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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 26. Juni 2019

Themen: Kabinettssitzung (Bundeshaushalt 2020 und Finanzplan bis 2023, Entwurf eines Gesetzes zur Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts, Überarbeitung der politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, Unterzeichnung eines Abkommens zur Einrichtung eines Deutsch-Griechischen Jugendwerks), Unterstützung der Bundesregierung bei der Rückreise deutscher Staatsangehöriger aus Syrien, mögliche Teilnahme der Bundeskanzlerin und des russischen Präsidenten am diesjährigen Petersburger Dialog, Fall Lübcke, Urteil des EuGH zur Messung von Luftschadstoffen in Europa, Nuklearabkommen mit dem Iran, Wahl eines EU-Kommissionspräsidenten

Naive Fragen zu:
Neue Grundsätze im Rüstungsexport (ab 10:04)
– was sind begründete Ausnahmen? Können Sie uns da ein konkretes Beispiel nennen? Im Koalitionsvertrag, den Sie gerade angesprochen haben, heißt es ja auch, dass an die unmittelbar am Jemen-Krieg Beteiligten keine Waffen mehr geliefert werden sollen. Was steht dazu jetzt in den neuen politischen Grundsätzen? (ab 12:05)
– Sie können sich keinen Fall ausdenken, wo Sie anhand Ihrer neuen politischen Grundsätze sagen können, was Sie damit meinen, was sich damit geändert hat?
– Was ist mit den Beteiligten am Jemen-Krieg?
– ist die Testphase in Sachen Post-Shipment-Kontrolle schon vorbei? Wie viele wurden durchgeführt? (ab 18:47)
– deutschen Rüstungsfirmen ist es durch Töchter in anderen Ländern möglich, deutsche Rüstungsgüter zum Beispiel nach Saudi-Arabien zu liefern. Rheinmetall Italien macht das mit Bomben. Wird das weiterhin möglich sein, also die Umgehung der deutschen Rüstungsexportgrundsätze?

Rechtsextremismus (ab 29:30)
– wird die Kanzlerin aktuell von Rechtsextremisten bedroht oder wurde sie seit der sogenannten Flüchtlingskrise von der rechtsradikalen, rechtsextremistischen Szene bedroht? Gab es Morddrohungen oder Ähnliches? (ab 36:50)

USA vs Iran (ab 41:17)
– Sie haben gerade Ihre Erwartungen an den Iran formuliert. Welche Erwartungen haben Sie an die USA? (ab 43:50)
– zu den Auslöschungsfantasien Herrn Trumps: Wie geht denn die Kanzlerin damit um, dass quasi der beste Freund Deutschlands ein anderes Land auslöschen möchte?
– Sie verurteilen solch eine Drohung nicht?

Jüdisches Museum/BDS (ab 45:41)
– wie steht die Kanzlerin zur BDS-Bewegung? (ab 47:35)
– wie wird man mit der Bundestagsresolution umgehen? Ist das Auswärtige Amt auch der Meinung, dass BDS an sich antisemitisch sei?

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 26. Juni 2019:

VORS. SZENT-IVÁNYI: Wie am Mittwoch üblich beginnen wir mit dem Bericht aus dem Kabinett. Herr Seibert.

STS SEIBERT: Schönen guten Tag auch von mir!

Im Anschluss an diese Veranstaltung wird der Bundesfinanzminister den Bundeshaushalt 2020 und den Finanzplan bis 2023 hier ausführlich vorstellen und erklären und sich Ihren Fragen stellen, deswegen von mir wirklich nur das Allerwichtigste:

Die Bundesregierung setzt mit diesem Bundeshaushalt 2020 ihre solide Haushaltspolitik fort. Wir legen erneut, und zwar zum sechsten Mal in Folge, einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden vor und planen auch für die Jahre 2020 bis 2023 Haushalte ohne Neuverschuldung. Deutschland wird gesamtstaatlich die Maastricht-Schuldenobergrenze von 60 Prozent des BIP im Jahr 2020 unterschreiten, und in den Folgejahren wird die Quote dann aller Voraussicht nach noch weiter sinken. Alle prioritären Maßnahmen, die der Bundeshaushalt benennt, sind im Bundeshaushalt und im Finanzplan auch finanziell abgebildet. Alles Weitere, denke ich, hören Sie dann am besten vom Finanzminister selber.

Die Justizministerin, die heute im Übrigen zum letzten Mal an der Sitzung des Bundeskabinetts teilgenommen hat, weil sie ja ins Europäische Parlament geht sie wurde auch entsprechend verabschiedet hat heute einen Gesetzentwurf zum sogenannten Cybergrooming vorgelegt ein wichtiger Entwurf, der unsere Kinder und Jugendlichen noch besser vor sexuellem Missbrauch schützen soll. Wie Sie wissen, werden solche Missbrauchstaten oft in der Anonymität des Netzes angebahnt. Täter geben sich zum Beispiel in Chats, zum Beispiel bei Computerspielen, selber als Kinder oder Jugendliche aus und versuchen, mit Kindern in Kontakt zu kommen. Es ist schon jetzt so, dass, wer ein Kind über das Internet anspricht, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen, hart bestraft werden kann. Es war bisher aber so, dass, wenn der Täter nur glaubte, mit einem Kind zu kommunizieren, in Wirklichkeit am anderen Ende aber beispielsweise ein verdeckter Ermittler oder ein Elternteil war, dieses Verhalten des Täters nicht strafbar war. Das ändert der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf; diese Fälle werden künftig ebenfalls strafrechtlich erfasst.

Außerdem wird der im Jahr 2016 neu eingeführte Straftatbestand der sexuellen Belästigung geändert. Dieser Straftatbestand wird in Zukunft nur von schwereren Sexualstraftaten verdrängt, und nicht mehr von anderen Delikten mit einer schwereren Strafandrohung, beispielsweise Körperverletzung. Die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung soll beim Schuldspruch immer zum Ausdruck kommen.

Der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts ist das nächste, was ich Ihnen vortragen möchte. Der Bundesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, soziale Entschädigung so zu verbessern, dass sich Betroffene mit ihrem Schicksal nicht mehr alleingelassen fühlen. Deswegen wurde heute im Kabinett dieser Gesetzentwurf beschlossen. Das Ziel ist, Gewaltopfern einschließlich Opfern von Terror und sexuellem Missbrauch schneller und zielgerichteter zu helfen.

