass die Länder für das Versammlungsrecht zuständig sind, für polizeiliche Ordnung und Sicherheit und für Fragen im Umgang mit dem Demonstrationsrecht, der Presse- und Meinungsfreiheit vielleicht im Widerspruch zu anderen Gütern der öffentlichen Ordnung , ist genauso selbstverständlich wie der Umstand, dass der Bund für die auswärtigen Beziehungen zuständig ist.
FRAGE GEUTHER: Nicht die Frage nach einer Spekulation, Herr Dr. Schäfer, sondern nach den diplomatischen Gepflogenheiten: Sollte ein Staatspräsident als Privatmann in Deutschland auftreten wollen, wäre es dann auch üblich, diesen Besuch so anzukündigen? Das ist die eine Frage.
Die andere Frage: Herr Bertrams hat unmissverständliche Verbalnoten gefordert. Eben haben Sie die guten Beziehungen betont und gesagt, dass es schon grundsätzlich nicht denkbar sei, einen solchen Besuch unterbinden zu wollen. Deshalb die Nachfrage: Wären unmissverständliche Verbalnoten gegen einen solchen Auftritt denkbar?
DR. SCHÄFER: Ich möchte eigentlich wiederholen, was ich auf die Frage von Herrn Lohse geantwortet habe. Da lautete die Antwort: Wenn es eine solche Besuchsabsicht geben sollte, ist es nicht nur Gepflogenheit, sondern erforderlich, eine solche Reise des türkischen Staatspräsidenten in welcher Rolle auch immer uns förmlich mitzuteilen, zu notifizieren. Solange das nicht der Fall ist, gibt es, denke ich, keine Gründe wie soll man sagen , gewissermaßen vorweg schon einmal Verbalnoten an die Türken zu richten, um diese Botschaft zu vermitteln. Diese Botschaft brauchen wir nicht zu vermitteln, weil sie da bin ich ganz sicher unseren Kollegen im türkischen Außenministerium und sicherlich auch im türkischen Präsidialamt völlig klar ist.
FRAGE HENZE: Zwei Fragen, Herr Schäfer. Sie haben noch einmal von den Selbstverständlichkeiten gesprochen, die Sie als Erwartung an solche Besuche richten. War die Rede, die Herr Yýldýrým ich meine, es war vergangenen Samstag in Oberhausen gehalten hat, im Korridor dessen, wovon Sie sagen: „Das ist akzeptabel, was ein ausländischer Ministerpräsident in einer Wahlkampfsituation vor einigen Tausend Landsleuten sagen kann“, oder war das die Art und Weise, auch zur Polarisierung beizutragen, vor der Sie vorher gewarnt haben? Das ist die eine Frage.
Die zweite Frage: Wie beurteilen Sie die neuen konkreten Vorwürfe gegen die Generalkonsulate in Düsseldorf und Essen, dass sie gezielt auch Eltern und Schüler zu Spitzeltätigkeiten angestiftet haben?
Zum einen die Frage: Ist das bisher nur auf Düsseldorf und Essen bezogen? Liegen dazu auch Erkenntnisse vor?
Zum anderen: Wie würden Sie das von Berlin aus bewerten?
DR. SCHÄFER: Ich weiß nicht, ob Herr Plate Ihre zweite Frage beantworten kann oder ob dazu nicht vielleicht doch eher die zuständigen Strafverfolgungsbehörden etwas sagen können. Für das Auswärtige Amt möchte ich mich dazu jetzt ungern einlassen, weil ich denke, dass das weniger mit diplomatischen Beziehungen zu tun hat es sei denn, Sie konkretisieren Ihre Frage , sondern mehr mit der Ermittlung von Dingen, die, wenn sie so zuträfen, wie die Medien sie berichten, natürlich aufgearbeitet gehören.
Zu Ihrer ersten Frage: Ich denke nicht, dass es an uns ist, hier Haltungsnoten für den Inhalt von Reden zu verteilen. Jedenfalls stelle ich fest, dass es um die Veranstaltung in Oberhausen herum, die Herr Yýldýrým abgehalten hat, nicht zu größeren Problemen der Ruhe und Ordnung und der öffentlichen Sicherheit gekommen ist.
Ich würde ergänzen wollen, dass wir davon ausgehen, dass fast anderthalb Millionen Menschen, die in Deutschland legal leben zum Teil seit Jahrzehnten , stimmabgabeberechtigt sein dürften, was das Verfassungsreferendum in der Türkei vom 16. April angeht. Die Beratungen innerhalb der Bundesregierung über die türkische Bitte, dass in Deutschland an den türkischen Konsulaten eine Stimmabgabe im Rahmen dieses Verfassungsreferendums möglich sein soll, laufen. Ich denke, Herr Plate, es wird jetzt zügig zu entsprechenden Entscheidungen kommen. In der Vergangenheit bei Wahlen in der Türkei ist das von der Bundesregierung immer möglich gemacht worden.
Dass wir als ein Staat, der sehr viel von Demokratie und Rechtsstaat hält, uns wünschen, dass die türkischen Staatsangehörigen, die hier in Deutschland leben und zum Teil auch deutsche Staatsangehörige sind, ein abgewogenes, gutes, vernünftig informiertes Urteil über das abgeben können, was am 16. April in der Türkei zur Abstimmung steht es sind ja dramatische, historische Entscheidungen, die für die Türkei anstehen , ist, denke ich, klar. Das ist sicherlich im Interesse Deutschlands.
DR. PLATE (zu Medienberichten über Anstiftung zu Spitzeltätigkeiten durch die türkischen Generalkonsulate in Düsseldorf und Essen): Ich ergänze gern kurz hinsichtlich des Aspekts, zu dem ich, wenn man so will, gerade ins Boot geholt worden bin, nämlich hinsichtlich der Vorwürfe, über die jetzt zu lesen war. Das sind zunächst einmal Vorwürfe, die aus unserer Sicht als Sachverhalt einfach noch nicht so restlos feststehen, dass man sie sinnvoll im Detail kommentieren kann. Auch wir kennen die Vorwürfe im Wesentlichen aus der medialen Aufarbeitung. Natürlich ist es unser Interesse, dass darüber Aufklärung erfolgt. Wir sind aber sowieso mit DITIB zu zahlreichen Themen kontinuierlich in Kontakt. Ganz klar ist auch unsere Erwartungshaltung, dass auch in diesem Punkt Klarheit geschaffen wird. Das ist völlig klar. Daran wirken wir mit, auch durch Gespräche auf verschiedenen Ebenen.
Man darf in dem Gesamtkontext aber auch nicht ganz außer Acht lassen, dass es ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts in einem jedenfalls verwandten Kontext gibt. Das muss man auch abwarten. Das wird zur Aufklärung des Gesamtsachverhalts sicherlich beitragen.
Natürlich ist es, wenn man mit einer Organisation bisher gut zusammengearbeitet hat und das weiterhin möchte, für die Zukunft der Zusammenarbeit wichtig, dass eine zügige Aufklärung geschieht und dass wir dann mit den Ergebnissen umgehen können.
ZUSATZFRAGE HENZE: Ich meine, es gibt gerade ein Missverständnis. Mir geht es nicht um die Vorwürfe gegen DITIB, die seit einigen Wochen im Raum stehen, sondern um die neuen Vorwürfe, die sich darauf beziehen, dass die Generalkonsulate in Düsseldorf und Essen in den Räumen des Generalkonsulats türkische Eltern- und Lehrervertreter offensichtlich zu Spitzeltätigkeiten angestiftet haben. Das ist eine andere Qualität als ein Verband, dessen Rolle man innerhalb des Vereinsrechts usw. bewerten müsste.
Deshalb die Frage an das Auswärtige Amt: Ist das eine strafrechtliche Sache oder nicht doch eine diplomatische?
DR. SCHÄFER: Ich habe das gelesen. Gut, dass Sie das noch präzisieren. Dann würde ich, wie folgt, antworten: Wenn diplomatisches oder konsularisches Personal an der türkischen Botschaft oder in den türkischen Konsulaten Dinge getan hätte ich formuliere das bewusst im Konjunktiv, weil ich ja gar nicht weiß, ob es so war , die nicht im Einklang mit den Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen oder über konsularische Beziehungen stehen, dann hat das natürlich gesandtschaftsrechtliche Folgen. Dann wird das Auswärtige Amt für die Bundesregierung diese Fragen mit der türkischen Regierung aufnehmen und auch aufnehmen müssen. Das tun wir. Aber bevor wir das tun, ist es, denke ich, zunächst einmal erforderlich, dass die Vorwürfe, die jetzt im Raum stehen und die auch ich heute in den deutschen Medien gelesen habe, einer sachkundigen, nämlich polizeilichen oder strafrechtlichen Ermittlung zugeführt werden. Dann sind es die Länderbehörden, die das aufklären müssen. Wenn sich solche Vorwürfe dann als richtig herausstellen sollten, dann nähmen wir das natürlich auf.
