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Bundesregierung für Desinteressierte: Sehenswerte BPK vom 22. Oktober 2018

Verbotsverbote ► RegPK vom 22. Oktober 2018

Themen: Namensstreit zwischen Griechenland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Reise der Bundeskanzlerin nach Prag, Fall Khashoggi/Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, Grenzkontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze, Luftreinhaltung in Städten, Ankündigung der Kündigung des INF-Vertrages durch den US-amerikanischen Präsidenten

Naive Fragen zu:
Mordfall Khashoggi (ab 2:30 min)
– noch ein paar Verständnisfragen. Die Bundesregierung will, dass der Todesfall aufgeklärt wird. Sie wollen, dass der potenzielle Mörder das aufklärt. Ist das korrekt? (ab 10:30 min)
– Sie sagen, dass Sie totale Transparenz wollen, und Herr Maas meinte, solange Sie nicht wissen, was da geschehen ist, gebe es keine Grundlage für positive Entscheidungen für Rüstungsexporte. Das heißt also, wenn Sie wissen, dass dieser Mann ermordet wurde und zerstückelt wurde, und wenn sich Mohammed bin Salman selbst vor die Kamera stellt und sagt: „Ja, so war es!“, dann sagen Sie: „Danke schön; jetzt wissen wir es; jetzt können wir weitermachen!“?
– Wie meinen Sie das denn? Sie wollen nur wissen, was passiert ist, und sobald klar ist, dass der Mann zerstückelt wurde, ist wieder business as usual? Das ist die Frage.
– weil Herr Maas das ja auch gesagt hat: Ist ihm egal, was wir dann am Ende transparent wissen, oder ist es nicht egal?
– Wollen Sie einfach nur wissen, was passiert ist, oder kommt es für die Bundesregierung im Hinblick darauf, wie es weitergeht, darauf an, was genau passiert ist?
– wie bewertet die Bundesregierung, dass Siemens einer der Hauptsponsoren der jetzt stattfindenden Investorenkonferenz in Saudi-Arabien ist und dass Herr Kaeser Stand jetzt teilnehmen wird? (ab 28:22 min)
– Stand jetzt ist Siemens noch Hauptsponsor dieser Investorenkonferenz. Wie bewertet das die Bundesregierung? Wie geht sie damit um?
– hat Frau Merkel vielleicht Kontakt zu Herrn Kaeser?

Dieselfahrverbote (ab 42:30 min)
– Herr Seibert meinte ja gerade, dass höhere Hürden für die Verhängung von Fahrverboten zugunsten der Umwelt sein würden. Können Sie das bestätigen? Herr Seibert hat gerade als allererstes gesagt, dass höhere Hürden für die Verhängung von Fahrverboten zugunsten der Umwelt wären. (ab 53:05 min)
– Und das kann das BMU so bestätigen?
– Das heißt, die Bundesregierung hat gar nicht als Ziel, dass alle dieser 68 Städte nächstes Jahr die Grenzwerte einhalten?

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 22. Oktober 2018:

ADEBAHR: Ich möchte ganz kurz etwas zu Mazedonien sagen. Das Parlament in Skopje hat am Freitag dafür gestimmt, eine Verfassungsänderung einzuleiten. Das ist ein wirklich wichtiger Schritt in Richtung der Umsetzung der Namenseinigung mit Griechenland. Die Bundesregierung hat seit Langem dafür geworben, diese historische Chance einer Einigung in diesem Namensstreit zu ergreifen. Deshalb begrüßen wir diese Fortschritte, die es jetzt dort gegeben hat, und möchten noch einmal zum Ausdruck bringen, dass mit der Umsetzung dieses Abkommens ein entscheidendes Hindernis für die Annäherung Skopjes an die EU überwunden wäre. Wir werden weiterhin unterstützen, wo wir können, um diese Einigung voranzutreiben.

STS SEIBERT: Guten Tag. Ich bitte um Entschuldigung für die kleine Verspätung.

Ich möchte Ihnen noch einen Termin für diese Woche ankündigen. Die Bundeskanzlerin wird am Freitag, den 26. Oktober, nach Prag reisen. Sie trifft dort den Ministerpräsidenten Andrej Babiš. Es wird ein Mittagessen geben. Ein Anlass für diese Reise und dieses Gespräch ist die Erinnerung an den 100. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung der Tschechoslowakei. Die Höhepunkte dieser Feierlichkeiten finden am Wochenende statt. Die Kanzlerin ist, wie gesagt, am Freitag in Prag.

FRAGE WIEGOLD: Eine Frage an Herrn Seibert, gegebenenfalls auch an das AA oder an das Wirtschaftsministerium: Die Kanzlerin hat gestern sinngemäß gesagt, dass vor dem Hintergrund des Falls Khashoggi derzeit keine Waffenlieferungen an Saudi-Arabien infrage kommen. Können Sie bitte etwas genauer erläutern, was das bedeutet? Betrifft das auch bereits genehmigte Lieferungen?

Vor dem Hintergrund der Einigung im Koalitionsvertrag darin gibt es ja quasi eine Bestandsschutzklausel oder eine Vertrauensschutzklausel für bereits früher vereinbarte Rüstungsexporte die Frage: Ist das ebenso ausgesetzt?

STS SEIBERT: Ich will vielleicht kurz zu dem ganzen Komplex noch einmal Stellung nehmen.

Die Bundesregierung hat die Stellungnahme, die Saudi-Arabien zur Tötung des Journalisten Khashoggi herausgegeben hat, zur Kenntnis genommen. Sie wissen, wie sich die Bundeskanzlerin und der Außenminister in einer gemeinsamen Erklärung am Samstag dazu geäußert haben. Ich denke, das war unmissverständlich. Darin hieß es, die vorliegenden Angaben also genau diese Erklärung Saudi-Arabiens zu den Abläufen im Konsulat in Istanbul seien nicht ausreichend. „Wir verurteilen die Tat in aller Schärfe. Von Saudi-Arabien erwarten wir Transparenz im Hinblick auf die Todesumstände und die Hintergründe. Verantwortliche müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“

Derzeit ist nichts über den Verbleib der sterblichen Überreste von Herrn Khashoggi bekannt. Wir erwarten also weiterhin, dass dieser Fall gründlich, glaubhaft glaubhaft , transparent zeitnah untersucht und aufgeklärt wird, und zwar in enger Kooperation Saudi-Arabiens mit den türkischen Behörden.

Nun zu der Frage. Auch dazu ist am Wochenende ja sehr klar gesprochen worden, heute Morgen auch noch einmal vom Wirtschaftsminister, von der Bundeskanzlerin am Sonntag, auch vom Bundesaußenminister am Samstag. Auf der Grundlage, die wir zurzeit sehen, solange die Untersuchungen andauern, solange wir nicht wissen, was geschehen ist so hatte es Außenminister Maas ausgedrückt , gibt es keine Grundlage für positive Entscheidungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien.

Für Weiteres würde ich die Kollegin aus dem Bundeswirtschaftsministerium bitten.

ALEMANY: Ich kann eigentlich gar nicht viel ergänzen, außer dass natürlich alle offenen Fragen, die sich aufgrund dieser Entscheidung ergeben, derzeit geprüft und besprochen werden müssen. Dem kann ich nicht vorgreifen.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Herr Seibert, Sie haben gerade formuliert, es gebe keine Grundlage für positive Entscheidungen über Rüstungsexporte. Was ist denn mit den bereits getroffenen positiven Entscheidungen? Sind die von dieser Aussage nicht erfasst?

STS SEIBERT: Das ist ein Punkt, den jetzt, glaube ich, die Kollegin aus dem Wirtschaftsministerium genau gemeint hat. Also was die Aussage, hinter der die gesamte Bundesregierung steht, jetzt keine positiven Entscheidungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu treffen, zum Beispiel für schon getroffene Entscheidungen bedeutet, ist in der Regierung jetzt miteinander zu prüfen.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Aber ist meine Vermutung richtig, dass die Kanzlerin, als Sie das gesagt hat, schon eine bestimmte Vorstellung hatte, auch was bereits erteilte Genehmigungen angeht?

STS SEIBERT: Wenn das so ist, dann wird sie genau die dann ja auch sehr bald mit den Kollegen und Kolleginnen aus der Bundesregierung besprechen.

FRAGE STEINER: Meine erste Frage richtet sich an Frau Adebahr. Frau Adebahr, ist denn aus der saudi-arabischen Gesandtschaft jemand ins Auswärtige Amt einbestellt oder eingeladen worden welche Abstufung Sie auch immer vorgenommen haben , um der deutschen Position Ausdruck zu verleihen?

Frau Alemany, vielleicht können Sie erläutern, weil ich mit dem Prozedere nicht so vertraut bin: Ist eine einmal erteilte Ausfuhrgenehmigung denn noch rückholbar, solange der Export noch nicht außer Landes ist?

ADEBAHR: Wir waren über das gesamte Wochenende auf hoher Beamtenebene auch mit dem saudischen Botschafter hier in Berlin in Kontakt. Ein Gespräch im Auswärtigen Amt ist zeitnah angedacht und soll jetzt terminiert werden. Dabei sind wir heute Morgen. Auch in Riad gibt es, wie Sie auch über das Wochenende gesehen haben, eine ganz enge Koordination mit den britischen und mit den französischen Partnern und im EU-Kreis. Auch dort wird heute Vormittag besprochen, wie man weiter vorgeht und wie man mit der saudischen Seite vor Ort im Gespräch bleibt. Das ist eine ganz enge Abstimmung übers Wochenende gewesen, auch mit Paris und London, und auch mit der saudischen Seite waren wir im Gespräch.

ALEMANY: Herr Steiner, bestehende Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und auch nach dem Außenwirtschaftsrecht können widerrufen werden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Da gibt es verschiedene Paragrafen. Die kann ich Ihnen nennen. Zum Beispiel § 7 des Kriegswaffenkontrollgesetzes und die §§ 48 und 49 des Verwaltungsverfahrens-gesetzes.

ZUSATZFRAGE STEINER: Frau Adebahr, ist das, was Sie jetzt vorhaben, eine formale Einbestellung, oder ist das einfach die Vereinbarung eines Gesprächstermins?