Im Einzelnen sieht der Entwurf Folgendes vor: Als neue Leistungen werden sogenannte schnelle Hilfen eingeführt, das heißt, ein Fallmanager führt die Betroffenen durch das Antragsverfahren, das Leistungsverfahren, und begleitet sie mit dem Ziel, dass ein Anspruch auf Leistungen in Trauma-Ambulanzen gewährt wird. Einfachere Verfahren sollen dafür sorgen, dass mehr Menschen diese Leistungen in Anspruch nehmen können. Die Entschädigungszahlungen sollen wesentlich erhöht werden, und Teilhabeleistungen sollen grundsätzlich ohne die Anrechnung von Einkommen und Vermögen gewährt werden. Erstmals sollen auch Opfer psychischer Gewalt ein Recht auf Entschädigung erhalten.

Dieses neue Recht soll grundsätzlich am 1. Januar 2024 in Kraft treten, aber einige Regelungen sollen rückwirkend ab dem 1. Juli 2018 in Kraft treten. Das sind die Regelungen, die die Situation von Gewaltopfern einschließlich Terroropfern und ihren Hinterbliebenen verbessern sollen. Es ist also geplant, rückwirkend ab dem 1. Juli 2018 Waisenrenten und das Bestattungsgeld zu erhöhen, die Leistungen für Überführungskosten zu verbessern und inländische und ausländische Gewaltopfer gleich zu behandeln. Das sind zentrale Forderungen, die im Nachgang zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz erhoben wurden zu Recht erhoben wurden und die hier umgesetzt werden.

Zuletzt hat die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag angelegte Überarbeitung der politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahr 2000 beschlossen. Die überarbeiteten politischen Grundsätze unterstreichen die restriktive Genehmigungspraxis der Bundesregierung bei Rüstungsexporten.

Mit dieser vorliegenden Überarbeitung man kann auch sagen Schärfung werden im Wesentlichen drei Anliegen umgesetzt: Erstens. Der Text wurde, wo es erforderlich war, aktualisiert, zum Beispiel indem Verweise auf inzwischen in Kraft getretene internationale Abkommen zum Waffenhandel eingefügt wurden. Zweitens. Die Vorgaben des Koalitionsvertrags zu einer restriktiven Genehmigungspraxis bezüglich Drittländern wurden aufgegriffen. Das betrifft insbesondere den Export von Kleinwaffen. Drittens. Die Bedeutung der Förderung von Rüstungskooperationen auf europäischer Ebene sei es, dass sie schon in PESCO, also in der Permanent Structured Cooperation, oder im Europäischen Verteidigungsfonds angelegt sind wird akzentuiert.

Entsprechend den Vorgaben des Koalitionsvertrags zu diesen europäischen Kooperationen wird auch der Stellenwert der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und der Erhalt technologischer Kompetenzen unterstrichen. Kooperationen der europäischen Industrie sollen durch gemeinsame Ansätze oder durch vereinfachte Verfahren gefördert werden.

Das ist das Wesentliche.

Eines würde ich gerne ganz kurz noch nachtragen, obwohl es zu den Punkten gehört, die ohne Aussprache beschlossen wurden: Das Kabinett hat der Unterzeichnung eines Abkommens zur Einrichtung eines Deutsch-Griechischen Jugendwerks zugestimmt. Das ist aus unserer Sicht ein wichtiges Signal, nicht nur für einen besseren Austausch von Jugendlichen zwischen Deutschland und Griechenland, sondern insgesamt ein gutes Signal und ein Beitrag zur europäischen Verständigung. Wir denken an das Deutsch-Französische und an das Deutsch-Polnische Jugendwerk, die sicherlich Vorbilder sind für das, was mit diesem neu einzurichtenden Deutsch-Griechischen Jugendwerk erreicht werden kann.

FRAGE DUDIN: Ich habe eine Lernfrage an Herrn Seibert oder an das Wirtschaftsministerium zu den politischen Grundsätzen für den Export von Rüstungsgütern: Heißt es dann, dass zum Beispiel die Emirate künftig keine Maschinengewehrteile mehr bekommen, weil der Export von Kleinwaffen in Drittländer grundsätzlich nicht mehr genehmigt wird? Oder kann es aufgrund von Bündnisverpflichtungen trotzdem noch zu solchen Waffenlieferungen kommen?

STS SEIBERT: Ich fange vielleicht kurz an die Kollegin wird sicherlich ergänzen. Diese überarbeiteten politischen Grundsätze sehen vor, dass der Export von Kleinwaffen in Drittländer und darum würde es sich ja handeln grundsätzlich nicht mehr genehmigt werden soll. Das ist auch die Vereinbarung, die man im Koalitionsvertrag getroffen hat. Das bedeutet gleichzeitig, dass es in begründeten Einzelfällen Ausnahmen geben kann; es handelt sich also nicht um ein Komplettverbot, sondern um ein grundsätzliches Verbot. Wenn Sie einmal schauen, wie sich gerade im Bereich der Kleinwaffen, in dem in den letzten Jahren ja eine deutlich restriktivere Politik verfolgt wurde, die Exportpolitik ausgewirkt hat was Sie auch am Volumen der Kleinwaffenexporte sehen können , dann sehen Sie, dass wir da tatsächlich noch sehr viel restriktiver geworden sind.

DR. BARON: Ich habe da nicht viel zu ergänzen und ich kann das auch nur noch einmal unterstreichen: An dieser Stelle wird ja die Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, dass der Export von Kleinwaffen in Drittländer grundsätzlich nicht mehr genehmigt wird. Das bedeutet eben, dass im Grundsatz keine Genehmigung erteilt wird. Wie Herr Seibert schon betont: Im Einzelfall kann unter Berücksichtigung besonderer außen- und sicherheitspolitischer Interessen eine Genehmigung erteilt werden. Aber der Grundsatz lautet eben, dass grundsätzlich nicht mehr genehmigt werden soll.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, was sind begründete Ausnahmen? Können Sie uns da ein konkretes Beispiel nennen?

Im Koalitionsvertrag, den Sie gerade angesprochen haben, heißt es ja auch, dass an die unmittelbar am Jemen-Krieg Beteiligten keine Waffen mehr geliefert werden sollen. Was steht dazu jetzt in den neuen politischen Grundsätzen?

