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Bundesregierung für Desinteressierte: Sehenswerte BPK vom 22. Juni 2020

Themen: Ereignisse in Stuttgart, mögliche Strafanzeige des Bundesinnenministers aufgrund eines Artikels in der „taz“, Reise des Bundesaußenministers nach Spanien, zweite Berliner Konferenz zu Klima und Sicherheit, Lufthansa, Strafanzeige der BaFin gegen die Wirecard AG, Corona-Ausbruch bei der Tönnies Unternehmensgruppe / Gesetzesänderungen in Bezug auf die Fleischindustrie, Corona-Warn-App, Ukraine-Konflikt, Lage in Libyen, Präsidentschaftswahl in Bolivien, Besuch des französischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen, deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Naive Fragen zu:
Seehofer vs Pressefreiheit/taz (ab 3:00)
– Können Sie mal Ihr Pressefreiheitsverständnis im Vergleich zu Russland oder zur Türkei erklären, Herr Grünewälder? (ab 9:25)
– Herr Seibert, gilt Ihr Satz von vor genau einer Woche? Genau hier haben Sie gesessen und uns gesagt: „Niemand in der Bundesregierung greift in die Pressefreiheit ein. Das widerspricht ja völlig unseren Überzeugungen … Die Bundesregierung steht zur Pressefreiheit ohne jeden Abstrich.“ Gilt dieser Satz noch, und, wenn ja, wie passt das mit der Strafanzeige des Innenministers zusammen?
– Das heißt, Strafanzeige gegen Journalisten sind mit dem Pressefreiheitsverständnis der Bundesregierung vereinbar?
– setzt sich die Kanzlerin denn intern dafür ein, dass der Innenminister die Anzeige doch nicht stellt? Habe ich Sie da richtig verstanden? (ab 27:12)
– Herr Seibert, Sie sagten hier in diesem Raum 2017 über die Pressefreiheit:„Wir müssen und für diese Bundesregierung kann ich sagen: wir werden sie immer aufs Neue verteidigen – bei uns in Europa und darüber hinaus. Leider werden freie Medien und mutige Journalisten in so vielen Ländern dieser Erde verfolgt, sie werden schikaniert.“ Verteidigen Sie auch in diesem Fall die Pressefreiheit? Sehen Sie darin, mithilfe einer Anzeige gegen Journalisten vorzugehen, keine Schikane eines Innenministers? Ob sie nun mutig sind oder eine schlechte Kolumne geschrieben haben, ist ja erst einmal zweitrangig.
– schadet dieser Vorgang dem deutschen Ansehen in der Welt, wenn es um Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung geht?

Maas‘ Reisen (ab 32:55)
– Was erfordert die physische Anwesenheit von Herrn Maas in Spanien? Warum muss also diesmal geflogen werden? (ab 34:37)
– Hat das Auswärtige Amt CO2-Emissionsminderungsziele?

Tönnies‘ Schweinerei (ab 49:57)
– wie steht die Kanzlerin zu der Entwicklung in Gütersloh in Sachen Coronaausbrüche und zum konkreten Ausmaß beim Fleischhersteller Tönnies? Ist sie überrascht? Wusste sie von den Zuständen?
– Hält sie bzw. die Bundesregierung immer noch daran fest, mit der Gesetzesänderung in der Fleischindustrie bis zum 1. Januar zu warten? Wenn die Zustände in der Fleischindustrie laut Bundesregierung nicht haltbar und nicht akzeptabel sind, warum wird dann noch bis Januar gewartet und nicht, wie zum Beispiel bei dem Konjunkturpaket, ab dem 1. Juli entschieden?
– Die Kanzlerin, die Bundesregierung war stolz auf diesen Notfallmechanismus, der bei 50 neuen Infektionen pro 100 000 Einwohner greifen soll. Herr Seibert, können Sie uns erklären, warum dieser Mechanismus bei diesem offensichtlichen Fall jetzt nicht automatisch zur Anwendung kommt?
– Herr Heil hatte gesagt: „Wir machen jetzt Schwerpunktrazzien der Arbeitsschutzbehörden des Zolls.“ Herr Kuhn, Sie sind für den Zoll zuständig. Wie hat sich die Zahl der Razzien in den letzten Wochen und Monaten verändert? Können Sie uns aktuelle Zahlen nennen?

EU-Ratspräsidentschaft (ab 1:18:05)
– Es gibt Diskussionen zum Sponsoring. Rumänien hatte seine Ratspräsidentschaft von Coca-Cola sponsern lassen, Österreich von Audi und Bulgarien von BMW. Von wem wird die Bundesregierung während der EU-Ratspräsidentschaft gesponsert? Oder verzichtet die Bundesregierung komplett darauf?
– Das heißt, Sie verzichten komplett darauf, und es gibt auch keine kleinen lokalen oder regionalen Unternehmen, die Getränke sponsern etc.?

