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Bundesregierung für Desinteressierte: Komplette BPK vom 17. Mai 2017

Kuckuck! ► BPK vom 17. Mai 2017

Themen: Empfang des ukrainischen Präsidenten in Schloss Meseberg, Kabinettssitzung (Evaluierungsbericht 2016 zum Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“, Tourismuspolitischer Bericht 2017, Entwicklung der Flüchtlingslage), Reise des Bundesaußenministers in die Vereinigten Staaten von Amerika und nach Mexiko, Genehmigung eines zweiten Haftbesuchs bei Deniz Yücel durch die türkische Regierung, Ankündigung über Beschränkungen der Bewegungsfreiheit der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine, neue Sanktionsmaßnahmen der Ukraine gegenüber Russland, Gespräch des US-Präsidenten mit dem russischen Außenminister, US-Drohnenangriffe, konsularische Betreuung der in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsangehörigen, Ablehnung eines Besuchs von Bundestagsabgeordneten am Luftwaffenstützpunkt Ýncirlik, mögliche Verletzungen des griechischen Luftraums sowie griechischer Hoheitsgewässer durch die Türkei, Verbot der Mitnahme elektronischer Geräte im Handgepäck bei Flügen aus bestimmten Ländern in die USA und nach Großbritannien, Finanzlage Griechenlands, Aufgaben der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS), mögliche Anpassung des IT-Sicherheitsgesetzes nach der weltweiten Cyberattacke durch die Ransomware „WannaCry“, Gespräch der Bundeskanzlerin mit Vertretern der russlanddeutschen Bevölkerungsgruppe

Naive Fragen zu:
Merkel & Poroshenko (ab 16:30 min)
– Wird es eine Pressekonferenz geben, Herr Seibert, oder nur Erklärungen? Warum wollen die beiden keine Fragen von Journalisten beantworten? (ab 17:30 min)
– Ich werde von Ihnen ja nie drangenommen. Warum soll ich dann kommen?

Zensur in der Ukraine
– sind diese Zensur- und Antipropagandamaßnahmen mit den Werten der EU vereinbar? (21:23 min)

Gabriel in den USA (ab 26:35 min)
– Werden die NSA-Überwachung in Deutschland für Herrn Gabriel und die steigende Zahl an US-Drohnenangriffen weltweit, seitdem Herr Trump im Amt ist, Thema sein? Beunruhigt diese Entwicklung die Bundesregierung? (ab 29:55 min)
– Wird Ramstein, dadurch ist Deutschland ja Teil des US-Drohnenkriegs, Thema für Herrn Gabriel in den USA? (ab 39:42 min)
– wie viele US-Drohnenangriffe hat die Bundesregierung dieses Jahr bereits im Einzelfall untersucht und völkerrechtlich überprüft, und wo ist man zu einem Ergebnis gekommen? Sie prüfen ja jeden US-Drohnenangriff wegen Ramstein im Einzelfall; da muss es ja einmal ein Ergebnis geben.
– Dass Sie das erwarten, ist mir klar, aber es ist Ihre Pflicht, da zu recherchieren bzw. nachzufragen und nicht nur auf Informationen aus der Öffentlichkeit oder auf Fragen in der BPK zu warten. Es ist Ihre Pflicht.

Deniz Yücel & Mesale Tolu (ab 45:45 min)
– Herr Jessen hatte ja schon eine Frage zur konsularischen Betreuung von Deniz Yücel gestellt. Herr Schäfer, was ist mit Frau Tolu? In diesem Fall ist es ja völkerrechtlich zwingend, dass wir also das Auswärtige Amt, der Botschafter Zugang bekommen.
– Wie erklären Sie sich, dass nach sechs Wochen Herr Yücel wieder besucht werden darf? Können wir damit rechnen, dass er in sechs Wochen wieder besucht werden darf, ist das jetzt eine Regelmäßigkeit?
– hat die Bundesregierung andere diplomatische Mittel bei Frau Tolu weil es ja ein völkerrechtlich zwingender Besuch ist als bei Herrn Yücel, oder basiert das alles immer noch auf Bitten, Hoffnungen und Versprechen?
– Mich würde auch das Schicksal der anderen deutschtürkischen Inhaftierten interessieren. Herr Schäfer, wurden diese Inhaftierten jemals von deutscher Seite besucht? Welche Anstrengungen gibt es da, und wer sind diese Menschen? (ab 53:25 min)
Nachreichung: 1:12:17 min

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 17. Mai 2017:

VORS. MEIER eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
STS SEIBERT: Meine Damen und Herren, guten Tag! Zunächst, bevor wir zum Kabinett kommen, ganz kurz ein Terminhinweis: Die Bundeskanzlerin wird am Samstag den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko empfangen, und zwar im Gästehaus der Bundesregierung in Schloss Meseberg. Sie wird ihn um 13 Uhr willkommen heißen, und vor dem Arbeitsmittagessen, das geplant ist, wird es dann auch kurze Erklärungen vor der Presse geben.

Dann könnte ich, wenn Sie wollen, zum Kabinett kommen. Das erste Thema im Kabinett war heute der Evaluierungsbericht 2016 zum Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“. Der Bundesinnenminister hat diesen Evaluierungsbericht vorgelegt. Das Bundeskabinett hat ihn beschlossen. Dieser Bericht gibt einen Überblick über die Umsetzung des E-Government-Gesetzes, das im August 2013 in Kraft getreten ist.

Es liegt der Bundesregierung viel daran, dass die öffentliche Verwaltung in Digitalisierungsfragen Vorbild ist und dass wir neue digitale Dienste befördern können. Das geschieht durch zeitgemäße digitale Angebote, durch einen fortschrittlichen Datenschutz und durch die Öffnung von Datenbeständen da, wo es nicht sensible Daten betrifft. Das Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“ unterstützt Behörden mit konkreten Projekten bei der Umsetzung der Digitalisierung. Dazu gehören zum Beispiel die elektronische Akte, elektronische Rechnungen oder auch die Digitalisierung bei der Beschaffung des Bundes.

Das zweite Thema, mit dem sich das Kabinett heute befasst hat, war der Tourismuspolitische Bericht. So einer ist zuletzt 2013 abgegeben worden. Nun folgt also 2017 der Überblick über den Tourismus in Deutschland in den vergangenen vier Jahren. Tourismus wird oft in seiner Bedeutung für die Wirtschaft in unserem Land unterschätzt. Das ist ein sehr starker Wirtschaftszweig mit 100 Milliarden Euro direkter Bruttowertschöpfung pro Jahr und mit 2,9 Millionen Erwerbstätigen in diesem Zweig. Da ist es dann schon sehr positiv für uns alle, dass sich der Tourismus in Deutschland in den vergangenen vier Jahren durchgehend positiv entwickelt hat. Die Zahl der Übernachtungen sowohl deutscher als auch ausländischer Touristen ist stetig gestiegen. Die Zahlen für 2016 sind neue Rekordzahlen: 447 Millionen Übernachtungen. Das ist übrigens der siebte Rekord in Folge. Bei den ausländischen Touristen liegen wir zum ersten Mal bei mehr als 80 Millionen Übernachtungen. Das alles geht aus diesem Tourismuspolitischen Bericht hervor, den ich empfehlen kann. Das ist interessant.

Abschließend haben der Bundesentwicklungsminister Müller und Staatsministerin Böhmer für das Auswärtige Amt dem Kabinett im Rahmen des Themas „Entwicklung der Flüchtlingslage“ über den Schwerpunkt „Fluchtursachenbekämpfung in Afrika und im Nahen Osten“ berichtet. Sie haben einen Bericht vorgelegt. Der stellt die Lage in Afrika und im Nahen Osten dar und erläutert die Maßnahmen der Bundesregierung zur Minderung von Fluchtursachen, und zwar sowohl der akuten als auch der strukturellen Fluchtursachen.

Man muss wissen: Die Länder Afrikas und des Nahen Ostens nehmen gemeinsam mehr als zwei Drittel der weltweiten Flüchtlinge auf, 68 Prozent. Erstaufnahmeländer und Transitländer sind beim Schutz und bei der Versorgung der Flüchtlinge erheblich gefordert, nicht zuletzt auch deswegen, weil es in diesen Transitländern und Erstaufnahmeländern oft selbst sehr schwierige wirtschaftliche Situationen gibt.

Um akuten Fluchtursachen bewaffneten Konflikte, Menschenrechtsverletzungen, politischer Verfolgung frühzeitig zu begegnen, setzt die Bundesregierung Mittel der Krisenprävention, der humanitären Hilfe und der Stabilisierung sowie diplomatische und sicherheitspolitische Maßnahmen ein. Darüber hinaus stärken wir regionale Organisationen und regionale Strukturen, zum Beispiel die Afrikanische Union, damit sie selbst Eigenverantwortung übernehmen können. Zum Beispiel stellt die Bundesregierung allein in diesem Jahr etwa 2 Milliarden Euro für solche Maßnahmen bereit.

Im Nahen Osten stehen, wie man sich vorstellen kann, die Auswirkungen des langjährigen Syrien-Konflikts und die Situation im Irak im Mittelpunkt. Allein in diesem Jahr unterstützt die Bundesregierung Syrien und die Region mit 1,3 Milliarden Euro. Deutschland ist damit auch dieses Jahr wie auch schon 2016 wieder größter bilateraler Geber. Die Art der Maßnahmen, um es einmal etwas praktisch zu machen, reicht von der Mienenentsorgung in Ramadi was natürlich eine Voraussetzung dafür ist, dass Menschen in diese Region zurückkehren können, in ihre Heimatstadt zurückkehren können über die Wiederherstellung von Strom- und Wasserversorgung in Gebieten, die glücklicherweise dem sogenannten IS abgenommen werden konnten, bis hin zur Abfallbeseitigung im Libanon, weil der Libanon, der extrem viele Flüchtlinge aufgenommen hat, wahrscheinlich schon allein in diesem Punkt überfordert wäre, wenn er nicht Hilfe aus dem Ausland und besonders eben auch aus Deutschland bekäme. Wir tragen durch Investitionen in Bildung, in Berufsbildung und in Beschäftigung zur Minderung struktureller Fluchtursachen bei, indem wir helfen, Verwaltungsstrukturen aufzubauen, und indem wir zur Prävention klimabedingter Fluchtgründe beitragen. Insgesamt wird die Bundesregierung in diesem Jahr voraussichtlich rund 3,5 Milliarden Euro zur Reduzierung dieser sogenannten strukturellen Fluchtursachen einsetzen. Dazu gehört auch die Umsetzung der EU-Migrationspartnerschaften, unter anderem mit Niger und Mali.

