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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 31. Oktober 2018

Schlechtleistung ► RegPK vom 31. Oktober 2018

Themen: Kabinettssitzung (Zweites Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes, Zweite Verordnung zur Anpassung der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, 12. Existenzminimumbericht, 3. Steuer-progressionsbericht, ohne Aussprache behandelte Themen), Bundes-Immissionsschutzgesetz, Mindestlohn, Gutachten zur Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Bayerischen Grenzpolizei, Nachfolge im Amt des BfV-Präsidenten, Medienbericht über einen angeblich geplanten Dieselgipfel, Ausbau von Fotovoltaik und Windstrom in Deutschland, angekündigter Verzicht der Bundeskanzlerin auf den CDU-Vorsitz, Brief an den EU-Umweltkommissar hinsichtlich der Schaffung eines Gesetzes für den Erlass besonderer Emissionsstandards für bestimmte Fahrzeuge in Deutschland, Aufnahme von Mitgliedern der syrischen Weißhelme in Deutschland, Reise der Bundeskanzlerin in die Ukraine, Kleine Anfrage zur Einsatzfähigkeit von Großgeräten innerhalb der Bundeswehr, Verbot von überflüssigem Einwegplastik und weitere Maßnahmen gegen die Vermüllung der Umwelt und der Meere mit Plastik, globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration

Kabinettsthemen (ab 1:40 min)

Naive Fragen zu:
Mindestlohnanpassung (ab 9:05 min)
– könnten Sie uns über die politische Überzeugung von Herrn Heil in Sachen Zwölf-Euro-Mindestlohn aufklären? (ab 14:45 min)
– Hält die Kanzlerin einen Zwölf-Euro-Mindestlohn für angemessen?
– Aber „bedenkenswert“ könnte auch bedeuten, dass es gefährlich sein könnte. Wie meint er das?

Organspende (ab 16:40 min)
– können Sie sagen, warum die Widerspruchslösung bei der Organspende, die Herr Spahn angestrebt hatte, jetzt nicht enthalten ist?
– Ich dachte, dass die Bundesregierung vielleicht eine Haltung zur Widerspruchslösung hat, dass man also sagt: Wir wollen das.

Allgemein (18:50 min)
– Sie haben die Themen genannt, die mit Aussprache beschlossen worden seien. Welche Themen wurden heute ohne Aussprache beschlossen?

Bundeswehrmängel (ab 38:47 min)
– sind die anderen 47 der 52 Systeme einsatzbereit? (48:50 min)

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 31. Oktober 2018:

STS SEIBERT: Guten Tag auch von mir! Das Kabinett hat sich zunächst mit dem wichtigen Thema der Organtransplantation befasst. Jahr für Jahr warten rund 10 000 Menschen auf eine Organspende, und jeder von uns das ist klar könnte von heute auf morgen auch zu dieser Gruppe gehören und in diese Lage kommen. Die Zahl der Organspender allerdings ist seit dem Jahr 2002 stetig zurückgegangen. Sie hat im vergangenen Jahr mit 797 Organspendern in Deutschland leider einen Tiefstand erreicht.

Ein Grund für diese anhaltend niedrige Zahl von Organspendern sind strukturelle Mängel in den Entnahmekrankenhäusern. Dem will der heute im Kabinett beschlossene Gesetzentwurf Abhilfe schaffen.

Wie geschieht das? Zum einen wird für das ganze Land klar definiert, in welchem Umfang die Transplantationsbeauftragten, die es in den Kliniken gibt, von ihren sonstigen Tätigkeiten freigestellt werden. Denn nur, wenn sie ausreichend Zeit haben, können sie ihrer Aufgabe auch wirklich nachkommen. Außerdem werden ihre Kompetenzen gestärkt. Sie müssen in Zukunft also auf den Intensivstationen regelmäßig hinzugezogen werden, wenn ein Patient nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommt. Sie haben Einsicht in alle notwendigen Unterlagen und Zugang zur Intensivstation. Außerdem auch das ist wichtig sieht der Gesetzentwurf eine bessere Vergütung der Entnahme eines Organs für die Krankenhäuser vor, und zwar für den gesamten Prozessablauf der Organspende, also von der Feststellung des Hirntodes über die intensivmedizinische Betreuung bis zur eigentlichen Entnahme des Spenderorgans.

Außerdem sollen die Krankenhäuser eine Vergütung erhalten, wenn sie die notwendige Infrastruktur für solche Organentnahmen vorhalten. Um zweifelsfrei jederzeit den Hirntod feststellen zu können, soll flächendeckend ein Bereitschaftsdienst, ein neurochirurgischer und neurologischer konsiliarärztlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet werden.

Das nächste Thema, zu dem ich Ihnen gern aus dem Kabinett vortragen möchte, betrifft den Mindestlohn. Es läuft unter der schönen Beamtenabkürzung MiLoV 2. Das ist also die zweite Verordnung zur Anpassung der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, der derzeit, wie Sie wissen, 8,84 Euro beträgt. Er wird zum 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro steigen und zum 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro brutto je Stunde, also insgesamt eine Erhöhung um 5,8 Prozent. Das hat das Kabinett heute beschlossen. Damit wird die von der Mindestlohnkommission im Juni beschlossene Festsetzung zu Beginn des kommenden Jahres rechtsverbindlich. Die gute wirtschaftliche Lage und die entsprechenden Tarifabschlüsse, die dem Beschluss der Kommission zugrunde liegen, bilden sich also auch in einem steigenden Mindestlohn ab.

Das verbessert die Einkommenssituation im Niedriglohnsektor vor allem vieler Frauen. Wenn man es ausrechnet, kommt man durch die heutige Maßnahme auf Lohnerhöhungen von etwa 790 Millionen Euro im Jahr 2019 und dann noch einmal von 390 Millionen Euro im Jahr 2020.

Das Kabinett hat dann den inzwischen schon 12. Existenzminimumbericht beschlossen. Er wird alle zwei Jahre vorgelegt. Er weist die Existenzminima von Erwachsenen und von Kindern für die Jahre 2019 und 2020 aus. Sie werden aufgrund erhöhter Lebenshaltungskosten in beiden Jahren steigen. Sie wissen, dass das Existenzminimum steuerfrei bleibt. Das erfolgt durch die Anhebung des Grundfreibetrags für Erwachsene und des steuerlichen Kinderfreibetrages für Kinder. In diesem Zusammenhang wurde auch stets das Kindergeld erhöht.

Nun hat es im Juni im Kabinett bereits das Familienentlastungsgesetz gegeben, das im Grunde das, was ich Ihnen jetzt aus dem Existenzminimumbericht vortrage, schon abbildet. Dafür wurden im Juni vorläufige Daten verwendet. Aufgrund des Berichts mit den endgültigen Daten ergibt sich heute kein Änderungsbedarf. Die mit dem Gesetz vorgesehenen Erhöhungen beim Grundfreibetrag stimmen mit den Berichtsergebnissen überein. Beim Kinderfreibetrag gehen sie sogar deutlich darüber hinaus.

Zusammen mit dem veränderten Einkommensteuertarif werden Familien und Steuerzahler um insgesamt fast 10 Milliarden Euro entlastet, was mich unmittelbar zum letzten Thema führt.

Dabei geht es um die kalte Progression. Ich sage es immer noch einmal gern: Wir haben einen progressiv ausgestalteten Steuertarif. Er kann dazu führen, dass Lohnsteigerungen zu einem Anstieg der durchschnittlichen Steuerbelastung führen, und dann kann es dazu kommen, dass sich, wenn die Lohnsteigerung zum Beispiel lediglich die Inflation ausgleicht, die Steuerbelastung für Bürger erhöht und sie von einer Lohnsteigerung am Ende real gar nicht mehr Geld zur Verfügung haben. Das ist im Prinzip die kalte Progression, der die Bundesregierung nun schon seit 2016 mit verschiedenen Maßnahmen entgegenwirkt, so auch heute.

