Themen: Kabinettssitzung (Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes, Nationale Wasserstoffstrategie, Eckpunkte zur Neuregelung der Insolvenzsicherung im Reiserecht, Konzeptpapier „Saisonarbeiter in der Landwirtschaft im Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz“, integrierter Nationaler Energie- und Klimaplan), 7. Sitzung des Digitalrats, Folgetreffen als Videokonferenz zum sogenannten Nachbarschaftsdialog auf Einladung des Bundesaußenministers, Teilnahme des Bundesaußenministers an der Sitzung des UN-Sicherheitsrats als Videokonferenz zur Lage in Mali und zur UN-Mission MINUSMA, Teilnahme des Bundesaußenministers am Treffen der sogenannten Koalition für den Sahel als Videokonferenz, COVID-19-Pandemie (Brief von sechs EU-Mitgliedstaaten an die EU-Kommission zur Pandemie-Vorsorge, Äußerungen des Virologen Hendrik Streeck, Testkapazitäten, Mehrwertsteuersenkung, Nachtragshaushalt, Corona-Warn-App), Reise des Bundesaußenministers nach Israel, Verwendung des Begriffs „Rasse“ im Grundgesetz, Abzug amerikanischer Truppen aus Deutschland, Situation in Libyen, Seenotrettung/Änderung der See-Sportbootverordnung und der Schiffssicherheits-verordnung, Forderungen nach einer Strafrechtsverschärfung beim Tatbestand des sexuellen Kindesmissbrauchs, Waffenembargo gegen den Iran
Bericht ausm Kabinett (ab 1:13)
Naive Fragen zu:
Wasserstoff-Strategie (ab 11:22)
– Sie sagten, dass Sie sich auf den grünen Wasserstoff konzentrieren wollen. Woher sollen denn die erneuerbaren Energieträger dafür kommen, die ihn ja umwandeln?
– Wie soll er importiert werden? Gibt es schon eine Infrastruktur dafür? Welche Länder haben Überschüsse, damit sie ihn exportieren?
– Neben dem grünen Wasserstoff wollen Sie ja trotzdem auf grauen Wasserstoff setzen, und dieser wird ja mit fossilen Energieträgern hergestellt. Warum tun Sie das überhaupt?
– Welches afrikanische Land meint denn der Entwicklungsminister, aus dem diese grüne Energie kommen soll? Sind diese Länder denn schon bereit zu exportieren, oder ist das nur eine Wunschvorstellung?
– Entschuldigung, aber ich hatte gerade nach dem grauen gefragt, nicht nach dem blauen oder dem türkisen. Der graue geht aus fossilen Brennstoffen hervor.
– sind Sie auch auf dem Stand, dass auch im Jahr 2030 der grüne Wasserstoff mehrheitlich aus dem Ausland importiert werden muss, nach dem heutigen Stand des Ausbaus und ihren eigenen Plänen? (ab 20:17)
– konkret: Sie setzen auf blauen und grünen Wasserstoff, in diesem Plan ist aber auch grauer enthalten. Ist das korrekt, oder ist der ausgeschlossen?
Nationaler Energie- und Klimaplan (ab 24:51)
– Ich würde gerne wissen, ob das CO2-Budget Deutschlands in diesem Plan enthalten ist.
– Bisher ist es so, dass die Bundesregierung ein CO2-Budget Deutschlands leugnet. Ich würde gerne wissen, wann Sie dort Ihre Haltung vielleicht ändern oder bereits geändert haben. Man muss ja diese Treibhausgasminderungsziele transparent nachweisen können, und dazu braucht es ein CO2-Budget.
– Haben Sie nachgerechnet, wie viele CO2-Emissionen dieses Konjunkturpaket kosten wird? Wird es dadurch zu einer CO2–Emissionssteigerung kommen?
Maas in Israel (ab 45:42)
– Gab es von israelischer Seite zu irgendeinem Zeitpunkt Druck bzw. Hinweise, was den geplanten Besuch in Ramallah angeht? (ab 50:14)
– Ja, aber das passt doch zu der Berichterstattung, dass die israelische Seite sagt „coronabedingte Bedingung: zwei Wochen Quarantäne“.
Corona-Tests (ab 51:30)
– Können Sie uns sagen, wie viele Tests aktuell durchgeführt werden und wie die Testkapazitäten ausgenutzt werden? (ab 54:27)
– Warum werden die nicht ausgeschöpft?
„Rasse“ im Grundgesetz (ab 56:47)
– Aber widerspricht dem Kampf gegen Rassismus nicht, dass immer noch von „Rasse“ gesprochen wird? Es ist ja quasi Antirassismus, diesen Begriff „Rasse“ zu überwinden (ab 59:22)
– warum haben Ihr Minister bzw. Ihr Ministerium als Verfassungsministerium Bauchschmerzen dabei, diesen Begriff zu streichen?
– Ist denn die Justizministerin, die der SPD angehört Teile der SPD fordern das jetzt auch schon , für eine Änderung des Artikels 3?
Verhinderung von Seenotrettung (ab 1:08:05)
-Es geht mir um die Änderung der See-Sportbootverordnung und der Schiffssicherheitsverordnung. Bisher brauchten Boote von Seenotrettungsorganisationen kein Schiffssicherheitszeugnis, weil sie unter der Sport- und Freizeitzweckregelung liefen. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat letztens auch bestätigt, dass gemeinnützige und humanitäre Tätigkeiten bei der Freizeit einzuschließen sind. Warum hat Ihr Ministerium jetzt die Verordnung so geändert, dass aus „Sport- und Freizeitzwecken“ nun „Sport- und Erholungszwecke“ geworden sind? Bei Erholung ist ja dann die gemeinnützige und humanitäre Tätigkeit nicht mehr enthalten, sodass diese Seenotretterboote jetzt ein Schiffssicherheitszeugnis brauchen, was ihre Arbeit praktisch unmöglich macht.
– Aber Sie erkennen schon an, dass diese Organisationen jetzt ein Schiffssicherheitszeugnis brauchen, was für sie und ihre Boote und für ihre essenzielle Arbeit einen viel, viel größeren Aufwand bedeutet?
– An das Auswärtige Amt: Wie bewerten Sie diese Änderung? Alle deutschen Seenotrettungsorganisationen halten diese Maßnahme für eine Verhinderungspraxis ihrer Arbeit. Sehen Sie das auch so?
– Sie haben gerade also bestätigt, dass es da nicht in irgendeiner Form einen konkreten Anlass gab, etwas zu ändern?
– Aber es gab ja bisher keine Präzedenzfälle, die das veranlasst hätten. Sie haben sich vielmehr etwas ausgedacht, durch das diese Arbeit erschwert wird.
– Sie unterstützen das, und gleichzeitig sind jetzt alle deutschen Rettungsschiffe, die aktuell auslaufen könnten, gezwungen, an Land bzw. im Hafen zu bleiben. Wie passt das mit Ihrem Worten zusammen? Sie haben daran ja mitgearbeitet.
– Ja, und das hat jetzt ja verheerende Folgen für diese Organisation, die Sie angeblich unterstützen.
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 10. Juni 2020:
SRS’IN DEMMER: Auch von mir einen schönen guten Tag! Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes beschlossen. Der Gesetzentwurf legt den nationalen Umschichtungssatz von Finanzmitteln aus der ersten Säule in die zweite Säule der EU-Agrarpolitik für Deutschland fest. Für das Antragsjahr 2021 ist vorgesehen, wie im vergangenen Jahr den Umschichtungssatz auf sechs Prozent festzulegen. Mit den Mitteln sollen insbesondere die bereits bisher aus Umschichtungsmitteln finanzierten Maßnahmen durchfinanziert werden. Zusätzlich können Neuverpflichtungen eingegangen werden. Das sind beispielsweise Maßnahmen zur Agrarumweltförderung wie das Anlegen von Blühstreifen oder die Verringerung der Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinträge, ebenso die Förderung des Ökolandbaus. Dadurch wird insgesamt ein Beitrag geleistet, um den großen Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft in den Bereichen des Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutzes steht, Rechnung zu tragen.
Des Weiteren hat das Kabinett die Nationale Wasserstoffstrategie beschlossen und der Besetzung des Nationalen Wasserstoffrates zugestimmt.
Die Nationale Wasserstoffstrategie ist von übergeordneter politischer Bedeutung für die Bundesregierung. Daher hat auch der Koalitionsausschuss am 3. Juni 2020 im Rahmen des Zukunftspakets sieben Milliarden Euro für Wasserstofftechnologien hierzulande und zwei Milliarden Euro für internationale Partnerschaften bei dem Thema Wasserstoff vorgesehen.
Eine erfolgreiche Energiewende bedeutet Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit mit innovativem und intelligentem Klimaschutz. Zu den derzeit noch eingesetzten fossilen Energieträgern müssen dafür aber andere Optionen her. Zentrale Säulen der Energiewende bilden bereits Energieeffizienz und erneuerbare Energien.
Weitere Säulen sollen nun CO2-freie bzw. CO2-neutrale gasförmige und flüssige Energieträger bilden. Dazu eignet sich dann Wasserstoff ganz gut. Vor allem in Bereichen, in denen eine direkte Nutzung von erneuerbarem Strom technisch nicht möglich oder nicht sinnvoll ist, stellt vor allem grüner Wasserstoff eine Dekarbonisierungsoption dar. Anwendungsbereiche finden sich etwa in der Stahl- und in der Chemieindustrie, aber in Teilen auch im Verkehrs- und Wärmebereich.
Die Bundesregierung betrachtet Wasserstoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wurde, also sogenannten grünen Wasserstoff, als die nachhaltige Variante. Daher will sie für diesen einen zügigen Markthochlauf und entsprechende Wertschöpfungsketten etablieren.
Dann hat die Bundesregierung heute Eckpunkte beschlossen, um Insolvenzen von Reiseveranstaltern künftig besser abzusichern. Ziel ist, dass die Reisenden umfassend geschützt sind. Die Insolvenz der Thomas-Cook-Tochtergesellschaften im vergangenen Jahr hat uns gezeigt, dass die aktuell gültige Haftungsgrenze für eine Entschädigung der Kunden zu niedrig ist.
Die Eckpunkte zielen nun auf eine grundlegend strukturell neue Insolvenzsicherung. Die zukünftige vollumfängliche Absicherung insbesondere von Vorauszahlungen, Rückholungen und weiteren Kosten nach Reiseantritt erfolgt nun über einen Pflichtfonds. Dieser Fonds soll sich aus den Beiträgen der Reiseveranstalter finanzieren. Reiseveranstalter, die nicht über den Fonds abgesichert sind, dürfen dann auch keine Pauschalreisen mehr anbieten.