Alle Anstrengungen der Bundesregierung sind darauf ausgerichtet, den Menschen in ihrer Heimat bzw. in ihren Heimatländern bessere Lebensperspektiven zu bieten. Dazu müssen in den betroffenen Ländern Voraussetzungen für Sicherheit und für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung geschaffen werden. Um diese Ziele zu erreichen, werden wir uns auch weiterhin aktiv international in den entsprechenden Prozessen und Foren einbringen, beispielsweise im Rahmen unserer diesjährigen G20-Präsidentschaft, im G7-Prozess, im Global Forum on Migration and Development und im Rahmen des bis 2018 auf UNO-Ebene zu erarbeitenden „Global Compact on safe, orderly and regular migration“. – So viel zu diesem Thema und so viel zuerst einmal aus dem Kabinett.

DR. SCHÄFER: Ich möchte Ihnen zunächst einmal von einer Reise des Außenministers berichten. Der ist vor einer Stunde losgeflogen und ist jetzt gerade auf dem Weg Richtung Washington. Das ist in den etwas mehr als drei Monaten seiner Amtszeit bereits die zweite Reise von Außenminister Gabriel in die Vereinigten Staaten von Amerika. Das spiegelt die Bedeutung wider, die er dem wichtigen Partner Deutschlands und Europas, den Vereinigten Staaten von Amerika, entgegenbringt. Es spiegelt aber auch den Gesprächsbedarf wider, den es mit der neuen amerikanischen Führung angesichts vieler gemeinsamer außen- und sicherheitspolitischer Herausforderungen und vielleicht auch handelspolitischer Herausforderungen gibt, die wir da gemeinsam haben.

Herr Gabriel wird heute in Washington mit Vertretern der amerikanischen Administration zusammentreffen, mit dem Außenminister und mit dem Finanzminister. Morgen ist ein Treffen mit dem Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten geplant. Herr Gabriel nimmt sich die Zeit, etwas länger in den Vereinigten Staaten zu bleiben. Er wird von Washington nach Pittsburgh weiterreisen, dort einige lokale und regionale Vertreter treffen und sich mit der Lage in der Region um Pittsburgh herum beschäftigen.

Dann wird er nach Mexiko weiterreisen. Auch dort wird es dann politische Termine sowie Gespräche mit Vertretern der mexikanischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft geben. Auch Mexiko ist ein großer und wichtiger Partner Deutschlands. Die Handelsbeziehungen und Investitionsbeziehungen mit Mexiko haben sich in den letzten Jahren außerordentlich positiv entwickelt. Mexiko ist ein Partner in der OECD, in der G20 und auch in anderen Fora, und es gibt ein ganz hohes Maß an gemeinsamen Werten und gemeinsamen Interessen. Da lohnt der frühe Besuch schon nach wenigen Monaten der Amtszeit des Außenministers, einen so guten und engen Partner in Mexico City zu besuchen. Das ist das Erste, das ich Ihnen sagen möchte.

Das Zweite, das ich Ihnen sagen möchte, ist, dass die Bundesregierung es begrüßt, soeben erfahren zu haben, dass die türkische Regierung einen zweiten Haftbesuch bei Deniz Yücel genehmigt hat. Wie Sie wissen, haben wir sehr lange, sehr engagiert und sehr intensiv darauf gedrungen, die Haftbesuche bei Herrn Yücel fortsetzen zu können.

Nunmehr besteht die Möglichkeit und ist ausdrücklich von der türkischen Regierung auch so genehmigt worden , dass unser Generalkonsul Herr Birgelen bzw. unser Generalkonsulat in Istanbul morgen die Gelegenheit erhält, Herrn Yücel zu treffen. Das begrüßen wir. Wir freuen uns darüber, dass nach Monaten, in denen eine solche Begegnung nicht möglich war, Herr Yücel mit Herrn Birgelen wird sprechen können. Natürlich geht es darum, zu überprüfen, wie die Haftbedingungen sind, wie es Herrn Yücel geht und wie das ganze Dossier weitergeführt werden kann.

Es bleibt dabei, dass wir es begrüßen, dass es eine solche Genehmigung eines völkerrechtlich ja nicht erforderlichen Haftbesuchs gibt. Wir bleiben dabei, dass eine vernünftige, eine verhältnismäßige, auch eine rechtsstaatliche Lösung nur darin bestehen kann, Herrn Yücel auf freien Fuß zu setzen. Er hat öffentlich erklärt, dass er bereit ist, in der Türkei seinen Prozess zu machen. Es gibt aus unserer Sicht weiter keinen Grund für eine Untersuchungshaft. Ich nehme an, das wird auch morgen Gegenstand der Gespräche sein, die Herr Birgelen mit Herrn Yücel führen wird.

Schließlich würde ich drittens gerne aus aktuellem Anlass zwei Punkte im Zusammenhang mit der Ukraine mit Ihnen besprechen.

Das Erste, was ich sagen möchte, ist: Wir sind ein wenig erstaunt darüber, dass ein russischer Militärvertreter ganz offensichtlich im Namen oder im Auftrag russischer Separatisten, der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk, der zivilen Beobachtermission der OSZE mitgeteilt hat, dass von nun an in den beiden separatistischen abtrünnigen Regionen nur noch auf sehr eingeschränkte Art und Weise die zivile Beobachtermission ihrer Arbeit nachgehen könne. Das ist aus unserer Sicht weder so vereinbart noch entspricht es der Mission der zivilen Beobachtermission noch ist das politisch zweckmäßig.

Wir drängen darauf, dass die zivile Beobachtermission ihrer wichtigen Aufgabe zur Verhinderung von militärischen Eskalationen im Konfliktgebiet ohne Einschränkungen nachgehen können muss. Sie erinnern sich sicher so gut wie ich, dass es vor einigen Jahren zu einem schrecklichen Zwischenfall gekommen ist, als offensichtlich wegen der Explosion einer Straßenmine einer der zivilen Beobachter der OSZE sein Leben verloren hat. Dass es Sicherheitsgründe geben mag, die den Bewegungsspielraum der zivilen Beobachtermission einschränken, mag sein. Aber das sind dann bitte doch Entscheidungen, die die Beobachtermission selbst zu treffen hat.

Das Zweite, was ich Ihnen sagen möchte: Wir haben sehr aufmerksam, aber auch mit einiger Sorge gestrige neue Sanktionsmaßnahmen der ukrainischen Regierung, des ukrainischen Präsidenten und des ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates gegenüber Russland zur Kenntnis genommen. Ich möchte dazu für das Auswärtige Amt und für die Bundesregierung Folgendes sagen:

Es ist verständlich, dass sich die Ukraine gegen russische Desinformationskampagnen, gegen Propaganda und auch gegen hybride Maßnahmen zur Wehr setzen möchte. Anderseits sollte man gut überlegen, was man tut und vielleicht in dem Bemühen, genau das zu verhindern, auch nicht über das Ziel hinaus schießen. Denn vieles von dem, was insbesondere im Medienbereich dort entschieden worden ist und was vom Präsidenten mit seiner Unterschrift angeordnet worden ist, lässt uns jedenfalls Fragen im Zusammenhang mit der Freiheit der Presse und der Medienfreiheit stellen. Wir glauben, dass es in freien Gesellschaften auch andere Möglichkeiten gibt, mit Propaganda, mit Fake News und mit Desinformation umzugehen.

Soweit vielleicht. Herzlichen Dank!

STS SEIBERT: Wenn ich darf, möchte ich dazu noch zwei kurze Anmerkungen machen, alles unterstreichend, was Herr Dr. Schäfer gerade für das Auswärtige Amt gesagt hat:

Er sprach den tragischen Vorfall vom 23. April an, bei dem ein OSZE-Beobachter aus den USA ums Leben gekommen ist sowie zwei weitere Personen, darunter eine Deutsche, verletzt wurden. Dieser Vorgang hat sich auf dem Gebiet der selbsternannten „Volksrepublik Lugansk“ ereignet. Man muss daran erinnern, dass er immer noch der Aufklärung harrt. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden, und alle Seiten müssen zur Aufklärung beitragen.

Zweite kurze Anmerkung, die die Ankündigung des russischen Militärvertreters über Beschränkungen der Bewegungsfreiheit der OSZE-Beobachter betrifft: Wir erwarten auch und gerade von den russischen Vertretern, dass sie in dieser Sache Maßnahmen der Separatisten, die die Arbeit der Mission beschränken, verhindern und dass sie auf deren Aufhebung drängen.

FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, mich würde interessieren: Was ist der Anlass für ein so schnelles Treffen der Bundeskanzlerin mit Herrn Poroschenko? Von wem ging die Initiative aus?

STS SEIBERT: Wenn es solche Treffen gibt, liegt es immer daran, dass man sie miteinander vereinbart hat. Das ist auch dieses Mal der Fall. Sie wissen ich glaube, die Bundeskanzlerin hat es auch gerade bei der Begegnung mit dem neuen französischen Staatspräsidenten betont , wie sehr uns daran gelegen ist, den mühseligen und bisher in seinen Ergebnissen natürlich auch noch nicht befriedigenden Prozess im Rahmen des Normandie-Formats fortzusetzen. In diesen Zusammenhang können Sie das Treffen stellen. Es wird konkret um die Lage im Osten der Ukraine gehen; es wird um die bilateralen deutsch-ukrainischen Beziehungen gehen; es wird um die ukrainische Reformagenda des Präsidenten und seiner Regierung gehen. Das sind die Themen für Samstag.

FRAGE JUNG: Wird es eine Pressekonferenz geben, Herr Seibert, oder nur Erklärungen?

STS SEIBERT: Es gibt Statements oder Erklärungen der beiden vor Beginn des Gesprächs.

ZUSATZFRAGE JUNG: Warum wollen die beiden keine Fragen von Journalisten beantworten?

STS SEIBERT: Es ist eine informelle Begegnung. Bei vielen davon finden Pressekonferenzen statt, und bei informellen Begegnungen kann auch diese Form gewählt werden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber warum?

STS SEIBERT: Sie ist gewählt worden. Sie kommen nie zu den Pressekonferenzen, wenn es welche gibt.

VORS. MAIER: Ja, das ist weit draußen.

STS SEIBERT: Na ja, die gibt es ja meist im Kanzleramt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich werde von Ihnen ja nie drangenommen. Warum soll ich dann kommen?

VORS. MAIER: Na ja, gut. Dann ist der Kollege Rinke dran.

FRAGE DR. RINKE: Auch zu diesem Komplex: Herr Seibert, ich hätte ganz gerne gewusst, ob dieses neue Treffen Ausfluss der Gespräche ist, die die Kanzlerin mit dem neuen französischen Präsidenten hatte. Haben Merkel und Macron irgendeine neue Initiative vereinbart, die jetzt mit Poroschenko besprochen werden sollte?