STS SEIBERT: Wie Sie wissen, diskutiere ich mit Ihnen hier nicht konkrete Einzelbeispiele der Rüstungsexportgenehmigungspolitik der Bundesregierung; Sie wissen, dass so etwas im Bundessicherheitsrat stattfindet. Für mich

ZUSATZ JUNG: Sie können sich ja ein Beispiel ausdenken. Aber wenn Sie uns sagen, dass Sie begründete Ausnahmen machen wollen

STS SEIBERT: Ich würde es gern noch zu Ende führen. Sie wissen, dass Einzelentscheidungen im Bundessicherheitsrat getroffen werden, dessen Sitzungen und dessen Entscheidungen geheim sind. Nach bestimmten Regeln wird über getroffene Einzelentscheidungen der Bundestag informiert. Daran halte ich mich hier. Es ist immer eine Vielzahl von Überlegungen, die in diese Einzelfallentscheidungen einfließt: sicherheitspolitische, menschenrechtspolitische, die Frage, wie eine Lieferung sich möglicherweise in einer Krisenregion auswirken könnte usw. usf. Das kann ich Ihnen hier nicht an irgendeinem Fall pauschal erklären.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie können sich keinen Fall ausdenken, wo Sie anhand Ihrer neuen politischen Grundsätze sagen können, was Sie damit meinen, was sich damit geändert hat?

STS SEIBERT: Ich sehe nicht, wem damit geholfen würde, wenn wir uns hier jetzt Fälle ausdenken. Ich denke mir keinen Fall aus, nein.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was ist mit den Beteiligten am Jemen-Krieg?

STS SEIBERT: Diese Frage stellen Sie jedes Mal. Wir haben dazu jetzt vielfach berichtet. Ich kann wirklich keinen neuen Stand geben. Wir können das alles noch einmal durchgeben, aber ich weiß nicht, ob das bei der heute knapp zur Verfügung stehenden Zeit sinnvoll ist das muss der Vorsitzende entscheiden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich wollte ja nur wissen, ob das in die politischen Grundsätze eingeflossen ist, nachdem Sie abermals auf den Koalitionsvertrag in anderer Weise hingewiesen haben.

STS SEIBERT: Wie ich es beim letzten Mal gesagt habe: Alle Entscheidungen, die die Bundesregierung in Sachen Rüstungsexportgenehmigungspolitik trifft, trifft sie genau mit diesen beiden Faktoren im Blick, nämlich erstens dem, was im Koalitionsvertrag miteinander ausgemacht ist, zweitens diesen für uns jetzt verschärften politischen Grundsätzen, nach denen wir Einzelfälle beurteilen, und drittens den bündnis- oder sicherheitspolitischen Interessen der Bundesregierung.

BURGER: Ich würde das ganz kurz ergänzen, wenn ich darf, und möchte einfach noch einmal unterstreichen, dass in dieser Schärfung der politischen Grundsätze durchaus auch Themen eingeflossen sind, die in den letzten Jahren diskutiert wurden, und wir haben hier auch darüber berichtet, wie sich unsere Praxis dazu entwickelt hat. Dazu gehört das Thema Post-Shipment-Kontrollen. Die sind in den politischen Grundsätzen nun zum ersten Mal explizit verankert, so wie auch die Frage, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wenn ein Land sich Post-Shipment-Kontrollen verweigert, obwohl sie vorab vereinbart waren, oder wenn bei Post-Shipment-Kontrollen Fehlverhalten festgestellt wird. In Zukunft soll auch sorgfältig geprüft werden, ob der Ausbau von ausländischer Rüstungsproduktion ermöglicht wird, die nicht im Einklang mit der restriktiven Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung steht. Wenn also Technologie von deutschen Unternehmen ins Ausland transferiert werden soll, kann die Bundesregierung in Zukunft prüfen, ob zu befürchten ist, dass sich dadurch eine Umgehung der restriktiven Exportkontrollpolitik in Deutschland ergeben könnte.

Außerdem möchte ich noch einmal den Hinweis auf den Grundsatz unterstreichen, der wirklich in ziemlicher Deutlichkeit festgehalten ist, dass nämlich grundsätzlich keine Kleinwaffenexporte in Drittstaaten mehr genehmigt werden sollen.

FRAGE JESSEN: Eine technische Frage: Herr Seibert, wann und wo werden die Leitlinien veröffentlicht, damit man sie synoptisch mit den 2000er-Leitlinien vergleichen kann?

Als dritten Punkt hatten Sie gesagt, die europäische Kooperation werde betont und präzisiert. Wie ist dabei gewährleistet, dass nicht tatsächlich eher Umgehungmöglichkeiten geschaffen werden? In der jüngeren Vergangenheit gab es die Kritik, dass eigentlich deutsche Rüstungstechnologie zum Teil unter dem Label europäischer Kooperation dorthin geliefert wurde, wohin es bilateral gar nicht möglich gewesen wäre. Wie wird das verhindert?

DR. BARON: Zu Ihrer ersten Frage: Wir haben die politischen Grundsätze bereits veröffentlicht. Wir haben eine Pressemitteilung zum Kabinettsbeschluss herausgegeben. In dieser Pressemitteilung finden Sie die politischen Grundsätze verlinkt, wie es heute vom Kabinett veröffentlicht ist. Dort ist die Transparenz hergestellt. Sie können sie aufrufen und vergleichen.

Zu den Bündnisverpflichtungen hat Herr Seibert schon ausgeführt. Sie gelten natürlich. Im verteidigungspolitischen Bereich gibt es verschiedene Kooperation, die das Bundesverteidigungsministerium führt. Es ist bereits die gängige Praxis, dass, wie es die politischen Grundsätze vorsehen, im Rahmen dieser Rüstungsvereinbarungen Konsultationsverfahren vorgesehen sind, die anzustreben sind, wenn man Unklarheiten mit den Bündnispartnern klären muss, und dass diese Verfahren dann durchgeführt werden können.

ZUSATZFRAGE JESSEN: In der jüngeren Vergangenheit hat es gerade in der Diskussion über die am Jemen-Krieg Beteiligten die Problematik gegeben, dass Konsultationen nicht gleichbedeutend sind mit einer Vetomöglichkeit. Gibt es in diesen verschärften Restriktionsansätzen Möglichkeiten, um zu verhindern, dass Umwegtatbestände für Lieferungen geschaffen werden?