Im Insolvenzfall wird dann zunächst eine vom Reiseveranstalter zu leistende Sicherheit, etwa eine Versicherung oder eine Bankbürgschaft, verwertet. Erst danach soll auf den Kapitalstock des Fonds zugegriffen werden. Dieser wird in der Aufbauphase in einer noch festzulegenden Höhe durch eine zeitlich befristete staatliche Garantie abgesichert. Darüber hinaus werden Schäden, die nicht aus dem Fondsvermögen gedeckt werden können, aus einer Rückdeckungsversicherung oder durch Kreditzusagen finanziert.
Mit Blick auf den für den 16. Juni 2020 zu erwartenden Wegfall der Einreisebeschränkungen nach Deutschland und das aktuelle Infektionsgeschehen hat das Kabinett heute auch beschlossen, das vom Bundesinnenminister und der Bundeslandwirtschaftsministerin gemeinsam erarbeitete Konzept zur begrenzten Einreise von Saisonarbeitern neu zu fassen. Die neuen Regelungen sollen vom 16. Juni bis einschließlich 31. Dezember 2020 gelten.
Beide Bundesminister hatten ihr Konzept am 2. April 2020 vorgestellt und sich am 22. Mai auf eine Verlängerung der darin enthaltenen strengen Auflagen für den Gesundheits-, Arbeits- und Infektionsschutz bis zum 15. Juni verständigt. Dabei wurde das vereinbarte Kontingent von insgesamt 80 000 Arbeitskräften aufrechterhalten. Zum Stand 3. Juni 2020 sind 38 967 Saisonarbeitskräfte eingereist. Die Landwirtschaft ist auch weiterhin für die Ernte- und Pflanzarbeit auf die Unterstützung durch ausländische Saisonarbeitskräfte angewiesen.
Dann hat das Kabinett heute den integrierten Nationalen Energie- und Klimaplan beschlossen. Er enthält die Beiträge zu den EU-2030-Zielen für, erstens, den Ausbau erneuerbarer Energien 30 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch , zweitens, die Steigerung der Energieeffizienz Minderung des Primärenergieverbrauchs um 30 Prozent gegenüber 2008 , drittens, die Treibhausgasminderung mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 sowie das Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen am 23. September 2019 in New York, Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen.
Der Plan gibt somit die aktuellen klima- und energiepolitischen Beschlüsse der Bundesregierung wieder und berücksichtigt dabei vor allem die Zielsetzungen und Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030. Die nationalen Energie- und Klimapläne schaffen diesbezüglich Transparenz und Vergleichbarkeit. Von 2023 bis 2030 sind alle zwei Jahre Fortschrittsberichte sowie eine Aktualisierung der Pläne 2024 vorgesehen. Wichtig ist, dass durch die Pläne die regionale Kooperation zwischen Nachbarstaaten gestärkt wird. Die Bundesregierung unterstützt dies ausdrücklich.
Dann kann ich Ihnen noch berichten, dass heute nach der Kabinettssitzung die 7. Sitzung des Digitalrats unter der Leitung der Bundeskanzlerin stattgefunden hat. Schwerpunkte der Sitzung waren die Themen „Kompetenzen für die digitale Welt“ und „Digitaler Staat“. Zu Letzterem wurden Sachstand und Ausblick besprochen. Ein weiteres, neues Thema der Sitzung war die Frage nach den Chancen der Digitalisierung in der COVID-19-Pandemie.
Mit dem Stand der Umsetzung der Digitalisierung wird sich das Digitalkabinett am 24. Juni befassen.
BURGER: Ich darf Ihnen ankündigen, dass Außenminister Maas für morgen zwölf seiner europäischen Amtskolleginnen und kollegen zu einem Follow-up zum sogenannten Nachbarschaftsdialog eingeladen hat, der erstmals am 18. und 20. Mai stattgefunden hat. Ziel ist die Fortsetzung des gemeinsamen Abstimmungsprozesses zum sicheren grenzüberschreitenden Reisen in Europa mit Blick auf die bevorstehende Aufhebung der innereuropäischen Reisewarnungen zum 15. Juni.
Dieses Follow-up-Treffen ist für morgen von 13 Uhr bis 14.30 Uhr per Videokonferenz geplant. Im Anschluss ist eine Pressebegegnung im Auswärtigen Amt vorgesehen. Teilnehmen werden Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Malta, die Niederland, Österreich, Portugal, Slowenien, Spanien und Zypern.
Die Außenministerinnen und Außenminister werden sich über die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Wiederaufnahme und Aufrechterhaltung des Reiseverkehrs abstimmen. Dazu gehört die Einhaltung einer Neuinfiziertenzahl im Verhältnis zur Bevölkerung von weniger als 50 Fällen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen und geeignete Maßnahmen mit Blick auf Infektionsschutz und die Gesundheitsversorgung vor Ort.
Grundlage für die Beratung ist das Tourismuspaket der EU-Kommission vom 13. Mai.
Wir werden uns im Auswärtigen Amt in den nächsten Tagen intensiv mit der Sahelregion beschäftigen. Dazu möchte ich Ihnen zwei Termine ankündigen.
Morgen, am 11. Juni, findet unter Leitung des französischen Außenministers Le Drian eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats als Videokonferenz statt, in der es um die Lage in Mali und die UN-Mission MINUSMA gehen wird. Außenminister Maas nimmt für Deutschland an dieser Sitzung teil. Auch UN-Generalsekretär Guterres und der malische Außenminister Tiébilé Dramé werden dabei sein.
Der Sicherheitsrat befasst sich regelmäßig mit Mali. Die morgige Sitzung ist aber besonders wichtig, da Ende des Monats das Mandat für MINUSMA verlängert werden soll und dies die letzte Befassung des Sicherheitsrats davor sein soll.
Am Freitag, den 12. Juni, findet ebenfalls im Videoformat ein Treffen der sogenannten Koalition für den Sahel statt, zu dem der französische Außenminister, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik sowie der mauretanische Außenminister eingeladen haben. Es handelt sich um das erste Treffen dieser Koalition, die von Frankreich und den Sahel-G5-Staaten beim Gipfel von Pau im Januar 2020 angekündigt wurde. Außenminister Maas wird an diesem Treffen teilnehmen und in diesem Rahmen die sogenannte Partnerschaft für Sicherheit und Stabilität im Sahel P3S vorstellen, die auf eine Initiative von Emmanuel Macron und der Bundeskanzlerin zurückgeht.
FRAGE JUNG: Meine Frage geht gegebenenfalls auch an die entsprechenden Ministerien. Frau Demmer, Sie sagten, dass Sie sich auf den grünen Wasserstoff konzentrieren wollen. Woher sollen denn die erneuerbaren Energieträger dafür kommen, die ihn ja umwandeln? Es gibt ja Experten, die sagen, bei dem derzeitigen Ausbautempo würde auch noch im Jahr 2030 der Löwenanteil des erzeugten grünen Wasserstoffs nicht aus Deutschland kommen, sondern importiert werden müssen.
Dazu auch meine andere Frage: Wie soll er importiert werden? Gibt es schon eine Infrastruktur dafür? Welche Länder haben Überschüsse, damit sie ihn exportieren?
WAGNER: Ich kann gern anfangen. In der Strategie ist festgelegt, dass zunächst einmal grüner Wasserstoff in großem Maße bis 2030 produziert werden soll, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden sollen, dass grüner Wasserstoff zur Energiegewinnung und für die jeweiligen Prozesse eingesetzt werden kann, und dass die entsprechenden Kapazitäten aufgebaut werden.
Sie haben vielleicht auch die Diskussion bei der Frage, wie hoch wir uns das Ziel für die Produktion von Wasserstoff setzen, mitbekommen. In dieser Diskussion wurden verschiedene Zahlen genannt. Uns als BMWi war immer wichtig, dass wir die Ziele sehr ambitioniert setzen, aber immer so, dass sie auch erreichbar sind, vor allem auch im Einklang mit den anderen Zielen der Bundesregierung, darunter insbesondere mit dem 65-Prozent-Ziel im Hinblick auf den Ausbaupfad der erneuerbaren Energien bis 2030. Dort sind die Voraussetzungen geschaffen. Es ist realistisch, dass das geschafft werden kann.
Die Details werden jetzt erarbeitet. In der Wasserstoffstrategie Frau Demmer hat es gesagt ist zum Beispiel auch der Wasserstoffrat verankert. Das ist ein Expertengremium, das bei der Umsetzung der Wasserstoffstrategie weiter beraten wird, ein Expertengremium aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die weiteren Schritte werden jetzt erarbeitet. Aber die Ziele sind grundsätzlich so gesetzt, dass sie erreicht werden können und dass das nicht zulasten der anderen Ziele geht, die die Bundesregierung in Bezug auf die erneuerbaren Energien hat.
ZUSATZFRAGE JUNG: Neben dem grünen Wasserstoff wollen Sie ja trotzdem auf grauen Wasserstoff setzen, und dieser wird ja mit fossilen Energieträgern hergestellt. Warum tun Sie das überhaupt?
An das Entwicklungsministerium: Welches afrikanische Land meint denn der Entwicklungsminister, aus dem diese grüne Energie kommen soll? Sind diese Länder denn schon bereit zu exportieren, oder ist das nur eine Wunschvorstellung?
WAGNER: Es ist die Überzeugung des BMWi und auch der Bundesregierung, dass langfristig nur ein CO2-freier Wasserstoff, der eben auf Basis von erneuerbaren Energien hergestellt wird, eine nachhaltige Lösung ist, und das ist natürlich der grüne Wasserstoff.
Wir sind aber auch davon überzeugt, dass es ein sehr weiter Weg ist, bis grüner Wasserstoff marktgängig ist und auch zu marktfähigen Konditionen zur Verfügung steht, sodass wir deshalb als Übergang auch den blauen Wasserstoff brauchen. Das ist Wasserstoff, der in der Tat auch mit fossilen Energien hergestellt wird, wobei aber das CO2 abgeschieden und gespeichert wird. Das ist aus unserer Sicht richtig und dringend notwendig, weil wir unbedingt eine breitere Basis brauchen, um nicht nur bei der Herstellung, sondern auch bei den Produkten, die den Wasserstoff einsetzen können, einen Markthochlauf zu erreichen. Dieser blaue Wasserstoff soll dann sukzessive durch den grünen Wasserstoff ersetzt werden, damit wir am Ende tatsächlich einen CO2-freien Wasserstoff haben.
ZUSATZ JUNG: Entschuldigung, aber ich hatte gerade nach dem grauen gefragt, nicht nach dem blauen oder dem türkisen. Der graue geht aus fossilen Brennstoffen hervor.
