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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 17. Juni 2019

Themen: Personalie, Reform der Grundsteuer, Besetzung von Spitzenämtern in der Europäischen Union, Klimaschutzgesetz/CO2-Bepreisung, Akkreditierung des venezolanischen Schattenbotschafters in Deutschland, deutsche Rüstungsexporte an am Krieg im Jemen beteiligte Staaten, FCAS, Parlamentswahlen in Südossetien, Besuch des ukrainischen Präsidenten in Berlin, Ermordung des Regierungspräsidenten des Regierungspräsidiums Kassel, Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland, Investitionen des Bundes in die Schieneninfrastruktur, JCPOA

Naive Fragen zu:
Koalitionsgipfel im Kanzleramt (ab 2:06)
– Herr Seibert, beim Klimaschutz drängt die Zeit. Was wurde gestern zum Klimaschutz beschlossen? (ab 5:45)
– Also wurde beschlossen, was im September beschlossen werden soll?
– ist die Ministerin, ist das BMU mit dem Zeitplan zufrieden, den Herr Seibert gerade aufgemacht hat?

Waffenexporte (ab 21:23)
– „Waffen im Wert von 800 Millionen Euro an Ägypten und im Wert von 200 Millionen Euro an die VAE“ – Kann es sein, dass Ägypten und die VAE aus Sicht der Bundesregierung einfach keine unmittelbar Beteiligten sind, Herr Seibert? Dann würde das alles ja Sinn ergeben. (ab 25:05)
– Kann uns ein Ministerium sagen, wer die unmittelbar Beteiligten im Jemen-Krieg sind?
– Werden wir jemals erfahren, wer aus Sicht der Bundesregierung die unmittelbar Beteiligten im Jemen-Krieg sind? Ich frage das hier seit anderthalb Jahren, Herr Seibert; das wissen Sie.
– Sie sagten, dass die Antwort mit den unmittelbar Beteiligten unter anderem in Kleinen Anfragen beantwortet worden wäre. Könnten Sie uns die nachreichen? Könnten Sie sagen, wo wir das finden können? (ab 36:07)
– hält sich denn der Bundessicherheitsrat an den Koalitionsvertrag?
– Ich würde gerne wissen, ob es in den letzten zwölf Monaten überhaupt einen Einzelfall gab, in dem negativ entschieden wurde, was das Thema „Jemen-Krieg/Beteiligte/Waffenexporte“ angeht.

Mordfall Lübke (ab 57:11)
– ich hoffe, vielleicht eine politische Einschätzung oder ein Lagebild zum Mord an Regierungspräsidenten Lübcke zu bekommen. Die Generalbundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Es ist stark zu vermuten, dass es einen rechtsextremen Täter gibt.
– Gibt es eine Einschätzung der Kanzlerin und vielleicht auch vom Innenminister zu diesem Fall?
– Wie bewertet die Kanzlerin die rechtsextremen Entwicklungen in Deutschland, Herr Seibert?

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 17. Juni 2019:

VORS. FELDHOFF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

DR. MARX: Heute werde ich das letzte Mal für das Bundesministerium für Bildung und Forschung Rede und Antwort stehen. Es war mir eine große Freude, mit Ihnen, auch mit den Journalistenkolleginnen und kollegen, die sich intensiv mit den Themen unseres Hauses befasst haben, zusammenzuarbeiten und die Zukunftsthemen zu kommunizieren. Ich habe die Zusammenarbeit als sehr fruchtbar wahrgenommen. Das hat mich auch sehr inspiriert. Ich möchte mich deshalb bei Ihnen und auch bei denjenigen, die vielleicht online zuschauen, auch dafür bedanken.

Ich werde mich in Zukunft mit einem der Zukunftsthemen noch intensiver befassen. Ich werde in das Referat gehen, das für die künstliche Intelligenz zuständig ist. Ich glaube, dass man in Zukunft guten und kritischen Journalismus nicht mit künstlicher Intelligenz ersetzen kann. Daher sage ich auf Wiedersehen. Vielleicht wird man sich mittelbar oder unmittelbar noch einmal dazu unterhalten.

VORS. FELDHOFF: Vielen Dank, Frau Marx. Wir wünschen Ihnen viel Glück bei Ihren neuen Aufgaben.

FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert zum Koalitionsausschuss und auch an das Finanzministerium.

Zunächst an das Finanzministerium: Vielleicht können Sie noch ein paar mehr Details zu der Einigung nennen, die es bei der Grundsteuer anscheinend gibt, und uns erklären, wie die Öffnungsklausel für die Länder da genauer aussieht, auf was sie sich genau bezieht.

Herr Seibert, ich hätte ganz gerne gewusst, ob es innerhalb der Koalition auch eine Einigung darüber gab, welche Position die Bundeskanzlerin jetzt beim EU-Gipfel vertreten kann, was die Person des EU-Kommissionspräsidenten angeht.

DR. KALWEY: Ich muss um Ihr Verständnis bitten, dass ich Ihnen jetzt von dieser Stelle leider keine weiteren Details zur Grundsteuer nennen kann. Die Arbeiten an dem Gesetzentwurf laufen auf Hochtouren. Wir werden den Gesetzentwurf in Kürze vorstellen. Dann erfahren Sie auch die weiteren Details.

STS SEIBERT: Das Thema, auf das Sie ansprechen, das Thema der europäischen Spitzenkandidaturen, ist gestern nicht angesprochen worden. Dazu hatten die Bundeskanzlerin und die Spitzen der Koalitionsparteien bereits am Tag nach der Europawahl einmal Kontakt gehabt. Unter den Koalitionspartnern wird es zum gegebenen Zeitpunkt weitere Gespräche darüber geben.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Dann zwei Nachfragen, zunächst an das Finanzministerium: Heißt das, dass die Öffnungsklausel noch gar nicht ausdefiniert ist? Ich dachte, es gibt jetzt eine Grundsatzeinigung.

Herr Seibert, da der Gipfel ja nun am Donnerstag ansteht: Wird die Koalition vorher klären, ob sie nur für das Spitzenkandidatenprinzip ist diese Einigung gab es ja oder ob sich Frau Merkel auch hinter die Person Weber stellen kann?

DR. KALWEY: Ich kann mich da nur wiederholen: Es gibt die Einigung. Aber ich kann Ihnen jetzt an dieser Stelle einfach keine weiteren Details dazu sagen.

STS SEIBERT: Ich muss bei dem bleiben, was ich gesagt habe: Es wird darüber zum gegebenen Zeitpunkt zwischen den Koalitionsspitzen noch einmal Gespräche geben müssen. Klar ist das war ja bereits kurz nach der Europawahl bekräftigt worden : Alle Koalitionspartner stehen zum Spitzenkandidatenprozess.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Ja, aber ich verstehe es einfach nicht. Die Kanzlerin muss ja am Donnerstag mit einer Position auf dem EU-Gipfel auftreten. Heißt also „zum gegebenen Zeitpunkt“, dass vor dem Donnerstag eine Klärung erfolgen muss?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen jetzt hier keinen Gesprächstermin ankündigen. Es geht ja bei dem Europäischen Rat am Donnerstag und Freitag um eine ganze Vielzahl von Themen. Da sind die europäischen Personalfragen keineswegs das Einzige.

FRAGE BRÖSSLER: Herr Seibert, ich versuche es einmal umgekehrt. Da der gegebene Zeitpunkt jetzt noch nicht gekommen ist: Geht die Bundeskanzlerin also nicht davon aus, dass es beim Europäischen Rat zu einer Einigung kommt?

STS SEIBERT: Ich möchte dem Europäischen Rat, der sich im Übrigen mit der strategischen Agenda, mit außenpolitischen Fragen, mit dem großen und wichtigen Thema Klimawandel befasst, jetzt hier nichts vorwegnehmen. Zu der Frage der Einigung innerhalb der Koalition in Sachen Spitzenkandidatur habe ich gesagt, was ich heute sagen kann.

FRAGE JESSEN (zu der Reform der Grundsteuer): Frau Dr. Kalwey, aber dass eine Öffnungsklausel für die Länder Bestandteil des Einigungspakets in Sachen Grundsteuer ist, dementieren Sie nicht?

DR. KALWEY: Ich habe alles zu dem Thema gesagt, was ich dazu zu sagen habe.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Deswegen frage ich ja. Ich habe ein Dementi nicht gehört. Also dementieren Sie es nicht? – Danke schön.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, beim Klimaschutz drängt die Zeit. Was wurde gestern zum Klimaschutz beschlossen?

STS SEIBERT: Es wurde gestern beschlossen Sie wissen, dass die Entscheidungen fallen, nachdem sich das Klimakabinett mit diesen entscheidenden Fragen befasst hat , dass in der zweiten September-Hälfte ein Gesamtkonzept zur Umsetzung der Klimaziele für 2030 vorgelegt werden wird, und zwar ein Gesamtkonzept, das ökonomisch, ökologisch und sozial tragfähig ist. Das ist der Beschluss. Darauf wird ja auch hingearbeitet.

