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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 1. August 2018

Politische Gründe ► RegPK vom 1. August 2018

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung des Sondervermögens „Digitale Infrastruktur“, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals, Auswirkungen der anhaltenden Trockenheit für die deutsche Landwirtschaft), Forderung des sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten nach Abschiebungen nach Syrien, Erwerbe inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren, Sperrung von Fake-Accounts durch Facebook, Justizreform in Polen, Fall Sami A., Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes zum Anstieg der Bevölkerung mit Migrationshintergrund 2017, Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, Aufnahme von Mitgliedern der syrischen Weißhelme in Deutschland, mögliche neue Fabrik für E-Autos und Batterien im Saarland oder in Rheinland-Pfalz, Medienberichte über die Verbringung von aus Seenot Geretteten in einen libyschen Hafen, mögliche Auswirkung einer kürzlich erfolgten Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank auf einen geplanten Bargeldtransfer von Deutschland in den Iran, italienische Forderungen nach einer Änderung des Operationsplanes der Operation Sophia

Ohne naive Fragen heute.

Themen:
Kabinett  01:50
Dürre  08:00
Mitwirkungspflichten Asylverfahren  12:49
Investitionsprüfverfahren  15:30
Wahlmanipulation USA  30:05
Polen  32:47
Rückholung Sami A.  34:25
Umsatzsteuer  36:03
Migrationshintergrund  38:22
Zuwanderung  24:14
Weißhelme  43:47
Tesla-Werk  45:15
Seenotrettung/Libyen  36:24
Bundesbank / Iran / Nuklearabkommen  49:25
Seenotrettung 51:10
Sami A. 01:00:49

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 1. August 2018:

SRS’IN DEMMER: Das Kabinett hat heute unter der Leitung des Vizekanzlers Olaf Scholz getagt.

Die Bundesregierung geht künftig verstärkt gegen Umsatzsteuerbetrug im Online-Handel vor. Damit setzt sie eine Vereinbarung des Koalitionsvertrags um. Wir dulden nicht, dass Händler auf Online-Marktplätzen handeln, ohne dafür Umsatzsteuer abzuführen. Insbesondere Händler, die im Ausland sitzen, sind für den Fiskus selbst ja nicht greifbar. Deshalb wollen wir die Betreiberinnen und Betreiber elektronischer Marktplätze mehr in die Verantwortung nehmen und damit die ehrlichen Unternehmen vor Wettbewerbsnachteilen schützen. Dazu hat das Kabinett heute beschlossen, dass die Betreiber von Online-Marktplätzen zukünftig bestimmte Daten über die dort tätigen Händler vorhalten und unter bestimmten Voraussetzungen auch für vom Händler nicht abgeführte Umsatzsteuer haften müssen.

Im verabschiedeten Gesetzentwurf wurde auch die Begünstigung der privaten Mitbenutzung von Elektro- und Hybridelektro-Firmenwagen vereinbart. Die private Mitbenutzung eines Firmenwagens ist von Selbstständigen und Arbeitnehmern heute mit 1 Prozent des Listenpreises zu versteuern. Für die zwischen 2019 und 2021 angeschafften oder geleasten Elektro- und Hybrid-Firmenwagen halbieren wir den steuerlichen Anteil. Damit wollen wir die Anschaffung von Elektro- und Hybridfahrzeugen in Deutschland beschleunigen.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf eine Vielzahl von Regelungen quer durch das Steuerrecht.

Des Weiteren hat das Bundeskabinett heute auch vom Bundesminister der Finanzen vorgelegt den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung des Sondervermögens „Digitale Infrastruktur“ beschlossen. Mit dem Digitalinfrastrukturfondsgesetz wird die Grundlage für die Bereitstellung von Mitteln zur Förderung des Gigabitnetzausbaus und zur Umsetzung des Digitalpaktes Schule geschaffen. Unterstützt werden sowohl der Ausbau von Gigabitnetzen auf Glasfaserbasis insbesondere in ländlichen Regionen als auch der Aufbau und die Verbesserung der digitalen Infrastruktur in Schulen. Das Sondervermögen wird grundsätzlich aus den Einnahmen aus der anstehenden Vergabe von Mobilfunklizenzen gespeist. Um möglichst rasch mit der Umsetzung beginnen zu können, wird das Sondervermögen aus dem Bundeshaushalt eine Anschubfinanzierung in Höhe von 2,4 Milliarden Euro erhalten.

Die Bundesregierung hat heute auch einen vom Bundesinnenminister vorgelegten Gesetzentwurf beschlossen, mit dem das Asylgesetz geändert wird. Konkret geht es dabei um Folgendes: Mit dem Gesetzentwurf sollen Schutzberechtigte in Widerrufs- und Rücknahmeverfahren in Asylsachen zur Mitwirkung verpflichtet werden. Bislang sieht das geltende Asylgesetz eine ausdrückliche Regelung zur Mitwirkungspflicht der Betroffenen lediglich im Asylantragsverfahren vor, nicht aber in Widerrufs- und Rücknahmeverfahren. Durch die gesetzliche Festlegung wird künftig das Verfahren derart ausgestaltet, dass dem BAMF durch die Mitwirkung mehr Informationen vorliegen und damit die Prüfung von Widerrufs- und Rücknahmeverfahren umfassend und effektiver durchgeführt werden kann. Der Gesetzentwurf setzt auch eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um.

Heute im Kabinett beschlossen wurde auch das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals. Dabei geht es um bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege. Mit einem „Sofortprogramm Pflege“ sollen spürbare Entlastungen im Alltag der Pflegekräfte umgesetzt werden.

In der Krankenpflege werden künftig die Kosten für jede neue Pflegekraft und die Aufstockung von Teilzeitstellen voll von den Kostenträgern übernommen. Auch Tariferhöhungen für Stellen von Pflegekräften werden die Kostenträger künftig vollständig refinanzieren.

Zudem wird das mit dem Krankenhausstrukturgesetz eingeführte Pflegestellen-Förderprogramm über das Jahr 2018 hinaus fortgeführt und auch ausgebaut. Die bisherige Eigenbeteiligung der Krankenhäuser in Höhe von 10 Prozent soll künftig entfallen.

Der in der letzten Legislaturperiode gebildete Krankenhausstrukturfonds wird ab 2019 für weitere vier Jahre mit einem Volumen von 1 Milliarde Euro jährlich fortgesetzt. Der Fonds stellt unter anderem Mittel zur Verfügung, um die Struktur der akutstationären Versorgung zu verbessern. Dies kann zum Beispiel durch die Bildung von Zentren mit besonderer medizinischer Kompetenz für seltene oder schwerwiegende Erkrankungen erfolgen. Auch Investitionen in Ausbildungsstätten und die telemedizinische Vernetzung von Krankenhäusern sind künftig förderungsfähig.

Der Gesetzentwurf sieht vor, Neueinstellungen auch in der Altenpflege zu fördern. Insgesamt können 13 000 zusätzliche Stellen entstehen, die von der Krankenversicherung in vollem Umfang finanziert werden.

Entbürokratisierung der Pflegedokumentation, Abrechnung von Pflegeleistungen, Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Pflegeheimen, Videosprechstunden – das sind jetzt nur einige Beispiele dafür, wo digitale Anwendungen Pflegekräfte entlasten können. In den Jahren 2019 bis 2021 soll jeder ambulanten und stationären Pflegeeinrichtung ein einmaliger Zuschuss für digitale Maßnahmen bereitgestellt werden. Der maximale Förderbetrag je Einrichtung beträgt 12 000 Euro bzw. 40 Prozent der anerkannten Maßnahme.

