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Bundesregierung für Desinteressierte: Komplette BPK vom 20. März 2017

Lang lebe Jung & Naiv! ► BPK vom 20. März 2017

Themen: Demonstration von Kurden in Frankfurt, türkisches Verfassungsreferendum, Inhaftierung von Deniz Yücel und weiterer deutscher Staatsangehöriger in der Türkei, geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan, britische Regierungswerbung neben extremistischen Videos auf YouTube, Zwei-Prozent-Ziel der NATO, Ausbau der Autobahn A8 in Bayern, Reise der Bundeskanzlerin nach Washington, mögliche Stationierung amerikanischer Truppen in Deutschland

Naive Fragen zu:
Deutsch-türkisches Verhältnis (ab 0:40 min)
– ich weiß nicht, ob der deutsche Botschafter in der Türkei jetzt schon ein eigenes Zimmer im Präsidentenpalast oder im Außenministerium dort hat, aber er wurde ja am Wochenende wieder einbestellt. Können Sie uns sagen, was genau die Türken ihm gesagt haben? Es heißt, dass sie diese Demo auf das Schärfste verurteilt hätten. Was haben Sie denn den Türken erzählt? (ab 7:40 min)
– Was haben Sie denn entgegnet? Haben Sie entgegnet, dass es völlig normal ist, dass die andere Seite damit leben muss, oder haben Sie beschwichtigt? Wie kann man sich das vorstellen?
– wenn etwas inakzeptabel ist und trotzdem passiert, was passiert dann?
– können Sie uns ein Update zu Herrn Yücel geben? Gibt es mittlerweile konsularische Betreuung für ihn und die fünf anderen deutschtürkischen Inhaftierten? (ab 23:30 min)
– Wie kann das sein? Die Zusage von Herrn Yýldýrým an Frau Merkel ist ja nicht erst ein paar Tage alt, sondern fast schon ein paar Wochen, und auch die Zusage von Herrn Gabriels Kollege ist mindestens schon eine Woche alt. Wie kann es sein, dass da nichts passiert? Nimmt die andere Seite den Hörer nicht ab, oder was?
– kommt es für die Kanzlerin infrage, sich diesbezüglich noch einmal einzusetzen und bei ihrem Kollegen, Herrn Yýldýrým, anzurufen und zu fragen, was mit seiner Zusage los ist?

„Zwei-Prozent-Ziel“ der NATO (ab 36:45 min)
– ich habe die Gipfelerklärung von 2014 bei Ihrem NATO-Botschafter gefunden. Unter Punkt 5 heißt es: „Wir wollen uns innerhalb von zehn Jahren auf den bestehenden Richtwert der NATO von Ausgaben von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung zubewegen“. (ab 58:15 min)
– Aber das hatten Sie vorhin auch weggelassen es geht hier um Verteidigung. Es geht hier nicht um Sicherheit.
– Ich verstehe, wenn Herr Trump von der NATO spricht und das Geld einfordert, das so, dass er wie eine Art Schutzgelderpresser wirkt. Ist das auch der Eindruck der Bundesregierung?

US-Armee in Deutschland (ab 1:05:35 min)
– Können Sie bestätigen, dass die US-Streitkräfte die Stationierung von rund 4000 Soldaten in Bergen im Landkreis Celle prüfen? Wissen Sie, welche weiteren Standorte von den Amerikanern gerade in Deutschland geprüft werden?
– die Amerikaner planen, den Stützpunkt Ramstein auszubauen und dort mehr Soldaten zu stationieren. Bis 2019 sollen fast 1000 weitere Soldaten dorthin hinkommen, 15 neue Tankflugzeuge stationiert und ein neuer Hangar gebaut werden. Braucht es dafür eigentlich die Zustimmung bzw. die Erlaubnis der Bundesregierung?
– Frau Demmer, hat die Kanzlerin die US-Drohnenangriffe via Ramstein thematisiert? Wenn ja, was hat sie Herrn Trump dazu gesagt?
– Kurze Lernfrage: Ist es mittel- oder langfristiges Ziel der Bundesregierung, dass die US-Truppen aus Deutschland abziehen? Wenn ja, wann? Wann müssen sie gehen?

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 20. März 2017:

FRAGE SOBOLEWSKI: Herr Dr. Plate, ich würde Sie gerne zur Demonstration von Kurden am Samstag in Frankfurt fragen: Wer definiert denn konkret, welche Zeichen in Deutschland verbotener Parteien oder Organisationen nicht gezeigt werden dürfen? Sind Sie das oder sind das die Behörden vor Ort?

Ganz allgemein: Wie bewertet die Bundesregierung diese Demonstration, bei der offensichtlich verbotene Zeichen gezeigt wurden?

DR. PLATE: Vielen Dank. Ich hole an dieser Stelle vielleicht ein bisschen weiter aus, weil das, glaube ich, notwendig ist, um die Frage so zu beantworten, dass Sie damit etwas anfangen können.

Die PKK ist ja seit 1993 verboten. Verbotsbehörde war damals das Bundesinnenministerium. Das liegt daran, dass das Bundesinnenministerium Verbotsbehörde dann ist, wenn es, vereinfacht gesagt, sozusagen bundesweite Strukturen gibt. So wurde das bei der PKK eingeschätzt. Dieses Verbot hat nach wie vor Bestand, und zwar in allen Inhalten, die damals mit der Verbotsverfügung bekanntgegeben worden sind. Das hat ja auch der Überprüfung durch die Rechtsprechung damals Stand gehalten. Das gilt also fort.

Zusätzlich ist es aber so, dass die Verbotsbehörde in gewissen Abständen immer wieder einmal hinschaut: Benutzt die Organisation, die verboten worden ist oder benutzen Leute, die möglicherweise unter einem anderen Namen, aber trotzdem eigentlich identisch heute diese Organisation mitsamt ihren verbotenen Zielen repräsentieren, heute möglicherweise andere Zeichen, als das zum Beispiel früher der Fall war? Das erstreckt sich auch auf solche Fragen wie: Benutzen die andere Namen, als das früher der Fall war? Man kann jetzt also nicht einfach hingehen, genau das Gleiche machen wie vorher, sich einen anderen Namen geben, und dann ist das irgendwie okay so funktioniert das natürlich nicht. Solche Umgehungsversuche sind also auch verboten.

In diesem Zusammenhang ist es so, dass die Verbotsbehörde dann den Ländern, die für den Vollzug des Verbots zuständig sind, mit einem Rundschreiben mitteilt, was aus Sicht der Verbotsbehörde etwas salopp gesagt nach heutigem Wissenstand eigentlich alles zur PKK dazugehört. Ein solches Rundschreiben an die Behörden hat es, glaube ich, am 2. März gegeben. Darin wurden auch einige Symbole beigefügt, die jedenfalls nach bisherigem Verständnis der Verbotsbehörde und auch der Länder nicht zwingend dazugehörten, bei denen aber die Bundessicherheitsbehörden beobachtet haben, dass die PKK bzw. Leute, die jetzt der PKK zuzurechnen sind, zunehmend diese Symbole auch als ihre Symbole benutzen. Das ist aber kein neues Verbot, das sind keine neuen verbotenen Symbole oder so, sondern das ist so eine Art Auslegungshilfe für die Länder, die eben für den Vollzug des Verbotes zuständig sind, um sie in die Lage zu versetzen, das Verbot so zu vollziehen, wie das jedenfalls aus Sicht der Verbotsbehörde erforderlich wäre. Da das aber kein neues Verbot ist das sehen Sie auch, ein solches Rundschreiben ist nicht wie ein Verwaltungsakt oder wie eine neue Verbotsverfügung ausgestaltet , kann das auch keine wie auch immer geartete Rechtskraft haben. Das ist vielmehr eine Art Auslegungshilfe an die Verbotsbehörden in den Ländern, und es ist daher auch nicht zwingend, dass die Länder in ihren Bemühungen um den Vollzug des Verbotes alle ganz genau den gleichen Stand nutzen. Die bilden sich durchaus ihre eigenen Überzeugungen mit ihren eigenen Sicherheitsbehörden aufgrund des Gepräges, das die Aktivitäten der verbotenen Organisation aus ihrer Sicht in ihrem Bundesland haben.

Das beantwortet, glaube ich, auch schon die Frage, wer für den Vollzug des PKK-Verbots mit Blick auf die Demonstration, die am Wochenende in Frankfurt am Main stattgefunden hat, zuständig ist: Das ist dann sozusagen das Land Hessen. Die Maßnahmen, die die Behörden in diesem Land in ihrer eigenen Zuständigkeit getroffen haben, bewertet das Bundesinnenministerium natürlich nicht, weil es in der Zuständigkeit des Landes Hessen liegt, wie die das genau dort gehandhabt haben.

ZUSATZFRAGE SOBOLEWSKI: Die Türkei wirft der Bundesregierung Doppelzüngigkeit vor, nach dem Motto, türkische Politiker dürften hier nicht sprechen, aber es würden Organisationen von als terroristisch eingestuften Organisationen abgehalten. Trifft Sie dieser Vorwurf, Frau Demmer, oder weisen Sie den zurück?

SRS’IN DEMMER: Falls Rechtsverstöße begangen wurden, obliegt die Strafverfolgung den zuständigen Behörden.

DR. PLATE: Ich möchte vielleicht noch einen Satz ergänzen: In Deutschland herrscht ja Versammlungsfreiheit, und das bedeutet, dass eine Versammlung grundsätzlich immer abgehalten werden kann, wenn nicht sozusagen eine sehr hohe rechtliche Hürde erreicht ist. Es gibt ja verschiedene Instrumentarien. Wenn ein verbotenes Zeichen einer Organisation auf einer Versammlung gezeigt wird, muss auch dann die Versammlungsbehörde sozusagen abwägen: Führt das dazu, dass das jetzt weggenommen wird und dann muss die Versammlungsbehörde natürlich auch überlegen: Ist es in einer Gesamtabwägung mit Blick auf die Sicherheit besser, das wegzunehmen und möglicherweise dadurch zu einer Situation beizutragen, die noch viel schwerere Rechtsverstöße nach sich zieht? , oder ist ein geeigneteres Instrument zum Beispiel, das nicht wegzunehmen, sich das aber genau zu merken, die Person vielleicht zu fotografieren und eine Strafverfolgung anzustrengen?

