Unverhältnismäßig ► RegPK vom 16. November 2018
Themen: Kabinettssitzung (Bericht der Bundesregierung über den Bürgerdialog zur Zukunft Europas, Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes), Termine der Bundeskanzlerin (Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag, Treffen mit dem französischen Präsidenten, Vollversammlung des European Round Table of Industrialists, Treffen mit dem Ministerpräsidenten des Königreichs Dänemark, Generaldebatte zum Bundeshaushalt 2019, BDA-Arbeitgebertag, informelles Treffen des Europäischen Rates zum Thema Brexit, Fall Khashoggi, Prüfung der Möglichkeit von Abschiebungen aus Deutschland nach Syrien, mögliche Entschädigungszahlungen an Energiekonzerne für ein schnelleres Abschalten von Kohlekraftwerken, mögliche chinesische Beteiligung in einem Fall von Industriespionage, Sammelabschiebung nach Afghanistan, Schadensersatzklage von Vattenfall gegen die Bundesregierung, am Jemen-Konflikt direkt beteiligte Staaten, Bundesprogramm StarthilfePlus
Naive Fragen zu:
Maßnahmen gegen Fahrverbote (ab 5:35 min)
– eine Lernfrage. Ich bin ein bisschen verwirrt. Also EU-Recht schlägt ja immer noch nationales Recht. Wenn die EU sagt, dass der Grenzwert bei 40 Mikrogramm liegt, warum können Sie dann sagen „Nein, 50 Mikrogramm reichen auch“? (ab 10:33 min)
Fall Khashoggi (ab 24:55 min)
– die saudische Generalstaatsanwaltschaft hat jetzt festgestellt, dass Mohammed bin Salman überhaupt nichts mit diesem Mord an Herrn Khashoggi zu tun habe, dafür aber fünfzehn andere. Wie bewerten Sie die Stellungnahme der saudischen Staatsanwaltschaft und deren ich nenne es einmal so Ermittlungsergebnis?
– Sie hatten jetzt nichts zu dem Freispruch für Mohammed bin Salman gesagt. Nehmen Sie diese Statements des saudischen Generalstaatsanwalts also ernst, glauben Sie dem das? Welche offenen Fragen gibt es?
Abschiebung nach Syrien (ab 31:40 min)
– Bei Afghanistan wird das ja immer damit gerechtfertigt, dass es in Afghanistan laut aktuellem Lagebericht teilweise sichere Gebiete gebe, in die die Menschen dann kommen könnten. Jetzt brauchen Sie nicht über Einzelheiten dieses Lageberichts zu Syrien zu reden, aber ist in diesem Lagebericht auch die Rede davon, dass es teilweise sichere Gebiete in Syrien gibt, in die die Menschen abgeschoben werden können? (ab 33:50 min)
– Kennen Sie sichere Gebiete in Syrien?
Abschiebung nach Afghanistan (ab 41:20 min)
– zur Abschiebung nach Afghanistan sind am Mittwoch noch ein paar Fragen offengeblieben. Zum einen ging es um die zehn sogenannten Haftfälle. Sie wollten schauen, ob diese Personen ihre Haft hier in Deutschland abgesessen haben oder quasi während ihrer Haft herausgeholt wurden. Zum anderen wollten Sie sich darüber informieren, wer die anderen 32 Personen waren, ob das also Straftäter, Identitätsverweigerer usw. waren.
Krieg im Jemen (ab 44:25 min)
– Hat sich die Bundesregierung schon auf die direkt Beteiligten am Jemen-Krieg geeinigt?
– Wann können wir damit rechnen?
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Tilo Jung
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 16. November 2018:
SRS’IN DEMMER: Genau. Von mir auch einen schönen guten Tag!
Zu den Digitalisierungsthemen haben ja die Bundeskanzlerin und der Vizekanzler gestern schon ausführlich berichtet. Aber es sind im Kabinett noch zwei weitere Themen gewesen:
Die Bundesregierung hat gestern in Potsdam den Bericht der Bundesregierung über den Bürgerdialog zur Zukunft Europas beschlossen. Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien vereinbart, sich aktiv in die Debatte über die Zukunft der Europäischen Union und die Stärkung der europäischen Integration einzubringen. Hierzu initiierte die Bundesregierung einen ganz breit angelegten und ergebnisoffenen Bürgerdialog zur Zukunft Europas, bei dem die Meinungen, Sorgen und Hoffnungen der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt standen.
Insgesamt führten die Ressorts und die zivilgesellschaftlichen Partner der Bundesregierung rund 120 dieser Dialoge in Deutschland durch. Auf der Grundlage einer unabhängigen wissenschaftlichen Auswertung hat die Bundesregierung einen eigenen Bericht über den Bürgerdialog zur Zukunft Europas veröffentlicht. Wir werten das als wichtiges und ermutigendes Signal, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland Europa positiv gegenübersteht.
Gleichzeitig haben sie in dem Dialog aber auch die anstehenden Herausforderungen klar benannt. Die Bürgerinnen und Bürger verbinden das mit der Erwartung, dass die Herausforderungen auch auf europäischer Ebene gemeistert werden. Hieraus ergibt sich dann für die Bundesregierung eine ganze Reihe von europapolitischen Erkenntnissen. So erwarten die Bürgerinnen und Bürger etwa eine größere Handlungsfähigkeit der EU in der Außenpolitik und die Stärkung der Grundwerte, vor allem der Rechtsstaatlichkeit, die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems, die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration und einen verstärkten Einsatz für mehr Wettbewerbsfähigkeit.
Insgesamt zieht die Bundesregierung ein positives Fazit. Es bleibt aus unserer Sicht wichtig, die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland weiter eng in die Debatte zur Zukunft Europas einzubinden.
Nach Beschluss wird der Bericht der Bundesregierung nach Brüssel übermittelt. Alle eingehenden Berichte der Mitgliedstaaten werden dort gebündelt. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Ergebnisse vom Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs am 13. und 14 Dezember in Brüssel diskutiert werden. Zudem sollen sie auch mit Blick auf den informellen Europäischen Rat im Mai 2018 in die Diskussion zur nächsten strategischen Agenda des Europäischen Rats einfließen.
