Artikel

Bundesregierung für Desinteressierte: Komplette BPK vom 15. Mai 2017

Wanna cry? ► BPK vom 15. Mai 2017

Themen: Ablehnung eines Besuchs von Bundestagsabgeordneten am Luftwaffenstützpunkt Ýncirlik, Antrittsbesuch des französischen Staatspräsidenten, anstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Speicherung von IP-Adressen auf Webseiten von Einrichtungen des Bundes, Cyberangriff durch die Schadsoftware „WannaCry“, Benennung von Bundeswehrkasernen nach Wehrmachtsoffizieren, erneuter Raketentest Nordkoreas, Medienberichte über eine Festnahme des Rechtsextremisten Horst Mahler in Ungarn

Naive Fragen zu:
Besuchsverbot in Incirlik (ab 0:38 min)
– ist es für Frau Merkel, Herrn Gabriel und Frau von der Leyen möglich, nach Ýncirlik zu reisen und die deutschen Soldaten zu besuchen? (ab 13:30 min)
– Ich habe ja nicht nach aktuellen Plänen gefragt, sondern ob es für die drei Mitglieder der Bundesregierung möglich ist, nach Ýncirlik zu fahren. Das ist ganz einfach zu klären.
– Der Außenminister war vor ein paar Tagen in Amman und hat sich dort mit Premierminister Al-Mulki und Außenminister Safadi getroffen. Ging es bei diesen Gesprächen um einen Wechsel der deutschen Truppen aus Ýncirlik nach Jordanien? (24:57 min)

Fälle Yücel & Tolu (ab 25:50 min)
– Gibt es mittlerweile konsularische Betreuung für Frau Tolu? Wie geht es ihr?
– Das heißt, es hat sich seit Freitag im Fall von Frau Tolu nichts geändert?

Deutsch-französische Freundschaft (ab 29:05 min)
– ist das Außenministerium der Meinung, dass ein Euro-Budget mit Eigenmitteln einer Vertragsänderung bedarf? (ab 36:02 min)
– Frau Tiesenhausen, wie kommt Ihr Minister darauf, dass es so ist?
– für welche der gemeinsamen Vorschläge bedarf es denn keiner Vertragsänderung?

Schadsoftware „WannaCry“ (ab 43:10 min)
– ist die Cyber-Armee aktuell in irgendeiner Weise diesbezüglich im Einsatz? (ab 48:07 min)
– ist irgendein Haus, das dem BMI untersteht, diesbezüglich gerade im Einsatz? Wen machen Sie für die Verbreitung dieser Schadsoftware verantwortlich? Weiß Herr Maaßen vielleicht schon wieder etwas über die Russen oder so?

Raketentests von Nordkorea & USA (ab 1:01:10 min)
– wie bewertet die Bundesregierung den am gestrigen Sonntag durchgeführten Test einer neuentwickelten ballistischen Mittel- bzw. Langstreckenrakete?
– Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Test der Amerikaner, die letzte Woche vor der kalifornischen Küste eine Internationalrakete getestet haben, die zwar nicht nuklear bestückt war, aber mit einem Atomsprengkopf bestückt werden könnte? Ist das okay?

 

Bitte unterstützt unsere Arbeit finanziell:
Tilo Jung
IBAN: DE36700222000072410386
BIC: FDDODEMMXXX
Verwendungszweck: BPK

PayPal ► http://www.paypal.me/JungNaiv

Fanshop ► http://fanshop-jungundnaiv.de/

Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 15. Mai 2017:

VORS. DR. MAYNTZ eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
FRAGE STEINER: Herr Flosdorff, Herr Schäfer oder wer auch immer dafür verantwortlich zeichnet, vielleicht können Sie uns den aktuellen Stand zu Ýncirlik kurz darlegen. Was ist tatsächlich passiert bezüglich der Absage des Besuchs der Abgeordneten in Ýncirlik?

DR. SCHÄFER: Heute Morgen haben Sie sich noch mit Cyberwar beschäftigt, jetzt geht es schon um die Türkei Sie sind ein vielbeschäftigter Mann. Es freut mich, dass Sie das gleich fragen.

Ich möchte Ihnen dazu Folgendes sagen: Zunächst einmal ist es mir wichtig zu sagen, dass vor genau einer Stunde und vier Minuten vom Politischen Direktor im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis, und vom stellvertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr im Bundesministerium der Verteidigung, Markus Kneip, die Obleute des zuständigen Ausschusses, also der Bundestag, über das informiert worden sind, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe.

Ich fange vielleicht am besten damit an: Es ist für die Bundesregierung eine absolute Selbstverständlichkeit, dass deutsche Soldaten, Soldaten der Bundeswehr, die im Ausland für Deutschland im Rahmen einer internationalen Koalition, in diesem Fall der Anti-ISIS-Koalition, Dienst tun und für unser Land und für den Frieden Gefahren auf sich nehmen, von Abgeordneten des Deutschen Bundestages besucht werden können. Das, was ich Ihnen sage, ist nicht neu, aber es ist aus aktuellem Anlass eine gute Gelegenheit, das für die Bundesregierung noch einmal ganz ausdrücklich zu bekräftigen.

Sie wissen und erinnern sich vielleicht daran, dass es bereits vor einem guten halben Jahr, im September und Oktober, mit der türkischen Seite Fragen, Schwierigkeiten und auch die eine oder andere diplomatische Verwicklung um die Frage gab, ob der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages damals den Stützpunkt Ýncirlik in der Türkei dort, wo deutsche Soldaten im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition Dienst tun besuchen könnte. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass dieser Besuch dann nach einigem Drängen vonseiten der Bundesregierung am 5. Oktober 2016 durchgeführt werden konnte.

Der Verteidigungsausschuss hat nun das Auswärtige Amt und die Bundesregierung in den letzten Monaten wissen lassen, dass er erneut das Interesse hat, Ýncirlik und die dort stationierten deutschen Soldatinnen und Soldaten zu besuchen. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns darum bemühen und auch tatsächlich bemüht haben, einen solchen Besuch möglich zu machen. Wir haben diesen Besuch im Laufe der ersten Hälfte des Monats April bei der türkischen Seite auf dem dafür vorgesehenen und mit der türkischen Seite abgestimmten Wege angefragt. Die Bundesregierung hat sich seither auf eigentlich allen Kanälen das fängt mit dem Außenminister an, der das noch vor einigen Tagen gegenüber dem türkischen Ministerpräsidenten Yýldýrým in London angesprochen hat, und setzt sich fort mit hochrangigen Vertretern des Kanzleramtes, mit dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt und dann natürlich in vielfältiger Weise auf den üblichen diplomatischen Kanälen über unsere Botschaft in Ankara und die hiesige Botschaft der Türkei in Berlin angemahnt, dass wir eine positive Antwort der türkischen Seite erwarten. In den letzten Tagen gab es immer wieder gemischte Signale vonseiten der türkischen Regierung, unter anderem auch vom türkischen Ministerpräsidenten Yýldýrým bei seinem Gespräch mit dem deutschen Außenminister in London.

Nun sind wir abschließend darüber unterrichtet worden, dass die türkische Seite einen Besuch der Delegation des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, der morgen, den 16. Mai 2017, beginnen sollte, nicht zustimmt. Deshalb müssen wir wohl davon ausgehen, dass ein solcher Besuch des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages nicht stattfinden kann. Der Verteidigungsausschuss ist, wie gesagt, bereits von der Bundesregierung über diese Entscheidung der türkischen Seite informiert worden.

Lassen Sie mich jetzt zur Bewertung Folgendes sagen: Für die Bundesregierung ist es absolut inakzeptabel, dass der schon vor Wochen, gewissermaßen vor Jahr und Tag, der türkischen Seite angekündigte Besuch von Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf dem Stützpunkt Ýncirlik nun nicht möglich sein wird. Die Bundeswehr wird vom Deutschen Bundestag mandatiert, und der Besuch der deutschen Soldaten im Einsatz muss den Abgeordneten möglich sein.

In dieser Lage müssen wir uns jetzt natürlich Gedanken darüber machen, wie es weitergeht. Ich kann für den deutschen Außenminister sagen, dass wir jedes Interesse haben, in dem schwierigen Verhältnis mit der Türkei gute und gedeihliche Beziehungen zu entfalten, dass wir aber darauf angewiesen sind, dass es auch von türkischer Seite Schritte gibt, die wir für selbstverständlich halten und die von der türkischen Seite nicht abgelehnt werden sollten. Wenn es bei dieser Haltung bleibt ich sage Ihnen: Wir werden uns weiter darum bemühen, und zwar mit allem Nachdruck, dafür zu sorgen, dass deutsche Abgeordnete Ýncirlik besuchen können , dann sind wir in einer Situation, in der wir uns Gedanken darüber machen müssen, andere Lösungen zu finden.