Es ist also nicht so, dass, nur weil man ein Zeichen vielleicht nicht weggenommen hat, auch schon feststeht, dass da nichts passiert wenn ich das so erklären darf. So ist eben die Situation in Deutschland aufgrund des hohen Wertes, den die Versammlungsfreiheit in unserer Verfassungsordnung hat. Wie das jetzt in jedem Einzelfall durch die Hessen gehandhabt worden ist, werde ich nach wie vor nicht kommentieren; aber ich glaube, es ist schon wichtig, diese Erklärung zu haben, um einschätzen zu können, wie vielleicht die Vorwürfe zu beurteilen sind, die da offenbar gegenüber deutschen Stellen erhoben worden sind.

FRAGE STAHL: Ebenfalls im Zusammenhang mit Symbolen, aber eher denen zweier syrisch-kurdischer Organisationen, und zwar mit dem Kürzel PYD und YPG: Warum sind die Symbole dieser beiden Organisationen verboten, obwohl beide Gruppierungen in Deutschland nicht verboten sind?

DR. PLATE: Vielleicht nur in Kürze: Dass sie verboten sind, stimmt so apodiktisch nicht, insbesondere nicht nach den Erläuterungen, die ich gerade, glaube ich, ausführlich gegeben habe. In der Tat stehen Symbole dieser beiden Organisationen auch auf der Liste, die dem Rundschreiben des BMI vom 2. März beigefügt ist. Das bedeutet nach dem, was ich gerade erzählt habe ich will es noch einmal kurz auf diesen konkreten Fall herunterbrechen , dass diese Symbole von der Verbotsbehörde BMI nach Betrachtung der heutigen Praxis der PKK als PKK-Symbole gesehen werden, weil sie von der PKK als eigene verwendet werden. Das, denke ich, sollte als Erklärung vielleicht genügen.

FRAGE JUNG: Herr Schäfer, ich weiß nicht, ob der deutsche Botschafter in der Türkei jetzt schon ein eigenes Zimmer im Präsidentenpalast oder im Außenministerium dort hat, aber er wurde ja am Wochenende wieder einbestellt. Können Sie uns sagen, was genau die Türken ihm gesagt haben? Es heißt, dass sie diese Demo auf das Schärfste verurteilt hätten. Was haben Sie denn den Türken erzählt?

DR. SCHÄFER: Für das, was am Wochenende geschehen ist, braucht er kein Zimmer im türkischen Außenministerium und auch nicht im Palast des türkischen Präsidenten, sondern ein Telefon, denn es war gar keine Einbestellung ich weiß gar nicht, wo Sie das her haben.

ZUSATZ JUNG: Von meinen Kollegen.

DR. SCHÄFER: Wenn Sie die deutschen Medien aufmerksam verfolgt hätten, hätten Sie wahrgenommen, dass das Auswärtige Amt gestern, am Sonntag, hat wissen lassen, dass es einen telefonischen Kontakt gegeben hat, und zwar genau in der Sache, über die wir jetzt gerade reden, denn aus Anlass der Frankfurter Kurden-Demonstration hatte das türkische Außenministerium, die türkische Regierung, das Bedürfnis, mit dem deutschen Botschafter zu sprechen. Ich denke, Sie können sich denken, wie deren Argumentation gewesen ist; die ist ja eben auch schon in der einen oder anderen Frage an uns hier durchgeschienen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was haben Sie denn entgegnet? Haben Sie entgegnet, dass es völlig normal ist, dass die andere Seite damit leben muss, oder haben Sie beschwichtigt? Wie kann man sich das vorstellen?

DR. SCHÄFER: Ich denke, die Antwort des deutschen Botschafters die ich jetzt im Detail nicht parat habe, weil ich bei dem Gespräch nicht dabei war wird ähnlich ausgefallen sein wie die Antworten, die Sie gerade von dieser Bank bekommen haben: Deutschland ist ein Rechtsstaat, und die Verwendungen der einschlägigen Zeichen und Symbole sind Straftaten; deshalb werden sie als solche verfolgt, das gehört sich in einem Rechtsstaat so. Ansonsten haben wir die Entscheidungen der hessischen Behörden nicht zu kommentieren und ich auch nicht.

FRAGE JESSEN: Ich habe eine Frage zur Zulassung von türkischen Wahlhandlungen auf deutschem Boden: Herr Dr. Schäfer, die ersten türkischen Stimmabgaben auf deutschem Boden haben meines Wissens bei der Präsidentschaftswahl 2014 stattgefunden jedenfalls wurde das in der Presse so gesagt. Es hat aber auch eine Parlamentswahl im Jahr 2011 gegeben, bei der Auslandstürken die Stimmabgabe im Ausland ebenfalls schon gestattet war. Können Sie sagen, dass man aus der Tatsache, dass damals offenbar weder Wahlkampf noch Stimmabgabe in Deutschland stattgefunden hat, schließen kann, dass entweder die Türkei entsprechende Anträge nicht gestellt hat oder dass ein Antrag gestellt wurde, aber abschlägig beschieden wurde? Falls Letzteres zutrifft: Mit welcher Begründung wurde das abschlägig beschieden?

DR. SCHÄFER: Ich bin nicht in der Lage, das rechtsgeschichtlich aufzuarbeiten, das habe ich nicht parat. Die Kollegen im Auswärtigen Amt können das aber ganz sicherlich, weil wir darüber sicherlich Akten vorliegen haben. Erlauben Sie mir daher, Herr Jessen, dass ich darauf nicht jetzt antworte, sondern Ihnen eine Antwort entweder nachreiche oder übermorgen gebe. Ist das okay?

ZUSATZ JESSEN: Danke sehr.

FRAGE DREBES: An Frau Demmer und vielleicht auch an Herrn Schäfer: Gestern gab es ja wieder Äußerungen von Herrn Erdoðan, und diesmal hat er der Kanzlerin persönlich Nazimethoden vorgeworfen. Bewerten Sie das als eine neue Qualität der Äußerungen, und wie entgegnen Sie dem? Gibt es vielleicht Überlegungen zu Sanktionen, die man ergreifen möchte?

SRS’IN DEMMER: Die Bundesregierung beobachtet das sehr aufmerksam. Es bleibt dabei: Nazivergleiche sind inakzeptabel, egal in welcher Form.

DR. SCHÄFER: Die Äußerungen des deutschen Außenministers zu dieser Art von Aussagen können Sie gerade aktualisiert im aktuellen „SPIEGEL“ und auch in einem Interview mit mehreren deutschen Regionalzeitungen von heute nachlesen. Ich kann das gerne wiedergeben, wenn Sie es möchten, aber ich glaube, das würde unser Zeitbudget über Gewähr beeinträchtigen. Wenn Sie es möchten, lese ich das aber gerne vor, weil ich es natürlich dabei habe.

ZUSATZ DREBES: Nicht nötig, danke.

FRAGE JUNG: Frau Demmer, wenn etwas inakzeptabel ist und trotzdem passiert, was passiert dann?

SRS’IN DEMMER: Die Bundesregierung beobachtet das aufmerksam.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das war es?

FRAGE WONKA: Frau Demmer, was verspricht sich die Bundesregierung denn von einer weiteren Beobachtung immer neuer immer schärferer Vorwürfe, bis hin zu Gaskammern und einem direkten Nazibezug bei Frau Merkel? Wenn ich mich richtig erinnere, sind die Erwägungen bis hin zu einem Einreiseverbot oder die Zusage zur Abgabe von Wahlstimmen in Deutschland ja unter einem gewissen Vorbehalt gestellt worden. Wann prüft die Bundesregierung denn, ob dieser Vorbehalt erreicht ist, oder prüft sie einfach nur, wie oft jetzt die gleichen Vorwürfe erhoben werden?

SRS’IN DEMMER: Grundsätzlich ist Ihre Einschätzung zutreffend: Kanzleramtsminister Altmaier hat gesagt, es gibt keinen Freibrief, keine Freikarte für die Zukunft. Aber grundsätzlich gilt auch das, was ich hier eben schon gesagt habe: Wir beobachten das, und Nazivergleiche egal, in welcher Form sind inakzeptabel.

DR. SCHÄFER: Wo Sie gerade so schön nachfragen, Herr Wonka, versuche ich vielleicht einmal, Ihnen die Position der deutschen Außenpolitik oder des deutschen Außenministers in zwei Sätzen zu erläutern. Sie fragen mit allem Recht der Welt und das kritisiere ich überhaupt nicht nach innenpolitischen Folgen dessen, was da aus der Türkei Tag für Tag zu uns herüberhallt. Die Antwort auf die Frage, wie wir das einschätzen, wie wir das beurteilen, haben Sie von uns schon mit zahlreichen Adjektiven heute, gestern und in den vergangenen Wochen bekommen.

Wir müssen aber, glaube ich und das ist ja gerade die Aufgabe der Außenpolitik , auch immer wieder abwägen zwischen innenpolitischen Zwängen und außenpolitischen Notwendigkeiten. Der Außenminister hat diesen Abwägungsprozess in seinem „SPIEGEL“-Interview sozusagen öffentlich zum Ausdruck gebracht. Auf der einen Seite müssen wir auch am Tag nach dem Verfassungsreferendum noch mit den Türken sprechen können und wir wollen auch weiter mit ihnen sprechen. Wir haben gemeinsame Interessen mit der Türkei, nicht zuletzt im Kampf gegen ISIS, wo auch immer das haben wir schon ganz häufig gesagt.