FRAGE REICHE: Eine Frage an Frau Demmer: Der Kanzlerin wurde eine Hunderttausend-Unterschriften-Petition übergeben, sich für Meinungsfreiheit in der Türkei einzusetzen. Wie geht die Bundesregierung mit solch einer Petition um?
An Dr. Plate die Frage: Hat das Innenministerium Informationen über eine ansteigende Zahl von Asylanträgen türkischer Diplomaten?
SRS’IN DEMMER: Die Petition wird übergeben. Dann wird sie zunächst einmal zur Kenntnis genommen. Darüber hinaus kann ich Ihnen derzeit noch nichts dazu sagen.
DR. PLATE (zu Asylanträgen türkischer Diplomaten): Ich nehme an, Ihre Frage bezieht sich auf die heute medial in Umlauf befindliche Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage eines Abgeordneten. Grundsätzlich wird die Diplomateneigenschaft eines Asylantragstellers statistisch nicht erhoben, sondern es wird die Staatsangehörigkeit erhoben, nicht die Zugehörigkeit zu irgendwelchen speziellen Gruppen, und sei es die Gruppe der Diplomaten.
Aber trotz diesem Vorbehalt, dass es darüber keine belastbaren statistischen Daten gibt, sind uns gegenwärtig 136 Asylanträge von Diplomatenpassinhabern aus der Türkei bekannt. Mir liegen aber keine Vergleichsangaben aus früheren Zeiträumen vor, die Aussagen darüber zuließen, ob es eine ansteigende Dynamik gibt oder nicht. Aber in der Tat sind uns im Moment 136 solcher Fälle bekannt.
DR. SCHÄFER: Nur zur Ergänzung dessen, was Frau Demmer gerade gesagt hat: Zu Ihrer Frage zu der Petition kann ich nichts sagen, weil ich die Petition gar nicht kenne. Ich weiß auch nicht, was ihr Inhalt ist. Aber ich denke, die Bundesregierung braucht gar keine Aufforderung, sich für die Meinungs- und die Pressefreiheit in der Türkei einzusetzen. Das haben wir am Beispiel des Falls Yücel auch in diesem Saal in den vergangenen Tagen sehr ausführlich diskutiert.
Selbstverständlich setzen wir uns für die Presse- und Meinungsfreiheit nicht nur in der Türkei, aber gerade in der Türkei ein, weil sich insbesondere in der Türkei in den letzten Monaten und Jahren Entwicklungen und Verwicklungen ergeben haben, die uns Anlass zur Sorge geben.
SRS’IN DEMMER: Dem möchte ich mich unbedingt anschließen. Weil Sie in Ihrer Frage insinuiert haben, dass die Petition der Kanzlerin übergeben wird, möchte ich klarstellen: Sie wird im Kanzleramt übergeben.
FRAGE MÜLLER-THUM: Herr Schäfer, ich würde gern die Frage von Frau Geuther wiederholen, weil Sie darauf, meine ich, nicht geantwortet haben. Sie haben sozusagen gesagt, Sie erwarten aus den diplomatischen Gepflogenheiten, dass ein solcher Besuch mit Vorlauf formell, formal, förmlich angekündigt würde, wenn Herr Erdoðan als Staatspräsident käme.
Die Frage war: Bei solchen Besuchen heißt es immer, sie kommen als Privatleute. Würden Sie also, egal welches Label er sich selber geben würde, erwarten, dass so etwas förmlich angekündigt wird? Hat Herr Yýldýrým das eigentlich bei seinem Besuch getan? Hat Herr Erdoðan das bei seinen vorherigen Auftritten 2010, 2011, 2014 förmlich vorab getan?
DR. SCHÄFER: Ich denke, ja.
Bei Herrn Yýldýrým: eindeutig ja. Herr Yýldýrým ist ja in seiner offiziellen Funktion, nicht nur in seiner Parteifunktion, in Deutschland gewesen. Am Samstag der vergangenen Woche ist er unter anderem mit der Bundeskanzlerin und dem Außenminister in seiner Funktion als Ministerpräsident der Republik Türkei am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz zusammengetroffen und dort aufgetreten.
Für all die vielen, ja Dutzende Staatsgäste, die zur Münchner Sicherheitskonferenz nach München kommen, gibt es eingespielte Verfahren, die zwischen dem Auswärtigen Amt, der Münchner Sicherheitskonferenz und den betreffenden Botschaften seit vielen Jahren eingespielt sind. Selbstverständlich hat Herr Yýldýrým uns, der Bundesregierung, seinen Besuch in Deutschland angekündigt.
ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Hat Herr Erdoðan das bei seinen vorherigen Wahlkampfauftritten auch getan?
DR. SCHÄFER: Deshalb hatte ich eingangs meiner Antwort gesagt: Ich denke, ja. Ich kann das gern noch einmal überprüfen. Ich denke, Wahlkampfauftritte von Herrn Erdoðan sind nicht nur und ausschließlich in seiner Funktion als Staatspräsident erfolgt, sondern auch schon zuvor, als er Ministerpräsident war. Auch für solche Besuche gilt, dass es natürlich Dinge zu besprechen und abzusprechen gibt logistische Fragen, Sicherheitsfragen, Protokollangelegenheiten. Dazu gehört es, dass man sich gegenseitig informiert und abstimmt, wenn ein hochrangiges ausländisches Regierungsmitglied deutschen Boden betritt.
ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Heißt das, dass für Herrn Erdoðan vor dem Referendum gar kein Besuch in Deutschland mehr möglich wäre, ohne dass das einen diplomatischen Affront gegenüber der Bundesregierung darstellen würde?
DR. SCHÄFER: Das verstehe ich nicht.
ZUSATZ MÜLLER-THUM: Wenn Sie gesagt haben: „Der hat sich bisher nicht förmlich angemeldet“ und: „Man macht das mit ein paar Wochen Vorlauf“, dann kann das doch jetzt eigentlich gar nicht mehr wirklich passieren.
DR. SCHÄFER: Es sind ein paar Wochen bis zum Verfassungsreferendum. Wie viel sind ein paar Wochen? Bis zum Verfassungsreferendum sind es, meine ich, noch sieben Wochen. Sind das ein paar Wochen? Ich habe auch nicht von ein paar Wochen gesprochen.
ZUSATZ MÜLLER-THUM: Ich meine, Sie haben eben sechs Wochen erwähnt.
DR. SCHÄFER: Ich sprach davon, dass solche Reisen vorab notifiziert werden. Ich habe nicht von ein paar Wochen gesprochen.
ZURUF: Sechs Wochen!
DR. SCHÄFER: Wann habe ich Gerade eben? Dann nehme ich das zurück. Sechs Wochen das wäre dann ein Lapsus Linguae. Dafür kann ich mich nur entschuldigen.
FRAGE: Ich würde gern auf die Türkei-Petition zurückkommen. Herr Schäfer, Sie haben gerade gesagt, die Bundesregierung tue natürlich alles, was sie könne, für Pressefreiheit. Dazu würde ich gern fragen: Was kann sie denn genau tun, um eben zu garantieren, dass Journalisten, die in der Türkei sind oder Familien in der Türkei haben und sich Sorgen um diese Familien machen, tatsächlich frei berichten können?
Ich würde gern noch ergänzen: CORRECTIV ist mehrfach von rechts bedroht worden. Was kann man tun, um zu gewährleisten, dass Journalisten frei arbeiten können, ohne sich bedroht fühlen zu müssen auch hier in Deutschland?
DR. SCHÄFER: Für die zweite Frage ist das Auswärtige Amt nicht zuständig. Diese Frage müssten Sie vielleicht an jemand anderen richten, auch wenn uns das, wenn das, was Sie sagen, zutreffen sollte, natürlich genauso besorgt macht und empört wie andere.
Zu Ihrer ersten Frage: Wenn man mit anderen souveränen Staaten Umgang pflegt, dann gibt es Grenzen der Einflussnahme. Man kann nicht einfach hingehen und das durchsetzen, schon gar nicht mit einer Waffe im Anschlag. Das ist nicht die Art und Weise, wie man das machen kann. Man kann das also nicht mit Gewalt durchsetzen. Was wir tun, ist, tagtäglich auf Arbeitsebene, aber auch regelmäßig und ständig auf politischer Ebene mit denjenigen Staaten das Gespräch zu suchen, in denen die Pressefreiheit nicht so hochgehalten wird wie bei uns.