ADEBAHR: Auf diesem Begriff kann man jetzt herumreiten oder nicht. Ich denke, im diplomatischen Verkehr ist es so: Wenn man um ein Gespräch bittet, kommt die andere Seite dem nach. Das tun wir. Das wird die saudische Seite tun. Da sind wir ganz zuversichtlich. Das muss man jetzt nicht benennen. Ich denke, die Gespräche wird es geben, und das ist allen klar.

FRAGE SIEBOLD: Frau Alemany, können Sie uns sagen, in welchem Volumen Rüstungsexportgenehmigungen nach Saudi-Arabien vorliegen, die noch nicht ausgeliefert sind?

ALEMANY: Das kann ich nicht; denn wir zählen nur die Genehmigungsvolumen. Die finden Sie auch in aktuellen Antworten auf Anfragen von MdB. Die letzte hatten wir zum Beispiel am Freitag an Herrn Nouripour. Die aktuelle Genehmigungsanzahl für 2018, also vom ersten bis zum dritten Quartal, nach Saudi-Arabien beträgt 416 Millionen Euro. Was davon ausgeliefert wird, weiß nur der Zoll, und es wird dann in tatsächlichen Ausfuhren einmal im Jahr im Rüstungsexportkontrollbericht veröffentlicht. Diese Zahlen hält das BMWi nicht vor.

ZUSATZFRAGE SIEBOLD: Aber wenn Sie jetzt prüfen, ob Sie diese Genehmigungen kassieren, müssten Sie ja auch prüfen, was ausgeführt ist, oder nicht? Das heißt, Sie werden diese Zahlen irgendwann haben.

ALEMANY: Das ist nicht gesagt. Es wird nur eruiert, wie die Sachlage aussieht. Ob das dann in einem Bericht veröffentlicht wird, wird man sehen. Jährlich und standardmäßig werden die tatsächlichen Ausfuhren nur im Rüstungsexportbericht veröffentlicht.

FRAGE: Ich möchte beim Wirtschaftsministerium noch einmal nachfragen: Wie wird denn mit Rüstungsprojekten umgegangen, die praktisch mehrere europäische Staaten angehen, sprich mit dem Eurofighter? Wird die Bundesregierung jetzt darauf einwirken, dass auch hier gemeinsam darauf hingearbeitet wird, keine neuen Genehmigungen zu erteilen?

ALEMANY: Sie sprechen die sogenannten Gemeinschaftsprojekte an. Das ist zum Beispiel der Eurofighter. Das ist in der Tat richtig. Unser Minister hat sich ja heute dazu im ZDF schon geäußert und hat gesagt, für ihn wäre wichtig, dass wir auch zu einer gemeinsamen europäischen Haltung kommen. Da, wie Sie wissen, Saudi-Arabien von vielen verschiedenen Ländern beliefert wird, was Rüstung angeht, aber, ich glaube, nur zu einem Prozent mit deutschen Rüstungsprodukten, ist es wichtig, dass auch andere EU-Länder unsere Haltung einnehmen. Wir werden das auch in den entsprechenden Ratsarbeitsgruppen mit ansprechen; denn effektiv ist es natürlich nur, wenn mehrere EU-Länder mit einer Stimme sprechen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, ich habe noch ein paar Verständnisfragen. Die Bundesregierung will, dass der Todesfall aufgeklärt wird. Sie wollen, dass der potenzielle Mörder das aufklärt. Ist das korrekt?

STS SEIBERT: Die Tötung des Journalisten hat in der Botschaft Saudi-Arabiens beziehungsweise im Konsulat Saudi-Arabiens in der Türkei stattgefunden. Die Türkei führt die Ermittlungen durch. Saudi-Arabien ist aufgefordert, in voller Klarheit, voller Transparenz und in absoluter Glaubwürdigkeit zu diesen Ermittlungen beizutragen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe das trotzdem noch nicht verstanden. Sie erwarten die Aufklärung von der Türkei. Sie sagen, dass Sie totale Transparenz wollen, und Herr Maas meinte, solange Sie nicht wissen, was da geschehen ist, gebe es keine Grundlage für positive Entscheidungen für Rüstungsexporte. Das heißt also, wenn Sie wissen, dass dieser Mann ermordet wurde und zerstückelt wurde, und wenn sich Mohammed bin Salman selbst vor die Kamera stellt und sagt: „Ja, so war es!“, dann sagen Sie: „Danke schön; jetzt wissen wir es; jetzt können wir weitermachen!“?

STS SEIBERT: Das ist eine extrem verquere Logik.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie meinen Sie das denn? Sie wollen nur wissen, was passiert ist, und sobald klar ist, dass der Mann zerstückelt wurde, ist wieder business as usual? Das ist die Frage.

STS SEIBERT: Das ist jetzt plötzlich Ihre Frage. Zunächst war es als Feststellung formuliert worden. Natürlich geht es jetzt darum, einen grauenhaften Fall der Tötung eines Journalisten in einem Konsulat aufzuklären. Dieser Aufklärung kommen wir näher, aber wir sind erkennbar noch nicht dran. Und die saudische Erklärung von vor dem Wochenende hat diese Aufklärung auch noch nicht vollkommen gebracht. Also muss diese Aufforderung, gründlich aufzuklären, jetzt umgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft und die Behörden der Türkei sind daran. Es muss vor allem auch herausgefunden werden, wo die sterblichen Überreste Herrn Khashoggis sind; denn auch die werden möglicherweise weitere Erkenntnisse ergeben.

Das ist alles, was wir jetzt sagen können. Solange das läuft, besteht jedenfalls keine Grundlage für positive Entscheidungen zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien. Das ist die einstimmige Haltung der Bundesregierung. Darüber wollen wir im Übrigen auch mit unseren europäischen Partnern Einigkeit herstellen. Auf dieser Ebene arbeiten wir jetzt einmal. Ich schaue nicht in die nahe Zukunft, sondern ich will für die Bundesregierung erst einmal sehen, was da wirklich passiert ist, wer die Verantwortlichen sind, ob sie komplett zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist das Entscheidende.

ZUSATZFRAGE JUNG: Vielleicht an Frau Adebahr, weil Herr Maas das ja auch gesagt hat: Ist ihm egal, was wir dann am Ende transparent wissen, oder ist es nicht egal?

ADEBAHR: Ich versuche, Ihre Frage zu ergründen. Sie erschließt sich mir nicht, muss ich ehrlicherweise sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wollen Sie einfach nur wissen, was passiert ist, oder kommt es für die Bundesregierung im Hinblick darauf, wie es weitergeht, darauf an, was genau passiert ist?

ADEBAHR: Für die Bundesregierung kommt es darauf an, zu wissen, was passiert ist. Wenn man weiß, was passiert ist, kann man daraus Konsequenzen ziehen. Wir sind mit unseren internationalen Partnern im Gespräch. Wir sind mit London und Paris im Gespräch. Wir wollen wissen das hat Herr Seibert gerade schon ausführlich gesagt, glaube ich , wie dieser Vorfall, diese Tötung dieses Journalisten abgelaufen ist, und dann werden wir das bewerten und daraus natürlich Schlussfolgerungen ziehen.

FRAGE KREUTZFELDT: Noch einmal eine Nachfrage dazu, welche jetzt darunter fallen, für welche es erst einmal keine Grundlage mehr gibt. Sie haben jetzt immer gesagt, die schon erteilten Genehmigungen können widerrufen werden. Es gibt aber zwischen „genehmigt“ und „noch gar nichts“, wenn ich richtig informiert bin, noch den großen Bereich der positiv beschiedenen Voranfragen, wobei es einen positiven Vorbescheid, aber noch keine endgültige Genehmigung gibt. Was ist denn mit denen? Können die jetzt noch genehmigt werden, oder wäre das ausgeschlossen?

ALEMANY: Das kann ich vielleicht übernehmen. Sie implizieren in Ihrer Frage schon die Antwort. Wenn es eine vorläufige Voranfrage ist, bedarf es einer Genehmigung. Und wenn wir sagen, es gibt derzeit keine Grundlage für Genehmigungen, dann gibt es auch keine Genehmigung.

FRAGE WARWEG: Ich habe eine Verständnisfrage. Wieso kommt die Bundesregierung nach dem Tod eines einzelnen saudischen Journalisten zu dem Schluss, dass es jetzt an der Zeit wäre, den Waffenexport nach Saudi-Arabien einzustellen, aber nicht nach Hunderten von toten Zivilisten im Jemen-Krieg?

STS SEIBERT: Sie werfen, wie Sie es nicht selten tun, die Dinge jetzt alle durcheinander. Wir haben uns hier in vielen Fällen über den Jemenkrieg und über zivile Opfer in diesem Jemenkrieg geäußert. Diese Fälle sind im Übrigen zum Teil auch von der saudischen Militärführung bearbeitet worden. Da ist zum Teil Bedauern ausgedrückt worden. Ich sage nicht, dass damit alles gut ist; denn wenn Zivilisten einem Krieg zum Opfer fallen, ist das in gewisser Weise immer ein Fehler in der Führung dieses Krieges. Das ist doch völlig klar. Deswegen haben wir auch immer wieder darauf hingewirkt, dass so etwas unterbleiben muss.

Wir haben auch nicht erst seit gestern mit der saudischen Regierung grundsätzliche Meinungsunterschiede über Fragen von Rechtsstaatlichkeit, Fragen der Menschenrechte. Wir sind, wie Sie wissen, entschiedene Gegner der Todesstrafe. Wir sind auch Gegner von Körperstrafen, von Auspeitschen und Ähnlichem. Das haben wir hier im Zusammenhang mit dem Fall Raif Badawi auch immer wieder besprochen.

Genauso haben wir hier das müssen wir, glaube ich, jetzt nicht immer wieder aufmachen viele Male darüber gesprochen, dass Saudi-Arabien in der Region ein sehr wichtiger Akteur ist, dass Saudi-Arabien für uns auch ein notwendiger Partner ist. Es ist ja nicht nur im Falle Saudi-Arabiens so, dass es Partner, Gesprächspartner und Staaten gibt, mit denen wir den Kontakt suchen, die in Menschenrechtsfragen mit uns nicht auf einer Linie liegen.