Ein weiteres Element der Abwägung ist doch, dass man sich der Frage zuwendet: Wem nutzt das eigentlich, wem nutzt es wirklich, wenn wir mit gleicher Münze heimzahlen und in der gleichen Sprache antworten, wie das der türkische Präsident tut? Meine Antwort darauf wäre, Herr Wonka: Es nützt im Wesentlichen dem türkischen Präsidenten, der versucht ich würde fast sagen: mit allem, was er hat, mit Drohungen, mit Beleidigungen und anderem mehr , das Verfassungsreferendum vom 16. April mit einer Mehrheit der türkischen Staatsangehörigen in der Türkei und dann auch unter Beteiligung Deutscher durchzubekommen.

Unser Eindruck ist durchaus: Je mehr wir da sozusagen mit aller Heftigkeit zurückschlagen, umso mehr gehen wir dieser Taktik der türkischen Regierung, der türkischen Regierungspartei und des türkischen Präsidenten, irgendwie auf den Leim. Deshalb können wir immer nur um Verständnis dafür werben, dass wir uns in der Weise einlassen, wie wir das tun. Herr Gabriel hat das in seinem ersten Satz im „SPIEGEL“-Interview ganz spannend formuliert, wie ich finde. Er hat gesagt:

„Wer mich beleidigen kann, den suche ich mir immer noch selbst aus. Ich gebe nicht jedem die Ehre, das zu tun. Was da in den letzten Wochen gesagt wurde, ist so abenteuerlich und absurd, dass es schwerfällt, überhaupt noch hinzuhören.“

Deshalb noch einmal: Ich kann Sie verstehen, ich kann auch Ihre Kolleginnen und Kollegen und verstehen und ich kann ganz bestimmt auch die Menschen da draußen im Land verstehen, die sich darüber ärgern, was Herr Erdoðan da so sagt. Ich hoffe aber, dass wir Ihnen oder vielleicht auch bei anderen Verständnis dafür gewinnen, dass wir aus den Gründen, die ich gerade darzustellen versucht habe ganz bewusst eben nicht mit gleicher Münze heimzahlen. Wir sind ein starkes, demokratisches, rechtsstaatliches Land, wir halten das aus, wenn auch an uns in dieser Weise Kritik geübt wird. Wir sind aber nicht wehrlos und wir sind auch nicht doof und wir sind auch nicht naiv. Wenn der Bogen überspannt ist, Herr Wonka, dann ist der Bogen überspannt, und dann wird es auch Reaktionen der Bundesregierung darauf geben.

SRS’IN DEMMER: Vielleicht darf ich noch ergänzen: Aus Sicht der Bundesregierung hat die türkische Regierung es natürlich in der Hand, ihre Rhetorik zu mäßigen und damit eine weitere nachhaltige Beschädigung der Beziehungen abzuwenden.

ZUSATZFRAGE WONKA: Nur um sicherzugehen, wenn ich nach einem gewissen Automatismus der Reaktion frage: Sehe ich das richtig, dass es in Bezug auf das Gesamtverhältnis Türkei-Europa derzeit eigentlich nur einen Automatismus gibt, nämlich den, dass es automatisch einen endgültigen Abbruch der Verhandlungen über die EU-Aufnahme gäbe, wenn Herr Erdoðan dafür sorgen würde, dass die Todesstrafe in der Türkei verankert wird? Alles andere ist also Auslegungs-, Interpretations- und Abwägungssache?

DR. SCHÄFER: Zur Todesstrafe in der Türkei haben wir hier schon ganz häufig gesprochen, Herr Wonka. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie recht haben. Es gibt in den vom türkischen Präsidenten geplanten Verfassungsänderungen keinen Bezug zur Todesstrafe. Das kann noch kommen, das hören wir immer wieder; der türkische Präsident hat in den letzten Tagen ja auch wieder gesagt, dass er sich gegen das Votum des Volkes nicht zur Wehr setzen werde und ein entsprechendes Gesetz zu unterzeichnen gedenke. Von dieser Bank aus und auch von Vertretern der Bundesregierung ist immer wieder gesagt worden, dass die Todesstrafe mit den Kopenhagener Kriterien das sind die Kriterien, die für die Aufnahme eines Beitrittskandidaten erfüllt sein müssen sicherlich nicht im Einklang steht.

Selbst das würde aber natürlich keinen Automatismus auslösen, sondern einen Abwägungsprozess nicht nur in der Bundesregierung, sondern auch mit unseren europäischen Partnern; denn der Abbruch von Beitrittsverhandlungen mit einem Beitrittskandidaten erfolgt ja nicht einfach nur so, sondern dafür gibt es klare Regeln. Wenn ich richtig informiert bin, braucht es dafür einen Beschluss des Rates der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheit. Deshalb muss das beraten werden; Automatismen kann ich da jetzt nicht erkennen. Politische Automatismen liegen auf der Hand, Herr Wonka einfach weil die Todesstrafe nach unserer Einschätzung so weit weg ist von europäischen Werten und Standards, dass das die mögliche Folge sein könnte.

FRAGE: Die Frage des Kollegen nach möglichen Sanktionen war noch nicht beantwortet worden. Erwägt die Bundesregierung mögliche Sanktionen gegen die Türkei?

DR. SCHÄFER: Ich kenne keine solchen Planungen. Sie meinen Sanktionen wegen rhetorischer Ausfälle des türkischen Präsidenten?

ZUSATZ: Genau. Es gab ja auch den Vorschlag, eine Reisewarnung seitens des Auswärtigen Amtes auszusprechen.

DR. SCHÄFER: Ja, aber ich versuche hier seit Wochen eigentlich, dafür zu werben, dass wir das nicht so machen, wie andere das machen, dass wir nicht asymmetrisch reagieren. Dass wir eine Reisewarnung aussprechen, weil der türkische Präsident irgendetwas gesagt hat, scheint mir die falsche Reaktion zu sein. Wir sprechen eine Reisewarnung in die Türkei dann aus, wenn wir der Überzeugung sind nicht wegen dem, was der Präsident sagt, sondern wegen der Lage im Land , dass es bestimmte Risiken und Gefährdungen für deutsche Staatsangehörige gibt, die es angezeigt sein lassen, sie davor zu warnen, in ein bestimmtes Land zu reisen. Wir sprechen Reisewarnungen nicht deshalb aus, weil der türkische Präsident irgendetwas gesagt hat sozusagen als Wurst wider Wurst.

Das ist, glaube ich, der völlig falsche Ansatz, und da missverstehen Sie auch total die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes. Auch da werde ich nicht müde dafür rede ich mir zur Not den Mund fusselig , Ihnen zu sagen: Die Reise- und Sicherheitshinweise sind kein politisches Instrument, sondern sie sind ein Instrument der Information für deutsche Staatsangehörige, die sich mit Blick auf jedes Land der Erde tagtäglich informieren können, mit welchen Risiken Reisen in ein solches Land verbunden sind. Die Reise- und Sicherheitshinweise sind sicherlich kein Sanktionsinstrument, das möchte ich ganz ausdrücklich sagen. Es wäre aus meiner Sicht geradezu ein Missbrauch von Reisehinweisen, wenn man Reisewarnungen als eine politische Reaktion auf irgendetwas, was uns nicht gefällt, konstruieren würde.

Das gilt aus meiner Sicht weiterhin auch für den Umgang mit Ýncirlik. Wenn man das möchte und glaubt, damit die Türkei zu bestrafen zu wollen oder zu können, kann man sich selber bestrafen, indem man sich aus dem legitimen, vernünftigen und richtigen Kampf gegen den „Islamischen Staat“ herausnimmt; das scheint mir aber verfehlt zu sein.

FRAGE SOBOLEWSKI: An Herrn Dr. Schäfer und vielleicht auch Herrn Plate noch einmal zu den konkreten Sachen, die in der Türkei gesagt werden, und auch den persönlichen Angriffen auf die Bundeskanzlerin: Wäre es strafbar, wenn ein türkisches Regierungsmitglied oder gar der türkische Präsident solche Äußerungen in Deutschland tätigen würde? Wenn es denn so ist: Hätte diese Erkenntnis Auswirkungen auf die Genehmigung solcher Politikerreden in Deutschland?

DR. PLATE: Weder das BMI, noch das AA da möchte ich aber nicht vorgreifen und auch nicht das BMJV, an das Sie vielleicht noch denken könnten, sind Strafgerichte, wie Sie wissen. Deswegen werden wir, ehrlich gesagt, solche abstrakten strafrechtlichen Beurteilungen, wie Sie sie von uns verlangen, hier nicht vornehmen ich jedenfalls nicht.

DR. SCHÄFER: Im Zuge der Diskussionen um die Verbalnote letzte Woche haben wir über dieses Thema sehr häufig gesprochen. Ich habe auf Nachfrage gesagt, dass ich davon ausgehe, dass ein türkischer Staatspräsident auf Reisen in Deutschland nach den Regeln des völkerrechtlichen Gesandtschaftsrechtes diplomatische Privilegien und Immunitäten genießt. Das heißt, dass er wegen einer möglicherweise begangenen Straftat nicht von den zuständigen deutschen Behörden verfolgt werden könnte. Das heißt aber nicht, dass er theoretisch nicht auch eine solche Straftat begehen könnte da reden wir jetzt aber wirklich sehr hypothetisch , und da sind wir vielleicht wieder bei dem schönen § 90 a des Strafgesetzbuches, über den wir in der letzten Woche ja bereits ausführlich gesprochen haben. Nur damit das klar ist: Für Persönlichkeiten Diplomaten, Abgeordnete, Minister, Angehörige ausländischer Regierungen gelten unter Umständen diplomatische Immunitäten und Privilegien, die sie von den Rechtsfolgen der deutschen Rechtsordnung ausnehmen. Sie nehmen sie ausdrücklich nicht aus von dem Gebot, deutsches Recht und Gesetz in umfassender Weise zu beachten. Das ist einer der wesentlichen Grundsätze des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen.

FRAGE JUNG: Herr Schäfer, können Sie uns ein Update zu Herrn Yücel geben? Gibt es mittlerweile konsularische Betreuung für ihn und die fünf anderen deutschtürkischen Inhaftierten?