Die Entwicklungen in der Türkei, auf die ich gerade eben schon Bezug genommen hatte, machen uns besorgt. Die Position der Türkei auf einschlägigen internationalen Ranglisten der Pressefreiheit spricht eine deutliche Sprache, nämlich der Verschärfung der Lage der Pressefreiheit in der Türkei.
Was das ganz konkret bedeutet: Der Fall Yücel ist jetzt ganz besonders öffentlichkeitsträchtig. Aber wir im Auswärtigen Amt haben ich schätze, ich persönlich mindestens einmal die Woche mit Fragen der Pressefreiheit in der Türkei zu tun, wenn es um die Frage geht, deutsche Korrespondenten oder Korrespondenten deutscher Medien dabei zu unterstützen, ihre Akkreditierung für die Arbeit in der Türkei zu verlängern. Gerade gestern ist mir das wieder untergekommen. Dann tun wir das natürlich und bitten dann auch unsere Botschaft und unseren Botschafter, alles in seiner und in unserer Macht stehende zu tun, um deutschen Medien eine Art der Berichterstattung möglich zu machen, die qualitativ wie quantitativ dem nahekommt, was in Deutschland auf der Grundlage des Artikels 5 des Grundgesetzes möglich ist.
Wie das genau läuft, ist so abstrakt schwer zu sagen. Es gibt immer wieder neue Konstellationen, in denen man sich überlegen kann, soll und muss, wie wir uns für die Arbeit eines konkreten Journalisten einsetzen. Der Fall Yücel ist nun ganz besonders dramatisch, weil es dabei um die Freiheit eines Journalisten geht, der für seine journalistische Arbeit in der Türkei womöglich einen hohen Preis zahlen muss. Auch da gilt: Die Pressefreiheit und im Übrigen das persönliche Schicksal aller Deutschen, aber auch deutscher Journalisten im Ausland ist uns so wichtig, dass wir natürlich alles tun werden, was wir nur tun können, damit die Kollegen ihre Arbeit weitermachen können und für ihre Arbeit nicht unangemessen bestraft werden.
FRAGE JUNG: Ich möchte auf das zurückkommen, was Herr Lohse gefragt hat, aus dem Sie, Herr Schäfer, sich herauszuschlängeln versucht haben. Sie haben es ja gesagt: Der Bund ist für die Außenpolitik zuständig. Was das bei einem Auftritt von Herrn Erdoðan bedeuten würde oder bei Vorhaben ausländischer Staats- oder Regierungschefs in Deutschland wollten Sie nicht näher erläutern. Ich bitte Sie, uns das näher zu erläutern.
Sie hatten uns am Montag schon gesagt, dass bestimmte Entscheidungen über Ein- und Ausreise gefällt werden könnten. Das sei offensichtlich, weil die Bundesregierung sozusagen die deutsche Staatsmacht repräsentiere. Auch hier die Bitte: Könnten Sie diese bestimmten Entscheidungen erläutern?
DR. SCHÄFER: Aber es gibt keine. Was soll ich da erläutern?
ZUSATZFRAGE JUNG: Welche Entscheidungsmöglichkeiten hat die Bundesregierung?
DR. SCHÄFER: Ich weiß nicht, zum wievielten Male wir das jetzt haben. Wir wollen uns doch jetzt nicht im Konjunktiv über
ZURUF JUNG: Das ist kein Konjunktiv.
DR. SCHÄFER: Doch.
ZUSATZ JUNG: Sie haben Entscheidungsbefugnisse als Bundesregierung, weil es um die Außenpolitik geht.
DR. SCHÄFER: Ja, aber die Entscheidungen über die Ein- und Ausreise nach Deutschland, werden jeden Tag hunderttausend-, millionenfach von den zuständigen deutschen Bundesbehörden getroffen.
ZUSATZ JUNG: Aber es gibt nur einen türkischen Ministerpräsidenten bzw. einen türkischen Staatschef.
DR. SCHÄFER: Richtig. Und jetzt?
ZUSATZ JUNG: Um den geht es jetzt.
DR. SCHÄFER: Aber Herr Yýldýrým ist nach Deutschland eingereist. Wenn uns der türkische Staatspräsident mitteilt, was er in Deutschland zu tun gedenkt, dann schauen wir uns das an und machen das, was in den Fällen vernünftig ist. Wir setzen uns mit den Türken dazu ins Benehmen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Welche Möglichkeiten haben Sie? Können Sie sie erläutern? Angenommen, Sie fänden das nicht gut, welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, das zu unterbinden? Können Sie einen Einreisestopp oder ein Einreiseverbot verhängen? Können Sie das bitte erläutern?
DR. SCHÄFER: Mehr als das, was ich auf die Frage von Herrn Lohse geantwortet habe, kann ich nicht sagen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie uns ein Update zum Fall Deniz Yücel geben?
DR. SCHÄFER: Herr Yücel ist seit neun Tagen und 20 Stunden in Polizeigewahrsam. Die türkische Staatsanwaltschaft hat kurz vor Ablauf der ersten Sieben-Tage-Frist die Entscheidung getroffen, diese Frist um weitere sieben Tage zu verlängern. Die nach den Regeln der türkischen Strafprozessordnung unter den Bedingungen des Ausnahmezustands endgültig ablaufende Frist ohne richterlichen Beschluss, Herrn Yücel seine Freiheit zu nehmen, endet Dienstag nächster Woche um ca. 16 Uhr. Bis dahin werden sich die türkischen Strafverfolgungsbehörden ein Bild davon machen wollen, wie sie mit dem Fall Yücel weiter umgehen.
Wir sind weiterhin wie in der Vergangenheit vor der Ingewahrsamnahme und danach über die festen, guten und vertrauensvollen Kontakte, die sich etabliert haben, in engem Kontakt mit Herrn Yücel. Wir beobachten sehr aufmerksam, was dort passiert.
Ich kann all das, was für die Bundesregierung an dieser Stelle und anderswo im Fall Yücel gesagt worden ist, hier und heute nur noch einmal bekräftigen. Wir wünschen uns, dass eine Entscheidung gefällt wird, die Angelegenheiten der Pressefreiheit und der Meinungsfreiheit angemessen berücksichtigt. Das sind Grundrechte, die sich in der türkischen Verfassung ganz oben wiederfinden. Wir haben nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, dass Herr Yücel seine Tätigkeit als Journalist in irgendeiner Weise missbraucht hätte, sondern er ist engagiert seiner Arbeit nachgegangen.
Wir hoffen und erwarten, dass eine Entscheidung durch die zuständigen türkischen Justizbehörden gefällt wird, die dem Rechnung trägt, und zwar so schnell wie irgend möglich. Aus unserer Sicht gibt es gar keinen Grund, weshalb die offenbar vor einer Entscheidung des Staatsanwalts stehende Vernehmung immer noch nicht stattgefunden hat. Der Fall wird nicht einfacher und auch nicht leichter dadurch, dass man ihn weiter in die Länge zieht.
ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie bestätigen, dass Herr Yücel in der Türkei nicht als Auslandskorrespondent akkreditiert war?
DR. SCHÄFER: Es ist, denke ich, nicht meine Aufgabe, über Fragen der Akkreditierung von Herrn Yücel zu sprechen, sondern
ZURUF JUNG: Sie haben vorhin angesprochen, dass Sie mit deutschen Journalisten immer
DR. SCHÄFER: Das stimmt. Aber das haben wir in ganz allgemeiner Form angesprochen. Hier gelten selbstverständlich Persönlichkeitsrechte. Es ist nicht an einem Vertreter des Auswärtigen Amtes, über Angelegenheiten zu sprechen, die vielleicht Herrn Yücel oder seine Redaktion angehen. Vielleicht können Sie diese Frage an die Redaktion von Herrn Yücel stellen. Für mich gibt es keinen Grund, auf diese Frage zu antworten.
ZUSATZFRAGE JUNG: Weil Sie es nicht wissen?
DR. SCHÄFER: Auch darauf antworte ich nicht.
FRAGE HERPELL (zu Asylanträgen türkischer Diplomaten): Zur Türkei insgesamt. Es geht etwas durcheinander, aber das liegt an der Komplexität des Themas.