Die erste Gelegenheit für den deutschen Außenminister, diesen klaren Punkt gegenüber der türkischen Regierung noch einmal anhängig zu machen, könnte in Washington erfolgen. Herr Gabriel wird übermorgen nach Washington reisen. Dort wird es unter anderem auch Gespräche im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition geben. Dabei werden wir natürlich auch mit unseren Partnern im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition in Washington und auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika darüber reden müssen, wie wir dieses gemeinsame Ziel, das wir auch mit der Türkei teilen, nämlich den Kampf gegen ISIS erfolgreich zu führen, fortsetzen können, wenn es unter Partnern eben nicht möglich ist, solche Besuche durchzuführen.

Ich danke Ihnen.

FRAGE WIEGOLD: Eine Frage an Herrn Flosdorff: Die Bundeswehr hatte ja schon, beginnend im vergangenen Jahr, auf Anforderung des Bundestages damit begonnen, Alternativmöglichkeiten zu untersuchen. Im Gespräch sind unter anderem Jordanien und Akrotiri auf Zypern. Die dritte Möglichkeit fällt mir gerade nicht ein. Nach meiner Erinnerung war Jordanien aus militärischer Sicht das Sinnvollste, weil es auch am nächsten am Einsatzgebiet liegt.

Sind über diese allgemeinen Untersuchungen hinaus die Überlegungen vonseiten der Bundeswehr jetzt präzisiert worden? Gibt es bei Ihnen eine Einschätzung, wie schnell Sie, falls erforderlich, einen Wechsel auf eine andere Basis vollziehen könnten?

FLOSDORFF: Vorweg gesagt: Die Einschätzung, die Herr Schäfer, hier auch für die Bundesregierung schon kundgetan hat, dass es für eine Parlamentsarmee auf Dauer nicht hinnehmbar ist, dass die Parlamentarier kein Zugangsrecht zu den Soldaten haben, gilt auch für das Verteidigungsministerium. Insofern ist das eine bedauerliche Entwicklung. Wir sind nicht das erste Mal an diesem Punkt.

Wir begrüßen es, dass die Hand ausgestreckt bleibt. Wir haben immer gesagt, dass Ýncirlik aus militärischer Sicht der günstigste Ausgangspunkt für den schwierigen Kampf gegen den IS ist, den wir ja auch nicht allein führen, sondern innerhalb einer Koalition, mit der wir engstens verzahnt und abgestimmt sind.

Es ist richtig, dass wir das war auch eine Maßgabe der Mandatserteilung bereits Alternativstandorte erkundet haben. Das war Ende vergangenen Jahres. Es betraf insbesondere Jordanien, es betraf Zypern, aber auch Kuwait. Auch richtig ist Ihr Punkt, dass wir in Jordanien die besten Voraussetzungen gefunden haben. Jedoch sind damit deutliche Einschränkungen in der Operabilität gegenüber Ýncirlik verbunden. Es ist kein Vergleich, was sowohl die Sicherheit als auch die Abstimmung mit den Koalitionspartnern angeht, die sehr eng läuft. Aber es ist möglich, auch aus Jordanien Tankflüge und Aufklärungsflüge zu unternehmen.

Diese Planungen und Untersuchungen werden wir jetzt sicherlich mit besonderer Betrachtung von Jordanien verstärkt aufnehmen. Wir werden weiter eruieren, was alles an Voraussetzungen daran hängt, was alles an politischen Vorentscheidungen notwendig wäre, das man gegebenenfalls, falls sich die Lage in der Türkei nicht auflösen lässt, für die Bundeswehr unternehmen müsste. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Niemand plant jetzt irgendeine Art von sofortigen und schnellen Maßnahmen. Auch die politischen Vorentscheidungen würden einige Zeit in Anspruch nehmen.

Was den Umzug selber betrifft, so sind es, um Ihnen eine Idee zu geben, ungefähr 180 bis 200 Container an Material. So etwas würde sicherlich, auch wenn man nicht an dieselbe Infrastruktur andocken kann wie in Ýncirlik, eher einige Monate Zeit brauchen als wenige Wochen.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Wie ist vor diesem Hintergrund der Stand der geplanten Infrastrukturmaßnahmen in Ýncirlik? Ist die Vereinbarung mit der türkischen Seite erfolgt? Haben dort irgendwelche Baumaßnahmen begonnen, oder sind sie noch gar nicht im Gange?

FLOSDORFF: Das ist vollkommen korrekt, sie sind nicht im Gange. Es hat keinen Spatenstich gegeben, und es hat auch keine letzte Einigung mit der türkischen Seite gegeben. Die einzigen Kosten, die dort bisher entstanden sind, sind Ausgaben in einem niedrigen fünfstelligen Bereich für die Erstellung von Bauplanungen.

FRAGE PRÖSSL: Herr Schäfer, können Sie noch etwas zur Begründung sagen, die von türkischer Seite formuliert worden ist?

Herr Flosdorff, mich würde interessieren, ob eine Art Abstimmung mit den anderen NATO-Partnern stattfindet, die aus der Türkei heraus operieren, und ob es eventuell auch auf deren Seite Unverständnis gibt und vielleicht sogar Gespräche darüber, dass man die gesamte NATO-Operation von einem anderen Ort ausführt.

DR. SCHÄFER: Wir haben von der türkischen Seite auf unsere förmlichen und auch schriftlich anhängig gemachten Anfragen keine schriftliche Antwort bekommen, sondern es hat über das Wochenende einige Gespräche gegeben. Unter anderem ist unser Botschafter Martin Erdmann im türkischen Außenministerium gewesen. In diesem Gespräch wurde insinuiert, dass die gegenwärtige Lage in den deutsch-türkischen Beziehungen aus türkischer Sicht nicht geeignet sei, um diesen Besuch möglich zu machen. Man kann sich denken, was die türkische Regierung damit meinen könnte. Vielleicht sind es individuelle Entscheidungen zuständiger deutscher Behörden im Zusammenhang mit türkischen Militärangehörigen. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.

Die Türkei, Deutschland und alle anderen Mitglieder der Anti-ISIS-Koalition haben ein Interesse daran und müssen ein Interesse daran haben, dass wir den Kampf gegen ISIS gewinnen. Wir sind dabei auf gutem Wege. Das ist ohne Zweifel ein Stolperstein für die Erfolge, die wir dabei gemeinsam erzielen wollen. Deshalb ist das für uns auch total unverständlich, zumal die türkische Seite weiß, und zwar nicht erst seit April, sondern auch schon aus anderen, von mir gerade eben bereits dargelegten Ereignissen in der Vergangenheit, wie wichtig es für uns für Deutschland, aber auch für die Bundesregierung ist, dass unsere Parlamentsarmee von Abgeordneten des Deutschen Bundestages besucht werden kann.

FRAGE JUNG: Eine Lernfrage: Herr Seibert, Herr Schäfer, Herr Flosdorff, ist es für Frau Merkel, Herrn Gabriel und Frau von der Leyen möglich, nach Ýncirlik zu reisen und die deutschen Soldaten zu besuchen?

FLOSDORFF: Um es für die Verteidigungsministerin zu sagen: Es sind jetzt keine Reisen nach Ýncirlik geplant. Insofern kann ich Ihnen dazu keine Auskunft geben.

DR. SCHÄFER: Ich kann auch von keinen konkreten Besuchsplänen des deutschen Außenministers für die Türkei berichten, schon gerade nicht von Besuchsplänen für Ýncirlik. Das ist alles andere als ausgeschlossen. Es kann natürlich sein, dass auch Angehörige der Bundesregierung einen solchen Besuch unternehmen wollten. Darüber, wie die Reaktion der türkischen Seit auf einen solchen Besuchswunsch ausfiele, können wir nur spekulieren. Das wissen wir nicht.

STS SEIBERT: Ich kann solche Pläne für die Bundesregierung auch nicht berichten. Das ist aber nicht die Frage, die sich uns stellt. Uns stellt sich die Situation ganz klar so dar, wie die Kollegen sie beschrieben haben. Es muss selbstverständlich möglich sein, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages nach Ýncirlik reisen und dort die Truppe im Auslandseinsatz besuchen in einem Auslandseinsatz, den der Deutsche Bundestag mandatiert. Deswegen wird sich die deutsche Bundesregierung weiterhin bei der türkischen Seite darum bemühen, dass diese Selbstverständlichkeit möglich ist. Sie wird entsprechend ihrer Zusage an den Bundestag auch Alternativstandorte ins Auge fassen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe ja nicht nach aktuellen Plänen gefragt, sondern ob es für die drei Mitglieder der Bundesregierung möglich ist, nach Ýncirlik zu fahren. Das ist ganz einfach zu klären.

STS SEIBERT: Sie haben drei Antworten bekommen.

DR. SCHÄFER: Drei sehr konkrete Antworten.

ZUSATZ JUNG: Auf eine Frage, die ich nicht gestellt habe.

DR. SCHÄFER: Doch, doch! Ich glaube schon. Das müssen Sie sich vielleicht nachher noch einmal im Video anschauen, Herr Jung.

FRAGE REMME: Herr Seibert, wir haben gerade vom Verteidigungsministerium gehört, dass es nicht um schnelle und sofortige Maßnahmen geht. Ich frage mich, warum das der Fall ist. Herr Dr. Schäfer hat die Entscheidung aus der Türkei als „abschließend“ bezeichnet. Sie bezeichnen sie als „inakzeptabel“. Wie lange will man warten, um Konsequenzen zu ziehen?