Dann hat die Bundeslandwirtschaftsministerin heute auch noch über die Dürre in Deutschland informiert. Die Bundesregierung beobachtet die Auswirkungen der anhaltenden Trockenheit für die deutsche Landwirtschaft mit Sorge. Sie sind für viele Betriebe existenzbedrohend. Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat also heute im Kabinett darüber informiert. Danach ist stellenweise auch die Futterversorgung viehhaltender Betriebe gefährdet. Die Bundesregierung wird rasch nach Vorlage verlässlicher Zahlen über die Möglichkeit von Bundeshilfen entscheiden. Im gestrigen Bund-Länder-Gespräch wurde sich darauf verständigt, dass die Länder die für eine Prüfung von Hilfen notwendigen Daten so schnell wie möglich liefern.

Das wäre es von mir.

FRAGE HELLER: Zum letzten Punkt, dem Bericht der Agrarministerin zur Dürre: Sie sagten, die Bundesregierung werde so rasch wie möglich entscheiden. Bedeutet die Tatsache, dass Sie die Vorlage des Ernteberichts nicht mehr erwähnen, dass angesichts der Notlage in vielen Agrarbetrieben womöglich doch schon vor der Vorlage des Ernteberichts von der Bundesregierung entschieden werden wird, ob sie die Grundlage dafür schafft, selbst helfen zu können?

SRS’IN DEMMER: Ich würde da die Landwirtschaftsministerin selbst hat ja um 12 Uhr die Presse informiert das Ressort noch einmal um Details bitten.

BÜRGELT: Ich muss Sie leider enttäuschen: Das heißt nicht, dass Mittel vor der Vorlage des offiziellen Ernteberichts fließen werden. Man muss sich dabei wirklich auf die Zahlen und Fakten verlassen. Sie können sich gerne auch noch einmal das Statement der Ministerin online anschauen; es wird sicherlich innerhalb weniger Minuten online sein. Sie hat, wie gesagt, um 12 Uhr die Pressekonferenz gegeben. Das bedeutet, wie wir an dieser Stelle auch schon immer betont haben, dass wir den Erntebericht abwarten müssen.

Was aber tatsächlich der Fall ist Frau Demmer hatte es schon erwähnt , ist, dass natürlich auch die Futtermittelversorgung knapp werden kann. Auch dabei muss man regional unterscheiden. Es ist nicht flächendeckend so. Hierzu müssen aber die Länder Daten liefern. Man hatte ja gestern im Bund-Länder-Gespräch dazu auch vereinbart, dass die Länder so schnell wie möglich Daten an den Bund übermitteln werden, sodass der Bund das dann in Zusammenarbeit mit den Ländern, die auch individuelle Programme für ihre Landwirte bzw. ihre viehhaltenden Betriebe stricken können, eventuell unterstützen kann. Aber auch dafür muss man erst die Daten und Fakten abwarten.

FRAGE: Wie steht die Bundesregierung denn zu der Forderung des Bauernverbands nach einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage?

BÜRGELT: Die Forderungen sind bekannt. Auch hier muss man weiter abwarten. Man befindet sich darüber innerhalb der Bundesregierung in Rücksprache. Wenn Sie Nachfragen zu genaueren Fakten haben, kann ich Ihnen die aber gerne nachliefern. Wir können gerne noch einmal in einen Austausch eintreten.

FRAGE BUCHHOLZ: Meine Frage ist, ob der Ministerin auch Fälle in anderen europäischen Ländern bekannt sind, in denen sich die Hitze so ausgewirkt hat, oder ob es da eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene gibt.

BÜRGELT: Natürlich ist bekannt, dass es auch in anderen Ländern besondere Hitze gibt. Dazu kann ich Ihnen jetzt aber als Bundeslandwirtschaftsministerium keine weiteren, näheren Auskünfte geben.

Was der Fall ist, ist, dass sich die Bundesministerin auch an Kommissar Hogan wenden wird, um alle Regelungen anzuwenden, die auf europäischer Ebene allerdings hinsichtlich der Hilfe in Deutschland möglich sind, und damit von europäischer Seite auch dafür gesorgt wird.

FRAGE MARSCHALL: Ich wollte Frau Demmer fragen, ob sie uns sagen kann, ob es im Kabinett zu dem Bericht von Frau Klöckner eine kleine Diskussion gab und was so im Kabinett dazu erörtert wurde.

SRS’IN DEMMER: Wie Sie wissen, sind die Kabinettsitzungen ja vertraulich. Die Ministerin hat ausführlich über den Sachstand informiert, und dabei belasse ich es.

FRAGE LANGE: Zunächst habe ich die Bitte an das BMEL, dass Sie diese Fakten hinsichtlich des Risikoausgleichs vielleicht über den großen Verteiler verschicken. Mich interessiert auch, wie da der Stand ist und wie Sie das ordnungspolitisch einordnen, weil das Wesen von Landwirtschaft ja ist, dass es einmal gute und einmal schlechte Ernten gibt. Vielleicht können Sie das dann

BÜRGELT: Ja, sehr gerne.

ZUSATZFRAGE LANGE: Die eigentliche Frage wäre dann: 2003 gab es Nothilfen. Ist Ihnen bekannt, ob die eigentlich jemals wieder zurückgezahlt wurden? Müssen die zurückgezahlt werden? Nach 2003 gab es nämlich auch wieder gute Ernten, an denen die Landwirte prächtig verdient haben.

BÜRGELT: Ob Rückzahlungen erfolgt sind, müsste ich auch nachliefern.

FRAGE BUSCHOW: Die Frage geht an das BMI und betrifft den Gesetzentwurf in Bezug auf Mitwirkungspflichten beim Widerrufsverfahren. Ich würde gerne einmal nach drei Zahlen fragen, erstens: Wie oft kommt es denn vor vielleicht können Sie da einen Prozentwert nennen , dass Asylsuchende bzw. Schutzberechtigte nicht an diesem Widerrufsprüfverfahren teilnehmen?

Die zweite Frage: Wie hoch ist das Zwangsgeld, das der Gesetzentwurf da künftig als Strafe vorsieht?

Die dritte Frage: Der Minister hat auch erklärt, dass damit alle Verfahren ab 2015 noch einmal gründlich überprüft werden sollen. Was bedeutet das konkret? Ich vermute, dann fallen auch alle Verfahren, die im schriftlichen Verfahren entschieden wurden, darunter. Wie viele sind das insgesamt?

PETERMANN: Die Zahlen kann ich Ihnen hier, offen gestanden, nicht nennen. Das müssten wir nachliefern. Ich habe die nicht dabei.

Aber grundsätzlich ist es so, dass alle Asylentscheidungen nach einem Ablauf von drei Jahren überprüft werden müssen; das ist gesetzlich so vorgesehen und soll auch geschehen. Bisher war die Mitwirkung des Betroffenen freiwillig. Das heißt, der Betroffene hat ein Schreiben bekommen und wurde zur Mitwirkung aufgefordert, musste dem aber nicht nachkommen, sodass sich das BAMF auf andere Beweismittel oder Entscheidungsrückläufe beziehen musste. Die Mitwirkung des Betroffenen kann aber im Einzelfall auch sehr entscheidend sein, und deswegen war dieser Punkt sehr wichtig. Er findet sich auch im Masterplan wieder und ist somit auch ein Schritt zur Umsetzung des Masterplans.

VORS. WELTY: Sie hatten auch noch einen Nachtrag zu machen, Frau Petermann.

PETERMANN: Den haben wir jetzt ganz übergangen.

VORS. WELTY: Nein, wir kommen ja gerade dazu!