WAGNER: Wir setzen auf den grünen und den blauen Wasserstoff. Wie gesagt, auch blauer Wasserstoff geht aus fossilen Brennstoffen hervor. Bei dem blauen Wasserstoff gibt es aber die Besonderheit, dass das CO2 abgeschieden und gespeichert wird. Den blauen Wasserstoff unterscheidet vom grauen Wasserstoff, dass es beim blauen Wasserstoff nicht zu zusätzlichen CO2-Emissionen in die Atmosphäre kommt, was aus unserer Sicht klimapolitisch sehr, sehr wichtig ist, damit wir unsere Klimaziele erreichen können.
ZUSATZ JUNG: Aber auf den grauen setzen Sie auch!
WAGNER: Ich habe gerade gesagt, die Wasserstoffstrategie setzt auf grünen und blauen Wasserstoff.
VORS. FELDHOFF: Herr Jung, wenn Sie immer wieder dazwischenreden, haben die anderen Kolleginnen und Kollegen hier oben kaum die Chance, noch etwas dazu zu sagen. Ich denke, Herr Fichtner möchte gern ein paar allgemeine Anmerkungen des Umweltministeriums dazu machen.
FICHTNER: Genau. Ich kann das gern für das BMU ergänzen. Für uns war es sehr wichtig, dass sich diese Strategie ganz explizit auf grünen Wasserstoff fokussiert, also auf Wasserstoff, der aus Wind- und Sonnenstrom hergestellt wird. Die Ministerin hat heute auch noch einmal betont: Wer Ja sagt zu Wasserstoff, muss auch Ja sagen zu Wind- und Sonnenenergie. Es muss natürlich zusätzlicher Ökostrom sein, den wir dafür herstellen.
Wir befinden uns ganz am Anfang einer Technologieeinführung. Insofern geht es im Grund darum, ein Henne-Ei-Problem aufzulösen. Wir müssen einerseits das Angebot schaffen, aber andererseits auch die Nachfrage organisieren. Das gelingt gut mit dieser Strategie in den unterschiedlichen Bereichen, Stichwort „Chemieindustrie“ oder Stichwort „Luftverkehr“.
Sie haben das internationale Thema angesprochen. Auch da stehen wir natürlich noch ganz am Anfang. Die Vernetzung ist allerdings bereits losgegangen. Zum Beispiel haben wir bei der letzten Klimakonferenz in Madrid einen PtX-Hub gegründet, weil es uns auch wichtig ist, dass wir nicht nur in Deutschland, sondern auch international ökologische Leitplanken einführen, also auch internationales Bewusstsein dafür schaffen, dass grüner Wasserstoff die langfristige Lösung für den Klimaschutz ist.
WICKERT: Ich kann das ebenfalls noch ergänzen. Für uns liegt die Quelle im Prinzip im Nachbarkontinent Afrika. Dort scheint die Sonne stärker und häufiger als bei uns. Wir haben diesbezüglich heute auch eine Allianz mit Marokko gegründet, um dort ein Pilotprojekt anzustoßen, und gehen davon aus, dass damit auch dem Wasserstoff als solchem ein Schub verliehen werden kann.
FRAGE WOLF: Kann man die Zusammensetzung des Wasserstoffrats schon ein bisschen konkreter benennen? Sie haben gesagt, aus welchen Feldern die Akteure kommen. Aber können Sie das schon konkretisieren?
Dann würde mich die Finanzierung interessieren. Frau Demmer, Sie haben zum einen sieben Milliarden Euro und zum anderen zwei Milliarden Euro genannt. Sind diese beiden Punkte dieselben, die auch schon im Konjunkturpaket benannt sind?
WAGNER: Zum Wasserstoffrat: Das sind 26 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die nicht Teil der öffentlichen Verwaltung sind. Dieser Expertenrat wird von der Bundesregierung berufen. Über die genaue Zusammensetzung werden wir zu gegebener Zeit informieren.
VORS. FELDHOFF: Wer kann etwas zu der zweiten Frage sagen?
WAGNER: Zu der zweiten Frage würde ich mich noch melden.
ZUSATZFRAGE WOLF: Im Konjunkturpaket wird auch die Gründung einer europäischen Wasserstoffgesellschaft angesprochen. Ist das erst einmal eine Zielmarke der Bundesregierung, die perspektivisch angestrebt werden soll, oder gibt es schon konkrete Bemühungen und Schritte in diese Richtung und vielleicht auch schon Anzeichen dafür, dass es europäische Partner gibt, die dabei mitziehen?
WAGNER: Ganz grundsätzlich sind wir natürlich in Gesprächen mit europäischen Partnern. Ich kann Ihnen zu ganz Konkretem jetzt gerade noch nichts sagen. Ich werde gegebenenfalls noch etwas dazu nachreichen. Das Konjunkturprogramm wurde am 3. Juni verabschiedet. Wir arbeiten jetzt in allen Ressorts mit Hochdruck an der Umsetzung und werden Ihnen natürlich, sobald wir können, nähere Details dazu sagen.
Zu den Kosten: Wir haben sieben Milliarden Euro für die Umsetzung der Wasserstoffstrategie. Zwei Milliarden Euro sind zusätzlich für die internationale Kooperation; sie sind also zusätzlich.
FRAGE JUNG: Herr Fichtner, sind Sie auch auf dem Stand, dass auch im Jahr 2030 der grüne Wasserstoff mehrheitlich aus dem Ausland importiert werden muss, nach dem heutigen Stand des Ausbaus und ihren eigenen Plänen?
Herr Wagner, konkret: Sie setzen auf blauen und grünen Wasserstoff, in diesem Plan ist aber auch grauer enthalten. Ist das korrekt, oder ist der ausgeschlossen?
WAGNER: Diese Wasserstoffstrategie setzt auf grünen und blauen Wasserstoff. Ziel ist, den grauen Wasserstoff zu substituieren, indem wir Ausbauziele für grünen und blauen Wasserstoff schaffen.
Ich würde versuchen, die Frage zu Energiepartnerschaften mit zu beantworten. Es gibt sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene verschiedene internationale Partnerschaften. Ein Schwerpunkt ist die deutsch-japanische Energiepartnerschaft. Japan ist ein Land, das eine Vorreiterrolle im Bereich Wasserstoff und Nutzung von Wasserstoff hat. Auf europäischer Ebene gibt es in dem Bereich eine Kooperation mit den Niederlanden. Es gibt ein gemeinsames Kapitel in den jeweiligen nationalen Energie- und Klimaplänen des Pentalateralen Energieforums, dem die Beneluxländer, Frankreich, Deutschland, Österreich und auch die Schweiz angehören. Diese Länder erarbeiten Ansätze für Herkunftsnachweise, für eine grenzüberschreitende Infrastruktur, für die Rolle von Netzbetreibern sowie für Normen. Sie tauschen Best-Practice-Beispiele zu Förderprogrammen aus, wie der Wasserstoff weiter gefördert werden kann und wie die jeweilige Kooperation funktioniert.
Daneben gibt es eine regionale Zusammenarbeit sowie grenzüberschreitende Projekte mit anderen Mitgliedstaaten in den Regionalforen der Nordseekooperation. Diese werden dort diskutiert und vorangetrieben.
FRAGE WOLF: Im Konjunkturprogramm wird explizit die Gründung einer europäischen Wasserstoffgesellschaft angesprochen.
Eine Nachfrage: Sollen die Programme und Projekte, die Sie jetzt genannt haben, in die Gründung dieser Gesellschaft münden, oder ergibt sich das eine aus dem anderen? Können Sie das expliziter sagen?
WAGNER: Was die Zusammenarbeit angeht, über die ich gerade berichtet habe, so betrifft das schon bestehende Zusammenarbeiten, insbesondere auf der europäischen Ebene. Daneben das haben Sie ja erwähnt gibt es eine Aussage dazu. Ich hatte gerade schon gesagt, dass wir mit Hochdruck an der Umsetzung arbeiten. Natürlich wird das Ziel sein, dass man das alles zusammenführt. An der Stelle muss ich aber noch um ein bisschen Geduld bitten.
FICHTNER: Genaue Zahlen habe ich dazu nicht, aber eine grobe Einschätzung. Es ist völlig klar, dass wir in den nächsten Jahrzehnten auch Importland sein werden. Wir sind bisher auch Importland, wenn es um Öl und Gas geht. Fossiles Öl und Gas wollen wir weniger importieren. Es ist aber völlig klar, dass wir dann auch grünen Wasserstoff importieren werden.
Unsere Rolle ist es, zu zeigen, wie es geht. Dafür brauchen wir tatsächlich ein Mindestmaß an Produktion hier bei uns. Dann können wir auch anderen Ländern demonstrieren, wie man mit den Anlagen, die wir hier in Deutschland sehr gut bauen können, grünen Wasserstoff herstellt und nutzt. Unser Geschäftsmodell ist dann weniger die Produktion als Bau und Export dieser Anlagen. Wenn Sie sich die internationalen Klimaverhandlungen anschauen, braucht man genau solche Perspektiven. Die Länder, die momentan ihr Geld mit dem Export von Öl und Gas verdienen, brauchen künftig andere Geschäftsmodelle. Wasserstoff könnte für manche von diesen Ländern so etwas sein; gerade für diejenigen, in denen viel Wind weht und die Sonne stark scheint.
Das ist ein effizienter Einsatz von erneuerbaren Energien. Das werden wir im Rahmen der internationalen Kooperation nutzen, aber eben auch mit einem Mindestmaß an Produktion von Wind-, Sonnen- und Wasserstoffproduktion im eigenen Land.
FRAGE JUNG (zum Nationalen Energie- und Klimaplan): Ich würde gerne wissen, ob das CO2-Budget Deutschlands in diesem Plan enthalten ist.
WAGNER: Frau Demmer hatte gerade schon ausgeführt, was in dem Plan enthalten ist. Es geht um Energieeffizienzziele, um Erneuerbare-Energie-Ziele bezüglich des Bruttostromverbrauchs sowie um das Ziel einer Treibhausgasemissionsminderung um 55 Prozent. Das sind die Kernpunkte.
Es gibt, glaube ich, einen größeren Katalog von Zahlen, die ich jetzt nicht alle parat habe, weil ich den Bericht auch nicht parat habe. Aber der Bericht wird bei uns auf der Homepage veröffentlicht, und Sie können sich ihn intensiv anschauen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Bisher ist es so, dass die Bundesregierung ein CO2-Budget Deutschlands leugnet. Ich würde gerne wissen, wann Sie dort Ihre Haltung vielleicht ändern oder bereits geändert haben. Man muss ja diese Treibhausgasminderungsziele transparent nachweisen können, und dazu braucht es ein CO2-Budget.