Dann würde mich von Ihnen auch ein Kommentar zu dem interessieren, was Herr Dr. Schäfer gerade gesagt hat, nämlich die umstrittenen und kritisierten Schritte gegen Medien, die in der Ukraine gerade stattgefunden haben. Wird die Kanzlerin das mit Poroschenko besprechen? Dringt auch die Kanzlerin darauf, dass diese Schritte wieder korrigiert werden?

STS SEIBERT: Ich fange einmal mit dem hinteren Teil an. Es versteht sich von selbst ich denke, das wissen Sie von uns : Die Informationsfreiheit ist genau wie die Presse- und die Meinungsfreiheit ein hohes und schützenswertes Gut. Das vertreten wir nicht nur hier in Deutschland, das vertreten wir auch in unserer internationalen Arbeit und in der Diplomatie. Einschränkungen dieser Informationsfreiheit müssen sehr sorgfältig abgewogen werden.

Vor dem Hintergrund fortlaufender russischer Einflussoperationen über russische Medienportale in der Ukraine muss man die Maßnahmen der Ukraine sicherlich primär als Reaktion verstehen. Trotzdem ist es ganz klar: Solche Schritte sind sicherlich einer Verbesserung der russisch-ukrainischen Beziehungen in keiner Weise zuträglich.

Was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, kann ich nur sagen: Wir haben ein ganz großes Interesse daran, dass dieser schon viel zu lange währende militärische Konflikt in der Ostukraine, ausgelöst durch die von Russland gestützten Separatisten, der schon viel zu viele Menschenleben gekostet hat, der das Leben der Bevölkerung in diesen betroffenen Gebieten in der Ostukraine dramatisch verschlechtert hat, endet. Daran sind Deutschland und Frankreich im sogenannten Normandie-Format seit nun schon ich weiß es gar nicht drei Jahren intensiv beschäftigt. Sowohl Frankreich, also auch der neue französische Staatspräsident, als auch Deutschland haben erklärt, dass sie an diesem Format festhalten und diese mühselige Arbeit fortsetzen wollen. Zu dieser mühseligen Arbeit gehören eben auch immer wieder Begegnungen mit Staatspräsident Putin, Begegnungen mit Herrn Poroschenko und gelegentlich auch Begegnungen im Vierer-Format. Also können Sie das in diesen großen Zusammenhang einordnen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Die Frage war, ob es eine neue Initiative, neue Ideen gibt, die die beiden verabredet haben.

Zu Ihrem ersten Teil der Antwort: Sie sagten, dass diese Schritte in der Ukraine oder in Kiew nicht zuträglich seien. Ich hatte gefragt, ob die Bundesregierung fordert, dass diese Schritte zurückgenommen werden.

STS SEIBERT: Ich habe das gesagt, was ich gesagt habe. Alles Weitere, denke ich, wird vielleicht auch Gesprächsgegenstand beim Treffen in Meseberg sein.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, sind diese Zensur- und Antipropagandamaßnahmen mit den Werten der EU vereinbar? Die Ukraine ist ja ein Beitrittskandidat.

STS SEIBERT: Nein, das ist sie nicht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sind sie trotzdem mit den Werten der EU vereinbar?

STS SEIBERT: Gut, aber ich muss erst einmal sagen: Krass falsche Behauptung von Ihnen. Sie ist kein Beitrittskandidat.

ZUSATZ JUNG: Da haben Sie mich erwischt.

STS SEIBERT: Das einmal festgehalten. Die Informationsfreiheit, die Presse- und Meinungsfreiheit gehören für uns in Deutschland wie natürlich auch in Europa zu den wichtigsten Werten. Aber wir halten sie auch gegenüber Partnern außerhalb der EU hoch. Das ist wichtig. Das wird in allen Kontakten, in allen Gesprächen, die wir führen, auch zum Ausdruck kommen.

ZUSATZ JUNG: Das heißt, diese Maßnahmen sind unvereinbar mit den Werten der Europäischen Union.

STS SEIBERT: Ich spreche über die Informations-, die Presse- und die Meinungsfreiheit und habe ansonsten zu diesen Maßnahmen das gesagt, was ich zu sagen habe.

FRAGE SAVELBERG: Herr Seibert, ich habe zu dem Tourismuspolitischen Bericht eine Frage, den Sie kurz erwähnt haben. Wer ist Nummer eins, was die ausländischen Besucher angeht? Wie viele sind das?

STS SEIBERT: Das kann ich Ihnen nicht sagen und hoffe auf die Hilfe des Bundeswirtschaftsministeriums, das den Bericht eingebracht hat.

ALEMANY: Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Ich weiß aber, dass das auf unserer Homepage steht. Wir haben dazu auch eine PM herausgegeben. Sie können das also sicher ganz leicht herausfinden. Den Bericht habe leider nicht dabei. Welches Land die meisten Besucher stellt, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.

ZUSATZ SAVELBERG: Wir erwarten natürlich, dass das nach wie vor die Niederländer sind.

STS SEIBERT: Auf den Autobahnen haben wir oft den Eindruck, dass es auch so ist.

ZUSATZFRAGE SAVELBERG: Nur zum Verständnis: Sie haben von einer Rekordzahl von 447 Millionen 2016 gesprochen. Ist das inklusive der ausländischen Besucher?

ALEMANY: Ja, das sind Übernachtungen von In- und Ausländern.

FRAGE DR. TUYALA (zur Entwicklung der Flüchtlingslage): Herr Seibert, Sie sprachen von Maßnahmen zur Fluchtursachenbekämpfung, vor allen Dingen auf dem afrikanischen Kontinent. Beinhaltet diese nachhaltige Entwicklungspolitik, die propagiert wird, auch eine Reform der sogenannten EPAs, also der Economic Partnership Agreements des EU-Freihandelsabkommens mit afrikanischen Staaten? Die werden vor Ort ja heftig von den Regierungen und der Zivilbevölkerung kritisiert.

STS SEIBERT: Ich habe einen Bericht über die nationalen Maßnahmen gegeben, die die Bundesregierung im Nahen Osten und in Afrika zur Minderung der Fluchtursachen macht. Das ist zunächst einmal ein nationaler Bericht.

Handelsabkommen sind eine europäische Angelegenheit. Aber es ist klar, dass auch Handelsabkommen natürlich so geschlossen werden müssen und immer wieder darauf hin überprüft werden müssen, ob sie den betroffenen Ländern tatsächlich helfen, ob sie ihnen zu einer eigenständigen nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung helfen.

ZUSATZFRAGE DR. TUYALA: Das scheint ja nicht so zu sein. Die werden, wie gesagt, vor Ort heftig kritisiert. Trotz allem Sollen oder Müssen werden diese Länder dazu gezwungen, diese Handelsabkommen zu unterzeichnen. Vor der Küste Senegals fischen EU-Trawler die Meere leer; die Menschen flüchten nach Europa. Das kann ja nicht im Sinne der Fluchtursachenbekämpfung sein. Sind nach Ihrem Kenntnisstand diesbezüglich Reformen geplant? Sie sprachen auch von struktureller Entwicklungshilfe. Da muss Ihnen ja auch geläufig sein, ob diese Maßnahmen auch einer Reform unterliegen.

STS SEIBERT: Zunächst einmal möchte ich zurückweisen, dass die EU ihre Partner zur Unterschrift unter Handelsabkommen zwingt. Das ist sicherlich nicht der Fall.

Zweitens habe ich hier über die nationalen Maßnahmen berichtet. Die Fragen von Handelsabkommen, wie sie gestaltet sind, wie sie möglicherweise auch verändert werden müssen, ist tatsächlich eine Frage, die in Europa eine Rolle spielt. Da werden wir uns als Bundesregierung immer einbringen, und zwar im Sinne und im Interesse einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung in den betroffenen afrikanischen Ländern, weil wir wissen, dass das notwendig ist, damit Menschen dort eine gute Zukunftsaussicht haben.

FRAGE JESSEN (zur USA-Reise des Bundesaußenministers): Herr Dr. Schäfer, zwei Fragen. Wird der Bundesaußenminister in Gesprächen mit der US-Administration, vielleicht auch mit dem Sicherheitsberater, versuchen, jene Informationen über geplante IS-Anschläge in Syrien zu erhalten, die der Präsident nach bislang vorliegenden Meldungen zwar bereit ist, mit den Russen zu teilen, aber nicht mit den westlichen Verbündeten?

Zweitens, wenn ich noch anhängen darf: Gibt es neue Informationen bezüglich konsularischer Betreuung von Frau Tolu, wo der deutsche Anspruch wegen der allein nicht deutschen Staatsbürgerschaft ein noch dringlicherer und berechtigterer ist?

DR. SCHÄFER: Es ist ein reiner Zufall, dass die Reise des Außenministers zu einem Zeitpunkt stattfindet, in dem es zu Recht oder zu Unrecht, jedenfalls große öffentliche Aufmerksamkeit, vielleicht sogar öffentliche Erregung oder Aufregung über die Umstände im amerikanisch-russischen Verhältnis gibt. Das ist eine Nebenbedingung der Reise, aber hat mit dem Zweck der Reise nichts zu tun.

Natürlich wird der Außenminister nach aller Voraussicht ich kann den Gesprächen natürlich nicht vorgreifen auch das Thema Syrien mit seinen Gesprächspartnern in der amerikanischen Regierung ansprechen, die sich um Außen- und Sicherheitspolitik kümmern. Dass dann sicherlich auch eine mögliche Sicherheitslage zur Sprache kommen wird, können Sie sich denken. Ich denke, wir haben überhaupt keinen Anlass, in irgendeiner Bittstellung zu sein, um irgendwelche Informationen vonseiten der amerikanischen Seite zu bekommen.

Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist, was den Umgang mit diesen außenpolitischen Herausforderungen, Konflikten und Krisen angeht, gut. Wir sind in den letzten etwas mehr als 100 Tagen dieser neuen Administration in unseren Gesprächen und bei der Verdeutlichung deutscher Werte und Interessen ganz schön gut vorangekommen. Ich hatte eingangs schon gesagt: Das ist eigentlich der entscheidende und wichtigste Grund für die schnelle zweite Reise des Außenministers, hier anzuknüpfen und all die Gesprächsfäden, die es im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, auch der Handels- und Wirtschaftspolitik gegeben hat, zusammenzufügen, um mit führenden Vertretern der Administration das Gespräch fortzusetzen und mit dem Ziel weiterzumachen, gemeinsame Ergebnisse zu erzielen, gemeinsame Politiken zu finden, die unseren Interessen und den gemeinsamen Interessen im transatlantischen Bündnis entsprechen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Von einer Bittstellerrolle habe ich, glaube ich, auch nicht gesprochen, sondern mich interessiert, ob die deutsche Regierung versuchen wird, diese Informationen, wenn sie denn dann schon mit Nichtverbündeten geteilt werden, auch selber zu erhalten. Das ist keine Bittstellerrolle.