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 22. Juni 2020:

STS SEIBERT: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich will die Pressekonferenz kurz mit einigen Worten zu den Ereignissen von Stuttgart eröffnen.

Die Szenen, die sich in der Stuttgarter Innenstadt Samstagnacht abgespielt haben, sind abscheulich und scharf zu verurteilen. Wer sich an solchen Gewaltausbrüchen beteiligt, wer Polizisten brutal angreift und Geschäfte zerstört und plündert, der kann sich dafür nicht mit irgendetwas rechtfertigen. Wer das getan hat, der hat sich gegen seine Stadt gestellt, gegen die Bürger, mit denen er zusammenlebt, und gegen die Gesetze, die uns alle schützen.

Im Namen der Bundesregierung danke ich allen Polizisten und Polizistinnen, die diesen sehr schwierigen Einsatz zu bewältigen hatten, ebenso auch den Rettungskräften. Ich wünsche denen, die dabei angegriffen und verletzt wurden, baldige Genesung.

Sie alle in der Polizei sollen wissen: Die Bundesregierung und Millionen von Menschen stehen hinter Ihnen und sind dankbar dafür, was Sie tagtäglich dafür leisten, dass wir auf der Grundlage unserer Gesetze in diesem Land friedlich zusammenleben können.

FRAGE DR. RINKE: Meine Frage passt vielleicht indirekt in diesen Zusammenhang, weil wir gleich zu der Anzeige überleiten können, die Herr Seehofer im Zusammenhang mit einem Beitrag in der „taz“ über Polizisten gestellt hat.

Herr Seibert, steht auch die Bundeskanzlerin hinter dieser Anzeige?

Herr Grünewälder, können Sie noch einmal erläutern, was denn der Hintergrund und der Grund für diese Anzeige Herrn Seehofers sind? Es gibt ja Kritik wegen des Umgangs mit Journalisten. Was genau hat ihn bewogen, genau in diesem einen spezifischen Fall eine Anzeige zu stellen?

STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin ist darüber mit dem Bundesinnenminister im Gespräch. Das ist ein vertrauliches Gespräch, und aus solchen berichte ich ja grundsätzlich nicht.

GRÜNEWÄLDER: Ich kann Ihnen dazu vonseiten des Bundesinnenministeriums berichten, dass über die Erhebung der Strafanzeige noch nicht entschieden worden ist. Über das weitere Verfahren wird nun zu entscheiden sein.

Ich kann Sie aber auf das hinweisen, was der Bundesinnenminister heute Morgen in der „BILD“-Zeitung gesagt hat. Ich zitiere:

„Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen, genauso wie wir es jetzt in Stuttgart gesehen haben. Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen.“

Das hat er zum Thema Stuttgart gesagt. Über die Strafanzeige wird zu entscheiden sein.

Im Übrigen wird sich der Bundesinnenminister heute um 12.30 Uhr zusammen mit seinem Innenministerkollegen Strobel in Stuttgart vor allem zu den Ereignissen in Stuttgart äußern.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, sehen Sie den Zusammenhang zwischen den Worten und den Taten in Stuttgart auch so direkt?

STS SEIBERT: Ich kann nur wiederholen, dass die Bundeskanzlerin in dieser Sache mit dem Bundesinnenminister im Gespräch ist. Das ist ein vertrauliches Gespräch.

Die Grundüberzeugungen der Bundeskanzlerin und der ganzen Bundesregierung habe ich Ihnen ausgedrückt. Wir stehen aus tiefer Überzeugung zu den Polizisten und Polizistinnen. Die Herrschaft des Rechts, friedliches Zusammenleben, der Schutz der Schwächeren, der Schutz des Eigentums, für all das sind sie jeden Tag und jede Nacht auf der Straße, und dafür gebührt ihnen Dank.

FRAGE SCHULZE: Tobias Schulze von der „taz“. Da wir in der Sache Partei sind, will ich vor meinen Fragen kurz zwei, drei Sätze dazu sagen.

Wenn in einer Demokratie einem Innenminister oder einer Bundesregierung etwas nicht gefällt, was in einer Zeitung steht, dann kann er darauf auf viele verschiedene Arten reagieren. Er kann Leserbriefe schreiben, Interviews geben, sich beim Presserat beschweren. Dafür gibt es bewährte Formen.

Dass die Bundesregierung oder der Innenminister versucht, mit Mitteln des Strafrechts solch eine Art von Berichterstattung oder solch eine Art von Meinungsbeiträgen zu verhindern, halte ich für falsch. Ich halte es auch für falsch, auf diese Art und Weise von der Rassismusdebatte abzulenken, die wir in den letzten Wochen zum Glück einmal geführt haben.

Damit zu meinen Fragen:

Wenn der Innenminister eine Anzeige stellen wird, welches Delikt wird er dann anzeigen und bei welcher Behörde wird er das tun?

Wie oft hat er in seiner Amtszeit rassistische Meinungsäußerungen angezeigt?