PETERMANN: Das richtete sich nicht an Sie. – Zum Thema „Rückkehr nach Syrien“: Wie ich in der Regierungspressekonferenz gesagt hatte, war mir nicht bekannt, dass es Gespräche oder Überlegungen dazu gab, eine Rückkehr nach Syrien in Angriff zu nehmen. Das ist auch in der Tat so. Es ist keine Aufnahme von Gesprächen mit Regierungsvertretern zur Vorbereitung einer Rückkehr nach Syrien geplant. Die Bundesregierung beobachtet weiterhin die Lage vor Ort sehr genau, um über einen geeigneten Zeitpunkt zu befinden.

FRAGE DR. DELFS: Ich habe eine Frage zu einem Thema, das jetzt gar nicht von Frau Demmer genannt wurde, aber das, glaube ich, nichtsdestotrotz heute behandelt wurde, nämlich Leifeld. Frau Baron, gibt es darüber jetzt eigentlich eine Entscheidung? Es war die Rede davon, dass die Bundesregierung ein Veto einlegen möchte.

DR. BARON: Vielen Dank. – Vorab muss ich Folgendes betonen: Zu einzelnen Investitionsprüfverfahren – das heißt, zu konkreten Verwaltungsverfahren im Bereich der Außenwirtschaft können wir keine Stellung nehmen, da der Inhalt solcher Verfahren Geschäftsgeheimnisse berührt. Hier gilt der Grundsatz der Geheimhaltung nach § 30 des Verwaltungsverfahrensgesetzes.

Ganz allgemein und ohne Bezug zum Einzelfall kann ich Ihnen aber natürlich etwas zur Rechtslage erläutern: Die Außenwirtschaftsverordnung gestattet es dem Bundeswirtschaftsministerium, Erwerbe inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren zu prüfen und mit Zustimmung der Bundesregierung erforderlichenfalls auch zu untersagen. Sie wissen: Die Schwelle, die hierfür bei der Prüfung relevant ist, liegt bei einem Erwerb in Höhe von 25 Prozent der Anteile. Prüfmaßstab ist die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

Eine Untersagung entfällt selbstverständlich dann, wenn das Erwerbsgeschäft nicht zustande kommt. Kurz vor der heutigen Kabinettssitzung hat ein ausländischer Erwerber in einem aktuellen Fall gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium mitgeteilt, dass er vom Kauf des inländischen Unternehmens zurücktreten will. Die von dem ausländischen Unternehmen übermittelten Rücktrittserklärungen und Unterlagen prüfen wir nun gründlich auf ihre Belastbarkeit. Sollte die Prüfung der Unterlagen ergeben, dass der Rücktritt vom Erwerb inländischen Unternehmens wirksam ist, dann gibt es keinen Erwerb mehr, und dann wäre es auch nicht mehr nötig, dass die vom Kabinett beschlossene Ermächtigung zu einer Untersagung nach der Außenwirtschaftsverordnung greift und dass davon Gebrauch gemacht wird.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Heißt das, Sie können jetzt aber nicht bestätigen, dass es sich hierbei um Leifeld handelt? Können Sie das nicht sagen?

DR. BARON: Richtig, ich kann zu Einzelfällen und zu einzelnen Firmen keine Stellung nehmen.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Warum ist diese Prüfung jetzt noch notwendig? Wenn man sagt „Okay, ein Investor tritt von Verkaufsplänen zurück“, dann würde man ja gemeinhin davon ausgehen, dass sich der Sachverhalt damit einfach erledigt hat. Können Sie ganz kurz erläutern, warum es in diesem Fall noch einer längeren Prüfung bedarf?

DR. BARON: Auch hier kann ich nicht zu Einzelfällen Stellung nehmen, sondern nur allgemein die Rechtslage erläutern. Es ging, wie dargelegt, im Kabinettsbeschluss um eine Ermächtigung zu einer Untersagung, und kurz vor der Kabinettssitzung kamen eben Rücktrittsunterlagen. Dann ist es ein normaler Vorgang, dass die Rücktrittsunterlagen natürlich auf Belastbarkeit geprüft werden müssen, darauf, ob der Rücktritt wirksam ist; denn nur dann ergeben sich die auch von Ihnen genannten Folgen, das es dann natürlich kein Erwerbsgeschäft gibt. Aber es ist natürlich ein normaler Vorgang, dass Unterlagen zunächst auf Belastbarkeit und Wirksamkeit geprüft werden müssen.

FRAGE GEUTHER: Nun soll Herr Kofler angekündigt haben, mit dem Unternehmen an die Börse zu gehen, ohne jeden Bezug zum Einzelfall und ganz allgemein. Gibt es in einem solchen Fall irgendeine Handhabe, um zu verhindern, dass das Unternehmen eben zu 100 Prozent von Chinesen gekauft wird, oder wäre diese vorbereitende Entscheidung, die jetzt gefällt wurde, möglicherweise auch in einem solchen Fall nutzbar zu machen?

DR. BARON: Unternehmerische Ankündigungen als solche kann ich nicht kommentieren. Auch hier verweise ich nur auf die allgemeine Rechtslage: Die Außenwirtschaftsverordnung greift für den Fall eines Erwerbs von 25 Prozent der Anteile. Dann kann nach dem Maßstab der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geprüft werden. Diese Möglichkeit der Prüfung gibt es auch, wenn sozusagen Börsengeschäfte getätigt werden. Auch dann gibt es spezielle Vorschriften. Auch die BaFin hat dazu Regelungen. Aber auch dafür greifen grundsätzlich das Instrument der Außenwirtschaftsprüfung sowie ergänzende börsenrechtliche Instrumente.

FRAGE HELLER: Nur, damit ich das richtig verstehe: Ist eine Ermächtigung, notfalls untersagen zu können, vom Kabinett formell ausgesprochen worden?

Zum Zweiten würde mich interessieren: Ich las in irgendeiner Zeitung mit Blick auf diese Untersagung oder auch die Ermächtigung, zu untersagen, die Regierung wolle dort ein Exempel statuieren. Wenn dieser Fall im Moment ein Exempel ist, dann würde mich interessieren, was man damit im Umgang mit einem chinesischen Erwerber zeigen will. Was lernen wir daraus allgemein für Erwerbe wichtiger Kernbetriebe in wichtigen Kernindustrien Deutschlands durch chinesische Investoren?

DR. BARON: Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Das Kabinett hat heute eine Ermächtigung zu einer Untersagung nach der Außenwirtschaftsverordnung beschlossen. Es handelt sich, wie schon betont, um eine Ermächtigung.

Investitionsprüfungen sind jeweils einzelfallbezogene Prüfungen, die ein konkretes Unternehmen und einen konkreten Erwerbsvorgang in den Blick nehmen. Sie erfolgen diskriminierungsfrei und ohne Blick auf die Herkunft des Erwerbers; es sind eben Einzelfallprüfungen. Dafür gilt der Prüfmaßstab der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für alle Fälle. „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“ heißt, dass Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet sein können, also etwa dann, wenn es um Infrastrukturunternehmen geht, wenn es um kritische Infrastruktur geht, wenn es um Know-how im Bereich kritischer Infrastruktur oder auch der Nukleartechnik geht. Dann wären Sicherheitsinteressen berührt, und dann kann eben in allen Fällen eine Prüfung erfolgen. Aber sie erfolgt immer einzelfallbezogen, diskriminierungsfrei und ohne Rücksicht auf die Herkunft des Erwerbers.

FRAGE WEFERS: Frau Dr. Baron, haben Sie Erkenntnisse darüber, warum sich das so kurzfristig zugespitzt hat? Es hatte sich ja bereits seit einigen Tagen abgezeichnet, dass die Regierung bereit ist, einzuschreiten. Dann ist es ja eigentlich eher ungewöhnlich, dass das kurz vor einer Kabinettssitzung sozusagen kulminiert.

DR. BARON: Über die Motive des Erwerbers liegen uns keine Informationen vor. Darüber kann ich keine Auskunft geben.