Jetzt haben wir es mit einem Fall zu tun, bei dem ein Journalist, der das Konsulat seines Heimatlandes aufsuchte, in diesem Konsulat offenbar auf grausame Weise umgebracht wurde und man den Leichnam hat verschwinden lassen. Das ist mehr als ein Vorfall. Das ist ein empörender Fall, bei dem man natürlich Konsequenzen ziehen muss. Solange er noch nicht aufgeklärt ist, werden sie gezogen, und wenn er aufgeklärt ist, wird man sehen, wie es weitergeht.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber meine Frage war ja, wieso ein völkerrechtswidriger Bombenkrieg gegen die jemenitische Zivilbevölkerung zu keinen Konsequenzen dieser Art führt, aber der einzelne Tod eines saudischen Staatsbürgers, so grausam er auch ist, dazu führt, dass die Bundesregierung ein vorläufiges Waffenembargo gegen die Saudis verhängt.

STS SEIBERT: Wir kommen wieder an den Punkt, an dem wir schon viele Male waren: das Entstehen des Jemenkonflikts, das Hilfeersuchen des legitimen jemenitischen Präsidenten an die Weltgemeinschaft und an die UNO, weil Huthi-Rebellen gegen ihn und gegen die legitime Regierung vorgingen, die Bildung einer arabischen Koalition. Das haben wir alles hier vielfach besprochen.

FRAGE DECKER: Mich würde interessieren, wie sich die Forderung, zu einer europäischen Lösung oder Haltung zu kommen, zu der regierungsinternen Prüfung verhält, ob Sie also, wenn es zu keiner europäischen Haltung kommt, sagen: Dann können wir halt auch nichts machen und verhalten uns entsprechend lax.

Auf welche Lösung genau werden Sie denn in Brüssel dringen? Was ist Ziel? Welchen Inhalt sollte diese Vereinbarung auf europäischer Ebene haben?

ADEBAHR: Ich denke, über das Wochenende ist auch schon deutlich geworden, dass wir diesen Weg der Meinungsbildung und des Betrachtens dieser Tötung des Journalisten gemeinsam gehen. Es gab eine EU-28-Erklärung. Das war eine über das Wochenende stattgefundene Abstimmung unter 28 EU-Außenministern, die am Samstagnachmittag, glaube ich, in Rekordzeit vor sich ging. Diese Erklärung haben Sie gesehen. Und es gab gestern noch einmal eine sehr klare E3-Erklärung.

Wir haben gesagt, dass es weiterer Ermittlungen bedarf, dass wir transparente Aufklärung darüber haben wollen, was dort geschehen ist, und dass wir dann natürlich Schlussfolgerungen und Konsequenzen ziehen. Herr Seibert hat es gesagt. Ich kann ihm jetzt nicht vorwegnehmen, was das dann sein wird. Wir sind geschlossen – auch als E3 und als E28 – im Moment der Ansicht, dass es eben dieser weiteren Schritte bedarf, und werden im Lichte der Entwicklung, was wir über diesen Vorfall wissen, versuchen, das weiter gemeinsam zu betrachten.

ZUSATZFRAGE DECKER: Frau Alemany, was schwebt denn Ihrem Minister vor?

ALEMANY: Ich glaube, Frau Adebahr hat es ganz gut zusammengefasst. Das deutsche restriktive Rüstungsexportkontrollsystem gilt wie immer. Wir sind ja auch die Restriktivsten in der EU. Nichtsdestotrotz gilt, was Minister Altmaier gesagt hat. Wenn Sie einen Effekt erzielen wollen, wäre es günstig, alle EU-Länder würden mit einer Stimme sprechen, und das ist unser Ziel.

FRAGE JESSEN: Zunächst noch einmal eine Frage an Herrn Seibert. Der Wortlaut der Erklärung der Kanzlerin von gestern war ja, dass sie sagte, sie gebe denen recht, die sagen, in diesen Zeiten kann das so nicht stattfinden. Das ist eine Positionierung, aber sie beinhaltet keinerlei eigene Handlungsoptionen. Sie gibt ja nur „denen“ recht. Beinhaltet diese Positionierung, dass die Bundeskanzlerin erwartet, dass die Rüstungsunternehmen von sich aus Lieferungen von bereits genehmigten Rüstungsexporten stoppen? Ist das eine Erwartung, die die Kanzlerin an diese Unternehmen hat?

Eine zweite Frage an Frau Adebahr zur Erklärung des Außenministers: „Derzeit keine Grundlage für positive Entscheidung über neue Rüstungsexporte“. Sehe ich es richtig, dass auch der Passus aus dem Koalitionsvertrag, den wir gelegentlich schon zitiert hatten, dass es zukünftig keine Rüstungsexportgenehmigungen an am Jemenkrieg direkt Beteiligte mehr geben werde, eine positive Entscheidungsgrundlage für weitere Rüstungsexporte gibt?

STS SEIBERT: Ich denke, die Äußerung der Bundeskanzlerin ist wirklich nicht schwer zu verstehen. Vor ihr hatten sich zum Beispiel der Außenminister, aber auch andere Politiker aus den verschiedenen Koalitionsfraktionen bereits deutlich geäußert. Denen gibt sie recht. Wir haben im Moment eine Situation, die überhaupt nicht daran denken lässt, positive Exportentscheidungen in Richtung Saudi-Arabien zu treffen. Das ist die Haltung der Bundesregierung. Wir haben es jetzt hier gesagt: Wie mit bereits getroffenen Entscheidungen umzugehen ist, sofern das Rüstungsgut noch nicht exportiert worden ist, wird jetzt innerhalb der Bundesregierung zu beraten sein. Aber die Äußerung ist meines Erachtens sehr klar.

ADEBAHR: Ich glaube, das, was Herr Seibert gesagt hat, ist das Wesentliche. Ich möchte jetzt nicht aufgrund Ihrer sicherlich feinziselierten, hergeleiteten Frage zum Koalitionsvertrag von hier aus in eine Definitionsarbeit einsteigen; denn was für heute wichtig ist, sind die einmütigen Äußerungen, die Sie aus der Bundesregierung am Wochenende gehört haben.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Herr Seibert, verstehe ich es richtig: Die Kanzlerin erwartet, dass die Rüstungswirtschaft keine Exporte durchführt, auch wenn Sie dies könnte? – So habe ich jetzt Ihre Interpretation verstanden.

Frau Adebahr, das ist natürlich nicht nur feinziseliert, sondern der Wortlaut der Erklärung des Außenministers würde ja offenlassen, dass, wenn geklärt ist, was in der Botschaft geschah, möglicherweise doch wieder positive Entscheidungen über neue Rüstungslieferungen möglich wären. Dem steht aber doch der Koalitionsvertrag entgegen. Also auch für den Fall der Klärung: Woher soll dann angesichts des Textes des Koalitionsvertrages eine dann neuerliche Grundlage für positive Entscheidungen über weitere Rüstungsexporte kommen? – Das ist nicht nur feinziseliert.

ADEBAHR: Niemand hat, glaube ich, den Koalitionsvertrag infrage stellen wollen, und der Außenminister hat für diesen Moment des Standes der Ermittlungen gesagt, solange diese Untersuchungen andauern, solange wir nicht wissen, was da geschehen ist, gibt es keine Grundlage, auf der positive Entscheidungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu treffen sind. Das ist die Aussage für den aktuellen Stand. Er wollte damit nicht den Koalitionsvertrag oder irgendetwas anderes infrage stellen.

FRAGE SIEBOLD: Eine Frage an Herrn Seibert: Erwägen Sie denn auch Wirtschaftssanktionen, die über die Rüstungsexporte hinausgehen, gegen Saudi-Arabien?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen von solchen Plänen hier nicht berichten. Für uns zählt jetzt, dass dieser Mord, diese Tötung des Journalisten, umfassend und glaubwürdig aufgeklärt wird. Alles Weitere wird danach zu besprechen sein, sowohl in der Bundesregierung als auch mit den europäischen Partnern und im Übrigen auch mit den G7-Partnern; denn auch sie haben sich ja in der vergangenen Woche einmütig erklärt.

FRAGE STEINER: Eine Doppelfrage zu den Zahlenumfängen. Herr Fehling, Frau Alemany hat eben auf den Zoll verwiesen. Für den Zoll sind Sie zuständig. Sind Sie denn auskunftsfähig zu der Frage, in welchem Volumen dort noch nicht exportierte Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien noch abzuarbeiten wären?

Frau Alemany, zum Vertrauensschutz, der im Koalitionsvertrag ja eigentlich vorgesehen ist, von dem wir jetzt gerade gehört haben, dass es auch für den Fall aktuell zumindest keine Grundlage gibt: In welchem Umfang ist da überhaupt noch etwas in der Pipeline, oder ist das alles schon mit den vergangenen Genehmigungen abgearbeitet?

ALEMANY: Ich kann vielleicht anfangen. Der Vertrauensschutz, der im Koalitionsvertrag steht, gilt natürlich, aber wie Sie ja wissen, machen wir eine vertiefte Einzelfallprüfung unter anderem auch mit Saudi-Arabien. Das gibt uns die Gelegenheit, die aktuelle Situation im Land, die aktuelle Lage der Menschenrechte, die aktuellen Produkte, um die es geht, immer in die Erwägungen mit einzubeziehen, ebenso wie den Vertrauensschutz oder die Tatsache von Gemeinschaftsprojekten. Am Ende dieser Prüfung kommt dann die Bundesregierung zu einer Genehmigungsentscheidung oder eben nicht. Derzeit sagt die Bundesregierung, es ist klar, dass es keine positiven Genehmigungen mehr geben wird.

Dazu, was momentan an Anträgen in der Pipeline liegt, darf ich mich nicht äußern, weil das, wie Sie wissen, vom Bundesverfassungsgericht nicht aufgehoben wurde. Es wurde auch dem Parlament gegenüber nicht aufgehoben. Wir dürfen immer nur über positive Entscheidungen berichten.