GRÜNEWÄLDER: Ich kann das wiederholen, was ich gerade gesagt habe. Über das Erheben der Anzeige wurde noch nicht entschieden. Das bleibt abzuwarten. Der Bundesinnenminister wird sich um 12.30 Uhr vor allem zu den Ereignissen in Stuttgart noch einmal äußern.

Grundsätzlich haben wir in der Bundesrepublik Gewaltenteilung. Die Legislative beschließt über die Gesetze, die Exekutive, die Verwaltung, setzt sie um, und die Judikative kontrolliert, ob das Gesetz eingehalten worden ist. Diese Gewaltenteilung ist völlig akzeptiert, darüber gibt es keine Debatte. Auch das Recht der Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit, die im Grundgesetz verankert sind, werden von niemandem infrage gestellt.

Wie gesagt, ist über die Anzeige noch nicht entschieden worden. Das bleibt abzuwarten.

ZUSATZFRAGE SCHULZE: Wenn der Minister in der „BILD“-Zeitung angekündigt hat, eine Anzeige zu stellen, auch wenn er sich jetzt nicht mehr sicher ist, hat er sich ja bestimmt schon Gedanken darüber gemacht, welcher Straftatbestand dafür infrage kommt. Welcher soll das denn sein?

GRÜNEWÄLDER: Das werden wir dann feststellen, wenn die Anzeige erhoben worden ist. Das ist, wie gesagt, noch nicht der Fall.

FRAGE GAVRILIS: Herr Seibert vielleicht geht die Frage auch an das Innenministerium , wie oft gab es den Fall in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein aktiver Minister oder eine Ministerin plante, Strafanzeige gegen eine Journalistin oder einen Journalisten zu stellen? Gab es das schon einmal?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen dazu keine Auskunft geben.

GRÜNEWÄLDER: Mir liegen dazu keine Angaben vor. Grundsätzlich ist es aber so, dass eine Strafanzeige der Hinweis an die Staatsanwaltschaft ist, zu untersuchen, ob einzuschreiten ist. Es ist insofern nichts Ungewöhnliches, wenn auch ein Minister eine Staatsanwaltschaft bittet, einen Sachverhalt zu untersuchen.

ZUSATZ GAVRILIS: Es geht aber ganz konkret um eine Anzeige gegen Journalistinnen und Journalisten.

GRÜNEWÄLDER: Ich kann Ihnen dazu vielleicht noch Artikel 5 des Grundgesetzes zitieren.

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“

Das ist die Meinungsfreiheit.

„Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Das ist Absatz 1. In Absatz 2 steht:

„Diese Rechte“

Meinungsfreiheit, Pressefreiheit

„finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

Das steht im Grundgesetz. Das heißt, die Meinungsfreiheit und auch die Pressefreiheit sind nicht schrankenlos. Es gibt noch die Menschenwürde. Wir haben Strafgesetze. Es ist die Aufgabe der Judikative, zu untersuchen, ob die Schranken jeweils eingehalten wurden oder ob die Grenzen der Meinungsfreiheit oder auch der Pressefreiheit möglicherweise überschritten wurden. Es ist nicht die Aufgabe der Exekutive, das zu untersuchen, sondern dafür haben wir die dritte Gewalt, die Judikative. Das ist deren Aufgabe, und das ist ein völlig normaler Vorgang.

FRAGE JUNG: Können Sie mal Ihr Pressefreiheitsverständnis im Vergleich zu Russland oder zur Türkei erklären, Herr Grünewälder?

Herr Seibert, gilt Ihr Satz von vor genau einer Woche? Genau hier haben Sie gesessen und uns gesagt:

„Niemand in der Bundesregierung greift in die Pressefreiheit ein. Das widerspricht ja völlig unseren Überzeugungen … Die Bundesregierung steht zur Pressefreiheit ohne jeden Abstrich.“

Gilt dieser Satz noch, und, wenn ja, wie passt das mit der Strafanzeige des Innenministers zusammen?

STS SEIBERT: Ja, dieser Satz gilt, und zu dem Artikel, den Herr Grünewälder Ihnen gerade vorgelesen hat, steht die Bundesregierung. Da gibt es auch keinen Widerspruch.

ZUSATZ JUNG: Das heißt, Strafanzeige gegen Journalisten sind mit dem Pressefreiheitsverständnis der Bundesregierung vereinbar.

STS SEIBERT: Sie haben den Artikel

ZUSATZ JUNG: Ich frage Sie!

STS SEIBERT: aus unserem Grundgesetz gehört.

ZUSATZ JUNG: Ich frage Sie!

STS SEIBERT: Sie haben den Artikel aus unserem Grundgesetz gehört. Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut in unserer Verfassung. Sie ist nicht grenzenlos. Ob eine Grenze zwischen Pressefreiheit und strafbarer Äußerung überschritten wird ganz grundsätzlich gesprochen , das hat nie die Bundesregierung oder irgendeine Regierung zu entscheiden, sondern lediglich die unabhängige Justiz. Das ist eine grundsätzliche Aussage.