FRAGE DR. DELFS: Frau Baron, noch einmal zum zeitlichen Ablauf: Können Sie irgendwie absehen, wie lange diese Prüfung voraussichtlich dauern wird?

Daran anschließend: Gibt es dafür eigentlich irgendwelche Fristen, die gewahrt werden müssten? Bis wann könnte dieser Investor, wenn es der Text, der von ihm eingereicht wurde, zulassen würde, dann eigentlich theoretisch sein Kaufangebot doch noch einmal vorlegen?

DR. BARON: Wie gesagt: Die eingegangenen Rücktrittserklärungen werden jetzt auf ihre Wirksamkeit und Belastbarkeit geprüft. Wie viel Zeit das in Anspruch nehmen wird, darüber kann ich derzeit keine Auskunft geben. Auch über hypothetische Fälle, die in Zukunft eintreten können, kann ich jetzt keine Aussage treffen. Es gilt grundsätzlich das, was die Außenwirtschaftsverordnung regelt.

FRAGE: Es geht um das gleiche Thema, aber die Richtung der Frage ist ein bisschen diplomatischer. Zwei Versuche von der chinesischen Seite, Unternehmen zu kaufen, haben nicht geklappt. Es geht um Leifeld und 50Hertz. In China gibt es manche Medien, in denen die Stimmen schon laut sind. Genau mit diesem Zeitpunkt, nämlich nach dem Abkommen zwischen der EU und China, wird auch gehadert. Denken Sie also, dass es ein politisches Monopol auf deutscher Seite gibt, sich von China abzuwenden und sich einer Zusammenarbeit mit den USA zuzuwenden? Können Sie das kommentieren?

DR. BARON: Ich kann im Wesentlichen nur noch einmal das wiederholen, was ich schon gesagt hatte: Es geht bei der Außenwirtschaftsverordnung und der Investitionsplanung um einzelfallbezogene Prüfungen, die immer diskriminierungsfrei und ohne Rücksicht auf die Herkunft des Erwerbers ablaufen. Es wird eben vielmehr im Einzelfall geschaut.

Zum Fall 50Hertz hatten wir hier am Montag Stellung genommen und dargelegt, dass in diesem Fall ein Verfahren mit Blick auf Sicherheitsinteressen der Stromversorgung aufgenommen wurde. Aber das war ja ein anderer Fall, der nicht die Außenwirtschaftsprüfung berührt. Aber nach der Außenwirtschaftsprüfung ist es eben eine einzelfallbezogene Prüfung.

FRAGE HELLER: Ich bin einfach unsicher: Ist es eigentlich der Bundesregierung überlassen, zu bestimmen, wann sie die Notwendigkeit für ein Eingreifen sieht? Im Fall von 50Hertz fehlte ja eine Bedingung für eine Investitionsplanung nach der Außenwirtschaftsverordnung, weil es um weniger als 25 Prozent zu erwerbender Anteile ging, und dennoch hat die Bundesregierung dann einen anderen Weg gefunden, um letztendlich deutlich zu machen, dass ihr das nicht gefällt, und die KfW angewiesen, stattdessen diesen Anteil zu kaufen. Hat die Bundesregierung also ein freies Interpretationsrecht, wenn es darum geht, welches Instrument sie wählt, um deutlich zu machen, dass ihr eine Übernahme nicht passt?

DR. BARON: Die Bundesregierung trifft ihre Entscheidungen auf Basis von Recht und Gesetz, und da gibt es eben Vorgaben der Außenwirtschaftsverordnung.

Zum Fall von 50Hertz hatten wir uns geäußert. Auch da wurde auf Basis von Recht und Gesetz gehandelt. Der Schutz kritischer Infrastrukturen ist aus Sicht der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, ein wichtiges Sicherheitsinteresse der Bundesregierung, welches die Bundesregierung eben auch in ihrer Begründung, was 50Hertz angeht, angeführt hat.

FRAGE WEFERS: Frau Alemany hatte für Ihr Haus am Montag gesagt, dass Sie pro Jahr 80 bis 100 Prüfungen nach der Außenwirtschaftsverordnung durchführen. Ich nehme an, dass sich das auf diese sicherheitsrelevanten Prüfungen bezog, also auf Sicherheit und öffentliche Ordnung. Können Sie sagen, wie viele von diesen Prüfungen sozusagen glatt durchgehen? Sind das 80 bis 100 Übernahmen pro Jahr, die dann stattfinden können, weil Sie keine sicherheitsrelevanten Bedenken haben, oder sind das auch Fälle, in denen der Erwerber mangels Aussicht auf ein glattes Verfahren dann vielleicht von selbst zurückzieht? Lässt sich das möglicherweise quantifizieren?

DR. BARON: Eine genaue Statistik darüber führen wir nicht. Aber es ist so, dass das Instrument der Außenwirtschaftsverordnung bzw. der Investitionsplanung seit dem Jahre 2004 existiert. Seither gab es mehrere Hundert Erwerbsvorgänge, die nach diesem Instrument geprüft wurden. Sie wissen: Zu einer Untersagung ist es bislang nicht gekommen.

Frau Alemany hatte eben darauf hingewiesen, und das kann ich auch noch einmal bestätigen, dass es 80 bis 100 Prüfungen pro Jahr gibt. Wenn man den Zeitraum seit der letzten, neunten AWV-Novelle aus dem Juli 2017 nimmt, dann waren es rund 80 Erwerbsvorgänge, die geprüft wurden.

Der Verfahrensablauf kann sehr unterschiedlich sein, da es ja auch Einzelunternehmen freisteht, eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung zu beantragen. Deshalb schwankt die Zahl eben, je nachdem, wie viele Übernahmevorgänge es pro Jahr gibt. Insofern kann ich hier eine ausführliche Statistik nicht darlegen.

ZUSATZFRAGE WEFERS: Wird es dazu eine Statistik geben? Haben Sie die im Moment nicht vorliegen, oder erstellen Sie die gar nicht?

DR. BARON: Es wird keine Statistik darüber erhoben, da die Fallzahl ja immer schwankt. Das ist einfach vom Wirtschaftsleben geprägt, eben davon, wann Phasen von Fusionen oder von Übernahmen anstehen oder nicht. Aber es gibt ja auch verschiedene Antworten auf parlamentarische Anfragen, in denen wir in den vergangenen Jahren auch dazu Stellung genommen haben. Darin sind teilweise auch Zahlen aufgeführt, aber eben nicht als Statistik, die wir laufend fortführen.

ZUSATZFRAGE WEFERS: Aber können Sie uns ein Gefühl dafür geben, wie viele von diesen 80 oder 100 Fällen glatt durchgehen?

DR. BARON: Das habe ich ja getan. Es gibt das Instrument seit 2004, und seither ist es nicht zu einer Untersagung gekommen. Das zeigt ja, dass das Instrument zwar genutzt wird, um zu prüfen, aber eine Untersagung bislang nicht erfolgt ist.

FRAGE DR. DELFS: Können Sie sagen, in wie vielen dieser Fälle es um chinesische Investoren geht?

DR. BARON: Ich kann Ihnen sagen: Seit dem Inkrafttreten der letzten AWV-Novelle, der neunten AWV-Novelle, im Juli 2017 waren es, wie gesagt, insgesamt mehr als 80 Prüfungen. An mehr als einem Drittel dieser Erwerber waren Investoren aus China unmittelbar oder mittelbar beteiligt.

FRAGE FELD: Ich habe eine Frage an Frau Demmer, vielleicht aber auch das Justiz- oder das Innenressort. Facebook sagt, man habe eine Manipulationskampagne bei den Kongresswahlen aufgedeckt. Inwieweit prüft die Bundesregierung solche Manipulationsmöglichkeiten, vielleicht auch rückwirkend, was die vergangene Bundestagswahl angeht? Welches konkrete Handeln ergibt sich daraus?