Sie wissen, dass am 12. Juli ein Gutachten vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und von Professor Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung eingehen wird, das sich mit den Fragen der CO2-Bepreisung befasst. Die Bundeskanzlerin war in der vergangenen Woche zu einem Informationsgespräch bei den Forscherinnen und Forschern vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die Regierung wird dann in der zweiten September-Hälfte auf der Grundlage dessen, was im Klimakabinett miteinander beraten worden ist, die entsprechenden Beschlüsse fassen. Das ist gestern noch einmal ganz klargemacht worden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Also wurde beschlossen, was im September beschlossen werden soll?

STS SEIBERT: Es war immer klar, dass der Koalitionsausschuss zu dem Zeitplan steht, den wir uns sinnvollerweise vorgenommen haben. Bei den Entscheidungen, die im September anstehen, geht es um sehr weitreichende, sehr tiefgreifende Entscheidungen. Da ist es sinnvoll, dass wir uns diesen Zeitraum der Befassung nehmen und dass wir das Gutachten zur Kenntnis nehmen, das wir intensiv miteinander diskutieren. Der September ist näher, als Sie jetzt vielleicht denken.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Kübler, ist die Ministerin, ist Ihr Ministerium mit dem Zeitplan zufrieden, den Herr Seibert gerade aufgemacht hat?

KÜBLER: Ja, klingt doch gut. Wir haben immer gesagt, im September würden wir das Thema im Klimakabinett besprechen. Wenn wir dann zu einem konstruktiven Maßnahmenprogramm Richtung Klimaschutzgesetz und zur CO2-Bepreisung etwas verabschieden, dann ist das voll im Zeitplan.

FRAGE KREUTZFELDT: Nun gibt es ja aber in der Koalition Streit über das Klimaschutzgesetz, bei dem das Umweltministerium die Ressortabstimmung einleiten wollte. Das Kanzleramt hat das ausdrücklich untersagt. War das Thema beim Koalitionsausschuss? Wenn nein, warum nicht? Denn das scheint ja ein ernsthafter Koalitionskonflikt zu sein.

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen über den Koalitionsausschuss, der ja auch eine Angelegenheit der Parteispitzen ist, hier nicht mehr sagen als das, was wir hier gesagt haben und was gestern auch veröffentlicht worden ist. Ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt Einigkeit in dieser Koalition, dass wir vor großen, weitreichenden Entscheidungen in der Klimapolitik stehen. Es gibt Einigkeit über den Zeitplan, in dem wir diese Entscheidungen treffen wollen und werden.

KÜBLER: Ich kann mich dem nur anschließen, was Herr Seibert gesagt hat.

FRAGE DR. RINKE: Wenn die Entscheidungen im September fallen: Herr Seibert, könnten Sie vielleicht zu einem Bericht Stellung nehmen, der am Wochenende bekannt wurde, nämlich dass sich die Bundesregierung auf Klimaneutralität 2050 geeinigt hat. Das kann dann ja nicht stimmen, weil die Entscheidung darüber erst im September fallen dürfte.

STS SEIBERT: Es gab Berichterstattung darüber, wenn ich mich richtig erinnere, dass die Bundesregierung das EU-Ziel einer Klimaneutralität bis 2050 unterstützt. Die Bundeskanzlerin hat darüber in der Vergangenheit, in den letzten Wochen mehrfach gesprochen. Wir sind immer offen für multilaterale Lösungen. Wir unterstützen deswegen tatsächlich auch, dass sich der Europäische Rat bei den jetzt anstehenden Beratungen mit dem Langfristziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 nicht nur beschäftigt, sondern dass er sich, wie wir das fordern, auch mit der Frage beschäftigt, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Das Wie ist mindestens so wichtig wie die Entscheidung, dass man es wollen müsste. Zu dieser Entscheidung stehen wir. Wir haben immer gesagt: Es ist wichtig, dass wir einen gemeinsamen Weg beschreiten und beschreiben, wie dieses Ziel erreichbar ist. Die Bundeskanzlerin hat dazu einige Stichworte genannt. Dass das jetzt auf der europäischen Ebene so diskutiert wird, das finden wir nicht nur gut; da sind wir auch dabei.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Aber wenn die Bundesregierung das Ziel der Klimaneutralität 2050 auf europäischer Ebene richtig findet und unterstützt, dann muss doch die Entscheidung auf nationaler Ebene für dieses Ziel ebenfalls gefallen sein.

STS SEIBERT: Auch auf nationaler Ebene gilt das, was wir hier mehrfach gesagt haben: Wir sind für die Erreichung dieses Ziels. Wir müssen uns aber gemeinsam einigen, wie wir es erreichen. Wir müssen die Maßnahmen beschreiben können, mit denen das zu schaffen ist. Das ist insofern auch etwas, das natürlich mit im Raum steht, wenn wir die großen klimapolitischen Entscheidungen im September treffen.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, jetzt laufen die nationale und die internationale Zielebene in der Diskussion parallel. Aber die internationale Zielebene kann ja die Bundesregierung gar nicht bestimmen. Bedeutet das Zielszenario, also Entscheidung im September, dass aber auf jeden Fall beschlossen werden soll, dass für den Emissionsbereich Deutschland eine Neutralität erreicht wird, oder bedeutet das etwas anderes? Denn der Bezug auf die internationale Ebene liegt ja, wie gesagt, außerhalb der deutschen Entscheidungsmöglichkeiten.

STS SEIBERT: Zunächst einmal ist es doch gerade im Bereich der Klimapolitik gut, wenn wir nicht nur national, sondern wenn wir auch im Verbund mit anderen handeln und wenn wir im europäischen Verbund handeln.

Zweitens. Wir sind ein europäischer Mitgliedstaat. Als solcher haben wir natürlich mit Einfluss auf die Ziele, die sich die Europäische Union setzt, und die Diskussionen, die sie führt. In dem Sinne kann ich für die Bundesregierung nur begrüßen, dass sich der Europäische Rat schon jetzt bei diesen Vorfeldberatungen zum nächsten Treffen am 20. Juni mit dem Thema der Treibhausgasneutralität bis 2050 auseinandersetzt und dass wir gemeinsam in Europa darüber nachdenken und diskutieren, wie wir das auch ganz konkret, ganz praktisch erreichen können.

KÜBLER: Ich würde dazu gerne noch ergänzen. Herr Jessen, Sie haben es richtig angesprochen: Nationale und internationale Verhandlungen laufen parallel.

Um auch das noch einmal zu sortieren: Im Klimaschutzkabinett geht es vor allen Dingen um die Erreichung des Ziels 2030 als ein Zwischenschritt, um das Ziel 2050 zu erreichen. Welcher Art dieses Ziel dann sein wird, hat die Kanzlerin beim Petersberger Klimadialog sehr deutlich gemacht. Wie Herr Seibert es eben sagte: Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie, also wie die Treibhausgasneutralität 2050 zu erreichen ist.

Im Klimaschutzkabinett selbst konzentrieren wir uns auf den ersten Zwischenschritt, Maßnahmen zu verabschieden, wie das Ziel 2030 einer Reduzierung von 55 Prozent Treibhausgase als nationales deutsches Ziel zu erreichen ist.

Im Internationalen kümmern wir uns jetzt darum, dass sich die EU-Langfriststrategie das Ziel vornimmt, die Treibhausgasneutralität 2050 zu erreichen. Wir vom Umweltministerium sind sehr froh, dass sich jetzt die Bundesregierung dazu entschlossen hat das sah ja bis März noch anders aus, unsere Position in Brüssel und dass wir uns in den Verhandlungen des Europäischen Rates für die Treibhausgasneutralität 2050 aussprechen werden.

FRAGE KREUTZFELDT: Da muss ich nachfragen; denn in Petersberg war die Situation nach meiner Erinnerung gerade anders, als Herr Seibert und Herr Kübler es jetzt gesagt haben. Dort hat die Bundeskanzlerin nicht gesagt: „Das Ob steht fest, und wir müssen noch über das Wie reden“, sondern sie hat gesagt: Bevor wir entscheiden, ob wir uns für das Ob entscheiden, müssen wir das Wie geklärt haben. – Jetzt klingt es genau umgekehrt, dass Sie sagen: Wir legen jetzt fest: „Ja wir sind dabei“, und müssen jetzt deswegen darüber nachdenken, wie wir das machen. – Das wäre ja eine Veränderung der Position. Deswegen zur Sicherheit nachgefragt: Es steht fest, dass wir das wollen, und wir müssen jetzt noch darüber nachdenken, wie? Das wäre etwas anderes als vorher. Deswegen wollte ich noch einmal sichergehen.