STS SEIBERT: Ich glaube, das ist hier schon gesagt worden.

Erstens. Auch wenn die türkische Seite uns diese Entscheidung nun so präsentiert hat, werden wir Herr Dr. Schäfer hat den nächsten Termin genannt, wo der Außenminister eine Gelegenheit hat unseren sehr klaren Standpunkt dazu natürlich weiter vorbringen, weil das unser Standpunkt bleibt und mit gutem Grund bleibt.

Zweitens. Wir werden natürlich, wie es auch in dem Mandat vorgesehen ist, Alternativstandorte ins Auge fassen.

DR. SCHÄFER: „Abschließend“ bedeutet in diesem Zusammenhang, Herr Remme, dass aus Gründen der Zeit die physikalische Unmöglichkeit eintreten wird, morgen diese Reise noch durchzuführen. Aus Sicht der Bundesregierung gäbe es keinen Hinderungsgrund dafür, eine solche Reise zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, sofern die türkische Seite dem zustimmt. Aber wir brauchen für all die notwendigen technischen und logistischen Vorbereitungen einer solchen Reise etwas Vorlauf. Deshalb ist es jetzt zu spät und deshalb ist es auch abschließend zu spät , eine solche Reise morgen noch für den Verteidigungsausschuss organisieren und durchführen zu können.

FLOSDORFF: Ich möchte das ergänzen: Herr Remme, es ist nicht so, dass in Ýncirlik jetzt nichts stattfindet. Während wir hier miteinander reden, finden weiter Aufklärungs- und Luftbetankungsflüge statt. Es hat bisher 900 Aufklärungsflüge der Tornados und 400 Starts der „Tanker“ mit 2000 Luftbetankungen gegeben. Wenn wir jetzt die notwendigen politischen Entscheidungen, die nicht nur mit der Türkei und mit Deutschland, sondern natürlich auch mit einem potenziellen anderen Gastgeberland zusammenhängen, herbeiführen und diese notwendigen logistischen Voraussetzungen für einen Umzug in einer solchen Größenordnung treffen müssen, geht damit natürlich einige Zeit an Planung und Vorlauf einher. Das ist nicht nur einfach eine Willensentscheidung und man macht anderswo weiter, sondern da hängt einiges an Aufwand dran. Das wollte ich hier einfach einmal vorschalten, damit dafür ein Bewusstsein herrscht.

FRAGE JORDANS: Herr Dr. Schäfer, ich habe die Frage, ob die Gewährung von Asyl für türkische Militärangehörige in Deutschland in dem Zusammenhang explizit genannt wurde.

Herr Flosdorff, hat die Tatsache, dass der Besuch nicht stattfindet, irgendwelche praktischen Auswirkungen auf die Arbeit der Truppe oder ist das eher fehlende „moral booste“, wenn man seine Abgeordneten nicht treffen kann?

DR. SCHÄFER: Herr Jordans, die Botschaft war so deutlich, dass sie nicht missverstanden werden konnte.

FLOSDORFF: Herr Jordans, die normale Arbeit in Ýncirlik die Zusammenarbeit mit den Koalitionären und den anderen Nationen, die dort fliegen geht jetzt weiter. Bei den wenigsten Nationen gibt es solche Voraussetzungen politischer Art, wie es sie bei uns gibt, um militärisch zu agieren. Bei uns gibt es eine Parlamentsarmee und auch die gute Tradition, dass es ein enges Verhältnis zwischen den Abgeordneten und der Truppe gibt. Daran wollen wir festhalten, und das ist gut und richtig so. Für die anderen Nationen gibt es vergleichbare Voraussetzungen nicht. Es gibt wichtige Aufgaben, über die nicht jeden Tag berichtet wird, die aber trotzdem jeden Tag stattfinden. Das ist der Kampf gegen den IS; das ist die Offensive auf Rakka, die läuft; das ist die Offensive auf Mossul, die weiter läuft sowie unterschiedliche Weiterungen in den Regionen. Dazu läuft die Kampagne weiter, unabhängig von der innenpolitischen Situation, die in Deutschland eine sehr wichtige ist, die aber für den unmittelbaren Kampf gegen den IS keine direkten Auswirkungen hat.

FRAGE SIEBOLD: Herr Dr. Schäfer, wird es von deutscher Seite irgendwelche diplomatischen Reaktionen über dieses Gespräch in Washington hinaus geben?

Zweite Frage. Welche Konsequenzen hat das auf die Zusammenarbeit innerhalb der NATO über diesen einzelnen Einsatz hinaus?

DR. SCHÄFER: Sie können sich denken, Frau Siebold, dass diejenigen auf unserer Seite darunter Botschafter Martin Erdmann , die mit dieser Entscheidung der türkischen Seite konfrontiert worden sind, bereits im Gespräch ihr Unverständnis darüber geäußert haben. Das liegt auf der Hand. Wie das jetzt weiter geht, müssen wir schauen. Ich glaube, die Botschaft ist auf der türkischen Seite angekommen und wird über das, was wir jetzt öffentlich hier mit Ihnen besprechen, auch so bei der türkischen Seite ankommen. Das schließt das natürlich nicht aus, sondern kann dadurch ergänzt werden, dass wir das nacharbeiten, dass wir jetzt schauen und der türkischen Seite erklären, warum das für uns unverständlich ist und dass wir darauf dringen und auch erwarten, dass diese Entscheidung für nächste Besuche revidiert werden kann und das widrigenfalls die Folgen haben kann, die Herr Seibert, Herr Flosdorff und ich Ihnen dargestellt haben.

Im Übrigen gilt für das deutsch-türkische Verhältnis, dass man sehr vorsichtig sein muss, diese asymmetrischen Verknüpfungen vorzunehmen, die dabei immer wieder in den Raum gestellt werden. Wir kümmern uns um die deutschen Haftfälle in der Türkei, weil das unsere Verantwortung ist, weil das unser gesetzlicher Auftrag ist und weil wir es für richtig und für völlig unangemessen halten, in welcher Weise rechtstaatlich und tatsächlich mit Deniz Yücel, Mesale Tolu und anderen Deutschen in der Türkei umgegangen wird. Das ist für uns ein Punkt, den wir nicht aufhören werden, immer wieder zur Sprache zu bringen und bei dem wir uns eigentlich asymmetrische Verknüpfungen mit anderen Punkten nicht vorstellen können, ja verbitten.

Wir haben jetzt eine erneut schwierige Lage im deutsch-türkischen Verhältnis. Der deutsche Außenminister hat nach seinem Gespräch in London mit dem türkischen Ministerpräsidenten am Rande der Somalia-Konferenz gesagt, dass wir größtes Interesse daran haben, wieder miteinander zu besseren Beziehungen zu gelangen. Hier haben wir jetzt die unmittelbare Reaktion der türkischen Seite. Dass uns das nicht erfreut, Frau Siebold, das werden Sie verstehen. Dass wir für eine Verbesserung der Beziehungen zwei Seiten brauchen, ist auch klar. Wir werden nicht müde, das anzubieten. Wir müssen uns allerdings auch, so wie wir das hier dargestellt haben, jetzt in dieser konkreten Frage dem Gedanken zuwenden, dass es eben Grenzen gibt, was geht und was nicht geht und dann daraus die nötigen Schlüsse ziehen. Noch ist ja keine endgültige Entscheidung getroffen.

ZUSATZFRAGE SIEBOLD: Die Frage zur Zusammenarbeit innerhalb NATO?

DR. SCHÄFER: Vielleicht darf ich noch einen Satz sagen: Wir haben es jetzt zum zweiten Mal erlebt, dass wieder eine Besuchsreise untersagt worden ist. Wir haben im Fall Yücel erlebt daran werden Sie sich erinnern , dass es nicht etwa eine Zusage einer generellen konsularischen Betreuung für Herrn Yücel gab, sondern scheibchenweise und mit großem Druck, der dafür entfaltet werden musste, die Zusage für einen Besuch. Ich glaube, auch da macht es Sinn, dass wir uns jetzt wirklich mit der türkischen Seite ins Benehmen setzen, um zu versuchen, generelle Lösungen hinzubekommen. Denn dies wieder jedes Mal aufs Neue so hochlaufen zu lassen, ist, glaube ich, weder im Interesse der Türkei noch im Interesse der Bundesregierung.

Was die NATO angeht, habe ich vorhin in meiner Antwort auf die erste Frage gesagt: Wir wollen das jetzt mit unseren Partnern in der Anti-ISIS-Koalition aufnehmen. Das ist in wesentlichen Teilen auch deckungsgleich mit unseren NATO-Partnern. Ich glaube, die allermeisten unserer NATO-Partner sind auch Teil der Anti-ISIS-Koalition. Es macht, glaube ich, Sinn, diese feine Unterscheidung zu treffen, Frau Siebold, weil die Aktivitäten der deutschen Bundeswehr in Ýncirlik Aktivitäten im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition sind. Es gibt auch in der Türkei Aktivitäten im Rahmen eines NATO-Mandats. Diese finden allerdings nicht Ýncirlik statt, sondern in Konya, wo es um die Beteiligung von Soldaten und Soldatinnen der deutschen Bundeswehr an AWACS-Operationen der NATO geht. Dort haben wir jedenfalls nicht unmittelbar ein Problem mit der Besuchsgenehmigung vor der Brust, aber das kann natürlich auch noch passieren. Sie können darauf Gift nehmen, dass wir in Washington das Thema im Kreis unserer Partner aufnehmen, weil wir glauben ich wiederhole das noch einmal , dass das ein Stolperstein bei dem gemeinsamen Bemühen ist, ISIS niederzuringen.