SRS’IN DEMMER: Ich möchte die konkreten Vorgänge in den USA jetzt nicht kommentieren. Dafür liegen mir zu wenige Informationen vor.

Grundsätzlich kann ich auf zwei Dinge hinweisen, die Ihnen ja allen bekannt sind. Sie wissen, wie wichtig uns Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland sind. Die Vielfalt der Meinungen in einer Demokratie ist grundsätzlich natürlich immer zu schützen. Sie wissen aber auch, dass die Bundesregierung die Bedrohung durch Desinformationskampagnen sehr ernst nimmt. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind dafür natürlich auch sensibilisiert. Unsere Art und Weise, damit umzugehen, ist, dass wir eben sehr genau hinschauen und beobachten, was es an Falschmeldungen und an Fake News gibt. Das heißt, wir beobachten auch die Aktivitäten der entsprechenden Akteure aufmerksam. Aber wir geben uns eben auch jeden Tag aufs Neue wie auch hier in dieser Pressekonferenz Mühe, unserem Auftrag gerecht zu werden und zu erklären, was wir tun, um unsere Politik zu erklären und um sie klar, transparent und verständlich zu machen.

ZUSATZFRAGE FELD: Ist das jetzt für Sie möglicherweise ein Anlass, den Dialog mit den sozialen Netzwerken, also speziell mit Facebook, noch einmal zu intensivieren?

SRS’IN DEMMER: Das Justizministerium steht ja ohnehin im Dialog. Dazu kann vielleicht das Ressort etwas sagen.

DR. KRÜGER: Jetzt nicht zwingend zu diesem Thema. Ich glaube, es ist ja auch nicht ganz unterkomplex, seitens der Netzwerke entsprechende Technik vorzuhalten, um solche Bots eben zu identifizieren. Wir sehen an dem Fall, dass sich Facebook da engagiert. Wir finden das auch gut und denken auch, dass die anderen Netzwerke in diese Richtung schauen.

Wie Frau Demmer sagte: Meinungsäußerung muss frei sein und darf nicht manipuliert werden, und Social Bots tun das. Wie Frau Demmer schon sagte, ist Aufklärung dabei wichtig, aber auch Medienkompetenz, und dabei geht es halt viel um den Bereich der Schulen, aber zum Beispiel auch darum, dass die Bürgerinnen und Bürger erkennen, ob es ein Social Bot oder ein normaler Mensch ist, der dahintersteckt. Das ist nicht gerade unterkomplex, aber da sind wir seitens der Bundesregierung dran.

FRAGE (zur Justizreform in Polen): Vor ein paar Tagen hielt die pensionierte Richterin Prof. Małgorzata Gersdorf einen Gastvortrag in der Universität in Karlsruhe. In einem Brief an die Organisatoren stellte die polnische Botschaft klar, dass sich Frau Gersdorf laut polnischem Recht und auch dem polnischen Justizminister im Ruhestand befinde. Während der Veranstaltung sagte der Bürgermeister von Karlsruhe, dass laut dem deutschen Außenministerium Frau Gersdorf immer noch die erste Präsidentin des Obersten Gerichts Polens sei. Meine Frage lautet: Wie ist der offizielle Standpunkt der Bundesregierung in dieser Sache?

BURGER: Mir ist keine Positionierung vonseiten der Bundesregierung in dieser Frage bekannt. Wir verfolgen natürlich die Diskussion, die es über das einschlägige Gesetz in Polen gibt. Sie wissen, dass das derzeit auch Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens ist, das die EU-Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig gemacht hat. Die Bundesregierung unterstützt die EU-Kommission in ihrer Rolle als Hüterin der Verträge.

FRAGE GEUTHER: Ich habe Fragen an die Bundesregierung und das Auswärtige Amt zum aktuellen Stand im Fall Sami A. Frau Demmer, bemüht sich die Bundesregierung um die Rückholung? Herr Burger, wie bemüht sie sich gegebenenfalls?

Bemüht sich die Bundesregierung um die diplomatische Note, im konkreten Fall um die Zusicherung Tunesiens, dass nicht Folter oder unmenschliche Behandlung zu erwarten sind?

SRS’IN DEMMER: Es geht hierbei ja um ein rechtsstaatliches Verfahren, das nach rechtsstaatlichen Kriterien abläuft. Wie wichtig uns dieses rechtsstaatliche Verfahren ist, haben wir hier deutlich zum Ausdruck gebracht.

ZUSATZ GEUTHER: Das war nicht die Frage.

SRS’IN DEMMER: Das war meine Antwort.

ZUSATZFRAGE GEUTHER: Bemüht sich die Bundesregierung um die Rückholung?

SRS’IN DEMMER: Wie gesagt: Es geht hier um rechtsstaatliche Verfahren. Die sind einzuhalten. Da ist uns wichtig, dass die auch eingehalten werden.

ZUSATZFRAGE GEUTHER: Was heißt das?

SRS’IN DEMMER: Das heißt es.

BURGER: Ich habe gegenüber meinen Ausführungen vom Montag keinen neuen Stand mitzuteilen. Das Auswärtige Amt wird dort, wo es von den deutschen Innenbehörden um Amtshilfe gebeten wird, auf dieser Basis tätig. Der Stand in dieser Sache ist, soweit er uns betrifft und soweit wir davon Kenntnis haben, der, den ich am Montag mitgeteilt habe. Seither habe ich keinen neuen Sachstand erhalten.

FRAGE TO ROXEL: Noch eine Frage zum Thema Umsatzsteuerbetrug, vielleicht an das Finanzministerium, vielleicht noch einmal im Detail: Wie groß ist das Problem, und welche Instrumente hat die Bundesregierung, um dagegen vorzugehen?

SCHWAMBERGER: Zunächst einmal: Bund und Länder gemeinsam sehen an dieser Stelle Handlungsbedarf, weil wir beobachten, dass es beim Handel im Internet über sogenannte elektronische Marktplätze vorkommt, dass Händler ihre Umsatzsteuer nicht entsprechend abführen und sich somit einen illegalen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Unternehmen verschaffen, die sozusagen steuerehrlich Umsatzsteuer bezahlen. Diesen Wettbewerbsverzerrungen wollen wir mit dem nun beschlossenen Gesetzentwurf ein Ende bereiten.

Vorgesehen ist, dass die elektronischen Marktplätze, also die Onlineplattformen, künftig Informationen von Händlern vorhalten müssen. Das betrifft neben Art und Höhe des Umsatzes insbesondere auch die Steuernummer. Das heißt, der Händler muss seine steuerliche Registrierung nachweisen. Dann werden, wenn die Finanzbehörden einen Hinweis haben, dass ein Händler seiner Steuerpflicht nicht nachkommt, auch die Betreiber der Onlineplattformen selbst in die Verantwortung genommen, nämlich dann, wenn sie entweder nicht darlegen können, dass sie die Steuernummer erfragt haben, oder wenn sie einen solchen Händler trotz Nichtvorlage einer Steuernummer weiterhin auf ihrer Handelsplattform im Internet belassen. Das sind sozusagen die Hebel des neuen Gesetzes.

Zum Volumen: Das ist, da es sich im Dunkeln abspielt, seriös schwer zu schätzen. Wir wollen dazu eigentlich keine konkreten Zahlen nennen. Hier stand schon im Raum, dass man von einem dreistelligen Millionenbetrag ausgehe, aber, wie gesagt, das spielt sich im Dunkeln ab und lässt sich nicht seriös beziffern.