STS SEIBERT: Ich reiche gern den Wortlaut der Rede der Bundeskanzlerin beim Petersberger Dialog nach, weil ich schon dachte, dass wir darauf kommen würden. Sie sagte damals bei der Rede ging es um das Ziel der Klimaneutralität 2050 :

„Die Diskussion soll sich nicht darum drehen, ob wir es erreichen können, sondern darum, wie wir es erreichen können. Wenn wir darauf eine vernünftige Antwort finden, dann können wir uns der Initiative der neun Mitgliedstaaten der Europäischen Union anschließen. Ich würde mir wünschen, dass wir das können.“

Das ist doch sowohl national wie in Europa die Aufgabe, vor der wir stehen, also gemeinsam den Weg mit konkreten Maßnahmen und innovativen Ideen zu beschreiben und zu beschreiten. Ich sehe da gar keinen Widerspruch. Auch die Europäische Union hat ja das zeigen die Vorberatungen zum Europäischen Rat dieser Woche genau die Frage, wie man das denn schaffen kann, in den Mittelpunkt ihrer Beratungen gestellt, und so muss es sein.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Aber Sie stimmen doch zu, dass das, was Sie gerade vorgelesen haben Gerade der zweite Satz sagte: Wenn wir eine Antwort darauf gefunden haben, können wir uns dieser Initiative anschließen. – Jetzt schließen wir uns dieser Initiative an und wollen die Antwort dann gemeinsam suchen. Das ist doch etwas anderes, oder?

STS SEIBERT: Ich habe doch gesagt: Deutschland hat sich in den gerade laufenden Beratungen zum Europäischen Rat, der Ende dieser Woche stattfinden wird, zum langfristigen Ziel der Treibhausgasneutralität geäußert. Deutschland hat gefordert, dass noch in diesem Jahr geklärt werden muss, wie dieses Ziel bis 2050 erreicht werden kann. Wir begrüßen es, dass sich der Europäische Rat damit beschäftigt, wie wir Treibhausgasneutralität bis 2050 erreichen. Wir werden uns da sehr aktiv einbringen.

FRAGE DR. RINKE: Auch ich möchte noch an diesem Punkt anknüpfen. – In dem Entwurf für die strategische Agenda, die für die EU gesetzt wird, taucht die Jahreszahl 2050 gerade nicht auf. Verstehe ich das jetzt so, dass die Bundesregierung dafür ist, dass man sich dieses Ziel setzt das ist ja das, worüber der EU-Rat dann am Donnerstag oder Freitag bestimmt , oder geht es hier um ein weiteres Dokument, das angefertigt wird und in dem irgendwo die Zahl 2050 als Zieldatum steht?

STS SEIBERT: Vielleicht verstehen wir uns falsch; vielleicht verstehe ich irgendetwas falsch. Meiner Meinung nach muss nun in Deutschland genau das Gleiche geleistet werden wie auf der europäischen Ebene. Beide Diskussionen können einander ja auch irgendwie bereichern und befruchten.

Die Kanzlerin hat ganz klar zum Ausdruck gebracht: Wir wollen eine Diskussion führen, wie wir es schaffen können, dass unser Land und auch Europa bis 2050 klimaneutral, treibhausgasneutral sind. – Diese Diskussion führen wir in Deutschland. Diese Diskussion müssen wir da nehmen wir die Initiative der acht oder, ich glaube, neun europäischen Mitgliedstaaten gerne auf auf europäischer Ebene führen.

ZUSATZFRAGE DR.RINKE: Der Unterschied eben ist schon darauf hingewiesen worden ist doch die Abfolge. Gibt es ein Committment, dass man das Ziel setzt und sich dann überlegt egal ob auf nationaler oder europäischer Ebene , wie man es erreichen will, oder wartet man so lange, bis man weiß, wie man es erreichen will, und sagt: „Dann committen wir uns“? Wenn die Bundesregierung jetzt bei dem EU-Gipfel in Brüssel für das Datum 2050 sein sollte, ist das etwas anderes als das, was die Kanzlerin in der von Ihnen zitierten Rede als Verfahren vorgestellt hat.

STS SEIBERT: Gut. – Ich sehe den Unterschied nicht, weil ich glaubte, dass ich es eigentlich gerade klar gesagt habe. Ich kann es gerne noch einmal sagen; das bitte ich dann sozusagen auch entgegenzunehmen. Die Kanzlerin hat klar zum Ausdruck gebracht: Wir wollen eine Diskussion darüber führen, wie wir in Deutschland das gilt auch für Europa bis 2050 klimaneutral sein können. – Entsprechend dieser Linie haben wir uns in den Beratungen in Brüssel im Vorfeld des Europäischen Rates engagiert. Wir haben uns zum langfristigen Ziel der Treibhausgasneutralität entlang dieser Linie geäußert und gefordert, dass noch in diesem Jahr, 2019, geklärt werden muss, wie der Weg zur Treibhausgasneutralität bis 2050 erreicht werden kann. Deswegen begrüßen wir es, dass sich der Europäische Rat damit beschäftigt, wie wir Treibhausgasneutralität bis 2050 erreichen.

FRAGE WARWEG: Der vom selbst ernannten Präsidenten Venezuelas, Juan Guaidó, ernannte Pseudobotschafter Otto Gebauer ist hier in Deutschland, wurde aber bisher vonseiten der Bundesregierung noch nicht offiziell akkreditiert. Von der Bundesregierung wurde auch ziemlich deutlich gesagt, dass das auch nicht geplant ist. Jetzt tritt Herr Gebauer nichtsdestotrotz in Deutschland auf und verteilt Visitenkarten, auf denen er als Botschafter Venezuelas agiert. Er hat Social-Media-Konten, in denen er als Botschafter und Chef des diplomatischen Dienstes der Bolivarischen Republik Venezuela in der Bundesrepublik Deutschland genannt wird. Er bietet auch konsularische Dienste an. Das ist ein heftiger Bruch unter anderem mit dem Wiener Abkommen. Mich würde interessieren: Wie bewertet das Auswärtige Amt dieses Vorgehen, diese Art der Amtsanmaßung, und welche Schritte sind möglicherweise geplant?

ADEBAHR: Haben Sie jetzt noch im Internet gefunden, dass Herr Gebauer diese Sachen fordert?

ZUSATZ WARWEG: Ja, die sind nach wie vor online.

ADEBAHR: Wir sind mit Herrn Gebauer im Kontakt. Unsere grundsätzliche Haltung hat sich nicht verändert. Über den Inhalt von vertraulichen Gesprächen kann ich hier nicht berichten.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber ich hatte Sie ja gefragt, wie Sie diese Art der Amtsanmaßung bewerten.

ADEBAHR: Das beantwortet sich damit, dass sich unsere grundsätzliche Haltung nicht verändert hat.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Das, was ich gerade geschildert habe, erfüllt ja vollumfänglich den Straftatbestand der Anmaßung, geregelt in § 132 des Strafgesetzbuches. Da würde mich vom Bundesinnenministerium interessieren so etwas ist ja auch nach nationaler Gesetzgebung strafbar : Hat das Bundesinnenministerium den Fall im Auge, und wie wird sonst bei ähnlichen Vorgehen agiert, also bei der Amtsanmaßung eines Botschafterpostens, den man de facto nicht hat, ohne jeglichen diplomatischen Status?

KUSHNEROVICH: Einen vergleichbaren Fall hat es in der Vergangenheit meines Wissens nicht gegeben. Ich habe jetzt auch keine Informationen dazu, wie im aktuellen Fall verfahren wird und ob hier Schritte eingeleitet wurden. Aber das kann ich gerne nachreichen.

ZUSATZ WARWEG: Ich würde darum bitten. Danke.

FRAGE REMME: Herr Seibert, ich habe eine Frage zur Rüstungsexportpolitik und zum Jemen-Passus im Koalitionsvertrag. Wir lernen, dass die Bundesregierung in den ersten Monaten des Jahres 2019 Rüstungslieferungen im Wert von mehr als 1 Milliarde Euro an Staaten der Jemen-Allianz getätigt hat. Wie passt das zusammen?

STS SEIBERT: Zunächst einmal: Alle Entscheidungen, die die Bundesregierung in dem Bereich der Rüstungsexportpolitik trifft, trifft sie sowohl mit Blick auf den Koalitionsvertrag als auch mit Blick auf unsere bündnispolitischen Verpflichtungen. Ich denke, Sie kennen die Klausel im Koalitionsvertrag, auf die Sie anspielen. Mit Blick auf diese Klausel betreibt die Bundesregierung eine sehr restriktive Exportpolitik gegenüber den infrage kommenden Staaten.