DR. SCHÄFER: Ich würde Ihnen gerne ein Update geben; ich wäre froh, wenn ich in der Lage wäre, Ihnen zu sagen, dass die türkische Regierung hier jetzt Wort hält und das, was uns vom Ministerpräsidenten zugesagt worden ist, auch tatsächlich umsetzt. Ich kann das nicht, weil es uns bis zum heutigen Tag nicht möglich ist, Herrn Yücel und andere deutschtürkische Staatsangehörige in türkischer Untersuchungshaft konsularisch zu betreuen. Das ist sehr bedauerlich, das ist auch bitter, und es ist enttäuschend aber es ist so.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie kann das sein? Die Zusage von Herrn Yýldýrým an Frau Merkel ist ja nicht erst ein paar Tage alt, sondern fast schon ein paar Wochen, und auch die Zusage von Herrn Gabriels Kollege ist mindestens schon eine Woche alt. Wie kann es sein, dass da nichts passiert? Nimmt die andere Seite den Hörer nicht ab, oder was?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, vom Miteinanderreden wird das in diesem Fall nicht notwendigerweise besser. Die Zusage des türkischen Kollegen von Herrn Gabriel war ja, die Frage an diejenigen, die die Entscheidung zu fällen haben, weiterzureichen. Ich vermute

ZUSATZFRAGE JUNG. Die Entscheidung ist doch schon gefallen. Das haben Sie doch gesagt, oder nicht?

DR. SCHÄFER: Nein, es ist uns zugesagt worden, dass sie fällt. Ich weiß nicht, ob sie schon gefallen ist. Da wissen Sie vielleicht mehr als ich ich weiß das nicht. Ich vermute, dass sie nicht gefallen ist, und ich vermute, dass sie nicht im türkischen Außenministerium liegt, sondern vielleicht bei denjenigen, die für die türkische Justiz Verantwortung tragen vielleicht beim Justizminister.

ZUSATZFRAGE JUNG: Frau Demmer, kommt es für die Kanzlerin infrage, sich diesbezüglich noch einmal einzusetzen und bei ihrem Kollegen, Herrn Yýldýrým, anzurufen und zu fragen, was mit seiner Zusage los ist?

SRS’IN DEMMER: Klar ist, dass die Bundesregierung nach wie vor erwartet, dass die Türkei dem deutschen Journalisten ein faires und rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet, das das hohe Gut der Pressefreiheit voll berücksichtigt. Die Tatsache, dass das bislang immer noch nicht zu erkennen ist, sorgt für eine deutliche Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses, das möchte ich hier ganz ausdrücklich sagen. Sie wissen, welche Sorgen es um den Zustand der Türkei, des türkischen Rechtsstaates und der Unabhängigkeit der Justiz und der Pressefreiheit in der Türkei gerade gibt.

Gerade vor diesem Hintergrund möchte ich unsere Erwartungen an die Türkei noch einmal ganz klar formulieren: Wir erwarten, dass die Türkei für alle Inhaftierten rechtsstaatliche und faire Verfahren garantiert, die auch den zentralen Aspekt der Pressefreiheit angemessen berücksichtigen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage war ja, ob sich die Kanzlerin noch einmal persönlich bei ihrem Kollegen engagieren wird.

SRS’IN DEMMER: Ich habe, glaube ich, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es ein großes Interesse der Bundesregierung daran gibt, dass die Türkei dem Inhaftierten Yücel ein faires Verfahren ermöglicht.

FRAGE JESSEN: Der sogenannte Erfinder des Türkei-Abkommens, Herr Knaus, hat heute Morgen in einer Interviewsituation gesagt, es sei eigentlich ein Unding, dass er als Wissenschaftler jetzt dastehen müsse und Auskunft geben müsse, wie man das Abkommen tatsächlich effizient umsetzen kann. Er sagte, eigentlich bräuchte es sehr dringend auf EU-Ebene einen Sonderbeauftragten für diese Thematik, für diese schwierige Aufgabe, im Rang eines ehemaligen Außenministers oder so. Herr Dr. Schäfer, würde sich die Bundesregierung, das Auswärtige Amt, für die Einrichtung eines solchen hochrangigen Sondervermittlers oder -kommissars wie auch immer einsetzen?

DR. SCHÄFER: Ich kenne ein solches Interview nicht, deshalb kenne ich auch die Begründung für diesen Vorschlag nicht. Mein Eindruck ist, dass entgegen dem, was viele im öffentlichen Raum sagen und vielleicht auch denken, das Abkommen zwischen der EU und der Türkei in seinen wesentlichen Teilen ganz gut funktioniert und die erwarteten und auch politisch gewünschten Ergebnisse zeitigt, und dass es deshalb weder von türkischer noch von europäischer Seite irgendeinen Anlass gibt, die Dinge grundlegend zu verändern. Dass wir ein Interesse daran haben, dass jeder Teil der Vereinbarungen umgesetzt wird, können Sie uns glauben, weil die Europäische Union das auch in unserem Namen so ausgehandelt hat. An den Punkten, an denen das noch nicht geschehen ist, arbeiten wir daran. Aber in seinem Kern, in seinen wesentlichen Gegenseitigkeitsverpflichtungen, funktioniert das Abkommen entgegen all dem, was ich lese und höre und man im Übrigen auch aus der Türkei immer wieder gesagt bekommt.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Das war ein Live-Interview heute im Morgenmagazin, das ist Ihnen also auch zugänglich. Herr Knaus, der in der Materie vermutlich sachkundig ist, hat da einen völlig anderen Eindruck geschildert. Er bezog sich im Wesentlichen auf die Situation in den Lagern auf den griechischen Inseln. Ich weiß nicht, ob er das Wort katastrophal benutzt hat, aber er sagte, dass an dieser Stelle das Abkommen schlicht und einfach nicht funktionieren würde.

DR. SCHÄFER: Ich schaue das ARD-Morgenmagazin mit größtem Vergnügen, Herr Jessen, aber nicht immer, und auch heute nicht,

ZUSATZ JESSEN: Dafür gibt es ja Wiederholungen.

DR. SCHÄFER: deshalb bitte ich nur um Verständnis dafür. Das kann man sich natürlich noch anschauen.

Die Situation in den griechischen Lagern ist in erster Linie eine Verantwortung der griechischen Regierung, und es ist in der Verantwortung der griechischen Regierung, da für anständige, menschenwürdige Verhältnisse zu sorgen. Darüber hinaus gibt es Vereinbarungen unter unserer Beteiligung und auch unter Beteiligung der griechischen Regierung, die den Griechen helfen sollen, mit einer schwierigen Lage als Auffangbecken für zahlreiche Flüchtlinge umzugehen. Auch bilateral haben wir da in den vergangenen Jahren eine ganze Menge getan. Wir haben den Griechen etwa EURODAC-Geräte für die Registrierung der Flüchtlinge geschenkt und übergeben. Vieles andere geschieht auf europäischer Ebene. Das alles ist nicht perfekt, das alles kann ich aber nicht als den Kern der Flüchtlingsvereinbarungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union erkennen.

SRS’IN DEMMER: Wenn ich das ergänzen darf: Die Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens hat ja zunächst auch dazu geführt, dass die Zahl der Neuankünfte in Griechenland deutlich zurückgegangen ist. Natürlich erwartet die Bundesregierung eine verbesserte Umsetzung des Eins-zu-eins-Mechanismus durch Griechenland. Dazu gehören natürlich funktionierende Hotspots, ausreichende Unterbringungskapazitäten, schnellere Bearbeitung der Asylanträge und zügigere Rückführungen. Klar ist aber auch, dass alle Mitgliedstaaten Griechenland unterstützen müssen, und es ist ein Gebot der Solidarität, in Europa faire Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten zu leisten und zu gewährleisten.

DR. SCHÄFER: Die vorläufige Antwort, Herr Jessen, aus der zuständigen Arbeitseinheit unserer politischen Abteilung, die sich wirklich mit der Türkei auskennt, auf Ihre Frage, warum Auslandstürken im Jahr 2011 bei den in dem Jahr stattgefunden habenden Parlamentswahlen auch solche, die in Deutschland lebten nicht teilnehmen konnten, ist nicht etwa die, dass wir das verboten hätten, sondern die, dass die Türken keinen Antrag gestellt hatten, und zwar deshalb, weil das damalige türkische Wahlgesetz eine Wahlbeteiligung von Türken im Ausland nicht vorsah.

ZUSATZ JESSEN: Das ist aber ein anderer Passus des Wahlgesetzes als der, der jetzt gelegentlich zitiert wird, nach dem jegliche Art von Wahlkampf und Wahlkampfauftritten im Ausland laut dem Wahlgesetz verboten ist.

DR. SCHÄFER: Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ging es Ihnen um die Möglichkeit für in Deutschland lebende türkische Staatsangehörige, an den Wahlen teilzunehmen. Das war meine Antwort darauf.

FRAGE KREUTZFELDT: Ich habe eine Frage an Herrn Audretsch und vielleicht auch an Frau Demmer. Die Bundeskanzlerin spricht derzeit mit Herrn Abe unter anderem über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan. Als ich einmal nachschauen wollte, was da eigentlich so drinsteht, stellte ich fest, dass die Dokumente wie auch in der Vergangenheit alle nicht öffentlich zugänglich sind, obwohl ich noch im Ohr habe, dass es, wie es bei CETA hieß, solche Geheimverhandlungen in Zukunft nicht mehr geben dürfe und die Bundesregierung darauf drängen würde, dass Verhandlungsdokumente in Zukunft zum frühestmöglichen Zeitpunkt öffentlich gemacht werden. Ich wollte einmal hören, was aus diesem Versprechen geworden ist.

DR. AUDRETSCH: Natürlich sind wir, wie es in der Vergangenheit auch der Fall war, in jeder Verhandlung, die geführt wird, immer darauf bedacht, dass möglichst hohe Transparenz hergestellt wird. Das gilt für Verhandlungen egal mit welchem Land.