Der Bundesfinanzminister hat einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression des Einkommensteuertarifs für 2018 und 2019 vorgelegt. Dieser ist beschlossen worden. Danach wird ein Volumen der für 2018 zusätzlich zu erwartenden kalten Progression in Höhe von 3,33 Milliarden Euro angesetzt das ist vor dem Hintergrund der erwarteten Inflationsrate von 1,74 Prozent und von 3,8 Milliarden Euro bei der erwarteten Inflationsrate für 2019 von 1,94 Prozent.

FRAGE ROESER: Herr Seibert, Sie haben nun das Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht erwähnt. Ist dazu heute auch beschlossen worden? Ich habe es auf der Webseite des Bundesumweltministeriums gesehen, allerdings mit Datum vom 30. Oktober, also von gestern.

STS SEIBERT: Dann kann Ihnen sicherlich das Umweltministerium etwas dazu sagen. Es gehörte nicht zu den Themen, die im Kabinett mit Aussprache beschlossen wurden, und das sind die, die ich hier üblicherweise vortrage.

FICHTNER: Dazu gab es heute auch gar keinen Kabinettsbeschluss. Das war vergangene Woche einer der Eckpunkte, die wir zum Thema „Diesel“ beschlossen haben. Gestern haben wir die Länder- und Verbändeanhörung dazu eingeleitet. Standardmäßig stellen wir es dann auch immer auf unsere Homepage. Also können Sie alle nachlesen, was wir beim Bundes-Immissionsschutzgesetz tun und was wir nicht tun. Zu dem Thema gibt es ja viele Missverständnisse.

Die Kabinettsbefassung ist, wie auch in den Eckpunkten schon vorgesehen, für den 7. November geplant, zusammen mit einer Änderung, die das BMVI einbringt.

FRAGE GEERS: Beim Mindestlohn gibt es die Debatte heute ja wieder neu die Debatte selbst ist nicht ganz neu , dass es wünschenswert wäre, zwölf Euro als Mindestlohn festzulegen. Deshalb die Frage an das Arbeitsministerium: Herr Heil hat heute gesagt, es gebe einen gesetzlichen Auftrag, die Höhe des Mindestlohnes zu überprüfen. Ist das die Möglichkeit, dann möglicherweise auf andere Werte zu gehen als die, die von der Mindestlohnkommission vorgeschlagen und jetzt vom Kabinett bestätigt wurden?

JÄGER: Sie beziehen sich auf das Zitat, das der Minister heute gegeben hat. Es beinhaltet bereits, dass man sich vorstellen kann, dass es in andere Dimensionen gehen könnte. Allerdings kann ich dem nicht vorgreifen, was man irgendwann einmal, wenn das Gesetz überprüft wird, als Regelungen beschließen wird. Insofern muss ich das leider offenlassen.

ZUSATZFRAGE GEERS: Es gibt aber einen gesetzlichen Überprüfungstermin 2020. Könnte man dann theoretisch sagen: „Wir haben zwar eigentlich über die Mindestlohnkommission gerade 9,35 Euro festgelegt, aber aus wie auch immer gearteten Erwägungen heraus gehen wir auf einen höheren Wert“? Ob es dann zwölf Euro werden oder 11,50 Euro, ist erst einmal egal.

JÄGER: Wie gesagt, würde ich dem nicht vorgreifen wollen. Insofern bitte ich Sie darum, abzuwarten, was wir im Jahr 2020 zu dem Thema tun werden.

FRAGE DR. RINKE: Ich möchte die Frage nach dem Vorschlag von zwölf Euro auch Herrn Seibert stellen.

Ist das aus Ihrer Sicht oder aus Sicht der Kanzlerin eigentlich die Rückkehr zu der Sacharbeit, die jetzt nach den Landtagswahlen gewünscht und angekündigt war?

Halten Sie es für möglich, dass noch in dieser Legislaturperiode ein Beschluss fällt, auf einen Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro zu gehen?

STS SEIBERT: Sacharbeit macht diese Bundesregierung, seit sie im März zusammengekommen und zustande gekommen ist, und zwar kontinuierlich.

Zum Mindestlohn will ich einfach noch einmal daran erinnern, dass es im Mindestlohngesetz, als es eingeführt wurde, die bewusste Entscheidung gab, dass der Mindestlohn durch eine Kommission, zusammengesetzt aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern, beschlossen wird. Diese hat die Aufgabe, die nächste Anpassung in zwei Jahren zu beschließen. Dabei wird sie sich auch zukünftig so steht es jedenfalls im Gesetz an der Entwicklung der Tariflöhne zu orientieren haben.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Das war nicht wirklich eine Antwort. Halten Sie es für möglich, dass die Bundesregierung zum Beispiel durch die Gesetzesänderung, die offenbar bevorsteht, oder die Überprüfung des Gesetzes tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode auf einen Wert von zwölf Euro kommen könnte?

STS SEIBERT: Die Bundesregierung handelt nach dem Mindestlohngesetz und nach den Empfehlungen der Mindestlohnkommission. Anderes kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Einer Evaluierung kann hier nicht vorgegriffen werden.

SCHWAMBERGER: Ich möchte zu den Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen vielleicht noch ergänzen. Sie sprechen eine Aussage von Bundesfinanzminister Olaf Scholz an, die er in den letzten Monaten mehrfach getätigt und dabei seine politische Überzeugung zum Ausdruck gebracht hat, dass alle, die in Vollzeit arbeiten und beschäftigt sind, am Ende ihres Arbeitslebens gut von ihrer Rente leben können müssen. Das ist sozusagen eine politische Überzeugung, die er klar zum Ausdruck gebracht hat, die aber nicht im Kontext der Frage des heutigen Beschlusses der Mindestlohnkommission steht, die ja die klare Aufgabe hat, den politisch beschlossenen Mindestlohn an die konjunkturelle Entwicklung anzupassen. Insofern muss man das so einordnen, dass Herr Scholz damit noch einmal ganz klar seine politische Überzeugung zum Ausdruck gebracht hat.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Frau Schwamberger, heißt das, dass er, wenn er für eine Höhe von zwölf Euro ist und die Kommission zu einem sehr viel niedrigeren Wert kommt, für eine Evaluierung und Änderung des Verfahrens, auf das sich die Bundesregierung festgelegt hat, ist?

SCHWAMBERGER: Es ist eben kein Widerspruch des Verfahrens, sondern es ist sozusagen der klare Wunsch, den er zum Ausdruck gebracht hat, dass man über die Höhe eines auskömmlichen Mindestlohns immer auch politisch diskutieren muss und die Mindestlohnkommission im weiteren Verlauf immer über einen politisch festgesetzten Mindestlohn entscheidet.

Insofern ist das überhaupt kein Widerspruch, sondern er wirft einfach die Frage auf, welche Zielsetzung man mit dem Mindestlohn als solchem eigentlich verbindet, und die hat er klar zum Ausdruck gebracht. Der Mindestlohn beschreibt eine Mindesthöhe eines Lohnniveaus, das mindestens bezahlt werden muss, mit dem Ziel, dass alle, die in Vollzeit beschäftigt sind, am Ende ihres Arbeitslebens auch gut davon leben können. Diese Frage wird im politischen Raum diskutiert und steht nicht im engen Kontext der eigentlichen Arbeit der Mindestlohnkommission.