DR. SCHÄFER: Herr Jessen, wir sind sehr zuversichtlich, dass es bei den Beziehungen zwischen den zuständigen Behörden so viel Vertrauen zwischen beiden Seiten gibt, dass die Amerikaner ganz bestimmt auch freiwillig und von sich aus das mit uns teilen wollen und werden, was sie mit uns teilen wollen. So halten wir das auch.

FRAGE JUNG: Werden die NSA-Überwachung in Deutschland für Herrn Gabriel und die steigende Zahl an US-Drohnenangriffen weltweit, seitdem Herr Trump im Amt ist, Thema sein? Beunruhigt diese Entwicklung die Bundesregierung?

DR. SCHÄFER: Der deutsche Außenminister fühlt sich in umfassender Weise für die bilateralen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland verantwortlich. All die Themen, die aus unserer Sicht oder aus amerikanischer Sicht als relevant angesehen werden, werden ganz bestimmt in den Begegnungen zur Sprache kommen.

Es ist naturgemäß so, dass man, wenn man mit dem Sicherheitsberater, dem Finanzminister und dem Außenminister spricht, Themen anspricht, für die diese Herren zuständig sind. Dazu gehört das erste von Ihnen angesprochene Thema jedenfalls nicht. Das schließt nicht aus, dass es trotzdem zur Sprache kommen wird.

Der Umgang mit islamistischem, extremistischem Terrorismus das ist ja das, was Sie mit der Drohnen-Frage meinen wird ganz sicher Gegenstand der Gespräche sein, die der deutsche Außenminister in Washington führt.

FRAGE DR. RINKE: Herr Dr. Schäfer, können Sie uns sagen, ob auch das Thema „Beitritt der NATO zur Anti-IS-Allianz“ Thema sein wird und wie die Haltung der Bundesregierung diesbezüglich ist?

Herr Seibert, ich hätte ganz gerne gewusst, ob man sich in der Bundesregierung eigentlich wegen innenpolitischen Probleme Sorgen macht, die Herr Trump hat, dass er so beschäftigt sein könnte, dass er möglicherweise nicht zum G7- oder G20-Treffen nach Europa kommt.

STS SEIBERT: Dann fange ich ganz kurz an und sage Ihnen, dass ich für die Bundesregierung keinen Anlass habe, zu den Meldungen und Berichten aus Amerika hier Stellung zu nehmen oder solche Einschätzungen abzugeben.

DR. SCHÄFER: Auch dem kann ich mich guten Gewissens anschließen, Herr Rinke.

Zum Thema Türkei: Klar, die Türkei ist bei vielen der sicherheits- und außenpolitischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, ein Schlüsselpartner der Vereinigten Staaten von Amerika und auch Deutschlands und Europas. Ich halte es für möglich, vielleicht sogar für zweckmäßig, dass man auch die jüngsten Verwerfungen im deutsch-türkischen Verhältnis im Zusammenhang mit unseren Soldaten, unserer Truppe in Ýncirlik und deren Beteiligung am Kampf gegen ISIS auch in Washington zur Sprache bringen könnte. Dass die Vereinigten Staaten von Amerika und die Türkei im besten Falle Partner sind, mit denen wir wirklich an einem Strang ziehen, um die existenzielle Bedrohung durch ISIS aus der Region zu eliminieren, liegt auf der Hand. Dass wir da ein paar Schwierigkeiten haben, liegt auch auf der Hand. Deshalb ist es, glaube ich, ganz vernünftig, das dann auch zur Sprache zu bringen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Entschuldigung, ich habe mich anscheinend unklar ausgedrückt. Mir ging es darum, dass die US-Seite fordert, dass die NATO als Organisation der Anti-IS-Allianz beitritt. Das war erst umstritten. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob das Thema wird und ob die Bundesregierung dies befürwortet.

DR. SCHÄFER: Ich wäre dazu gekommen, Herr Rinke, und sage Ihnen genau das, was wir in der letzten Woche gesagt haben: Bis zum 25. Mai, dem Tag des NATO-Gipfels in Brüssel, ist noch eine gute Woche Zeit. Die Verhandlungen, die in Brüssel und zwischen den Hauptstädten über die Entscheidungen laufen, die auf dem NATO-Gipfel getroffen werden sollen, laufen zurzeit auf Hochtouren. Dass das Thema, das Sie ansprechen, dabei aus Sicht von manchen unserer Bündnispartner, auch aus Sicht des Generalsekretärs der NATO eine wichtige Rolle spielt, ist uns klar. Deshalb kann man, denke ich, guten Gewissens davon ausgehen, dass auch diese Frage in den Gesprächen mit unserem vielleicht wichtigsten NATO-Bündnispartner, den Vereinigten Staaten von Amerika, in den nächsten Tagen auch zur Sprache kommen wird.

STS SEIBERT: Ich will kurz hinzufügen: Diese Frage, ob die NATO formal der Anti-IS-Koalition beitreten soll, war auch Gesprächsgegenstand der Bundeskanzlerin mit NATO-Generalsekretär Stoltenberg, der in der vergangenen Woche am 11. Mai hier war. Es ist vielleicht richtig, noch einmal daran zu erinnern, dass es jetzt einen Diskussionsprozess gibt. Unabhängig davon, wie er ausgeht, hat Herr Stoltenberg für die NATO klargemacht, dass das eben die Rolle der NATO nicht ändern würde. Die Bundeskanzlerin hat für Deutschland klargemacht, dass das die militärischen Aktivitäten, die wir haben beispielsweise Überwachung des Luftraums , auch nicht ändern, aber auch nicht erweitern werde.

ZUSATZ DR. RINKE: Die Frage bezog sich darauf, ob sich die Bundesregierung in den sechs Tagen seit dem Stoltenberg-Besuch möglicherweise zu einer Entscheidung durchgerungen hat, ob sie befürwortet, dass die NATO als Organisation beitritt.

STS SEIBERT: Der Diskussionsprozess ist im Gang.

DR. SCHÄFER: Genau! Es gibt in der NATO, genau wie in der Europäischen Union, 28 Partner. Ich glaube, es gebietet die Fairness gegenüber unseren Partnern, dass wir jetzt nicht schon vor dem Gipfel Ergebnisse verkünden, die auf den Gipfel gehören und die von den Staats- und Regierungschefs zu verkünden sind. Der Vorbereitungsprozess für diesen Gipfel läuft entgegen dem, was man hier und da in den internationalen Medien lesen kann, außerordentlich vertrauensvoll und gut. Dass es immer wieder vor solchen Gipfeln zwischen 28 Staaten unterschiedliche Positionen gibt, die es auf einen Nenner zu bringen gilt, ist nicht neu. Das war vor jedem NATO-Gipfel so; das ist übrigens vor jedem Europäischen Rat oder vor jeder Ratssitzung der Außenminister der Europäischen Union auch so. Das ist ein ganz normales Verfahren, und wir sind sehr zuversichtlich, ja überzeugt und sicher, dass wir nächste Woche gute Ergebnisse auf dem NATO-Gipfel bekommen werden mit Zustimmung der Bundesregierung.

FRAGE SAVELBERG: Ich habe auch eine Frage zu der Reise des Außenministers, und zwar: Wird auch über Afghanistan gesprochen, wenn er sich mit seinem Kollegen Tillerson und auch mit dem Sicherheitsberater trifft? Erwartet man von den Amerikanern zum Beispiel auch, dass es eine Bitte geben könnte vielleicht haben Sie das im Vorfeld schon erfahren , dass im Rahmen von „Resolute Support“ in Afghanistan mehr getan werden soll?

DR. SCHÄFER: Deutschland spielt beim Umgang der internationalen Gemeinschaft mit Afghanistan seit Jahr und Tag eine ganz wichtige Rolle. Bis heute, seit vielen Jahren, führen wir den Vorsitz in der internationalen Kontaktgruppe, die die Zusammenarbeit mit Afghanistan bündelt und zwar nicht nur die militärische, sondern auch die entwicklungspolitische, außenpolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie alles andere, was wir mit Afghanistan auf den Weg zu bringen versuchen. Das ist ein dickes Brett, das es da zu bohren gilt, das wissen wir alle. Deshalb bleibt für uns auch wenn das in den deutschen und vielleicht auch in den internationalen Medien ein wenig aus den Schlagzeilen verschwunden ist und in Deutschland im Wesentlichen unter innenpolitischen Vorzeichen im Zusammenhang mit der Frage möglicher Abschiebungen oder Nichtabschiebungen diskutiert wird die Lage in Afghanistan eine große außenpolitische Herausforderung.

Wir sind gemeinsam mit unseren Partnern, auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika, der Überzeugung, dass Afghanistan bis heute noch nicht eine sich selbst tragende Stabilität erreicht hat, was die Sicherheit betrifft, und deshalb die Präsenz internationaler Truppen bis auf Weiteres auch über das Jahr 2017 hinaus erforderlich sein dürfte. Wir stehen jetzt gemeinsam mit unseren Partnern bei „Resolute Support“ auch den Vereinigten Staaten von Amerika, die dabei die größte Last tragen in Gesprächen darüber, in welcher Weise wir auf die Sicherheitsherausforderungen und die neue Lage in Afghanistan reagieren.

Über die Frage, was das für die Bundeswehr und den Einsatz Deutschlands in militärischer Hinsicht bedeutet, haben wir hier, glaube ich, schon in der letzten Woche gesprochen. Es gibt für uns auch für mich und für das Auswärtige Amt derzeit keinerlei Anzeichen dafür und auch keine Pläne dafür, den Einsatz der Bundeswehr in einer Weise auszuweiten, dass dafür ein neues oder ein erweitertes Mandat erforderlich wäre.

FRAGE JENNEN: Herr Seibert, Sie hatten gesagt, dass Sie sich nicht zu den Diskussionen in den USA äußern wollen. Ist denn der Austausch von Informationen zwischen den USA und Russland für Sie eher ein innenpolitisches Thema, oder hat das auch außenpolitische Relevanz?

Herr Schäfer, Sie sagten, das Außenministerium sei mit Blick auf den Austausch von Werten und Interessen mit den USA schon weit gekommen. Entspricht ein solcher Austausch mit Russland den Interessen Deutschlands?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen sagen, was nach Überzeugung der Bundesregierung den Interessen Deutschlands entspricht, und das ist eine gute internationale Zusammenarbeit der Dienste. Diese Zusammenarbeit ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir den Kampf gegen den internationalen Terrorismus, der uns alle bedroht, effektiv führen können. Wir brauchen für die Sicherheit, für den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger die Zusammenarbeit unserer Nachrichtendienste mit internationalen Partnern.