FRAGE FRIED: An Frau Demmer und Frau Petermann: Das Statistische Bundesamt hat neue Zahlen veröffentlicht, wonach der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im vergangenen Jahr noch einmal deutlich gestiegen sei, und zwar, glaube ich, um rund vier Prozent auf eine Zahl, die besagt, dass jetzt praktisch jeder vierte in Deutschland lebende Mensch einen Migrationshintergrund hat.

Hatten Sie schon Gelegenheit, sich diese Zahlen anzuschauen, und die Möglichkeit, zu einer politischen Bewertung zu kommen, zum Beispiel im Sinne von: „Das ist erfreulich, weil es die Attraktivität Deutschlands zeigt“? Oder ist es besorgniserregend, wie es vielleicht in Teilen des parlamentarischen Raumes gesehen wird?

Eine konkrete Frage: Die Zahlen besagen auch, dass in zehn Prozent dieser mehrköpfigen Familien kein Deutsch oder, um genau zu sein, im Wesentlichen die Sprache des Herkunftslandes gesprochen wird. Sehen Sie darin ein Integrationshindernis?

PETERMANN: Ich habe die Zahlen als Gesamtzahl gelesen, aber nicht, wie sie sich im Detail zusammensetzen. Deswegen kann ich dazu wenig sagen, um daran eine Bewertung zu knüpfen. Zahlen sind so, wie sie sind. Ich kann und möchte daran jetzt nichts politisch bewerten.

Zum Stichwort „Integrationshemmnis“: Sicherlich ist es sehr wichtig, dass deutsch gesprochen wird, dass die Menschen, die zu uns kommen, Deutsch erlernen, um am Erwerbsleben und um am sozialen Leben teilzunehmen über Vereine, Schulen, Elternverbände, wie auch immer. Das ist sicherlich sehr, sehr wichtig für die Integration.

Man muss natürlich auch sehen, dass der Spracherwerb gerade für die Elterngeneration sehr viel schwieriger ist als für Kinder, die das auf der Straße und in der Schule erlernen, und dass das insofern ein Prozess ist. Das ist eigentlich die Aussage, die ich hier machen will. Das ist ein Prozess, der wichtig ist, der aber auch dauert.

DEMMER: Ich kann nur an das anknüpfen, was wir in der vergangenen Woche hier schon besprochen haben. In Deutschland leben auch jetzt schon über drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. Insgesamt 18 Millionen Menschen in Deutschland haben jetzt schon eine Zuwanderungsgeschichte. Viele davon sind deutsche Staatsbürger und gut integriert. Sie pflegen ihre türkischen Wurzeln, ganz selbstverständlich, aber sie bereichern damit auch unser Land.

Der Bundesregierung ist es natürlich wichtig, durch konkrete Politik und konkrete Entscheidungen dafür zu sorgen, dass der Zusammenhalt in unserem Land größer wird und nicht kleiner. Dabei geht es natürlich um den Zusammenhalt aller, die dauerhaft in Deutschland leben, ob mit oder ohne Migrationshintergrund.

Integration ist, wie Frau Petermann schon sagte, ein Prozess, vielseitig, vielschichtig und findet an vielen Orten in der Gesellschaft statt. Sie muss am Ende zu selbstverständlicher Teilhabe führen. Die Bundesregierung hat dazu diverse Programme in verschiedenen Ressorts aufgelegt, die Sie alle kennen und über die wir hier auch regelmäßig sprechen.

FRAGE HELLER (zum Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte): Ich würde mich gern mit einer knappen Frage in das Thema einklinken. Es geht allerdings um einen anderen Seitenaspekt. Ich wollte noch einmal nachfragen, mit Blick auf den heutigen Tag, Zuwanderungsregelungen: Haben Sie, Herr Burger, inzwischen gegenüber dem, was Sie am Montag an Zahlen genannt haben 34 000 Anträge im Ausland , etwas genauere Erkenntnisse im Hinblick auf Doppelzählungen, Doppelmeldungen und Ähnliches, vielleicht bereinigte Zahlen gegenüber der Zahl von 34 000?

Frau Petermann, erwarten Sie, dass in diesem Monat schon tausend Familienangehörige von subsidiär Geschützten nach Deutschland kommen?

BURGER: Nein, in den letzten zwei Tagen hat sich an der Zahl 34 000 nichts geändert.

PETERMANN: War die Frage, ob wir erwarten, dass in diesem Monat schon tausend bearbeitet werden?

ZUSATZ HELLER: Kommen! Faktisch kommen.

PETERMANN: Das können wir nicht sagen. Sicherlich wird es am Anfang nicht ganz so zügig vorangehen, weil ja zunächst die Anträge gestellt und bearbeitet werden müssen. Unter anderem deshalb hat man ja für dieses Jahr das Gesamtspektrum von 5000 ohne die monatliche Begrenzung als Grundlage genommen, um einen zu Beginn möglicherweise entstehenden Stau auflösen zu können.

FRAGE BUCHHOLZ: Ich wüsste gern noch etwas zur Evakuierung der Weißhelme. Ich denke, das richtet sich an das Auswärtige Amt. Wenn Sie es mir erlauben, dann verpacke ich eine Reihe von W-Fragen in eine:

Wo befinden sich die Weißhelme genau? Wer ist für die Unterbringung momentan verantwortlich? Mit wem spricht die Regierung, oder mit wem wird die Regierung über die Evakuierung sprechen? Wie lange wird der Aufenthalt an diesem Ort noch dauern? Das ist die erste Frage.

BURGER: Dazu muss ich Ihnen sagen, dass wir mit Rücksicht auf die Sicherheit und auch auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu weiteren Einzelheiten dieses Verfahrens keine Angaben machen.

ZUSATZFRAGE BUCHHOLZ: Dann noch eine zweite Frage an das Innenministerium: In der Pressemitteilung stand, dass die Aufnahme der Flüchtlinge durch § 22 Satz 2 gegeben sei. Darin ist von politischen Interessen die Rede. Könnten Sie in Kürze, aber umfassend zu diesen politischen Interessen Stellung nehmen?

PETERMANN: „Politische Gründe“ steht darin, unter anderem auch humanitäre Gründe, die zu bestimmten politischen Schlussfolgerungen führen, wie es hier der Fall war.

FRAGE HELLER: Ich möchte das Bundeswirtschaftsministerium fragen. Der Minister hat seinen Wahlkreis ja im Saarland. Im Moment liest man sehr viel darüber, dass das Saarland und Rheinland-Pfalz sich quasi die Klinke oder den Telefonhörer in die Hand geben, um dem Chef des Tesla-Konzerns deutlich zu machen, dass ein Standort im Saarland oder in Rheinland-Pfalz für ein neues Tesla-Werk die beste Wahl wäre. Ist auch der Minister in dieser Angelegenheit schon aktiv? Hat die Bundesregierung schon irgendwelche Aktivitäten unternommen, um diese mögliche Tesla-Fabrik für E-Autos und Batterien nach Deutschland zu holen, möglicherweise in seinen Wahlkreis?

DR. BARON: Vielen Dank. Wir haben die Berichterstattung und auch die Äußerungen der entsprechenden Landesregierung verfolgt. Aber über Gespräche des Bundeswirtschaftsministers oder des Bundeswirtschaftsministeriums kann ich nicht berichten.

FRAGE GEBAUER: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt, vielleicht auch an das Verteidigungsressort. Seit gestern Abend gibt es ziemlich detaillierte Berichte über die Rückführung libyscher Flüchtlinge durch ein italienisches Schiff direkt zurück nach Libyen.

Ich wüsste gern, ob solch eine Rückverbringung im Moment der Rechtsauffassung des Auswärtigen Amtes oder der Bundesregierung über die Seenotrettung entspricht, was die Bundesregierung zur Aufklärung dieses Falles tut und was die deutschen Teilnehmer an der EU-Mission Sophia von diesem Vorgang möglicherweise mitbekommen haben.