ZUSATZFRAGE REMME: Aber die Klausel ist ja unmissverständlich. Da steht: Wir werden ab sofort keine Genehmigungen für Mitglieder dieser Allianz mehr erteilen. – Das steht offensichtlich in krassem Widerspruch zu dem tatsächlichen Geschehen, oder ich verstehe etwas nicht.

STS SEIBERT:

„Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben. Wir wollen diese restriktive Exportpolitik mit Blick auf den Jemen auch mit unseren Partnern im Bereich der europäischen Gemeinschaftsprojekte verabreden.“

Das ist der Wortlaut der Klausel im Koalitionsvertrag. Wie ich gesagt habe: Die Bundesregierung fällt alle Entscheidungen sowohl mit Blick auf diesen Koalitionsvertrag als auch mit Blick das ist ja darin angesprochen auf bündnispolitische Verpflichtungen, die wir haben. Auch die Fähigkeit, mit unseren engsten europäischen Partnern gemeinsam Rüstungsprojekte durchzuführen, liegt im Interesse unseres Landes.

ZUSATZFRAGE REMME: Den zweiten und dritten Satz können wir ja vergessen, weil er sich auf bereits genehmigte Lieferungen bezieht. Mir geht es um neue Lieferungen. Was den ersten Satz angeht, kann es dann nur noch an dem Wörtchen „unmittelbar“ liegen. Dann wäre meine Frage, entweder an das Wirtschafts- oder an das Außenministerium, wie Sie unterscheiden, ob jemand unmittelbar oder weniger unmittelbar in dieser Allianz, am Krieg im Jemen beteiligt ist.

EINHORN: Das Wirtschaftsministerium kann zu der außen- und sicherheitspolitischen Bewertung jetzt in diesem Fall nichts beitragen.

ADEBAHR: Ich glaube, wir haben die Frage, wie wir das sehen, hier oft diskutiert. Es gibt auch verschiedene Kleine Anfragen, in denen man die Position der Bundesregierung nachlesen kann. Ich würde Sie darauf verweisen, kann dies aber auch nachreichen.

FRAGE BRÖSSLER: Herr Seibert, was heißt das denn, wenn beides im Blick ist, sowohl die Formulierung im Koalitionsvertrag als auch die bündnispolitischen Verpflichtungen? Sticht dann das eine das andere? Muss man die Formulierung im Koalitionsvertrag ein bisschen relativiert sehen, weil es übergeordnete bündnispolitische Verpflichtungen gibt, oder ist es genau umgekehrt?

STS SEIBERT: Wenn man bei einer Entscheidung, so wie die Bundesregierung bei diesen Entscheidungen, beides im Blick hat, dann sticht eben nie das eine das andere, sondern man bringt die Dinge miteinander in den notwendigen und oft schwierigen Ausgleich oder in Balance. Auch die Bundeskanzlerin hat mehrfach darauf hingewiesen. Wir verfolgen und stehen als Bundesregierung dazu eine weiterhin restriktive, verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik. Gleichzeitig müssen wir gegenüber unseren engsten europäischen Partnern auch Verlässlichkeit an den Tag legen.

FRAGE JUNG: In der Antwort auf die Frage von Herrn Nouripour heißt es: Waffen im Wert von 800 Millionen Euro an Ägypten und im Wert von 200 Millionen Euro an die VAE. – Kann es sein, dass Ägypten und die VAE aus Sicht der Bundesregierung einfach keine unmittelbar Beteiligten sind, Herr Seibert? Dann würde das alles ja Sinn ergeben.

STS SEIBERT: Ich kann zu der Antwort des, glaube ich, Bundeswirtschaftsministeriums an Herrn Nouripour nicht weiter Stellung nehmen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Kann uns ein Ministerium sagen, wer die unmittelbar Beteiligten im Jemen-Krieg sind?

EINHORN: Frau Adebahr hat sich gerade dazu geäußert. Die Frage wurde gerade schon beantwortet.

ZUSATZ JUNG: Nein.

EINHORN: Sie wurde anscheinend so beantwortet, wie das heute möglich ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Werden wir das jemals von Ihnen erfahren?

STS SEIBERT: Was war das jetzt?

ZUSATZFRAGE JUNG: Werden wir jemals erfahren, wer aus Sicht der Bundesregierung die unmittelbar Beteiligten im Jemen-Krieg sind? Ich frage das hier seit anderthalb Jahren, Herr Seibert; das wissen Sie.

ADEBAHR: Wir haben dazu in Anfragen Stellung genommen. Wir haben die Position hier oft diskutiert. Ich glaube, wir müssen das, was wir schon diskutiert haben, nicht wiederholen.

ZUSATZ JUNG: Wenn Sie nie eine Antwort geben, dann ist es doch logisch, dass wir hier immer wieder nachfragen.

ADEBAHR: Das ist ja unsere Antwort. Unsere Antwort ist ja eine Antwort.

VORS. FELDHOFF: Herr Jung, ich verstehe, dass die Antwort möglicherweise nicht befriedigend ist. Sie müssen sie dann leider so hinnehmen und eben entsprechend bewerten.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, ein Kriterium für ein Rüstungsexportverbot war ja der Mord an Kashoggi, speziell was Saudi-Arabien betrifft. Darf man jetzt davon ausgehen, dass Saudi-Arabien in dieser Sache aufgeklärt hat, weil Sie jetzt wieder Waffen an Saudi-Arabien verkaufen?

ADEBAHR: Was diesen Fall betrifft, hat sich auch keine Änderung der Lage ergeben, seit wir hier das letzte Mal darüber gesprochen haben.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Das heißt, Sie erwarten weiterhin eine Aufklärung seitens Riads?

ADEBAHR: Ich kann mich an mein genaues Wording vom letzten Mal nicht genau erinnern. Wir sind weiterhin dafür, dass die Verantwortlichen für diesen Mordfall geklärt werden und dass es dort eine Aufklärung gibt. Das passiert in der Türkei, und das passiert nach wie vor in Riad, wenn ich richtig informiert bin.

FRAGE: Hier sind ja schon Fragen von Kollegen in Bezug auf die jüngsten Genehmigungen gestellt worden, also Waffenlieferungen an kriegsbeteiligte Länder. Die Frage ist: Wie definieren Sie den restriktiven Umgang mit Waffenlieferungsgenehmigungen seitens der Bundesregierung?

EINHORN: Das kann ich gerne noch einmal ausführen. Das heißt, dass wir über Genehmigungen immer im Einzelfall entscheiden, immer im Lichte der aktuellen Situation, dass außen- und sicherheitspolitische Erwägungen eine zentrale Rolle spielen. Auch Menschenrechtsentwicklungen in dem entsprechenden Land spielen eine große Rolle.

ZUSATZFRAGE: Es heißt ja, man sollte deeskalierend handeln. In letzter Zeit haben sich Politiker in Deutschland oft beunruhigt über die Lage im Nahen Osten geäußert. Sind die Genehmigungen, die gerade bekannt geworden sind, deeskalierend oder eskalierend? Wie können Sie das definieren? Die Antwort kann gerne auch von Herrn Seibert kommen.

EINHORN: Ich kann dazu sagen: Wir können uns zu Einzelfallentscheidungen generell nicht äußern. Das gilt jetzt auch für diese genehmigten Exporte. Deshalb kann ich da jetzt keine Bewertung des Einzelfalls vornehmen.

ZUSATZFRAGE: Wie sieht die Bundesregierung die Haltung Irans in Bezug auf seine eigene Verteidigungslinie, wenn der Iran im Sinne der Verteidigung des Landes Anstrengungen unternimmt? Hat die Bundesregierung Verständnis dafür, oder gibt es gegenteilige Stellungnahmen?

STS SEIBERT: Ehrlich gesagt, weiß ich jetzt nicht genau, worauf Sie anspielen. Ein jedes Land hat natürlich das Recht zur Selbstverteidigung. Wir haben hier häufig kritisch über die Außenpolitik des Iran gesprochen, weil wir weder in Syrien noch im Libanon noch im Jemen Selbstverteidigungsinteressen des Iran entdecken können.

FRAGE JESSEN: Frau Adebahr, ich versuche es mit einem logischen Zugang. Es versteht sich von selbst, dass Entscheidungen, die sich am Kriterium der unmittelbaren Beteiligung orientieren, rational nur getroffen werden können, wenn der Bundesregierung klar ist, welches die unmittelbar Beteiligten sind. Sonst könnten Sie eine solche Entscheidung nicht fällen. Ihnen ist das also klar. Das muss seit Längerem so sein, weil Sie seit Längerem solche Entscheidungen treffen.

Warum, und das ist die unbeantwortete Frage, weigert sich die Bundesregierung, das, was ihr klar ist, uns mitzuteilen? Sie verweigern damit einen öffentlichen Diskurs über die Kriterien. Das trägt nicht zur Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit von politischen Entscheidungen bei. Die Frage ist nur: Warum weigert sich die Bundesregierung, das, was ihr klar ist, auch öffentlich klarzumachen?