Alle Informationen über die Bürgerdialoge finden Sie unter: www.dialog-über-europa.de
Wir hatten ja am 24. Oktober an dieser Stelle schon das Eckpunktepapier zum Dieselkonzept vorgestellt. Damals haben wir u. a. angekündigt, zu diesem Zweck möglichst schnell zwei Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen.
Vergangene Woche hat das Kabinett die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes beschlossen und gestern nun die Neuerungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz. Dieser Gesetzentwurf regelt im Wesentlichen zwei Aspekte:
Erstens wird für diejenigen Städte, in denen die Stickoxid-Belastung unter 50 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel liegt, klargestellt, dass Fahrverbote in der Regel nicht erforderlich, sondern unverhältnismäßig sind. Der EU-Grenzwert für Stickoxid liegt bei 40 Mikrogramm, wie Sie wissen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Maßnahmen für saubere Luft in Kürze wirken, so dass dieser Grenzwert in diesen Städten auch ohne Fahrverbote eingehalten werden kann.
Zweitens regelt das Gesetz, welche Fahrzeuge von den Fahrverboten ausgenommen sind: Das betrifft Euro-6-Diesel und ebenso Euro-4- und Euro-5-Diesel, wenn sie weniger als 270 Milligramm pro Kilometer ausstoßen. Das ist ein neuer Wert, den wir hier einführen. Er bedeutet, dass mit Hardware nachgerüstete Pkw auch dort fahren können, wo Fahrverbote bestehen, wenn sie eben diesen Wert einhalten.
Von Fahrverboten ausgenommen werden auch Nutzfahrzeuge, vor allem diejenigen, deren Nachrüstung mit öffentlichen Geldern gefördert wurde und die insoweit die für die Förderung erforderlichen Anforderungen erfüllen. Es wird selbstverständlich Ausnahmen geben, z. B. für Krankenwagen und Polizeifahrzeuge.
FRAGE HELLER: Ich habe noch eine Nachfrage an das Verkehrsministerium: Welchen Sinn macht es denn, eine Regelung zu vereinbaren, die auch für nachgerüstete Diesel-Fahrzeuge gilt, wenn diese Diesel-Nachrüstungen nach Ihrer Darstellung erst in fernerer Zukunft möglich sind?
STRATER: Bezieht sich jetzt Ihre Frage auf die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes? Dann würde ich bitten, dass die Kollegin antwortet. Denn das liegt in der Zuständigkeit des Umweltministeriums.
DR. KLEIN: Ich kann dazu gern etwas sagen.
Sie haben Recht: Diese Regelung ergibt nur dann Sinn, wenn die Hardwarenachrüstungen kommen. Aber sie werden nicht erst in ferner Zukunft kommen, sondern wir gehen davon aus das ist in dem Eckpunktepapier auch beschlossen , dass sie schnellstmöglich kommen, nämlich Anfang 2019.
ZUSATZFRAGE HELLER: Ich habe noch eine Nachfrage an das Verkehrsministerium: Habe ich den Minister nicht richtig im Kopf mit der Aussage, dass die Nachrüstsets noch gar nicht vorhanden sind und so etwas frühestens in 18 Monaten auch nach allen notwendigen Genehmigungen faktisch umsetzbar ist?
STRATER: Das haben Sie richtig im Kopf. Wir haben diese technischen Bedenken immer wieder geäußert. Sie beruhen auf einer Einschätzung unserer Experten und den Gesprächen, die wir mit allen Beteiligten dazu führen. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis diese Nachrüstsets zur Verfügung stehen. Das ist eine technisch hochkomplexe Sache. Das haben wir immer geäußert. Insofern werden sie nicht kurzfristig zur Verfügung stehen. Dabei bleibt es.
DR. KLEIN: Genau. Da möchte ich noch kurz ergänzen. Ich habe mich gerade nicht hinreichend klar ausgedrückt.
Es wird natürlich noch ein bisschen dauern, bis die Hardwarenachrüstungen dann de facto kommen. Nichtsdestotrotz ist der nächste Schritt, der passieren muss, dass das Verkehrsministerium – und daran arbeitet das Verkehrsministerium ja auch – die flankierenden Regelungen zur Hardwarenachrüstung vorlegt. Dann müssen wir uns „step by step“ in die Richtung bewegen. Aber das heißt nicht, dass sie nicht kommen werden oder erst in ferner Zukunft. Im Gegenteil: Da passiert etwas.
STRATER: Wir haben auch immer darauf hingewiesen, dass es Sache der Hersteller ist, diese Produkte zu entwickeln und zur Genehmigung vorzulegen. Dieses Wort habe ich hier auch schon einmal gebraucht. Wir schrauben im Keller des Verkehrsministeriums keine Hardwaresets zusammen, sondern das müssen schon die Hersteller mit Hochdruck machen. Wenn das dann alles vorliegt und die ganzen technischen Anforderungen auch genehmigungsfähig sind, dann kann das KBA das auch genehmigen.
FRAGE: Ich habe zwei Fragen.
Zum einen nur damit ich das jetzt richtig verstehe : Die technischen Anforderungen, die ein Hardwarenachrüstungssatz erfüllen muss, sind jetzt durch das BImSchG mit diesen 270 Milligramm vorgegeben. Verstehe ich das jetzt richtig?
STRATER: Nein. Das haben Sie nicht richtig verstanden. Die 270 Milligramm ist die Grenze, unterhalb derer Sie dann auch in mögliche Fahrverbotszonen oder mit Beschränkung versehene Gebiete einfahren dürfen.
Parallel dazu müssen technische Anforderungen entwickelt werden, die diese Systeme technisch erfüllen müssen. Sie haben ja ein Fahrzeug, das hochkomplex ist, und wollen nachher dann auch noch das gleiche Fahrzeug haben, das entsprechenden Anforderungen genügt. Das muss alles noch formuliert werden. Das ist sozusagen die technische Vorschrift, die noch erarbeitet wird.
ZUSATZFRAGE: Das macht das Kraftfahrtbundesamt? Kann man sagen, an welchem Stand das Kraftfahrtbundesamt bei der Formulierung dieser technischen Vorschriften ist?
STRATER: Das kann ich Ihnen jetzt nicht im Einzelnen sagen. Wir sind an all diesen Punkten dran, die neulich in den Eckpunkten im Kabinett waren. Da gibt es ja auch noch mehr.