Ich möchte Dr. Plate bitten, noch einmal auszuführen, wie es mit diesen 136 Fällen, die Sie genannt haben, jetzt weitergeht. Kriegen die eine besondere Priorität, weil es sich ja offensichtlich um Diplomaten und um Angehörige von Diplomaten handelt, oder werden sie in die Gesamtzahl der Asylsuchenden aus der Türkei eingeordnet?
Dazu wüsste ich gern, um das ins Verhältnis zu setzen, um mal einen Eindruck zu bekommen, von welcher Zahl wir hier überhaupt sprechen: Wie viele sind es eigentlich zurzeit, die nach dem Putschversuch um Asyl in Deutschland gebeten haben?
DR. PLATE: Ja, gerne.
Vielleicht zu der ersten Frage, was mit diesen Fällen passiert: Im Prinzip ist es so, im Rechtsstaat gibt es keine priorisierte Bearbeitung, wenn jemand Diplomat oder so etwas in der Art ist, sondern es sind Fälle, die sich ganz normal im Asylverfahren befinden und dieses Asylverfahren im Prinzip durchlaufen. Entschieden ist meines Wissens von diesen Fällen aktuell noch keiner. Sie befinden sich einfach im Verfahren. Sehr viel mehr kann ich dazu, ehrlich gesagt, nicht sagen.
Dann zu der Frage, wie sich die Asylanträge aus der Türkei entwickelt haben. Es ist häufig zu lesen, dass speziell nach dem Putschversuch die Antragszahlen nach oben gegangen wären. So lässt sich diese Aussage aus meiner Sicht serös nicht so ganz halten. Die Antragszahlen gehen schon seit einer ganzen Weile nach oben. Dies ist spätestens seit ungefähr Mitte 2015 der Fall. Vielleicht zum Vergleich: Wir hatten 2014 gut 1 800 Asylantragsteller aus der Türkei, 2015 waren es 4 600 und noch ein paar, und 2016 hatten wir etwa 5 700 und noch ein paar.
Vielleicht zur Einordnung: Auch die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe wird zum Beispiel nicht statistisch erhoben, sondern basiert auf freiwilligen Angaben. Aber von diesen 5 742 Personen mit türkischer Staatsangehörigkeit, die im Jahr 2016 Asyl beantragt haben, haben 4 383 angegeben, der kurdischen Volksgruppe anzugehören. Danach hatten Sie nicht gefragt, aber das ist für die Einordnung aus meiner Sicht nicht ganz unbedeutend.
Man kann also sagen: Ja, die Zahlen gehen nach oben, aber nicht erst seit dem Putsch. Das ist vielleicht wichtig zu wissen.
War noch eine Frage offen? Ich glaube, das war es im Wesentlichen.
ZUSATZFRAGE HERPELL: Ich möchte noch eine Zusatzfrage stellen. Wie lange dauert ungefähr ein Asylverfahren? Kann man eine Durchschnittszahl nennen, möglicherweise für türkische Staatsbürger? Wissen Sie das?
DR. PLATE: Konkret für türkische Staatsbürger müsste ich das nachreichen. Das kann ich ganz sicher zusagen. Das ist nicht so schwierig. Aber auswendig weiß ich es nicht.
FRAGE PAULI: Ich hätte auch eine Frage an Herrn Dr. Plate, und zwar noch einmal mit Blick auf die Abschiebung nach Afghanistan. 50 Afghanen sollten in ihre Heimat zurückgebracht werden, 18 sind dort nur angekommen, weil offenbar nicht alle den Flug angetreten haben. Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie es dazu kommen konnte?
Die zweite Frage auch mit Blick auf die Abschiebepraxis. Der Bundesinnenminister macht sich dafür stark, da die Zügel anzuziehen. Wie kann er das denn umsetzen, wenn gleichzeitig die Länder, vor allem die SPD-Länder, wenig geneigt sind, das in gleicher Weise rigide umzusetzen, vor allem auch mit Blick auf Afghanistan?
DR. PLATE: Vielleicht erst zu der ersten Frage.
Ich kann bestätigen, dass zunächst mit fünfzig afghanischen Staatsangehörigen geplant worden ist und es dann weniger waren. In der Tat waren es 18, die den Flug angetreten und absolviert haben. Das ist nicht weiter ungewöhnlich. Auch wenn Sie sich die anderen Flüge anschauen, waren die Zahlen immer deutlich unterhalb der Planungsgröße. Deswegen ist es auch wichtig, dass man zum Beispiel grundsätzlich die Möglichkeit vereinbart wie das auch in der gemeinsamen Erklärung mit Afghanistan geschehen ist , Flüge bis zu einem gewissen Anteil zu überbuchen, weil aus den unterschiedlichsten Gründen immer ein paar nicht dabei sind. Das sind etwa gesundheitliche Gründe, erfolgreicher Eilrechtsschutz da gab es hier zum Beispiel drei Fälle , das Untertauchen oder das Sichbegeben in Kirchenasyl. All solche Dinge passieren. Die Wahrscheinlichkeit davon nimmt zu, je medialer und öffentlich bekannter im Vorfeld ist, dass eine solche Maßnahme stattfindet. Nicht zuletzt deswegen hat die Bundesregierung zahlreiche Dinge auf den Weg gebracht, um zum Beispiel dafür zu sorgen, dass Flüge an sich nicht mehr angekündigt werden.
Für die Details, warum aus welchem Land gegebenenfalls wie viele Geplante nicht den Flug angetreten haben, da müssten Sie sich an die Länder wenden. Sie wissen ja, die Benennung potenzieller zur Abschiebung anstehender Personen ist nicht Sache des Bundesinnenministers, sondern die Fälle liegen in den Ländern. Sie müssen von dort benannt werden. Dort würden dann auch die Erkenntnisse abgefragt werden können, warum Person X oder Y möglicherweise nicht dabei gewesen ist.
Zum zweiten Fragekomplex, der eher in die Richtung ging: Der Bundesinnenminister möchte, dass Abschiebungen stattfinden, die anderen machen aber nicht mit. Es gibt ja formal nur in einem einzigen Bundesland ein Abschiebestopp für Afghanistan. Das ist Schleswig-Holstein. Ein paar andere sind skeptisch und sagen, sie hätten diesmal konkret keine Person für den Flug benannt, hätten aber nicht ausgeschlossen, das perspektivisch zu tun. Es war eine ganze Reihe von Bundesländern an der Stellung von ausreisepflichtigen Personen beteiligt. Auch diejenigen, die skeptisch sind, aber keinen Abschiebestopp beschlossen haben, sagen: Da muss in jedem Einzelfall sorgfältig hingeschaut werden. Das deckt sich mit der Position der Bundesregierung, und das geschieht auch. Das ist das, was ich zu der Frage zu sagen habe.
FRAGE DR. LOHSE: Herr Plate, wieder einmal eine Lernfrage eines Nicht-Juristen: § 60 Aufenthaltsgesetz regelt ja, dass die Länder für drei Monate einen Abschiebestopp verfügen dürfen. In demselben Absatz 1 steht aber: Wenn es länger als sechs Monate dauert, dann muss ein Einvernehmen mit dem Bund hergestellt werden. Was ist denn mit den Monaten vier, fünf und sechs?
DR. PLATE: Das ist in der Tat im Gesetz nicht ganz präzise, nicht ganz leicht verständlich oder eindeutig formuliert. Aber die Staatspraxis in der Auslegung dieser Vorschrift geht dahin, dass der Bund zustimmen muss, wenn es länger als sechs Monate ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Bund nicht zustimmen muss, wenn es nicht länger als sechs Monate ist.
ZUSATZFRAGE DR. LOHSE: Also faktisch sind sechs Monate die Grenze?
DR. PLATE: Faktisch ist es so.
FRAGE REICHE: Auch eine Frage an Herrn Dr. Plate. Mit den Erfahrungen der vergangenen Monate hat ja das Innenministerium auch immer gesagt, man müsse ein bisschen mehr Kompetenzen von den Ländern auf das Innenministerium holen. Wird man denn jetzt in Ihrem Hause sicherstellen, dass man die Namen der Leute kennt 32 immerhin , die nicht in dem Flieger saßen und wo sie abgeblieben sind? Also weiß man, was tatsächlich die Gründe sind Sie sagten, einige seien vielleicht untergetaucht und wer untergetaucht ist?
DR. PLATE: Also dass man es weiß, das ist sichergestellt. Denn die Stelle, die jeweils für diese Personen zuständig ist, weiß es selbstverständlich. Das ist das jeweilige Landesinnenministerium.