ZUSATZ JUNG: Ich hatte noch die Frage wegen Erdoğan, Türkei und Russland gestellt, Herr Grünewälder.

GRÜNEWÄLDER: Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Sie haben den Wortlaut des Artikels 5 vor Augen und gerade noch einmal gehört. Die Presse- und Meinungsfreiheit werden nicht schrankenlos gewährleistet. Die Presse spielt eine sehr wichtige Rolle. Sie wird auch als vierte Gewalt bezeichnet, um die Legislative, die Exekutive und auch die Judikative zu kontrollieren, vor allem die ersten beiden. Diese Aufgaben sind sehr wichtig. Das sieht der Bundesinnenminister genauso.

Aber diese Freiheiten werden nicht schrankenlos gewährleistet. Sie finden ihre Grenzen zum Beispiel in den Strafgesetzen. Es ist Aufgabe der Judikative, zu prüfen, ob es eine Grenzüberschreitung war oder nicht.

FRAGE DECKER: Erste Frage: Herr Grünewälder, Sie sagten, über die Strafanzeige sei noch nicht entschieden worden. Heißt das, dass im Grundsatz noch nicht darüber entschieden wurde, ob sie tatsächlich gestellt wird oder nicht, oder wurde nur nicht darüber entschieden, wie, wo und mit welchem Inhalt diese Strafanzeige gestellt werden soll?

Zweite Frage: Hat irgendjemand den Bundesinnenminister darauf hingewiesen, dass vielleicht ein gewisser Widerspruch darin besteht, die Strafanzeige in einer Zeitung bekanntzumachen, die nicht gerade für Integrität bekannt ist?

GRÜNEWÄLDER: Ich habe Ihnen zu der Strafanzeige eben zweimal gesagt, dass darüber noch nicht entschieden worden ist. Das betrifft die Strafanzeige und alle weiteren Umstände. Dem habe ich nichts weiter hinzuzufügen.

Einen Widerspruch sehe ich nicht.

ZUSATZFRAGE DECKER: Die Zeitung, in der das publik gemacht wird, bekommt vom Presserat eine Rüge nach der anderen. Ist das ein Punkt, der bei Ihnen irgendwie Berücksichtigung findet?

GRÜNEWÄLDER: Wir haben ja gerade über das wichtige Gut der Pressefreiheit gesprochen und darüber, dass es nicht Sache der Exekutive ist, Noten zu verteilen.

FRAGE KREUTZFELDT: Herr Seibert, ich finde, Sie machen es sich etwas zu leicht mit Ihrer Nichtantwort auf die Frage. Denn die Aussage, dass es jedem freistehe, das durch die Justiz überprüfen zu lassen, zieht hier ja nicht wirklich. Es gab ja schon zahlreiche andere Anzeigen in dieser Sache. Das heißt, um die Staatsanwaltschaft darauf aufmerksam zu machen, würde es nicht des Eingreifens des Innenministers bedürfen. Deswegen kann man es schon so verstehen und viele verstehen es so , dass das Agieren des Innenministers in diesem Fall nichts anderes bringt als eine Einschüchterung von Journalisten, die durch diese Form der Meinungsäußerung öffentlich an den Pranger gestellt werden.

Daher will ich von Ihnen doch noch einmal hören, ob Sie diese Form der Nichtnotwendigkeit, verbunden mit der Einschüchterung, nicht doch als einen Angriff auf die Pressefreiheit sehen können, und wie das zu Ihren Statements, die Sie hier regelmäßig zum Tag der Pressefreiheit abgeben, in denen Sie sagen, die Bundesregierung werde überall und gegenüber jedem für diese Pressefreiheit einstehen, und wo Journalisten nicht frei berichten und arbeiten könnten, dort könne es auch nie eine gute Regierung im Sinne der Menschen geben Das haben Sie gesagt. Deswegen meine Frage: Müssen wir diesen Angriff jetzt so verstehen, dass es in Deutschland keine gute Regierung im Sinne der Menschen mehr gibt?

STS SEIBERT: Nein. Ansonsten kann ich nur das wiederholen, was ich gesagt habe. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums hat darauf hingewiesen, dass diese Anzeige im Moment noch nicht gestellt ist. Also warten wir doch ab, bis sie gestellt ist. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Bundeskanzlerin dazu mit dem Bundesinnenminister im Gespräch ist.

Ansonsten haben wir Ihnen hier grundsätzliche Fakten dazu vorgetragen, wie es in Deutschland mit der Pressefreiheit grundgesetzlich geregelt ist.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Ich habe eine weitere Frage, wenn ich darf, an das Justizministerium, das ja für Verfassungsfragen auch relevant ist. Wie sieht man dort den Plan, diese Anzeige zu erstatten? Hat man dort eine Meinung dazu? Betrachtet man das dort mit Blick auf die Pressefreiheit als problematisch?