WAGNER: Vielleicht kann das BMU dazu gegebenenfalls etwas sagen.
FICHTNER: Wir sind im BMU für CO2 in Deutschland zuständig.
Das Wort „leugnen“ möchte ich erst einmal zurückweisen. Es gibt kein nationales Emissionsbudget des Weltklimarates. Das haben Sie ja auch schon oft genug mit der Ministerin besprochen.
Es gibt alle möglichen Budgets. Wir arbeiten zum Beispiel mit dem europäischen Budget, das wir als EU in Paris eingereicht haben. Das beinhaltet eine bestimmte Tonnenanzahl, und das wird dann wiederum auf die einzelnen Mitgliedstaaten heruntergebrochen. Selbstverständlich wird in diesem Nationalen Energie- und Klimaplan auch darüber Bericht erstattet, wie gut wir bei der Erreichung unseres Anteils am europäischen Klimaziel sind.
FRAGE WOLF: Mich würde interessieren, inwiefern die Entwicklung eines Mechanismus eine Rolle spielt, nachdem geplante Investitionen und Maßnahmen auf deren Emission hin überprüft werden. Spielt im Hintergrund eine Rolle, dass, anknüpfend an das Konjunkturprogramm und langfristig gedacht, Maßnahmen und Investitionen immer konsequent sozusagen auf deren emissiven Effekt hin überprüft werden?
FICHTNER: Es gibt einmal das Instrument der Projektionen. Wir haben letztes Jahr das Klimapaket verabschiedet und sowohl wir als auch das BMWi haben danach von unabhängigen Gutachtern berechnen lassen, wieviel das voraussichtlich bringen wird. Das wird es auch maßnahmenscharf geben.
Dann gibt es die jährliche Berichterstattung über die Fragen: Wo stehen wir? Was haben wir bereits geschafft? Das ist das, was jedes Jahr im März vom Umweltbundesamt veröffentlicht wird.
Insofern gibt es diese Art von Berichterstattung bereits in diesen ausgetüftelten Formen. Das wird natürlich auch mit neu beschlossenen Maßnahmen genauso fortgesetzt.
ZUSATZFRAGE JUNG: Haben Sie nachgerechnet, wie viele CO2-Emissionen dieses Konjunkturpaket kosten wird? Wird es dadurch zu einer CO2–Emissionssteigerung kommen?
FICHTNER: Sie müssten jetzt einen Vergleich mit einem anderen Zustand anstellen. Deswegen verstehe ich die Frage nicht ganz.
Insgesamt sind wir mit dem Konjunkturpaket zufrieden, weil es eben gerade die Weichen in Richtung Klimaschutz und Zukunftstechnologien stellt. Klimaschutz ist ja tatsächlich eine sehr langfristig angelegte Aufgabe, bei der Sie darauf achten müssen, dass Sie am Ende eine treibhausgasneutrale Gesellschaft organisiert bekommen. Das ist sehr intensiv, was die Investitionen angeht, und man braucht dafür viel Kapital. Wir befinden uns gerade in einer Zeit, in der der Staat sehr viel investiert. Diese Zeit nutzen wir in der Bundesregierung und im internationalen Vergleich vorbildlich.
FRAGE JORDANS (zum Nachbarschaftsdialog): Am 16. Juni sollen die Reisebeschränkungen für die europäischen Länder aufgehoben werden. Gleichzeitig wurden heute für 160 andere Länder darunter auch die Türkei die Beschränkungen bis zum 31. August verlängert. In einem Land, in dem die Beschränkungen aufgehoben werden sollen, nämlich Großbritannien, gibt es zehnmal so viele Tote wie in der Türkei und auch deutlich mehr Krankheitsfälle. Auf welcher wissenschaftlichen Basis wurde entschieden, den Reiseverkehr mit Großbritannien weitestgehend zu normalisieren, das aber in Bezug auf die Türkei, mit der es von Deutschland aus ja viel Reiseverkehr gibt, weil hier viele türkische Staatsbürger oder Leute mit türkischen Wurzeln leben, nicht zu tun?
BURGER: Ich würde gerne erst einmal Ihren Begriff der weitest gehenden Normalisierung etwas relativieren und auf etwas verweisen, was der Außenminister letzte Woche gesagt hat, als er die Pläne zur Beendigung der Reisewarnungen für die Staaten der Europäischen Union, die Schengen-assoziierten Staaten und dann eben auch Großbritannien angekündigt hat. Er hat gesagt:
„Eine Reisewarnung ist kein Reiseverbot. Reisehinweise sind auch keine Reiseinladungen“.
Just bezogen auf den Fall Großbritannien hat er auch darauf hingewiesen, dass es Länder geben wird, in denen die Reisehinweise, die an die Stelle der Reisewarnung treten, auch ein dringendes Abraten von Reisen beinhalten können. Gerade für Großbritannien wird es nach unserem derzeitigen Kenntnisstand so sein, dass dort auch nach dem 15. Juni eine verpflichtende Quarantäne für Einreisende bestehen wird. Schon aus diesem Grund werden dort zunächst einmal ab Mitte Juni diese Reisehinweise ein dringendes Abraten dorthin beinhalten.
Zu der Frage, warum wir mit der Reisewarnung für Länder außerhalb Europas anders umgehen als mit der Gruppe von Ländern, für die wir sie am 15. Juni auslaufen lassen, hat sich der Außenminister heute geäußert. Er hat gesagt:
„Anders als bei unseren europäischen Nachbarn haben wir für den Rest der Welt heute noch nicht die gemeinsamen belastbaren Datengrundlagen, Kriterien und Abstimmungsprozesse, die einen uneingeschränkten Reiseverkehr ohne unkalkulierbare Risiken wieder möglich machen.“
Sie wissen, dass wir innerhalb der EU darüber im letzten Monat sehr, sehr intensive Gespräche geführt haben. Es gibt das von mir vorher erwähnte Reisepakt der EU-Kommission mit Empfehlungen und Kriterien, an denen sich die EU-Staaten orientieren, um wieder gemeinsam sichere Grundlagen für das Reisen innerhalb Europas zu gewährleisten. Etwas Vergleichbares gibt es außerhalb dieses europäischen Raums bisher noch nicht. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass das Eckpunktepapier, die Beschlüsse, die heute im Kabinett dazu gefasst wurden, auch beinhalten, dass die Zeit bis zum 31. August natürlich auch genutzt wird, um zu überprüfen, wie sich die Lage in anderen Ländern entwickelt.
Der Außenminister hat auch gesagt:
„Wir werden die Reisewarnungen auch vor September immer wieder auf den Prüfstand stellen, immer mit der Sicherheit der Reisenden als zentralem Kriterium. Dort und nur dort , wo das Gesamtpaket aus positiver Pandemieentwicklung, einem stabilen Gesundheitssystem, stimmigen Sicherheitsmaßnahmen für den Tourismus und verlässlichen Hin- und Rückreisemöglichkeiten das zulässt, können wir möglicherweise schon früher von einer Reisewarnung zu Reisehinweisen zurückkehren.“
FRAGE: Ich habe eine Frage an Herrn Burger und Frau Demmer in Bezug auf die Quarantäne. In der Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am 18. Mai hat die Bundeskanzlerin gesagt: „Wir müssen uns dabei aufeinander verlassen können. Wir haben eine europäische Behörde ECDC , die uns Angaben über das Infektionsgeschehen in Europa macht.“ Mehrere Bundesländer haben vorgestern entschieden, Personen aus Schweden in Quarantäne schicken zu wollen, weil es in Schweden innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Infektionsfälle je 100 000 Einwohner gibt.
Meine Frage: Wer entscheidet über die Lage im Ausland? Eine europäische Behörde oder die einzelnen Bundesländer?
BURGER: Ich weiß nicht, ob der Kollege vom BMI dazu etwas sagen kann.
ALTER: Ich kann gerne zu den Zuständigkeiten etwas sagen. Die Anordnung von Quarantäne ist eine Anordnung, die durch die zuständigen Gesundheitsbehörden der Länder zu treffen ist. Die Bundesregierung hat für sich, wenn Sie so wollen, einen Schwellenwert festgelegt, nämlich 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Wenn dieser Wert überschritten ist, kommen Mechanismen in Gang. Das heißt aber nicht, dass es einen Automatismus gibt, sondern es kommen Mechanismen in Gang, bei denen man vielerlei Faktoren berücksichtigt, beispielweise wie hoch das Risiko ist, dass beispielsweise jemand aus Schweden nach Schleswig-Holstein reist, und Ähnliches. Das muss im Einzelfall geprüft werden. dann kommen die Länderbehörden zu Ergebnissen und entscheiden.
SRS’IN DEMMER: Ich kann vielleicht die Gelegenheit nutzen, weil es entsprechende Berichterstattung gab, Folgendes zu sagen: Es gibt natürlich trotzdem, wie die Kanzlerin in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Emmanuel Macron betont hat, ein großes Bemühen, die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zu verbessern. So hat es einen Brief von sechs Mitgliedstaaten unter anderem der Kanzlerin und Emmanuel Macron gegeben, der aber in gemeinsamer Zusammenarbeit mit der EU-Kommission entstanden ist.
Im Gesundheitsbereich man sieht es jetzt hier ja auch liegt ein Großteil der Kompetenzen bei den Mitgliedstaaten. Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass es sinnvoll wäre, dass sich die Mitgliedstaaten gerade im Gesundheitsbereich noch besser koordinieren. Weil der Brief in einer etwas anderen Konnotation wahrgenommen worden ist, möchte ich hier noch einmal richtigstellen: Dieser Brief ist alles andere als eine Kritik an der Arbeit der Kommission, sondern ausdrücklich ein Angebot der Unterstützung für künftiges Handeln. Denn Ziel des Beitrags ist genau die von der EU-Kommission angestoßene Debatte, für eine stärkere europäische Zusammenarbeit in der Pandemievorsorge zu sorgen, damit die EU und ihre Mitgliedstaaten in Zukunft besser für die nächste Pandemie gerüstet sind.
Es ist, im Gegenteil, eben keine Kritik, sondern die Kommission begrüßt das Papier, an dessen Entstehung sie sogar mitgewirkt und sich beteiligt hat. Sie begrüßt geradezu die Analyse und die Ideen, die darin formuliert sind, von denen im Übrigen einige Punkte schon in Angriff genommen worden sind.