DR. BARON: Es handelt sich um Kooperationen. In diesen Kooperationen kann man Festlegungen treffen, ob vor Erteilung einer deutschen Zustimmung zu Exportzusagen für Drittländer eine erneute Abstimmung innerhalb der Bundesregierung durchgeführt werden muss oder in Konsultation mit den Bündnispartnern. Aber Näheres müssten, falls erforderlich, die Kollegen ausführen.

FRAGE JUNG: Frau Baron, ist die Testphase in Sachen Post-Shipment-Kontrolle schon vorbei? Wie viele wurden durchgeführt?

DR. BARON: Die Post-Shipment-Kontrollen haben wir, wie Sie wissen, im Mai 2017 eingeführt. Die Evaluierung dazu läuft ab Mai 2019. Wir haben hier auch regelmäßig über den Stand der durchgeführten Post-Shipment-Kontrollen berichtet. Wir haben im Jahr 2017 beim staatlichen Endempfänger Indien angefangen und in der Zwischenzeit weitere Post-Shipment-Kontrollen durchgeführt. Es gab jeweils keine Beanstandungen. Aber die Evaluierungsphase läuft ab Mai 2019.

Ich kann Ihnen noch Folgendes nennen: Die ersten Post-Shipment-Kontrollen von Kleinwaffen wurden 2017 in Indien durchgeführt, weitere Kontrollen dann in Korea, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indonesien, Malaysia und Brasilien. Diese wurden bislang durchgeführt. Dabei gab es jeweils keine Beanstandungen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wird man an der Überprüfungspraxis etwas ändern? Wird man sich vielleicht überlegen, nicht vorher anzurufen und Bescheid zu sagen, dass man vorbeikommt?

Herr Seibert, deutschen Rüstungsfirmen ist es durch Töchter in anderen Ländern möglich, deutsche Rüstungsgüter zum Beispiel nach Saudi-Arabien zu liefern. Rheinmetall Italien macht das mit Bomben. Wird das weiterhin möglich sein, also die Umgehung der deutschen Rüstungsexportgrundsätze?

DR. BARON: Beim Thema der Post-Shipment-Kontrollen möchte ich zwei Dinge noch einmal betonen.

Zum einen ergänzen die Post-Shipment-Kontrollen das wichtige Instrument der Endverbleibserklärung. Die Endverbleibserklärung ist ein zentrales Instrument unserer restriktiven Rüstungsexportpolitik, mit dem wir ex ante Möglichkeiten haben und bei jeder Genehmigungsentscheidung die Sachverhaltsinformationen für die Endverbleibserklärung verlangen.

Für bestimmte Güter haben wir die Post-Shipment-Kontrollen eingeführt, die auch in Folgegenehmigungen wieder berücksichtigt werden können. Dazu hatte der Kollege aus dem Auswärtigen Amt schon ausgeführt, dass es sich natürlich auf Folgegenehmigungen auswirkt, wenn dabei Verstöße festgestellt werden, und es sein kann, dass Folgegenehmigungen dann nicht erteilt werden.

Zu Ihrer anderen Frage: Wir haben immer betont, dass Dinge, die in Deutschland produziert, hergestellt oder erdacht werden, der restriktiven Rüstungsexportgenehmigung unterliegen. Das gilt natürlich auch weiterhin.

Man muss die Einzelfälle aber trennen. Wenn es sich um Fälle handelt, die im Ausland, in Italien oder anderen Ländern, spielen, dann gilt natürlich die Rüstungsexportpolitik dieses Landes und nicht unseres Landes. Aber auch hier möchte ich noch einmal auf das verweisen, was der Kollege schon ausgeführt hat, dass nämlich ein Passus zum Thema der Technologie in den Grundsätzen enthalten ist. Es wird jetzt festgelegt, dass vor der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für Technologie zu prüfen ist, ob hierdurch der Aufbau von ausländischen Rüstungsproduktionen ermöglicht wird, die nicht im Einklang mit den restriktiven Grundsätzen stehen. Dieser Passus ist jetzt in den Grundsätzen zu finden.

FRAGE REMME: Herr Burger, auch wenn es um Einzelfälle geht, will ich Sie nach einem offenen Brief fragen. Die Großeltern deutscher Waisenkinder in einem Flüchtlingslager in Syrien haben sich zu Wort gemeldet und beklagt, dass die Bundesregierung die beiden Kinder sie sind sieben und zwei Jahre alt immer noch nicht zurückgeholt hat.

Ich wüsste gern, wie Sie diesen Fall beurteilen und warum es der Bundesregierung anders als anderen europäischen Regierungen nicht schneller möglich ist, solche Fälle zu bearbeiten, die Kinder nach Deutschland zu holen und damit in Sicherheit zu bringen.

BURGER: In Syrien ist eine konsularische Betreuung deutscher Staatsangehöriger nach Schließung der Botschaft Damaskus weiterhin faktisch nicht möglich. Für Syrien besteht auch seit Langem eine Reisewarnung. Unabhängig davon prüft die Bundesregierung auch in Abstimmung mit ihren Partnern mögliche Optionen, um bei einer Rückreise deutscher Staatsangehöriger nach Deutschland in humanitären Fällen, vor allem im Fall von Kindern, unterstützend tätig zu sein. Gleichzeitig ist das Auswärtige Amt bemüht, Deutschen auch hier wiederum insbesondere Kindern in prekären Einzelfällen über Partnerorganisationen, die vor Ort tätig sind, in den Flüchtlingslagern vor Ort erforderliche medizinische Hilfe zukommen zu lassen.

Das ist das, was ich dazu im Moment sagen kann. Wie gesagt, wir prüfen die Optionen, die es gibt, auch unter den gegebenen schwierigen Umständen.

ZUSATZFRAGE REMME: Sie haben sich zu diesem Einzelfall nicht geäußert. Warum nicht?

Wenn Sie sich zu dem Einzelfall grundsätzlich nicht äußern, dann möchte ich Sie fragen: Wie viele Kinder hat die Bundesregierung aus vergleichbaren Fällen in Sicherheit gebracht, und was wissen Sie über die Zustände im angesprochenen Lager al-Haul?

BURGER: In der Tat werde ich mich hier, wie es unsere Praxis ist, zu konsularischen Einzelfällen grundsätzlich nicht äußern.