KALL: Ich kann das möglicherweise geplante Vorgehen des Bundesinnenministers nicht kommentieren. Nach dem, was Herr Grünewälder sagt, ist darüber ja offenbar noch nicht einmal entschieden.

Ich kann ganz allgemein nur das unterstreichen, was Herr Seibert gesagt hat. Im Zweifelsfall entscheiden Staatsanwaltschaften und am Ende unabhängige Gerichte.

Sie haben auf die Schranken der Meinungsfreiheit hingewiesen. Dabei ist natürlich ganz wichtig zu beachten, selbst wenn man das Strafrecht als eine Schranke der Meinungsfreiheit sieht, dass, wenn immer es um die Prüfung einer etwaigen Strafbarkeit geht, wiederum die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit ein ganz, ganz hohes Gut sind, ein für die Demokratie entscheidendes, konstituierendes Gut, wie es das Bundesverfassungsgericht ausdrückt. Das heißt, dass in jeder juristischen Prüfung die Meinungs- und die Pressefreiheit natürlich immer mit all ihrem Rang zu berücksichtigen sind.

FRAGE JESSEN: Ich habe zwei Fragen an Herrn Grünewälder. Sie sehen keinen Widerspruch. Ist es nicht aber ein Widerspruch, wenn, vorausgesetzt, dass das Zitat stimmt, der Bundesinnenminister einerseits sagt „Ich werde Strafanzeige stellen“ So wird es zitiert. Die Ankündigung „ich werde“ setzt eine innere Entscheidung voraus. Es ist nicht „ich erwäge“, sondern „ich werde“. Es ist die Ankündigung einer beschlossenen Tat. Wenn Sie jetzt sagen, darüber sei noch nicht entschieden, was gilt dann? Gilt der Satz „ich werde“ inhaltlich immer noch, oder gilt er nicht mehr, und es gilt eher „ich erwäge“?

Die zweite Frage: Wenn der Innenminister befürchtet, dass eine Enthemmung der Worte zur Enthemmung der Taten führt, sieht er Enthemmung der Worte auch dann, wenn seine eigene Partei, die CSU, einen Steckbrief der Autorin veröffentlich, mit Foto und mit der Bewertung: „Die … Fratze der hasserfüllten Linken“? Ist das nicht auch eine Enthemmung der Worte, die dann zu Taten führen kann?

GRÜNEWÄLDER: Zum Einlegen der Strafanzeige ist, denke ich, hier jetzt wiederholt alles gesagt worden. Darüber wird noch zu entscheiden sein.

Den Bundesinnenminister bewegt das hat er am Freitag auch bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Innenministerkonferenz in Erfurt hervorgehoben , dass Polizeibeamte, die ihren Dienst tun, die Tag für Tag den Kopf hinhalten, um unsere Freiheit und Sicherheit zu schützen, zunehmend angegriffen werden. Uns liegen nach dem Anfang Juni veröffentlichten Lagebild des Bundeskriminalamts „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte“ Zahlen vor. Durchschnittlich werden pro Tag 200 Polizistinnen und Polizisten im Dienst Opfer von Gewalt. Das hat man ganz erschreckend jetzt in der Nacht zu Sonntag in Stuttgart noch einmal gesehen. Das bewegt ihn sehr. Er hat das tiefe Empfinden, dass sich die Politik und alle Teile der Gesellschaft auch schützend vor die Polizisten stellen müssen, die, wie gesagt, unsere Freiheit und unsere Sicherheit schützen. Das bewegt ihn. Das hat er in diesem Zitat auch noch einmal deutlich gemacht.

Ein Element, das dazu führen kann, ist die Enthemmung der Worte. Dies geschieht durch Äußerungen von Politikern und auf andere Weise. Er sagt, dass wir hiergegen gewappnet sein müssen und eine Diskussion, eine Debatte darüber brauchen, wie man das verhindern kann, möglicherweise weitere Strafverschärfungen. Das hat er am Freitag gesagt. Darüber müssen wir sprechen.

Er hat auch darauf hingewiesen und Sie als Medien gebeten, zu sehen, wie das Bild der Polizei ist, das vermittelt wird, und ob hier möglicherweise nachjustiert werden muss, damit nicht der Eindruck entsteht, Polizisten seien Freiwild und es könne ohne Weiteres Gewalt gegen sie ausgeübt werden. Das bewegt den Bundesinnenminister.

Im Übrigen verweise ich noch einmal auf die Pressekonferenz um 12.30 Uhr, auf der er dazu noch einmal näher ausführen wird.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Sie haben beide Fragen nicht beantwortet. Die erste Frage war, ob die Ankündigung des Ministers, er werde Strafanzeige stellen, die nur Sinn macht, wenn er sich dazu entschlossen hat, so nicht mehr gilt. Das, was Sie sagen, darüber sei noch nicht entschieden, lässt ja eigentlich nur den Schluss zu, dass er sich dazu noch nicht entschlossen habe. Also bitte: Was gilt jetzt? Gilt das Ministerwort in seiner inneren Logik er wird Strafanzeige stellen, weil er sich entschieden hat , oder ist es noch nicht entschieden? Es kann nur eines von beiden gelten.