Gleichzeitig ist es natürlich auch so, dass die Zuständigkeit für Handelsfragen bei der EU-Kommission angesiedelt ist. Konkrete Fragen nach der Umsetzung innerhalb der Verhandlungen im Einzelnen und danach, welche Dokumente die EU-Kommission zu welchem Zeitpunkt zur Verfügung stellt an dieser Stelle kommt ja dann auch immer die Frage des Counterparts hinzu; das hatten wir ja bei der Frage nach TTIP in Bezug auf die USA immer wieder , müssten Sie an die EU-Kommission stellen.

Ein Hinweis das wird Ihnen wahrscheinlich nicht ausreichen, aber ich sage das, weil die Frage generell mit Handel und Transparenz zu tun hat vielleicht noch: Es gibt eine Seite der EU-Kommission den Link können wir gerne auch noch einmal verschicken , auf der ein stetig aktualisierter Überblick über alle verschiedenen Handelsabkommen, die sich derzeit in der Verhandlung befinden, immer wieder zur Verfügung gestellt wird. Weiteres dazu kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Wie gesagt: Die Detailumsetzung wäre auch eine Frage, die die Kommission beantworten müsste.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Können Sie denn ein bisschen zu den bereits feststehenden Inhalten sagen? Die Bundesregierung hat ja im Gegensatz zur Öffentlichkeit, glaube ich, Einblick in die Dokumente. Sie hatten damals angekündigt, CETA sei die Blaupause, und hinter die dort erreichten Standards würde man bei zukünftigen Abkommen nicht mehr zurückgehen. Können Sie etwas dazu sagen, ob das im Falle Japans gelingt, zum Beispiel im Hinblick auf die Investitionsgerichte und im Hinblick auf die Freiwilligkeit der regulatorischen Kooperation?

DR. AUDRETSCH: Ich kann Ihnen dazu im Moment keine Einzelheiten und Details nennen. Ich kann gerne noch einmal prüfen, ob wir Ihnen noch ein paar Punkte zu den Verhandlungen mit Japan schriftlich nachreichen können.

Generell gilt natürlich, dass die hohen Standards, die wir in dem CETA-Abkommen verankern konnten, auch die Grundlage für alle weiteren Verhandlungen sind und dass sich die Bundesregierung stets dafür einsetzt, dass wir mit hohen Standards auch das Ziel verfolgen, die Globalisierung zu gestalten. Das gilt selbstverständlich auch für die Verhandlungen, die mit Japan geführt werden.

FRAGE WAGSTYL: Es geht um Werbung, die die Regierung und regierungsnahe Firmen auf Google und YouTube stellt. In Großbritannien wurde solche Regierungswerbung neben extremistischen Videos auf YouTube dargestellt. Die britische Regierung hat solche Werbung storniert und prüft die Lage in Gesprächen mit Google und YouTube. Ich möchte fragen, ob die Regierung hier eine solche Erfahrung gemacht hat. Wenn ja, was ist geschehen? Gibt es dazu Gespräche zwischen der Regierung, regierungsnahen Firmen und Google oder YouTube?

SRS’IN DEMMER: Ich kann Ihnen dazu im Moment nichts sagen. Das müsste ich nachreichen.

ZUSATZFRAGE WAGSYTL: Wirtschaftsministerium?

DR. AUDRETSCH: Das müsste ich auch nachreichen. Dazu habe ich im Moment keine Informationen vorliegen.

FRAGE FRIED: Herr Schäfer, nachdem Sie vorhin schon gesagt haben, dass Sie so gerne das „Morgenmagazin“ schauen, würde ich gerne an ihre Fernsehgewohnheiten anknüpfen und fragen, ob Sie sich gestern vielleicht nicht qua Amt, sondern als interessierter Staatsbürger auch die Rede des geschiedenen SPD-Vorsitzenden auf dem Parteitag angehört haben, in der Sigmar Gabriel gesagt hat, dass das Zwei-Prozent-Ziel der NATO eigentlich gar nicht existiere, und ob Sie mir das erklären können.

Herr Flosdorff, Ihre Ministerin hat gestern auch ein Statement zu den Vorhaltungen oder Wünschen von Herrn Trump bezüglich der Verteidigungsausgaben herausgegeben, in dem es heißt, dass dafür auch ein neuer Sicherheitsbegriff notwendig sei. Könnten Sie etwas ausführen, was Frau von der Leyen damit meint?

DR. SCHÄFER: 2014 ist es auf dem NATO-Gipfel von Wales in der Tat zu einer Vereinbarung der Mitgliedstaaten, der Bündnispartner der NATO gekommen, die jetzt gemeinhin in der Öffentlichkeit als Zwei-Prozent-Ziel läuft. Ich habe die Formulierung leider gerade nicht dabei, aber sie geht in englischer Sprache ungefähr so: „The member states aim to approach the 2 % guideline within the next decade.“ Auf Deutsch gesagt: Die Mitgliedstaaten, die das Zwei-Prozent-Ziel zu dem Zeitpunkt, also zum Sommer 2014, noch nicht erreicht haben, sichern zu, dass sie sich bemühen werden, auf dem Weg zum Zwei-Prozent-Ziel im Laufe der nächsten Dekade Fortschritte zu erzielen. Das ist das, was im Juli 2014 vereinbart worden ist. Das lässt sich ja öffentlich nachlesen.

Auf diesen Weg hat sich die Bundesregierung begeben, indem sie im laufenden Haushaltsjahr Herr Flosdorff weiß das viel besser als ich das Budget des Verteidigungsministeriums um, glaube ich, 8 Prozent oder 9 Prozent angehoben hat. Das führt auch dazu, dass die gesamtwirtschaftliche Quote also Militärausgaben oder Ausgaben für Verteidigung, ins Verhältnis gesetzt zum Volkseinkommen gemächlich ansteigt, im Vergleich des letzten Jahres zum laufenden Jahr angestiegen ist und dann hoffentlich auch im kommenden Jahr ansteigen wird, wobei da ja gilt, dass der Haushalt 2018 aber letztlich von der neuen Bundesregierung dem neuen Deutschen Bundestag 2018 zur Abstimmung vorgelegt werden wird. Sehen wir einmal, was dann passieren wird. Dann werden wir sehen, wie sich die dann ins Amt gewählte Bundesregierung dazu stellen wird.

Über meine Versuche hinaus, jetzt zu erklären, was da tatsächlich im Sommer 2014 vereinbart worden ist Wenn Sie noch weitere Fragen haben, gerne! Ansonsten steht das, was Herr Gabriel da gesagt hat.

FLOSDORFF: Weil ich danach gefragt worden bin, wollte ich erst einmal darauf hinweisen: Es lohnt sich wirklich, sich ganz genau anzuschauen, wie die Formulierung war. Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Deutschland steht zu dem Zwei-Prozent-Ziel. Bis zur Mitte der nächsten Dekade soll das erreicht werden, und zwar nicht nur, weil das jetzt 2014 von den Staats- und Regierungschefs da sind die Verteidigungsminister und die Außenminister dabei gewesen ausgehandelt worden ist. Es ist auch deswegen richtig und wichtig, weil die Bundeswehr einen gewaltigen Nachholbedarf hat. Sie muss sich dringend modernisieren. Sie muss investieren, um die vielfältigen aktuellen, aber auch künftigen Aufgaben zum Beispiel Cyber, die Digitalisierung zu stemmen.

Die Äußerungen der Ministerin vom Wochenende bezogen sich ganz konkret auch auf Twitter-Äußerungen, in denen sozusagen ein NATO-Schuldenkonto aufgemacht worden ist. So ein Schuldenkonto gibt es nicht. Hier war es wichtig, auch noch einmal darauf hinzuweisen, dass der Ansatz falsch ist, diese 2 Prozent das sind ja nationale Investitionen bzw. Verteidigungsausgaben der einzelnen Länder allein auf das NATO-Bündnis zu beziehen. Auch die Nationen, die heute das Zwei-Prozent-Ziel erreichen, finanzieren damit nicht nur Material oder Missionen für die NATO, sondern auch nationalen Grundbetrieb und andere Mission, zum Beispiel für die Vereinten Nationen, zum Beispiel für Europa, zum Beispiel im Kampf gegen den Terror. Das macht Deutschland genauso.

Deutschland leistet auch schon mit seiner aktuellen Quote in Höhe von 1,23 Prozent sehr viel innerhalb der NATO, zum Beispiel die VJTF, zum Beispiel das Engagement in Litauen mit der Enhanced Forward Presence, zum Beispiel die 30 Prozent Personal, die wir für AWACS zur Verfügung stellen, zum Beispiel die Marineeinheiten, die ständig in der Ostsee, aber auch im Mittelmeer patrouillieren.

Deutschland nutzt auch seine aktuellen Verteidigungsausgaben das ist sehr wichtig nicht nur für diese NATO-Aktivitäten, sondern auch für die VN-Friedensmissionen. Die aktuell größte Mission MINUSMA ist die Mission in Mali. Das ist eine Friedensmission für die Vereinten Nationen. Es gibt aber auch europäische Missionen wie EUTM Mali, Sophia im Mittelmeer, aber auch der den Amerikanern sehr wichtige Kampf gegen IS-Terror, zum Beispiel aus Incirlik, aber auch die Mission in Erbil.

Was jetzt den erweiterten Sicherheitsbegriff angeht: Das ist eine weitere Schiene daneben, die 2 Prozent ausgeklammert. Wenn wir uns über Sicherheit und über „burden sharing“ unterhalten, dann ist es uns auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nicht um ein rein militärisches Thema handelt, sondern Sicherheit setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Militär darunter insbesondere noch einmal die NATO ist ein sehr wichtiger Faktor, aber bei Weitem nicht der einzige. Wenn wir über eine faire Lastenteilung sprechen, dann sollte man den Blick auch weiter fassen. Man sollte den modernen Sicherheitsbegriff zugrunde legen, den wir auch im Weißbuch zugrunde gelegt haben und den die Ministerin in ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz zugrunde gelegt hat. Dazu gehört eine moderne NATO. Dazu gehört die europäische Verteidigungsunion, die wir ausbauen, aber dazu gehören zum Beispiel auch Investitionen in die Vereinten Nationen. Die Friedensmissionen der Vereinten Nationen sind dabei unverzichtbar.