DR. FEHLING: Ich kann noch ergänzen. Mir liegen dazu keine Zahlen vor. Die Abwicklung solcher einzelnen Ausfuhren ist Sache des Zolls, wie Sie gesagt haben, und das wäre dann beim Zoll er hat ja eine eigene Pressestelle zu erfragen.

ZUSATZFRAGE STEINER: Das heißt, Sie haben vorab nichts erfragt, im Wissen darum, dass diese Frage heute auf Sie zukommen könnte?

DR. FEHLING: Es ist keine ministerielle Tätigkeit, diese Zahlen festzustellen.

ZUSATZ STEINER: Es ist eine nachgeordnete Behörde.

DR. FEHLING: Ja, und die hat eine eigene Pressestelle. Die ist für solche Fragen zuständig.

ZUSATZFRAGE STEINER: Entschuldigung, aber das finde ich jetzt ein bisschen schräg, dass das Bundesfinanzminister meint, für seinen Zoll nicht zuständig zu sein. Sie tragen für das, was der Zoll treibt, die politische Verantwortung.

DR. FEHLING: Ja, aber es bleibt dabei: Ich habe diese Zahlen jetzt nicht dabei, und die können Sie beim Zoll gerne erfragen.

FRAGE: Noch eine Nachfrage an Frau Adebahr: In der gemeinsamen Erklärung der Außenminister heißt es abschließend: Eine Beurteilung wird unter anderem davon abhängen, inwieweit wir darauf vertrauen können, dass sich ein so schändlicher Fall nie wieder ereignen wird und kann. – Was muss passieren, dass sich so ein Vorfall nicht wiederholen kann?

ADEBAHR: Ich glaube, auch eine solche Bewertung nehmen wir dann vor, wenn wir wissen, was passiert ist.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, wie bewertet die Bundesregierung, dass Siemens einer der Hauptsponsoren der jetzt stattfindenden Investorenkonferenz in Saudi-Arabien ist und dass Herr Kaeser Stand jetzt teilnehmen wird?

STS SEIBERT: Den letzten Teil habe ich nicht verstanden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Stand jetzt nimmt er ja noch teil, und Stand jetzt ist Siemens noch Hauptsponsor dieser Investorenkonferenz. Wie bewertet das die Bundesregierung? Wie geht sie damit um?

STS SEIBERT: Erstens weiß ich nicht, ob Herr Kaeser daran teilnimmt, zweitens funktioniert es ja in Deutschland nicht so, dass die Bundesregierung Unternehmen deren Aktivitäten verbietet, es sei denn es gibt dafür legale Grundlagen. Im Falle von Sanktionen beispielsweise können Aktivitäten verboten sein. Natürlich sind wirtschaftliche Aktivitäten in Saudi-Arabien nicht verboten. Deswegen machen wir da keine Vorschriften. Jedes Unternehmen wird für sich beurteilen, wie es mit der derzeitigen Situation umgeht. Man hört, dass Unternehmensspitzen zu ganz unterschiedlichen Beurteilungen gekommen sind, was die Teilnahme an dieser Konferenz in Riad betrifft.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich hatte nicht nach Verboten oder Ähnlichem gefragt. Ich hatte nach Ihrer Bewertung gefragt. Jetzt haben Sie mir die Bewertung von Unternehmensspitzen genannt. Können Sie mir die Bewertung von Frau Merkel sagen? Frau Adebahr, wie sieht Herr Maas das? Ist es in Ordnung, wenn Siemens weiterhin noch Hauptsponsor ist?

ADEBAHR: Herr Maas hat sich dazu das können Sie gerne nachlesen in den Tagesthemen geäußert.

ZUSATZ JUNG: Dann hat sich das erledigt.

ADEBAHR: Er hat gesagt, das sei eine Entscheidung, die Herr Kaeser selber treffen müsse. Er halte nichts davon, als Außenminister Empfehlungen zu geben. Er gehe davon aus, dass sich das Herr Kaeser im Lichte der Ereignisse sicherlich noch einmal anschauen werde. Er hat gesagt, er selbst würde zurzeit nicht an einer Veranstaltung in Riad teilnehmen, und hat Verständnis für jene, die ihre Teilnahme an dieser Veranstaltung absagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Seibert, hat Frau Merkel vielleicht Kontakt zu Herrn Kaeser?

STS SEIBERT: Ich habe für die Bundeskanzlerin das gesagt, was dazu zu sagen ist.

FRAGE WARWEG: Derzeit läuft ja noch zeitlich unbegrenzt die Ausbildungsmission der deutschen Bundespolizei in Saudi-Arabien, insbesondere für Grenzbeamte, aber auch insgesamt für den saudi-arabischen Sicherheitssektor also den Sektor, der vermutlich direkt impliziert war bei der Ermordung. Deswegen die Frage vermutlich an das BMI: Gibt es Überlegungen, diese Ausbildungsmission deutscher Bundespolizisten in Saudi-Arabien im Zuge der Vorkommnisse einzustellen?

PETERMANN: Ich kann Ihnen dazu jetzt keine Antwort geben; ich reiche das nach.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Wenn das BMI keine Antwort geben kann: Die ganze Mission wird ja über die GIZ finanziert. Hat das BMZ dazu mehr Informationen?

RIETSCHEL: Können Sie die Frage noch einmal präzisieren?

ZUSATZFRAGE WARWEG: Die Frage war: Deutsche Bundespolizei bilden Grenzbeamte in Saudi-Arabien aus. Wird diese Ausbildungsmission im Kontext der aktuellen Vorfälle überdacht? Diese Mission ist ja bisher zeitlich unbegrenzt angelegt, wie eine aktuelle Parlamentarische Anfrage ergeben hat. Deswegen die Frage an das BMZ in Bezug auf die Vorfeldorganisation GIZ: Gibt es Planungen, dies einzustellen?

RIETSCHEL: Bei der Genehmigung dieses Vorhabens durch das BMZ in Abstimmung mit dem AA bestand eigentlich BMZ-intern Einigkeit darüber, dass es nicht im Ermessen des BMZ liegt, über die politische Entscheidung des BMI zugunsten eines Bundespolizeiengagements in Saudi-Arabien zu befinden. Von daher würden wir auch an dieser Stelle wieder an das BMI verweisen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Und das BMI verweist auch?

PETERMANN: Ich habe nicht verwiesen, ich habe gesagt, ich reiche nach.

ZUSATZ WARWEG: Okay, Sie reichen nach, dann war das ein Missverständnis. Danke.

FRAGE SIEBOLD: Frau Adebahr, können Sie uns sagen, wer sich mit dem saudischen Botschafter im Auswärtigen Amt treffen wird und welche Botschaft derjenige oder diejenige dann überbringen wird?

ADEBAHR: Ich kann hier noch nicht konkret sagen, wer der Gesprächspartner sein wird. Ich denke, die Botschaft wird intern die gleiche sein, wie Sie sie auch in den öffentlichen Statements gehört haben.

FRAGE JESSEN: An Herrn Seibert und vielleicht auch an das Auswärtige Amt: Ist der saudische Kronprinz noch der Hoffnungsträger für Reformprozesse in Saudi-Arabien, die zum Beispiel in der „Saudi Vision 2030“ niedergelegt waren, oder hat er sich nicht diskreditiert und zwar nicht nur durch die aktuelle Khashoggi-Ermordung, sondern auch in der Vergangenheit durch das zeitweilige Kidnapping des Premierministers des Libanon? Er hat auch sozusagen Mitglieder der eigenen Familie zeitweilig fast in Haft genommen und unter Hausarrest gestellt. Es gibt in den USA Stimmen, die sagen, man müsse dafür sorgen, dass dieser Kronprinz in Zukunft nicht mehr zur neuen politischen Führungsfigur entwickelt wird. Hat die Bundesregierung Anlass, an der positiven Bewertung des saudischen Kronprinzen festzuhalten oder davon abzurücken?

STS SEIBERT: Das Bild ist, wie man sich vorstellen kann, sehr komplex. So ernsthaft und auch empört wir hier über die Ermordung des Journalisten Khashoggi sprechen müssen, so sehr sind auch bestimmte innenpolitische Reformen in Saudi-Arabien eine Realität: Reformen, die die Rolle der Frau in der saudischen Gesellschaft betreffen, ökonomische und gesellschaftliche Reformen. Auch das ist eine Realität, und so wird man immer nicht so leicht zu einer Schwarz-weiß-Einschätzung kommen, sondern man wird sagen müssen: Das eine befürworten wir dass saudische Frauen Rechte haben, die sie bis vor Kurzem nicht hatten , aber das andere steht jetzt natürlich unübersehbar im Raum, und das ist dieser grauenhafte Fall Khashoggi, der aufgeklärt werden muss.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Frage war ja, wie die Bewertung und Einschätzung der politischen Führungsfigur ist. Das ist komplex, da haben Sie völlig recht. Aber ist Mohammed bin Salman für die Bundesregierung noch ein im Wesentlichen reformorientierter Bündnispartner?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen hier nicht diese flotten Überschriften bieten, die Sie, glaube ich, ganz gerne hätten. Wir haben als Bundesregierung und als Bundesrepublik Deutschland Beziehungen zum Königreich Saudi-Arabien, das ein immens wichtiger Akteur in dieser Region ist. Das sind nuancierte Beziehungen. Es gibt König Salman und es gibt den Kronprinzen. Das sind Tatsachen, und jetzt steht, wie gesagt, erst einmal im Zentrum der Betrachtungen, dass dieser Fall aufgeklärt werden muss und man die ganze Wahrheit wissen muss. Es ist erkennbar, dass wir die ganze Wahrheit noch nicht wissen und auch von Saudi-Arabien noch nicht erfahren haben.

FRAGE STEINER: Herr Seibert, Frau Adebahr, ich habe interessiert zugehört, mit wem sich alles abgestimmt wird E3, EU-28, alles sehr spannend, es gibt aber einen Akteur, der mit Saudi-Arabien eine ganz besondere Beziehung hat. Gab es in irgendeiner Form Telefonate oder Gespräche anderer Form mit den einschlägigen US-Vertretern, gibt es auch mit denen eine Koordination?