Ich kann Ihnen sagen, dass wir im Irak, wo die Situation etwas anders gelagert ist, weil wir dort eine reguläre diplomatische und konsularische Präsenz und eine irakische Regierung haben, mit der wir vollumfängliche diplomatische Beziehungen haben, eine einstellige Anzahl von Kindern konsularisch betreuen und dort auch schon in Einzelfällen, wenn die Zustimmung der Eltern gegeben war, eine Rückreise nach Deutschland unterstützt haben. Seit Inhaftierung der ersten IS-Unterstützer im Irak Mitte 2017 konnten 15 Kinder in Begleitung von Angehörigen aus dem Irak ausreisen.

Zu den Lebensumständen in dem von Ihnen genannten Flüchtlingslager kann ich Ihnen sagen, dass wir dazu in sehr engem Kontakt mit den dort tätigen Hilfsorganisationen stehen, insbesondere mit den UN-Organisationen und auch mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz. Wir gehören auch zu den größten humanitären Gebern für Syrien und insbesondere die Situation in Nordostsyrien. Insofern bemühen wir uns, mit den Instrumenten der humanitären Hilfe unseren Beitrag dazu zu leisten, dass die Lebensbedingungen dort so erträglich wie möglich sind.

Gleichzeitig weiß jeder, der sich in dieser Weltregion auskennt, dass die klimatischen Verhältnisse dort gerade in dieser Jahreszeit sehr, sehr schwierig sind und dass es unter den schwierigen Bedingungen, dass wir dort eine sehr prekäre Sicherheitslage haben und dass die politischen Verhältnisse in diesem Teil Syriens im Moment volatil sind, natürlich sehr schwierig ist, in diesem Lager Lebensstandards zu ermöglichen, wie wir sie uns wünschen würden.

ZUSATZFRAGE REMME: Ich hatte auch nach der vergleichbaren Praxis der anderen europäischen Länder gefragt. Im offenen Brief werden namentlich die Schweden, die Franzosen, die Belgier und die Niederländer erwähnt. Diese müssten ja, konsularisch gesehen, vor vergleichbaren Hürden stehen. Dennoch gelingt es ihnen, Kinder zurückzuholen. Warum gelingt dies der Bundesregierung nicht?

BURGER: Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass wir auch in enger Abstimmung mit den Partnern dabei sind, alle Optionen zu prüfen.

FRAGE DUDIN: Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die vor Ort im Camp al-Haul tätig sind, sagten mir, es gebe ein konkretes Angebot an Deutschland, dass Hilfsorganisationen die Waisenkinder zum Beispiel über die Grenze in den Irak bringen könnten und dass das dann über das deutsche Generalkonsulat in Erbil organisiert werden könnte.

Käme eine solche Option für Sie in Frage?

BURGER: Ich muss Sie um Verständnis dafür bitten, dass ich, weil die Verhältnisse vor Ort so schwierig sind, von dieser Stelle aus nicht über einzelne mögliche Optionen spekulieren werde. Wir prüfen, wie gesagt, zusammen mit den Partnern die Optionen, die es gibt, um in humanitären Einzelfällen, insbesondere im Falle von Kindern, eine Rückkehr nach Deutschland zu unterstützen.

FRAGE FIRSOVA: Herr Seibert, am 18. Juli wird in Bonn das Forum Petersburger Dialog stattfinden. Unter anderem die „Rheinische Post“ hat, so meine ich, im März darüber berichtet, dass es dieses Mal sehr wahrscheinlich sei, dass Frau Merkel und Herr Putin an diesem Forum teilnehmen würden.

Herr Seibert, können Sie ausschließen, dass Frau Merkel zu diesem Forum kommt oder nicht?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen sagen, dass es wie immer ist, dass wir über die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin auf jeden Fall rechtzeitig und in der Regel in der Vorwoche berichten.

ZUSATZFRAGE FIRSOVA: Herr Burger, werden Herr Maas und sein russischer Kollege im Juli nach Bonn kommen?

BURGER: Auch ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Teilnahme von Vertretern des Auswärtigen Amtes ankündigen.

ZUSATZ FIRSOVA: Frau Müntefering hat, so meine ich, gestern in Aachen gesagt, dass Herr Maas kommen werde.

BURGER: Wie gesagt, kann ich Ihnen jetzt und hier von dieser Stelle aus keine Ankündigung machen.

FRAGE HERMANN: Seit heute Morgen ist klar, dass der Mord an Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten begangen wurde. Herr Seibert, wollen Sie dazu aus Sicht der Bundesregierung noch einmal etwas sagen, oder wird sich Kanzlerin Merkel im Tagesverlauf noch einmal zu dem neuen Faktenstand äußern?

STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin hat sich zu dem Fall Lübcke schon geäußert. Sie hat sich gestern im Übrigen auch in das Kondolenzbuch für den Ermordeten eingetragen. Sie hat davon gesprochen, dass dieser Fall ein Alarmsignal für uns alle ist und dass wir uns, und zwar von Anfang an, auf allen Ebenen des Staates und der Gesellschaft dafür einsetzen müssen, dass solche rechtsextremistischen Tendenzen nicht entstehen können und der Boden für solche Gewalttaten nicht entstehen kann.

Ich kann jetzt nicht sagen, wozu sich die Bundeskanzlerin beispielsweise bei der Regierungsbefragung in einer halben Stunde äußert. Aber Sie hat, wie gesagt, über diesen Fall schon sehr klar gesprochen.

Nun wissen wir seit heute tatsächlich, dass der Tatverdächtige geständig ist. Das heißt, die Ermittler, die Fahnder haben den richtigen Mann. Darüber müssen wir alle froh sein. Damit werden sicherlich die Ermittlungen nicht zu Ende sein ich glaube, der Bundesinnenminister hat sich in dieser Richtung auch schon geäußert , sondern es wird natürlich weiter ganz genau hinzuschauen sein, wie es zu dieser Tat kam, in welchem Umfeld sie entstanden ist, was die Motivation ist usw.

Zu dem rechtsextremistischen Hintergrund, der für uns alle eine Mahnung und eine Aufforderung ist, Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus noch intensiver, noch entschlossener zu bekämpfen, hat sich die Bundeskanzlerin, haben sich auch andere Mitglieder der Bundesregierung bereits geäußert.

FRAGE JESSEN: Zwei Fragen an Frau Petermann. Der geständige Täter hat gesagt, er habe als Einzeltäter gehandelt. Taugt in einer Situation, wo man nun nachweisen kann, dass er faktisch doch in Zusammenhänge, die man nur als Netzwerke begreifen kann, eingebunden war, dieser Begriff des Einzeltäters noch oder muss man nicht sagen, dass bandenmäßig verabredet gehandelt wurde oder ist das Kriterium Netzwerk ein relevantes? Muss das nicht überlegt werden?