DR. SCHÄFER: Ich wüsste nicht, was ich dem noch hinzufügen könnte, Frau Jennen.

FRAGE JUNG: Herr Schäfer, ich hatte ja gefragt, ob die steigende Anzahl an US-Drohnenangriffen seit der Amtsübernahme von Herrn Trump die Bundesregierung beunruhigt. Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. Ich schließe daraus, dass die Bundesregierung das nicht beunruhigt.

Wird das Thema Ramstein dadurch ist Deutschland ja Teil des US-Drohnenkriegs Thema für Herrn Gabriel in den USA?

DR. SCHÄFER: Erstens. Ihre Frage war nach meiner Erinnerung, ob der Außenminister dieses Thema anspricht. Sie haben sich selber für beunruhigt erklärt, und Ihr Schluss aus meiner Nichtantwort auf eine von Ihnen nicht gestellte Frage ist schlicht unkorrekt.

ZUSATZ JUNG: Sie können sich das Video gerne angucken und nachhören, was Sie da zu mir sagen und ob ich Ihnen die Frage gestellt habe.

DR. SCHÄFER: Ist ja auch wurscht, Herr Jung, dass wir

ZUSATZ JUNG: Sie unterstellen mir hier ja was.

VORS. MAIER: Wir haben alle einen wunderbaren Protokollanten da drüben, das können wir also alles noch nachlesen.

DR. SCHÄFER: Wollen wir ihn gerade zur Sprache kommen lassen?

STS SEIBERT: Der Nachmittag wird es bringen.

DR. SCHÄFER: Über den Drohneneinsatz der amerikanischen Administration haben wir an dieser Stelle schon so häufig gesprochen, und die Haltung der Bundesregierung dazu, die Erwartung, dass das alles im Rahmen des Völkerrechts geschieht, hat sich überhaupt nichts geändert. Ob es wirklich so ist, wie Sie sagen, und ob man wirklich schon nach drei Monaten und ein paar zerquetschten Tagen sagen kann, dass der Einsatz von militärischen Drohnen durch die neue Administration massiv ausgeweitet worden ist, wie Sie das unterstellen diese Haltung mache ich mir ausdrücklich nicht zu eigen. Ich vermute eher, dass es zu früh ist, um das wirklich zu beurteilen.

Die Haltung der Bundesregierung ist genauso klar und eindeutig, wie sie es auch in der Vergangenheit gewesen ist. Das haben wir hier so häufig miteinander besprochen auch das lässt sich auf Ihren Videobändern ganz bestimmt nachschauen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer, wie viele US-Drohnenangriffe hat die Bundesregierung dieses Jahr bereits im Einzelfall untersucht und völkerrechtlich überprüft, und wo ist man zu einem Ergebnis gekommen? Sie prüfen ja jeden US-Drohnenangriff wegen Ramstein im Einzelfall; da muss es ja einmal ein Ergebnis geben.

DR. SCHÄFER: Wo Sie das her haben, weiß ich nicht.

ZUSATZ JUNG: Von ihnen.

DR. SCHÄFER: Ja?

ZUSATZ JUNG: Ja.

DR. SCHÄFER: Dann müssten wir das auch noch einmal nachschauen.

ZUSATZ JUNG: Gerne.

DR. SCHÄFER: Dann haben wir schon eine ganze Menge, was wir gemeinsam nachschauen müssen.

Ich habe an dieser Stelle immer wieder gesagt und das bekräftige ich gerne , dass es nicht so einfach ist weder völkerrechtlich noch in der Sache , einen einzelnen Einsatz oder die Drohnenpolitik insgesamt der Vereinigten Staaten von Amerika zu überprüfen; denn es gibt sehr viele rechtliche, tatsächliche und politische Faktoren, die man kennen muss und über die man Informationen braucht, um wirklich ein fundiertes Urteil zu fällen. Ich denke nicht, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bei jedem dieser Angriffe die Bundesregierung so mit Informationen versorgen, dass ein ausgewogenes und auf der Grundlage umfassender Sachverhaltsinformationen erfolgendes Urteil möglich wäre. Diese Verpflichtung haben die Amerikaner nicht weder völkerrechtlich noch empfinden sie das so. Deshalb sind wir bei diesen Fragen gehalten, uns an das zu halten, was es an öffentlich verfügbaren Informationen gibt, und das ist in der Regel nicht genug, um ein wirklich fundiertes Urteil zu fällen.

Ich kann nur noch einmal bekräftigen: Dass wir von allen unseren Partnern erwarten, dass sie sich an das halten, was das Völkerrecht vorgibt, und dass sie sich an das halten, was wir gemeinsam an Werten vereinbart haben, ist sonnenklar und offensichtlich.

ZUSATZ JUNG: Dass Sie das erwarten, ist mir klar, aber es ist Ihre Pflicht, da zu recherchieren bzw. nachzufragen und nicht nur auf Informationen aus der Öffentlichkeit oder auf Fragen in der BPK zu warten. Es ist Ihre Pflicht.

DR. SCHÄFER: Es ist nett, dass Sie das wiederholen, Herr Jung. Ich bin durchaus zuversichtlich, dass das Auswärtige Amt selber weiß, was es als seine Pflicht zu empfinden hat und als eine Pflicht zu übernehmen hat. Die wiederholte Anspielung auf die Umstände um den Standort und am Standort Ramstein ändert daran überhaupt nichts.

FRAGE JORDANS: Herr Seibert, weil Sie die gute Zusammenarbeit der Geheimdienste angesprochen haben: Soweit ich weiß, gehört dazu, dass man geheime Informationen nicht an Dritte ausplaudert. Gibt es angesichts dessen, was mit den israelischen Informationen passiert ist, irgendwelche Bedenken, deutsche Informationen ob zur Syrien, zur Ukraine oder zu anderen Hotspots an die USA weiterzugeben?

STS SEIBERT: Ich habe gerade gesagt, wie essenziell wichtig aus Sicht der Bundesregierung die internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste im Kampf gegen und im Schutz vor dem islamistischen Terror ist, und dem habe ich nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Dann muss ich aber noch nachfragen: Ist es für diese Zusammenarbeit denn wichtig, dass solche Informationen nur an diejenigen weitergegeben werden, für die sie bestimmt sind?

STS SEIBERT: Genauere Fragen zur nachrichtendienstlichen Tätigkeit und zu operativen Einzelheiten erklärt die Bundesregierung gerne den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages. Das gehört hier nicht her.

FRAGE JUNG: Herr Jessen hatte ja schon eine Frage zur konsularischen Betreuung von Deniz Yücel gestellt. Herr Schäfer, was ist mit Frau Tolu? In diesem Fall ist es ja völkerrechtlich zwingend, dass wir also das Auswärtige Amt, der Botschafter Zugang bekommen.

Wie erklären Sie sich, dass nach sechs Wochen Herr Yücel wieder besucht werden darf? Können wir damit rechnen, dass er in sechs Wochen wieder besucht werden darf, ist das jetzt eine Regelmäßigkeit?

DR. SCHÄFER: Das Erste, was ich dazu sagen möchte, betrifft den Fall Deniz Yücel: Unser Generalkonsul, Herr Birgelen, freut sich, dass er erneut die Gelegenheit bekommt, Deniz Yücel zu besuchen. Die beiden haben sich im Zuge der wie soll ich sagen? unfreiwillig gemeinsam verbrachten Zeit in Istanbul in den letzten Monaten gut kennengelernt, und wir verstehen das dann auch als einen Besuch der Ermutigung und der Ermunterung, sich von schwierigen Haftbedingungen und von einer insgesamt schwierigen Lage in dem Gefängnis und in seinem Ermittlungsverfahren nicht unterkriegen zu lassen.

Ich glaube, es macht keinen Sinn, Erklärungsversuche zu starten, warum gerade jetzt ein solcher Haftbesuch erneut genehmigt wurde und warum er vor einer Woche, zwei Wochen oder drei Wochen nicht genehmigt worden ist. Es fällt uns auch schwer zu verstehen, warum die Reise der Abgeordneten des Deutschen Bundestages aus dem Verteidigungsausschuss im Oktober möglich war wie gesagt, nach manchen diplomatischen Verrenkungen, die da gemacht wurden. Das ist schwer zu erklären. Ich fürchte, diese Frage können Sie nur an diejenigen richten, die diese Entscheidungen getroffen haben.

Dass wir in diesen beiden Fällen und auch in anderen Fällen darauf angewiesen sind, Kooperationsbereitschaft und Verständnis für unser Anliegen auf der türkischen Seite anzutreffen, ist offensichtlich, und wir werden nicht aufgeben, an diese Kompromissbereitschaft und das Verständnis jedenfalls zu appellieren und da auch immer wieder unsere Wünsche, ja unsere Forderungen und Erwartungen vorzutragen.

Ich bedauere, dass ich zum Fall Tolu nicht das Gleiche sagen kann wie zum Haftfall Yücel. Wir sind bei Frau Tolu weiter dabei, im türkischen Außenministerium auf den Wegen, die uns dafür zur Verfügung stehen, den zu Recht von Ihnen erfragten völkerrechtlichen Anspruch geltend zu machen den wir aber inzwischen bei der Mutter eines jungen zweijährigen Kindes natürlich auch als einen humanitären ansehen. Deshalb ist auch der Handlungsdruck jedenfalls auf unserer Seite groß genug, dass Sie versichert sein können, dass wir keinen Stein auf dem anderen lassen werden, um das hinzubekommen. Das bedeutet natürlich auch, dass wir das auf den dafür vorgesehenen diplomatisch-bürokratischen Wegen verfolgen, darüber hinaus aber auch nicht müde werden, das auch auf politischer Ebene immer wieder zur Sprache zu bringen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer, hat die Bundesregierung andere diplomatische Mittel bei Frau Tolu weil es ja ein völkerrechtlich zwingender Besuch ist als bei Herrn Yücel, oder basiert das alles immer noch auf Bitten, Hoffnungen und Versprechen?

DR. SCHÄFER: So wie beim Amtsrichter, wo man Mietrecht oder sonstige zivilrechtliche Angelegenheiten von einer dritten Instanz und einem unabhängigen Richter entscheiden lassen und dann auch mithilfe staatlichen Zwangs umgesetzt bekommt dann kommt eben der Zwangsvollstrecker mit dem Kuckuck und vollstreckt das , ist es im Völkerrecht leider nicht. Das Völkerrecht ist vielmehr beherrscht vom Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten, und aus völkerrechtlicher Sicht steht die Bundesrepublik Deutschland als der Heimatstaat von Frau Tolu gleichrangig und gleichwertig vor der Republik Türkei, in der die deutsche Staatsangehörige inhaftiert ist. Da mag es durchaus den einen oder anderen Weg geben, die Regelungen des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen sozusagen gerichtlich zu überprüfen oder gar einzufordern, aber den Gerichtsvollzieher mit dem Kuckuck kann Ihnen da niemand bereitstellen.