ADEBAHR: Es gab in der letzten Woche eine G7-Erklärung, die Sie vielleicht gesehen haben. Das heißt, dass dort ebene eine Koordination mit den USA stattfindet. Es gibt natürlich auch besonders über unsere Botschaft in Washington Gespräche mit US-Stellen. Diese Gespräche laufen natürlich auch fort.

ZUSATZFRAGE STEINER: Höherrangige Gespräche dass der Außenminister mit seinem US-Amtskollegen telefoniert oder ähnliches hat es in den vergangenen drei Tagen aber nicht gegeben?

ADEBAHR: Ich kann Ihnen hier heute über kein Telefonat berichten.

FRAGE VON BULLION: An das BMI: Es gab ein Gutachten, das die Grenzkontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze durch bayerische Landespolizisten für verfassungswidrig erklärt hat. Es geht dabei im Kern darum, dass Parallelstrukturen zwischen der Bundespolizei und der Landespolizei nach dem Grundgesetz nicht zulässig seien; dazu gibt es auch ein einschlägiges Verfassungsgerichtsurteil. Was ist dazu die Haltung des Bundesinnenministers als Dienstherr der Bundespolizei, und welche Konsequenzen will er aus diesem Gutachten ziehen?

PETERMANN: Es ist richtig, dass es dieses Gutachten gibt. Das ist gestern im BMI eingegangen und wird derzeit von uns ausgewertet, deswegen kann ich zu dem Gutachten selbst noch nichts sagen.

Was ich sagen kann, ist: Nach unserer Auffassung funktioniert die Zusammenarbeit mit Bayern nicht nur sehr gut, sondern vor allem auch rechtskonform auf der Grundlage des § 64 Bundespolizeigesetz. Auf dieser Rechtsgrundlage bedeutet das keine Übertragung grenzpolizeilicher Befugnisse, vielmehr ist das ein internes Verwaltungsabkommen. Insofern können wir nach dem, was vereinbart ist, und nach dem, was vollzogen wird, auch nicht von einem verfassungswidrigen Abkommen ausgehen. Ja, es gibt einen gemeinsamen Arbeitsraum; den gibt es immer zwischen der Landespolizei und der Bundespolizei im Grenzraum, in dem Fahndungs- und Kontrollmaßnahmen abgestimmt werden. Die grenzpolizeilichen Entscheidungen überall, aber vor allem eben an der Grenze zwischen Bayern und Österreich, werden natürlich von der Bundespolizei getroffen und nicht von Bayern.

ZUSATZFRAGE VON BULLION: Das wurde in diesem Punkt auch auf Verwaltungsebene das ist der dritte Kernpunkt in diesem Gutachten als unzulässig erklärt; es ist also nicht nur ein verfassungsrechtliches Problem. Haben Sie sich das schon näher anschauen können? Was ist Ihre Haltung dazu?

PETERMANN: Nein, das Gutachten ist bei uns noch nicht ausgewertet.

ZUSATZFRAGE VON BULLION: Wann darf man damit rechnen?

PETERMANN: Dazu kann ich Ihnen keine Angaben machen.

FRAGE WIEGOLD: Nur eine Verständnisfrage vielleicht habe ich es ja ganz falsch verstanden : Wenn ich das richtig verstanden habe, sagten Sie gerade, dass das kein hoheitliches Handeln sei, sondern dass da nur nach einer Verwaltungsvereinbarung gehandelt werde. Das heißt, die bayerische Grenzpolizei handelt dort nicht hoheitlich, oder wie muss ich mir das vorstellen?

PETERMANN: Ich glaube, das ist ein Missverständnis. Natürlich handelt die bayerische Polizei hoheitlich, anders geht es ja gar nicht; die Polizei handelt ja bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen hoheitlich. Ich will das hier gar nicht juristisch im Einzelnen detailliert erklären, aber die Polizei arbeitet natürlich überwiegend hoheitlich, und das auch im Grenzraum bis zur Grenze, klar.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Dann habe ich das nicht verstanden, wo Sie sagten, das sei nur eine interne Verwaltungsvereinbarung.

PETERMANN: Für die Zusammenarbeit im grenznahen Raum gibt es eine verwaltungsinterne Vereinbarung, wie Maßnahmen miteinander abgestimmt werden.

FRAGE STEINER: Nur damit ich das wirklich richtig verstehe: Das heißt, die Bundespolizei arbeitet für sich, die bayerische Grenzpolizei arbeitet für sich, aber darüber, wie man nebeneinander arbeitet, gibt es eine Verwaltungsvereinbarung, die das ganze aufeinander abstimmen soll.

PETERMANN: Nein, die arbeiten auch miteinander. Beispielsweise gibt es, wenn Fahndungs- und Kontrollmaßnahmen stattfinden, eine Abstimmung darüber. Wenn die bayerische Grenzpolizei irgendwelche Maßnahmen zur Kenntnis nimmt, die möglicherweise auch zu grenzpolizeilichen Verletzungen führen könnten, dann meldet sie das der Bundespolizei.

ZUSATZFRAGE STEINER: Und damit ist sichergestellt, dass sozusagen in die hoheitliche Aufgabe der Bundespolizei durch die bayerische Grenzpolizei nicht unangemessen eingegriffen wird?

PETERMANN: Richtig.

FRAGE WIEGOLD: Dann frage ich jetzt noch einmal: Die bayerische Grenzpolizei schützt die Grenze des Freistaats Bayern, und die Bundespolizei schützt die Grenze der Bundesrepublik Deutschland? Ist das so richtig?

PETERMANN: Nein, das habe ich auch nicht gesagt. Die Bundespolizei ist für die grenzpolizeilichen Maßnahmen zuständig, und die bayerische Landespolizei ist für alle polizeilichen Maßnahmen bis an die Grenze heran zuständig.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Das heißt, die bayerische Polizei nimmt keine grenzpolizeilichen Aufgaben wahr?

PETERMANN: Richtig.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Wenn Bayern also sagt „Wir schützen unsere Grenze“, dann ist das in dem Sinne eine falsche Aussage?

PETERMANN: Ich will hier nicht kommentieren, wie der Freistaat Bayern seine polizeilichen Maßnahmen organsiert; das steht mir nicht zu.

FRAGE KREUTZFELDT: Die Kanzlerin hat ja gestern Abend angekündigt, dass sie die überhöhten Stickstoffwerte in den Städten jetzt dadurch in den Griff bekommen will, dass sie Fahrverbote verbietet, sofern die Grenzwerte um nicht mehr als 25 Prozent überschritten werden. Wie soll das praktisch umgesetzt werden? Ich denke einmal, auch wenn das erst von gestern ist, gibt es dazu schon Konzepte.

(Nächster Satz akustisch unverständlich, Mikrofon wurde abgeschaltet)

Wie soll das Koalitionsausschusspapier vom 1. Oktober umgesetzt werden? Es handelt sich dabei ja um EU-Vorgaben, und ich weiß gar nicht, ob die durch das Immissionsschutzgesetz so ohne Weiteres ausgehebelt werden können.

STS SEIBERT: Die Kollegen sagen dazu gleich sicherlich auch noch etwas. Ich glaube, „die Kanzlerin verbietet“ ist in diesem Fall nicht ganz die zutreffende Formulierung. Wir haben 51 Städte, die den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter nur relativ geringfügig überschreiten. Wir haben weitere 14 Städte, die oberhalb der 50 und zum Teil bis in die 70 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen. Für die 51 Städte mit der geringfügigen Überschreitung haben wir ja in unserem Konzept der Bundesregierung ohnehin bereits sehr weitreichende Maßnahmen ins Auge gefasst, nämlich Hardwarenachrüstungen mit hoher Förderung des Bundes bei Handwerker- und Lieferfahrzeugen, den schweren Kommunalfahrzeugen, Müllabfuhr, Stadtreinigung usw.

Nun wird an einer Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gearbeitet, aus der dann hervorgehen würde, dass, wenn man all diese Maßnahmen bedenkt, die wir für diese Städte ergreifen und die sehr wirksam sein werden, in diesen Städten mit 40 bis 50 Mikrogramm NOx pro Kubikmeter ein Fahrverbot nicht verhältnismäßig ist. Das ist eigentlich der Punkt; denn Sie wissen, dass die Gerichte sagen bzw. dass das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, dass Verkehrsbeschränkungen zulässig sind und geboten sein können, aber natürlich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Da setzt diese Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes an.

Es geht also, wie bei allem, was wir in dieser Sache machen, um zwei Hauptziele: Das erste Hauptziel ist, zugunsten der Umwelt, zugunsten der Bürgerinnen und Bürger in den Städten alles dafür zu tun, dass der Schadstoffgrenzwert künftig in möglichst allen Städten unterschritten wird. Darauf arbeiten wir mit einem großen Paket von Maßnahmen hin mit dem Sofortprogramm Saubere Luft und mit den Maßnahmen, die noch zusätzlich in der Koalition Anfang Oktober verabredet worden sind. Das zweite Hauptziel ist: Individuelle Mobilität von Dieselfahrern soll möglich bleiben. Dem dient die geplante Gesetzesänderung.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Nun haben aber die Gerichte in all ihren Urteilen, die mir bekannt sind, zu den Fahrverboten genau das geprüft, nämlich ob alle bisher beschlossenen Maßnahmen genügen werden, um in Zukunft den Grenzwert einzuhalten, und sind zu der Erkenntnis gekommen: Das ist nicht der Fall. Nur dort, wo diese Erkenntnis gekommen ist, gibt es Fahrverbote. Das heißt, faktisch bedeutet Ihre Entscheidung wenn Sie die jetzt so treffen , dass in Zukunft trotz überschrittener Grenzwerte in diesen Städten keine Fahrverbote verhängt werden sollen. Da noch einmal meine Frage: Wie passt es zu der EU-Vorgabe, dass diese Grenzwerte nicht als ungefähre Annäherungswerte, sondern als absolute Werte gelten, und zwar seit zehn Jahren?