Wir haben ja auch noch die Änderung der Straßenverkehrsordnung – und all diese Richtlinien, Förderrichtlinien, die noch für die Kommunalfahrzeuge und die Handwerkerfahrzeuge umgesetzt werden. Das wird jetzt alles betrieben und mit Hochdruck vorangetrieben.
DR. KLEIN: Darf ich vielleicht noch kurz ergänzen? Sie haben ja speziell auf diese flankierenden Regelungen zur Hardwarenachrüstung Bezug genommen. Da ist ganz klar im Eckpunktepapier der Bundesregierung vereinbart, dass sie im Januar vorgelegt werden sollen.
ZUSATZFRAGE: Ist es denn realistisch – entschuldigen Sie bitte noch einmal die Nachfrage –, dass sie tatsächlich im Januar vorgelegt werden, Herr Strater?
STRATER: Wir arbeiten daran. Ich weiß nicht genau, ob es jetzt bezüglich dieser Regelung Januar 2019 hieß. Ich meine mich zu erinnern, dass das auf die Förderrichtlinie bezogen war. Das kann man aber alles genau nachlesen.
Noch einmal: Wir arbeiten mit Hochdruck an all diesen Umsetzungsgeschichten, die jetzt im Nachgang zu diesem Eckpunktebeschluss vollzogen werden müssen.
DR. KLEIN: Wir gehen auch davon aus, dass die Autos, die nachgerüstet worden sind, diesen Grenzwert von 270 Milligramm einhalten.
FRAGE JUNG: Ich habe noch einmal eine Lernfrage. Ich bin ein bisschen verwirrt. Also EU-Recht schlägt ja immer noch nationales Recht. Wenn die EU sagt, dass der Grenzwert bei 40 Mikrogramm liegt, warum können Sie dann sagen „Nein, 50 Mikrogramm reichen auch“?
DR. KLEIN: Das machen wir gar nicht. Der Grenzwert bleibt bestehen. Das wollen wir so. Das machen wir nicht einfach so. Das dient dem Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger, und dieser Wert ist europarechtlich bindend.
Europarechtlich ist etwas vorgegeben. Der nationale Staat entscheidet, mit welchen Mitteln das Ziel erreicht werden kann, den Wert von 40 Mikrogramm einzuhalten. Verschiedene Mittel stehen zur Verfügung. Das sind einmal Fahrverbote. Das ist aber wirklich das schärfste Schwert. Das sind aber auch all die anderen Maßnahmen – angefangen bei Software-Updates und diesen anderen neuen Maßnahmen, die wir in den Eckpunkten beschlossen haben.
Wir haben jetzt gesagt, dass wir, wenn es um den Bereich zwischen 40 und 50 Mikrogramm geht, meinen, dass dieses schärfste Schwert unverhältnismäßig ist. Wir glauben, dass mit den übrigen Maßnahmen, die wir beschlossen haben, der Wert von 40 trotzdem eingehalten werden kann. Also der Wert bleibt bestehen.
Sie schauen immer noch so kritisch.
ZUSATZ JUNG: Weil der Grenzwert überschritten werden darf – und ein Grenzwert ist ein Grenzwert.
DR. KLEIN: Nein, der Grenzwert darf nicht überschritten werden.
ZURUF JUNG: Das haben Sie doch gerade gesagt. Bis 50.
DR. KLEIN: Nein. Er wird in diesen Städten überschritten. Der Messwert liegt dort zwischen 40 und 50.
Dann ist die Frage: Mit welchen Maßnahmen treten wir dem entgegen, dass er nicht mehr überschritten wird? Da haben wir dieses ganze Paket, zum Beispiel die Nachrüstung von Software-Updates. Dann gibt es noch andere Maßnahmen. Das sind Fahrverbote.
Wir sagen: Nur dieses Mittel der Fahrverbote setzen wir in diesem Bereich nicht ein, weil wir glauben, dass wir trotzdem in der Lage sind, mit diesem Maßnahmenpaket den Wert von 40 Mikrogramm einzuhalten. Wir reißen diesen Grenzwert also überhaupt nicht. Diese Regelung verhält sich dazu überhaupt nicht.
Wenn sich am Ende zeigen sollte, dass wir einem Irrtum unterlegen sind und wir doch Fahrverbote brauchen – das muss man einmal ganz deutlich herausstellen , dann entscheiden die Kommunen mit ihren Luftreinhalteplänen trotz dieser Regelung im Bundes-Immissionsschutzgesetz weiterhin darüber, ob sie im Einzelfall Fahrverbote für erforderlich halten. Wenn das so ist, dann können wir auch nichts machen. Aber es ist eine Hilfestellung für die Kommunen, die Rechtssicherheit geben soll.
FRAGE: Ich würde ganz gern wissen eine Frage an das Verkehrsministerium , warum Ihr Minister es für gerechtfertigt hält, Justizschelte zu betreiben?
STRATER: Das weise ich zurück. Das tun wir nicht. Er sagt: Es steht mir nicht zu, die Justiz zu kritisieren. Das hat er heute in einem Zitat ja auch zum Besten gegeben.
Aber er hält das, was gestern das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zu Essen und Gelsenkirchen angeordnet hat darauf spielen Sie wahrscheinlich an , für unverhältnismäßig, wenn in eine mögliche Fahrverbotszone eine Autobahn eingebunden wird. Das versteht keiner, das geht zulasten der Mobilität von hunderttausenden Bürgerinnen und Bürger, und er hält dies für unverhältnismäßig. Insofern hat er sich dazu inhaltlich geäußert.
ZUSATZFRAGE: Er hat aber nicht nur das gesagt, sondern das Zitat lautet: Wenn eine Richterin ein Fahrverbot anordnet, halte ich das für unzulässig. Insofern ist die Verbindung zur Justiz ja von Ihnen selbst gewählt und formuliert.
STRATER: Es gibt da einen Sachzusammenhang. Eine Richterin hat ein Urteil gesprochen, und dieses hält er für unverhältnismäßig.
ZUSATZFRAGE: Und deswegen frage ich: Warum ist das keine Justizschelte?
STRATER: Weil er es inhaltlich bewertet hat.