ADEBAHR: Das ist ja mehr ein Statement als eine Frage.

ZUSATZ JESSEN: Nein, das ist eine Frage. „Warum“ ist eine klassische Frageform.

ADEBAHR: Ja. Die Bundesregierung hat nach verschiedentlichen Nachfragen aus dem Parlament gesagt, wie sie die Passage im Koalitionsvertrag sieht und was sie denkt, und das ist auch öffentlich zugänglich. Wir haben hier darüber gesprochen. Darüber hinausgehend das liegt in dem, was Herr Seibert sagte ist jeder Fall ein Einzelfall, der in den zuständigen Gremien als Einzelfall unter Abwägung der links und rechts liegenden Gesichtspunkte betrachtet wird.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Wem außerhalb der Bundesregierung ist klar, wen die Bundesregierung als unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligte Nation ansieht, an die keine Waffenexporte genehmigt werden dürfen? Wem ist das außerhalb der Bundesregierung klar? Zumindest der Öffentlichkeit, wie sie hier vertreten ist, ist es nicht klar, weil Sie die Antwort verweigern. Warum?

ADEBAHR: Ich habe geantwortet. Ich glaube, das ist noch einmal die gleiche Frage. Auf die erste habe ich geantwortet.

FRAGE BUSCHOW: Die Diskrepanz zwischen der Betonung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik und den Zahlen, wie sie auch jetzt am Wochenende bekannt geworden sind, die hier offensichtlich klafft, ist, dass da doch viele Lieferungen oder Genehmigungen passieren. Können Sie, um vielleicht einmal das komplette Bild der Genehmigungspraxis zu erhalten, einmal sagen, was Sie nicht genehmigt haben? In wie vielen Fällen wurden also Lieferungen an Saudi-Arabien und an die Vereinigten Arabischen Emirate in diesem Jahr abgelehnt? Was ist die Zahl der Fälle oder das Finanzvolumen?

STS SEIBERT: Nein, das können wir natürlich nicht sagen. Sie wissen, dass die Sitzungen des Bundessicherheitsrats und auch seine Tagesordnung und seine Entscheidungen geheim sind. Es gibt eine Information über eine vollzogene Genehmigung über das Bundeswirtschaftsministerium an den Bundestag. Alles Weitere und insbesondere auch die Zahl der nicht genehmigten Rüstungsexportanfragen kann hier ich glaube, aus nachvollziehbaren außenpolitischen Interessen nicht beantwortet werden. Es steht uns auch gar nicht zu, darüber zu sprechen.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Dann würde ich aber tatsächlich nachfragen, weil es für mich nicht nachvollziehbar ist. Es geht ja nicht darum, Ross und Reiter oder die Zahl der Panzer zu nennen, sondern darum, vielleicht tatsächlich einmal zu sagen „In fünf Fällen haben wir gesagt, dass wir aus nachvollziehbaren Gründen keine Kriegswaffenlieferungen in diese Region genehmigen wollen“. Warum wird über diese Fälle also nicht geredet?

STS SEIBERT: Die einfachste Antwort, aber ehrlich gesagt zählt sie auch, ist, dass die Sitzungen des Bundessicherheitsrats und seine Entscheidungen inklusive seiner Tagesordnung geheim sind. Ich kann mich hier darüber sicherlich nicht hinwegsetzen.

FRAGE WARWEG: Der iranische Kollege hat ja vorhin noch einmal nach der Definition von „restriktiv“ gefragt. Daraufhin kam von Frau Einhorn vom Bundeswirtschaftsministerium auch der Verweis auf Entwicklungen im Menschenrechtsbereich. Es klingt zumindest für mich so, dass das heißt, dass, wenn es positive Entwicklungen gibt, auch exportiert wird. Können Sie einmal für die zumindest hier nicht, aber allgemein als solche wahrgenommenen Protagonisten des Jemen-Krieges, die Emirate und Saudi-Arabien, darlegen, wo es aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums positive Entwicklungen der Menschenrechtslage gab, die zu entsprechenden Exporten führen konnten?

EINHORN: Die Tagungen des Bundessicherheitsrats sind, wie gesagt, geheim. Wir informieren dann, wenn etwas genehmigt wurde, darüber, dass es genehmigt wurde, und darüber, in welchem Umfang. Aber zu Einzelfällen und den Beweggründen, die dahinterstehen, kann ich mich nicht äußern. Aber Fakt ist: Außen- und sicherheitspolitische Betrachtungen werden angestellt, und auch die Menschenrechtslage wird beachtet.

FRAGE JUNG: Frau Adebahr, Sie sagten, dass die Antwort mit den unmittelbar Beteiligten unter anderem in Kleinen Anfragen beantwortet worden wäre. Könnten Sie uns die nachreichen? Könnten Sie sagen, wo wir das finden können?

Herr Seibert, hält sich denn der Bundessicherheitsrat an den Koalitionsvertrag?

STS SEIBERT: Ich kehre zu meiner ersten Antwort zurück: Bei allen Entscheidungen, die die Bundesregierung in Sachen Rüstungsexporte trifft, und sie trifft sie natürlich auch im Bundessicherheitsrat, hat sie beides im Blick – den Koalitionsvertrag und unsere bündnispolitischen Verpflichtungen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage war, ob sich der Bundessicherheitsrat jetzt daran hält oder nicht.

Sie wollten ja zu Einzelfällen nichts sagen. Ich würde gerne wissen, ob es in den letzten zwölf Monaten überhaupt einen Einzelfall gab, in dem negativ entschieden wurde, was das Thema „Jemen-Krieg/Beteiligte/Waffenexporte“ angeht.

STS SEIBERT: Ich habe dazu nichts weiter zu sagen.

ZUSATZ JUNG: Aber wenn Sie sagen, es werde im Einzelfall entschieden und Sie wollten über bestimmte Einzelfälle nicht reden, dann müssten Sie uns doch zumindest signalisieren oder sagen können, ob es einen Einzelfall gab, in dem diese restriktive Politik angewendet wurde.

STS SEIBERT: Natürlich! Wenn man jeden Antrag genehmigte, könnte man kaum von einer restriktiven Politik sprechen.

ZUSATZ JUNG: Aber weil Sie uns ja nichts sagen, ist ja selbst das eine naheliegende Vermutung!

STS SEIBERT: Ich finde nicht, dass das naheliegend war, aber jetzt haben wir die Antwort.

ZUSATZFRAGE JUNG: Bekommen wir die Antwort, Frau Adebahr?

ADEBAHR: Wir suchen das heraus.

FRAGE REMME: Herr Seibert, wenn es „natürlich“ so ist, dass Sie keine weiteren Details hinsichtlich dieser Lieferungen nennen können, dann frage ich mich, Frau Einhorn, warum es das Wirtschaftsministerium im Fall von Saudi-Arabien und geschützten Geländewagen tut, die eindeutig und explizit angegeben worden sind, was ich begrüße.

EINHORN: Das war, wie gesagt, eine Antwort auf eine Anfrage aus dem parlamentarischen Raum. Die haben wir so beantwortet, wie wir es gerne tun und wie wir auch dazu verpflichtet sind. Die Antwort liegt Ihnen ja vor. Insofern gibt es daran ja jetzt nichts zu beanstanden.

ZUSATZFRAGE REMME: Nein. Ich frage nur nach den Regeln. In einem Fall nennen Sie Details, und in anderen Fällen nennen Sie keine. Das ist für mich ein Widerspruch.

EINHORN: Wir nennen ja auch in den Rüstungsexportberichten Bereiche, aus denen die exportierten Güter stammen. Das reicht Sie sagten es gerade von gepanzerten Autos bis zu Kriegswaffen. Insofern gibt es da viele Güterkategorien, und das weisen wir auch in den Rüstungsexportberichten aus.

STS SEIBERT: Es gibt im Übrigen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2014 vielleicht wollen Sie sich das auch noch einmal anschauen , in dem die Auskunftspflicht der Bundesregierung für diesen Bereich des Regierungshandelns über abschließende positive Genehmigungsentscheidungen sowie über die Eckdaten genehmigter Ausfuhrvorhaben auf die Unterrichtung des Parlaments beschränkt wird.

FRAGE PRÖSSL: Das ist eine Frage an Frau Einhorn bzw. an Herrn Fähnrich. Es geht um FCAS, Le Bourget, die heutige Unterzeichnung. Auch da, im Bereich der Rüstungsexporte, hat es in den vergangenen Monaten Unstimmigkeiten zwischen Frankreich und Deutschland gegeben. Hat es eine neue Positionierung gegeben? Ist das in dem, was heute unterschrieben worden ist, irgendwie fixiert worden, deutsche oder französische Positionen zu Rüstungsexporten, also, wohin man FCAS irgendwann einmal exportieren könnte oder eben nicht?