FRAGE: Ich habe eine Frage an Herrn Burger. Nach welchen Kriterien wird die Reisewarnung aufgehoben oder verlängert? Die Entwicklung der Pandemie kann ja nicht der Grund sein. Die Türkei ist zum Beispiel von der Pandemie nicht so stark betroffen wie Italien und Spanien.
BURGER: Ich hatte gerade versucht, das darzustellen.
Zunächst einmal zu der Frage, wie der Zweischritt zu begründen ist, dass wir zunächst die Reisewarnung für die EU-Mitgliedstaaten, die Schengen-assoziierten Staaten und Großbritannien auslaufen lassen. Dazu hat der Außenminister darauf hingewiesen, dass wir im Verhältnis zu diesen Staaten gemeinsame belastbare Datengrundlagen, Kriterien und Abstimmungsprozesse haben, die wir in den letzten Monaten auch auf Grundlage des sogenannten Tourismuspakets der EU-Kommission gemeinsam entwickelt haben. Vergleichbare Grundlagen, auf denen wir diese Bewertungen durchführen könnten, haben wir im Verhältnis zu anderen Staaten noch nicht.
Was die Frage angeht, nach welchen Maßstäben und Kriterien die Reisewarnung gegebenenfalls schon vor dem 31. August für andere Staaten ebenfalls aufgehoben werden könnte, darf ich noch einmal vortragen, was der Außenminister dazu gesagt hat. Er hat gesagt:
„Dort und nur dort , wo das Gesamtpaket aus positiver Pandemieentwicklung, einem stabilen Gesundheitssystem, stimmigen Sicherheitsmaßnahmen für den Tourismus und verlässlichen Hin- und Rückreisemöglichkeiten das zulässt, können wir möglicherweise schon früher von einer Reisewarnung zu Reisehinweisen zurückkehren.“
Das werden die Kriterien sein, die wir anlegen, um zu entscheiden, ob für einzelne Staaten schon vor dem 31. August eine vorzeitige Beendigung dieser Reisewarnung und eine Rückkehr zu Reisehinweisen möglich ist.
ZUSATZFRAGE: Die Türkei hat ja einen Katalog erstellt, der Sicherheitsvorkehrungen für Touristen enthält. Dieser Katalog wurde auch dem Auswärtigen Amt vorgestellt. War das nicht ausreichend?
BURGER: Ich bitte um Verständnis, dass ich hier jetzt nicht zur Situation in einzelnen Ländern im Detail Auskunft geben kann. Ich habe ja gesagt, nach welchen Kriterien wir in den nächsten Monaten vorgehen werden, um zu überprüfen, ob es möglich ist, die Reisewarnung für einzelne Staaten schon vorzeitig aufzuheben.
FRAGE BENTHIN: Welche Auswirkungen hat das jetzt konkret auf diejenigen, die in die Türkei in den Urlaub fahren wollen und gegebenenfalls schon gebucht haben?
BURGER: Eine Reisewarnung ist kein Reiseverbot, wie ich vorhin ausgeführt habe. Umgekehrt ist die Abwesenheit einer Reisewarnung oder eines Reisehinweises auch keine Reiseeinladung. Das ist eine Entscheidung, die letztlich jeder und jede für sich selbst treffen muss; das können wir dem Einzelnen nicht abnehmen. Wir warnen, wie gesagt, vor Reisen außerhalb der genannten Staatengruppe, auch nach dem 15. Juni.
Wir wissen, dass es vertragsrechtliche Bestimmungen bei vielen Reiseveranstaltern gibt, die auf das Bestehen einer Reisewarnung Bezug nehmen, insbesondere, was die Möglichkeit angeht, eine Reise, die gebucht wurde, kostenfrei zu stornieren. Es gibt solche vertragsrechtlichen Bestimmungen nach unserer Kenntnis auch in den Bestimmungen von Auslandsreisekrankenversicherern, sodass sich jeder, der sich mit dem Gedanken trägt, auch dort informieren und vergewissern sollte, ob seine Reiseabsicht entsprechend gedeckt ist und ob dieser Versicherungsschutz besteht. Aber die Entscheidung ist letztlich, wie gesagt, eine, die in der Verantwortung des Einzelnen liegt. Wir versuchen, dafür so gut wie möglich Anhaltspunkte und Empfehlungen zu geben.
FRAGE: Bedeutet die Verlängerung dieser Reisewarnung für die Türkei, dass es keine Flugverbindung mit der Türkei gibt?
BURGER: Nein.
ZUSATZFRAGE: Ab wann wird eine Reise dann möglich sein, jederzeit?
BURGER: Ich glaube, die Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Flugverkehr bestehen kann, geht weit über die Frage einer Reisewarnung hinaus. Es ist derzeit auch so, dass es trotz der weltweiten Reisewarnung, die im Moment ja noch für die gesamte Welt gilt, bestehenden Flugverkehr zu ganz vielen Ländern der Welt gibt. Insofern ist das Bestehen einer Reisewarnung an sich jedenfalls kein Ausschlussgrund für Flugverkehr.
ALTER: Vielleicht kann ich noch einen Satz ergänzen, um das abzurunden: Der Flugverkehr hat sich verändert, weil sich das Reiseverhalten verändert hat, und das Reiseverhalten hat sich verändert, weil es Reisebeschränkungen gab. Im Verkehr mit sogenannten Drittstaaten die Türkei ist ein Drittstaat gibt es noch keine Entscheidung bzw. keine Empfehlung der Europäischen Kommission, wie mit den Reisebeschränkungen bei Reisen aus Drittstaaten nach dem 15. Juni umzugehen sein wird. Diese Empfehlung erwarten wir. Die werden wir umsetzen.
In Abhängigkeit davon werden Reisebeschränkungen entweder gelockert oder aufrechterhalten, und die Entwicklung des Flugverkehrs ist dann eine Folge davon. Es gibt ja kein Flugverbot, das wir verhängt hätten.
FRAGE BAUMANN: Ich habe eine Frage an das BMF. Im Leistungszeitraum von Juli bis Dezember wird es wahrscheinlich so sein, dass Firmen untereinander weiterhin mit einem Mehrwertsteuerfaktor von 19 Prozent fakturieren werden, obwohl der Satz ja auf 16 Prozent abgesenkt wurde. Jetzt ist es so: Wer eine Rechnung mit 19 Prozent ausstellt, muss diese 19 Prozent auch an das Finanzamt abführen. Derjenige, der diese Rechnung bekommt und bezahlt, kann aber nur 16 Prozent als Vorsteuer geltend machen. Welche Lösung haben Sie dafür?
DR. KUHN: Sie sprechen hier ja die Mehrwertsteuersenkung an. Das ist ein wichtiger konjunktureller Impuls, den wir damit geben wollen, indem wir die Nachfrage und die Wirtschaft stärken wollen. Wie es nach Beschlüssen der Regierungskoalition üblich ist, wird jetzt die konkrete Umsetzung im Ressortkreis abgestimmt und dann zeitnah in Form eines Gesetzgebungsvorschlags vorgelegt werden. Wir werden solche Anwendungsfragen, wie Sie sie jetzt ansprechen, dann auch in Verwaltungsanweisungen an die Finanzbehörden klären und erläutern, und hierbei werden wir natürlich auf praktikable Lösungen setzen, die im Sinne dieses Konjunkturimpulses sind.
ZUSATZFRAGE BAUMANN: Wann werden diese Details in etwa vorgestellt werden, in einer Woche oder in zwei Wochen?
DR. KUHN: Das werden wir zeitnah machen. Jetzt geht es ja erst einmal darum, dass, bevor man die Anwendungsregelungen näher erläutern kann, man erst einmal die Regelung schaffen kann. Wenn die Regelung geschaffen sein wird, werden wir sie dann auch zeitnah vorlegen. Aber klar ist: Wir arbeiten schon parallel daran.
FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, ich habe eine Frage zu Israel. Der israelische Außenminister hat ja heute bei seinem Treffen mit Bundesaußenminister Maas klargestellt, dass die Umsetzung der Annexion der Westbank durchgeführt wird. Darauf hätte ich gerne einmal eine Reaktion.
Ich habe noch eine Frage zu der Reise nach Ramallah, die jetzt nicht stattfindet. Der palästinensische Ministerpräsident sagte, dass der Bundesaußenminister auch Ramallah besuchen wollte, aber Israel gesagt habe, dass er, wenn er nach Ramallah ginge, dann, wenn er wieder zurückkäme, in eine zweiwöchige Quarantäne kommen würde. Können Sie das bestätigen?
BURGER: Zu Ihrer ersten Frage: Ich möchte um Verständnis dafür bitten, dass ich jetzt nicht zu den Aussagen, die auf einer Pressekonferenz vor wenigen Minuten gemacht wurden und bei der ich selbst nicht dabei war, Stellung nehmen kann. Der Außenminister war ja dort. Insofern würde ich Sie gerne auf das bei der Pressekonferenz von beiden Außenministern Gesagte verweisen. Es wird ja heute im Übrigen noch einmal eine Pressekonferenz des Außenministers mit seinem jordanischen Amtskollegen geben, bei der es auch noch einmal die Möglichkeit geben wird, Dinge einzuordnen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Darüber hatte ich hier ja bereits am Montag gesprochen. Diese Reise findet durch die Coronapandemie eben unter besonderen und erschwerten Bedingungen statt. Es war Außenminister Maas ein besonderes Anliegen, mit der neuen israelischen Regierung schnell ins Gespräch zu kommen. Gerade im Dossier des Nahostkonflikts ist es wichtig, nicht nur übereinander, sondern vor allem auch miteinander zu sprechen das passiert ja heute auch , und zwar mit beiden Seiten. Das Gespräch mit Premierminister Schtajjeh wird ja stattfinden, eben als Videokonferenz und gemeinsam mit dem jordanischen Außenminister aus Amman. Dieser Dreier-Austausch ist aus unserer Sicht auch ein wichtiges Signal, weil Jordanien ja als Nachbarstaat unmittelbar von dem Konflikt betroffen ist.
Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass sich der Außenminister erst vor Kurzem mit dem palästinensischen Premierminister Schtajjeh im Rahmen des deutsch-palästinensischen Lenkungsausschusses beraten hat. Das fand auch als Videokonferenz statt. Diese Art von virtuellen Reisen ist in Coronazeiten eben Teil des diplomatischen Handwerkszeugs geworden, und diese heutige Reise ist sozusagen eine Mischform aus beidem. Natürlich hoffen wir, dass wir über kurz oder lang auch wieder zu überwiegend persönlichen Gesprächen zurückfinden können; denn das ist ja ein wichtiger Bestandteil der Diplomatie.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Ich habe noch eine Nachfrage. Heißt das, dass es zu keinem Zeitpunkt einen Plan gab, nach Ramallah zu reisen? Habe ich das richtig verstanden? Der palästinensische Ministerpräsident sagt ja, dass er kommen wollte, aber die Israelis Nein gesagt hätten.