ZUSATZFRAGE: Ich hätte noch eine weitere Nachfrage: Was ist an der Debatte das Interview geht ja weiter „selbstzerstörerisch“?
STRATER: Der Minister äußert immer wieder, dass es so etwas, wie wir es hier in Deutschland erleben, in keinem anderen Land gibt. Die Debatte ist hochemotional, sie ist entsachlicht und sie trägt inzwischen Früchte, wie wir das sehen, dass selbst solche Urteile gefällt werden, bei denen Autobahnen in Innenstädten gesperrt werden sollen. Wenn so etwas käme, dann entzöge dies unserem Land den Wohlstand bzw. die Mobilität, die Grundlage des Wohlstands ist. Das schränkt die Mobilität von Bürgerinnen und Bürger ein. Wenn Sie einmal über die A40 in NRW gefahren sind das sind Sie wahrscheinlich , dann können Sie das einigermaßen nachvollziehen. Darauf bezieht sich das. Eine solch extrem emotional geführte Debatte gibt es in keinem Land, und dies hat er selbstzerstörerisch genannt.
ZUSATZFRAGE: Aber es ist ein so kräftiges Wort. Was wird da zerstört? Das habe ich ja gerade gesagt: Die Mobilität wird für hunderttausende Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt, wenn so etwas umgesetzt wird, wie es dort jetzt diskutiert wird. Mobilität ist die Grundlage unseres Wohlstands, ist die Grundlage für Wachstum, Beschäftigung und Arbeitsplätze. Insofern ist das selbstzerstörerisch.
FRAGE JESSEN: Noch einmal zum Grenzwert von 270 Milligramm Stickoxid pro Kilometer: Herr Strater, dieser Grenzwert würde ja das Befahren auch von nachgerüsteten Fahrzeugen in die Verbotszone ermöglichen. Das ist aber erst erreichbar, wenn tatsächlich die Hardwarenachrüstung stattgefunden hat. Sie haben die Schwierigkeiten dabei benannt. Zu welchem Zeitpunkt ist diese technische Nachrüstung aus Sicht des Verkehrsministeriums realistischerweise verfügbar? Denn nur das ist für die Besitzer von alten Diesel-Pkw relevant.
STRATER: Es gibt ja auch Fahrzeuge, die diesen Wert ohne Nachrüstung erreichen können; das ist ja nicht nur abhängig von alten nachgerüsteten Fahrzeugen. Der Minister hat einmal das hat Herr Heller eben zitiert einen Zeitraum von 18 Monaten genannt. Es dauert eine Weile. Es wird diese Hardwarenachrüstungssets kurzfristig nicht geben können, weil sie technisch erst entwickelt werden müssen. Wir reden hier also von mehreren Monaten. Das haben wir aber immer gesagt; wir haben niemals gesagt, dass das schnell geht. Wenn das andere anders sagen, dann kann ich nur sagen: Unsere Experten sagen uns, dass das eben nicht so ist und dass das nicht schnell geht. Darauf haben wir immer hingewiesen.
Deswegen haben wir uns mit den Herstellern auch immer auf die Flottenerneuerung, auch durch Umstiegsmodelle, verständigt. Wir setzen weiterhin auf alle Maßnahmen, die es im Sofortprogramm „Saubere Luft“ gibt die erweitert worden sind , etwa die Maßnahmen für Dieselbusse, Kommunalfahrzeuge, Handwerker- und Lieferfahrzeuge. All das geschieht ja weiterhin. Insofern haben wir ein Gesamtpaket. Zu einem Aspekt davon haben wir uns immer kritisch geäußert. Wir arbeiten an diesen Umsetzungen, das ist ja keine Frage. Es gab ja den Eckpunktebeschluss, in dem steht, dass wir das machen, und das machen wir auch.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Wäre es angesichts der langen Zeiträume und angesichts der Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzbarkeit dieser Nachrüstungen in dem Fall dann doch für ältere Fahrzeuge , auf die Sie hinweisen, nicht sinnvoll gewesen, das früher in Angriff zu nehmen? Ich erinnere mich an Fragen und Antworten hier, in denen Ihr Haus relativ lange gesagt hatte, das ginge überhaupt nicht. Nun ist durch politischen Beschluss wohl gesagt worden: Es geht wohl doch, aber es kommt jetzt so spät. Wäre es nicht besser gewesen, da auch auf Initiative Ihres Hauses früher heranzugehen, sodass diese Lücke jetzt nicht entstanden wäre?
STRATER: Wir hatten ja immer die Bedenken, die Sie alle kennen die technischen, die rechtlichen und die finanziellen. Insofern haben wir das immer erst einmal vertreten, auch politisch, bis es einen Beschluss der Koalition gab, der das dann beinhaltete. Insofern halten wir uns an den, und jetzt setzen wir das um.
FRAGE GIRSCHICK: Kommende Woche tagt ja noch einmal die Expertenrunde zur Reduzierung der Emissionen der in Verkehr befindlichen Fahrzeuge, die ja teilweise auch kontrovers über die Hardwarenachrüstungen diskutiert hat, sie aber zu einem großen Teil befürwortet hat. Nachdem nun alles über den Kompromiss geregelt aussieht die Eckpunkte usw. : Welchen Sinn macht es, jetzt noch einmal diese Expertenrunde tagen zu lassen, bzw. was erwarten Sie von denen?
STRATER: Sie haben es richtig gesagt: Es ist ja politisch eine Entscheidung dazu gefällt worden. Auch finanziell sind wir nach der Verständigung mit den Herstellern in der vergangenen Woche jetzt weitergekommen. Wir müssen die Arbeit einer solchen Arbeitsgruppe aber natürlich auch formalisiert zu Ende führen, und das tun wir jetzt damit.
VORS. WELTY: Damit sind wir dann bei den Terminen der Kanzlerin.
SRS’IN DEMMER: Über die Termine der Bundeskanzlerin an diesem Sonntag, also übermorgen, hatten wir Sie bereits informiert, deshalb nur noch einmal ganz knapp: Sie nimmt an Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag teil, trifft am Sonntagnachmittag im Bundeskanzleramt den französischen Präsidenten Macron und ist dann am Abend bei der Vollversammlung des European Round Table of Industrialists zu Gast.