FÄHNRICH: Ich kann gerne anfangen. Sie wissen: FCAS, das sind die Kampfflugzeuge der neuen Generation ab 2040, die heute bei der Paris Air Show zu sehen sind. Es wurden dort entsprechende Dokumente unterzeichnet. Die Ministerin ist vor Ort. Da laufen auch entsprechende Statements und Fragen dazu. Da würden wir vielleicht noch einmal die eine oder andere Stunde abwarten und warten, ob vielleicht auch Fragen dazu aufkommen.

Generell sind wir jetzt an dem Meilenstein angekommen, dass wir, sage ich einmal, Erforschungs- und Entwicklungsstudien anstreben und diese damit auch unterschrieben haben und dass sich die beiden Länder diesem gemeinsamen Projekt weiter nähern und weiter vorangehen. Der Bundestag hat Finanzmittel dafür zur Verfügung gestellt.

Was ihre Frage zum Export betrifft, war das und wird das nicht in diesen Dokumenten ein Thema sein. Aber dazu, wie es weitergehen wird, hat auch Regierungssprecher Seibert schon vor einigen Wochen die entsprechende Äußerung getätigt, dass wir uns natürlich im Rahmen Europas beiden Seiten annähern müssen und eine entsprechende dahingehende Politik entwickeln.

ZUSATZFRAGE PRÖSSL: Dafür sind ja jetzt auch schon Mittel bereitgestellt worden. Heißt das, die Bundesregierung verfolgt den Kurs, dass man das Projekt verfolgt, obwohl ein besonders kritischer Punkt mit Frankreich noch überhaupt nicht geklärt ist?

FÄHNRICH: Wir müssen ja zumindest die ersten Puzzleteile aneinanderreihen. Wir können und müssen darauf reagieren, dass unsere Systeme in die Jahre gekommen sind und dass wir entsprechend neue Anstrengungen unternehmen müssen. Wir sind auch übereingekommen, dass es sinnvoll und richtig ist, dass in Europa die Systeme gemeinsam entwickelt werden, anstatt dass es jeder für sich alleine macht. Das ist der erste Schritt, der schon seit Jahren mit Frankreich vorangetrieben wird.

ZUSATZFRAGE PRÖSSL: Gibt es da noch eine Ergänzung? Welche Rolle spielt denn das Wirtschaftsministerium dabei?

EINHORN: Für Gemeinschaftsprojekte es handelt sich ja hierbei um ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt ist das Verteidigungsministerium zuständig. Insofern kann ich mich der ausführlichen Antwort des Kollegen anschließen.

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt zum Thema Georgien. Vor zwei Wochen fanden in Südossetien sogenannte Parlamentswahlen statt. Einige Staaten haben das schon verurteilt, darunter die USA und baltische Staaten. Die Europäische Kommission hat das auch als nicht legitim bezeichnet. Was ist die Haltung der Bundesregierung dazu?

ADEBAHR: Wir finden die Haltung der Europäischen Union sehr richtig und nachvollziehbar. Sofern ich Ihnen noch etwas nachliefern kann, würde ich das tun.

FRAGE FIRSOVA: Ich habe drei Fragen an Herrn Seibert zur Ukraine: Welche konkreten Fragen werden die Frau Bundeskanzlerin und Herr Selensky morgen besprechen? Welche Voraussetzungen müssen nach Meinung der Bundesregierung erfüllt werden, damit es sinnvoll wäre, überhaupt einen Gipfel im Normandie-Format durchzuführen?

STS SEIBERT: Wie Sie wissen, wird das morgen ja die erste persönliche Begegnung der Bundeskanzlerin mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Selensky sein. Sie wird sicherlich von ihm hören wollen, wie er seine Präsidentschaft anlegt, wie er innenpolitisch agieren will, wie er zu den Reformen der letzten Jahre steht, wie er sie fortführen will. Dann gibt es das große Thema Minsk, die immer noch himmelschreiende Situation im Osten der Ukraine, wo nahezu jeden Tag auch ukrainische Soldaten getötet werden. Wie können wir da vorankommen? Wie können wir diesen Prozess entsprechend dem, was wir einmal in Minsk miteinander vereinbart haben, lösen? – Das werden die wesentlichen Themen sein. Ich will hier nichts Weiteres vorwegnehmen.

ZUSATZFRAGE FIRSOVA: Aber was denkt die Bundesregierung? Ist es überhaupt sinnvoll, einen Gipfel im Normandie-Format durchzuführen, ohne dass das Minsker Abkommen erfüllt ist?

STS SEIBERT: Ich werde hier sicherlich keine Bedingungen formulieren. Wir sind immer bereit gewesen und sind es weiterhin, auf der Grundlage der Minsker Vereinbarungen zu agieren. Da gibt es ja nicht nur die Möglichkeit eines Spitzentreffens der drei Staatspräsidenten und der Bundeskanzlerin. Da gibt es auch die wichtige Arbeit auf der Arbeitsebene, der auswärtigen Ämter und der Außenminister. Wir sind zu dieser Arbeit bereit und sehen Minsk weiterhin als den einzigen Referenzpunkt an, auf den sich alle beziehen können, um die Situation insbesondere in der Ostukraine zu verbessern.

ADEBAHR: Wenn ich da kurz etwas anhängen darf: Die Arbeit am Minsk-Prozess ist ja eine ganz vielfältige, die in verschiedenen Arbeitsgruppen vom Referenten im Kanzleramt über verschiedene Ministerien bis zu den Politischen Direktoren und den Staatssekretären und in ganz verschiedenen Formaten hinsichtlich einzelner Bereiche stattfindet. Das ist natürlich eine Arbeit, die auch fortdauernd passiert und die wichtig ist. Diese Arbeit kann dann, wenn die Gegebenheiten, wie Herr Seibert es gesagt hat, gegeben sind, in einen Gipfel münden. Daran arbeiten wir, glaube ich, natürlich auch mit der neuen ukrainischen Regierung.

FRAGE BRÖSSLER: Herr Seibert, hat denn die Bundeskanzlerin in ihrem Kontakt zum russischen Präsidenten das Gefühl gewonnen, dass es seit dem Wechsel im Präsidentenamt in Kiew irgendeine Art der Bereitschaft gibt, die Position zu verändern und sein Verhalten auch im Osten der Ukraine zu ändern?

Frau Adebahr, der Außenminister war ja gerade in Kiew. Gab es da denn irgendwelche neuen Ideen, was die Belebung des Minsk-Prozesses angeht?

STS SEIBERT: Ich möchte interne Einschätzungen hier jetzt nicht öffentlich machen. Morgen steht das erste persönliche Treffen mit Präsident Selensky an, und die Bundeskanzlerin wird noch einmal wie auch beim Telefonat klarmachen, dass Deutschland an der Seite der Ukraine steht, die ihre Reformen voranschreiten lässt und die weiter für ein gutes demokratisches, rechtsstaatliches Land arbeitet.

ADEBAHR: Für den Außenminister war es ein Besuch ganz kurz nach Amtsantritt. Wir haben uns gefreut, dass sich Herr Selensky zum Minsk-Prozess und zu diesem ganzen Komplex bekannt hat. Jetzt ist der Zeitpunkt, das umzusetzen und in vertiefte Gespräche zu kommen. Jetzt kommt er hierher, und das ist ein Gesprächsbeginn mit dieser neuen ukrainischen Regierung, von der wir vernehmen und wahrnehmen und begrüßen, dass sie grundsätzlich den Weg des Minsk-Prozesses weitergehen will.

FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, wird auch das Thema Nord Stream eine Rolle spielen? Wird der ukrainische Präsident eine Zusicherung der Bundeskanzlerin bekommen, dass Nord Stream nur dann in Betrieb gehen wird, wenn der Gasvertrag zwischen der Ukraine und Russland auch rechtzeitig geschlossen werden wird?

STS SEIBERT: Das Thema Nord Stream war auch im Gespräch mit dem Vorgänger, mit Präsident Poroschenko, immer wieder ein Thema. Insofern ist es gut möglich, dass es morgen eines sein wird. Ich will das nicht vorwegnehmen. Noch weniger werde ich vorwegnehmen, welche Zusagen es da geben mag. Die Bundeskanzlerin und überhaupt auch andere Mitglieder der Bundesregierung haben die Position zu Nord Stream ja immer wieder klargemacht.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Gilt also immer noch das Junktim, das die Kanzlerin selbst aufgestellt hat, dass es Nord Stream eigentlich nur geben kann, wenn der Gastransport durch die Ukraine auch künftig gesichert ist?