Das Zweite: Was ist mit dem Steckbrief über die Autorin, den die CSU veröffentlicht hatte?

GRÜNEWÄLDER: Zum Ersten: Es ist noch nicht entschieden, ob die Strafanzeige gestellt wird.

Zum Zweiten: Den genauen Sachverhalt kenne ich jetzt nicht; ich habe mir das nicht durchgelesen. Dazu müssten Sie den Bundesinnenminister um 12.30 Uhr fragen. Normalerweise kommentieren wir solche Dinge nur, wenn wir den Sachverhalt wirklich kennen. Dazu kann ich Ihnen im Moment nichts berichten.

FRAGE: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

GRÜNEWÄLDER: Es ist inzwischen ja auch gelöscht worden.

ZUSATZFRAGE: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Meine Frage ist eine andere. Die Bundestagsabgeordnete (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) hat angegeben, dass im Innenausschuss in der vergangenen Woche Horst Seehofer selbst gesagt habe, ihm sei vollkommen klar, dass die Kolumne (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) Können Sie das bestätigen?

GRÜNEWÄLDER: Wie gesagt: Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, darüber zu befinden eine Strafanzeige ist ja von anderer Seite schon gestellt worden , ob hier ein Straftatbestand erfüllt worden ist. Diese Prüfung wird passieren.

ZUSATZFRAGE: Das war nicht meine Frage! Meine Frage war, ob Horst Seehofer diese Aussage getätigt hat.

GRÜNEWÄLDER: Das kann ich Ihnen nicht bestätigen. Ich war bei der Sitzung nicht dabei.

FRAGE BUSCHOW: Mir ist der Widerspruch zwischen den beiden Aussagen des Innenministers sorry, dass ich Sie damit noch einmal quäle, Herr Grünewälder immer noch nicht klar. Der „BILD“-Zeitung sagt er also, „Ich werde Strafanzeige stellen“, und Sie sagen heute, das sei noch nicht entschieden. Heißt das, dass in der Zwischenzeit zwischen dem Zeitpunkt dieses Zitats, das er der „BILD“-Zeitung gegeben hat, und dem jetzigen Zeitpunkt etwas passiert ist, das die Entscheidung vielleicht doch noch einmal beeinflusst hat? Können Sie uns darüber aufklären, was das ist?

Können Sie uns auch sagen, wann denn entschieden werden soll? Haben Sie sich eine Frist gesetzt? Können Sie uns sagen, wie wir darüber informiert werden?

GRÜNEWÄLDER: Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass über die Strafanzeige noch nicht entschieden worden ist. Ich kann auch noch einmal auf die Pressekonferenz des Bundesinnenministers um 12.30 Uhr verweisen.

Jetzt bitte ich Sie einfach, abzuwarten, wie das weitere Verfahren bzw. der weitere Verlauf sein werden. Sie werden davon können Sie ausgehen rechtzeitig darüber informiert werden.

FRAGE WARWEG: Es wurde jetzt schon oft die „Enthemmung der Worte“ zitiert, die zu den Taten geführt habe. Dieses Zitat hat Herr Seehofer ja im direkten Zusammenhang mit der „taz“-Kolumne und den Ausschreitungen in Stuttgart abgegeben. Da würde mich interessieren: Sieht der Innenminister denn tatsächlich zwischen einer wie immer man das benennen will; sagen wir einmal grotesken Glosse und den Ausschreitungen in Stuttgart einen direkten Zusammenhang? Den macht er auf. Gleichzeitig wäre die Frage, ob er tatsächlich einen Kausalzusammenhang zwischen der Glosse und den Ausschreitungen sieht.

GRÜNEWÄLDER: Ich habe den Worten des Bundesinnenministers hier nichts hinzuzufügen. Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber es gibt ja nun im Journalismus mehrere Genres, und bei der „taz“-Kolumne war das ja nun tatsächlich ein spezifisches Genre, das auch mit Übertreibungen und Überzeichnungen arbeitet. Ist dem Innenminister bekannt, dass es verschiedenste Genres gibt und dass das vielleicht auch in die Kategorie einer wie auch immer zu bewertenden Satire fallen sollte?

GRÜNEWÄLDER: Sie wissen, dass auch in der Öffentlichkeit eine Diskussion über diese Kolumne geführt wird, auch in dem besagten Medium. Das möchte ich hier jetzt nicht weiter kommentieren. Die Äußerungen stehen für sich. Die zuständige Staatsanwaltschaft lässt, wie gesagt, prüfen, ob hier die Grenzen überschritten worden sind. Wenn man Polizisten als Müll bezeichnet, dann ist das jedenfalls prüfenswert.