BURGER: Wie gesagt: Aus unserer Sicht ist das Entscheidende, dass wir die Möglichkeit haben, heute mit der palästinensischen Seite zu sprechen, und das ist ja auch gewährleistet.
FRAGE JORDANS: Ich würde da gerne nachhaken. Es hat ja vom Auswärtigen Amt schon geheißen, dass Pandemiebeschränkungen der Grund dafür waren, dass er nicht nach Ramallah reisen konnte. Dabei stimmt das gar nicht. Die Ein- und Ausreise ins Westjordanland von Israel aus ist ja problemlos möglich. Gestern fand eine Pressekonferenz mit Herrn Schtajjeh statt, anlässlich der Korrespondenten aus Jerusalem problemlos hin- und zurückreisen konnten. Was war also der Grund dafür, dass der Außenminister nicht nach Ramallah gereist ist?
BURGER: Wie gesagt: Diese Reise findet aufgrund der Coronapandemie unter besonderen und erschwerten Bedingungen statt. Das ist der Grund dafür, dass das Format und der Verlauf der Reise so entstanden sind, wie es jetzt feststeht. Aus unserer Sicht ist entscheidend, dass wir die Möglichkeit zum Gespräch mit beiden Seiten haben.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass es doch keine Beschränkungen, aber andere erschwerte Bedingungen gab, oder gab es Beschränkungen, die die Reise jetzt wirklich unmöglich gemacht haben?
BURGER: Es gibt Beschränkungen, die sich aus der Coronapandemie ergeben. Es gibt Einschränkungen der Reisemöglichkeiten für uns alle, und die haben dazu geführt, dass der Reiseverlauf so gewählt wurde, wie er jetzt gewählt wurde.
FRAGE JUNG: Gab es von israelischer Seite zu irgendeinem Zeitpunkt Druck bzw. Hinweise, was den geplanten Besuch in Ramallah angeht?
BURGER: Ich verstehe die Frage nicht. Gab es Hinweise, was den geplanten Besuch in Ramallah angeht?
ZUSATZFRAGE JUNG: Gab es Druck, Hinweise oder freundliche Gespräche mit der israelischen Seite, was den Besuch in Ramallah angeht, weil man ja durch Israel nach Ramallah kommen muss? Die Berichte auch in israelischen Zeitungen besagen, dass die israelische Seite Druck auf Sie ausgeübt habe: „Wenn Sie dahin fahren, dann können Sie das gerne machen, aber dann muss Herr Maas zwei Wochen in Quarantäne.“ Das gilt für alle anderen ja nicht, und das kann man gemeinhin als Druck bezeichnen, dem sich die Bundesregierung gebeugt hat. Ist das korrekt?
BURGER: Ich habe Ihnen gesagt, was der Grund für den Reiseverlauf in der jetzigen Form ist. Das ist die Tatsache, dass wir unter Coronabedingungen reisen und
ZURUF JUNG: Ja, aber das passt doch zu der Berichterstattung, dass die israelische Seite sagt „coronabedingte Bedingung: zwei Wochen Quarantäne“.
BURGER: Wenn das Ihre Wertung ist
FRAGE SCHÜTZ: Wie stehen die Bundesregierung und insbesondere das Coronakabinett zu den Vorwürfen des Virologen Streeck, dass der Lockdown zu schnell und zu drastisch gewesen sei?
SRS’IN DEMMER: Vielleicht kann ich da den Einstieg übernehmen. Wenn Sie die letzten Monate Revue passieren lassen, dann erscheint es sinnvoll, zwei Aspekte genauer zu betrachten, nämlich das zu bestimmten Zeitpunkten vorhandene Wissen über das neuartige Coronavirus, also das täglich wachsende Wissen, und die Entwicklung der Fallzahlen in Deutschland und Europa. Wir haben hier wiederholt auch in der Regierungspressekonferenz darüber gesprochen, dass das Infektionsgeschehen ein sehr dynamisches ist. Das Wissen um das neue Virus war anfangs gering, nimmt aber täglich zu. Anfangs, als die ersten einzelnen Fälle in Deutschland aufgetreten waren, konnten die Infektionsketten nachvollzogen werden. Man wusste, wo der Ausgangspunkt der Ansteckungen ist, und konnte das nachverfolgen. In dieser Zeit war eine andere Strategie angemessen als später, als es nicht mehr nachvollziehbar war, wie sich die Infektionsketten entwickelt haben, und als vor allen Dingen auch die Fallzahlen im europäischen Ausland rasant stiegen. Da wurde die Strategie dann geändert.
Es ging uns immer darum, dass das Gesundheitssystem angemessen ausgestattet ist, und auch darum, es angemessen auszustatten, also aktiv, und die Bedingungen zu verbessern, um eben auch mit zunehmenden Fallzahlen nicht an die Belastungsgrenze zu kommen. Gleichzeitig ging es darum, mithilfe entsprechender Maßnahmen auch die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Ich würde sagen: Beides ist uns gelungen. Wir hatten zu jedem Zeitpunkt ausreichende Behandlungskapazitäten. Das Gesundheitssystem war immer und zu jeder Zeit gut genug gerüstet, nicht nur für COVID-19-Erkrankte, sondern für alle Fälle, egal, ob es sich um einen Herzinfarkt, einen Autounfall oder einen Armbruch gehandelt hat. Außerdem sind die Infektionszahlen deutlich zurückgegangen. Das, würde ich sagen, ist ein Erfolg, den wir uns gemeinsam erarbeitet haben – dank der Maßnahmen, die wir ergriffen haben.
Inwieweit welche Maßnahmen im Einzelnen welchen Anteil an diesem Erfolg haben und gehabt haben, ist schon mittlerweile Gegenstand der Forschung und wird uns natürlich auch weiterhin beschäftigen. Deswegen wird eine abschließende Bewertung der Maßnahmen, die wir ergriffen haben, abzuwarten bleiben.
VORS: FELDHOFF: Will das Gesundheitsministerium noch etwas ergänzen?
NAUBER: Nein, ich kann dem nichts hinzufügen.
FRAGE JUNG: Können Sie uns sagen, wie viele Tests aktuell durchgeführt werden und wie die Testkapazitäten ausgenutzt werden?
NAUBER: In den vergangenen Wochen waren es konstant immer zwischen 350 000 und 400 000 Tests pro Woche. Die neuen Zahlen werden heute im Lagebericht veröffentlicht werden. Der kommt heute Nachmittag heraus. Die lagen vorhin noch nicht vor. Deswegen kann ich Ihnen die jetzt noch nicht nennen.
Die Kapazitäten lagen meines Wissens in der vergangenen Woche bei etwas mehr als einer Million.
ZUSATZFRAGE JUNG: Warum werden die nicht ausgeschöpft?
NAUBER: Sie haben ja vielleicht mitbekommen, dass gestern die neue Testverordnung, die wir angekündigt hatten, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist. Diese gilt dann rückwirkend ab dem 14. Mai. Neu ist, dass auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung auch Personen getestet werden können, die keine Symptome haben, also zum Beispiel Kontaktpersonen von jemandem, der infiziert ist. Möglich werden damit auch Reihentests, zum Beispiel in Pflegeheimen. Dazu hat sich Minister Spahn gestern auch geäußert und gesagt:
„Wir wollen das Virus im Keim ersticken. Das geht nur mit präventiven Reihentests in Krankenhäusern und Pflegeheimen und wenn wir möglichst alle Kontaktpersonen von Infizierten testen. Am Geld soll das nicht scheitern. Es ist viel teurer, zu wenig zu testen, als zu viel zu testen.“
FRAGE: Ich hätte gerne gewusst, ob es neue Einschätzungen zu der wahrscheinlichen Neuverschuldung des Bundes gibt. Es gab vor Kurzem Medienberichte darüber, dass es um bis zu 50 Milliarden Euro gehen könnte, zusätzlich zu dem, was schon im März gebilligt wurde.
DR. KUHN: Derzeit laufen ja die Aufstellung oder das Aufstellungsverfahren für den Nachtragshaushalt. Zum Umfang der Nettokreditaufnahme werden wir dann Stellung nehmen, sobald dieser Nachtragshaushalt steht.
ZUSATZFRAGE: Können Sie sagen, wann das sein wird?
DR. KUHN: Das wird zeitnah erfolgen. Wir sind jetzt gerade im Aufstellungsverfahren und versuchen, zeitnah einen Vorschlag vorzulegen.
FRAGE: Mir geht es um die Debatte um den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz. Ich würde gerne wissen, ob die Bundeskanzlerin dazu schon eine Meinung hat und ob sie sie schon geäußert hat, und vielleicht auch, wie das Bundesjustizministerium dazu steht.
SRS’IN DEMMER: Vielleicht fängt erst einmal das Fachressort an.
DR. KRÜGER: Vielen Dank für diese Frage. – Ich möchte darstellen, was die Beweggründe dafür gewesen sind, diesen Begriff in das Grundgesetz aufzunehmen. Der Begriff wurde eben vor allem in Artikel 3, Absatz 3, Satz 1 des Grundgesetzes vor allem vor dem Hintergrund der Verfolgung und Benachteiligung von Minderheiten im Nationalsozialismus, insbesondere der Personen jüdischer Abstammung aufgenommen. Er macht ganz klar keine Aussage zur Existenz verschiedener menschlicher Rassen, und ihm ist auch keine Akzeptanz von bestimmten Rassekonzepten zu entnehmen. Den Vätern und Müttern des Grundgesetzes ging es eben darum, damals ein deutliches Zeichen gegen den Rassenwahn zu setzen. Dies erst einmal zum Hintergrund dessen, wie der Begriff da hineingekommen ist.
Dann möchte ich darauf hinweisen, dass der Begriff „Rasse“ auch in der europäischen Antirassismusrichtlinie verwendet wird und dass in dem Zusammenhang auch diskutiert wurde, dass er auch der sprachliche Anknüpfungspunkt für den Begriff des Rassismus ist, gegen den wir in der gesamten Bundesregierung eben auch ganz klar vorgehen wollen. Das ist der Grund, weshalb der Begriff halt auch noch darin steht.