Dass der Bund zusätzliche Kompetenzen in dem Bereich anstrebt, ist, glaube ich, kein Geheimnis. Zusätzliche Kompetenzen heißt im föderalen Verfassungsgefüge auf jeden Fall Rechtsänderung. Möglicherweise geht das bis zur Verfassungsänderung. Der Minister hatte das ja schon in dem Namensartikel angesprochen, den er Anfang des Jahres veröffentlicht hat. Das Thema ist auch als Prüfauftrag in den Ministerpräsidenten-Beschlüssen vom 9. Mai verankert.
Im Moment heißt das aber: Wir operieren natürlich auf Grundlage des geltenden Rechts. Auf Grundlage des geltenden Rechts liegt die Zuständigkeit zur Benennung von Personen zum Nachhalten, wer warum nicht im Flug gewesen ist bei den Landesbehörden.
ZUSATZFRAGE REICHE: Wenn Sie sagen, man weiß es auf jeden Fall, dann weiß also das Bundesinnenministerium, dass in den einzelnen Landesministerien jeder einzelne Fall klar ist. Man kennt die Namen. Man weiß, wer wohin gegangen ist und warum er nicht im Flieger saß.
DR. PLATE: Ganz so weitgehend, wie Sie das jetzt formulieren, habe ich das nicht formuliert und das auch bewusst nicht getan.
Es ist natürlich klar: Die Länder benennen Personen. Wenn man Personen benennt, heißt das tatsächlich Name, Adresse usw. Dann gibt es eine Liste. Wenn die Leute einsteigen, dann wird natürlich geschaut: Wer sind die Leute, die einsteigen? Dann ist es für die Stelle, die die Personen benannt hat, die zur Abschiebung anstehen, ein Leichtes, wenn man die eine Liste mit der anderen abgleicht, zu sehen, wer nicht eingestiegen ist. Insofern ist das kein so großes Problem.
Wenn Sie aber fragen, ob überall bei diesen Stellen jetzt schon eindeutig bekannt ist, wo die Person, die nicht eingestiegen ist, ganz genau abgeblieben ist, dann kann ich, ehrlich gesagt, nicht für alle Länder sprechen. Es scheint mir jedenfalls naheliegend zu sein, dass vielleicht noch nicht in allen Ländern für jede dieser Personen völlig zweifelsfrei feststeht, ob die Person bei Freunden untergetaucht oder zum Beispiel ins Kirchenasyl gegangen ist. Das ist etwas, was in der Natur der Sache liegt, dass es möglicherweise nicht bei jeder Person schon heute im jeweils zuständigen Land feststeht. Das ist sozusagen Normalität.
FRAGE JUNG: Zwei kurze Lernfragen, Herr Plate. In welchem sicheren Ort, in welchem sicheren Gebiet sind die 18 Menschen jetzt gelandet oder hingekommen? Finden Sie die Flugkosten von 350 000 Euro für 18 Menschen angemessen?
DR. PLATE: Wo jetzt jede dieser Personen im Einzelnen hingekommen ist, ist eine Sache, die in der Zuständigkeit der afghanischen Behörden liegt, die ja die Personen nach der Landung übernommen und sich um das Weitere gekümmert haben. Das ist auch in der gemeinsamen Erklärung so vereinbart. Aber mit Blick darauf, dass auf afghanischem Territorium bekanntlich nicht die Bundesrepublik Deutschland Hoheitsgewalt ausübt, sondern Afghanistan, ist das vielleicht auch nicht weiter verwunderlich.
Zu der Frage der Kosten, ob sie angemessen sind oder nicht: Wenn es darum geht, geltendes Recht durchzusetzen das ist ja hier so, denn es geht um Ausreisepflichtige und den Vollzug der Ausreisepflicht , dann stellt sich diese Frage in dieser Zuspitzung, wie Sie sie formuliert haben, nicht, weil es keine Kosten-Nutzen-Abwägung sein kann, jedenfalls nicht in letzter Konsequenz, ob man Recht zur Durchsetzung verhilft oder es sein lässt.
FRAGE HERPELL: Eine Frage zu dem Entführungsfall Nigeria: Herr Schäfer, vielleicht können Sie antworten, wie der letzte Stand der Dinge dort ist. Wenn das „unter eins“ nicht möglich ist, vielleicht auch in anderer Form. Denn man rätselt ja weiterhin, was mit diesen beiden Archäologen dort passiert.
DR. SCHÄFER: Das verstehe ich. Dennoch bitte ich auch Sie um Verständnis, dass wir uns in diesem Fall wie grundsätzlich auch in anderen Fällen nicht in der Öffentlichkeit äußern wollen. Das tut einer guten Lösung nicht gut. Deshalb möchte ich das hier auch nicht tun. Ich kann nur um Verständnis bitten.
FRAGE JUNG: Gibt es Lösegeldforderungen?
DR. SCHÄFER: Muss ich das jetzt beantworten? Ich hatte gerade, glaube ich, ziemlich klar gesagt, wie ich mich dazu einlassen möchte. Ich denke, die Antwort können Sie sich denken, Herr Jung. Es bringt nichts, dass wir das jetzt fortsetzen.
FRAGE STEHKÄMPER: Die Frage ist in dieser Woche schon einmal gestellt worden. Hat sich die Regierung mittlerweile eine Meinung dazu gebildet, dass in der Nähe von Moskau der Reichstag in Miniaturform nachgebaut wird, damit Jugendliche lernen, ihn zu erstürmen?
DR. SCHÄFER: Diesen Park gibt es ja schon eine ganze Zeit. Wir würden so etwas auch zur Erziehung und Ertüchtigung der deutschen Jugend nicht unbedingt bauen. Das gilt auch für die Art und Weise, wie das betrieben wird.
SRS’IN DEMMER: Die Idee ist überraschend und spricht für sich. Ich sehe jetzt keine Veranlassung, das zu kommentieren.
FRAGE: Sie haben klar gesagt, dass Sie das nicht nachvollziehen können. Aber das kommt nach einer Reihe von Kommentaren auch in den russischen Medien, die sehr persönlich die Frau Kanzlerin angegriffen haben. Man hat sogar die These avanciert, dass das, was die Deutschen jetzt machen, an Unterhaltung oder Diskussionen über Lebensraum und Mitteleuropa erinnert. Wie betrachten Sie diese Äußerungen von Herrn Kisseljow, der immerhin der Hauptideologe im russischen Fernsehen ist, was Außenpolitik angeht?
SRS’IN DEMMER: Ich muss tatsächlich sagen: Ich kenne die Äußerungen konkret nicht. Deswegen kann ich dazu nicht Stellung nehmen.
ZUSATZFRAGE: „Wenn Sie sich die Aktionen Merkels genauer anschauen, kann man leicht die alte deutsche These des Mangels an Lebensraum erkennen.“ Zitat.
SRS’IN DEMMER: Ich möchte mich dazu nicht äußern, da mir das nicht konkret vorliegt.
FRAGE HELLER: Auch an das Auswärtige Amt, vielleicht auch an Sie, Frau Demmer: Der NATO-Partner USA bzw. sein Präsident hat sich zur Atompolitik der USA geäußert. Er hat da eine ganz neue Linie mit stärkeren Aufrüstungsplänen und Ähnlichem herausgegeben. Zum Ersten. Wie findet die Bundesregierung diese Pläne? Muss sie sich möglicherweise von den Partnern in dieser Frage deutlich absetzen?
Zum Zweiten. Wie wirkt sich das eigentlich auf den G20-Prozess aus? Wird sich dieses Thema jetzt möglicherweise anders wiederfinden als in der Vergangenheit?
SRS’IN DEMMER: Die Bundesregierung hat die jüngsten Meldungen natürlich zur Kenntnis genommen. Konkret möchte ich das nicht kommentieren.
Die Haltung der Bundesregierung zum Thema Nuklearwaffen insgesamt ist Ihnen ja allen bekannt. Deutschland bekennt sich nach wie vor zum Ziel Global Zero und setzt sich weiterhin dafür ein, die Bedingungen für eine nuklearwaffenfreie Welt zu schaffen. Wir müssen allerdings erkennen, dass von einigen Staaten Nuklearwaffen nach wie vor als Mittel militärischer Auseinandersetzung betrachtet werden. Solange das so ist und Deutschland und Europa hiervon bedroht sind, besteht die Notwendigkeit zum Erhalt einer nuklearen Abschreckung fort; und die wird durch die NATO gewährleistet. Abschreckung ist aber kein Selbstzweck, und deswegen hätte es die Bundesregierung begrüßt, wenn Russland konstruktiv auf die Angebote der USA zur nuklearen Abrüstung eingegangen wäre. Wir bedauern, dass das bislang nicht erfolgt ist und wir stattdessen Berichte über die Stationierung russischer nuklearfähiger Mittelstreckenraketen in unmittelbarer Nähe zum Bündnisgebiet zur Kenntnis nehmen müssen. Dann gibt es davon haben Sie auch gehört die Hinweise der russischen Verletzungen des INF-Vertrages wie auch Berichte einer umfassenden Modernisierung des russischen nuklearen Dispositivs.