BURGER: Uns liegen zu diesem Fall keine eigenen Erkenntnisse vor. Insofern kann ich mich nur auf die Medienberichte beziehen, die auch Ihnen vorliegen.

Für das, was im konkreten Fall einer Seenotrettung zu tun ist, gibt es bestehende Regeln. Dazu kann zuständigkeitshalber vielleicht das Verkehrsministerium Genaueres ausführen und vielleicht das Verteidigungsministerium zu der Frage, inwiefern EUNAVFOR MED davon Kenntnis hatte.

ROUTSI: Vielen Dank für die Frage. Ich kann natürlich nur zum militärischen Anteil, der Operation Sophia, Stellung nehmen. Wir operieren nach dem aktuellen Operationsplan. Zu dem von Ihnen benannten Vorfall kann ich keine Stellung nehmen.

FRIEDRICH: Das Auswärtige Amt hat gerade erwähnt, dass es dazu internationale Vereinbarungen gibt. Ich kann sie benennen. Es sind das SOLAS-Abkommen und das SAR-Abkommen. Beide laufen über die International Maritime Organisation und stammen aus den 70er-Jahren. Insofern ist in beiden Abkommen festgelegt, was genau im Falle einer Seenotrettung passiert welche Maßnahmen , und wann Seenot überhaupt vorliegt.

ZUSATZFRAGE GEBAUER: Ich glaube, alle diese Antworten sind bekannt gewesen. Eine ganz konkrete Frage: Stellen die Häfen in Libyen aus Sicht der Bundesregierung einen sogenannten sicheren Hafen nach der Verordnung dar, die Sie gerade genannt haben?

BURGER: Ich denke, zur Lage in Libyen haben wir hier ganz häufig gesprochen: zu der Problematik, die es dort in Bezug auf die Menschenrechte gibt, zu Zuständen in Lagern, zu der allgemeinen Problematik, die sich daraus ergibt, dass die Regierung bislang nicht flächendeckend in der Lage ist, die öffentliche Ordnung landesweit zu gewährleisten und insofern auch die Einhaltung von Menschenrechten flächendeckend zu garantieren.

Auf den konkreten Fall bezogen, liegen mir selbst, wie gesagt, nur die Erkenntnisse aus den Medienberichten vor. Deswegen kann ich das nicht bewerten.

FRAGE LANGE: Eine Frage an das Finanzministerium zum Bericht der „BILD“-Zeitung über die Bundesbank und das, was die Kollegen von der „BILD“-Zeitung Anti-Iran-Regel genannt haben: Die Bundesbank hat ihre Geschäftsbedingungen geändert, was, wenn ich es richtig verstanden habe, dazu führen könnte, dass die 320 Millionen oder 300 Millionen Euro nicht in den Iran transferiert werden können. Das Thema hatten wir hier schon.

Ich wüsste in dem Zusammenhang von der Bundesregierung vom Finanzministerium oder vielleicht auch von Frau Demmer gern, ob die Bundesregierung weiter an ihrer Haltung festhält, das Atomabkommen mit dem Iran bestehen zu lassen.

In diesem Zusammenhang wird auch immer diskutiert, dass der Iran finanziell nicht ausbluten dürfe. Die AGBs der Bundesbank so verstehe ich sie würden aber unter anderem dazu führen. Vielleicht können Sie das Ganze für mich ein bisschen einordnen.

SCHWAMBERGER: Mit Blick auf berichtete Änderungen der AGBs der Bundesbank würde ich Sie an die Kollegen der Bundesbank verweisen.

Zum konkreten Fall der 300 Millionen Euro, über die wir hier schon ein paar Mal gesprochen haben bevor die Frage in der Folge gleich kommt : Die Prüfungen dauern noch an.

Zum Atomabkommen mit dem Iran kann ich vonseiten des BMF nichts sagen. Das ist nicht meine Zuständigkeit. Dazu würde ich vielleicht an den Kollegen vom AA oder Frau Demmer verweisen.

SRS’IN DEMMER: Für die Bundesregierung gilt natürlich weiterhin, dass wir am Nuklearabkommen mit dem Iran festhalten, solange der Iran seinerseits seinen Verpflichtungen nachkommt. Dazu gibt es keinen neuen Stand.

FRAGE FRIED (zu Medienberichten über die Verbringung von aus Seenot Geretteten in einen libyschen Hafen): Ich möchte gern zum Thema von Herrn Gebauer zurückkommen. An das AA und insbesondere an das Verkehrsministerium: Sie haben die beiden Abkommen benannt. Ich denke, die Frage steht noch im Raum, ob nach der Einschätzung Ihres Hauses bzw. der Bundesregierung die Aktion, die dort stattgefunden hat, im Einklang mit diesen Abkommen ist. Haben Sie das geprüft?

FRIEDRICH: Ihre Frage kann ich absolut nachvollziehen. Aber mir geht es so wie dem Auswärtigen Amt. Ich kenne nur teilweise die Medienberichte. Die Details der Situation vor Ort liegen mir nicht vor. Deshalb kann ich Ihnen auch jetzt keine Einschätzung dazu geben.

FRAGE GEBAUER: Wenn dieser doch recht einfache Vorgang für die Bundesregierung so rätselhaft bleibt, dann auch eine ganz einfache Frage dazu: Was tut die Bundesregierung, um diesen Vorfall aufzuklären? Hat man Italien gefragt? Ist man über die EU an Italien gegangen?

Die zweite Frage: Wie ist eigentlich der Stand der Verhandlungen? Italien hat für die Änderung des Operationsplanes für die Operation Sophia, die sich genau auf diese Frage, nämlich die Rückverbringung von Flüchtlingen direkt nach Libyen, bezieht, ja eine sehr kurze Frist gesetzt. Das heißt: Wie ist der Stand dieser Verhandlungen? Sind Sie zuversichtlich, dass man ihn überhaupt noch vor dem Migrationsgipfel der EU ändern kann?

BURGER: Sie haben vielleicht mitbekommen, dass der italienische Außenminister vergangene Woche hier in Berlin war. Er hat sich auch mit dem deutschen Außenminister im Auswärtigen Amt getroffen. Im Anschluss gab es eine ausführliche Pressekonferenz, in der sowohl der italienische Außenminister als auch der deutsche Außenminister ganz ausführlich just über diese Frage gesprochen haben.

Insofern wird Sie die Antwort nicht überraschen, dass die Gespräche über die Fortentwicklung des Operationsplanes für die Operation EUNAVFOR MED Sophia intensiv laufen. Sie haben recht, wir haben uns im Rahmen der EU-Partner eine kurze Frist gesetzt, weil es dringenden Entscheidungsbedarf gibt. Daran wird gearbeitet.

Im Übrigen laufen, glaube ich, auch auf Ebene der Innenministerien Gespräche über die ganz grundsätzliche Frage der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten, die in Südeuropa ankommen. Ich weiß nicht, was der letzte Stand ist. Ich könnte Ihnen jetzt auch nicht sagen, ob dieser Einzelfall Das muss man vielleicht auch unterscheiden. Hierbei geht es ja, zumindest soweit ich das aus den Medienmeldungen entnehmen kann, nicht um Handlungen eines staatlichen Schiffes, sondern um ein sozusagen nicht staatliches Schiff, das unter italienischer Flagge unterwegs war. Insofern weiß ich nicht, ob dieser Fall ein mögliches Thema dieser Gespräche ist, in denen es ja doch um etwas andere Sachverhalte geht.