SRS’IN DEMMER: Ich kann mich den Ausführungen der Kollegin hier nur voll und ganz anschließen. Ich möchte jetzt auch die aktuelle politische Debatte über diesen einzelnen Begriff im Grundgesetz nicht weiter kommentieren und kann für die Bundesregierung nur noch einmal betonen, dass es hierbei ja um einen Kampf gegen den Rassismus geht, der uns nicht nur in den letzten Tagen intensiv beschäftigt hat, sondern der ganz grundsätzliches Ziel der Bundesregierung ist, um die Bekämpfung von Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus sowie gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die für die Bundesregierung oberste Priorität hat.
FRAGE JUNG: Aber widerspricht dem Kampf gegen Rassismus nicht, dass immer noch von „Rasse“ gesprochen wird? Es ist ja quasi Antirassismus, diesen Begriff „Rasse“ zu überwinden.
Herr Alter, warum haben Ihr Minister bzw. Ihr Ministerium als Verfassungsministerium Bauchschmerzen dabei, diesen Begriff zu streichen?
ALTER: Meine Kollegin aus dem Justizministerium hat eben deutlich gemacht, was die Beweggründe dafür waren, diesen Begriff überhaupt in den Jahren 1948 und 1949 aufzunehmen. Der Bundesinnenminister hat auch heute schon im Rahmen einer Pressekonferenz darauf hingewiesen, dass er sich nicht ganz grundsätzlich einer Diskussion darüber verschließt, aber dass man diese Frage nicht mit einem Händewisch beantworten kann. Die Streichung des Begriffs „Rasse“ aus Artikel 3 des Grundgesetzes hätte zur Folge, dass der Begriff verschwindet. Wie eben schon gehört wurde, ist dieser Begriff eben auch ein Anknüpfungspunkt an den Begriff „Rassismus“, gegen den wir alle entschieden eintreten. Insofern gibt es auch Argumente, die möglicherweise dafür sprechen, dass die aktuelle Formulierung vielleicht in gewisser Weise auch Sinn ergibt. Insofern bleibt es bei dem, was der Minister gesagt hat: Eine Diskussion darüber kann man führen, aber man sollte sie so führen, dass man ausgewogen alle wichtigen Argumente gegenüberstellt, und nicht so, dass man aus einer aktuellen Stimmung heraus entscheidet.
FRAGE JUNG: Ist denn die Justizministerin, die der SPD angehört Teile der SPD fordern das jetzt auch schon , für eine Änderung des Artikels 3?
DR. KRÜGER: Dazu kann ich jetzt nichts berichten. Ich beziehe mich noch einmal auf das, was ich hier vorgetragen habe.
FRAGE: An Frau Demmer oder an das BMG: Nächste Woche soll ja die Corona-Warn-App starten. Ist inzwischen klar, an welchem Tag genau?
SRS’IN DEMMER: Wir werden Sie zeitnah einladen. Es bleibt, wie wir gesagt haben, bei Mitte Juni, und wir sind frohen Mutes.
NAUBER: Dem kann ich nichts hinzufügen.
FRAGE JORDANS: An das Auswärtige Amt oder vielleicht an das BMG und BPA: Haben Sie aus Washington inzwischen eine offizielle Bestätigung über den Abzug amerikanischer Truppen aus Deutschland erhalten?
SRS’IN DEMMER: Die Bundesregierung ist darüber informiert worden, dass es in der US-Administration Überlegungen gibt, die Präsenz der US-Streitkräfte in Deutschland zu reduzieren. Eine abschließende Entscheidung gibt es nach unserem Kenntnisstand aber nicht.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Wurden Sie darüber nur informiert oder hat man Sie irgendwie gebeten, Stellung dazu zu nehmen? Wird die Bundesregierung also zu den Auswirkungen usw. usf. konsultiert?
SRS’IN DEMMER: Ich glaube, meine Formulierung war ganz eindeutig: Die Bundesregierung ist darüber informiert worden.
FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Demmer, die Bundeskanzlerin hat gestern ja mit dem russischen Präsidenten die Situation in Libyen besprochen. Können Sie darüber Näheres sagen?
Wie sieht die Bundeskanzlerin die Rolle Russlands im libyschen Krieg? Russland unterstützt ja Haftar.
SRS’IN DEMMER: In der Tat, die Bundeskanzlerin hat gestern mit Putin zu diesem Thema telefoniert, und die Lage in Libyen war eines der in dem Telefonat besprochenen Themen. Die Bundesregierung führt die mit der Berlin-Konferenz eingeleiteten diplomatischen Bemühungen mit großem Engagement fort. Das gilt gleichermaßen für das Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt. Sie begrüßt alle Initiativen, die einen Waffenstillstand in Libyen voranbringen und eine Rückkehr beider Seiten an den Verhandlungstisch befördern. Die Verhandlungen unter VN-Ägide bleiben der zentrale Bezugspunkt für den Friedensprozess, und die Bundeskanzlerin und der ägyptische Staatspräsident waren sich in ihrem Telefongespräch jüngst einig, dass die Konfliktparteien nun die 5+5-Militärgespräche fortsetzen und zu den von den VN geleiteten politischen Gesprächen zurückkehren sollten. Die Lösung des Konflikts werden wir nur schaffen das haben wir hier ja auch immer wieder betont , wenn wir von einer militärischen Kriegslogik zu einer politischen Verhandlungslogik zurückkehren.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Meine Frage war jetzt mehr die Frage nach der Rolle Russlands in Libyen.
SRS’IN DEMMER: Vielleicht kann das Auswärtige Amt etwas dazu sagen?
BURGER: Können Sie die Frage vielleicht noch präzisieren? Denn Frau Demmer hat ja zu dem Gespräch mit dem russischen Präsidenten gerade etwas gesagt.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Wie bewertet die Bundesregierung Russlands Rolle im libyschen Bürgerkrieg?
BURGER: Russland ist eines der Länder, die am Berliner Prozess teilnehmen. Russland gehört zu der Gruppe von Staaten, von denen wir bei der Gestaltung des Berliner Prozesses der Auffassung waren, dass sie dort mit an den Tisch gehören, weil sie in Libyen Einfluss haben und Einfluss ausüben. Deswegen ist es uns wichtig, Russland bei allen Bemühungen einzubeziehen, Druck auf die Konfliktparteien aufzubauen und aufrechtzuerhalten und sich einer politischen Lösung nicht weiter zu verschließen.
FRAGE: Was hält die Bundesregierung von Forderungen der Grünen und der Linken, eine eigene gesetzliche Grundlage für die Warn-App zu schaffen, um Diskriminierung bei Alltagsgeschäften zu unterbinden?
SRS’IN DEMMER: Ich kann noch einmal betonen, was wir hier ja schon vielfach gesagt haben: Es geht hier ja um eine App, die auf rein freiwilliger Basis funktioniert. Es ist freiwillig, sie herunterzuladen, und auch die Nutzung ist freiwillig. Man kann sozusagen, wenn man selbst positiv getestet ist, diese App nutzen oder auch nicht, selbst wenn man sie heruntergeladen hat. Das ist also eine in mehrfacher Hinsicht auf Freiwilligkeit basierende Technik, und insofern braucht es dafür keine gesetzliche Grundlage.
NAUBER: Ich kann das auch nur noch einmal so bestätigen. Minister Spahn hat sich dazu am Montag auch in der „Rheinischen Post“ geäußert und gesagt:
„Es gibt ja bereits eine klare gesetzliche Grundlage, und das ist die Datenschutzgrundverordnung. Dort ist alles Notwendige, etwa zur Freiwilligkeit und zur ausdrücklichen Einwilligung für jede Nutzung der Daten, eindeutig geregelt. Besser geht es nicht.“
SRS’IN DEMMER: Vielleicht kann ich das noch ergänzen. Der Vorstoß und der Wunsch nach einer gesetzlichen Grundlage basiert ja auch auf der Sorge des Datenschutzes. Auch der Datenschutz ist in dieser App zu hundert Prozent umgesetzt. Selbst der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, bestätigt den Grundsatz der Bundesregierung, bei der Entwicklung und beim Einsatz der App verschiedene Elemente als unumstößlich zu erklären: Es geht bei dieser App um absolute Transparenz, höchste IT-Sicherheit, allumfassenden Datenschutz und größtmögliche Barrierefreiheit. Grundlage für den Datenschutz ist natürlich, wie erwähnt, auch die Datenschutz-Grundverordnung. Die App selbst hat eingebaute Maßnahmen zur Sicherung der Privatsphäre.
FRAGE JUNG: An das Verkehrsministerium zum Thema Verhinderung von Seenotrettung: Es geht mir um die Änderung der See-Sportbootverordnung und der Schiffssicherheitsverordnung. Bisher brauchten Boote von Seenotrettungsorganisationen kein Schiffssicherheitszeugnis, weil sie unter der Sport- und Freizeitzweckregelung liefen. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat letztens auch bestätigt, dass gemeinnützige und humanitäre Tätigkeiten bei der Freizeit einzuschließen sind. Warum hat Ihr Ministerium jetzt die Verordnung so geändert, dass aus „Sport- und Freizeitzwecken“ nun „Sport- und Erholungszwecke“ geworden sind? Bei Erholung ist ja dann die gemeinnützige und humanitäre Tätigkeit nicht mehr enthalten, sodass diese Seenotretterboote jetzt ein Schiffssicherheitszeugnis brauchen, was ihre Arbeit praktisch unmöglich macht.
ALEXANDRIN: Vielleicht fange ich einmal damit an zu erklären, was die sogenannte Schiffssicherheitsverordnung ist: Die Schiffssicherheitsverordnung dient dem Schutz der Personen an Bord, der Schifffahrt und der Schifffahrtseinrichtung einschließlich anderer Verkehrsteilnehmer sowie der Gesundheit, Küste und Umwelt und gleichzeitig der Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland als Flaggenstaat aus Art. 94 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.
Ich komme ganz kurz zur Rechtsänderung: Die Änderung erfolgte ausschließlich aus schiffssicherheitsrechtlichen Erwägungen. Ehrenamtliche Helfer sind bei zielgerichteten, organisierten Einsätzen vergleichbaren Gefahren ausgesetzt wie Berufsseeleute. Die Änderung soll bewirken, dass die Schiffe der Helfer einen nach objektiven Kriterien entwickelten Sicherheitsstandard für die professionelle Seefahrt erfüllen. Damit kommt Deutschland auch seinen internationalen Verpflichtungen als Flaggenstaat nach. Schiffen, die die hierfür erforderlichen Schiffszeugnisse, die Sie ja auch ansprachen, vorweisen können, bleibt es weiterhin unbenommen, unter der Bundesflagge zu operieren.