FRAGE JORDANS: Auf welche Paragrafen bezieht sich die Anzeige des Ministers?

Wie viele Strafanzeigen hat der Minister bisher in seiner Amtszeit gestellt? Wie viele wegen desselben angeblichen Delikts?

FRAGE HERZOG: Was ist Gegenstand der möglichen Strafanzeige gegen die „taz“-Kolumnistin? Wie lautet der Vorwurf?

GRÜNEWÄLDER: Zahlen müsste ich nachreichen. Das ist mir nicht bekannt.

Über die Strafanzeige ist noch nicht entschieden; das kann ich gerne noch einmal wiederholen.

FRAGE WIESCHEMEYER: Ich habe noch eine Frage im Zusammenhang mit der Enthemmung der Worte und mit der Enthemmung der Taten, eigentlich sogar zwei Fragen. Die erste wäre tatsächlich noch einmal: Sehen Sie einen kausalen Zusammenhang? Glauben Sie, dass Leute in Stuttgart wegen der „taz“-Kolumne gegen die Polizei gewalttätig geworden sind, oder nicht?

Die zweite Frage: Sie hatten auch kurz Äußerungen von Politikern angesprochen, was das Thema der Enthemmung der Worte angeht. Können Sie ausführen, welche sie dabei genau im Kopf haben?

GRÜNEWÄLDER: Ich glaube, man kann hier keine direkten Kausalzusammenhänge herstellen. Fakt ist aber, dass das, was geschrieben, was gesprochen oder was getwittert wird, auch Auswirkungen auf eine Stimmung in der Gesellschaft hat. Wenn die Stimmung eben so ist, dass es legitim ist, Polizeibeamte anzugreifen, und dass es keinen Respekt mehr gegenüber Polizeibeamten gibt Dafür gibt es ja mannigfaltige Beispiele, so einen Fall, in dem Polizisten und Einsatzkräfte in der Vergangenheit zu einem Ort gelockt wurden, an dem sie dann mit Pflastersteinen beworfen wurden, und viele andere Fälle. Das ist eine Stimmung in der Gesellschaft, die eben unter anderem daher rührt, so die Auffassung des Bundesinnenministers, dass wir die Enthemmung der Worte zu gewärtigen haben. Das ist in allen Teilen der Gesellschaft und zum Teil eben auch in politischen Äußerungen zu bemerken.

ZUSATZFRAGE WIESCHEMEYER: Würden Sie latenten Rassismus dazu zählen oder nicht?

GRÜNEWÄLDER: Es geht jedenfalls in diese Richtung.

FRAGE FRIED: Herr Seibert, mich würde interessieren, ob die Bundeskanzlerin nach Lektüre der „BILD“-Zeitung auf den Bundesinnenminister zugegangen ist oder ob er sie, bevor das in der „BILD“ veröffentlicht wurde, darüber informiert hat, dass er diese Strafanzeige vielleicht erheben wird.

STS SEIBERT: Herr Fried, ich habe dem, was ich vorhin gesagt habe, jetzt nichts hinzuzufügen. Die Bundeskanzlerin befindet sich darüber mit dem Bundesinnenminister im Gespräch.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, setzt sich die Kanzlerin denn intern dafür ein, dass der Innenminister die Anzeige doch nicht stellt? Habe ich Sie da richtig verstanden?

Herr Seibert, Sie sagten hier in diesem Raum 2017 über die Pressefreiheit:

„Wir müssen und für diese Bundesregierung kann ich sagen: wir werden sie immer aufs Neue verteidigen – bei uns in Europa und darüber hinaus. Leider werden freie Medien und mutige Journalisten in so vielen Ländern dieser Erde verfolgt, sie werden schikaniert.“

Verteidigen Sie auch in diesem Fall die Pressefreiheit? Sehen Sie darin, mithilfe einer Anzeige gegen Journalisten vorzugehen, keine Schikane eines Innenministers? Ob sie nun mutig sind oder eine schlechte Kolumne geschrieben haben, ist ja erst einmal zweitrangig.

Herr Burger, schadet dieser Vorgang dem deutschen Ansehen in der Welt, wenn es um Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung geht?

STS SEIBERT: Ich würde die Äußerung von 2017, die Sie netterweise zitiert haben, auch heute genau so wieder machen. Das Bekenntnis der Bundesregierung zur Pressefreiheit steht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich hatte auch nach dem Einsatz der Kanzlerin gefragt. Habe ich Sie richtig verstanden, dass sie sich intern dafür einsetzt, dass der Herr Seehofer die Anzeige nicht stellt?

STS SEIBERT: Sie haben mich richtig verstanden, wenn Sie verstanden haben, dass das ein vertrauliches Gespräch ist, aus dem ich wie üblich nicht berichte.