Deshalb sind wir, weil sich Frau Tolu im Herrschaftsbereich des türkischen Staates befindet, darauf angewiesen, dass sich die türkische Regierung überzeugen lässt, sich völkerrechtsgemäß zu verhalten das ist ein Ding der Selbstverständlichkeit und darüber hinaus mit uns gemeinsam daran zu arbeiten, diesen Fall und die anderen Fälle, die wir da gemeinsam zu lösen haben, auf eine humanitäre, faire, rechtsstaatliche Art und Weise zu lösen. Unsere Haltung dazu haben wir an dieser Stelle schon ganz häufig vorgetragen, und die ist auch unverändert.

FRAGE SCHELD: Herr Dr. Schäfer, die Beziehungen zur Türkei sind ja auch durch die türkischen Offiziere, die in Deutschland Asyl beantragt und erhalten haben, in Schwierigkeiten gekommen. Das war ja auch mit ein Grund dafür, dass die Bundestagsabgeordneten nicht nach Ýncirlik reisen konnten. Jetzt gibt es zusätzlich noch zwei Generäle, die in Frankfurt Asyl beantragt haben. Natürlich entscheidet nicht die Bundesregierung darüber, sondern das BAMF, aber der türkische Präsident neigt ja dazu, solche Dinge miteinander zu verknüpfen. Befürchten Sie jetzt, dass durch diese Generäle noch einmal eine zusätzliche Eskalation in diesen Streit hineinkommt?

DR. SCHÄFER: Als wir miterleben mussten, wie der türkische Wahlkampf um das Verfassungsreferendum herum insbesondere vom türkischen Staatspräsidenten genutzt wurden für Beleidigungen und auch Beschimpfungen gegenüber Deutschland, die wir für völlig unangemessen gehalten haben, haben wir auch Äußerungen aus der türkischen Staatsführung vernommen, die Zweifel daran haben wecken lassen können, wie das denn mit der Unabhängigkeit der Justiz ist. Da wurden vonseiten des türkischen Staatspräsidenten und anderen Vertretern der türkischen Regierung aus unserer Sicht eindeutige Vorverurteilungen von Herrn Yücel vorgenommen. Er wurde als Verräter bezeichnet, er wurde als Terrorist bezeichnet alles Dinge, die, wie ich glaube, mit der Unabhängigkeit der Justiz und der Gewaltenteilung jedenfalls nach unserem Verständnis nur schwer in Einklang zu bringen sind.

Weil gerade für uns sozusagen das montesquieusche Prinzip der Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz ein eherner Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit ist einer der wichtigsten Grundsätze unseres Grundgesetzes , kann ich auf Ihre Frage im Grunde nur antworten: Es mag so sein, dass das von türkischer Seite miteinander verknüpft wird. Ich kann Ihnen versichern, dass von dieser Seite aus und ich bin mir sicher, dass der Kollege aus dem Innenministerium das nur bestätigen kann niemand ich wiederhole: niemand Einfluss nimmt auf Entscheidungen in Anwendung von Art. 16 des Grundgesetzes oder andere Entscheidungen, die über die Frage von politischer Verfolgung oder humanitärer Aufnahmegründe getroffen werden. Das entscheidet vielmehr letztlich entweder das dafür zuständige Amt oder, falls erforderlich, die dafür zuständige unabhängige Justiz. Von dieser Seite aus, von uns werden Sie dazu keinen Kommentar bekommen.

FRAGE JUNG: Mich würde auch das Schicksal der anderen deutschtürkischen Inhaftierten interessieren. Herr Schäfer, wurden diese Inhaftierten jemals von deutscher Seite besucht? Welche Anstrengungen gibt es da, und wer sind diese Menschen?

DR. SCHÄFER: Ich hatte Ihnen, glaube ich, schon gesagt, dass wir bei den sechs Deutschen, um die es geht, vier Fälle von Doppelstaatlern haben, bei denen sich dann die gleiche völkerrechtliche Frage stellt, die wir im Fall Yücel schon so häufig miteinander besprochen haben. Auch wenn die Individuen, die da in Haft sind, nicht so sehr im Mittelpunkt der Öffentlichkeit sind, kann ich Ihnen versichern, dass wir uns in diesen Fällen genauso darum bemühen, die konsularische Betreuung hinzubekommen, so wie sich das gehört. Jetzt und hier das werden die Kollegen mir aber sicherlich gleich zuliefern bin ich nicht in der Lage zu sagen, ob es schon in all diesen sechs Fällen einen konsularischen Zugang gegeben hat. Bei Herrn Yücel wissen Sie, dass das so ist; bei Frau Tolu ist es eindeutig nicht so. Dann haben wir sozusagen noch vier offene Fälle, für die ich Ihnen dann vielleicht eine Antwort nachliefern kann.

FRAGE DR. MAYNTZ: Herr Seibert, unterstützt die Bundeskanzlerin die intensivierte Suche nach Alternativen zu Ýncirlik?

STS SEIBERT: Zunächst einmal ist die Haltung der Bundeskanzlerin ganz klar sie selber hat es ausgedrückt : Deutsche Abgeordnete müssen selbstverständlich deutsche Truppen im Auslandseinsatz besuchen können. Es ist der Bundestag, der solche Einsätze mandatiert, insofern ist das eine Selbstverständlichkeit. Diese Selbstverständlichkeit muss natürlich auch im Falle des deutschen Kontingents in Ýncirlik Realität werden. Schon als das Mandat ursprünglich beschlossen wurde, sind ja mögliche Alternativstandorte benannt und geprüft worden. Das hat man dann noch einmal intensiviert, als es das erste Mal Probleme mit einem Besuch von Bundestagsabgeordneten gab. Das Verteidigungsministerium hat jetzt erneut reagiert und wird weitere erforderliche Maßnahmen zur Prüfung einleiten darüber könnte Herr Nannt Ihnen gegebenenfalls mehr erzählen. Die Bundeskanzlerin unterstützt genau diese Linie.

FRAGE SCHELD: Daran anknüpfend eine Frage an Oberst Nannt zu Ýncirlik: Können Sie bestätigen, dass heute ein Erkundungstrupp nach Jordanien gefahren ist, um sich dort die Alternativen anzuschauen, und dass auch die Verteidigungsministerin selbst am Freitag dorthin reist?

Ergänzend dazu: Könnten Sie kurz erklären, warum Jordanien ein favorisierter Standort ist und nicht zum Beispiel Zypern? Mit meinem laienhaften geografischen Verständnis würde ich denken, dass sich von Zypern einfacher an die Standorte des sogenannten Islamischen Staats kommen lässt; noch dazu ist Zypern ein EU-Land.

NANNT: Dieses Thema wurde am Montag ja schon relativ ausführlich mit Herrn Flosdorff und Herrn Schäfer in der Regierungspressekonferenz besprochen. Es ist so, dass heute ein Erkundungsteam nach Jordanien fliegt. Das Erkundungsteam besteht aus mehreren Spezialisten, auch aus der Ebene des Ministeriums. Diese werden vor Ort in Jordanien noch einmal erkunden, wie die Situation derzeit aussieht. Wir hatten ja bereits vor einem guten halben Jahr Erkundungen durchgeführt, unter anderem in Jordanien, Zypern und Kuwait. Wir hatten damals festgestellt, dass Jordanien aus unserer Sicht insgesamt die günstigste Alternative wäre.

Sie fragten, woran das liegt: Die Geografie ist natürlich ein Faktor, aber ein Faktor von vielen. Es ist natürlich auch entscheidend, wie gut die Anbindung an andere Partnernationen ist und wie gut die Infrastruktur vor Ort ist haben wir Platz für unsere Flugzeuge? ; es gibt also viele Fragen, die wir dort klären müssen. In diesem Kenntnisstand kamen wir damals, vor einem guten halben Jahr, zu der Entscheidung, dass Jordanien die günstigste Alternative wäre. Auch Zypern wäre eine mögliche Alternative.

Wie gesagt, das Erkundungsteam ist jetzt vor Ort oder wird heute vor Ort sein. Die Ministerin selbst unternimmt an diesem Wochenende eine schon länger geplante Reise nach Jordanien. Sie wird dort als Co-Chairman am „ World Economic Forum on the Middle East and North Africa“ teilnehmen. Im Rahmen dieser Teilnahme wird sie am Freitag auch mit dem Erkundungsteam zusammentreffen und dort dann auch Sondierungsgespräche führen, Ergebnisse aus erster Hand bekommen und alles Weitere diskutieren.

Wie gesagt das war ja auch am Montag Thema ist damit noch keine Entscheidung über eine mögliche Verlegung getroffen worden, aber es sind die Maßnahmen, die wir hier bereits am Montag im Rahmen der Regierungspressekonferenz angekündigt haben.

FRAGE VALASSOPOULOS: Herr Nannt, ist auch Kreta eine Alternative?

NANNT: Ich habe gerade die Alternativen genannt: Jordanien, Zypern und Kuwait. Die erste Alternative, die wir jetzt prüfen, ist Jordanien.

ZUSATZFRAGE VALASSOPOULOS: Herr Seibert, gestern haben türkische Streitkräfte mehrfach den griechischen Luftraum sowie griechische Hoheitsgewässer verletzt, und es kam gestern zu zehn Scheingefechten zwischen griechischen und türkischen Flugzeugen. Was sagen Sie dazu, und was hat das damit zu tun, dass Griechenland türkischen Offizieren Asyl gegeben hat?

STS SEIBERT: Ich kenne diese Vorfälle ganz ehrlich gesagt nicht, und deswegen kann ich sie hier nicht kommentieren. Ich habe keine ausreichenden Informationen darüber.

FRAGE KELLER: Zum Thema Laptopverbot in Flugzeugen: Ich habe schon gelernt, dass dafür im Moment nicht das Verkehrs-, sondern das Innenministerium zuständig ist bzw. sich darum kümmert. Was ist dazu denn die Haltung der Bundesregierung, was tut sie dafür oder dagegen? Davon wäre ja auch die Wirtschaft betroffen, und sie befürchtet schon große Nachteile. Frau Alemany, ist das Wirtschaftsministerium da eingebunden?

DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage. Auch das war schon mehrfach Gegenstand der Sitzungen, die wir hier gemeinsam hatten. Ich will dennoch insbesondere, weil Sie so lange gewartet haben die Gelegenheit nutzen, dazu etwas zu sagen.