FRAGE JUNG: Herr Dr. Schäfer, zu Jordanien: Der Außenminister war vor ein paar Tagen in Amman und hat sich dort mit Premierminister Al-Mulki und Außenminister Safadi getroffen. Ging es bei diesen Gesprächen um einen Wechsel der deutschen Truppen aus Ýncirlik nach Jordanien?

DR. SCHÄFER: Die Reise ist drei Wochen her. Das war eine Reise, die Schlagzeilen gemacht hat – nicht wegen des Jordanienteils, sondern wegen des darauffolgenden Israelteils, woran sich viele, wie ich annehme, erinnern werden. Ich war bei dieser Reise nicht dabei, und deshalb war ich auch bei den Gesprächen mit der jordanischen Regierung nicht dabei. Ich bin diesbezüglich zurzeit nicht auskunftsfähig und weiß es schlichtweg nicht. Ich halte das für möglich. Ich bin sicher, dass das jedenfalls zwischen den Delegationen auch Gegenstand der Gespräche gewesen ist. Ob der Außenminister das selber angesprochen hat, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das nachreichen?

DR. SCHÄFER: Ich bemühe mich darum.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie hatten Frau Tolu gerade schon angesprochen. Gibt es mittlerweile konsularische Betreuung für Frau Tolu? Wie geht es ihr?

DR. SCHÄFER: Wir haben keinen direkten Zugang zu Frau Tolu. Deshalb sind die Informationen, über die wir verfügen, allenfalls indirekter Natur und deshalb auch nicht von mir für die Öffentlichkeit bestimmbar; da bitte ich um Ihr Verständnis. Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit allergrößtem Nachdruck gegenüber der türkischen Regierung auf den völkerrechtlichen Anspruch, den wir haben, drängen. Das ist aber auch eine Selbstverständlichkeit in einer solch schwierigen Situation für eine junge Mutter, die inzwischen länger als 14 Tage von ihrem Kind getrennt ist und der Vorwürfe gemacht werden, die ganz offensichtlich nicht richtig substantiiert sind. Da bleiben wir dran. Wir werden natürlich nicht nachlassen, den völkerrechtlichen Anspruch, den wir gegenüber dem türkischen Staat haben, auch einzufordern. Ich kann Ihnen nur hier und heute leider auch in diesem Fall nicht noch keine positive Antwort der türkischen Seite vermelden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das heißt, es hat sich seit Freitag im Fall von Frau Tolu nichts geändert?

DR. SCHÄFER: Nein, jedenfalls in Bezug auf die Frage, die Sie mir gestellt haben, nämlich der Antwort der türkischen Seite auf unser Begehr und unseren Anspruch, Frau Tolu besuchen zu können.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wo hat sich was geändert?

DR. SCHÄFER: Ich hatte gerade versucht, bei Ihnen dafür Verständnis zu wecken, da wir keinen direkten Zugang zu Frau Tolu haben und die Dinge, die uns im Rahmen der konsularischen Betreuung interessieren etwa wie das persönliche Befinden ist, wie die Haftbedingungen sind, wann und wie mit konkreten Ermittlungshandlungen oder mit einem Fortschreiten des Strafprozesses zu rechnen ist , alles Dinge sind, die wir, wie gesagt, noch nicht im direkten Gespräch mit Frau Tolu aufnehmen konnten. Selbst wenn das geschehen wäre, könnte ich dann immer noch nicht, Herr Jung, sicher sein, dass ich Ihnen daraus brühwarm erzähle, weil es natürlich Angelegenheiten sind, die höchst privaten Charakter haben und die jedenfalls nicht alle in die Öffentlichkeit gehören.

FRAGE: Ist der Bundesregierung bekannt, ob jemals amerikanische Parlamentarier an einen Besuch in Ýncirlik gehindert wurden?

Ist angesichts der Lage eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei auf Eis gelegt?

DR. SCHÄFER: Ich kann Ihre erste Frage nicht gut beantworten, weil ich das schlicht und ergreifend nicht weiß. Ich bin noch nicht einmal sicher, ob meine Kollegen im Auswärtigen Amt über solche Informationen verfügen, weil es ja durchaus sein kann, dass es solche Besuchsabsprachen oder Besuchsverweigerungen im stillen Kämmerlein auf bilateraler Ebene gegeben hat. Deshalb muss ich Sie bitten, sich mit dieser Frage an die zuständigen Stellen der Türkei oder der Vereinigten Staaten von Amerika zu wenden.

Was Ihre zweite Frage angeht: All das, was wir jetzt im politischen Zusammenwirken zwischen Deutschland und der Türkei erleben, macht eine Zusammenarbeit in anderen Bereichen jedenfalls nicht leichter. Ich glaube, das kann man sicher sagen.

VORS. DR. MAYNTZ: Herr Seibert, Sie hatten noch etwas zum Besuch von Herrn Macron zu sagen.

STS SEIBERT: Weil ich heute Morgen schon eine Reihe von Anfragen hatten, wollte ich einfach nachliefern, was ich am Freitag noch nicht konnte, und zwar einen Zeitrahmen für das Besuchsprogramm heute: Die Bundeskanzlerin empfängt den neuen französischen Präsidenten um 17.30 Uhr mit militärischen Ehren. Gegen 18.45 Uhr werden sich beide den Fragen der Presse stellen, und anschließend gibt es ein Arbeitsabendessen.

DR. SCHÄFER: Wenn ich darf, würde ich gerne einige Aspekte ergänzen.

Mir geht es ähnlich wie Herr Seibert, allerdings aus anderem Anlass. Weil bei uns im Auswärtigen Amt schon über das Wochenende, aber auch heute Morgen wieder zahlreiche Anfragen zu einem Papier mit neuen Impulsen für die deutsch-französische Zusammenarbeit des Auswärtigen Amtes und des deutschen Außenministers eingegangen sind, erlauben Sie mir, Herr Mayntz, wenn ich darf das steht ja auch im direkten Kontext mit dem ersten Besuch des französischen Präsidenten hier in Berlin bei der Bundeskanzlerin und überhaupt im Ausland , dazu Folgendes zu sagen:

In der Tat kann ich bestätigen, dass es einen solchen Entwurf eines solchen Dokuments gibt, das im Auswärtigen Amt vom Außenminister erarbeitet worden ist. Ich kann das bestätigen, was dazu in einem großen deutschen Wochenmagazin geschrieben ist, und auch die Auszüge darauf treffen zu. Ich würde in dem Zusammenhang ich sage das ausdrücklich im Namen des deutschen Außenministers gerne einfach nur eine Ergänzung machen, die auch Teil dieses Papiers ist.

Aus seiner Sicht ist es eine sehr gute Entwicklung, dass der französische Präsident so schnell nach Berlin kommt, um hier mit der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin das Gespräch zu suchen. Aus seiner Sicht ist es erforderlich, sehr schnell konkrete Projekte, konkrete Vorschläge für konkrete Vereinbarungen zu treffen. Aus seiner Sicht ist es auch erforderlich, so schnell wie möglich am besten unverzüglich nach den französischen Parlamentswahlen, die ja im Juni in zwei Runden stattfinden werden den Deutsch-Französischen Ministerrat zusammentreten zu lassen, um auf dieser gemeinsamen Kabinettssitzung beider Regierungen dann auch schon Nägel mit Köpfen zu machen und Entscheidungen zu treffen.

Mein letzter Satz dazu ist: Es gibt viele institutionelle Fragen, über die, ausgehend von diesem Papier und auch Äußerungen von anderen Angehörigen der Bundesregierung und Ministern, bereits eine anregende Debatte jenseits von diesen institutionellen Fragen losgegangen ist: Braucht es einen europäischen Finanzminister? Braucht es ein Parlament der Eurogruppe? Wie arrangiert man das alles institutionell? Gibt es sehr viel, was eben auch ohne Änderungen der Gründungsverträge der Europäischen Union angepackt werden kann? Es ist die feste Auffassung des deutschen Außenministers, das so schnell wie nur irgend möglich mit der neuen französischen Regierung und dem neuen französischen Präsidenten anzupacken. Vielen Dank!

FRAGE MADELIN: Herr Seibert, unterstützt die Bundeskanzlerin das Papier von Herrn Gabriel?

Am Freitag hat sich die Kanzlerin so geäußert, dass man das so verstehen konnte zumindest ich , dass sie nichts gegen einen Haushalt der Eurozone hätte. Habe ich das richtig verstanden?

Wenn ich darf, würde ich gerne noch etwas fragen: Wurde das Thema „Buy European Act“ hier noch nicht besprochen, wie ich glaube? Was hält die Bundeskanzlerin davon?