STS SEIBERT: Sie wissen, dass einzelne Gerichtsurteile auf der Grundlage von Luftreinhalteplänen ergangen sind, die nicht den neuesten Stand beinhalteten. Unser Ziel ist doch jetzt, den Städten genügend Material, genügend konkrete, wirksame Maßnahmen an die Hand zu geben, damit sie neue Luftreinhaltepläne aufstellen können das ist ja die Verpflichtung der Kommunen und nicht des Bundes und mit diesen neuen Luftreinhalteplänen dann drohende Fahrverbote wegen offenbar nicht mehr bestehender Verhältnismäßigkeit abzuwenden.

FRAGE HAMBERGER: Herr Haufe, die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes liegt ja in der Hand des Umweltministeriums. Haben Sie da einen Zeitplan, wann wollen Sie da etwas vorlegen?

Die zweite Frage geht an das Verkehrsministerium: Die Einigung vom 1. Oktober beinhaltet ja auch die Hardwarenachrüstungen für Pkw. Da heißt es, der Bund werde die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen. Wie weit sind Sie denn damit, diese Voraussetzungen zu schaffen?

HAUFE: Zu der Terminierung kann ich mich hier jetzt nicht äußern. Wenn wir die Regelungen fertig haben, dann werden wir sie entsprechend ins Kabinett bringen, und davon erfahren Sie dann ja auch rechtzeitig. Herr Seibert hat ja den Kern dieser Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ich betone das noch einmal, weil teilweise vom Bundes-Emissionsschutzgesetz gesprochen wird; das gibt es nicht, es gibt nur das Bundes-Immissionsschutzgesetz angesprochen.

Ich gehe noch einmal auf Ihre vorhin gestellte Frage ein, was Gerichte entschieden haben: Das Bundesverwaltungsgericht hat ja festgestellt, dass Verkehrsbeschränkungen, also eben auch Fahrverbote, zulässig sein können. Die Kommunen haben uns gebeten, klarzustellen, wo, in welcher Art und Weise und unter welchen Bedingungen sie zulässig sein können. Auch das haben wir in unserem Konzept festgehalten, und dafür legen wir jetzt die Regeln vor. Herr Seibert hat den Kern dargestellt. Das heißt, wir machen eine Unterscheidung zwischen den niedrig belasteten und den höher belasteten Städten auch weil wir in der Erfahrung einfach weiter sind. Auch eine amtliche Feststellung vom Umweltbundesamt sagt: Wir können in Städten mit geringen Überschreitungen bei den Grenzwerten mit schnell realisierbaren Maßnahmen, also dem bekannten Konzept bzw. dem bekannten Mix aus einer Nachrüstung von Bussen, der Elektrifizierung von Lieferfahrzeugen, Taxis oder der Busflotte, auch Veränderungen in der Verkehrsführung sowie mit anderen Maßnahmen, die wir durch das Sofortprogramm Saubere Luft auf den Weg bringen, die Grenzwerte absehbar ohne eine stärkere, größere Verkehrseinschränkung einhalten. Aufgrund dieses Wissenszuwachses können wir heute diese Unterscheidung besser vornehmen.

Das heißt aber nicht das auch noch einmal zur Klarstellung , dass wir als Bund Fahrverbote verbieten werden. Das können wir nicht. Am Ende so hat es Herr Seibert auch schon gesagt, und ich will das noch einmal betonen, weil da ja durchaus auch schon Missverständnisse kursieren gilt zum einen natürlich die Selbstverwaltung der Kommune. Eine Kommune legt in ihrem Luftreinhalteplan selbst fest, wie sie am Ende dafür sorgen möchte, dass die Gesundheit der Bürger geschützt wird und damit eben auch für saubere Luft gesorgt wird. Zum anderen gibt es natürlich auch die europarechtliche Vorgabe, dass Luftreinhaltung ganz klar ein sehr hohes Gut ist und auch über anderen Gütern stehen muss. Da will ich also noch einmal für Klarheit sorgen.

Wir brauchen dann natürlich für die Städte mit hohen und höheren Belastungen auch eine klare Regelung, nämlich eine Einfahrtsregelung für Euro-4- und Euro-5-Fahrzeuge. Auch das ist bereits im Konzept der Bundesregierung angelegt, und das ist auch Teil der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Diesel-Pkw nach Euro 4 und Euro 5, die nicht mehr als 270 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen, können dann einfahren, wenn sie entsprechend nachgerüstet sind. Ein Euro-5-Fahrzeug stößt heute im schlimmsten Fall 900 Milligramm Stickoxid pro Kilometer aus, wenn die Abgasreinigung nicht funktioniert; das heißt, man braucht das Softwareupdate, man braucht die Hardwarenachrüstung, um eine so drastische Senkung zu erreichen. Wir brauchen aber auch eine klare Regelung, dass diese Fahrzeuge dann einfahren können, wenn es Fahrverbote gibt. Deswegen auch hier eine Klarstellung.

STRATER: Was war noch einmal die Frage an uns?

ZUSATZFRAGE HAMBERGER: Für die Pkw-Hardwarenachrüstungen sollen ja die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Meine Frage ist, wie weit das schon fortgeschritten ist.

STRATER: Da kann ich Ihnen jetzt noch keinen Zeitpunkt nennen. Wir sind mit den Herstellern dieser Nachrüstsets im Gespräch, wir sind dabei, die technischen Vorschriften dann auch zu schaffen. Im Moment kann ich das noch nicht weiter konkretisieren. Was wir auch machen ist, die Förderrichtlinien für die Nachrüstungen bei den schweren Kommunalfahrzeugen in den Städten festzulegen. Auch an den Richtlinien für die Handwerker- und Lieferfahrzeuge in den betroffenen Städten arbeiten wir mit Hochdruck. Dazu müssen auch noch die Möglichkeiten umgesetzt werden, anhand des Kennzeichens zu kontrollieren, ob Fahrzeuge, die in die Städte einfahren, hardwarenachgerüstet sind oder den neuesten Umwelt- und Eurovorschriften entsprechen. Auch das Nachweisverfahren, ob Fahrzeuge die 270 Milligramm einhalten, müssen wir noch festlegen. Wir arbeiten also mit Hochdruck daran, und das wird jetzt alles innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Wenn es soweit ist, werden wir das auch kommunizieren.

HAUFE: Das zeigt auch noch einmal, dass es ein Gesamtpaket ist. Auch aus Sicht der Umweltministerin geht es hier um zwei Dinge: Wir wollen einerseits im Bundes-Immissionsschutzgesetz eine Klarstellung für die Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten schaffen. Auf der anderen Seite brauchen wir klar eine Genehmigung von Nachrüstungen für Diesel-Pkw.

FRAGE JUNG: Herr Haufe, Herr Seibert meinte ja gerade, dass höhere Hürden für die Verhängung von Fahrverboten zugunsten der Umwelt sein würden. Können Sie das bestätigen?

HAUFE: Dass die Verhängung von Fahrverboten zugunsten der Umwelt sei?

FRAGE JUNG: Herr Seibert hat gerade als allererstes gesagt, dass höhere Hürden für die Verhängung von Fahrverboten zugunsten der Umwelt wären.

STS SEIBERT: Ich plädiere ja immer für richtig gutes Zuhören. Ich habe zwei Hauptziele der Bundesregierung genannt. Das eine ist, zugunsten der Umwelt und zugunsten der Bürger die Grenzwerte einzuhalten, und zwar überall. Dafür arbeiten wir mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen; das ist hier ja gerade noch einmal dargestellt worden. Das zweite, ebenso wichtige Ziel ist es, die individuelle Mobilität von Menschen zu erhalten, die Dieselautos haben und sich jetzt fragen, ob sie die noch fahren können oder nicht. Wir wollen dafür sorgen, dass sie das tun können. Das ist das korrekte Zitat. Damit erübrigt sich, glaube ich, die Frage.

ZUSATZFRAGE JUNG: Und das kann das BMU so bestätigen?

HAUFE: Es ist natürlich sinnvoll, auch über die Hürde eines Fahrverbotes zu sprechen; denn es geht eben um den Grundsatz Verhältnismäßigkeit. Wenn jetzt eine Kommune für ein Jahr oder für anderthalb Jahre ein Fahrverbot verhängen soll, dann ist das ein enormer Aufwand, und es kommt auch zu einer enormen Verunsicherung. Gleichzeitig haben wir aber mittlerweile ein Set an Maßnahmen entwickelt haben, mit denen wir die Luftschadstoffbelastung senken können. Das muss man einfach abwägen. Es gibt mittlerweile einen sehr breiten Katalog von Maßnahmen, die Städte über das hinaus, was sie bisher konnten, durchführen können. Deswegen können wir an dieser Stelle natürlich auch über die Hürde sprechen. Das ist aber eine andere Hürde als die, die Sie jetzt meinen. Herr Seibert hat gerade ja auch klargestellt, wie er es meinte.

STS SEIBERT: Es ist doch so: Wir sind ja insgesamt glücklicherweise in einem Panorama sinkender Schadstoffwerte noch nicht genügend, denn wir haben immer noch 68 Städte und Kommunen, die über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm liegen, aber wir hatten im Jahr zuvor noch 72 solche Städte. Das heißt, die Erwartung ist und die ist fundiert , dass auch im nächsten Jahr wieder einige Städte aus dieser Gruppe herausgerutscht sind, weil sie eben unter dem Grenzwert von 40 Mikrogramm liegen. Das heißt, das ist das Gesamtpanorama, das den Aspekt der Verhältnismäßigkeit eines möglicherweise kurzfristigen Fahrverbots, genau wie Herr Haufe es gesagt hat, noch einmal in den Mittelpunkt rückt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das heißt, die Bundesregierung hat gar nicht als Ziel, dass alle dieser 68 Städte nächstes Jahr die Grenzwerte einhalten?

STS SEIBERT: Das wird gar nicht passieren können, weil in den meistbelasteten Städten beispielsweise der Straßenverkehr nur eine von mehreren Schadstoffemissionsquellen ist. In Hafenstädten muss man erst einmal die Situation mit den Schiffen in den Griff bekommen, um wirklich unter diese Grenzwerte zu kommen. Das heißt, mit Maßnahmen, die wir jetzt für den individuellen Straßenverkehr treffen, werden wir viel erreichen, vor allem kurzfristig in den geringer belasteten Städten. In den stark belasteten Städten wird man aber auch noch an ganz andere Aspekte denken müssen als in Anführungszeichen nur an den Straßenverkehr.