Am Dienstag, dem 20. November, wird die Bundeskanzlerin um 14 Uhr den Ministerpräsidenten des Königreichs Dänemark, Lars Løkke Rasmussen, im Bundeskanzleramt empfangen. Ministerpräsident Rasmussen ist aus Anlass der Messe „Smart Country Convention“ in Berlin, bei der Dänemark das Partnerland ist. Gesprächsthemen werden insoweit natürlich die Digitalisierung, aber auch die bilateralen Beziehungen sowie europa- und sicherheitspolitische Fragen sein. Vor dem Gespräch sind gemeinsame Pressestatements geplant.
Die nächste Woche wird im Deutschen Bundestag dann ganz im Zeichen des Bundeshaushalts 2019 stehen. Im Rahmen der Generaldebatte wird die Bundeskanzlerin am Mittwoch, dem 21. November, um 9 Uhr im Bundestag eine Rede halten. Wegen der Haushaltswoche des Parlaments findet dann eben in der kommenden Woche keine Kabinettssitzung statt.
Am Donnerstag, dem 22. November, nimmt die Bundeskanzlerin am Arbeitgebertag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, BDA, im Estrel Hotel in Berlin teil. Gegen 10.30 Uhr wird die Bundeskanzlerin dort eine Rede halten. Darin wird sie auf aktuelle wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Themen eingehen.
Am Morgen des 25. November, also am Sonntag in einer Woche, reist Bundeskanzlerin Merkel nach Brüssel. Wie Ihnen schon bekannt ist, hat der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk für diesen Tag um 9.30 Uhr zu einem Europäischen Rat im Artikel-50-Format eingeladen; es treffen sich also die 27 Mitgliedstaaten ohne Großbritannien. Dort soll das vorgestern veröffentlichte vorläufige Brexit-Abkommen, das zwischen der Europäischen Kommission und dem Vereinigten Königreich ausgehandelt wurde, sowie die politische Erklärung zum künftigen Verhältnis von den Staats- und Regierungschefs der EU-27 indossiert werden. Details zum Ablauf liegen noch nicht vor, aber wir halten Sie auf dem Laufenden.
Das war dann die kommende Woche.
FRAGE HELLER: Zum letzten Punkt: Erstens. Ist dieser Brexit-Sondergipfel davon abhängig, ob Frau May dann überhaupt noch im Amt ist oder nicht?
Zweitens. Gerade angesichts der Probleme von Frau May, in London Unterstützung für das Abkommen zu mobilisieren: Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung noch irgendwelche Möglichkeiten, irgendwelche Chancen, an irgendwelchen Ecken dieses Abkommens herumzuschrauben und etwas zu verändern?
SRS’IN DEMMER: Die Bundeskanzlerin und der Vizekanzler haben sich dazu gestern ja schon ausführlich geäußert. Die Bundeskanzlerin hat gestern schon gesagt: Wir sind zuerst einmal froh, dass es gelungen ist, in langen und ganz bestimmt nicht einfachen Verhandlungen einen Vorschlag zu unterbreiten. Diesem Vorschlag hat jetzt sowohl Michel Barnier als auch der britische Verhandler zugestimmt. Jetzt gehen wir davon aus, dass in den entsprechenden Gremien Großbritanniens beraten werden wird. Insofern ist die Arbeit jetzt in vollem Gange, und alles andere ist hypothetisch.
FRAGE GIRSCHICK: Trotzdem noch eine Nachfrage, auch wenn das hypothetisch ist: Worauf stellt sich unter anderem das Wirtschaftsministerium ein, was den Brexit angeht?
EICHLER: Wir haben diesen Entwurf ja gerade erst gesehen und wir prüfen den jetzt. Wir treffen in jeglicher Hinsicht Vorkehrungen für alle denkbaren Szenarien, und das werden wir so auch weiterführen, bis irgendwann ein Ergebnis erzielt wird.
FRAGE HELLER: Angesichts dessen, was man aus London hört: Ist die Bundesregierung besorgt darüber, dass letztendlich die ganze Mühe für nichts war und das Abkommen scheitert? Denn es sieht ja so aus, als wenn es keine Unterstützung für dieses Abkommen geben kann. Was passiert, wenn es diese Unterstützung überhaupt nicht gibt?
SRS’IN DEMMER: Sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Vizekanzler haben gestern noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass der schlimmste Fall der ungeregelte Fall wäre, also der Fall, dass es kein Abkommen gibt. Jetzt gibt es aber erst einmal eine Einigung, und der Rest ist und bleibt hypothetisch, deshalb nehmen wir dazu hier keine Stellung.
FRAGE JUNG: Zum Thema Khashoggi: Herr Burger und gegebenenfalls Frau Demmer, die saudische Generalstaatsanwaltschaft hat jetzt festgestellt, dass Mohammed bin Salman überhaupt nichts mit diesem Mord an Herrn Khashoggi zu tun habe, dafür aber fünfzehn andere. Wie bewerten Sie die Stellungnahme der saudischen Staatsanwaltschaft und deren ich nenne es einmal so Ermittlungsergebnis?
BURGER: Unsere Haltung zum Fall Khashoggi ist von Anfang an sehr deutlich und klar gewesen: Der Mord an Jamal Khashoggi muss vollständig und gründlich aufgeklärt werden. Wir haben deutlich gemacht, dass wir diese Tat auf das Schärfste verurteilen, und erwarten, dass die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen werden. Wir haben in diesem Zusammenhang auch der saudi-arabischen Seite klar gemacht, was wir erwarten, nämlich Transparenz. Gestern haben wir gesehen, dass es Entwicklungen gibt. Das war ein erster Schritt. Allerdings sind nach wie vor viele Fragen offen. Die Ermittlungen sowohl der türkischen als auch der saudi-arabischen Seite müssen entsprechend internationaler Standards fortgeführt werden. Wir werden den Fortgang weiter sehr genau beobachten. Klar ist aber: Eine solch schreckliche Tat wie der Mord an Jamal Khashoggi darf nie wieder geschehen.
Im Übrigen noch eine Anmerkung dazu: Unsere Haltung zur Todesstrafe ist eindeutig. Wir lehnen die Todesstrafe unter allen Umständen als eine unmenschliche Art der Bestrafung ab.