Zweitens. Der Täter hat offenbar auch gesagt, Motivation für die Tat seien Äußerungen zur Flüchtlingspolitik gewesen. Da spielt besonders das bekannte Video der Bürgerversammlung Lohfelden eine Rolle, das mehrere Jahre alt ist. Dass jetzt diese Tat erfolgt, bedeutet das, dass damit auch diejenigen Verantwortung tragen, die dieses Video erneut ins Netz gestellt und populär gemacht haben?

PETERMANN: Zu der Frage nach dem Stand der Ermittlungen möchte ich Sie an dieser Stelle an den Generalbundesanwalt verweisen. Das können wir, das BMI, an dieser Stelle nicht tun.

Der Bundesinnenminister hat sich sehr deutlich dahingehend geäußert, dass er den Rechtsextremismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen möchte, dass er alle Verbotsverfügungen gegen extremistische Gruppierungen prüfen wird, wo immer es auch möglich ist, und dass, um den von Ihnen genannten Punkt anzusprechen, unsere Analysefähigkeiten zur Erkennung von rechtsextremistischen Netzwerken verbessert werden müssen und die Sicherheitsbehörden dafür personell wie sachlich gestärkt werden müssen. Das ist ja, worüber wir sehr froh sind, auch mit dem heutigen Beschluss über den Haushalt 2020 noch einmal geschehen.

Ich kann noch ein Zitat des Bundesinnenministers wiedergeben:

„In unserem Land gibt es null Toleranz für Extremismus, Antisemitismus, Ausländerhass oder Hassparolen. Wir werden aber nur dann Erfolg haben, wenn die Bevölkerung in dieser klaren Grenzziehung unterstützt. Sie kann hier am besten ihren Beitrag leisten, indem sie sich klar von solchen Leuten distanziert. Mit Rechtsextremisten geht man keine Verbindungen ein, man gibt auch keine Sympathiebekundungen ab. Das ist für Demokraten eine rote Linie.“

Alles Weitere, welche Schlussfolgerungen aus dem zu ziehen sind, was ich hier genannt habe, muss jetzt geprüft werden. BMI, BKA und der Bundesverfassungsschutz sind dabei, das zu tun. Zu dem konkreten Stand der Ermittlungen möchte ich Sie aber an den Generalbundesanwalt verweisen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Frage bezog sich nicht auf den Stand der Ermittlungen, sondern auf die Tatsache, dass vor allem dieses Video erneut ins Netz gestellt worden ist, auch von Menschen aus dem Bereich der Politik. Tragen sie nach Ihrer Auffassung eine Mitverantwortung für die Tat? Vielleicht auch an das Bundesjustizministerium.

ZIMMERMANN: Weil die Aufgabe des Generalbundesanwalts angesprochen war, kann ich zunächst sagen, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen mit großem Nachdruck führt. Wie Sie wahrscheinlich mitbekommen haben, hat der Generalbundesanwalt heute den Innenausschuss des Deutschen Bundestags in nichtöffentlicher Sitzung über den Stand der Ermittlungen unterrichtet.

Was die Hintergründe des Verbrechens angeht, insbesondere auch das Umfeld sowie mögliche Mitwisser, Unterstützer oder Netzwerke, sind diese Gegenstand dieser Ermittlungen.

Ansonsten kann ich mich der Kollegin anschließen. Bei Fragen zum konkreten Stand der Ermittlungen möchte ich Sie bitten, sich direkt an die Pressestelle des Generalbundesanwalts zu wenden.

ZUSATZ JESSEN: Aber die Frage der Mitverantwortung ist eine politische und keine Frage des Sachaufklärungsverhalts.

PETERMANN: Herr Jessen, könnten Sie die Frage zur Mitverantwortung und zu dem Film noch einmal wiederholen?

ZUSATZFRAGE JESSEN: Es gab das Video einer Bürgerveranstaltung, wo Herr Lübcke gesagt hatte, wer sich hier an die Normen usw. nicht halten wolle, habe das Recht, Deutschland zu verlassen. Dieses Video ist vier oder fünf Jahre alt und hat seinerzeit für Empörung gesorgt. Es wurde in der jüngeren Vergangenheit wiederholt ins Netz gestellt und hat sozusagen eine neue Welle von Empörung erzeugt. Deswegen ist die Frage: Haben diejenigen, die ohne erkennbaren Anlass solche Videos wiederum ins Netz stellen und popularisieren, eine Mitverantwortung für die Eskalation, die dann zu solchen Taten führen kann?

PETERMANN: Ich würde meine Antwort jetzt nicht auf dieses Video herunterbrechen wollen, sondern ganz generell sagen: Sprache ist ein wesentlicher Bestandteil und kann zu Taten folgen. Das ist mehrfach gesagt worden; das ist auch vom Bundesinnenminister gesagt worden; das ist, wenn ich das recht in Erinnerung habe, von der Kanzlerin gesagt worden. Dabei möchte ich es belassen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, wird die Kanzlerin aktuell von Rechtsextremisten bedroht oder wurde sie seit der sogenannten Flüchtlingskrise von der rechtsradikalen, rechtsextremistischen Szene bedroht? Gab es Morddrohungen oder Ähnliches?

STS SEIBERT: Ich gebe ganz grundsätzlich keine Auskunft über die Sicherheitslage rund um die Bundeskanzlerin.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ist Ihnen dieses Phänomen, dass es Drohungen gegen Leib und Leben von Politikern gibt, die positiv mit der Flüchtlingsproblematik in Verbindung gebracht werden, bekannt?

STS SEIBERT: Dieses Phänomen ist, denke ich, jedem, der in der Bundesregierung arbeitet und den meisten, die in der Politik arbeiten, bekannt von ehrenamtlichen kommunalen Politikern bis zu Bundesministern und der Bundeskanzlerin. Dass es eine zum Teil enthemmte, gewaltverherrlichende, hasserfüllte Sprache gibt, in der Kommentare geschrieben, gepostet und manchmal auch Drohungen ausgesprochen werden, ist ein Phänomen, das jedem bekannt ist.

FRAGE: Ich wollte zu dem heutigen Urteil des EuGH zur Messung von Luftschadstoffen in Europa entweder das BMU oder das BMVI fragen: Es sollte in Deutschland noch einmal überprüft werden, wie es um die Aufstellung der Messstellen bestellt ist. Man wollte sich einmal einen bundesweiten Überblick über die Dinge verschaffen. Können Sie den Stand der Dinge sagen?