FRAGE KREUTZFELDT: Herr Haufe, wie kommen die 270 Milligramm, die Sie eben quasi als neuen Grenzwert für Euro 4 und Euro 5 eingeführt haben, eigentlich zustande? Der Grenzwert beträgt ja nun 180 Milligramm, und Sie schlagen da mal eben 50 Prozent drauf. Wie ist dieser Wert also zustande gekommen, warum hält man einen 50-prozentigen Zuschlag für akzeptabel?

HAUFE: Na ja, das ist ein Wert, bei dem wir sagen können: Dieser Wert ist mit den Ausgangsbedingungen, die wir bei Euro 4 und Euro 5 haben, mit einer Hardwarenachrüstung realisierbar. Das ist im Grunde genommen der strengere Konformitätswert von 1,5, den wir ja im RDE-Verfahren haben, multipliziert mit der Vorgabe für Stickoxidemissionen bei Abgasen. Damit legen wir hier also eine bereits bestehende wie den RDE und zwar in seiner schärfsten Auslegung zugrunde.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Und dieser Wert gilt dann auch dauerhaft? Das Gericht hat ja immer von Übergangsfristen gesprochen, also davon, dass die Autos mindestens fünf Jahre alt sein müssen, bevor sie von Fahrverboten betroffen sein dürfen usw. Ihr 50-Prozent-Aufschlag gilt dann aber unabhängig davon, wie alt die Autos sind?

HAUFE: Hier geht es ja nicht um „dauerhaft“, sondern hier geht es darum, wie eine Kommune ein Fahrverbot regeln soll und wie sie dann mit nachgerüsteten Fahrzeugen umgehen soll. Da braucht es ja eine gewisse Orientierungshilfe. Diese Orientierungshilfe müssen wir mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz liefern, und zwar mit einem Wert, der realistisch ist, der aber natürlich auch auf einer Hardwarenachrüstung basiert.

FRAGE: Herr Haufe, ich habe es leider auch noch nicht so ganz verstanden. Wenn ich das richtig sehe, sind die Grenzwerte doch gar nicht im Bundes-Immissionsschutzgesetz, sondern in der „Technischen Anleitung Luft“ ich glaube, so heißt das Ding festgelegt. Stimmt das oder ist das falsch?

Zweite Frage: Sie reden immer von geringfügigen Abweichungen. Können Sie das quantifizieren? Geht es da um 10 Prozent oder um 20 Prozent? 40 Mikrogramm ist aktuell der Grenzwert was ist aus Ihrer Sicht tolerabel?

HAUFE: Die Grenzwerte legt die Europäische Union in der Europäischen Luftreinhalterichtlinie fest. Diese übernehmen wir in unserer Gesetzgebung und auch in den Verordnungen.

ZUSATZFRAGE: Nur damit ich das richtig versteht: Die Grenzwerte stehen in den Verordnungen, nicht im Gesetz, oder?

HAUFE: Sowohl als auch. Das sind Grenzwerte, die für die ganze Europäische Union gelten, und diese übernehmen wir in verschiedenen Regelungen als Orientierungswerte also als feste Grenzwerte.

Zu Ihrer Frage nach den geringen Überschreitungen und den stärkeren Überschreitungen: Wir machen hier die Grenze bei einem Jahresmittelwert von 50 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft. Das heißt, der der europäische Grenzwert liegt bei einem Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft. Wir sagen: Über einem Wert von 50 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft ist eine höhere Luftbelastung vorhanden. Ja, das ist nicht ganz einfach, ich musste mir das auch antrainieren. Das ist aber keine neue Regelung, sondern das basiert schon auf Erfahrungswerten des Umweltbundesamtes, das ja auch Unterscheidungen zwischen stärkeren und schwächeren Belastungen macht. Wir führen hier also kein neues System ein.
FRAGE LANGE: Herr Haufe, wie ist das, was in Deutschland geplant ist, mit Europarecht vereinbar? Sie wollen in Deutschland auf über 40 Mikrogramm gehen. Wie ist das mit Europarecht vereinbar? Gibt es Ausnahmen, oder lassen Sie es darauf ankommen?

HAUFE: Die Ausnahmen habe ich schon skizziert. Am Ende entscheidet eine Kommune selbst, ob sie ein Fahrverbot verhängt oder nicht. Wenn sie, nachdem sie alle Maßnahmen, die wir vorgelegt haben Hardwarenachrüstungen für schwere und leichte Kommunalfahrzeuge, Elektrobusse, teilweise auch Verkehrsumleitungen und Tempo-30-Zonen , eingeführt hat, immer noch Grenzwertüberschreitungen aufweist und sagt: „Ich habe alles ausgeschöpft; ich kann jetzt nur noch mit einem Fahrverbot agieren“, dann wird sie das auch weiterhin tun können. Darüber entscheidet am Ende die Kommune selbst.

Wir schaffen Klarheit bei der Verhältnismäßigkeit und sagen: Wenn man zwischen 40 Mikrogramm und 50 Mikrogramm liegt, dann kann man auch mit einem anderen Set an Maßnahmen agieren, ohne Verkehrseinschränkungen treffen zu müssen.

FRAGE STEINER: Herr Haufe, Herr Seibert, ich verstehe es tatsächlich immer noch nicht. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dann ist es so, dass sich das Bundesverwaltungsgericht ja durchaus schon mit der Frage beschäftigt hat, was europarechtliche Vorgabe ist. Ich habe das, ehrlich gesagt, nicht so verstanden, dass das als Ultima Ratio in dem Sinne gilt, dass man vorher noch viele Sachen ausprobieren darf, sondern dass man dieses Ziel zu erreichen hat und dass das Fahrverbot, wenn es nun einmal die geeignetste Maßnahme ist, um dieses Ziel zu erreichen, dann entsprechend anzuwenden ist.

Ich habe immer noch nicht verstanden, wo Sie da den europarechtlichen Ausweg gefunden haben.

HAUFE: Den europarechtlichen Ausweg suchen wir an dieser Stelle gar nicht. Ich habe Ihnen gerade skizziert, dass eine Kommune am Ende selbst darüber entscheidet, welche Form der Verkehrseinschränkung sie vornimmt.

ZUSATZFRAGE STEINER: Dann spezifiziere ich die Frage. Sie sagen, eine Kommune nehme selbst die Entscheidung vor. Nun ist es aber so, dass traditionell so kann man es inzwischen, denke ich, schon sagen Kläger die Kommunen zu Maßnahmen verpflichten wollen und Gerichte dieser Ansicht dann regelmäßig folgen. Dieses Erlebnis hatten wir ja in den vergangenen Jahren.

Jetzt sagen Sie: Mit unseren Maßnahmen kommen wir vielleicht in die Richtung. Wenn wir das hochsetzen, ist vielleicht noch ein bisschen Spiel darin. Oder wie muss ich mir das vorstellen?

HAUFE: Wir hatten am Anfang des Jahres, als der Bericht über Daten zur Luftqualität vom Umweltbundesamt vorgelegt wurde, erstmals den Befund, dass das Umweltbundesamt als oberste Behörde für die Luftqualität meinte, dass es mit einem bestimmten Set an Maßnahmen, das sich jetzt abzeichnet und jetzt zur Verfügung steht, möglich sei, die Luftbelastung zu senken. Es hat beschrieben, in welchem Rahmen die Luftbelastung gesenkt werden kann. Anhand dieser neuen Erkenntnisse können wir jetzt besser einschätzen, in welchen Städten wir die Luftqualität sehr wahrscheinlich ohne Fahrverbote verbessern können und in welchen Städten das eher nicht möglich sein wird.

Wir haben inzwischen oft gesagt, dass die Lage der Städte sehr kompliziert ist. Straßenverkehr ist nicht in jeder Stadt gleich Straßenverkehr. Die Luftbelastung hat unterschiedliche Ursachen. Deshalb kann man auch nicht so einfach generalisieren. Aber, wie ich gerade gesagt habe, mit bestimmten Maßnahmen, die vor zwei oder anderthalb Jahren noch nicht denkbar waren und die jetzt auch schon viel weiter fortgeschritten sind, kann man heute anders agieren, als es damals noch der Fall war.

ZUSATZFRAGE STEINER: Sagen Sie, dass die Maßnahmen, die Sie jetzt als realisierbar bezeichnen das sind vor allem technische Nachrüstung, Elektrobusse etc. pp. und die theoretisch kurzfristig möglich sind, jetzt greifen? Ist das Ihre Aussage?

HAUFE: Das Umweltbundesamt hat gesagt, es seien erste Effekte bestimmter Maßnahmen sichtbar. Sie fangen an. Es wurde vorsichtig gesagt, sie fingen an zu greifen. Dazu gehört das Softwareupdate. Dazu gehören auch bestimmte Verkehrsumleitungen, die die Städte vorgenommen haben. Viele Städte haben Tempobeschränkungen vorgenommen. Das betrifft auch die Nachrüstung von Bussen, die anfängt. Das betrifft generell die Umstellung des ÖPNV-Fuhrparkes von Städten. Jetzt kommen weitere Maßnahmen außerhalb des Diesel-Pkw hinzu wie zum Beispiel die Elektrifizierung von Lieferfahrzeugen und vor allen Dingen auch die Nachrüstung schwerer Kommunalfahrzeuge, die erst anlaufen wird.

Gleichzeitig haben wir aber auch den klaren Befund, dass es in bestimmten Städten ohne Hardwarenachrüstungen von Diesel-Pkw nicht funktionieren wird. Auch das konnte man noch klarer ableiten.

FRAGE JESSEN: Herr Haufe, wenn ich das richtig verstehe, dann führt die Bundesregierung so etwas wie eine temporäre Bagatellregelung ein. Denn Ihre Ausführungen laufen ja so habe ich Sie verstanden darauf hinaus, zu sagen: Das Set, das wir neu haben, wird mindestens mittelfristig dazu führen, dass die Grenzwerte eingehalten werden, und weil wir diese Hoffnung haben, nehmen wir in Kauf, dass sie kurzfristig überschritten werden, ohne gleich mit dem ganz großen Hammer Fahrverbot zu kommen.