ZUSATZFRAGE JUNG: Sie hatten jetzt nichts zu dem Freispruch für Mohammed bin Salman gesagt. Nehmen Sie diese Statements des saudischen Generalstaatsanwalts also ernst, glauben Sie dem das?
Welche offenen Fragen gibt es?
BURGER: Was wir brauchen, sind Klarheit und belastbare Ergebnisse. Insbesondere werde ich jetzt von hier aus nicht den Untersuchungsergebnissen der zuständigen Staatsanwaltschaften sowohl in Saudi-Arabien als auch in der Türkei vorgreifen. Wie gesagt: Eine solche Tat darf nie wieder passieren, und das muss gegebenenfalls auch strukturell sichergestellt
ZUSATZFRAGE JUNG: Aber welche offenen Fragen? Sie hatten gerade von offenen Fragen gesprochen, die es noch gibt. Welche sind das?
BURGER: Ich glaube, es gibt noch sehr viele offene Fragen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ja, welche?
BURGER: Ich glaube, es gibt bisher noch offene Fragen sowohl zum Tathergang als auch zu den Hintergründen der Tat als auch zu der letztendlichen Verantwortung.
FRAGE GEBAUER: Herr Burger, vielleicht auch Frau Demmer, es ist von internationalen Standards bei dem Prozess die Rede. Können Sie das vielleicht noch ein bisschen erläutern?
Die zweite Frage wäre: Ist ein Prozess, der im Geheimen stattfindet Prozesse in Saudi-Arabien sind ja nicht öffentlich und finden im Geheimen statt bzw. es gibt auch gar keine Beweiserhebung in irgendeiner öffentlichen Form , denn eigentlich ein Standard, den Sie dann als „international“ anerkennen würden? Fordern Sie nicht eigentlich den Zugang von internationalen Organisationen oder internationalen Diplomaten, und inwieweit sind Sie darüber im Gespräch mit den europäischen Partnern, die ja in der Vergangenheit auch immer gemeinsam mit Ihnen Erklärungen zu diesem Fall abgegeben haben?
BURGER: Unsere Erwartung ist klar und zielt auf eine lückenlose, transparente Aufklärung und Aufarbeitung unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Prinzipien. Wir stehen kontinuierlich in Kontakt mit unseren europäischen Partnern und anderen internationalen Partnern, sowohl, um gemeinsam die Erkenntnisse in dem Maße, in dem sie ans Tageslicht kommen, gemeinsam zu bewerten, als auch, um uns darüber zu verständigen, welche Schlussfolgerungen wir gemeinsam aus diesen Erkenntnissen ziehen. Das ist ein Prozess, der gerade auch in den letzten Stunden und Tagen sehr intensiv läuft.
ZUSATZFRAGE GEBAUER: Dann vielleicht etwas konkreter gefragt: Heißt das, Sie werden auch dagegen protestieren, dass dieser Prozess, der jetzt sehr bald anfangen wird, wenn ich die Saudis da richtig verstehe, im Geheimen stattfindet? Werden Sie dagegen womöglich auch gemeinsam mit Ihren europäischen Partnern protestieren, oder fordern Sie sozusagen nur verbal „Wir wollen einen transparenten Prozess“?
BURGER: Wie befinden uns, wie gesagt, in diesem Moment in einer sehr engen Abstimmung mit unseren europäischen Partnern darüber, wie wir die Erkenntnisse bewerten, die es bisher gibt, und auch darüber, welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen. Sie können davon ausgehen, dass auch der Außenministerrat der Europäischen Union in Brüssel am kommenden Montag die Gelegenheit bieten wird, das vertieft zu erörtern.
FRAGE JESSEN: Zu den grausamen oder grausigen Details, die bekannt geworden und von der saudischen Seite auch bestätigt worden sind, gehört ja, dass der Leichnam zerstückelt wurde und dann sozusagen wie soll man das nennen? zur Entsorgung an einen örtlichen Kooperationspartner übergeben wurde. Vertragen sich solche Abläufe, die zugegeben worden sind, mit den Kriterien eines rechtsstaatlichen Verfahrens, wenn gleichzeitig die saudische Seite erklärt, der Kronprinz habe nun garantiert nichts damit zu tun, obwohl derjenige, der das als Chef dieses Operationskommandos angeordnet hat, ein guter Bekannter des Kronprinzen ist? Können Sie diese faktischen Dinge zu einem rechtsstaatlichen Verfahren in Bezug setzen?
BURGER: Zur Einordnung dessen, was die saudische Staatsanwaltschaft gestern bekannt gegeben hat, kann ich hier über das hinaus, was ich bisher schon gesagt habe, in diesem Moment und von dieser Stelle aus nichts weiter sagen. Wie gesagt: Aus unserer Sicht sind noch viele Fragen offen.
FRAGE GEBAUER: Herr Burger, es wurde nach dem Fall Khashoggi ja wohl ein sehr enger Kontakt mit den Botschaftern vereinbart. Sind Sie sozusagen auch noch einmal direkt von den Saudis unterrichtet worden bzw. haben Sie Ihren Wunsch nach einen transparenten Verfahren, den Sie eben geäußert haben, möglicherweise über den deutschen Botschafter in Riad auch der saudischen Seite kommuniziert?
BURGER: Wir stehen sowohl über den deutschen Botschafter in Riad als auch über den saudischen Botschafter hier in Berlin in Kontakt mit den saudischen Behörden und haben verschiedene Gelegenheiten genutzt, unseren Wunsch nach transparenter Aufklärung dort auch deutlich zu machen. Wir werden das auch weiterhin tun.
FRAGE BUSCHOW: Ich habe Fragen zu dem Bericht des RedaktionsNetzwerks Deutschland, der den Minister damit zitiert, dass Abschiebungen nach Syrien für Straftäter und Gefährder geprüft werden würden. Frau Petermann, können Sie vielleicht sagen, inwieweit es da eine neue Prüfung gibt? Es gab ja immer wieder Prüfungen. Ist das die gleiche Prüfung? Wird die bis zur Innenministerkonferenz in zwei Wochen abgeschlossen sein, um dann dort möglicherweise einen Beschluss zur künftigen Abschiebepraxis nach Syrien zu fassen?