DR. SCHÄFER: Herr Flosdorff hat ja auch darauf hingewiesen, dass man sich an das halten soll, was tatsächlich vereinbart worden ist. Deshalb lese ich Ihnen vor, was auf dem Gipfel von Wales tatsächlich vereinbart worden ist. Die Formulierung heißt auf Englisch „aim to move towards the 2% guideline within a decade“. Ich übersetze Ihnen das gerne; das ist jetzt allerdings eine Rohübersetzung. Es heißt: Die Alliierten bemühen sich, sich innerhalb einer Dekade der Zwei-Prozent-Richtlinie anzunähern. Das ist das, was vereinbart worden ist.

ZUSATZFRAGE FRIED: Jetzt weiß ich sehr viel mehr, aber klüger bin ich nicht, weil Herr Flosdorff in seiner Antwort gleich am Anfang das Zwei-Prozent-Ziel benannt hat. Wenn ich Sie und diese Formulierung richtig verstehe, Herr Schäfer, dann geht es um „approach“, wie Sie vorhin sagten. Jetzt heißt es „sich bemühen“. Das heißt, es gibt ein Zwei-Prozent-Ziel, das aber nicht unbedingt erreicht werden muss. Habe ich das jetzt richtig zusammengefasst? Bemüht man sich also, aber wenn es nicht klappt, ist es auch nicht so schlimm?

DR. SCHÄFER: Ist das eine Frage an mich?

ZUSATZFRAGE FRIED: An beide. Ich sage es einmal so: Es ist eine Frage an Sie, und dann würde ich gerne von Herrn Flosdorff wissen, ob er Ihre Ausführungen teilt.

DR. SCHÄFER: Ich gehe davon aus, Herr Fried, dass Sie jetzt zwischen dem lieben Kollegen Flosdorff und mir nicht hundertprozentige Einigkeit werden hören können, aber so ist das Spiel nun einmal. – Ja, es gilt das, was vereinbart worden ist. Ja, Außenminister Gabriel steht dazu, dass das, was vereinbart worden ist, auch in die Tat umgesetzt wird. Aber dabei muss man eben realistisch bleiben. Dem, was Herr Gabriel gestern und auch in den letzten Wochen schon zu dem Thema gesagt hat, ist jetzt von meiner Seite, glaube ich, relativ wenig hinzuzufügen. Der Blick auf die mittelfristige Finanzplanung, wie sie ja jetzt auch beschlossen worden ist, sieht tatsächlich inkrementelle Steigerungen des Verteidigungshaushalts vor, die ganz sicher, wenn sie in dieser Geschwindigkeit vorangehen, denklogisch und schon gar nicht mathematisch zu 2 Prozent bis 2024 führen können, sondern da muss dann noch etwas ganz anderes passieren.

Im Übrigen haben wir in den letzten Jahren dank der Verteidigungsministerin sehr viele Veränderungen im Beschaffungsbereich erlebt. Da hat es jedenfalls, wenn ich das richtig sehe, den einen oder anderen „bottleneck“ gegeben. Jetzt sind wir sehr zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, das, was es bei der Beschaffung an Schwierigkeiten gab, in Zukunft zu beseitigen, damit wir auch Abfluss haben und nicht nur Input-Zahlen haben.

All das, was Herr Flosdorff gerade zum inklusiven Sicherheitsbegriff gesagt hat, hat Herr Gabriel selbst schon gesagt, und das kann ich nur absolut unterstützen. Es ist ein massiver Rückschritt, Sicherheit in Europa ausschließlich an dem Input an Geld in einen Verteidigungsapparat zu messen. Es ist schon bemerkenswert, dass sich die Debatte von Washington befeuert sozusagen an dieser außerordentlich „simplistischen“ Kennziffer orientiert. Herr Gabriel hat auch mehrfach in Interviews gesagt, dass der Sicherheitsbegriff aus seiner Sicht viel mehr beinhaltet und dass auch die Investitionen in Sicherheit sehr viel mehr beinhalten müssen als nur nackte Zahlen von Geld, die in einen Verteidigungshaushalt eingezahlt werden.

FLOSDORFF: Wenn ich das noch einmal kurz ergänzen darf, weil Sie ja den Rüstungsbereich angesprochen haben: Es ist eine der großen Errungenschaften dieser Legislaturperiode, dass wir es jetzt in zwei Haushalten aufeinander dank guter, vorausschauender Planung geschafft haben, einen hundertprozentigen Mittelabfluss zu gewährleisten. Das heißt, das gesamte zur Verfügung stehende Geld ist dann auch in die Modernisierung der Bundeswehr geflossen. Wir hoffen, dass wir das im laufenden Jahr trotz der kurzen Entscheidungsphase bis zum Ende der Legislaturperiode auch wieder schaffen werden.

Die Ministerin hat im vergangenen Jahr daran erinnern Sie sich ja vielleicht auch einmal diesen 130-Milliarden-Investitionsplan bis 2030 ausgerollt. Darin werden wichtige Modernisierungsvorhaben beschrieben, die auch schon vorbereitet werden. Darunter ist zum Beispiel, damit Sie ein Gefühl dafür bekommen, die gesamte Digitalisierung der Bundeswehr bzw. ein viele Milliarden umfassendes Programm zum Erhalt der Funkeigenschaften. Wir beschaffen weitere schwimmende Plattformen, um zum Beispiel solche Missionen wie Sophia, aber auch Atalanta das haben wir ja letzte Woche auch wieder gehört als Bundeswehr stemmen zu können. Alle haben in den letzten Jahren mitbekommen, was wir für Engpässe haben und wie schwierig es ist. In Bezug auf jegliches Gerät, das fliegt mit Lufttransport, mit Modernisierungsschritten bei den Kampfjets , bei der Einsatzbereitschaft, aber auch bei den Hubschraubern gibt es einen großen Nachhol- und Modernisierungsbedarf, und die Planungen gehen in diese Richtung. Es ist dringend notwendig, in den nächsten Jahren in die Bundeswehr zu investieren, allein schon, um die Aktivitäten, die heute schon, vom Parlament abgesegnet, für die Bundeswehr aufgestellt werden, erfüllen zu können.

FRAGE JENNEN: Frau Demmer, wie hat denn die Bundeskanzlerin reagiert, als sie nach dem Gespräch den Tweet von Trump gesehen hat? Wie steht sie grundsätzlich zu der Frage, unabhängig vom NATO-Ziel, ob Deutschland den Amerikanern in Sachen Sicherheit etwas schuldet?

SRS’IN DEMMER: Zunächst einmal: Es gibt kein Schuldenkonto bei der NATO. Da hat die Verteidigungsministerin völlig recht.

Die 2 Prozent sind eine Zielgröße. Wir haben dieses Ziel noch nicht erreicht. Dafür sind weitere Anstrengungen nötig. Wir haben in den letzten Jahren unseren Verteidigungshaushalt um 8 Prozent gesteigert und werden auch weiter in diese Richtung arbeiten. Ich bitte Sie nicht zu vergessen, dass es ja hierbei auch um den Schutz der Bevölkerung geht. Die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung nehmen da ihre Verantwortung ernst und haben ihr Interesse an einer starken und handlungsfähigen Allianz betont. Das sicherheitspolitische Umfeld hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Bundeswehr ist derzeit stark gefordert, sowohl in Einsätzen als auch zur Stärkung unserer kollektiven Verteidigung. Da gibt es viele neue Herausforderungen für die Soldatinnen und Soldaten. Mit den letzten Beschlüssen zur Finanzierung und zur Weiterentwicklung der Bundeswehr gehen wir da in die richtige Richtung.

Die Bundeskanzlerin hat aber auch immer betont, dass im Sinne eines umfassenden Ansatzes neben den Verteidigungsausgaben auch die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und Krisenprävention Berücksichtigung finden müssen.

FRAGE LEITHÄUSER: Ich wollte auch noch einmal fragen. Herr Schäfer, gibt es ein verbindliches diplomatisches Übersetzungskompendium? Wird darin „to aim at“ als „sich bemühen“ übersetzt oder nicht vielleicht doch als „abzielen auf“, um dieses deutsche Unwort einmal zu verwenden?

Herr Flosdorff hätte ich gerne gefragt, ob der präsidiale Tweet, in dem dieses Schuldenkonto vorkam, in der diplomatischen Korrespondenz zwischen Berlin und Washington vollkommen alleine steht oder ob Frau von der Leyen in ihren Gesprächen mit Mattis oder sonst irgendjemandem von anderer Seite einmal vorher mit dieser Idee konfrontiert worden ist.

Die dritte Frage wäre eine an Frau Demmer: Gibt es ein Bekenntnis der Bundeskanzlerin zu diesem Ziel der 2 Prozent bis 2024?

DR. SCHÄFER: Soll ich anfangen? Meine Frage ist die einfachste, Herr Leithäuser. Ich hatte eigentlich gehofft, dass Tilo Jung das längst gegoogelt hätte, denn sonst ist er ja immer so fix.

ZURUF JUNG: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

DR. SCHÄFER: Ja, dann mal los! – Natürlich sind die Abschlussdokumente von NATO-Gipfeln öffentliche Dokumente. Da gibt es sicherlich auch eine offizielle deutsche Übersetzung. Ich habe das jetzt hier nur so handwerklich gemacht, weil ich die englische Originalfassung gerade parat hatte. Ich bin sicher, dass wenige Minuten von Tilo Jung oder Ihnen ausreichen, um da die richtige Antwort zu finden. Ich kann das aber auch gerne nachreichen. Natürlich gibt es eine offizielle Übersetzung, und Ihre Frage ist absolut gerechtfertigt. Wir wollen hier nicht mit irgendwelchen handgestrickten, zumal noch von mir gestrickten Übersetzungen arbeiten. Wenn, dann machen wir es korrekt. Da gibt es sicherlich seit fast drei Jahren den Text des Gipfels von Wales.