Wie Sie wissen, ist es so, dass die Amerikaner entsprechende Laptoptransportverbote für bestimmte Abflughäfen außerhalb Europas ausgesprochen haben, und wie Sie ebenso wissen, gibt es eine schon etwas länger andauernde Diskussion darüber, ob solche Verbote auch Abflughäfen aus Europa und insbesondere auch aus EU-Mitgliedstaaten treffen sollen. Dazu hat es am vergangenen Freitag unter anderem auch eine Telefonschaltkonferenz unter Teilnahme des amerikanischen Heimatschutzministers und einer Reihe von europäischen Innenministern, darunter auch des deutschen Innenministers, sowie Vertretern der EU-Kommission gegeben.

Im Rahmen dieser Telefonschaltkonferenz war man sich recht schnell einig, dass es insbesondere mit Blick auf die Ausgangssituation also mit Blick auf die Frage, was die Amerikaner zu diesen Maßnahmen veranlasst, und auf Grundlage dieser Tatsachenbasis dann eben auch mögliche Lösungsansätze einer weiteren vertieften Diskussion bedarf. Deswegen findet heute ziemlich genau ab jetzt eine Besprechung in Brüssel unter Beteiligung der europäischen Mitgliedstaaten, unter Beteiligung der Kommission und unter maßgeblicher Beteiligung von Vertretern des amerikanischen Heimatschutzministeriums statt. Deutschland ist an dieser Besprechung durch das BMI, durch Staatssekretärin Dr. Haber, vertreten. Dort wird, wie gesagt, zunächst einmal der Sachverhalt zu erheben und zu besprechen sein, und dann das sicherheitsmäßig Gebotene und das wirtschaftlich Vernünftige und Machbare zu entscheiden sein.

Ich kann allerdings nicht einmal vorhersagen, ob es tatsächlich heute zu einer finalen Entscheidung kommt; denn das hängt natürlich sehr davon ab, ob und inwieweit es gelingt, den Sachverhalt abschließend zu klären. Jedenfalls soll das Gespräch eine gemeinsame Basis diesbezüglich erbringen, um dann möglichst im europäischen Kontext das zielt dann auch ein Stück weit auf den wirtschaftspolitischen Teil des Sachverhalts ab eine gleichlautende und gleichlaufende Entscheidung herbeizuführen.

ALEMANY: Wie der Kollege ja schon sagte, wird der Sachverhalt derzeit besprochen. Natürlich ist unser Interesse als Wirtschaftsministerium immer, dass da eine wirtschaftlich vernünftige Lösung herbeigeführt wird.

Vielleicht darf ich aber die Gelegenheit nutzen, um die Antwort auf die Frage des Kollegen aus den Niederlanden zum Tourismuspolitischen Bericht 2017 nachzureichen. Gott sei Dank ist im Tourismus die Welt noch in Ordnung: Mit weitem Abstand auf Platz eins bei den ausländischen Übernachtungen in Deutschland liegen natürlich die Niederlande mit 11,3 Millionen Übernachtungen, noch vor der Schweiz mit 6,6 Millionen und den USA mit 5,7 Millionen ob mit oder ohne Wohnwagen, wird von uns nicht erfasst.

STS SEIBERT: Wir freuen uns darüber.

FRAGE VALASSOPOULOS: Herr Seibert, gab es gestern ein Telefongespräch zwischen Frau Merkel und Herrn Tsipras?

STS SEIBERT: Ja, das gab es gestern Nachmittag. Wollen Sie ein bisschen mehr darüber wissen?

ZUSATZFRAGE VALASSOPOULOS: Ja, natürlich!

STS SEIBERT: Na gut. Sie können sich vorstellen, dass eines der Themen die derzeit laufende zweite Programmüberprüfung war. Darüber zu entscheiden ist natürlich weiterhin Sache der Institutionen und der Eurogruppe. Es sind Fortschritte erzielt worden. Die Eurogruppe wird sich ich glaube, am 22. Mai erneut mit dem Thema befassen. So wie alle Beteiligten würde sich natürlich auch die Bundesregierung freuen, wenn es zu einer positiven Bewertung käme. Dazu, wann es diese positive Bewertung geben wird, habe ich hier keine Erwartungen auszudrücken, und die Bundeskanzlerin hat es auch nicht getan.

ZUSATZFRAGE VALASSOPOULOS: Was meinen Sie damit, dass Sie das nicht wissen? Meinen Sie „nicht in dieser Eurogruppensitzung“?

STS SEIBERT: Was ich meine ist, dass sich die Eurogruppe und da ist dieses Thema auch genau richtig aufgehoben am 22. Mai erneut damit befassen wird, dass Fortschritte gemacht worden sind und dass wir uns natürlich ich denke, wie alle anderen Beteiligten wünschen, dass es zu einem bestimmten Punkt zu einer positiven Bewertung kommen kann, aber dass ich nicht in der Lage bin zu sagen, wann dieser Punkt erreicht sein wird.

FRAGE PAPPAS: Herr Seibert, laut dem Büro von Herrn Tsipras in Athen soll die Bundeskanzlerin eine Einigung am 22. Mai, also in der nächsten Sitzung der Eurogruppe, also notwendig und auch möglich bezeichnet haben. Können Sie das bestätigen?

STS SEIBERT: Nein, das kann ich nicht. Deswegen habe ich mir hier so ausgedrückt, wie ich mich ausgedrückt habe.

ZUSATZFRAGE PAPPAS: Eine zweite Frage, an Herrn Kolberg: Wie sieht das Bundesfinanzministerium die Eurogruppensitzung am 22. Mai? Sieht es eine Lösung ebenfalls als notwendig und möglich an?

KOLBERG: Ich denke, Herr Seibert hat zu dem Thema alles gesagt. Am 22. Mai wird über das Griechenland-Programm gesprochen. Die zweite Programmüberprüfung läuft. Ziel ist es, dass wir zum Abschluss kommen. Ob wir zum Abschluss kommen können, wird sich dann zeigen. Aber wir können nicht jetzt schon sagen, was in der Sitzung herauskommen wird. Deswegen macht man ja die Sitzung.

ZUSATZFRAGE PAPPAS: Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Tranche an Griechenland ist eine Einigung auch mit dem IWF. Wenn diese Einigung mit dem IWF nicht nächsten Montag zustande kommen wird, reicht dann die Zeit für die Auszahlung an Griechenland bis Juli aus?

KOLBERG: Über Zeitpläne würde ich jetzt ungern spekulieren wollen. Wie wir eben schon mehrfach gesagt haben, treffen wir uns am 22. Mai mit den Parteien, die dort am Tisch sind, mit den Institutionen, mit Griechenland. Die Finanzminister werden sich dann zu dem Thema austauschen. Ziel ist es, dass es einen Abschluss gibt. Wir hoffen, dass wir dieses Ziel erreichen können.

FRAGE: Ich habe eine Frage an das BMI. Heute ist im Kabinett Herr Karl als Leiter der ZITiS bestätigt worden, wenn ich richtig informiert bin. Könnten Sie bitte kurz schildern, welche Aufgaben ZITiS haben soll und ob nicht vielleicht das Risiko besteht, dass diese Behörde ähnlich wie es mit der NSA bei WannaCry gelaufen ist , wenn Sie über Sicherheitslücken Bescheid weiß, dies möglicherweise lieber ausnutzen möchte, anstatt sie zu schließen?

DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage. Sie zielt ja ein bisschen von hinten durch die Brust ins Auge. Tatsächlich ist die von Ihnen benannte Personalie heute im Kabinett positiv zur Kenntnis genommen worden. Das ist, denke ich, die richtige Formulierung.

Bevor ich Ihnen an dieser Stelle gern kurz erläutere, was diese neue Stelle leisten soll, will ich konkret auf Ihre Frage eingehen, die letztlich ja auf die Kritik nach dem sogenannten WannaCry-Angriff am Wochenende abstellt, dass Nachrichtendienste bestehende Sicherheitslücken für eigene Zwecke ausnutzen, statt sie den entsprechenden Behörden oder den betroffenen Verbrauchern zur Kenntnis zu geben, damit sich diese gegebenenfalls schützen können. Unabhängig von der grundsätzlichen Frage ist bei dem konkreten Sachverhalt darauf hinzuweisen, dass die in diesem Fall ausgenutzte Schwachstelle von MicroSoft bereits Mitte März, also ca. einen Monat vor der Veröffentlichung, durch einen Patch geschlossen wurde. Die Behauptung, in diesem Fall habe ein Schaden eintreten können, weil Sicherheitsbehörden auf irgendwelchen exklusiven Erkenntnissen gesessen hätten, ist also schlichtweg abwegig. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Sicherheitslücke war bekannt, und von MicroSoft war eine Lösung in Form eines sogenannten Patches angeboten und veröffentlicht worden. Die Betroffenen hätten also schlichtweg von diesem Angebot Gebrauch machen müssen, sodass dieser Sachverhalt möglicherweise viele Fragen aufwirft, aber sicherlich nicht Anlass ist für die von Ihnen aufgeworfene Frage nach dem Umgang von Sicherheitsbehörden mit sogenannten Zero-Day-Exploits. Denn es handelte sich hier gerade nicht um einen sogenannten Zero-Day-Exploit.

Zu Ihrer grundsätzlichen Frage nach der Aufgabenstellung von ZITiS: Aufgrund einer Reihe von technischen Fortentwicklungen ist der Befund schlicht so, dass Sicherheitsbehörden im Geschäftsbereich des Innenministeriums also vor allem das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei sowie, soweit entsprechende Befugnisse bestehen, auch das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht in der Lage sind, diese Befugnisse effektiv und umfänglich auszuüben.

Was meine ich damit? Es gibt gesetzliche Vorgaben, unter denen beispielsweise Telekommunikationsüberwachung bei der Ermittlung gegen Schwerstkriminalität stattfinden darf. Wenn man aber feststellen muss, dass diese unter hohen rechtsstaatlichen Hürden rechtlich vorgesehenen Befugnisse ins Leere laufen, weil beispielsweise technische Wege der Fernkommunikation genutzt werden, die eine Überwachung schlichtweg nicht oder jedenfalls nicht mit verhältnismäßigem Aufwand zulassen also zum Beispiel bestimmte internetbasierte Kommunikationsdienste , dann ist dieser Befund aus unserer Sicht nicht zufriedenstellend. Es kann nicht sein, dass solche rechtsstaatlich angezeigten und, wie gerade gesagt, unter hohen Voraussetzungen möglichen Maßnahmen mehr und mehr ins Leere laufen, weil technische Fortentwicklungen den legitimen und im Einzelfall gerechtfertigten Zugriff von Sicherheitsbehörden ausschließen.