Das betrachten wir alles mit großer Sorge. Der von Präsident Putin verfügte Stopp der Vereinbarungen mit den USA zur Vernichtung atomwaffenfähigen Plutoniums im Oktober vergangenen Jahres muss auch in diesem Zusammenhang gesehen werden. Vor diesem Hintergrund bedauert die Bundesregierung, dass das Verhalten der russischen Regierung in letzter Zeit auf dem Weg zu einer nuklearwaffenfreien Welt nicht hilfreich war.
ZUSATZFRAGE HELLER: Nach dem, was Sie da gesagt haben, was ich ja mehr mit Russland als mit Herrn Trump beschäftigte, würde ich folgern: Angesichts dessen, was von russischer Seite kommt, haben Sie Verständnis für das, was von Herrn Trump kommt. Ist das so?
SRS’IN DEMMER: Ich wollte mich ja konkret zu den Vorhaben, die Sie angesprochen haben, nicht äußern. Auch Trump hat sich ja zu den Details und seinen Vorstellungen noch nicht konkret geäußert, sodass es keinen Anlass zu einer weiteren Kommentierung von meiner Seite gibt.
FRAGE JUNG: Ich habe auch noch ein paar Fragen. Sie haben das Ziel Global Zero und gleichzeitig wollen Sie die Verbotsverhandlungen boykottieren. Kritisieren Sie oder macht Ihnen die Modernisierung der amerikanischen Atombomben ebenso Sorgen, besonders der Atombomben, die in Deutschland lagern?
Herr Schäfer, ist Deutschland dazu bereit, dass noch mehr US-Atombomben in Deutschland stationiert werden? Will die Bundesregierung die eigene Verteidigungsfähigkeit weiter auf Atombomben stützen?
DR. SCHÄFER: Mindestens in einigen Ihrer Fragen stecken Unterstellungen, die ich schon einmal vorweg zurückweisen muss. Über die Verhandlungen über eine Ächtung von Atomwaffen ist an dieser Stelle zuletzt vor genau sieben Tagen von Ihnen und Herrn Fischer gesprochen worden. Wenn Sie dazu noch ergänzende Fragen haben, dann mache ich das gern. Ansonsten, glaube ich, ist hinreichend deutlich geworden, dass Deutschland gar nichts boykottiert, sondern sich nicht an Verhandlungen beteiligt, deren Ergebnis von vornherein feststeht, dass sie nämlich gar nichts ändern werden.
Wir haben allergrößtes Interesse daran das hatte Frau Demmer gerade für die Bundesregierung ausgeführt , dass es für die Bundesregierung insgesamt zu rüstungskontrollpolitischen Initiativen und auch zu Abrüstung kommt. Das gilt ausdrücklich auch für den Bereich der Nuklearwaffen. Da haben die beiden Atommächte, die bei weitem die meisten Atomwaffen in ihren Arsenalen haben die Amerikaner und die Russen , in den letzten Jahren hier und da auch Fortschritte erzielt. Frau Demmer hat die russische Haltung zur Vernichtung von Plutonium erläutert, die wir mit Sorge sehen.
Wir sehen aber gleichzeitig mit dem Gefühl einer Ermutigung, dass Abrüstung auch nukleare Abrüstung zwischen Amerika und Russland funktionieren kann, nämlich bei dem START-Vertrag und dem New-START-Vertrag, wo sich die beiden großen Nuklearmächte darauf geeinigt haben, die Zahl der Nuklearsprengköpfe, aber auch die Anzahl der Trägersysteme deutlich herunterzufahren. Es ist unser Wunsch und unser Appell an die beiden großen Atommächte, dass sie hier den Dialog miteinander fortsetzen, am besten nicht nur per Twitter oder per Interview, sondern am liebsten in direkter Art und Weise. Denn es geht einfach um wahnsinnig viel bei der Sicherheit Europas und bei der Sicherheit der ganzen Welt. Wir müssen konkret mit denjenigen, die diese Atomwaffen haben, über nukleare Abschreckungsstrategien sprechen, um bei der Abrüstung und der Rüstungskontrolle voranzukommen.
Das ist die deutsche Haltung, die in überhaupt keiner Weise ein Abstrich von dem von Frau Demmer beschriebenen Global Zero-Ziel ist. Nur daran, dass sich gerade diejenigen, die mit Atomwaffen rein überhaupt nichts zu tun haben und auch nie zu tun haben werden, zusammentun, um festzustellen, dass sie keine Atomwaffen wollen, muss, glaube ich, Deutschland nicht teilnehmen. Das ist, wenn Sie so wollen, ein gesinnungsethisches Vorgehen. Das kann man gut oder schlecht finden. Aber jedenfalls objektiv bringt es nichts.
ZUSATZFRAGE JUNG: Sie haben keine meiner Fragen beantwortet. Kritisieren Sie die Modernisierung der US-Atombomben, die in Deutschland stationiert sind? Sind Sie dazu bereit, dass noch mehr US-Atombomben in Deutschland stationiert werden können? Wollen Sie weiterhin die eigene Verteidigungsfähigkeit auf Atombomben stützen?
DR. SCHÄFER: Über das Thema Umgang der Amerikaner mit dem eigenen taktischen Atomwaffenarsenal haben wir an dieser Stelle auch mit Ihnen schon mehrfach in den letzten Jahren gesprochen. Die Haltung der Bundesregierung ist immer die Gleiche, vielleicht mit einer kleinen Kautel.
Wir wissen nicht, ob die Haltung der Obama-Administration zu diesem Teil des amerikanischen Nuklearwaffenarsenals die Gleiche ist wie die der neuen amtierenden Administration Trump. Das wissen wir noch nicht. Dafür sind sie noch nicht lange genug im Amt. Aber für uns so haben uns das die Amerikaner auch immer und immer wieder erklärt ist das keine Modernisierung, die etwa mit neuen Fähigkeiten verbunden wäre, sondern es ist eine Investition in die Sicherheit dieser Waffen, die nach einer Existenz von bis zu 40 und mehr Jahren etwas in die Jahre gekommen sind und deshalb ein sicherheitstechnisches Upgrade benötigen. Das ist, so denke ich, auch im Sinne der Bundesregierung.
Ja, die Bundesregierung und auch das ist kein Widerspruch zum Ziel Global Zero beteiligt sich im Rahmen der NATO an Gesprächen und Diskussionen über nukleare Teilhabe. Das heißt nicht, dass ein Vertreter der Bundesregierung gewissermaßen am roten Knopf sitzen würde. Das ist weder unser Ziel noch ist es zurzeit die Lage. Solange es Atomwaffen und das Konzept nukleare Abschreckung gibt, das ja ausdrücklich nicht den Einsatz von Atomwaffen wünscht, und solange das ein Thema ist, das für die Sicherheit Europas von großer Bedeutung ist, wird sich die Bundesregierung auch im Rahmen der NATO an Gesprächen über die Fragen der nuklearen Teilhabe beteiligen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich möchte nur anmerken: Sie haben gerade die Unwahrheit gesagt, dass die Amerikaner ihre Atombomben jetzt nur modernisieren, weil sie so alt sind. Sie haben selber anerkannt, dass diese tatsächlich modernisiert und weiterentwickelt werden. Es überrascht mich, dass Sie jetzt wieder so tun, als ob das nur eine Instandhaltungsmaßnahme ist. Das ist es bei weitem nicht.
Die andere Frage war ja noch: Sind Sie bereit, dass noch mehr US-Atombomben in Büchel und wo auch immer stationiert werden?
DR. SCHÄFER: Zur Frage von Büchel verweise ich auf die Einlassungen der Bundesregierung in der Koalitionsvereinbarung. Aber auch darüber haben wir hier schon x-mal miteinander gesprochen. Da gibt es überhaupt nichts, gar nichts Neues.
FRAGE KOUPARANI: Frau Demmer, es gab das Treffen zwischen Frau Merkel und Frau Lagarde am Mittwoch. Danach hat sich Frau Lagarde ausgiebig in den „Tagesthemen“ zum Griechenland-Programm geäußert. Heute gibt es einen ausführlichen Bericht im „Handelsblatt“ darüber. Es geht um den Inhalt der Gespräche. Können Sie den Bericht bestätigen oder dementieren? Können Sie Ihre eigenen Informationen über das Gespräch mitteilen?