PETERMANN: Das Auswärtige Amt hatte die Verhandlungen in den Raum geworfen, die der Innenminister zurzeit mit Italien, Griechenland, Spanien führt. Dabei geht es aber um ganz konkrete Fälle der Zurückweisung, wenn bilaterale Verträge geschlossen sind. Der Stand ist, wie hier schon mitgeteilt. Ende Juli ist jetzt vorbei. Wir hoffen sehr, dass wir Anfang August Klarheit darüber haben, ob diese Verträge Aussicht auf Erfolg haben. Die Verhandlungen laufen derzeit sehr positiv, sodass durchaus Optimismus angebracht ist. Aber einen neueren Stand kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht geben.

ZUSATZFRAGE GEBAUER (zu Medienberichten über die Verbringung von aus Seenot Geretteten in einen libyschen Hafen): Was tut die Bundesregierung, um den aktuellen Fall aufzuklären? Auch wenn es sich nicht um ein staatliches Schiff handelt: Völkerrecht ist Völkerrecht. Das gilt für alle Schiffe. Ich glaube, die Bundesregierung, soweit ich es in den letzten Jahren gehört habe, setzt sich ja sehr für das Völkerrecht ein. Das heißt: Was tut die Bundesregierung, um diesen konkreten Fall aufzuklären? Das muss ja relativ einfach sein.

BURGER: Ich kann nicht ganz nachvollziehen, woraus Sie schließen, dass das relativ einfach sein müsse.

ZUSATZ GEBAUER: Wenn „La Repubblica“ den Fall aufklären kann, dann wird es die Bundesregierung auch können. Davon gehe ich schon aus.

BURGER: Ich kann dazu vielleicht nur ganz grundsätzlich sagen, weil es auch Thema der Gespräche des Außenministers war und er dabei diesen Punkt auch noch einmal sehr betont hat: Die Seenotrettung ist unter normalen Umständen kein Massenphänomen, sondern etwas, das ganz vereinzelt auftritt. Dafür gibt es Regeln des internationalen Rechts. Wenn Schiffe Gerettete aufnehmen, dann können sie in den nächstgelegenen Hafen gebracht werden.

Dass wir mittlerweile eine Situation haben, in der Tausende von Menschen versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen, hat die Situation verändert. Dass ein Land wie Italien in dieser Situation sagt: „Es kann nicht sein, dass wir alle übernehmen müssen, sondern wir müssen diese nach einem zu findenden Mechanismus in Europa insgesamt verteilen“, das halte ich für absolut nachvollziehbar und berechtigt. So hat der Minister es in seiner Pressekonferenz mit dem italienischen Außenminister gesagt.

Ich glaube also, wir erkennen an, dass es dort eine Problematik gibt, die aus Sicht der europäischen Mittelmeeranrainer den Ruf nach europäischer Solidarität rechtfertigt, und dass wir dafür Lösungen finden müssen. Gleichzeitig gibt es natürlich die seerechtliche Verpflichtung zur Seenotrettung das hat die Kollegin des Verkehrsministeriums ausgeführt , und diese richtet sich nach den dafür geltenden Regeln.

FRAGE BUSCHOW: Daran anschließend, weil ich die Frage immer noch nicht beantwortet finde: Wie ist die Haltung der Bundesregierung? Steht das Zurückbringen von Flüchtlingen vom Mittelmeer nach Libyen im Einklang mit dem Völkerrecht? Gibt es dazu eine Haltung der Bundesregierung, oder wird sie gerade neu gefunden?

BURGER: Hier werden jetzt sehr viele Begriffe durcheinandergeworfen. Sie haben eben den Begriff „Rückführung“ verwendet. Natürlich ist in einem Fall, in dem von staatlicher Seite Maßnahmen getroffen werden, die eine Person beispielsweise in das Land Libyen bringen, die Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention und auch des völkerrechtlichen Zurückweisungsverbots einschlägig. Das gilt aber für den Fall staatlichen Handelns.

Ich bitte um Verständnis, weil ich über den konkret vorliegenden Fall, nach dem gefragt wird, Informationen tatsächlich nur aus der Medienberichterstattung habe. Sie sind nicht so vollständig, dass sie es ermöglichen würden, eine rechtliche Bewertung dieses Einzelfalls vorzunehmen, in dem es, wie gesagt, nach unserem Kenntnisstand zunächst einmal nicht um staatliches Handeln geht und in dem auch deutsches Regierungshandeln nicht unmittelbar infrage steht. Ich muss um Verständnis bitten, dass ich Ihnen dafür hier keine umfassende völkerrechtliche Wertung liefern kann.

FRAGE GEUTER: Zuerst noch einmal dazu: Gerade wenn es in diesem Fall nicht staatliches Handeln war, müsste es Ihnen doch eigentlich umso leichter fallen, zu sagen, ob das Non-refoulement-Gebot für Libyen gilt oder nicht. Dabei geht es ja nicht um den konkreten Fall. Ich habe dann noch eine andere Frage.

BURGER: Die Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention oder des völkerrechtlichen Zurückweisungsverbots setzt staatliches Handeln voraus. Das ist hier nach unserem Kenntnisstand nicht gegeben. Aber wie gesagt, ich beziehe mich hier auf

ZUSATZ GEUTER: Ja, aber hätten wir staatliches Handeln, hätten wir bei Libyen ein Problem mit dem Refoulement-Verbot, also mit dem Verbot der Zurückweisung, angewendet auf das Land Libyen jetzt einmal unabhängig von der Frage, ob das hier staatliches Handeln war oder nicht.

BURGER: Wir haben hier in dieser Regierungspressekonferenz ganz oft darüber gesprochen, wie die Zustände in Libyen sind. Da gibt es nichts zu beschönigen. Da sind ganz furchtbare Zustände.

ZUSATZ GEUTER: Dann lässt sich die Frage ja auch beantworten.

BURGER: Ich kann es jetzt nur nicht für diesen konkreten Einzelfall beantworten.

ZUSATZ GEUTER: Aber für das Land Libyen!

BURGER: Nein, Entschuldigung. Es steht hier ein ganz konkreter Fall infrage. Es geht um die Umstände ganz bestimmter Personen, die ich nicht kenne. Deswegen werde ich diesen Einzelfall jetzt nicht beantworten.

ROUTSI: Ich kann vielleicht (akustisch unverständlich) vonseiten des Verteidigungsministeriums beitragen. Bezogen auf die EU-Operation Sophia: Ganz klar, das hat nichts mit diesem Fall zu tun. Bei Sophia legt die Seenotrettungsstelle den sicheren Hafen fest.

Nun weiß ich nicht, was auf See abgelaufen ist und mit wem das Schiff kommuniziert hat. Aber ich will Ihnen einfach einmal den Vergleich geben, wie sich das, ich sage einmal, im Staatlichen abspielt und bei der EU-Operation Sophia.

ZUSATZFRAGE GEUTER: Die andere Frage, Herr Burger, muss ich leider noch einmal stellen. Sie haben eben im Fall von Sami A. auf die Regierungspressekonferenz von Montag verwiesen. Ich habe das eben nachgelesen. Zu meiner konkreten Frage kam dort nichts vor, wenn auch wohl zu Sami A.

Deshalb noch einmal die Frage: Bemüht sich die Bundesregierung in dem Fall um die Zusicherung Tunesiens über die Behandlung von Sami A., wie ich es eben genannt hatte?

BURGER: Das habe ich hier auch schon wirklich häufig erzählt: Das Auswärtige Amt wird in Fragen der Rückführung einzig und allein in Amtshilfe für deutsche Innenbehörden tätig. Im vorliegenden Fall gibt es derzeit kein Ersuchen einer zuständigen deutschen Behörde an das Auswärtige Amt, eine solche Zusicherung einzuholen.

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