FRAGE JUNG: Frau Jäger, könnten Sie uns über die politische Überzeugung von Herrn Heil in Sachen Zwölf-Euro-Mindestlohn aufklären?

Herr Seibert, konkret: Hält die Kanzlerin einen Zwölf-Euro-Mindestlohn für angemessen?

JÄGER: Herr Jung, ich würde Ihnen empfehlen, sich das Zitat des Ministers, das derzeit über die Agenturen läuft, anzuschauen. Darin äußerte er sich dahingehend, dass ein Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro etwas Bedenkenswertes wäre. Das können Sie dann, wie Sie mögen, als politische Überzeugung ausdeuten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber „bedenkenswert“ könnte auch bedeuten, dass es gefährlich sein könnte. Wie meint er das?

JÄGER: Ich denke, er äußert sich in die Richtung, dass das eher etwas Anstrebenswertes als etwas Gefährliches wäre. Aber schauen Sie sich das Zitat gern einmal komplett an ich kann es Ihnen auch gern zur Verfügung stellen , und bilden Sie sich dann Ihre eigene Meinung.

STS SEIBERT: Die Bundesregierung hat sich auf das Verfahren geeinigt, den Mindestlohn durch eine Kommission festsetzen zu lassen, die aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern gebildet wird, unabhängig. Diese Kommission hat, als sie Ende Juni die Steigerungsstufen beschlossen hat, die das Kabinett heute zum 1. Januar sozusagen rechtsverbindlich gemacht hat, drei Punkte genannt. Sie hat gesagt: Diese Erhöhung bedeutet angemessenen Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie ermöglicht faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen. Sie gefährdet die Beschäftigung nicht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das war nicht meine Frage. Ich wollte wissen, ob die Kanzlerin Sie sind der Sprecher der Kanzlerin zwölf Euro für angemessen hält.

STS SEIBERT: Ich bin auch der Sprecher der Bundesregierung. Die Kanzlerin findet es richtig, dass wir dem folgen, was wir gesetzlich festgelegt haben, nämlich die unabhängige Kommission ihre Empfehlungen aussprechen zu lassen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Seibert, können Sie sagen, warum die Widerspruchslösung bei der Organspende, die Herr Spahn angestrebt hatte, jetzt nicht enthalten ist?

STS SEIBERT: Das war nicht Gegenstand des heutigen Gesetzentwurfs

ZUSATZ JUNG: Warum nicht?

STS SEIBERT: Das könnte auch die Kollegin aus dem BMG sagen. Weil das eine sehr grundsätzliche Frage ist, die in einer freien parlamentarischen Debatte noch geklärt werden soll. Die Bundesregierung findet es richtig, dass die Debatte über die rechtlichen Regelungen wieder im Deutschen Bundestag geführt wird. Den Vorschlag, das wie andere Fragen, die so sehr an das Grundverständnis gehen, fraktionsoffen im Parlament zu diskutieren, hat sie schon vor einiger Zeit ganz klar befürwortet.

BERVE-SCHUCHT: Dazu kann ich vielleicht ergänzen. Auch Minister Spahn hat es sehr begrüßt, dass die Debatte im Parlament in Gang gekommen ist, dass es Anträge dazu gibt und dass darüber debattiert werden wird. Es war von Anfang an sein Vorschlag, dass man die Frage „Widerspruchslösung, ja oder nein?“ im Bundestag debattiert und auch entscheidet.

STS SEIBERT: Dadurch erklärt sich das doch. Wenn man sagt „Wir wollen eine fraktionsoffene Debatte, weil uns das als eine so grundlegende Frage erscheint“, dann nimmt man natürlich nicht ein mögliches Ergebnis dieser Debatte in einem Gesetzentwurf voraus.

ZUSATZ JUNG: Ich dachte, dass die Bundesregierung vielleicht eine Haltung zur Widerspruchslösung hat, dass man also sagt: Wir wollen das.

STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin hat ebenso in der Vergangenheit schon ihre Sympathie für die doppelte Widerspruchslösung ausgedrückt. Die Debatte im Bundestag steht aber noch bevor. Dabei werden Sie wahrscheinlich verschiedene Mitglieder der Bundesregierung hören.

BERVE-SCHUCHT: Einen Punkt kann ich vielleicht noch ergänzen. Dieses Gesetz, das heute im Kabinett beschlossen worden ist, setzt eine Forderung des Koalitionsvertrages um. Das ist schon im Koalitionsvertrag angelegt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Seibert, Sie haben die Themen genannt, die mit Aussprache beschlossen worden seien. Welche Themen wurden heute ohne Aussprache beschlossen?

STS SEIBERT: Wollen wir das mittwochs jetzt immer besprechen? Es sind jedes Mal zwischen fünf und 20 Themen, die ohne Aussprache im Kabinett beschlossen werden. Ich würde sagen, das ist beinahe seit Gründung der Bundesrepublik so. Wollen wir die jedes Mal

ZUSATZ JUNG: Vielleicht gibt es ja wichtige Themen, die nicht

STS SEIBERT: Es gibt oft wichtige Themen. Ich halte trotzdem nichts davon, sie hier im Einzelnen vorzutragen. Dieses Mal waren es 14 Themen. Wenn Sie nach konkreten Themen fragen, könnten wir darauf antworten. Aber sie hier regelmäßig vorzutragen, würde die Veranstaltung ziemlich gefährden, die nach uns kommen soll.

FRAGE ROESER: Ich habe dazu den Vorschlag, diese Liste vielleicht im Internet verfügbar zu machen, sodass man auch zu den Themen, die nicht angesprochen werden, Fragen stellen kann. Denn es ist schwierig, Fragen zu Themen zu stellen, von denen man nicht weiß, ob sie besprochen worden sind.

STS SEIBERT: Die Anregung nehme ich einmal mit.

SCHMIDT: Wir sind in der Vergangenheit mehrfach dazu gefragt worden, wie wir das von der Fraktion der Grünen vorgelegte Gutachten hinsichtlich der Frage der Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Bayerischen Grenzpolizei einschätzen. In diesem Gutachten wurden Zweifel an der Verfassungsgemäßheit dieser Zusammenarbeit geäußert.

Ich kann Ihnen dazu heute mitteilen, dass wir der Vorsitzenden der Bundestagsfraktion nunmehr darauf geantwortet und eine Einschätzung zu diesem Gutachten abgegeben haben. Ich würde Ihnen gern kurz die Kernargumente unserer Antwort hier vorstellen wollen.

Zunächst einmal verweisen wir auf die entsprechende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die es uns hier ermöglicht hat, dass mit § 2 des Bundespolizeigesetzes eine Regelung getroffen worden ist, die wir als sogenannte Öffnungsklausel verstehen. Die grenzpolizeilichen Schutzaufgaben des Bundesgebietes können einem Land im Einvernehmen mit dem Bund in Fällen grenzpolizeilichen Einzeldienstes übertragen werden, sodass die Landeskräfte sie mit eigenem Personal wahrnehmen können. Diese Öffnungsklausel erlaubt es aus unserer Sicht auch, Vorschriften zur Ausgestaltung dieser grenzpolizeilichen Zusammenarbeit zu erlassen.

Die Auslegung der Gutachter lässt aus unserer Sicht außer Acht, dass es in der verfassungsrechtlichen Literatur dazu eine ganz klar anerkannte Gestaltungsmöglichkeit gibt, die auch den verfassungssystematischen Vorgaben entspricht.