SRS’IN DEMMER: Zu dem Zwei-Prozent-Ziel: Das ist auf dem NATO-Gipfel 2014 bekräftigt worden, und damit ist etwas bekräftigt worden, das eigentlich schon 2002 entschieden worden ist.

Vielleicht kann ich noch einmal etwas zu den Schulden zitieren. Die Bundeskanzlerin hat ja in der Pressekonferenz in Washington gesagt „Wir, die Deutschen, haben den Vereinigten Staaten von Amerika sehr viel zu verdanken“, was im Englischen mit „Schulden“ übersetzt werden kann. Aber die Wortwahl war: „sehr viel zu verdanken. Insbesondere auch der wirtschaftliche Aufstieg Deutschlands ist durch den Marshallplan in ganz besonderer Weise möglich geworden.“ Das darf, glaube ich, nicht durcheinandergeworfen werden.

FLOSDORFF: Herr Leithäuser, was Ihre Frage angeht: Dieses Thema kam erst am Ende vergangener Woche auf, zumindest was den Bereich betrifft, den ich hier vertrete.

FRAGE SOBOLEWSKI: Herr Schäfer, Sie hatten ja gerade schon einmal auf Verteidigungsausgaben in Höhe von 1,23 Prozent in diesem Jahr hingewiesen. Vielleicht können Sie, Frau Tiesenhausen oder Herr Flosdorff einmal sagen, was das, worüber wir hier sprechen, nämlich 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, in absoluten Zahlen, in konkreten Milliarden, bedeuten würde. Worüber sprechen wir hier eigentlich, über welche Summen, die man praktisch in den nächsten sechs oder sieben Jahren aufbringen müsste, um 2 Prozent zu erreichen? Geht das überhaupt? Wäre die Bundeswehr also überhaupt in der Lage, das umzusetzen?

DR. SCHÄFER: Im Grunde ist die Rechnung genauso einfach, wie sie schwierig ist. Deshalb erlaube ich mir, weil Herr Gabriel ich glaube, auch in der Öffentlichkeit schon einmal eine Zahl genannt hat, das einfach einmal ganz grob zu überschlagen. Da dürfen Sie niemanden auf eine Milliarde oder mehrere Milliarden festlegen, aber es ist ja relativ einfach. Das ist ein Bruch. Da gibt es einen Zähler, und es gibt einen Nenner. Der Zähler ist der Input an Verteidigungsausgaben, und der Nenner ist das Bruttoinlandsprodukt, nehme ich an, oder das Volkseinkommen. Wenn sich der Nenner, wie wir alle hoffen, in den nächsten sieben Jahren bis 2024 weiter prächtig entwickeln wird die Wachstumszahlen, die vom Wirtschafts- und vom Finanzministerium oder auch heute wieder von den Sachverständigen präsentiert werden, lassen das ja hoffen , dann bedeutet das auch, dass der Zähler noch stärker steigen muss, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Das ist Adam Riese. Das ist relativ simpel.

Die Zahlen, mit denen wir operieren, sind so, dass wir jetzt einen Verteidigungshaushalt jenseits von 30 Milliarden Euro haben. Das sind 1,2 Prozent. Wenn wir einen wachsenden Nenner haben, bedeutet das: Um die restlichen 0,8 Prozent hinzubekommen, muss man noch einmal eine anständige Schippe drauflegen. Da reden wir über Kategorien weit jenseits von zusätzlich 20 Milliarden Euro pro Jahr, glaube ich; das ist nicht unrealistisch.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Es gehört sich so, dass diese Bundesregierung eine Finanzplanung vornimmt, die mittelfristig angelegt ist. Aber es gehört sich auch das ist das wichtigste Prinzip der Gewaltenteilung jeder Demokratie , dass der Deutsche Bundestag das Haushaltsrecht hat, und zwar für jeden einzelnen Haushalt in den nächsten Jahren bis zum Jahr 2024. Welche Mehrheiten es dann im Deutschen Bundestag mit welchen Entscheidungen zur Höhe des Verteidigungshaushaltes geben wird, wird man dann sehen. Man kann das jetzt planen, und es ist vernünftig, dass das geschieht. All die Argumente, die Herr Flosdorff da vorgebracht hat, können wir sehr gut nachvollziehen. Die kann ich persönlich sehr gut nachvollziehen. Die sind alle richtig. Jetzt warten wir einmal ab, was in den nächsten Jahren passieren wird.

FLOSDORFF: Ich möchte das vielleicht noch einmal grundsätzlich ergänzen. Ja, auch wir würden gerne irgendwie die Zielzahlen der NATO erreichen, und zwar bei guter Wirtschaft und nicht dadurch, dass sich die Wirtschaft bei uns irgendwie negativ entwickelt. Wir haben eine sehr langfristige Planung ausgerollt, wie ich eben dargestellt habe, was Investitionen angeht, die die Bundeswehr braucht, um Fähigkeiten, die sie heute hat, zu erhalten und notwendige zusätzliche Fähigkeiten zu erreichen, zum Beispiel im Cyberraum, zum Beispiel die dringend notwendige Digitalisierung. Das erfordert langfristige Investitionen. Uns ist wenig damit gedient, innerhalb weniger Jahre, innerhalb kurzer Frist große Milliardensprünge zu machen, sondern das, was wir für die planmäßige Entwicklung der Bundeswehr brauchen, ist eine verlässliche Aufwärtsentwicklung, was mögliche Verteidigungsausgaben angeht.

Ich möchte hier zum Zwei-Prozent-Ziel auch noch einmal sagen: Das gleiche Problem, das wir in Deutschland haben, haben auch viele andere Staaten innerhalb der NATO. Wir haben im Moment eine große Unwucht, was die Lastenteilung, was finanzielle Investitionen in die Verteidigungsetats quer durch die Mitgliedstaaten der NATO angeht. Deutschland hat eine sehr positive Entwicklung wirtschaftlicher Art vielleicht sogar eine der positivsten Entwicklungen innerhalb der NATO. Andere Nationen, denen es nicht so rosig geht, unternehmen derzeit enorme Anstrengungen, um substanzielle Fortschritte in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels zu machen. Im Moment haben wir 1,23 Prozent erreicht. Wenn wir jetzt die Haushaltseckpunkte für das nächste Jahr genau so, eins zu eins, umsetzen, dann sind wir weiterhin bei 1,23 Prozent dank des wachsenden BIP, was für Deutschland, für das Land, gut ist. Aber wir müssen auch diesen anderen Nationen erklären, warum das wirtschaftlich potente Deutschland dann nicht in der Lage ist, schneller auf diesem Weg voranzukommen. Das ist auch diesen Nationen sehr schwer vermittelbar.

Die Bundeswehr wäre von ihren Planungsvoraussetzungen her, die in dieser Legislaturperiode auch substanziell nach vorne gedacht und weiterentwickelt worden sind in konkrete Rüstungsvorhaben, in Vorbereitungen der Strukturierung und der Agenda Rüstung, die viel Transparenz und auch weitere Kontrollmöglichkeiten für das Parlament gebracht hat , in der Lage, substanzielle Investitionen auch in der nächsten Dekade zu tätigen.

SRS’IN DEMMER: Ich würde, weil Herr Leithäuser eben so zweifelnd geguckt hat und um alle möglichen Missverständnisse auszuräumen, noch einmal aus der Pressekonferenz der Bundeskanzlerin in Washington zitieren:

„Wir haben uns in Wales dem Zwei-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2024 verpflichtet, haben im letzten Jahr unseren Verteidigungsetat um 8 Prozent gesteigert und werden auch weiterhin in diese Richtung arbeiten.“

FRAGE JUNG: Herr Schäfer, ich habe die Gipfelerklärung von 2014 bei Ihrem NATO-Botschafter gefunden. Unter Punkt 5 heißt es: Wir wollen uns innerhalb von zehn Jahren auf den bestehenden Richtwert der NATO von Ausgaben von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung zubewegen.

DR. SCHÄFER: Wenn das der offizielle Text ist, dann haben Sie ihn hiermit, Herr Leithäuser. Lang lebe „Jung & Naiv“, würde ich sagen!

ZUSATZ JUNG: Aber das hatten Sie vorhin auch weggelassen es geht hier um Verteidigung. Es geht hier nicht um Sicherheit.

DR. SCHÄFER: Ja, absolut. Aber das wird natürlich von mancher Seite auch in Washington gleichgesetzt. Herr Flosdorff und ich haben ja beide gemeinsam sehr dafür geworben, dass man einen Sicherheitsbegriff wählt, der weit über den Input in einen Verteidigungshaushalt hinausgeht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich verstehe, wenn Herr Trump von der NATO spricht und das Geld einfordert, das so, dass er wie eine Art Schutzgelderpresser wirkt. Ist das auch der Eindruck der Bundesregierung?

SRS’IN DEMMER: Ich war kurz unaufmerksam. Bin ich gefragt? Könnten Sie das noch einmal wiederholen?

ZUSATZFRAGE JUNG: Wenn ich Herrn Trump zuhöre, dann höre ich da einen Schutzgelderpresser, der Geld von seinen NATO-Partnern einfordert. Ist das auch der Eindruck des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung?

SRS’IN DEMMER: Die Frage habe ich offensichtlich zurecht überhört.

DR. SCHÄFER: Du möchtest nichts sagen? – Nein.

ZUSATZFRAGE JUNG: So redet der einfach, oder was?

DR. SCHÄFER: So redet der, ja, und damit gehen wir um. Herr Flosdorff hat ja gerade ausgeführt, was die Haltung der Bundesregierung dazu ist.

FRAGE FRIED: Herr Flosdorff, hat die Volatilität dieses Zwei-Prozent-Ziels aufgrund unterschiedlicher BIP-Zahlen, also des Nenners, wie Herr Dr. Schäfer gesagt hat, eigentlich dazu geführt, dass Deutschland seit 2002, wo, wenn ich mich richtig erinnere, die wirtschaftliche Lage bedeutend schlechter war als heute, diesem Ziel schon näher war, dass diese Proportionalität zugunsten der Richtung, die eingeschlagen werden soll, schon einmal höher war, oder ist das in den letzten Jahren ein stetiger Anstieg gewesen? Haben Sie da einen Überblick?