STS SEIBERT: Das Letzte habe ich akustisch nicht verstanden. Wovon hält sie etwas?

ZUSATZ MADELIN: Macron hat auch einen Vorschlag gemacht, den er, glaube ich, wiederholen möchte. Es geht um den „Buy European Act“.

STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin freut sich, Herrn Macron heute in Berlin begrüßen zu können. Ich werde den Gesprächen hier nicht vorgreifen. Sie wird ihm mit Sicherheit mit großer Offenheit und in dem Geist begegnen, den sie jetzt auch in mehreren Interviews ausgedrückt hat, nämlich dass es in unserem deutschen Interesse liegt, dass Frankreich und Emmanuel Macron Erfolg haben. Das ist der Grundgeist, in dem die Gespräche geführt werden.

Das ist ein Antrittsbesuch. Das ist der Ausgangspunkt für die hoffentlich intensive freundschaftliche Zusammenarbeit der nächsten Jahre. Dabei wird es möglicherweise um Themen wie die gehen, die Sie ansprechen die Stärkung der Eurozone , aber es wird sicherlich auch um ganz andere Themen gehen. Wir stehen kurz vor einem G7-Gipfel. Deutschland hat die G20-Präsidentschaft inne. Es gibt zahlreiche gemeinsame außenpolitische Herausforderungen in Afrika und in Syrien. Das alles werden Themen sein.

Ich möchte Sie wirklich auf die Pressekonferenz verweisen, die die beiden dann heute um 18.45 Uhr abhalten werden. Deswegen werde ich mich jetzt auch nicht zu einzelnen Themen äußern.

Die Bundeskanzlerin hat tatsächlich schon in den vergangenen Jahren auch zum Beispiel 2013 verschiedene Vorschläge gemacht, auch im Austausch mit Frankreich. Einer der Überlegungen war damals, dass man betroffene Euro-Länder über ein Budget der Eurozone bei der Umsetzung von Reformverpflichtungen unterstützt, die sie eingehen. Das ist in der Tat ein Vorschlag, und manches davon wird man jetzt in der Debatte dieser Tage wiedererkennen können. Für uns gilt ganz klar das, was sich die EU-27 zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge sozusagen auf die Fahnen geschrieben haben, nämlich ihren Willen, gemeinsam an einer guten europäischen Zukunft zu arbeiten. Dafür haben Deutschland und Frankreich eine besondere Verantwortung, und die Bundeskanzlerin möchte dieser Verantwortung auch mit dem neuen französischen Präsidenten im Geist der Freundschaft entsprechen.

ZUSATZFRAGE MADELIN: Unterstützt die Bundeskanzlerin die Idee des Außenministers, so schnell wie möglich nach der französischen Parlamentswahl eine gemeinsame Kabinettskonsultation durchzuführen?

STS SEIBERT: Wollen wir nicht einmal das heutige erste Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem neuen französischen Präsidenten abwarten? Ich möchte das jedenfalls in meiner Rolle hier tun.

FRAGE JUNG: Herr Schäfer, ist das Außenministerium der Meinung, dass ein Euro-Budget mit Eigenmitteln einer Vertragsänderung bedarf?

Frau Tiesenhausen, wie kommt Ihr Minister darauf, dass es so ist?

DR. SCHÄFER: Jetzt müssten wir ganz präzise darüber reden, welche Vorschläge Sie meinen und wie man diese Vorschläge dann umsetzt. Ich glaube, dass sprengte den Rahmen dieser Veranstaltung.

Ich glaube, ganz grundsätzlich kann man schon sagen, dass es Vorschläge gibt, unter anderem solche, die der jetzige Außenminister in seiner Funktion als Wirtschaftsminister mit dem damaligen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron gemacht hat und die sich nach Einschätzung von Experten des Europarechts wahrscheinlich tatsächlich nur über Änderungen der Gründungsverträge würden umsetzen lassen. Das muss man sich dann aber im Detail anschauen. Es kommt dann, glaube ich, sehr darauf an, wie man so etwas anlegt und was damit genau gemeint ist.

Ich glaube, es besteht an diesem Tisch und innerhalb der Bundesregierung auch Einigkeit darüber, dass wir in einer so schwierigen Phase Europas sind auch mit Fliehkräften, die hier und da von innen wie von außen auf Europa einwirken , dass es sicherlich keine gute Idee ist, jetzt Vertragsänderungen übers Knie zu brechen. Das möchte niemand. Ich glaube, das will auch der französische Präsident nicht.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich kann grundsätzlich zustimmen, dass eigentlich alle europapolitischen Kommentatoren unter anderem ja auch nicht nur ein Kommentator, sondern ein maßgeblicher Akteur, nämlich Jean-Claude Juncker gesagt haben, dass größere Veränderungen, die etwa einen europäischen Finanzminister in Verbund mit einem europäischen Haushalt beinhalten würden, auf jeden Fall eine Änderung des Primärrechts bedeuten würden, was wiederum, wie wir wissen, ziemlich komplizierte Ratifizierungsfolgen nach sich ziehen müsste, also eine Einstimmigkeit aller 28 oder 27 Mitgliedsländer sowie eine Ratifizierung in den Parlamenten und in manchen Ländern dann eben auch Volksabstimmungen, was viele, wie Herr Schäfer gerade sagte, im Moment eben zu dem Schluss kommen lässt, dass Vertragsänderungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht so realistisch sind und dass man stattdessen also eher auf pragmatischer Ebene im Rahmen des jetzt rechtlich Möglichen vorangehen sollte, um die Eurozone zu stärken. Darüber besteht große Einigkeit in Europa, und insofern ist das jetzt nicht eine persönliche Meinung meines Ministers, sondern etwas, das einen breiten politischen Konsens innerhalb Europas darstellt.

FRAGE JUNG: Herr Schäfer, für welche der gemeinsamen Vorschläge bedarf es denn keiner Vertragsänderung?

DR. SCHÄFER: Der „SPIEGEL“ zitiert ja aus den Vorschlägen des Außenministers. Ich möchte es noch einmal sagen: Das ist ein Papier, das im Entwurfsstadium ist. Es ist selbstverständlich, dass es, wenn es denn finalisiert ist, Ihnen allen und der Öffentlichkeit auch zur Verfügung gestellt werden wird. Zurzeit ist es „work in progress“, und deshalb sehe ich mich nicht in der Lage, Ihnen das sozusagen „verbatim“ herüberzugeben.

Aber der „SPIEGEL“ hat es ja zitiert, und das ist auch gar nicht neu, sondern diese Vorschläge im deutsch-französischen Raum gibt es seit Langem. Im Wesentlichen geht es um drei Bereiche. Es geht um eine Reform der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Das ist sozusagen eine ureigene Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes und des Außenministers. Da gibt es zahlreiche Vorschläge, die auch Schritte zu mehr gemeinsamer Verteidigungspolitik beinhalten und deshalb sozusagen auch das Bundesministerium der Verteidigung betreffen. Da gibt es auch innerhalb der Bundesregierung und mit den Franzosen bereits entsprechende Vereinbarungen und Überlegungen, die man jetzt finalisiert oder in die Tat umsetzen muss.

Es geht um das Thema, das wir hier jetzt gerade am Wickel haben, nämlich das Thema einer Reform der Eurozone. Ich glaube nämlich, die gemeinsame Überzeugung der allermeisten Beobachter einschließlich der auf Regierungsseite ist die, dass wir angesichts der Krise des letzten Jahrzehnte gut beraten sind, die Eurozone wirklich zukunftsfest zu machen, und dass es dafür Reformbedarf gibt. Darüber, glaube ich, herrscht Einigkeit.

Außerdem gibt es eben das gemeinsame Ziel, das wir auch mit Frankreich teilen, Wachstums- und Innovationskräfte zu stärken. Auch da gibt es gemeinsame Ideen und Vorschläge, bei denen es jetzt darauf ankommt, voranzukommen und Entscheidungen zu treffen.

Wenn Sie mir erlauben, erwähne ich noch einen vierten Bereich, damit Sie nicht das Gefühl haben, dass das nicht sehr breit gedacht wurde: Auch der Bereich der Flüchtlings- und Migrationspolitik zum Beispiel etwa der Aufbau einer europäischen Asylbehörde oder der Ausbau von Frontex zu einer wirklich europäischen Grenzschutzagentur ist ein Thema, das auf den Tisch des deutsch-französischen Verhältnisses gehört.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Das bedeutet ja nicht, irgendjemanden der restlichen 25 noch sind es 26 innerhalb der Europäischen Union auszuschließen. Deutschland und Frankreich sind Motoren der europäischen Einigung und des Integrationsprozesses. Das schließt niemanden aus und ganz sicher nicht die anderen 25 Mitgliedstaaten.

FRAGE ANTHONY: Herr Plate, morgen wird der BGH über die Speicherung von IP-Adressen durch den Bund entscheiden, und die meisten Bundesministerien unter anderem ja auch Ihr Ministerium speichern die sogenannten dynamischen IP-Adressen von Internetnutzern, die auf ihrer Webseite waren. Warum ist es wichtig für Sie, diese IP-Adressen für ein paar Wochen zu speichern?