Das bedeutet: Wir sind auf der einen Seite in der Lage, im Einvernehmen mit einem Land diese Aufgaben sogar mehr oder weniger vollständig zu übertragen. Das findet in den hier in Rede stehenden Fällen nicht statt, sondern vielmehr wird im Einzelfall zur Sicherheit sowohl der kontrollierten Bürgerinnen und Bürger als auch der eingesetzten Beamtinnen und Beamten und um eine Rechtssicherheit herzustellen darauf hingewirkt, dass die Zuständigkeitsverteilung weiter klar ist.

Hierzu bedient man sich, wenn Sie so wollen, Verwaltungsvereinbarungen. Davon gibt es schon mehrere, die aber bisher nur die Situation an verschiedenen Flughäfen betroffen haben. Nunmehr ist gegenüber der Bayerischen Grenzpolizei eine ergänzende Verfahrensabsprache hinzugekommen, die es aus unserer Sicht ermöglicht, auch eigenständige Kontrollen an den Landesgrenzen auf Grundlage des § 64 des Bundespolizeigesetzes mit Zustimmung durch die Bundespolizei durch die Bayerische Polizei durchführen zu lassen. Die grenzpolizeilichen Entscheidungen liegen dabei weiterhin in der Verantwortung der für die eigentlichen Grenzkontrollen zuständigen Bundespolizei. Es ist eine reine Zusammenarbeitsvereinbarung, die es erleichtern soll, diese Zusammenarbeit zu regeln.

FRAGE JESSEN: Hauptkritikpunkt war ja gewesen, dass der Passus über die grenzpolizeilichen Aufgaben aus dem bayerischen Grenzpolizei-Wiederaufbaugesetz wortidentisch mit den Formulierungen ist, die sich im zitierten § 2 des Bundespolizeigesetzes finden. Damit hatte der bayerische Gesetzgeber ja sozusagen als umfassende Aufgabe seiner Grenzpolizei exakt die Aufgaben zugewiesen, die im Bundespolizeigesetz stehen. Wenn ich Sie jetzt recht verstehe, dann sagen Sie, diese Vorschrift des bayerischen Gesetzes komme so nicht in toto zur Anwendung, sondern bedürfe jeweils einer Einzelfallabsprache mit dem Bundesinnenministerium. Darf ich das so oder soll ich es anders verstehen?

SCHMIDT: Nein, einer Einzelfallabsprache bedarf es sicherlich nicht. Es bedarf einer Absprache vor Ort darüber, wie die Zusammenarbeit auszusehen hat – nicht mit dem BMI, sondern durch die Polizeikräfte vor Ort. Diese Regelungen sollen den Polizeikräften schlicht ermöglichen, auf rechtlich sauberer Basis die Zusammenarbeit zu regeln. Das heißt, eine landesrechtliche Regelung, die für die bayerische Polizei anwendbar ist, ist und bleibt anwendbar. Wir sehen sie nicht in Konkurrenz oder in einem direkten Zusammenhang mit der bundesrechtlichen Regelung stehend. Der rechtliche Rahmen gibt uns die Möglichkeit, sozusagen sehr breit Übertragungen und Zusammenarbeit vorzunehmen, und das sehen wir im Gegensatz zu dem Gutachten an dieser Stelle von der Rechtslage noch als abgedeckt an.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ist die ergänzende Verfahrensabsprache, die Sie erwähnten, das berühmte Memorandum of Understanding zwischen bayerischen Landesbeamten und Bundesbeamten, das Mitte Juli abgeschlossen wurde? Ist das die Verfahrensabsprache, die Sie meinen?

SCHMIDT: Ja.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die enthält vom Wortlaut her keine konkrete Verfahrensregel, sondern ist nur eine Art Goodwill dafür, dass man sich verständigen will. Reicht das als Verfahrensabsprache?

SCHMIDT: Ja, das ist aus unserer Sicht die Verfahrensabsprache.

FRAGE DECKER: Herr Schmidt, können Sie uns einmal aufklären, was es mit der Personalie Haldenwang auf sich hat? Sie oder Ihr Haus sagen, man könne das noch nicht bestätigen. Aber sowohl aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz als auch aus Unionskreisen wird die Personalie im Grunde bestätigt. Können Sie dazu einmal ein paar Worte sagen?

SCHMIDT: Ja, das können wir kurz machen: In der Tat kann ich Ihnen diese Entscheidung hier noch nicht bestätigen. Das heißt, die Entscheidung darüber, wer Nachfolgerin oder Nachfolger des Herrn Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird, ist noch nicht getroffen.

ZUSATZFRAGE DECKER: Wann wird die denn getroffen, und wann wird diese Entscheidung kommuniziert?

SCHMIDT: Wir wissen, dass Sie das mit Spannung erwarten, und wir werden das, sobald wir die Entscheidung offiziell getroffen haben werden, natürlich auch verkünden. In welcher Form ob durch eine Pressekonferenz oder eine Pressemitteilung , werden wir dann entsprechend sehen. Sie können davon ausgehen, dass wir das, sobald wir es tun können, auch tun werden. Es bleibt bei der bisherigen Aussage des Ministers, dass irgendwann gegen Ende Oktober bzw. Anfang November ich weiß: das ist jetzt diese Aussage öffentlich gemacht werden wird. Zum jetzigen Zeitpunkt, hier und jetzt, ist das noch nicht der Fall.

ZUSATZ DECKER: Das hört sich trotzdem so an, als ob die Entscheidung tatsächlich zugunsten von Herrn Haldenwang gefallen sei, aber Sie das eben noch nicht sagen wollen.

SCHMIDT: Ich kann Ihnen sagen, dass die Entscheidung noch nicht getroffen worden ist.

FRAGE JUNG: War diese Personalie eines der heute nicht besprochenen Themen, Herr Seibert?

STS SEIBERT: Sie haben den Kollegen vom Innenministerium doch gerade gehört. Deutlicher konnte er es ja nicht sagen.

FRAGE LINDNER: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Die „FAZ“ hat heute über einen möglichen Dieselgipfel in der kommenden Woche bzw. Ende der kommenden Woche berichtet. Ich würde gerne einmal wissen: Was ist denn da dran?

BUSER: Vielen Dank für Ihre Frage. – Zu dem betreffenden Medienbericht kann ich nur Folgendes sagen: Zur Umsetzung der Beschlüsse steht das BMVI im intensiven Kontakt sowohl mit den Ressorts als auch mit den Vertretern der Autoindustrie. Zu internen Gesprächen äußern wir uns hier grundsätzlich nicht.

ZUSATZFRAGE LINDNER: Aber gibt es Planungen dieser Art, sich nächste Woche noch einmal zu treffen?

BUSER: Wie gesagt: Zu internen Gesprächen äußern wir uns grundsätzlich nicht.

FRAGE GEERS: Es gibt Meldungen zum Thema Ökostrom-Ausbau, und zwar, dass sich die Fraktionsspitzen auf Korridore in Sachen „Ausbau von Fotovoltaik und Windstrom“ geeinigt haben. Frau Eichler, nehme ich an, ist dafür zuständig. Können Sie etwas dazu sagen? Können Sie das bestätigen? Was ist da genau passiert?

EICHLER: Ich kann die Einigung bestätigen. Details kann ich Ihnen noch nicht nennen. Wir arbeiten jetzt daran, das so schnell wie möglich ins Kabinett zu bringen, betrachten es aber schon einmal als einen ganz guten Erfolg, dass wir hier eine Einigung erzielt haben.

ZUSATZFRAGE GEERS: Bis wann soll das ins Kabinett kommen?