SRS’IN DEMMER: Was das Gespräch anbelangt, muss ich Sie leider enttäuschen, wie Sie vermutlich erwartet haben. Es handelte sich ja da um einen völlig regelmäßigen Gesprächsaustausch, über den wir berichtet haben. Über Einzelheiten aus dem Gespräch kann ich Ihnen leider nichts berichten.
Grundsätzlich hat sich am aktuellen Stand des Griechenland-Programms nichts geändert. Ziel ist es nach wie vor, eine gemeinsame Konditionalität aller vier Institutionen mit Griechenland zu vereinbaren. Die Institutionen wollen am Montag wieder nach Athen reisen und die Mission fortsetzen.
Basis für die Rückkehr ist ein gemeinsames Verständnis zu den Eckpunkten der notwendigen Reformansätze, auf die sich die Institutionen mit Griechenland bei der Eurogruppe am Montag geeinigt haben.
ZUSATZFRAGE KOUPARANI: Wann hält es die Bundesregierung für angebracht, über die Schuldenerleichterung Griechenlands zu verhandeln, erst 2018 oder auch schon davor? Falls schon davor: Was sind die Bedingungen für die Aufnahme solcher Verhandlungen?
SRS’IN DEMMER: Es gilt einfach weiterhin das, was die Eurogruppe schon im Mai 2016 beschlossen hat. Demnach gibt es die sogenannten mittelfristigen Schuldenmaßnahmen, die 2018 erwogen werden. Sollte diese notwendig sein, dann wäre die volle Programmdurchsetzung durch Griechenland die Voraussetzung dafür. Des Weiteren gibt es die sogenannten kurzfristigen Schuldenmaßnahmen im Einklang mit den Vereinbarungen vom Mai 2016 , die bereits jetzt vom ESM implementiert werden. Diese Maßnahmen leisten bereits einen substanziellen Beitrag zur Schuldenfähigkeit Griechenlands. Ich weiß, dass das für Sie nicht befriedigend ist
ZUSATZFRAGE KOUPARANI: Aber Sie beantworten meine Frage nicht. Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, dass schon vorher über eine Schuldenerleichterung diskutiert wird, auch wenn sie erst 2018 zur Geltung kommt? Vielleicht kann Frau Tiesenhausen etwas dazu sagen?
SRS’IN DEMMER: Ich bin gespannt.
VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich will noch einmal darauf hinweisen und Frau Demmer auch beipflichten, dass wir mit der Einigung der Eurogruppe auch mit den Institutionen und dem IWF im Mai 2016 einen Fahrplan haben. Frau Lagarde hat darauf Sie haben schon ihr Interview in den Tagesthemen angesprochen auch noch einmal ganz konkret verwiesen. Es ist ganz wichtig, noch einmal zu betonen, dass die Umsetzung der jetzt erforderlichen Reformmaßnahmen einen ganz wesentlichen Einfluss darauf haben wird, wie die Schuldentragfähigkeit mittel- und langfristig sein wird. Insofern um Ihre Frage zu beantworten : Das Eurogruppen-Statement sagt ja, dass 2018 darüber befunden werden wird, und das gilt für uns weiterhin.
FRAGE MÜLLER-THUM: Ich habe eine Frage an das Ernährungsministerium: Nordrhein-Westfalen macht sich ja stark für ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung; es sollen wohl auch bald entsprechende Pläne im Bundesrat vorgestellt werden. Ihr Minister hat gesagt, dass er davon nicht besonders begeistert ist. Ich würde gern noch einmal wissen, warum das für Sie kein Thema ist.
URBAN: Erst einmal vielen Dank für diese Frage. Das gibt mir die Gelegenheit, das Thema noch einmal einzuordnen. Vorweg möchte ich vielleicht sagen, dass es dem Minister dabei nicht um Begeisterung über Gesetzentwürfe geht, sondern um rein sachliche Erwägungen, die ihn veranlassen, dazu eine Wertung und Kommentierung abzugeben.
Grundsätzlich sagt Bundesernährungsminister Christian Schmidt schon seit langer Zeit, dass 82 Kilogramm pro Person und Kopf im Jahr an Lebensmittelabfällen viel zu viel sind. Ziel ist es, das bis 2030 zu halbieren. Die Ansätze, wie wir zu dieser Halbierung kommen, kann man unterschiedlich betrachten, und es gibt auch eine ganze Reihe an Maßnahmen, die wir bereits im Haus getroffen haben ich erinnere zum Beispiel an unsere Kampagne „Zu gut für die Tonne“ und an den Bundespreis gegen Lebensmittelverschwendung.
Der Bundesminister hat deutlich gemacht, dass wir die Nutzbarkeit von Lebensmitteln dadurch verlängern müssen, dass wir im Hinblick auf das Mindesthaltbarkeitsdatum bzw. auf dessen Aussagekraft über ein Verbrauchsverfallsdatum sprechen müssen, das den Verbrauchs- oder den Gebrauchszeitraum eines Lebensmittel klar definiert. Wir sind im Moment dabei, uns mit Wissenschaftlern über dieses Thema zu beugen. Dabei geht es etwa um intelligente Verpackungen, beispielsweise die Möglichkeit einer farblichen Kennzeichnung rot, gelb, grün über die Nutzbarkeit und Qualität eines Lebensmittels.
Wir haben in diesem Punkt insgesamt eine ganze Reihe an Maßnahmen und Mitteln am Laufen, und wenn Sie konkret hinschauen, wo diese Lebensmittelverschwendung entsteht, dann kommen Sie ganz schnell zu dem Punkt, dass 5 Prozent der Lebensmittelabfälle in Deutschland durch den Handel verursacht werden. Diese 5 Prozent, die der Handel verursacht, sind im Prinzip auch das, was man letztlich gesetzlich reglementieren könnte vielleicht.
Der Hintergrund ist folgender: 61 Prozent der Lebensmittelabfälle entfallen auf Privathaushalte, 17 Prozent auf Großverbraucher das meint Gastronomie, Catering, Kantinen etc. Wenn Sie ein Gesetz machen wollen, dann müssen Sie immer darauf achten, dass dieses Gesetz auf der einen Seite in der Lage ist, eine Überwachung sicherzustellen, aber auch, wenn nötig, eine Sanktionierung. Wenn Sie jetzt ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung in Auftrag geben und sich die Juristen darüber beugen, um eine juristische Möglichkeit zu finden, wie so etwas aussehen könnte, dann kommen Sie ganz schnell zu dem Punkt, an dem Sie sich angesichts einer solch immensen Zahl der Lebensmittelabfälle gerade in den Privathaushalten fragen müssen, wo Sie überwachen und wo Sie sanktionieren wollen.
Deswegen hat der Minister gesagt: Sein Weg ist, dass wir mit unserer Kampagne aufklären und sensibilisieren und dass wir ein Schulfach Ernährungsbildung brauchen, um auch die Wertschätzung für Lebensmittel wieder stärker in den Vordergrund unserer Gesellschaft zu rücken, sodass der Wert von Lebensmitteln eben nicht nur am Preis an der Supermarktkasse abgelesen wird. Wir haben in dieser Hinsicht im Rahmen unserer Kampagne eine ganze Reihe von Maßnahmen, zum Beispiel die Beste-Reste-Box oder unsere App, die Menschen animiert, mit Resten im Kühlschrank kreativ umzugehen. Wir haben den Bundespreis gegen Lebensmittelverschwendung, der Ende April dieses Jahres zum zweiten Mal auf Initiative von Bundesernährungsminister Schmidt ausgelobt wird, wo sich gerade Start-ups mit dem Thema, wie wir der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken können, und dem Ziel einer Halbierung der angesprochenen 82 Kilogramm pro Kopf und Jahr befassen.
Das ist der Ansatz. Eine gesetzliche Möglichkeit sieht der Bundesminister im Hinblick auf deren Durchsetzbarkeit nicht. Das ist wahrscheinlich das, was Sie mit der wenigen Begeisterung gemeint haben.
ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Sehen Sie denn nur bei den Privathaushalten keine Durchsetzbarkeit? Da würde ich Ihnen vielleicht zustimmen, dass es vielleicht nicht zu interessieren hat, ob bei mir noch ein halber Joghurt herumsteht. Aber wenn es 61 Prozent bei den Privathaushalten sind, reden wir ja immerhin von 39 Prozent, bei denen es um Mengen geht, die sicherlich diskussionswürdiger sind als zwei Eier, die verbraucht werden müssen, oder so etwas. Könnte man da nicht doch heran?