Ist das die Strategie, die dahintersteckt? Ich sehe Sie nicken.

Was bedeutet es, wenn sich diese Hoffnung nicht realisiert, wenn das Set eben doch nicht dazu führt, dass die Grenzwerte dauerhaft eingehalten werden, sondern dauerhaft, wenn auch nur leicht, überschritten werden? Ist dann doch der große Hammer notwendig? Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage: Sie haben eben darauf hingewiesen, dass dann die Zahl von etwa 14 Städten bleibt, in denen es nicht ohne Hardwarenachrüstungen geht. Haben Sie die Hoffnung, dass in dieser Reduzierung auf 14 Städte die Automobilindustrie von sich aus sagt: „Gut, für Pkw, die dort beheimatet sind oder die regelmäßig dorthin fahren müssen, übernehmen wir dann eben doch die Kosten der Hardwarenachrüstung“? Ist das Bestandteil der politischen Strategie?

HAUFE: Zur ersten Frage: Ich will noch einmal betonen, dass auch das Bundesverwaltungsgericht deutlich herausgestellt hat, dass ein Fahrverbot, wenn es verhängt werden muss, verhältnismäßig gestaltet werden soll. Das heißt, dass es zum Beispiel immer Ausnahmen geben muss, nämlich für Pendler, für Lieferfahrzeuge, die regelmäßig fahren müssen, für Handwerker und zum Beispiel auch für Menschen mit Behinderung. Dieser Appell zur Verhältnismäßigkeit war sehr deutlich.

Die Kommunen haben uns als Bund auch gebeten, klarzustellen, wann die Verhängung eines Fahrverbotes überhaupt verhältnismäßig ist, und zwar aktualisiert anhand der Möglichkeiten, die wir mittlerweile haben. Dass wir das getan haben, habe ich erklärt. Darum geht es.

Zum Punkt der Hardwarenachrüstung: Die Position der Bundesumweltministerin ist bekannt und hat sich nicht geändert. Wir haben im Konzept der Bundesregierung sowohl die Umtauschprämie als auch die Hardwarenachrüstung von Diesel-Pkw vorgesehen. Das brauchen wir, und das erwarten wir auch von Seiten der Automobilbranche. Auch zur Kostenfrage hat sie sich mehrfach geäußert. Die Kosten trägt der Verursacher. Daran hat sich auch nichts geändert.

PETERMANN: Ich habe noch eine Nachlieferung zu der Frage zu Bundespolizei und Grenzpolizei: Ich möchte, um Missverständnissen vorzubeugen, noch einmal auf die von mir genannte Rechtsgrundlage hinweisen, nämlich auf § 64 im Bundespolizeigesetz, in dem ausdrücklich steht, dass Polizeivollzugsbeamte also die Bayerische Grenzpolizei Amtshandlungen zur Wahrnehmung von Aufgaben der Bundespolizei auf Anforderung oder mit Zustimmung der Bundespolizeibehörde vornehmen können. Genau das ist Inhalt der Zusammenarbeitsvereinbarung, nach der die Bayerische Grenzpolizei kontrollieren kann. Die Befugnisse richten sich nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz. Die Bundespolizei bleibt selbstverständlich verantwortlich für die grenzpolizeilichen Entscheidungen.

Das nur, damit es keine Missverständnisse gibt.

FRAGE JOLKVER: Welche Folgen der Kündigung des INF-Vertrages erwartet die Bundesregierung für die Bundesrepublik Deutschland?

Was kann und was wird die Bundesregierung unternehmen, um den INF-Vertrag doch noch zu retten?

STS SEIBERT: Wir haben dazu für die Bundesregierung bereits am Wochenende klar Stellung genommen. Die US-Regierung hat uns über die Entscheidung des US-Präsidenten informiert, dass sich die USA aus diesem Vertrag zurückziehen werden. Wir bedauern den angekündigten Rückzug der USA. Wir sehen im INF-Vertrag ein ganz wichtiges Instrument der Rüstungskontrolle und ein Element, dass in besonderer Weise auch den europäischen Interessen, also auch unseren deutschen Interessen, dient. Der INF-Vertrag ist ja die Verpflichtung der USA und Russlands, Mittelstreckenraketen der Reichweiten von 500 km bis 5500 km abzuschaffen und zu vernichten. Er hat seit 1987 dazu beigetragen, Europa sicherer zu machen.

Vor diesem Hintergrund haben wir Europäer oder die westlichen Alliierten, so sollte ich sagen, weil das natürlich auch auf NATO-Ebene stattfand, Russland seit geraumer Zeit, seit Jahren, aufgefordert, die schwerwiegenden Zweifel an seiner, an Russlands Vertragstreue auszuräumen. Diese waren durch einen neuen russischen Raketentyp aufgekommen.

Nun werden wir im Kreise aller NATO-Partner auch über die Folgen der amerikanischen Entscheidung beraten müssen.

Man muss noch einmal an den NATO-Gipfel im Juli dieses Jahres erinnern, der sich auch mit der Frage der Rüstungskontrolle auf dem Gebiet befasste. In der NATO-Gipfelerklärung wurde einstimmig festgehalten, dass sich die USA an den INF-Vertrag halten, während Russland keine überzeugenden Antworten auf unsere Fragen, auf die Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem neuen Raketentyp stellten, geben konnte. Daher kamen die NATO-Verbündeten zu dem Schluss, dass man plausiblerweise von einem Bruch des INF-Vertrages durch Russland ausgehen müsse.

Nun müssen wir innerhalb der NATO also beraten, wie wir mit dieser Situation umgehen.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Herr Seibert, das war nicht Inhalt meiner Frage. Meine Frage war: Welche Folgen hat das für Deutschland, und was wird Deutschland unternehmen vielleicht mit Blick auf die Diplomatie , um diesen Vertrag noch zu retten?

STS SEIBERT: Das war trotzdem meine Antwort. Denn ich habe gesagt: Deutschland als ein Land in Europa hat natürlich von dem Stück zusätzlicher Sicherheit, das der INF-Vertrag seit 1987 gegeben hat, profitiert. Aber wir sind auch ein Bündnispartner in der westlichen Verteidigungsallianz. Innerhalb derer haben wir uns bereits mit der russischen Nichteinhaltung des Vertrages befasst, und innerhalb derer müssen wir nun auch mit der amerikanischen Entscheidung, die wir bedauern, umgehen und uns dazu im Dialog mit den Partnern eine Position erarbeiten.

ADEBAHR: Ich denke, am Wochenende ist schon deutlich geworden, dass sich die NATO intensiv mit dieser Frage befassen wird, auch in den nächsten Wochen, wenn Treffen anstehen. Mit Sicherheit wird Deutschland in diesen Diskussionen einen ganz aktiven Beitrag leisten. Denn wir werben natürlich für die Einhaltung dieses Vertrages und für eine funktionierende Abrüstungsarchitektur in Europa. Das ist unser großes Ziel.

STS SEIBERT: Unsere Position gegenüber Russland ist doch immer gewesen gerade in den letzten Jahren hat sich das auch deutlich ausgedrückt : Ja, wir sind dafür und dabei, wenn die NATO ihre Verteidigungsfähigkeit erhöht. Aber wir haben unsere Hand auch immer zum Dialog mit der russischen Seite ausgestreckt. Dabei wird es bleiben.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Kann Deutschland im schlimmsten Fall seine Zustimmung zur eventuellen Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland verweigern?

STS SEIBERT: Ich halte das zu diesem Zeitpunkt für eine hypothetische Frage. Wir haben gesagt, dass wir uns im Kreise der europäischen und der transatlantischen Verbündeten mit der neuen Situation, die durch den angekündigten Rückzug der USA eintritt, befassen.

FRAGE WARWEG: Die Russische Föderation hat kritisiert, dass die Stationierung des Startsystems MK 41 in Rumänien den INF-Vertrag unterlaufe und damit einen Bruch desselben durch die USA darstelle. Wie bewertet die Bundesregierung diesen Vorwurf?

STS SEIBERT: Ich kann nur noch einmal auf die NATO-Gipfelerklärung aus dem Juli, an der die Bundesregierung natürlich teilhatte, zurückgreifen und sagen, dass die NATO-Alliierten in der Gipfelerklärung im Juli einstimmig festgehalten haben, dass sich die USA an den INF-Vertrag halten.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber das MK-41-System ist nuklear bestückbar und hat genau die Reichweite von 500 km bis 2500 km für landgestützte Tomahawk-Raketen, die mit Atomsprengstoff bestückbar sind. Warum ist das kein Bruch des INF-Vertrags?

ADEBAHR: Die NATO hat sich dazu geäußert, und Deutschland teilt die dort beschlossene Position, die wir mitgetragen haben.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Kann sich das BMVg dazu noch äußern?

FLOSDORFF: Nein.

FRAGE SIEBOLD: Sehen Sie überhaupt noch irgendeine Chance, den INF-Vertrag zu retten, also die USA zu überzeugen, dabeizubleiben, oder richten sich Ihre ganzen Beratungen und Planungen schon auf die Zeit danach?

ADEBAHR: Ich denke, wir müssen mit der Ankündigung, die Präsident Trump im Wahlkampf in Nevada gemacht hat er hat gesagt, die USA würden sich zurückziehen , erst einmal umgehen. Der Sicherheitsberater des Präsidenten, Herr Bolton, ist heute und morgen, meine ich, in Moskau und führt zur diesem Thema noch weitere Gespräche. Wir werden jetzt diese Entscheidung wurde uns gestern zur Kenntnis gebracht natürlich auch mit den Amerikanern und auch in der NATO weiter beraten.

Wir arbeiten mit dem, was wir wissen. Wenn sich anderes herausstellt, dann arbeiten wir damit. Aber wir gehen mit dem um, was uns zur Kenntnis gebracht wurde, und beraten in der NATO jetzt weiter.

ZUSATZFRAGE SIEBOLD: Heißt das, dass Sie noch ein bisschen Hoffnung haben?

ADEBAHR: Ich will das jetzt gar nicht quantifizieren. Wir gehen mit dem um, was wir wissen. Schauen wir mal.

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