EICHLER: So schnell wie möglich.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, ich habe ein ganz anderes Thema. Können Sie nach den Vorgängen am Montag, also der Ankündigung von Frau Merkel als Parteichefin, einmal sagen, wie sich das jetzt eigentlich auf ihre Arbeit als Bundeskanzlerin auswirken wird? Da gibt es ja eine ganze Spannbreite von Interpretationen, zum einen, dass sie jetzt viel freier agieren könne. Andere sagen: Wenn jemand, der ihr nicht so wohlgesonnen sei, Parteichef werde, dann werde sie gleich zurücktreten. – Gut, das werden Sie hier heute sicherlich nicht bestätigen. Aber können Sie einfach einmal sagen, wie jetzt ihre tägliche Arbeit als Kanzlerin weitergeht?

STS SEIBERT: Ich beteilige mich nicht an den Interpretationen. Die Kanzlerin wurde gestern gefragt, konkret danach, wie sich das auf internationaler Ebene auf ihre Arbeit auswirken würde, und ich kann nur sagen, was Sie gesagt hat. Sie hat wie gesagt, auf die internationale Ebene bezogen gesagt: „Ich glaube, dass sich an der Verhandlungsposition in internationalen Verhandlungen nichts verändert. Man kann sogar sagen: Ich habe mehr Zeit, mich auf die Aufgaben als Regierungschefin zu konzentrieren.“ Das gilt natürlich auch für die nationale Politik, und ich habe dem nichts hinzuzufügen.

FRAGE DR. RINKE: Nun hängt die künftige Zusammenarbeit der Kanzlerin mit dem CDU-Vorsitzenden ja davon ab, wer CDU-Vorsitzender werden wird. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, weil das Anfang Dezember sein wird, ob es eigentlich Planungen der Bundesregierung und der Kanzlerin über den Dezember hinaus gibt.

STS SEIBERT: Ja, natürlich gibt es die. Terminkalender einer Kanzlerin plant man nicht nur für die nächsten 14 Tage; das geht schon weit bis in das Jahr 2019 hinein.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Aber nur, um es einmal ganz klarzustellen: Geht sie davon aus, dass sie auch im Jahr 2019 noch Kanzlerin sein wird?

STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin hat sich dazu am Montag doch klar erklärt. Sie hat gesagt: Sie ist bereit, wie sie es auch vor der Wahl gesagt hatte, für die gesamte Legislaturperiode ihr Amt auszuüben.

FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, in diesem Zusammenhang habe ich eine persönliche Frage, wenn Sie erlauben: Sind Sie denn bereit, mit einem anderen Kanzler als Sprecher zusammenzuarbeiten?

STS SEIBERT: Ich musste, ehrlich gesagt, lachen, und deshalb habe ich die zweite Hälfte Ihrer Frage nicht verstanden. Wozu bin ich bereit?

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Ob Sie mit einem anderen Kanzler oder einer Kanzlerin als Sprecher

STS SEIBERT: Ich glaube, die Frage stellt sich echt nicht. Mir stellt sich diese Frage nicht.

FRAGE ROESER: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium, gegebenenfalls auch an das Umweltministerium. Es gibt ja das Schreiben vom 9. Februar an Umweltkommissar Vella, in dem unter anderem zugesagt wurde, dass die nächste Bundesregierung einen Gesetzesvorschlag einbringen werde, um den Städten zu erlauben, für bestimmte Fahrzeuge besondere Emissionsstandards zu erlassen, zum Beispiel Taxis, Busse und gegebenenfalls auch Mietfahrzeuge, Carsharing-Autos usw. Ich habe von diesem Thema seitdem nichts mehr gehört. Wird daran noch gearbeitet, oder ist das still und heimlich beerdigt worden?

BUSER: Noch einmal grundsätzlich zu diesem angesprochenen Vertragsverletzungsverfahren als solchem: Die Federführung liegt beim Bundesumweltministerium. Wir haben da jetzt auch mit dem Sofortprogramm „Saubere Luft“ sowie auch mit dem Eckpunktepapier natürlich einiges auf den Weg gebracht. Dazu finden Sie auch sehr, sehr viel, was Emissionswerte, verschiedene Maßnahmen und Luftreinhaltungsmaßnahmen angeht, auf unserer Webseite.

ZUSATZFRAGE ROESER: Das war keine Antwort auf meine Frage. Ich habe nach dem konkret zugesagten „legal framework with the purpose of enabling states and cities to establish binding requirements and emission limit values for buses and cabs“ gefragt. Wird daran noch gearbeitet oder nicht? Das lässt sich ja einfach beantworten.

BUSER: Da kann ich gerne noch einmal versuchen, etwas nachzuliefern.

FRAGE: Ich habe noch eine Frage an das Innenministerium. Mich beschäftigt der Fall der verschwundenen Weißhelme. Frau Petermann sagte in der letzten oder vorletzten Sitzung, diese Weißhelme seien nicht über die Grenze gekommen. Welche Grenze ist damit genau gemeint?

SCHMIDT: Damit ist gemeint, dass es nicht allen acht Weißhelme gelungen ist, aus Syrien evakuiert zu werden.

ZUSATZFRAGE: Genau zu diesem Punkt: Am 23. Juli hat hier auch schon einmal eine Diskussion dazu stattgefunden, und an diesem Tag waren die Weißhelme aber schon evakuiert. Die waren in Jordanien. Wo sind die hin?

SCHMIDT: Was ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt dazu sagen kann, ist, dass es ein ursprüngliches Ansinnen gab, acht Weißhelme, die konkret benannt waren, nach Deutschland zu holen. Unsere Informationen waren vielleicht zu diesem Zeitpunkt nicht aktuell. Wie Sie wissen, ist das eine Krisenregion, und es ist schwierig, da zeitgerecht an richtige und vollständige Informationen zu kommen. Zum damaligen Zeitpunkt wird das vielleicht anders ausgesehen haben, aber hinterher stellte es sich so dar, dass eben nicht alle acht für Deutschland Vorgesehenen das Land verlassen konnten.

ZUSATZFRAGE: Jordanien verlassen konnten?

SCHMIDT: Syrien.

ZUSATZ: Das ergibt keinen Sinn!

FRAGE GOLDENZWEIG: Ich habe zwei Fragen in Bezug auf den morgigen Besuch von Frau Merkel in der Ukraine: Was hält die Bundesregierung von der Initiative der sogenannten Volksrepubliken, am 11. November ihre eigene Wahl durchzuführen? Wird das morgen auch ein Thema in Kiew sein?

Zweitens hat die Bundesregierung stets betont, dass die Grundlage der Lösung der Krise in der Ostukraine das Minsker Abkommen sei. Inwieweit geht die Bundesregierung davon aus, dass dieses Minsker Abkommen, das seit Jahren weder von Moskau noch von Kiew umgesetzt wurde, ausgerechnet jetzt unter anderem von der ukrainischen Seite mitten in einer sehr schwierigen Wahlkampagne umgesetzt wird?

STS SEIBERT: Zunächst einmal zu diesen Wahlen, die da für den, glaube ich, 11. November angekündigt waren: Ich kenne jetzt nicht den letzten Stand dessen, ob diese Wahlen weiterhin geplant sind. Das weiß wahrscheinlich der Kollege aus dem Auswärtigen Amt. Wir haben schon vor einiger Zeit nachdrücklich an die von Russland unterstützten Separatisten appelliert, diese angekündigten das sage ich einmal in Anführungszeichen Wahlen der sogenannten Präsidenten und Parlamente nicht abzuhalten. Solche Wahlen sind mit der Souveränität und mit der territorialen Integrität der Ukraine unvereinbar. Es ist in Minsk klar vereinbart worden, dass Kommunalwahlen im Donbass im Rahmen der Gesetze der Ukraine abgehalten werden sollen. Alles andere widerspräche dem Geist des Abkommens und könnte jedenfalls von unserer Seite aus keinerlei Anerkennung finden.