DR. PLATE: Das ist ja ein laufendes Gerichtsverfahren. Die Bundesregierung hat in dem laufenden Gerichtsverfahren zu all diesen Fragen Stellung genommen. Es gehört sich, ehrlich gesagt, einen Tag vor einem Urteil nicht, dass ich die Position der Bundesregierung, die im Verfahren eingenommen worden ist, jetzt irgendwie noch einmal öffentlich wiederhole.

FRAGE WIEGOLD: Wenn ich die Frage richtig verstanden habe, dann geht es nicht um die Position der Bundesregierung in einem laufenden Verfahren, sondern darum, warum es die Bundesregierung für nötig hält, diese Daten zu speichern. Das ist ja vom Verfahren unabhängig, oder?

DR. PLATE: Nein, das ist nicht unabhängig vom Verfahren, weil das ja gerade das ist, was sozusagen in wesentlichen Grundzügen in die Positionierung im Verfahren eingeschlossen ist. Wenn Sie das aber interessiert, dann können Sie das ist ja auch schon durch den Instanzenweg gegangen natürlich gerne auf die Veröffentlichungen zurückgreifen, die es gegeben hat und die auch die Position der Bundesregierung zu diesem Punkt rezitieren.

FRAGE: Herr Plate, können Sie uns ganz kurz schildern, wie lange IP-Adressen momentan gespeichert werden? Wie sieht das also ganz praktisch aus?

DR. PLATE: Nein, die Antwort auf so eine Detailfrage habe ich hier jetzt, ehrlich gesagt, nicht auswendig parat.

FRAGE STEINER: Ein anderes Thema darauf wird sich Herr Platte sicherlich vorbereitet haben ist das Thema „WannaCry“. Ich würde gerne wissen, wie Sie die aktuelle Lage bewerten und ob Sie sich über das BSI verstärkte Aktivitäten haben melden lassen. Gibt es da so etwas? Wie ist die aktuelle Lage aus Sicht des Innenministeriums?

DR. PLATE: Über die aktuelle Lage haben wir ja auch gestern schon einmal gesprochen. Es gibt jetzt seit dem Wochenende sozusagen nicht sehr viele neue Sachverhaltssplitter. Es ist ja auch schon öffentlich darüber berichtet worden, dass der Angriff im Wesentlichen gestoppt zu sein scheint und dass sich die befürchtete Möglichkeit einer zweiten Angriffswelle jedenfalls bislang nicht realisiert hat. Wir beobachten das natürlich aufmerksam, insbesondere über das BSI.

Sie wissen sicherlich, dass die besonders betroffenen Stellen insbesondere die Deutsche Bahn ja einen Krisenstab eingerichtet haben, in den auch das BSI stets eingebunden ist. Das ist im Wesentlichen der aktuelle Sachstand. Regierungsnetze sind nach wie vor nicht betroffen.

Wenn Sie noch eine konkrete Nachfrage haben, müssten Sie sie vielleicht stellen, aber das ist das, was ich jetzt aktuell dazu zu berichten habe.

ZUSATZFRAGE STEINER: Dann konkretisierte ich die Frage andersherum. Am Samstag haben Sie eine Pressemitteilung herausgegeben. Darin ging es um die Verhinderung solcher Vorfälle. Dabei ging es unter anderem um den zweiten Korb des IT-Sicherheitsgesetzes, um die Verordnung. Dabei geht es unter anderem eben um die Transport- und Verkehrsunternehmen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Daraufhin hat Herr Dobrindt jetzt gefordert, dass es ein schärferes IT-Sicherheitsgesetzes geben müsse. Ich bekomme das gerade nicht ganz zusammen, was die verschiedenen Positionierungen angeht, denn die Verordnung hätte ja eigentlich schon längst fertig sein sollen. Vielleicht können das beide Ministerien einfach aufklären.

DR. PLATE: Vielen Dank. Ich denke, hinsichtlich des Zitats selbst ist wahrscheinlich im Wesentlichen das BMVI zu sprechen berufen. Wir haben es, das möchte ich sagen, als eine absolute Unterstützung unserer Position aufgefasst, dass die IT-Sicherheit ein ganz wichtiges Thema ist, gerade auch in den von Ihnen genannten Sektoren, die aus unserer Sicht der kritischen Infrastruktur zuzurechnen sind. Ich gehe davon aus, dass die Verhandlungen über die von Ihnen genannte Verordnung, den zweiten Verordnungskorb zur Umsetzung des IT-Sicherheitsgesetzes, jetzt zügig abgeschlossen werden können. Wir rechnen auf jeden Fall mit einem Inkrafttreten noch im Laufe dieser Legislaturperiode und damit, dass das auch zeitnah Kabinettsreife erreichen wird. Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.

FRIEDRICH: Ich kann dazu auch noch einmal etwas sagen, und zwar kann ich noch einmal bestätigen, was Herr Plate gesagt hat. Es ist einfach so, dass im Moment noch Gespräche über einige Details der Rechtsverordnung des IT-Sicherheitsgesetzes laufen. Das bedeutet, die Gespräche sind einfach eng und konstruktiv. Dem möchte ich jetzt auch nicht vorgreifen.

Letztendlich gilt das, was der Minister auch am Wochenende gesagt hat. Er hat auch noch einmal bekräftigt, dass das IT-Sicherheitsgesetz gut und richtig ist. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.

FRAGE JORDANS: Herr Plate, der Präsident von Microsoft hat Regierungen die Mitschuld für die Auswirkungen solcher Angriffe gegeben. Er sagt, dass sie ihr Wissen über Sicherheitslücken für sich behalten würden und Updates nicht schnell genug aufspielten. Akzeptieren Sie diesen Vorwurf?

DR. PLATE: Vielen Dank für diese Frage. Zu dem konkreten Vorwurf möchte ich zunächst einmal, ehrlich gesagt, nicht Stellung nehmen. Er richtet sich, glaube ich, auch überhaupt nicht an die deutsche Regierung, wenn ich ihn richtig verstanden habe.

Ganz grundsätzlich ist ja aber medial der Vorwurf relativ präsent, Regierungsstellen, denen Schwachstellen in Software bekannt geworden sein mögen, trügen Mitschuld daran, dass diese nicht geschlossen würden. Ich möchte dazu einmal sagen: Ganz grundsätzlich stellt sich dann natürlich ein bisschen die Frage nach Bock und Gärtner, wenn ich das so offen sagen darf. Dass jemand, der seine Hausaufgaben nicht macht, versucht, jemand anderen dafür in die Pflicht zu nehmen, dass er nicht darauf hingewiesen wird, dass diese Hausaufgaben zu machen sind, erscheint mir doch ein wenig Ursache und Wirkung durcheinanderzubringen. Das ist, ehrlich gesagt, alles, was ich dazu zu sagen habe.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Was müssen die Hersteller von Software Ihrer Meinung nach denn machen? Soll es eine Herstellerhaftung für Sicherheitslücken oder einen Zwang geben, dass die bei behördlichen Ausschreibungen oder wichtigen Ausschreibungen wie denen der Deutschen Bahn ihre Quellcodes offenlegen?

DR. PLATE: Da will ich im Wesentlichen auf die im November veröffentlichte Cyber-Sicherheitsstrategie der Bundesregierung verweisen, die ja unter anderem auch das Thema Haftung in den Blick nimmt und herausstellt, dass das etwas ist, das als ein Baustein für mehr IT-Sicherheit jedenfalls einmal dringend geprüft werden muss. Die Federführung für die Frage solcher Produkthaftungsaspekte liegt aber nicht im Bundesinnenministerium, und insofern will ich das jetzt auch nicht weiter als bereits geschehen vertiefen.

FRAGE JUNG: Herr Flosdorff, ist die Cyber-Armee aktuell in irgendeiner Weise diesbezüglich im Einsatz?

FLOSDORFF: Nein, die Bundeswehr war weder in der Form betroffen, dass Rechner der Bundeswehr betroffen waren, noch in der Form, dass wir um Amtshilfe gebeten wurden. Es ging ja bei dieser Attacke auch nicht um den Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Plate, ist irgendein Haus, das dem BMI untersteht, diesbezüglich gerade im Einsatz?

Wen machen Sie für die Verbreitung dieser Schadsoftware verantwortlich? Weiß Herr Maaßen vielleicht schon wieder etwas über die Russen oder so?

DR. PLATE: Vielen Dank für die Frage. Im Wesentlichen muss ich mich wiederholen, weil ich ja schon gesagt habe, dass das BSI an der Aufklärung des Sachverhalts beteiligt ist und im Krisenstab der Deutschen Bahn beteiligt ist. Der Minister hat ja schon am Samstagvormittag darüber hinaus erwähnt, dass das BKA die strafrechtlichen Ermittlungen übernommen hat. Das sind natürlich zwei Behörden, die im Geschäftsbereich des BMI tätig sind; das wiederhole und bestätige ich gerne.

Zur Urheberschaft, die natürlich Gegenstand der Ermittlung ist, von der ich sprach, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt, ehrlich gesagt, keine Angaben machen.