An das Auswärtige Amt habe ich folgende Frage: Im August hieß es hier, dass man die Mindestbedingungen für Abschiebungen nach Syrien nicht im Geringsten als erfüllt ansieht. Gibt es da eine neue Bewertung des Auswärtigen Amtes, oder wird da auch der Innenministerkonferenz entsprechend ein Lagebericht vorliegen oder ihr zugearbeitet werden?
PETERMANN: Herr Burger, soll ich beginnen? – Die Länder haben den Bund gebeten, zu prüfen, ob die Abschiebungen nach Syrien möglich sein sollen. Bis Dezember 2018 besteht ja die Beschlussfassung, dass dies nicht möglich ist. Es gibt dazu einen Situationsbericht des Auswärtigen Amtes, der geprüft wird. Das war dieser kurze Zuruf, auf den Sie sich jetzt hier beziehen. Die Innenminister werden damit befasst werden und werden sich dazu äußern.
BURGER: Vielleicht ergänze ich das kurz, was diesen Bericht angeht: Der ist am 13. November fertiggestellt und den zuständigen Behörden übersandt worden. Der Bericht ist als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Deswegen kann ich hier über Einzelheiten aus diesem Bericht auch keine Auskunft geben, sondern dieser Bericht wird den in Asyl- und Aufenthaltsfragen zuständigen Behörden und Gerichten zur Verfügung gestellt. Er dient denen als Entscheidungsgrundlage in Asylverfahren – als eine von mehreren möglichen Informationsquellen im Asylverfahren.
FRAGE JUNG: Bei Afghanistan wird das ja immer damit gerechtfertigt, dass es in Afghanistan laut aktuellem Lagebericht teilweise sichere Gebiete gebe, in die die Menschen dann kommen könnten. Jetzt brauchen Sie nicht über Einzelheiten dieses Lageberichts zu Syrien zu reden, aber ist in diesem Lagebericht auch die Rede davon, dass es teilweise sichere Gebiete in Syrien gibt, in die die Menschen abgeschoben werden können?
BURGER: Ich kann, wie gesagt, über die Inhalte dieses Berichts von dieser Stelle aus nicht Auskunft geben. Was wir in diesem Lagebericht getan haben, ist: Wir haben uns bemüht, ein Lagebild zusammenzutragen. Das ist nicht leicht, weil wir keine funktionierende Botschaft in Syrien haben und es auch aufgrund der Sicherheitslage im Land alles andere als einfach ist, an gesicherte Informationen zu kommen.
Welche Schlussfolgerungen aus diesen Sachverhalten, die wir dort darstellen, und den Bewertungen, die wir dort darstellen, für aufenthaltsrechtliche Fragen, asylrechtliche Fragen und rückführungsrechtliche Fragen zu ziehen sind, liegt dann in der Zuständigkeit der Innenbehörden und der Gerichte.
ZUSATZFRAGE JUNG: Dann habe ich eine Frage an das Auswärtige Amt: Kennen Sie sichere Gebiete in Syrien?
BURGER: Ich glaube, wir haben es in Syrien mit einem komplexen, weithin schwierigen und auch volatilen Lagebild zu tun. Das gilt sowohl für die Gebiete unter der Kontrolle des Regimes als auch für die Gebiete, die unter der Kontrolle anderer Kräfte sind.
FRAGE BUSCHOW: Herr Burger, auch wenn Sie nicht die Inhalte zitieren können, haben Sie gerade gesagt, dass es keine Botschaft gebe und dass es schwierig sei, die Informationen zusammenzutragen. Können Sie zumindest sagen, auf welchen Informationen welcher Quellen dieser Bericht dann überhaupt beruht, also wem Sie da hinsichtlich der Sicherheitslage vertrauen können?
Noch einmal allgemeiner gefragt, weil immer von Gefährdern und Straftätern die Rede ist: Die Bundesregierung bemüht sich um politische Gespräche für Frieden und eine möglicherweise irgendwann folgende Versöhnung in Syrien. Konterkariert es nicht die Bemühungen, wenn man jetzt ausgerechnet Straftäter und Gefährder, also die harten Jungs, in dieses Gebiet zurückschickt?
BURGER: Zu Ihrer ersten Frage kann ich eigentlich nur sagen, dass wir natürlich all die Erkenntnisquellen für den Bericht nutzen, die uns vorliegen und zu denen wir Zugang haben. Da gibt es beispielsweise die Organisation der Vereinten Nationen, die teilweise in Syrien tätig ist, und zivilgesellschaftliche Gruppen. Es gibt Medienberichte. Es gibt andere Quellen, auf die wir zurückgreifen können. Es gibt ja auch durchaus noch einige Staaten, die in Syrien diplomatisch vertreten sind, auch europäische Staaten. Es geht, glaube ich, gar nicht anders, als dass man bei der Erstellung eines solchen Berichts auf alle Quellen zurückgreift, die einem zur Verfügung stehen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Ich glaube, da greifen Sie der Diskussion ein bisschen vor. Ich kann bzw. will dieser Diskussion jedenfalls nicht in dieser Form vorgreifen. Das ist eine Diskussion, die auch eine Diskussion der Innenminister ist.
FRAGE JESSEN: Herr Burger, Sie haben erwähnt, dass es doch Quellen gibt, die die Erstellung eines Lageberichts für Syrien offenbar ermöglichen. Kann uns das Hoffnung darauf machen, dass es unter Zuhilfenahme dieser Quellen innerhalb absehbarer Zeit möglich sein wird, auch eine Einschätzung der völkerrechtlichen Bewertung des Angriffs auf Afrin, das ja in Syrien liegt, zu erwarten?
BURGER: Meinen Sie eine Einschätzung, die über das hinausgeht, was wir Ihnen bisher an Einschätzungen mitgeteilt haben? Dazu wage ich jetzt an dieser Stelle, ehrlich gesagt, keine Prognose abzugeben.