Damit sind wir schon beim Minsker Abkommen, nach dem Sie ja auch fragen: Nach unserer festen Überzeugung sind und bleiben diese Minsker Vereinbarungen nicht nur die Grundlage für einen Weg aus dem Konflikt heraus, sondern sie sind die einzige Grundlage, die wir haben. Ohne diese Minsker Vereinbarungen hätte der Konflikt mit Sicherheit nicht eingedämmt werden können. Ich gebe Ihnen recht, dass der Stand der Umsetzung in keiner Weise zufriedenstellen kann, aber die Eindämmungswirkung der Minsker Vereinbarungen kann man auch nicht in Abrede stellen. Wichtig ist und bleibt der Wille, diese Verabredungen vollständig umzusetzen. Einhaltung der Waffenruhe, Rückzug schwerer Waffen hinter die Kontaktlinie, Wiederherstellung der zivilen Infrastruktur auch im Hinblick auf Regionalwahlen nach ukrainischem Recht und Einhaltung der OSZE-Standards – das sind wesentliche Punkte.

BREUL: Ich kann vielleicht nur kurz ergänzen Herr Seibert hat unsere Position ja gerade schon dargestellt , dass wir diese Position auch wiederholt aktiv vorgetragen haben, zuletzt am 4. Oktober mit einer Pressemitteilung hier in Berlin. Gerade gestern Abend gab es im VN-Sicherheitsrat ein Briefing zur Ukraine. Auch dort haben die europäischen Mitgliedstaaten und die in den VN-Sicherheitsrat kommenden Mitgliedstaaten, zu denen wir ja jetzt auch gehören, die Position noch einmal sehr deutlich unterstrichen und auch vor den Medien vorgetragen.

FRAGE: Ich habe noch eine Frage zum Thema Bundeswehr. Herr Flosdorff, es gab eine Kleine Anfrage der Linken. Danach sind die Großgeräte bei der Bundeswehr nicht einsatzfähig, die 2017 geliefert wurden. Woran liegt das? Was ist das Problem mit denen?

FLOSDORFF: Es ist ja schön, dass Sie es auch gleich in der Frage so eingeordnet haben. Wie kommt man zu so einer Statistik? – Die Bundeswehr hat 53 Hauptwaffensysteme. Das sind mehr als 5000 Fahrzeuge. Jetzt wurde durch einen findigen Abgeordneten nach fünf unterschiedlichen Großgeräten und nach einem bestimmten Lieferzeitpunkt gefragt. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt sollten dazu Zahlen geliefert werden.

Es ist richtig: Es gab bei diesen fünf Großgeräten das sind der NH90-Hubschrauber, der Hubschrauber Tiger, der A400M, der Eurofighter und der Puma unterschiedlichste Klarstände in Hinsicht auf den Status „Einsatzbereitschaft“ zu einem bestimmten Stichtag. Diese Statistik lässt sich nicht auf die generelle Einsatzbereitschaft unserer Hauptwaffensysteme ausweiten, auch nicht auf die generelle Einsatzbereitschaft dieser fünf unterschiedlichen Großgeräte, sondern nur auf zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgelieferte Geräte in diesen fünf Kategorien. Das ist richtig.

Einsatzbereit war nur ein Teil davon. Das hat unterschiedliche Gründe. Da muss man einfach einmal hereinschauen. Zum Beispiel beim Puma und beim A400M liegt das tatsächlich daran, dass eine Schlechtleistung geliefert worden ist. Dann sind Verkabelung nicht ordnungsgemäß, dann geht das Gerät wieder zurück, oder es gibt Softwareprobleme, die von der Industrie nachgebessert werden müssen, oder es geht einfach wie beim Eurofighter darum, dass im Rahmen eines vor Jahren geschlossenen Vertrags innerhalb einer bestimmten Frist Exemplare angeliefert werden, dass diese ankommen und dass diese ein generelles Softwareupdate oder einen anderen Computer brauchen, der zum Zeitpunkt der Auslieferung gar nicht geschuldet war, den wir aber gerne hätten. Dann nehmen wir das natürlich nicht an und fliegen gleich mit dem Gerät herum, sondern sagen: „Dann baut uns doch bitte jetzt auch noch den aktuellen Computer ein, der gar nicht geliefert werden musste.“ Man muss da also genau hinschauen. Dann sieht man: Manchmal geht es darum, dass die Industrie nachbessern muss, und manchmal ist es so, dass wir einen Extrawunsch haben, der noch einmal eingebaut werden muss.

Man kann daraus jetzt nicht eine generelle Statistik hinsichtlich der Einsatzbereitschaft extrapolieren. Das kann man natürlich tun, wenn man aus dem bestimmten Anstellwinkel aus dem Parlament fragt und dann auch den Journalisten seines Vertrauens findet, der das dann gerne in eine steile Meldung ummünzt. Dann kann man das natürlich herausbringen. Es läuft gut, wie man sieht.

ZUSATZFRAGE: Gibt es denn eine generelle Unzufriedenheit mit den Herstellern? Will man mehr Druck auf die Industrie ausüben?

FLOSDORFF: „Eine generelle Unzufriedenheit mit den Herstellern“ kann man nicht sagen. Es gibt bestimmte Hersteller in bestimmten Bereichen. Da sind wir nicht zufrieden mit der Qualität der Fahrzeuge, die kommen. Der Schützenpanzer Puma ist so ein Beispiel. Das ist ein sehr neues, ganz neues Produkt. Das gibt es auch noch bei keiner der anderen Streitkräfte. Da gibt es häufig Kinderkrankheiten. Die gehen dann wieder zurück. Nach ein paar Wochen ist das behoben. Dann stellt sich wieder einmal etwas anderes heraus. Es braucht eine gewisse Zeit, bis sich das irgendwie herausgeschüttelt hat.

Wichtig ist uns, dass die Hersteller da mit einem hohen Nachdruck hinterher sind und die Fehler auch zügig abstellen. Wir wünschen uns natürlich Gerät, das aus der Industrie kommt und schon vom ersten Tag an einsatzbereit ist. Es gibt auch durchaus solche Produkte. Der Unterstützungshubschrauber ist ein schönes Beispiel dafür. Der kommt aus der Industrie und ist ein schon im zivilen Bereich gut erprobtes Exemplar. Der hat eine sehr hohe Einsatzbereitschaft. Die Erfahrung ist: Nach solchen Geräten wird aus dem parlamentarischen Raum heraus eher selten gefragt.

ZUSATZFRAGE: Üben Sie denn auf den Hersteller des Pumas mehr Druck aus?

FLOSDORFF: Ja, natürlich! Wir haben die Handhabe dafür. Es gibt natürlich viele Produkte. Die fünf Produkte, über die wir hier gerade reden, betreffen alle alte Verträge noch aus dem letzten Jahrtausend. Da gibt es auf Basis der Verträge unterschiedliche Handhaben. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass wir das alles bezahlen oder dass wir mit dem zufrieden sind, was uns auf den Hof gestellt wird, sondern da wird gesagt: Dies stimmt noch nicht, das stimmt noch nicht; nehmt es bitte wieder mit, repariert uns das, und dann werden die Rechnungen beglichen. – Aber wir können jetzt nicht alles über einen Kamm scheren. Es gibt unterschiedliche Handhaben bei unterschiedlichen Produkten von unterschiedlichen Herstellern.

FRAGE JESSEN: Herr Flosdorff, aber ist es auch aus dem Anstellwinkel des Verteidigungsministeriums richtig, dass von den im Jahr 2017 ausgelieferten Großgeräten derzeit nur 39 Prozent einsetzbar wären? Das haben Sie, glaube ich, nicht bestritten.