URBAN: Grundsätzlich würde ich mir diese Differenzierung so nicht zuteil machen, denn im Kern kommen wir dann zu Dritteln, die in den Privathaushalten entstehen, und wenn man das immer auf der Basis „Das sind ja nur die zwei Eier bei mir im Kühlschrank, das ist nicht so schlimm wie die Verschwendung bei den anderen“ betrachtet, dann kann ich nur sagen: Das ist nicht der Ansatz des Ministers.
ZUSATZ MÜLLER-THUM: Entschuldigung, es ging mir nicht um ein „nicht so schlimm“. Meine Frage ist: Darüber, dass wir da nicht heran können, wäre ich mit Ihnen sofort einer Meinung, aber vielleicht könnte man ja an die anderen 39 Prozent heran?
URBAN: Ich habe es eingangs ja gesagt: Dann haben wir noch einen Anteil von fast 20 Prozent bei den Großverbrauchern das meint Kantinen, das meint Catering, das meint Gastronomie , und wir sehen unseren Ansatz darin, dass wir zum Beispiel mit der Beste-Reste-Box eine Möglichkeit geben, dass man die nicht aufgegessenen Lebensmittelreste aus dem Restaurant mit nach Hause nehmen kann. Wir hatten dazu als Haus einen Pilotversuch gestartet, und die Boxen waren sofort vergeben. Jetzt haben wir einen großen Großhandelspartner gefunden, der diese Beste-Reste-Boxen für die Gastronomie vertreibt. Darin sehen wir eine Möglichkeit, die Menschen zu animieren. Auch da sind Sie in einem Bereich, wo Sie mit Gesetzen nicht unbedingt weiterkommen. Soll dann jemand im Lokal konkret gucken, ob Sie aufgegessen haben oder nicht, und dann letztendlich eine Strafsteuer oder was auch immer erheben? Das sind also alles Dinge, die nicht zu überwachen und auch nicht zu sanktionieren sind. Deswegen sieht der Minister auch keine Möglichkeit, dieses Problem mit einem Gesetz zu lösen.
Zu den weiteren Verursachergruppen gehört der Bereich der Industrie. Dort besteht ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Reduzierung von Lebensmittelabfällen, und damit ist man in den letzten Jahren auch immens vorangekommen. Des Weiteren gibt es dann noch die angesprochenen 5 Prozent im Handel. Um das noch einmal ganz deutlich zu betonen: Auch im Bereich des Handels ist es uns erfreulicherweise gelungen, erhebliche Reduzierungen zu erreichen, nicht zuletzt auch durch die gemeinsamen Bemühungen mit Slow Food oder mit den Tafeln, bei denen noch verwertbare Lebensmittelreste einer Verwertung zugeführt werden. Das stellt sich erfreulich dar und unterscheidet uns im Übrigen auch deutlich von anderen Ländern. In diesen Kontext wird uns zum Beispiel gesagt: „In Frankreich machen die das doch auch“. Dazu kann ich sagen: In Frankreich gibt es komplett andere Ausgangsbedingungen; da gibt es so ein System wie mit den Tafeln, mit Slow Food usw. nicht in diesem Umfang.
Im Übrigen möchte ich auch darauf verweisen, dass sich nicht zuletzt auch die Tafeln im Februar letzten Jahres eindeutig gegen ein Gesetz ausgesprochen haben und gesagt haben: Wir müssen vielmehr die bestehenden Aktivitäten weiter entwickeln. Das tun wir auch. Der Bundesminister hat jetzt die Bemühungen im Rahmen von „Zu gut für die Tonne“ und im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung in eine nationale Strategie gegen Lebensmittelverschwendung überführt. Das bedeutet, dass wir die bereits bestehenden Aktivitäten beispielsweise in den verschiedenen Bundesländern miteinander verzahnen und so einen Gesamtansatz fahren, um zu sensibilisieren, aufzuklären und damit die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
FRAGE JUNG: Es gibt ja auch die Praxis des Handels, dass unverkaufte Lebensmittel für den Konsum ungeeignet gemacht werden. Planen Sie bei diesem Thema etwas, zum Beispiel ein Verbot dessen?
URBAN: Was konkret meinen Sie da, Herr Jung?
ZUSATZ JUNG: Wenn Lebensmittel weggeschmissen werden, werden die so weggeschmissen, dass Menschen, die solche Lebensmittel vielleicht sammeln, sie nicht mehr verzehren können. Auch in Frankreich gibt es ein Gesetz, das so eine Praxis verbietet.
URBAN: Nach den uns vorliegenden Informationen beispielsweise auch durch die enge Kooperation mit den Tafeln ist es so, dass der Handel ein immenses Eigeninteresse daran hat, die Lebensmittel, die noch verwertbar sind, aber nicht mehr dem Verkauf zugeführt werden, letztendlich auch Menschen zugänglich zu machen, die sich über diese Lebensmittel freuen und einen Bedarf daran haben. Das geschieht über die Tafeln und über Slow Food. Wir informieren darüber auch umfangreich, indem wir durch verschiedene Städte gehen und die Leute dafür sensibilisieren und darüber aufklären, wo Lebensmittelabfälle genutzt werden, um noch verwertbare Mahlzeiten zu erstellen etc. Ich weiß aber nicht, was Sie konkret damit meinen, wenn Sie sagen, dass man ein Lebensmittel so wegwirft, dass es dann nicht mehr nutzbar ist.
DR. PLATE: Ich habe noch eine Nachlieferung hinsichtlich der Dauer von Asylverfahren für Menschen aus der Türkei. Es gibt eine relativ neue Beantwortung einer Kleinen Anfrage, in der die Verfahrensdauern bei wesentlichen Herkunftsländern für das Jahr 2016 aufgelistet sind das ist die Bundestagsdrucksache 18/10930. Konkret für die Türkei kann ich sagen, dass die Verfahrensdauer erheblich über dem Durchschnitt liegt, nämlich auf das Gesamtjahr 2016 bezogen bei gut 16 Monaten. Wenn man sich allein das letzte Quartal anschaut, dann stellt man fest, dass das inzwischen auf etwas über 14 Monate gesunken ist, aber immer noch deutlich über dem Durchschnitt der sonstigen Verfahrensdauern liegt.
FRAGE JESSEN (zur neuen US-Administration): Ich habe noch zwei Fragen an Frau Demmer und vielleicht auch an Herrn Schäfer.
Erstens: Hat die Bundesrepublik es jemals in ihrer Geschichte mit einem wichtigen demokratischen Partnerstaat zu tun gehabt, dessen sämtliche Regierungsmitglieder mit dem Auftrag gewählt wurden, Staatlichkeit zu dekonstruieren, wie heute aus der Zentrale der Regierung zu erfahren war?
Zweitens: Folgt aus diesem Sachverhalt so etwas wie besondere politische Beziehungen zu diesem Partnerland?
SRS’IN DEMMER: Da lasse ich Herrn Schäfer den Vortritt.
DR. SCHÄFER: Ich würde dazu sagen: Es ist nicht das erste Mal, dass eine amerikanische Regierung oder auch andere Regierungen mit dem politischen Ziel „weniger Staat“ oder „weniger Zentralstaat“ angetreten ist. Das finde ich jetzt auch nicht übermäßig überraschend. In den letzten Jahrzehnten hat es, glaube ich, mehrere Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika gegeben, die so angetreten sind. Wir schauen uns jetzt einmal an, wie das weitergeht. Ich glaube, man muss die Worte, die Sie ja selber in Ihrer Frage erwähnt haben, Herr Jessen, jetzt nicht unbedingt auf die Goldwaage legen.
Ich möchte außerdem noch einen Satz zum Thema Auftritte ausländischer Staats- und Regierungschefs in Deutschland sagen. Ich habe zu den „sechs Wochen“ gerade die Agenturmeldungen gesehen und habe auch noch einmal die Kollegen kontaktiert. Wenn ich das richtig sehe, habe ich da gar nichts zurückzunehmen. Ich habe einfach gesagt, dass wir Besuchsabsichten des türkischen Staatspräsidenten für die nächsten sechs Wochen oder bis zum Referendum nicht kennen. Das heißt nicht und das habe ich auch nicht insinuiert , dass das bis dahin nicht noch passieren könnte. Es war mir noch wichtig, das am Ende dieser Pressekonferenz zu sagen. Vielen Dank.