Ich will nur noch einmal sagen: Dieser Bericht, den wir vorgelegt haben, ist ganz ausdrücklich nicht als Asyllagebericht bezeichnet worden das ist die Bezeichnung, die hinsichtlich anderer Länder Anwendung findet, wenn wir solche Berichte vorlegen und hinsichtlich der wir eben die üblichen Zugangsmöglichkeiten und den üblichen Informationsstand haben , sondern wir bezeichnen ihn eben als Lagebericht. Das reflektiert die Tatsache, dass die Informationen, die uns vorliegen, und das Lagebild, das uns vorliegt, nicht so gut sind, wie das hinsichtlich anderer Staaten und üblicherweise der Fall ist.
ZUSATZ JESSEN: Die Qualität der Quellen, um das nur zu verstehen, und die Qualität Ihrer Auswertung der Quellen lassen es also zu, einen Lagebericht zu erstellen. Das geht aber nicht so weit, dass Sie sagen können „Die Informationen reichen aus, um eine völkerrechtliche Bewertung der Afrin-Situation vorzunehmen“.
BURGER: Ich glaube, Sie können davon ausgehen, dass wir an den Stellen, an denen die Informationsgrundlage, die uns zur Verfügung steht, nicht befriedigend ist, dies in einem solchen Bericht dann deutlich machen. Aber es geht natürlich darum, in dem Bericht die Informationen zusammenzutragen, die wir haben, und die bestmögliche Grundlage zu liefern, auf der dann Entscheidungen getroffen werden können
FRAGE GIRSCHICK: Meine Frage zum Thema des Kohleausstiegs geht an das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium, möglicherweise auch an das Umweltministerium. Ist die Bundesregierung eventuell bereit, Energiekonzerne für ein schnelleres Abschalten von Kohlekraftwerken zu entschädigen? Wenn ja, mit welchen Summen rechnet man dafür?
EICHLER: Sie spielen auf die Beratungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ an, die gerade heute noch laufen. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass ich dem nicht vorgreifen will.
DR. KLEIN: Dem kann ich mich nur anschließen.
FRAGE HELLER: Ich möchte das Wirtschaftsministerium und vielleicht auch das Auswärtige Amt fragen, ob die Bundesregierung über einen offenbar großen Fall von Industriespionage, der das Unternehmen LANXESS trifft, informiert ist. Die Beschuldigten haben eine Verbindung zu China. Ist die Bundesregierung darüber informiert? Ist sie in dieser Sache möglicherweise tätig geworden? Gibt es Konsultationen mit China über diesen Fall?
EICHLER: Die Presseberichterstattung haben wir zur Kenntnis genommen, aber Näheres dazu kann ich Ihnen nicht sagen.
BURGER: Ich habe hier auch nichts parat. Wenn ich dazu etwas sagen kann, müsste ich Ihnen das gegebenenfalls nachliefern.
FRAGE JUNG: Frau Petermann, zur Abschiebung nach Afghanistan sind am Mittwoch noch ein paar Fragen offengeblieben. Zum einen ging es um die zehn sogenannten Haftfälle. Sie wollten schauen, ob diese Personen ihre Haft hier in Deutschland abgesessen haben oder quasi während ihrer Haft herausgeholt wurden. Zum anderen wollten Sie sich darüber informieren, wer die anderen 32 Personen waren, ob das also Straftäter, Identitätsverweigerer usw. waren.
PETERMANN: Ich habe Ihnen heute das, was ich dazu sagen kann, mitgebracht. Von den zehn Haftfällen kamen sechs Personen aus Strafhaft, eine Person aus Untersuchungshaft und eine Person aus Abschiebehaft. Den Zeitraum, der von der Haft schon vollstreckt war, kennen wir nicht, weil, wie Sie wissen, die Länder abschieben und wir vonseiten der Bundespolizei die Durchführung übernehmen. Aber wir bestimmen nicht, wer unter welchen Umständen abgeschoben wird. Das machen die Länder. Deswegen haben wir darüber auch keine näheren Informationen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Was ist mit den anderen 32?
Habe ich das richtig verstanden? Darunter sind Männer, die eine Haftstrafe über mehrere Jahre bekommen haben und jetzt quasi frühzeitig herausgeholt wurden und in Freiheit in Afghanistan sind?
PETERMANN: Ich habe Ihnen gesagt, dass zehn Haftfälle dabei waren. Andere Informationen dazu habe ich nicht.
ZUSATZFRAGE JUNG: Über die anderen 32?
PETERMANN: Ich habe keine Informationen dazu.
ZUSATZ JUNG: Das wollten Sie noch
PETERMANN: Ja, ich habe keine bekommen.
FRAGE HELLER: Ich möchte das Wirtschaftsministerium fragen. Ihr Ministerium ist in Verbindung mit der Milliardenschadensersatzklage von Vattenfall gegen die Bundesregierung vor einem internationalen Schiedsgericht tätig geworden. Atomausstieg war das Thema.
Warum hat die Bundesregierung die zuständige Kammer des internationalen Schiedsgerichtshofes abgelehnt?
Was heißt das für die Dauer des Verfahrens? Haben Sie eine Schätzung, wann es zu einer Entscheidung kommen kann?
EICHLER: Es trifft zu, dass wir einen Befangenheitsantrag gestellt haben. Näher kann ich das hier nicht kommentieren, weil es sich um einen prozessualen Schritt in einem laufenden Verfahren handelt. Im Übrigen ist dazu auch etwas auf der Webseite des ICSID veröffentlicht worden.
Wir gehen davon aus, dass über den Antrag zügig entschieden wird. Üblicherweise ist dies der Fall.
FRAGE JUNG: Frau Eichler, gegebenenfalls Frau Demmer: Hat sich die Bundesregierung schon auf die direkt Beteiligten am Jemen-Krieg geeinigt?
EICHLER: Meines Wissens gibt es dazu keinen neuen Stand.
SRS’IN DEMMER: Kein neuer Stand.
ZUSATZFRAGE JUNG: Wann können wir damit rechnen?
SRS’IN DEMMER: Wir halten Sie auf dem Laufenden.
PETERMANN: Ich habe noch einen Nachtrag zu der vorangegangenen Regierungspressekonferenz. Es ging um das Programm „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“, um die Plakataktion. Es wurde gefragt, wie viele Personen seit Beginn des Programmes, seit dem 15. September, bereits Interesse daran bekundet hätten.
Dazu kann ich sagen: Bis zum 9. November haben 303 Personen Interesse daran bekundet bzw. Anträge gestellt.