FLOSDORFF: Nein. Wenn wir von der Armee der Einheit Wiedervereinigung 1990 sprechen, dann kamen wir von zwischen 3,5 und 4 Prozent in Bezug auf Verteidigungsausgaben her, die es einmal gab, die zu Recht abgeschmolzen worden sind – Stichwort Friedensdividende. Die Armee ist immer weiter geschrumpft worden, und zwar erst hinsichtlich der Personenstärke, dann aber auch, was materielle Fähigkeiten angeht. Wir haben alle nach 2002 eine lange Periode der Sicherheit, des Friedens und der Freundschaften in unmittelbarer Nähe rund um die Europäische Union erlebt, die durch den Jugoslawienkrieg kurz unterbrochen wurde. Das ist eine lange Zeit, in der wir zu Recht gesagt haben: Man muss nicht mehr so viel investieren. Wir können uns mit weniger zufrieden geben.

Jeder hat jetzt aber mitbekommen, wie sich seit 2013/2014 die Sicherheitslage geändert hat. Wir spüren das ja auch in der Truppe. Sie haben alle sehr ausführlich darüber unterrichtet, unter welchen Schwierigkeiten wir uns auf den Weg machen, die ganzen Anforderungen zu erfüllen, die mittlerweile an die Bundeswehr gestellt werden. Das ist zum Beispiel im Irak der Kampf gegen den IS, gegen den radikalen Radikalismus. Aber auch die Landes- und Bündnisverteidigung ist wieder gefragt, wenn Deutschland gemeinsam mit Norwegen und Holland die schnelle Speerspitze stellt und wie wir das Material zusammentragen müssen, um diese Einsatzbereitschaft auch in der Substanz herzustellen. Wir müssen uns bemühen, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern das ist für uns weiterhin ein Ziel vieles zu stemmen, gemeinsam Fähigkeiten darzustellen, von denen wir alle profitieren. Das ist kein langsam ansteigender Weg gewesen. Das Ziel der Vereinbarung von Wales ist schon älter. 2014 hatte man eine ganz konkrete Situation vor Augen gehabt, als man das bekräftigt hat. Ich glaube, wir sollten jetzt nicht frei und unabhängig von der Situation einfach nur Buchstaben und Wörter interpretieren.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Es gibt noch eine kurze Nachlieferung des BMWi.

DR. AUDRETSCH: Ich glaube, der Kollege ist jetzt gar nicht mehr im Saal. Ich wollte trotzdem etwas direkt nachliefern, weil ich inzwischen Informationen bekommen habe. Es ging um die Frage unseres Einsatzes gegen rechte Hetze und konkret um den Sachverhalt von Schaltungen von Werbung der Bundesregierung dazu.

Auf der einen Seite ist es natürlich so, dass wir gegen rechte Hetze in den unterschiedlichsten Formen vorgehen. Dazu hat der Bundesjustizminister etwas vorgelegt, was wir hier auch des Öfteren schon behandelt haben. Konkrete Gespräche mit Vertretern von Facebook und YouTube zu einem solchen spezifischen Sachverhalt, nach denen gefragt wurde, gibt es in der Form nicht. Allgemein haben wir aber natürlich im Zuge von Anhörungen und Themen aus dem Bereich Digitalisierung immer wieder Kontakt zu Unternehmen aus dieser Branche.

FRAGE BADER: Eine Frage an das Bundesverkehrsministerium zum Ausbau der A8 in Bayern. Es formiert sich Widerstand. Könnten Sie kurz darlegen, warum dieser Ausbau aus Sicht des Bundesverkehrsministeriums wichtig und notwendig ist und ob es Überlegungen gibt, auf die Gegner zuzugehen, die einen nicht nachhaltigen sechsspurigen Ausbau befürchten?

HILLE: Frau Bader, grundsätzlich würde ich Ihnen gerne dazu erschöpfender etwas sagen, aber ich kenne den konkreten Sachverhalt nicht und bitte auch um Verständnis, dass das ein bisschen schwierig ist. Ich kann nicht immer zu allen Verkehrsprojekten in Deutschland den Sachstand parat haben. Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan sind es über 1000 Projekte. Von daher ist es etwas schwierig, auf jedes dezidiert einzugehen.

Grundsätzlich ist es so, dass Grundlage für Ausbaumaßnahmen bei Bundesautobahnen erst einmal die Verkehrsbelastung ist. Ohne diese für den konkreten Fall zu kennen, gehe ich davon aus, dass dort eine entsprechend hohe Verkehrsbelastung vorliegt. Ansonsten finden sich die Projekte nämlich nicht mit einer entsprechenden Einstufung im Bundesverkehrswegeplan wieder.

ZUSATZFRAGE BADER: Die Staatsregierung von Bayern hat Druck gemacht und ist, soweit ich weiß, noch einmal auf das Bundesverkehrsministerium zugegangen. Wie hat sich das Bundesverkehrsministerium daraufhin positioniert?

HILLE: Dafür gilt das Gleiche, was ich gerade gesagt habe. Das betrifft konkrete Details dieses Projekts. Ich bitte um Verständnis, dass ich dazu aus dem Stegreif nicht mehr sagen kann.

FRAGE JUNG: Ich habe indirekt eine Frage zum Besuch der Kanzlerin in Washington an Herrn Flosdorff und Herrn Dr. Schäfer. Können Sie bestätigen, dass die US-Streitkräfte die Stationierung von rund 4000 Soldaten in Bergen im Landkreis Celle prüfen?

Herr Flosdorff, wissen Sie, welche weiteren Standorte von den Amerikanern gerade in Deutschland geprüft werden?

Herr Dr. Schäfer, die Amerikaner planen, den Stützpunkt Ramstein auszubauen und dort mehr Soldaten zu stationieren. Bis 2019 sollen fast 1000 weitere Soldaten dorthin hinkommen, 15 neue Tankflugzeuge stationiert und ein neuer Hangar gebaut werden. Braucht es dafür eigentlich die Zustimmung bzw. die Erlaubnis der Bundesregierung?

Frau Demmer, hat die Kanzlerin die US-Drohnenangriffe via Ramstein thematisiert? Wenn ja, was hat sie Herrn Trump dazu gesagt?

SRS’IN DEMMER: Vielleicht kann ich zuerst antworten, weil das relativ schnell geht.

Die Kanzlerin hat sich in ihrer Pressekonferenz zu den Gesprächen in den USA geäußert. Darüber hinaus habe ich hier nichts mitzuteilen.

FLOSDORFF: Wenn ich erst einmal kurz zu der Frage von Herrn Fried ergänzen darf. Die Kollegen im Ministerium haben nachgeforscht. Deutschland hatte 2012 kurzzeitig einen Spitzenwert in Bezug auf die NATO-Quote von 1,31 Prozent, was aber mit den Auswirkungen der Finanzkrise zu tun hatte.

Zur Frage in Bezug auf mögliche Stationierungen von amerikanischen Truppen in Deutschland: Es gibt sicherlich in den amerikanischen Streitkräften in einer ganz frühen Phase Überlegungen, über die ich Ihnen hier aber nicht berichten kann, weil ich nicht für die amerikanischen Streitkräfte sprechen kann. Soweit uns das betrifft, ist das nicht konkret, und deswegen kann ich Ihnen auch keinen Überblick über irgendwelche Standorte oder Truppenstärken oder was auch immer liefern. Das hat sicherlich, soweit ich das immer verstanden habe, auch eine sehr enge Konnexität ich habe intern einmal davon gehört mit amerikanischer Haushaltsaufstellung. Wir wissen alle, dass sich das noch sehr lange hinziehen wird.

DR. SCHÄFER: Um zum allerletzten Mal zur Verwirrung beizutragen, trage ich Ihnen gerade einmal die offizielle Übersetzung vor, die die Kollegen mir geschickt haben, was das Thema Zwei-Prozent-Ziel angeht. Dort heißt es: „Alle Bündnispartner werden darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen.“ – „Abzielen“ war total richtig, Herr Leithäuser.

Ich vermute ich müsste es ansonsten noch einmal nachreichen, Herr Jung , dass alle Fragen im Zusammenhang mit dem Ausbau oder Umbau von amerikanischen Kasernen und Standorten in Deutschland nach den Regeln des NATO-Truppenstatuts zu besprechen sind. Natürlich hat dabei die Bundesregierung ein Wort mitzureden.

Grundsätzlich gilt aber natürlich, dass unsere Bündnispartner, die auf deutschem Boden mit unserer Zustimmung tätig sind, sicher gute Gründe haben, wenn sie Umbaumaßnahmen, Veränderungen logistischer, personeller oder sonstiger Natur vornehmen. Ich sehe eigentlich überhaupt keine Schwierigkeit mit so etwas. Das hat es in den letzten Jahren und Jahrzehnten ganz häufig gegeben, und das wird es auch in der Zukunft geben, weil sich die Bedürfnisse und politischen Vorgaben eben ändern.

ZUSATZFRAGE JUNG: Kurze Lernfrage: Ist es mittel- oder langfristiges Ziel der Bundesregierung, dass die US-Truppen aus Deutschland abziehen? Wenn ja, wann? Wann müssen sie gehen?

DR. SCHÄFER: Ich wüsste nicht, weshalb das ein Ziel der Bundesregierung sein sollte, Herr Jung. Es gibt ein solches Ziel nicht. Ganz im Gegenteil. Wir sind eine Werte- und Interessengemeinschaft im Bündnis, in der NATO. Es gab lange Jahrzehnte, in denen wir zu Recht ein ganz großes Interesse daran hatten, dass der militärische Schutz der Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur über die Worte des Artikel 5 des NATO-Vertrags, sondern auch über Taten, nämlich über die amerikanische Truppenpräsenz im Bündnisgebiet auch in Deutschland glaubhaft war. Das gilt auch für die Zukunft.

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