Noch einmal ganz kurz zu Ihrer Aussage, damit würden wir die Arbeit von Seenotrettungsorganisationen unmöglich machen: Das stimmt nicht, denn derzeit machen hiervon bereits andere Betreiber entsprechend Gebrauch. Die deutschen Behörden arbeiten in diesem Fall sehr intensiv mit den Organisationen zusammen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Aber Sie erkennen schon an, dass diese Organisationen jetzt ein Schiffssicherheitszeugnis brauchen, was für sie und ihre Boote und für ihre essenzielle Arbeit einen viel, viel größeren Aufwand bedeutet?
ALEXANDRIN: Wie ich gerade schon gesagt habe: Für uns stehen dort tatsächlich die schiffssicherheitstechnischen Erwägungen im Vordergrund.
ZUSATZFRAGE JUNG: An das Auswärtige Amt: Wie bewerten Sie diese Änderung? Alle deutschen Seenotrettungsorganisationen halten diese Maßnahme für eine Verhinderungspraxis ihrer Arbeit. Sehen Sie das auch so?
BURGER: Ich kann dazu sagen, dass diese Rechtsänderung ja aus schiffssicherheitsrechtlichen Erwägungen in der Federführung des BMVI getroffen wurde. Das Auswärtige Amt war während der Ressortabstimmung im Rahmen seiner Zuständigkeiten beteiligt. Unsere grundsätzliche Haltung ist unverändert: Seenotrettung ist eine rechtliche und eine humanitäre Verpflichtung, und auch der Beitrag privater Seenotrettung ist und bleibt dabei wichtig und darf nicht behindert werden.
FRAGE JORDANS: An Herrn Alexandrin: Haben Sie vorab mit den betreffenden NGOs Gespräche geführt, wie das deren Arbeit beeinflussen oder einschränken würde? Was tut das BMVI, um den betroffenen NGOs beim Umbau oder beim Training ich weiß nicht genau, was da jetzt notwendig ist behilflich zu sein oder sie finanziell zu unterstützen?
Können Sie sagen, wie viele Personen Ihres Wissens in den letzten Jahren durch das Fehlen dieser Bescheinigungen auf den betroffenen Schiffen zu Schaden gekommen sind?
ALEXANDRIN: Ich fange vielleicht einmal mit dem letzten Aspekt an: Wie immer bei Sicherheitsfragen sollte nicht gewartet werden, bis etwas passiert, sondern diese Sicherheitsfragen sollten geklärt sein.
Zum Thema Abstimmungsprozess des Rechtssetzungsverfahrens: Es fand eine ordentliche Verbändeanhörung statt.
Was war der dritte Aspekt?
ZUSATZFRAGE JORDANS: Die Unterstützung. Die Bundesregierung wirft ja im Moment geradezu mit Geld um sich. Hier geht es ja auch um Menschenleben, die gerettet werden sollen. Gibt es da von Ihrer Seite aus jetzt irgendwelche Unterstützung finanzieller oder anderer Art für die betroffenen Organisationen?
ALEXANDRIN: Von finanzieller Unterstützung kann ich von meiner Seite aus nicht berichten. Klar ist, dass die verantwortliche Dienststelle Schiffssicherheit sicherlich als Ansprechpartner zur Verfügung steht, wenn es um die Umsetzung der Maßnahmen geht.
FRAGE JUNG: Sie haben gerade also bestätigt, dass es da nicht in irgendeiner Form einen konkreten Anlass gab, etwas zu ändern?
ALEXANDRIN: Den Anlass habe ich vorher bereits ausgeführt.
ZUSATZFRAGE JUNG: Aber es gab ja bisher keine Präzedenzfälle, die das veranlasst hätten. Sie haben sich vielmehr etwas ausgedacht, durch das diese Arbeit erschwert wird.
Herr Burger, Sie unterstützen das, und gleichzeitig sind jetzt alle deutschen Rettungsschiffe, die aktuell auslaufen könnten, gezwungen, an Land bzw. im Hafen zu bleiben. Wie passt das mit Ihrem Worten zusammen? Sie haben daran ja mitgearbeitet.
BURGER: Den Hintergrund für diese Rechtsänderung haben wir Ihnen hier gerade ausgeführt: Das sind die vom BMVI ausgeführten schiffssicherheitstechnischen Erwägungen.
ZUSATZ JUNG: Ja, und das hat jetzt ja verheerende Folgen für diese Organisation, die Sie angeblich unterstützen.
BURGER: Wie gesagt, der Grund dafür, die Motivation dafür ist die Sicherheit der betroffenen und die Sicherheit dieser Schiffe. Was das in fachlicher Hinsicht bedeutet, hat das BMVI ausgeführt. Aus unserer Sicht ist eben wichtig, dass Seenotrettung stattfinden kann, weil Seenotrettung eine rechtliche und humanitäre Verpflichtung ist.
ZUSATZ JUNG: Aber das kann ja nicht mehr stattfinden.
VORS. FELDHOFF: Herr Jung, ich glaube, Ihre Frage ist verstanden worden, und ich glaube, alle haben auch verstanden, dass die Antwort aus Ihrer Sicht nicht befriedigend ist. Das kann ich nachvollziehen. Aber es nützt doch nichts, wenn Sie jetzt anfangen zu diskutieren.
FRAGE: An das Justizministerium zum Thema Kinderpornografie: Die Justizministerin ist ja gegen eine Strafverschärfung. Können Sie erklären, warum?
DR. KRÜGER: Diese konkreten Äußerungen der Ministerin sind mir nicht bekannt. Es gibt verschiedene Äußerungen, die sie in den letzten Tagen getroffen hat. Um daraus einen Auszug zu nennen:
„Der pauschale Ruf nach einer abstrakten Strafrechtsverschärfung bei Kinderpornografie … führt nicht weiter.“
Ich rege an, dass Sie sich die gesamten Zitate dazu noch einmal ansehen.
Zu dem ganzen Thema möchte ich vielleicht noch kurz ausführen: Der sexuelle Kindesmissbrauch gehört ja zu den schwersten Straftaten, die das deutsche Recht überhaupt schon kennt. Der geltende Strafrahmen gibt den Gerichten aus unserer Sicht schon den Raum, Taten auch mit empfindlichen schuldangemessenen Strafen zu ahnden. Das haben wir beispielsweise im Fall Lügde gesehen, in dem eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren verhängt worden ist.
Wir prüfen aber laufend, welche Maßnahmen getroffen werden müssen und wie Kinder eben noch wirkungsvoller geschützt werden können. Diese Prüfung schließt auch das Strafrecht ein. Wir sind allerdings der Auffassung, dass eine Verschärfung des Strafmaßes kein Allheilmittel für alles sein kann. Wichtig ist eben, verschiedene Maßnahmen und verschiedene Aspekte in den Blick zu nehmen. So kann ich zum Beispiel darauf hinweisen, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode erst vor Kurzem Ermittlungsbefugnisse erweitert hat und dass jetzt beispielsweise mit dem Gesetzentwurf für Hass und Hetze, der in Kürze vom Bundestag beschlossen werden soll, eine Meldepflicht für kinderpornografische Aufnahmen eingeführt werden soll, sodass die Provider solche Fälle dann an das Bundeskriminalamt melden müssen.
Es gibt weitere Maßnahmen, die wir hier nennen könnten. Beispielsweise verhandeln wir mit dem E-Evidence-Dossier zurzeit auf europäischer Ebene ein Schlüsseldossier, das mit Blick auf grenzüberschreitende Ermittlungen im Cyberraum das Ganze effizienter gestalten soll. Es gibt also ganz viele Maßnahmen, die wir in den Blick nehmen sollten.
Ganz wichtig sind aus unserer Sicht auch Maßnahmen, die nicht im Bereich des Justizressorts ressortieren. Beispielsweise ist die Prävention aus unserer Sicht ein ganz, ganz wichtiger Aspekt, der auch unbedingt verstärkt werden sollte. Auch das Thema Aufmerksamkeit des Umfeldes ist natürlich ein ganz wichtiges; denn bei Nachbarn, Lehrern und im Sportverein sollte natürlich die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung da sein, ob Kinder sich verändern und Anzeichen zeigen, die auf einen Kindesmissbrauch hindeuten.
Auch die Ausstattung von Polizei und Justiz ist natürlich ein Thema, das ganz wichtig ist und in letzter Zeit auch verstärkt wurde. Man kann zum Beispiel auch darauf hinweisen: Dass die Ausstattung verstärkt wurde und auch die Ermittlungsmöglichkeiten zugenommen haben, ist eben auch ein Grund dafür, dass wir jetzt immer mehr von diesen furchtbaren Straftaten sehen, einfach, weil jetzt mehr dieser furchtbaren Straftaten vom Dunkelfeld ins Hellfeld rücken. Das heißt, wir müssen auch damit rechnen, dass wir auch in Zukunft noch solche Straftaten aufdecken.
Um es abzukürzen: Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass sehr viele verschiedene Bereiche in den Blick genommen werden und da geprüft wird, was wir tun können, um diesen Weg weiter zu beschreiten und zu schauen, wie Kinder noch besser geschützt werden können.
FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, eine Frage zum Iran-Waffenembargo: Die Vereinigten Staaten bereiten einen Resolutionsentwurf vor, wonach es ein permanentes Waffenembargo gegen den Iran geben wird. Die amerikanische Botschafterin in der UN, Kelly Craft, hat am Freitag gesagt, Deutschland werde ein permanentes Waffenembargo unterstützen. Können Sie diese Äußerung so bestätigen? Was ist generell die Position der Bundesregierung zur Verlängerung des Waffenembargos, das ja am 18. Oktober abläuft?
BURGER: Ich kann Ihnen dazu sagen: Angesichts der Spannungen in der Region wird es darauf ankommen, die Folgen des Endes des Waffenembargos zu begrenzen. Dazu sind wir mit unseren Partnern im Gespräch. Den Ergebnissen dieser Gespräche kann ich aber hier und heute nicht vorgreifen.
Übrigens bleiben das UN-Embargo für Raketen- und Trägertechnologie sowie das umfassende EU-Embargo für konventionelle Waffen sowie Raketen- und Trägertechnologie noch bis 2023 in Kraft.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Nun hat die Botschafterin explizit auch erwähnt, dass Deutschland so ein permanentes Waffenembargo unterstützen würde. Können Sie das bestätigen?
BURGER: Wie gesagt, wir sind mit unseren Partnern im Gespräch, aber Details aus diesen Gesprächen kann ich an dieser Stelle nicht kommentieren.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Aber generell unterstützen Sie die Verlängerung des Waffenembargos?
BURGER: Was ich hier gesagt habe, ist, dass es mit Blick auf die Spannungen in der Region darauf ankommen wird, die Folgen des Endes des Waffenembargos zu begrenzen.