Deswegen ist die Überlegung: Es macht mehr Sinn, Know-how zentral an einer Stelle im Geschäftsbereich des Ministeriums zu bündeln, um gemeinsam auf einer abstrakten Ebene also nicht im konkreten Einsatz darüber nachzudenken, welche Instrumente es geben kann, um gegen diesen Befund vorzugehen und die daraus gewonnenen und gezogenen Erkenntnisse dann allen Behörden im Geschäftsbereich des BMI zur Verfügung zu stellen, anstatt diesen sowohl kosten- als auch personalintensiven Aufwand an verschiedenen Stellen des Innenministeriums zu betreiben, obwohl die technischen Fragestellungen häufig doch sehr ähnlich sind.

Das ist, grob umrissen, das, was ZITiS leisten soll und wovon wir uns einen großen Mehrwert versprechen, was die Aufgabenwahrnehmung der Sicherheitsbehörden im Geschäftsbereich des BMI betrifft.

ZUSATZFRAGE: Die Aufgabe von ZITiS soll aber doch auch sein, Sicherheitslücken oder Schwachstellen, die sie nutzen können, zu entdecken, oder nicht?

DR. DIMROTH: Das wäre so jedenfalls verkürzt. In Deutschland gibt es eine Behörde, die unter anderem dafür zuständig ist, solche Schwachstellen zu entdecken und etwas dagegen zu unternehmen. Das ist das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik, das dies auch tut und im Übrigen auch in diesem Fall sehr frühzeitig auf entsprechende Lösungsmöglichkeiten hingewiesen und die Unternehmen der kritischen Infrastrukturen über entsprechende Netzwerke sehr frühzeitig informiert hat. Überdies sieht es im Rahmen der Vorgaben aus dem IT-Sicherheitsgesetz entsprechende Mindeststandards für die Betreiber kritischer Infrastrukturen vor und wird noch dazu im Rahmen entsprechender Meldepflichten über entsprechende Angriffe informiert. Diese Behörde ist dafür zuständig, solche Sicherheitslücken zu entdecken, davon Kenntnis zu erhalten und dagegen vorzugehen.

Noch einmal: Der Ansatz von ZITiS ist zunächst einmal der, die Sicherheitsbehörden so mit technischen Instrumenten auszustatten und zu ertüchtigen, dass sie ihre gesetzlich vorgegebenen Aufgaben mit den dafür gesetzlich vorgesehenen Befugnissen effektiv wahrnehmen können.

DR. SCHÄFER: Auf die entsprechende Frage von vorhin kann ich sagen: Von den sechs Fällen deutscher Staatsangehöriger, die in der Türkei in Haft sind, konnten in drei Fällen zum Teil mehrfach Haftbesuche stattfinden, unter anderem im Fall von Deniz Yücel. Es gibt drei Fälle, darunter den Fall von Frau Tolu, in denen das nicht genehmigt worden ist.

Auch hier geht es zwischen nur deutschen Staatsangehörigen und deutsch-türkischen Staatsangehörigen ein wenig kreuz und quer geht. Das heißt, es hat auch Haftbesuche bei deutschen Staatsangehörigen gegeben, die auch die türkische Staatsangehörigkeit hatten. Die Gründe, warum es im einen Fall Ja hieß und im anderen Fall Nein, sind mir jedenfalls schleierhaft.

FRAGE: Ich habe eine Frage zu den Cyberattacken von dieser Woche. Sie richtet sich zunächst an das BMI. Gibt es Überlegungen, dass Unternehmen, die zur kritischen Infrastruktur gehören, alle XP-Systeme bzw. alle Systeme, die nicht sofort entsprechenden Sicherheitsupdates unterliegen, vom Netz nehmen müssen? XP ist ja generell, jenseits der jetzigen Angriffe, ein Sicherheitsmanko, weil es eben nicht mehr regelmäßig Updates gibt.

DR. DIMROTH: Auch da ist, denke ich, ein Stück weit zu unterscheiden. Ich habe heute mit großer Überraschung zur Kenntnis genommen, dass in einer deutschen Tageszeitung die Forderung erhoben wird, man müsse hierbei regulativ vorgehen. Das ist, ehrlich gesagt, in Deutschland als einem der ersten EU-Mitgliedsstaaten schon vor geraumer Zeit geschehen, und zwar in Form des sogenannten IT-Sicherheitsgesetzes. Wir haben eine Cyber-Sicherheitsstrategie 2.0, die weltweit Anerkennung findet. Insofern muss ich erst einmal vor die Klammer ziehen: Hierzu ist in Deutschland eine Menge geschehen. Ich denke, man kann selbstbewusst sagen, dass wir damit in Europa zumindest in der Spitze, wenn nicht sogar ganz vorn sind.

Was Ihre Frage nach konkreten Maßnahmen mit Eingriffscharakter in Bezug auf bestimmte Unternehmen angeht, so ist auch dabei zu differenzieren. Das IT-Sicherheitsgesetz gibt dem BSI überhaupt nur eine Befugnis an die Hand, soweit es sich um sogenannte kritische Infrastrukturen handelt. Das ist auch gut und richtig so. Denn Maßnahmen, die regulativen Charakter haben, unterliegen immer dem Aspekt der Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Insofern muss man da sicherlich irgendwo eine Grenze ziehen.

Für die kritischen Infrastrukturen sieht das IT-Sicherheitsgesetz im Kern zwei Dinge vor:

Einerseits gibt es die Vorgabe von einzuhaltenden IT-Sicherheitsstandards. Darunter kann das von Ihnen aufgeworfene Thema falle. Ich bin, ehrlich gesagt, technisch nicht hinreichend affin, um Ihnen das jetzt aufzulösen. Aber es gibt eben eine Vorgabe in Bezug auf das Mindestniveau für Betreiber kritischer Infrastrukturen und die von ihnen eingesetzte IT. Das mag ein Punkt sein, der darunterfällt; das müsste man gegebenenfalls beim BSI nachfragen respektive auf dessen Webseite nachschauen.

Das andere ist die Frage der Meldepflicht. Das heißt, bei einem erheblichen IT-Sicherheitsangriff entsteht die Pflicht des betroffenen Unternehmen, dies an das BSI zu melden, damit dort ein nationales IT-Sicherheitslagebild erstellt werden kann und mögliche Angriffsmuster erkannt werden können, um Dritte, die von vergleichbaren Angriffen potenziell getroffen werden könnten, frühzeitig zu informieren.

All das sieht das IT-Sicherheitsgesetz heute vor. Das ist aus unserer Sicht ein vernünftiger und passgenauer regulativer Rahmen.

Ihre konkrete Frage, ob das von Ihnen beschriebene Problem bei der benannten Software darunterfällt, kann ich Ihnen nicht auflösen. Ich würde Sie bitten, dazu tatsächlich beim BSI nachzufragen.

ZUSATZFRAGE: Wenn das nicht geregelt wäre, sehen Sie die Möglichkeit, dass es bei dieser Frage tatsächlich Nachbesserungsbedarf bei dem IT-Sicherheitsgesetz gibt, dass man von der Politik vielleicht auch konkret einen Katalog abgibt?

DR. DIMROTH: Nein. Das IT-Sicherheitsgesetz sieht in diesem Punkt einen kooperativen Ansatz vor. Es macht, denke ich, auch wenig Sinn, in ein Gesetz, das der Natur der Sache nach ein relativ starres Regelungsinstrument ist, technische Details hineinzuformulieren, die morgen aufgrund der technischen Fort- und Weiterentwicklung schon überholt wären. Ich denke, das wäre der falsche regulative Ansatz. Deswegen muss sich ein Gesetz immer auf abstrakte Vorgaben beschränken, die dann entweder in Form von Verordnungen oder wie hier in Form von selbstregulativen Ansätzen im kooperativen, gemeinsamen Vorgehen konkretisiert werden. Ein Gesetz ist jedenfalls aus meiner Sicht die falsche Stelle für die Regelung einer so konkreten technischen Implikation, wie von Ihnen beschrieben.

FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, ich habe eine Frage zu dem heutigen Termin der Kanzlerin, zu dem Treffen mit den Vertretern der Russlanddeutschen, auch wenn es nicht presseöffentlich ist. Mich interessiert, ob es eine Premiere ist, was der Anlass für ein solches Treffen ist und vielleicht ein paar technische Details: Wie viele sind eingeladen? Wie lang soll das Treffen dauern?

STS SEIBERT: Zumindest auf der Ebene der Bundeskanzlerin hat es ein solches Treffen in den vergangenen Jahren nicht gegeben. Aber Sie können sicher sein, dass es zwischen der Bundesregierung und dieser Bevölkerungsgruppe immer wieder enge Kontakte gibt. Sie wissen, dass wir mit Hartmut Koschyk einen Beauftragten haben, der diese Kontakte pflegt.

Ich kann Ihnen, ehrlich gesagt, jetzt nicht aus dem Kopf sagen, wie viele Menschen daran heute teilnehmen werden. Ich schaue einmal, ob ich das irgendwo in meinen Unterlagen finde, bin aber eher skeptisch. Es werden also, wie gesagt, Herr Koschyk, der Beauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten dabei sein, Vertreter der Russlanddeutschen, der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland sowie gesellschaftspolitisch engagiert Jugendliche. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Vielleicht kann ich Ihnen die Zahl und ein paar Details noch nachreichen.

Grundsätzlich will ich sagen: Es gibt eine Zahl, die, denke ich, einiges ein wenig klarmacht: Zwischen 1950 und 2014 haben 2,4 Millionen Menschen als Aussiedler oder als Spätaussiedler aus der damaligen bzw. ehemaligen Sowjetunion den Weg nach Deutschland gefunden. Das heißt, das ist eine nennenswerte Gruppe innerhalb der deutschen Bevölkerung. Es ist gut und richtig, mit ihnen über alles, was Thema sein mag, das Gespräch zu suchen. Sie haben zum Teil andere Prägungen und andere Erfahrungen mitgebracht. Wie ist Integration gelungen? Wo hapert es noch? Das sind mögliche Fragen dieses Gesprächs. Es wird sehr offen geführt werden.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Wäre der „Fall Lisa“ auch ein Thema in diesem Gespräch?

STS SEIBERT: Ich kann dem Gespräch nicht vorgreifen und habe Ihnen keine abschließende Themenliste mitgebraucht. Der „Fall Lisa“ hat uns jedenfalls gezeigt, dass es in Teilen dieser Bevölkerungsgruppe leider eine große Offenheit für Desinformation, die in diesem Fall aus Russland kam, gab. Das ist sicherlich keine Aussage über die gesamte Gruppe der Russlandstämmigen oder der Russlanddeutschen. Aber in einem Teil dieser Gruppe hat es eine Offenheit dafür gegeben, das war sichtbar.

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