STS SEIBERT: Es gilt immer noch, dass Nord Stream im Wesentlichen ein unternehmerisches Projekt ist, das aber auch eine politische eine geopolitische, wenn Sie so wollen Seite hat, und das betrifft den Gastransit durch die Ukraine. Unser ganz klares Interesse und auch unsere Forderung ist, dass dieser Gastransit durch die Ukraine weiter möglich sein muss. Dazu gibt es Gespräche zwischen der Ukraine und Russland unter Vermittlung der Europäischen Union. Hinter diesen Gesprächen stehen wir und werden uns dafür politisch stark engagieren.

FRAGE: Daran anschließend habe ich eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Ihr Minister hat ja heute Morgen mit dem EU-Vizekommissionspräsidenten Šefčovič genau über dieses Thema gesprochen und hat gefordert, dass der Gastransit durch die Ukraine sichergestellt werden muss. Können Sie uns über die Gespräche von heute Morgen noch etwas berichten? Gab es noch etwas Erhellendes dazu?

Um welches Volumen geht es eigentlich bei dem Transit durch die Ukraine?

EINHORN: Zu dem Gespräch von Herrn Altmaier und Herrn Šefčovič haben wir heute auch eine Pressemitteilung veröffentlicht, der Sie das wahrscheinlich auch entnommen haben. Ich kann hier keine weiteren Inhalte der internen Gespräche nennen. Ich war auch nicht dabei. Aber es ist so, dass sich Herr Šefčovič ja auch für die Fortführung der trilateralen Gespräche zwischen der Kommission, der Ukraine und Russland einsetzt, dass Herr Altmaier das sehr begrüßt und auch von Anfang an den engen Kontakt gehalten hat. Er hat heute noch einmal deutlich gemacht, dass er möchte und dass auch die Bundesregierung möchte, dass der Gastransit durch die Ukraine nach 2019 sichergestellt ist und dass er natürlich auch weiterhin für Gespräche zur Verfügung steht.

ZUSATZFRAGE: Um welches Volumen handelt es sich dabei eigentlich?

EINHORN: Ich schau einmal kurz, ob ich es dabei habe, aber sonst reichen wir das nach.

FRAGE KREUTZFELDT: Ich wundere mich jetzt gerade etwas über die Formulierung, man möchte gerne, dass der Transport weitergeht. Das ist ja eine relativ schwache Formulierung.

STS SEIBERT: Nein, ich habe auch gesagt, man fordere das.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Man fordert es, genau. Ich habe Minister Altmaier aber bisher unter anderem auch auf seiner Reise in die Ukraine und nach Moskau so verstanden, dass man das nicht nur fordert, sondern dass das tatsächlich eine Bedingung für die Inbetriebnahme dieser Pipeline ist. Hat sich daran etwas geändert? Möchten und Fordern ist nämlich das eine, Verlangen oder Zur-Bedingung-Machen ist etwas anderes.

EINHORN: Herr Altmaier fordert, dass das sichergestellt wird, wie Herr Seibert es eben auch für die gesamte Bundesregierung gesagt hat. Dann möchte ich mein Möchten in diesem Sinne berichtigen.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Aber Fordern ist ebenfalls keine Bedingung, sondern heißt sozusagen, einem Wunsch etwas stärker Ausdruck zu verleihen, oder?

EINHORN: Dazu hat sich Herr Seibert ja gerade geäußert.

FRAGE WARWEG: Auch vom Podium aus wurde hier ja öfter erwähnt, dass Russland gegen Minsk II verstößt. Jetzt besteht Minsk II aus 13 Punkten. Das müsste man ja relativ klar sagen können. Herr Seibert, können Sie mir sagen, gegen welchen der 13 Punkte Russland laut Einschätzung der Bundesregierung direkt verstößt?

STS SEIBERT: Ich kann mich jetzt nicht daran erinnern, dass ich hier einzelne Punkte gesagt hätte. Es ist ganz offensichtlich, dass Minsk in vieler Hinsicht noch nicht umgesetzt worden ist. Das beginnt damit, dass wir noch immer keinen wirklich befriedigenden und dauerhaften Waffenstillstand haben. Das beginnt mit der Entflechtung der schweren Waffen und vielen anderen Punkten. Immer noch gewährt Russland den Separatisten von Donezk und Luhansk klare Unterstützung, die den Konflikt dort am Laufen hält.

Das Ziel muss vor allem auch im Interesse der Menschen, die dort leben, sein, dass dieser Zustand beendet wird. Deswegen ist Minsk die Basis, mit der man arbeiten kann und mit der man vorankommen muss.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Wenn Sie sagen, Russland sollte Minsk umsetzen oder habe dagegen verstoßen Minsk II ist ja relativ übersichtlich. Wie ich schon gesagt habe, gibt es 13 Punkte. Da sollte die Bundesregierung doch in der Lage sein, beispielsweise zu sagen: Russland verstößt gegen Punkt zehn. Das ist ja überschaubar. Das sind 13 Maßnahmen à ich weiß nicht 400 Zeichen.

STS SEIBERT: Danke für die Einschätzung. Wir können dazu vielleicht etwas nachreichen. Ich habe die einzelnen Punkte jetzt nicht vor mir, sodass ich Ihnen das Punkt für Punkt durchgeben könnte. Wenn wir etwas nachreichen können, tun wir das.

Ich will noch darauf hinweisen, dass es auch weitere russische Maßnahmen gab ich nenne nur das Vorgehen an der Straße von Kertsch , die sicherlich nicht im Interesse einer Deeskalation oder einer friedlichen Lösung dort vollzogen wurden.

ADEBAHR: Ich will vielleicht auch noch einmal sagen, dass es eben keinen Waffenstillstand gibt. Vielleicht haben Sie im Kopf, welcher Punkt das ist. Dann können Sie es nachlesen. Das ist ja einer der ganz wesentlichen Punkte, woran es bei Minsk noch hapert.

FRAGE KREUTZFELDT: Einmal kurz zu Nord Stream nachgefragt: Sie sagen, Deutschland fordere oder möchte das. Was gedenkt Deutschland denn zu tun, wenn dieser Vertrag nicht vorliegt und bis wann?

STS SEIBERT: Aus unserer Sicht ist die weitere Rolle der Ukraine als Transitland eine Notwendigkeit. Wir fordern das. Wir setzen uns als Teil der Europäischen Union in den Gesprächen mit dafür ein.

Über andere Fälle werde ich jetzt hier nicht mutmaßen.

FRAGE FIRSOVA: Taucht im Gespräch, konkret im Normandie-Format, immer noch der Satz über die sogenannte Steinmeier-Formel auf? Ist diese Formel für die Bundesregierung noch aktuell?

ADEBAHR: Wir sind zu Minsk mit allem, was in diesem politischen Prozess passiert ist und auch beschlossen und besprochen wurde, weiterhin im Gespräch, auch zu einzelnen Punkten, auch zu ganz verschiedenen Fragen. Dazu gehört natürlich auch die sogenannte Steinmeier-Formel.

FRAGE: Eine rein protokollarische Frage: Kommt Herr Selensky auf Einladung der Bundeskanzlerin oder des Bundespräsidenten? Denn Frau Merkel empfängt ihn mit militärischen Ehren. Ist das üblich?

STS SEIBERT: Die militärischen Ehren werden in der Tat dieses Mal im Kanzleramt stattfinden. Dazu trifft man natürlich immer auch eine Absprache mit dem Bundespräsidialamt. Die Bundeskanzlerin hat Herrn Selensky gleich nach seiner Wahl zu einem möglichst baldigen Besuch in Berlin eingeladen. Das kann ich für das Kanzleramt sagen. Für das Bundespräsidialamt kann ich hier nicht sprechen. Aber seien Sie sicher, dass das immer alles in allerbester Absprache miteinander vollzogen wird.

ADEBAHR: Ich kann auch in Unterstützung der Position der Europäischen Union gern noch nachliefern, was unsere Position zu den sogenannten Wahlen, die am 9. Juni in der abtrünnigen georgischen Region Südossetien abgehalten wurden, betrifft. Wir erachten ihr Ergebnis als illegitim. Deutschland erkennt wie auch die EU weder den Verfassungs- noch den Rechtsrahmen dieser Wahlen an.

Warum ist das so? Weil Deutschland die Souveränität und die territoriale Integrität Georgiens innerhalb seiner international anerkannten Grenzen schützt und unterstützt.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, ich hoffe, vielleicht eine politische Einschätzung oder ein Lagebild zum Mord an Regierungspräsidenten Lübcke zu bekommen. Die Generalbundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Es ist stark zu vermuten, dass es einen rechtsextremen Täter gibt.

Gibt es eine Einschätzung der Kanzlerin und vielleicht auch vom Innenminister zu diesem Fall?