FLOSDORFF: Nein, Herr Jessen, ich muss Sie leider schon an dieser Stelle korrigieren. Hier wurde nach fünf unterschiedlichen Geräten gefragt. Wir haben 53 Hauptwaffensysteme und Tausende anderer Waffensysteme und Geräte, die uns geliefert wurden. Hier wurde nach fünf gefragt, und

ZURUF JESSEN: Ich habe die Zahl 97 gelesen.

FLOSDORFF: Das ist dann insgesamt die Zahl hinter diesen fünf unterschiedlichen Kategorien. Da haben wir den NH-90, den Tiger, den A400M

ZURUF JESSEN: Ja, und von den 97 sind 38 einsetzbar.

FLOSDORFF: Wenn Sie dann zum Beispiel darunter 60 Pumas oder vier Eurofighter oder andere haben, dann kommen wir natürlich nachher auf die Summe von 97. Dann kann man aus diesen fünf Kategorien für das Jahr 2017 herauslesen, dass davon rund 40 Prozent sozusagen sofort in den Status „Einsatzbereitschaft“ das ist der höchste Status überführt werden konnten. Bei anderen mussten Mängel beseitigt werden. Bei anderen haben wir gesagt: Es ist ja schön, dass die jetzt kommen, und ihr schuldet uns das zwar nicht, aber wir wollen jetzt doch, dass auch noch ein neuer Hauptcomputer eingebaut wird, damit der mit anderen Modellen vergleichbar ist, die wir schon hochgerüstet haben. – Nebenbei gesagt: Da muss man einmal ganz genau hinschauen, was denn eigentlich der Grund dafür ist.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ich habe ja jetzt nur einmal genau gefragt, ob es stimmt, dass von diesen 97 gelieferten Großgeräten knapp 40 Prozent einsetzbar sind. Das haben Sie bestätigt. Dann

FLOSDORFF: Innerhalb dieser fünf Kategorien, fünf von 53, ja.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ja natürlich, bitte schön. Fünf Kategorien mit 97 Stück wir müssen da doch kein Zahlenspiel machen.

Mich interessiert noch eine zweite Frage. Wenn Sie jetzt sagen, da müsse dann eben ein neuer Hauptcomputer bei den Fluggeräten eingebaut werden: Das wusste man doch vorher. Warum stellt man das jetzt erst fest und sagt „Oh, jetzt sind sie da, jetzt baut doch mal das neue Gerät ein“, warum wurde das nicht ein Jahr oder wie viele Jahre auch immer vorher angemahnt, sodass die Geräte dann einsatzbereit ausgeliefert werden?

FLOSDORFF: Herr Jessen, wir reden hier allesamt über Großgerät; da reichen die Verträge ins letzte Jahrtausend zurück. Es ist nicht so, dass wir dieses Jahr etwas bestellen, und dann bekommen wir das irgendwie drei Tage später über „Bundeswehr Now“ geliefert. Es ist vielmehr so, dass wir unsere Hauptwaffensysteme über viele, viele Jahre bzw. teilweise über Jahrzehnte betreiben. Der Eurofighter ging ursprünglich einmal als Jäger 90 los. Der ist noch in den 90er-Jahren bestellt worden, und man bekommt das in unterschiedlichen Tranchen ausgeliefert. Das wissen wir natürlich, aber ein bestimmter Rüstzustand ist diesem Verfahren dann geschuldet.

Gleichzeitig müssen die ersten Exemplare, die wir schon vor zehn oder 15 Jahren ausgeliefert bekommen haben, auch immer wieder in einen neuen, parallelen Rüstzustand upgedatet werden. Das Großgerät, das wir haben, bleibt also nie in dem Zustand, in dem es einmal ausgeliefert worden ist. Vielmehr wird es, damit es einsatzbereit ist und wir auch einen möglichst homogenen technischen Stand haben, immer wieder angepasst. Wenn man ein Gerät 30 Jahre lang betreibt, dann muss es aufgrund des fortschreitenden technischen Stands natürlich immer wieder angepasst werden; das ist ein ganz normaler Prozess. Es ist also nicht nur so, dass wir aus der Industrie jeden Tag Gerät bekommen, das neu ausgeliefert wird, sondern wir bekommen aus der Industrie auch jeden Tag Gerät, mit dem irgendwie Updates verbunden sind.

Das muss man immer synchronisieren, das ist ein stetiges Anpassen. Wir haben hier jetzt einmal einen kleinen Ausschnitt sehen dürfen: 5 von 53 Hauptwaffensystemen, die im Jahr 2017 geliefert worden sind, in denen jeweils aus unterschiedlichster Ursache das Gerät noch einmal in die Industrie zurückgegangen ist um ein Update vorzunehmen, um eine Schlechtleistung zu beheben oder um einem anderen Wunsch zu entsprechen, den wir noch hatten, etwa dass eine Waffenanlage nachgerüstet wird, die nach dem Vertrag ursprünglich nicht vorgesehen war.

ZUSATZ JESSEN: Danke für diese Informationsvielfalt, die meinen Horizont erweitert. Die schlichte Frage war aber nur gewesen, warum bei der Tranche von Fliegern, von denen Sie vermutlich vor zwei Jahren schon wussten, dass sie im letzten Jahr ausgeliefert werden würden, nicht vor zwei Jahren gesagt worden ist: Bitte liefert uns die mit dem dann aktuellen Computer. Das ist ja offenbar nicht passiert. Nur darauf zielte meine Frage.

FLOSDORFF: Es gibt unterschiedlichste Komponenten, die damit verbunden sind. Ich kann Ihnen diese Frage hier jetzt nicht beantworten, ich kann Ihnen nur sagen: Man kann bei tausenden Systemen nicht jedes Mal den Rüstzustand, der geschuldet ist, weiter vorwärts schieben. Die Industrie wird dann vielmehr sagen: Passt mal auf, das haben wir euch jetzt geliefert, das schulden wir euch bis hierhin, und dann schauen wir, was ihr noch darüber hinaus wollt.

Die Eurofighter, über die wir jetzt reden, haben in dem Moment, in dem wir hier jetzt reden, auch schon wieder die notwendige Zulassung und der neue Computer ist abgenommen. Das Stichtagsproblem das durch einen findigen Abgeordneten in Verbindung mit dem Journalisten seines Vertrauens gut herausgearbeitet wurde ist zum jetzigen Stand also auch schon wieder erledigt. Wir können uns aber gerne noch eine Weile darüber unterhalten.

VORS. DR. MAYNTZ: Ich glaube, einen Vertreter von „Bundeswehr Now“ würden hier auch gerne einmal befragen. Jetzt ist aber erst einmal Herr Jung dran.

FRAGE JUNG: Herr Flosdorff, sind die anderen 47 der 52 Systeme einsatzbereit?