Zweitens. Hat das Auswirkungen auf die zuletzt sozusagen erhöhten Grenzwerte vom November?

DR. KLEIN: Der EuGH hat heute eine Entscheidung getroffen, und diese Entscheidung bezieht sich auf die Auslegung der EU-Richtlinie zur Luftreinhaltung. Die Bundesumweltministerin begrüßt diese Entscheidung ausdrücklich, denn sie ist eine wichtige Klarstellung und eine Unterstützung für alle, die sich für die saubere Luft in unseren Städten und überall in Deutschland einsetzen, aber sie auch ganz wichtig für den Gesundheitsschutz.

Sie fragten danach, ob sich etwas ändert. Die Entscheidung bestätigt unsere Rechtsauffassung der Auslegung der Richtlinie, wie wir sie bisher betrieben haben. Um zu erklären, was der EuGH überhaupt entschieden hat: Es gibt zwei Hauptpunkte. Das ist einmal die Frage, wie wir überhaupt ermitteln, ob die Grenzwerte zu den Grenzwerten hat sich der EuGH überhaupt nicht verhalten; es bleibt bei den Grenzwerten überschritten worden sind.

Hierbei kann man zwei Dinge tun. Es geht um den Jahresdurchschnitt, und man kann diesen Jahresdurchschnitt einer einzelnen Messstelle als maßgeblich erachten. Wenn dieser überschritten wird, kann man sagen: Achtung, Verstoß. Oder man kann sagen: Nein, wir nehmen den Durchschnitt aller Messstellen. Nur wenn diese die Grenzwerte überschreiten, liegt ein Verstoß vor.

Hier hat der EuGH erfreulicherweise gesagt das ist auch ganz wichtig für die saubere Luft und den Gesundheitsschutz : Nein, eine Überschreitung der Grenzwerte liegt bereits dann vor, wenn an einer Messstelle im Jahresmittel überschritten wird. Das ist der eine Punkt.

Zu dem anderen Punkt: Der EuGH hat sich auch dazu verhalten, welche Vorgaben die Richtlinie überhaupt im Hinblick auf die Aufstellung der Messstationen vorgibt. Er hat das ist auch ganz wichtig gesagt: Es gibt konkrete Vorgaben. Eine Vorgabe ist unter anderem, dass die Messstationen in den Bereichen aufzustellen sind, in denen die höchsten Konzentrationen von Luftschadstoffen zu erwarten sind.

Weil es so konkrete Vorgaben gibt, folgt daraus das ist übrigens schon geltende Rechtslage ein Deutschland; wir haben das also alles gut umgesetzt , dass Bürgerinnen und Bürger gegen die Luftreinhaltepläne klagen und sagen können: Ihr habt sie nicht richtig aufgestellt. Das Gericht überprüft dann inzidenter das ist Juristensprache , ob die Vorgaben eingehalten worden sind. Ist das damit Ihre Frage beantwortet?

ZUSATZFRAGE: Ja, aber noch eine Nachfrage: Ich meine mich zu erinnern, dass es einmal hieß, dass das BMU eine Art Studie erstellen wollte, wie es in Deutschland in den Bundesländern um die Aufstellung bestellt ist.

DR. KLEIN: Wir haben da eine Überprüfung veranlasst, und ich meine, diese Überprüfung ist abgeschlossen und da wird alsbald noch etwas veröffentlicht werden. Falls das nicht stimmt, würde ich das aber noch nachreichen.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, eine Frage zum Iran: Am Freitag finden in Wien die 4+1-Gespräche statt. Was sind die Ziele dieser Gespräche im Vorfeld des 7.-Juli-Ultimatums der iranischen Seite?

Zweite Frage: Der US-Präsident hat gestern wieder dem Iran mit Auslöschung gedroht. Wieso schweigt die Bundesregierung zu diesen Vernichtungsfantasien von Trump?

BURGER: Im Hinblick auf die Sitzung der Joint Commission kann ich Ihnen sagen, dass unsere Position sich nicht verändert hat: Wir erwarten von Iran weiter die vollständige Einhaltung seiner Verpflichtungen aus dem JCPOA, und wir im Übrigen nicht nur die E3, sondern auch die anderen JCPOA-Teilnehmer, also Russland und China haben bekräftigt, dass wir weiterhin bereit sind, unsere Verpflichtungen aus dem JCPOA vollumfänglich einzuhalten. Das wird das Thema der Joint Commission sein.

Im Übrigen sind alle unsere Bemühungen in der derzeitigen Lage darauf gerichtet, zu einer Deeskalation der Lage beizutragen. Der Außenminister hat gestern auch im Nachgang zu der Sitzung im UN-Sicherheitsrat noch einmal unterstrichen, dass wir als Europäer unsere Möglichkeiten und Zugänge nutzen, um Schritte zur Entspannung zu identifizieren und Gesprächskanäle offenzuhalten. Vor diesem Hintergrund ohne mich zu einzelnen Äußerungen verhalten zu wollen ist uns natürlich auch verbal an einer Abrüstung und nicht an einer Aufrüstung gelegen.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, nehmen Sie diese Äußerungen Herrn Trump überhaupt ernst? Sie reagieren auf diese Äußerungen recht nonchalant, aber es sind ja ziemlich ernste Äußerungen, wenn jemand sagt: Wenn es zu einem Krieg kommt, werden wir dieses Land auslöschen. Das ist ja kein Kavaliersdelikt.

BURGER: Wie gesagt, unsere Bemühungen sind auf eine Deeskalation der Lage gerichtet. Dazu sind wir mit allen Parteien auch in der Region im Kontakt. Vor diesem Hintergrund bewerten wir auch die Äußerungen, die es von verschiedenen Seiten gibt. Wie gesagt, uns ist auch verbal an eine Abrüstung und nicht an einer Aufrüstung gelegen.

FRAGE JUNG: Herr Burger, Sie haben gerade Ihre Erwartungen an den Iran formuliert. Welche Erwartungen haben Sie an die USA?