VORS. DR. MAYNTZ: Ich glaube, er meinte eine andere Behörde, nämlich das Bundesamt für Verfassungsschutz.

DR. PLATE: Es mag sein, dass er das gemeint hat, aber die Antwort, die ich gegeben habe, habe ich gegeben, und eine weitere oder zusätzliche habe ich auch nicht.

FRAGE SIEBOLD: Herr Plate, Ihr Minister hatte am Wochenende eine Einigung hinsichtlich der Festlegungen des IT-Sicherheitsgesetzes bezüglich der kritischen Infrastrukturen angemahnt. Jetzt sagen Sie, Sie sähen sich durch die Äußerungen von Herrn Dobrindt eher bestätigt. An wen geht die Mahnung denn eigentlich?

DR. PLATE: Die Mahnung in Bezug darauf, dass es zügig eine Einigung geben soll, geht, wie sie auch formuliert war, an alle Beteiligten. Wir haben die Äußerung von Herrn Dobrindt auch als Unterstützung in diesem Sinne aufgefasst und gehen davon aus, dass sich das jetzt auf die Zielgerade zubewegt.

FRAGE WIEGOLD: Herr Flosdorff, können Sie eine Zahl in Bezug darauf nennen, wie viele Systeme bei der Bundeswehr mit dem veralteten Betriebssystem „Windows XP“ noch im Einsatz sind, also grob oder als Prozentzahl?

Herr Plate, zu Ihrem Bock-und-Gärtner-Vergleich: Verstehe ich es richtig, dass, wenn deutsche Sicherheitsbehörden mit krimineller Energie solche Sicherheitslücken nicht nur für sich behalten, sondern sie auch ausnutzen, die Betroffenen selbst schuld sind? Das war ungefähr der Kern Ihrer Aussage.

DR. PLATE: Nein, das war er nicht. Dass deutsche Sicherheitsbehörden überhaupt mit krimineller Energie zu Werke gingen in welchem Bereich auch immer , weise ich entschieden zurück. Was immer sie tun das kann ich jedenfalls für die Sicherheitsbehörden im Geschäftsbereich des BMI ganz sicher sagen , ist ausschließlich das, was von Recht und Gesetz vorgesehen und ermöglicht ist. Ehrlich gesagt: Wie Sie auf eine solche Interpretation meiner Aussage kommen, erschließt sich mir nicht. Ich weise diese Interpretation jedenfalls zurück.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Entschuldigung, ich will das gerne noch präzisieren: Sie haben ja gesagt, es wäre unfair, den deutschen Behörden, die Kenntnis von solchen Sicherheitslücken haben, anzulasten, wenn dadurch Systeme geschädigt werden. Gilt das auch, wenn deutsche Sicherheitsbehörden diese Lücken ausnutzen?

DR. PLATE: Von deutschen Sicherheitsbehörden habe ich in der Aussage, die Sie mir unterschieben, ehrlich gesagt gar nicht gesprochen, sondern ganz allgemein von staatlichen Stellen. Ich habe sozusagen nur auf die Vertauschung von Ursache und Wirkung hingewiesen. Was die deutschen Behörden in dem Bereich, den Sie benennen, tun, ist ausschließlich etwas, was von Recht und Gesetz gedeckt ist. Darüber werden Behörden, für die das Innenministerium Verantwortung trägt, jedenfalls ganz sicher nicht hinausgehen. Insofern sehe ich jetzt, ehrlich gesagt, gar keinen einzigen Aspekt Ihrer Frage, zu dem ich nicht bereits umfassend das gesagt hätte, was dazu zu sagen ist.

FLOSDORFF: Ich habe jetzt keine genaue Zahl an Rechnern, die noch mit „Windows XP“ laufen. Eine Abfrage bei uns in der IT ergab, dass es sich um eine einstellige Prozentzahl handelt. Ich möchte gleichzeitig aber darauf hinweisen, dass es sich hier ausschließlich um Standalone-Systeme handelt, also Systeme, die nicht mit dem Internet verbunden sind.

FRAGE STEINER: „To whom it may concern“ ich vermute aber, dass sich Herr Plate als erstes angesprochen fühlt : Sie haben das gerade so dargestellt, als ob das Problem ausschließlich bei den Herstellern liegen würde, wenn eine Sicherheitslücke existiert. Nun ist es so, dass Sicherheitslücken in komplexen Softwareprodukten grundsätzlich immer vorhanden sind. Die grundsätzliche politische Frage dahinter ist doch: Wie geht man damit um, wenn einer Sicherheitsbehörde Sicherheitslücken zur Kenntnis gelangen? Sagt man „Wir nutzen die für eigene Zwecke“ oder sagt man „Wir melden sie im Sinne einer allgemeinen IT-Sicherheit dem Hersteller, damit diese Lücken möglichst schnell gestopft werden“? Was ist da Ihre Antwort Ich glaube, in diesem Fall ist doch wieder das BMI angesprochen.

DR. PLATE: Ich weiß jetzt gar nicht, ob diese Frage wirklich überwiegend oder ausschließlich das BMI betrifft. Sie ist jedenfalls in ihrer Pauschalität so gestrickt, dass sich bei dem komplizierten Sachverhalt eine ebenso pauschale Antwort verbietet. Ich kann wirklich nur auf das verweisen, was ich dazu schon gesagt habe.

ZUSATZFRAGE STEINER: Vielleicht möchte jemand mit anderen Behörden im Geschäftsbereich etwas dazu sagen Herr Seibert oder Herr Flosdorff?

FLOSDORFF: Nein.

ZUSATZFRAGE STEINER: Sie sehen kein Problem, das behoben werden müsste?

FLOSDORFF: Ich stecke da nicht so tief drin, dass ich Ihnen hier irgendwelche Auskünfte dazu geben könnte. Wir geben hier Auskunft über Regierungshandeln, und ich denke, wir sind hier auf einer Ebene, die wir auch technisch-bilateral verhandeln wollen. Wenn Sie eine ausführliche detaillierte Anfrage an das Ministerium richten, wird man Ihnen dort helfen.

ZUSATZ STEINER: Sehr gerne.

FRAGE WIEGOLD: Herr Flosdorff, die Ministerin hat gestern zum Themenkomplex Tradition, Bundeswehr, Wehrmacht, Rechtsextremismus, das uns ja schon länger beschäftigt, in einem Interview gesagt, nun müsse man auch in Klammern: erneut an die Benennung von Kasernen nach Wehrmachtsoffizieren herangehen. Es gibt einzelne Fälle, in denen die Ministerin den örtlichen Mandatsträgern zugesichert hat, dass sie eigenständig darüber entscheiden können, ob dieser Name bleiben soll oder nicht. Ist das, was die Ministerin gestern gesagt hat, eine Abkehr von der bisherigen Position?

FLOSDORFF: Ich möchte erst einmal in Abrede stellen, dass es jetzt in das Belieben örtlicher Mandatsträger gestellt worden sei, wie unsere Kasernen heißen. Wenn man Kasernen umbenennt, war es bisher immer Usus nicht nur in dieser Legislaturperiode, sondern auch in allen vorherigen Legislaturperioden , dass das nicht einfach per Weisung geschieht, sondern man möglichst einen Prozess aufsetzt, der sowohl die Soldaten vor Ort als auch die Betroffenen einbezieht. Das ist auch die Kommune, das sind politische Entscheidungsträger vor Ort, das sind aber häufig auch Bürgerinitiativen, die sich da einklinken, oder Vereine und Verbände, die sich historisch engagieren. Das sind meist längere Prozesse, die dort laufen, und man nimmt Rücksicht auf deren Meinung.

Wir haben in den vergangenen Wochen aber auch alle mitbekommen, dass es einige Unklarheiten gibt. Es ist auch nicht so, dass es hier einfach nur um Kasernennamen geht oder dass es um einzelne Gegenstände geht, die irgendwo stehen oder an der Wand hängen oder auch nicht an der Wand hängen. Es geht hier vielmehr darum, dass es auf der einen Seite schwerwiegende Verdachtsfälle in der Bundeswehr gibt, bei denen im rechtsextremistischen Milieu gegründelt wird, und wir uns auf der anderen Seite natürlich fragen: Wie kann so etwas so lange unentdeckt bleiben, warum konnten da so viele Menschen, die das aus Andeutungen und dem eigenen persönlichen Erleben doch irgendwie mitbekommen haben müssen, das nicht gemerkt haben, wie kann so etwas so lange unter dem Deckel bleiben oder geduldet werden oder wie kann da so lange weggeschaut werden?

In diesem Zusammenhang sind wir jetzt auf die Diskussion gekommen, dass es vielleicht auch notwendig ist, noch einmal das Traditionsverständnis zu schärfen und die Unklarheiten, die wir zum Beispiel bei der Begehung in Illkirch oder in Donaueschingen festgestellt haben da gab es Wehrmachtsdevotionalien, die in der Art, wie sie dort präsentiert werden, sicherlich nicht mit dem Traditionserlass vereinbar sind , zu beseitigen. Es geht also darum, dass man noch einmal grundsätzlich an das Thema heranmuss.