STS SEIBERT: In dieser Phase fände ich eine politische Einschätzung nicht das, was man braucht. Die Bundesregierung hofft das gilt auch für die Kanzlerin , dass so rasch wie möglich geklärt wird, wer Herrn Lübcke erschoss und warum. Die Ermittler haben nun einen dringend Tatverdächtigen in Untersuchungshaft, und wir sollten ihre Arbeit nun nicht mit Spekulationen begleiten. Sie werden ihre Ergebnisse über Täter und Motiv zum gegebenen Zeitpunkt präsentieren.

KUSHNEROVICH: Ich kann dem eigentlich nichts hinzufügen. Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen übernommen. Insofern müssen wir auch da die Ermittlungsergebnisse abwarten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie bewertet die Kanzlerin die rechtsextremen Entwicklungen in Deutschland, Herr Seibert?

STS SEIBERT: Ist das jetzt wirklich die Pauschalfrage, mit der Sie dieses Thema hier weitertreiben wollen?

Fangen wir bei dem Fall Lübcke an. Abgesehen von dem, was ich gerade gesagt habe, dass es nämlich die Sache der Ermittler ist, den Täter und das Motiv zu ermitteln, und dass wir sie daran arbeiten lassen sollten, wobei sie ja offensichtlich einen Fortschritt gemacht haben, kann man dem Bundespräsidenten nur zustimmen, der neulich sagte, dass die zahlreichen rechtsextremistischen Hasskommentare im Netz nach dem Tod von Herrn Lübcke abstoßend und widerwärtig gewesen seien. Das ist auch das Gefühl aller, die hier sitzen.

Ehrlich gesagt, die andere Frage sprengt jetzt ein wenig den Rahmen. Sie wissen, dass sich die Bundesregierung mit aller Kraft gegen Rechtsextremismus wie im Übrigen auch gegen Linksextremismus in diesem Land einsetzt, dass das eine gesamtgesellschaftliche, keineswegs nur eine politische Aufgabe ist, dass wir zahlreiche Projekte haben und unterstützen, die Demokratie fördern und Extremismus bekämpfen sollen, und dass es dennoch nicht allein mit Handlungen der Politik getan ist.

FRAGE PRÖSSL: Am Morgen hat es eine Pressekonferenz zu Investitionen in die Schieneninfrastruktur im Europäischen Vergleich gegeben. Deutschland kommt demnach auf Platz acht.

Wie bewerten Sie diese Investitionen für eine der großen Volkswirtschaften wie Deutschland?

Vor allem wäre natürlich interessant zu wissen, ob es Pläne gibt, das zu verändern. Den Zahlen nach investiert Deutschland mehr in Straßen als in Schienen. Gibt es vor dem Hintergrund des eingangs diskutierten Themas des Klimaschutzes Pläne, etwas zu verändern?

THOMAS: Zu der eingangs genannten Pressekonferenz liegen mir persönlich aktuell keine Informationen vor. Ich kann Ihnen aber grundsätzlich sagen, dass der Koalitionsvertrag der schienenfreundlichste ist, den es jemals gab. Der Bund investiert auf Rekordniveau in die Schiene, allein in diesem Jahr rund 5,6 Milliarden Euro. Bis 2022 investiert der Bund mehr als 20 Milliarden Euro in Aus- und Neubau, Erhalt und Modernisierung der Schiene. Die Regionalisierungsmittel zur Bestellung des Nahverkehrs von 2016 bis 2031 betragen mehr als 150 Milliarden Euro.

Im Bundesverkehrswegeplan 2030 sind 112,3 Milliarden Euro allein für die Schiene vorgesehen. Das ist ein Anstieg um mehr als die Hälfte. Im Bundesverkehrswegeplan 2003 waren es noch 72,3 Milliarden Euro. Wir beseitigen damit rund 800 km Engpässe und werden auch weiter daran arbeiten.

Das BMVI hat, wie Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, das Zukunftsbündnis Schiene gestartet. Gemeinsam wollen wir bis 2030 die Zahl der Fahrgäste verdoppeln und noch mehr Güter auf die Schiene holen, und zwar bei gutem Service und hoher Qualität. Wir wollen Kapazitäten ausbauen, die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene stärken, Lärmemissionen senken sowie Digitalisierung, Automatisierung und Innovation weiter fördern.

FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine Frage an Frau Adebahr zum Thema Iran: Wie besorgt sind Sie, dass Iran in zehn Tagen eine seiner Verpflichtungen aus dem Atomvertrag verletzten könnte, weil er in einem Maße schwach angereichertes Uran im Moment aufhäuft, dass es über eine Grenze rutscht?

ADEBAHR: Ich denke, dem Iran sind die Position der Bundesregierung und unsere Position bekannt, nämlich dass wir den Iran auffordern, sich dem JCPOA entsprechend zu verhalten und darin zu bleiben, dass wir auch denken, dass ein sogenanntes „less for less“ für uns nicht infrage kommt, und dass es letztlich am Iran ist, sich für das JCPOA zu entscheiden. Wir haben unsere Haltung zu dem Vertrag in den letzten Tagen und Wochen deutlich gemacht.

STS SEIBERT: Ich möchte das noch bekräftigen. Wir erwarten und fordern den Iran auch auf, seine Verpflichtungen aus dem JCPOA vollständig umzusetzen. Es sind die Einschätzungen der IAEO aufgrund ihrer Inspektionen, aufgrund ihrer Überprüfungen, ob der Iran das tut.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Was hätte es für Konsequenzen, wenn wir in zehn Tagen so weit wären, dass der Iran diese eine Vorschrift verletzt? Sanktionen, ein Aussetzen des Atomvertrags?

ADEBAHR: Ich glaube, im Moment kommt es darauf an das tun wir , dem Iran das zu sagen, was wir eben gesagt haben, nämlich dass wir von ihm die Einhaltung fordern. Über ein mögliches Danach müsste man dann reden, wenn es so weit wäre. Es ist aber, wie es auch Herr Seibert gesagt hat, die IAEO, die feststellt, ob der Iran sich an den Vertrag hält oder nicht.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, aber die Frage ist doch immer noch: Was haben Sie dem Iran anzubieten, außer dass Sie sagen, der Iran solle im JCPOA bleiben? Sie haben doch nichts anzubieten außer leere Worthülsen.

Noch eine zweite Frage vor diesem Hintergrund: Die Iran hat angekündigt, dass es effektiv keine Verlängerung der Frist für eine diplomatische Lösung gibt, also dass der 7. Juli der Stichtag ist. Wie steht Ihr Ministerium dazu?

ADEBAHR: Ich glaube, wie wir zu der zweiten Frage stehen, haben wir gerade gesagt. Das Erste war ein Kommentar Ihrerseits, den ich inhaltlich so nicht sehe. Wir haben dem Iran gesagt, dass es aus unserer Sicht in seinem strategischen und sicherheitspolitischen Interesse ist, in dem Vertrag zu bleiben. Sie haben nachlesen können, wie sich der Bundesaußenminister in den letzten Tagen und Wochen dazu geäußert hat. Insofern muss ich das hier nicht wiederholen.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Noch einmal die Frage: Was haben Sie dem Iran anzubieten? Wenn es zu einer diplomatischen Lösung kommt, müssen Sie doch dem Iran irgendetwas anbieten, außer zu sagen, er solle im JCPOA bleiben. Es ist kein einziger Vertrag zustande gekommen. Es gibt keine Bankverbindungen. Vom Iran wird kein Öl gekauft. Was haben Sie dem Iran anzubieten?

ADEBAHR: Das ist jetzt eine sehr pauschale, etwas ärgerlich gestellte Feststellung, die Sie hier in den Raum werfen.

ZUSATZ TOWFIGH NIA: Nein.

ADEBAHR: So empfinde ich das.

ZUSATZ TOWFIGH NIA: Das ist doch Fakt.

ADEBAHR: Wir haben in den letzten Tagen und Wochen sehr viel über den Iran gesprochen. Wir haben gesagt, worum es uns geht, dass es wichtig ist, im Dialog zu bleiben und unsere Position darzustellen, dass es aus unserer Sicht ein richtiger und guter Vertrag ist, der im sicherheitspolitischen Interesse Europas und im eigenen sicherheitspolitischen Interesse des Iran liegen sollte. Wir haben dargestellt, an welchen Unterstützungsbemühungen wir zum Beispiel bei Instex für den Iran arbeiten. Diese Argumente haben wir dort vorgetragen. Es ist, glaube ich, schon richtig und wichtig, dass der Iran unsere Position da kennt.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Dennoch, Frau Adebahr: Es ist doch Fakt, dass der legitime Handel bis jetzt nicht zustande gekommen ist. Oder würden Sie das dementieren?

ADEBAHR: Wir sind mit dem Iran über das Atomabkommen in Gesprächen. Sie treffen Feststellungen aus Ihrer Sicht. Wie ich die Dinge sehe, habe ich jetzt mehrfach dargestellt.

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