FLOSDORFF: Ich kann Ihnen hier jetzt nicht auf Knopfdruck eine Information über die Einsatzbereitschaft geben. Es macht auch gar keinen Sinn, irgendwelche Echtzeitabfragen zu machen. Wir haben eine Einsatzbereitschaftslage, die wir übrigens neu eingeführt haben sowas gab es vorher nicht und die mittlerweile auch digitalisiert wurde. Was Sinn macht, ist, Aussagen über bestimmte Zeiträume zu treffen, zum Beispiel über die durchschnittliche Einsatzbereitschaft im ersten Quartal oder über das Jahr. Dann können Sie valide Aussagen darüber treffen, ob wir besser oder schlechter werden in der Einsatzbereitschaft bei unterschiedlichem Großgerät. Da gibt es dann meistens auch unterschiedliche Ursachen, das ist also nicht alles über einen Kamm zu scheren. Eine Ursache dafür, dass die Einsatzbereitschaft sinkt, ist zum Beispiel eine gesteigerte Manövertätigkeit, zum Beispiel jetzt im Rahmen der VJTF oder der Großübungen, die stattfinden. Das führt zum Beispiel dazu, dass die Einsatzbereitschaft eher bei den Landsystemen ein bisschen in die Knie geht. Wenn die Hubschrauber in Einsätzen sehr stark gefragt sind, dann sinkt die durchschnittliche Einsatzbereitschaft wahrscheinlich auch dort, weil das Gerät stärker gefordert ist als zu anderen Jahreszeitpunkten. Ich warne an dieser Stelle also einfach vor pauschalen Urteilen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Darum: Können Sie dann nachreichen, wie viele von den 47 Systemen, die hier jetzt nicht genannt wurden, einsatzbereit waren?

FLOSDORFF: Jetzt, um 13.50 Uhr? Ich kann schauen, ob wir da auf einen Knopf drücken können. Von welchen Geräten genau möchten Sie das?

ZUSATZ JUNG: Mir egal. Schicken Sie es an den Verteiler.

FLOSDORFF: Von 53? Nein, solche Abfragen mehrmals im Jahr schicken wir das an das Parlament. Ich bitte um Verständnis wir haben das hier ja schon öfter angesprochen: Wir sprechen hier über Regierungshandeln. Wenn wir jetzt auf die Schräubchenebene hinabgehen, dann sage ich: Das ist ein Service, den wir sicherlich nicht liefern werden.

VORS. DR. MAYNTZ: Thema Regierungshandeln: Herr Fichtner setzt noch ein neues Thema.

FICHTNER: Ich habe gerade erfreuliche Informationen aus der Ständigen Vertretung in Brüssel bekommen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Es geht um das Thema Plastik. Dort hat sich heute nämlich der Ausschuss der Ständigen Vertreter die Position der EU-Mitgliedstaaten zum Verbot von überflüssigem Einwegplastik und anderen Maßnahmen gegen die Vermüllung der Umwelt und der Meere mit Plastik festgelegt. Ich habe noch nicht Informationen zu allen Details, aber schon einiges dazu.

Die Mitgliedstaaten haben sich ohne Gegenstimme klar für ein Verbot von überflüssigem Einwegplastik ausgesprochen. Das betrifft zum Beispiel Plastikbesteck, Plastikteller, Strohhalme, Rührstäbchen oder auch Wattestäbchen aus Plastik. Das sind Produkte, die in großen Mengen in der Umwelt und an den Stränden zu finden sind und für die es gute Alternativen gibt. Beschlossen wurden zum Beispiel auch andere Maßnahmen und verpflichtende Ziele. Coffee-to-go-Becher zum Beispiel sollen deutlich reduziert werden; Hersteller von Zigarettenfiltern sollen verpflichtet werden, sich an den Kosten der Säuberung zu beteiligen.

Die Bundesregierung hat diesem Maßnahmenpaket heute zugestimmt. Das Bundesumweltministerium bzw. die Bundesumweltministerin begrüßt dieses Ergebnis ausdrücklich. Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Vermüllung unserer Umwelt mit Plastik. Wir haben ja im Binnenmarkt nur begrenzte Möglichkeiten, auf nationaler Ebene solche Produkte zu regulieren oder zu verbieten. Darum ist es umso wichtiger, dass wir das nun auf europäischer Ebene schaffen können. Im nächsten Schritt werden nun Mitgliedstaaten und Parlament im sogenannten Trilog am 6. November miteinander verhandeln. Wir hoffen auf eine zügige Einigung, sodass wir dieses Paket noch in diesem Jahr abschließen können und ab dem nächsten Jahr mit der Umsetzung in Deutschland beginnen können.

Wir gehen davon aus, dass diese Maßnahmen Innovation und Kreativität freisetzen werden. Um ein Beispiel zu nennen: Es wird auch künftig noch Strohhalme geben, aber es werden wahrscheinlich weniger und bessere Strohhalme zum Beispiel gibt es auch schon essbare Strohhalme. Das werden also Produkte sein, die Umwelt und Meerestiere eben nicht über Jahrzehnte belasten. Darüber freuen wir uns.

FRAGE DR. RINKE: An das Auswärtige Amt: Österreich hat heute angekündigt, dass es den UN-Migrationspakt nicht mittragen will, und folgt damit dem Beispiel der USA und Ungarns. Wie kommentieren Sie das? Sehen Sie es als angemessen an, dass ein Land, das gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehat, diese Entscheidung trifft?

BREUL: Ich kann gern etwas dazu sagen; ich hatte hier vor zwei Wochen, glaube ich, schon einmal dazu vorgetragen. Der globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration wird von über 180 Staaten, also der ganz überwiegenden Mehrheit der Weltgemeinschaft, unterstützt. Zu diesen Unterstützern gehören auch wir. Gerade um Migration in geordnete Bahnen zu lenken, ist der Pakt notwendig und wichtig. Daher bedauern wir es natürlich, wenn verschiedene Staaten und vor allem auch enge Partner von uns dem Pakt nicht beitreten wollen. Wir werden weiter für seine Annahme und Umsetzung werben.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Können Sie noch eine Beurteilung über die Rolle Österreichs abgeben, das gerade ja die Ratspräsidentschaft innehat, und können Sie vielleicht auch sagen, ob Sie Hinweise darauf haben, dass andere EU-Länder wie zum Beispiel Italien möglicherweise ebenfalls nicht mitmachen wollen?

BREUL: Zu Italien liegen mir keine Hinweise vor. Bisher hatten sich innerhalb der EU Polen, Ungarn und Tschechien kritisch geäußert. Die Bewertung des österreichischen Vorgehens habe ich ja gerade schon vorgenommen: Wir bedauern das.

STS SEIBERT: Aber man muss vielleicht was wir neulich auch schon gesagt haben doch noch einmal in Erinnerung rufen: Dies ist kein völkerrechtlicher Vertrag, er ist rechtlich ausdrücklich nicht bindend, er greift ausdrücklich nicht in die Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten ein. Das muss man ja erst einmal sagen.

Warum ist dieser „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“, wie er mit vollem Namen heißt, aus unserer Sicht dennoch sinnvoll? Weil er für alle Beteiligten das Ziel setzt, gemeinsame globale Lösungen für das Phänomen der Migration zu finden und weil er konkrete Ziele setzt, nämlich sichere, geordnete, legale Migration, und eben nicht illegale Migration. Er sagt sogar explizit: Leitprinzip ist, illegale Migration zu reduzieren. Das entspricht auch der Politik der Bundesregierung in den letzten Jahren.

Aber noch einmal das Wichtigste, was man manchen in Erinnerung rufen muss: Die nationale Souveränität der Staaten ist nicht berührt; das ist kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag.

FLOSDORFF: Ich hätte noch einen Nachtrag für Herrn Jung und auch für alle anderen, die sich dafür interessieren: Zur Einsatzbereitschaft unserer Hauptwaffensysteme veröffentlichen wir jedes Jahr einen Bericht. Den finden Sie auch auf der Homepage des Bundesverteidigungsministeriums. Der letzte datiert vom Februar, und er wird sicherlich auch im nächsten Frühjahr wieder aktualisiert. Darin finden Sie Angaben zur durchschnittlichen Einsatzbereitschaft, und daraus kann man mehr ablesen, auch an Trends, als aus irgendwelchen Vergleichen an Stichtagen, zu denen Chargen von einzelnen Geräten in die Industrie gehen oder wieder herauskommen.

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