Das eine ist also die Vorschrift, die sicherlich gegebenenfalls auch einige Unschärfen zulässt, schwammig formuliert ist und eine große Handlungsunsicherheit vor Ort provoziert. Die sollte man auch nicht allein den Soldaten und den Vorgesetzten aufbürden, vielmehr müssen wir uns da auch Gedanken darüber machen, wie man da eine eindeutigere Trennschärfe hineinbringen und dieser Handlungsunsicherheit abhelfen kann. Das Zweite ist: Es gibt natürlich auch das haben wir alle in den letzten Wochen mitbekommen eine Diskussion darüber, was für größere Signale es gibt Stichwort große Wandmalereien an Kasernenwänden, aber auch Kasernennamen , die ebenfalls nahelegen, dass es hier Unschärfen gibt. Da geht es dann zum Beispiel darum, dass Soldaten auf unterer Ebene zu entscheiden haben, was bei ihnen an der Wand hängt oder im Regal steht und Vorgesetzte sich dadurch irritiert fühlen, oder darum, dass wir ganze Kasernen haben, die noch nach Soldaten benannt sind, die eine eindeutige Wehrmachtsvergangenheit haben mit vielen unklaren und noch zu ermittelnden Bezügen, wie weit sie sich mit der Nazidiktatur identifiziert haben, wie weit sie sich distanziert haben bzw. ob sie sich distanziert haben, und da gibt es historische Gutachten, die in die eine oder die andere Richtung gehen.

Wir sind dafür, dass wir jetzt klarere Abgrenzungen im Traditionsverständnis und auch ein Überdenken der Kasernennamen ich sage mal, es sind eine Handvoll , die schon seit Jahren in der Diskussion sind, brauchen. Da gibt es immer wieder örtliche Prozesse, die dann zu Umbenennungen führen oder in einigen Fällen auch nicht zu Umbenennungen geführt haben, und es geht darum, dass wir diese Fälle jetzt alle noch einmal anstoßen, uns die alle noch einmal anschauen und dann wieder im Konsens wenn das möglich ist mit den Betroffenen vor Ort am Standort also nicht nur den Soldaten, sondern auch den Kommunen, die teilweise auch an den Namen hängen und ganz stark dafür argumentieren, dass man da nicht vorschnell und über ihre Köpfe weg entscheidet zu neuen Ergebnissen kommen.

Wir setzen sehr darauf, dass jetzt im Zuge der aktuellen Entwicklungen der letzten zwei Wochen vielleicht wieder einiges an Nachdenkprozessen begonnen hat, inwiefern man unbedingt an den Traditionen von gestern festhalten muss und ob wir nach 60 Jahren Bundeswehr heute nicht vielleicht eigene Traditionen haben, die wir, die wir die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg und auch die Leistungen der Bundeswehr mitbekommen haben, einmal stärker in den Vordergrund rücken können. Da ist ja viel Beachtenswertes geschaffen worden, und die Frage ist, ob man das nicht auch einmal mit Kasernennamen honorieren kann. Es geht also darum, die ganze Diskussion einmal nach vorne zu führen und nicht immer ständig nach hinten.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Ich möchte es gern auch praktisch verstehen. Die Rothenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Kathrin Rösel sagt ich zitiere :

„Bundesverteidigungsministerin von der Leyen hat mir persönlich bestätigt, dass über die Beibehaltung des Namens Lent-Kaserne vor Ort in Rothenburg entschieden werden kann.“

Das war eine Aussage der Abgeordneten im vergangenen Jahr. Meine konkrete Frage ist: Ist diese Zusage obsolet und überholt?

FLOSDORFF: Erstens kenne ich diese Zusage nicht, insofern kann ich auch gar keine Auskunft darüber geben, wie valide das ist. Ich kann Ihnen zu dem, was wir jetzt vorhaben also die Kasernennamen auf den Prüfstand zu stellen , nur sagen: Wir gehen davon aus, dass alle, die in der Vergangenheit beteiligt waren, und alle, die künftig beteiligt sein werden, noch einmal eine große Chance und Gelegenheit haben, genau darüber nachzudenken, was die Wirkungen sind und wie wichtig das Ganze ist. Dieser Prozess beginnt jetzt, und ich kann hier nicht irgendwelche einzelnen Äußerungen kommentieren, die hier jetzt auch über Eck kolportiert werden. Dafür bitte ich einfach um Verständnis.

FRAGE JUNG: Ich möchte zu Nordkorea kommen: Herr Schäfer, wie bewertet die Bundesregierung den am gestrigen Sonntag durchgeführten Test einer neuentwickelten ballistischen Mittel- bzw. Langstreckenrakete?

DR. SCHÄFER: Wir haben uns dazu schon gestern im Laufe des Vormittags öffentlich geäußert. Die Bundesregierung verurteilt diesen erneuten Verstoß gegen einschlägige Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in aller Schärfe. Wir können die nordkoreanische Führung nur in aller Eindringlichkeit auffordern, sich wieder auf den Boden des Völkerrechts zurückzubewegen und diese ständigen Provokationen zu unterlassen. Wir werden natürlich auch dieses Ereignis zum Anlass nehmen, mit unseren Partnern darüber zu reden, in welcher Weise wir den Druck auf Nordkorea hochhalten oder noch verstärken können, um auf diese Art und Weise die Nordkoreaner dazu zu bringen, eine friedliche Lösung mitzumachen. Dass wir da handfest agieren, haben Sie, Herr Jung, in der letzten Woche beim Umgang mit der Frage, wie finanzielle Ressourcen der hiesigen nordkoreanischen Botschaft zügig und schnell eingedämmt werden, sicherlich mitbekommen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Test der Amerikaner, die letzte Woche vor der kalifornischen Küste eine Internationalrakete getestet haben, die zwar nicht nuklear bestückt war, aber mit einem Atomsprengkopf bestückt werden könnte? Ist das okay?

DR. SCHÄFER: Ich glaube jedenfalls liegen mir keine Informationen darüber vor , dass auch die nordkoreanische ballistische Rakete nicht mit einem Sprengkopf bestückt war. Das wäre eine so schreckliche Eskalation, dass wir hier dann ganz sicher nicht friedlich über andere Probleme in Europa reden würden. Wenn da tatsächlich eine mit nuklearen Sprengköpfen besetzte Rakete auf den Weg gen Japan gebracht worden wäre, hätten wir heute, am Montagmorgen, eine andere Lage in der Welt, glaube ich.

Zu Ihrem Vorhalt zu einer amerikanischen Rakete kann ich gar nichts sagen, weil ich darüber nichts weiß; da müsste ich mich erst schlau machen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Könnten Sie das nachreichen?

DR. SCHÄFER: Ich versuche mein Bestes, wie immer.

FRAGE DECKER: An das Justizministerium: Der verurteilte Rechtsextremist Horst Mahler soll in Ungarn festgenommen worden sein. Aus einer im Internet veröffentlichten Erklärung, die offenbar von Mahler stammt, geht hervor, dass er in Ungarn um Asyl bitten will bzw. schon gebeten hat. Wie bewerten Sie das, und wie sind da jetzt die Regularien?

STEFFEN: Ehrlich gesagt kann ich das an dieser Stelle nicht bewerten ich habe auch gerade erst auf meinem Handy die Meldung gesehen, dass er jetzt in Ungarn sei. Da es hier um die weitere Vollstreckung einer in Brandenburg verhängten Freiheitsstrafe geht, würde ich Sie bitten, sich diesbezüglich an die zuständige Behörde zu wenden.

ZUSATZFRAGE DECKER: Gibt es denn ein Auslieferungsabkommen, können Sie also sagen, wie das hinsichtlich der Regularien normalerweise gehandhabt würde?

STEFFEN: Tut mir leid, das müsste ich im Zweifel noch nachreichen.

ZUSATZ DECKER: Das wäre schön.

STEFFEN: Der Kollege Plate sagte mir gerade, dass das Europarecht ist.

DR. PLATE: Das ist bei EU-Staaten europarechtlich festgelegt Ungarn ist ja EU-Staat.

ZUSATZFRAGE DECKER: Was heißt das jetzt? Heißt das, es gibt ein Auslieferungsabkommen und das läuft dann automatisch?

DR. PLATE: Das möchte ich jetzt vielleicht wirklich informell und „unter drei“ sagen, weil das ja nicht in meine Zuständigkeit fällt.

VORS. DR. MAYNTZ: Dann gehen wir jetzt „unter drei“. Bitte.

Es folgt ein Teil „unter drei“.

VORS. DR. MAYNTZ: Gibt es noch Fragen „unter eins“? Dazu nicht. Zu weiteren Fragen kommen wir dann übermorgen. Vielen Dank für heute.

Zur Podcastversion

Podcast mit Interviewfolgen

Podcast mit Aufzeichnungen der BPK

Diskutiere und Kommentiere im Forum!
Werdet Unterstützer unserer Arbeit & verewigt euch im Abspann!
Wer mindestens 20€ gibt, wird im darauffolgenden Monat am Ende jeder Folge als Produzent gelistet.
Jung & Naiv
IBAN: DE85 4306 0967 1047 7929 00
BIC: GENODEM1GLS
BANK: GLS Gemeinschaftsbank