BURGER: Auch hier haben wir von Anfang an, seit dem Ausstieg der USA, immer wieder unterstrichen, dass aus unserer Sicht das Festhalten am JCPOA richtig ist. Insofern haben wir den Ausstieg der USA aus dem JCPOA bedauert. Wir wünschen uns von allen Seiten Schritte, die zu einer Deeskalation der Lage geeignet sind, und dazu gehören natürlich auch Schritte, die es den im JCPOA verbleibenden Teilnehmern ermöglichen, das JCPOA weiter aufrechtzuerhalten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Noch eine explizite Frage an Herrn Seibert zu den Auslöschungsfantasien Herrn Trumps: Wie geht denn die Kanzlerin damit um, dass quasi der beste Freund Deutschlands ein anderes Land auslöschen möchte?

STS SEIBERT: Ich kann mich nur dem Sprecher des Auswärtigen Amtes anschließen. Wir wollen keine militärische Lösung wir sehen auch keine. Wir wollen alles dazu beitragen, was wir mit unseren Möglichkeiten und im Rahmen unserer Partnerschaften beitragen können, dass es eine Deeskalation gibt. Wir fordern alle Beteiligten zu deeskalierendem Verhalten auf. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie verurteilen solch eine Drohung nicht?

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen dazu das gesagt, was ich dazu zu sagen habe. Wir brauchen jetzt eine Deeskalation. Es war richtig, dass die USA eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates dazu einberufen haben. Wir brauchen das Gespräch, wir brauchen den Dialog und die Deeskalation.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, gestern hat die Staatsministerin für Kultur und Medien Christoph Stölzl, den Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums, zur Vertrauensperson für das Jüdische Museum Berlin ernannt. Hintergrund ist, dass Herr Schäfer, der bisherige Direktor des Jüdischen Museums, zurückgetreten ist. Grund dafür war politischer Druck, der auf ihn ausgeübt worden war, weil er im Vorfeld eine Bundestagsresolution zu BDS kritisiert hatte, in der BDS pauschal Antisemitismus unterstellt wurde.

Wie bewerten die Bundesregierung oder die Staatsministerin diesen politischen Zusammenhang, der zum Rücktritt von Herrn Schäfer führte?

STS SEIBERT: Die Staatsministerin hat sich zur Einsetzung von Herrn Stölzl als Vertrauensperson geäußert. Darauf möchte ich verweisen.

ZUSATZ JESSEN: In dieser Äußerung deswegen frage ich ja kommt diese Dimension, kommen die Hintergründe des Rücktritts und der politische Druck, der ausgeübt wurde, gar nicht vor. Deswegen die Frage.

STS SEIBERT: Es liegt doch auf der Hand, dass das Interesse und die Arbeit der Staatsministerin jetzt darauf gerichtet sind, dieses wichtige Museum, das Jüdische Museum, einen wichtigen Teil des Berliner Kulturlebens, wieder auf einen guten Kurs zu bringen, und dass sie der Meinung ist, dass Christoph Stölzl mit all seinen Verdiensten und all seiner Erfahrung die richtige Person ist, um in einer Übergangsphase als Vertrauensperson dazu beitragen zu können.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Hält es die Staatsministerin für legitim, politischen Druck in einer solchen Art und Weise auszuüben, dass sich ein renommierter Museumsdirektor zum Rückzug oder Rücktritt genötigt sieht?

STS SEIBERT: Ich hole für Sie dazu gern noch eine Stellungnahme der Staatsministerin ein. Ich kann mich jetzt hier nicht weiter äußern.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, wie steht die Kanzlerin zur BDS-Bewegung?

Herr Burger, wie wird man mit der Bundestagsresolution umgehen? Ist das Auswärtige Amt auch der Meinung, dass BDS an sich antisemitisch sei?

BURGER: Wir haben schon seit vielen Jahren immer die Position vertreten, dass wir einen Boykott gegen Israel ablehnen, und fördern deswegen auch schon seit jeher keine Projekte und Maßnahmen, die direkt einer Unterstützung von BDS dienen.

ZUSATZ JUNG: Das war nicht meine Frage. Der Bundestag sagt: BDS ist antisemitisch. Das ist etwas anderes als unterschiedliche Boykottvorstellungen. Die Bundesregierung ist auch gegen die Siedlungen in den besetzten Gebieten. Dazu gibt es Boykottaufrufe zum Beispiel auch von europäischer Seite.

Die Frage war: Sieht die Bundesregierung die BDS-Bewegung als antisemitisch an, wie es der Bundestag gesagt hat?

Herr Seibert, die Frage war noch, wie Frau Merkel dazu steht.

BURGER: Ich möchte mich jetzt nicht im Einzelnen zu den definitorischen Fragen in Bezug auf die Bundestagsresolution äußern. Die Bundesregierung hat sich schon im letzten oder vorletzten Jahr eine Definition des Antisemitismus zu eigen gemacht, nämlich die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance. Vor diesem Hintergrund und vor dieser Definition gehen wir mit dem Problem des Antisemitismus um.

Im Übrigen hatten Sie mich danach gefragt, wie wir in unserer Praxis mit BDS umgehen, und das hatte ich Ihnen erläutert.

ZUSATZ JUNG: Herr Seibert?

STS SEIBERT: Das ist die Haltung der Bundesregierung.

FRAGE JENNEN: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin trifft sich heute auch mit Manfred Weber. Sie hat aber gesagt, dass sie auch noch eine Lösung mit Frankreich anstrebt und auch möglichst bis zum 30. Juni ein Ergebnis erzielen möchte. Wird sie Herrn Weber zusichern können, dass sie ihn gegen den Widerstand von Macron durchsetzen kann?

STS SEIBERT: Zu internen oder informellen, nicht öffentlichen Gesprächen der Bundeskanzlerin nehme ich grundsätzlich keine Stellung. Die Kanzlerin hat sich Donnerstagnacht und am Freitagnachmittag nach Abschluss des Europäischen Rates dazu geäußert, wie sich nach dem Bericht, den Ratspräsident Tusk nach seinen Konsultationen mit dem Europäischen Parlament abgegeben hat, die Lage für sie dargestellt hat. Auf dieser Basis hat man sich insgesamt im Rat verständigt, an diesem Sonntag in Brüssel wieder zusammenzukommen, um eine Lösung zu finden. Daran wird sich die Bundeskanzlerin in vielerlei Gesprächen mit vielerlei Partnern intensiv beteiligen.

BURGER: Ich hätte noch eine kleine Nachreichung zu dem Thema zuvor: Die Arbeitsdefinition von Antisemitismus war im September 2017 im Bundeskabinett vorgestellt worden.

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