BURGER: Ich kann es da nur wie der Kollege aus dem Justizministerium halten, und zwar insofern, als ich die Vorgänge, über die ja nach Angaben des Kollegen aus dem Innenministerium noch gar nicht entschieden ist, hier nicht bewerten werde.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber schadet nicht allein der Vorgang an sich danach hatte ich ja gefragt , die Ankündigung einer Anzeige, dem deutschen Ansehen in der Welt, wenn Sie sich sonst auch für Pressefreiheit und für freie Meinungsäußerung in anderen Ländern einsetzen, aber hier jetzt selbst Journalisten zur Zielscheibe machen?

BURGER: Wie gesagt: Ich habe dem jetzt Gesagten nichts hinzuzufügen.

FRAGE JESSEN: Herr Grünewälder, Sie haben ja dankenswerterweise das Ministerzitat noch einmal vorgelesen. Die Formulierung war ja, wenn ich es richtig im Kopf habe: Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten. – Ist das ein Automatismus, den der Minister hier konstatiert? Auf welche empirischen Befunde stützt er sich? Das ist die eine Frage hinsichtlich des Automatismus. Er sagt ja nicht, das könne zu einer Enthemmung der Taten führen, sondern, dass es unweigerlich dazu führe. Wenn das die Position des Ministers ist, dann wäre er ja qua Amt gezwungen, sozusagen regelmäßig aus Gründen der Prävention nämlich dann, wenn er eine Enthemmung der Worte beobachtet Anzeige zu erstatten.

Werden Sie uns nachliefern können, in wie vielen Fällen und aus welchen Anlässen eine solche Anzeige in der jüngeren oder auch mittleren Vergangenheit gestellt wurde?

GRÜNEWÄLDER: Ich habe die Äußerungen des Bundesinnenministers hier jetzt nicht weiter zu kommentieren, zu bewerten oder einzuordnen. Die stehen für sich.

Ich habe ja eben gesagt: Mögliche Zahlen werde ich nachreichen, wenn es die geben sollte.

FRAGE GAVRILIS: Herr Grünewälder, ich habe eine Frage. 2018, soweit ich mich recht erinnere, hatte Horst Seehofer seine Teilnahme am Integrationsgipfel auch wegen eines Artikels eine Journalistin, von Ferda Ataman abgesagt. Jetzt, zwei Jahre später, kommt es zu dieser möglichen Klage gegen Hengameh Yaghoobifarah. Ist das eine Aneinanderreihung von Einzelfällen, oder hat der Minister vielleicht doch ein Problem mit Journalistinnen mit Migrationsgeschichte?

GRÜNEWÄLDER: Den ersten Zusammenhang kann ich hier nicht bestätigen. Insofern kann ich auch die Frage jetzt nicht beantworten. Die stellt sich für uns nicht.

FRAGE: Herr Grünewälder, Sie haben ja leider nicht den Tweet der CSU gesehen. Deswegen richte ich die Frage jetzt an Herrn Seibert, da ja gerade auch die Zitate dazu genannt wurden, wie sehr sich die Bundesregierung, die Kanzlerin und Sie für Pressefreiheit einsetzen: Halten Sie es für akzeptabel, dass eine im Bundestag vertretene Partei einen Steckbrief mit Foto und der Aufschrift „die hässliche Fratze der hasserfüllten Linken in Deutschland“ veröffentlicht und es sich dabei um eine Journalistin handelt? Halten Sie einen solchen Tweet für akzeptabel und hinnehmbar, oder sind Sie nicht der Meinung, dass sich die Bundesregierung da auch ganz klar zur Verteidigerin der Journalisten erklären müsste?

STS SEIBERT: Erstens. Die Bundesregierung steht, wie ich jetzt mehrfach gesagt habe, ohne Einschränkungen zur Pressefreiheit.

Zweitens reagiere ich hier jetzt nicht auf Tweets und Texte, die mir freundlicherweise und sicherlich in guter Absicht zugerufen werden.

BURGER: Ich darf Ihnen ankündigen, dass Außenminister Maas morgen zu bilateralen Gesprächen nach Spanien reisen wird, und zwar, genauer gesagt, nach Valencia.

Die Ankunft dort ist etwa für 11.30 Uhr vorgesehen. Eine Woche nach der Aufhebung der innereuropäischen Reisewarnung wird Außenminister Maas dort zunächst mit dem Präsidenten der Regionalregierung von Valencia, Herrn Ximo Puig Ferrer, den Hafen besuchen.

Im Anschluss wird der Außenminister gemeinsam mit seiner spanischen Amtskollegin Arancha González Laya die Stadt der Künste und Wissenschaften besichtigen. Ab 13.45 Uhr ist ein Arbeitsmittagessen der beiden Außenminister am Sitz der spanischen Zentralregierung in Valencia angesetzt. Danach ist ab 15.30 Uhr eine gemeinsame Pressebegegnung vorgesehen.

Am Abend wird der Außenminister wieder in Berlin eintreffen.

Am Mittwoch wird Außenminister Maas das High-Level-Segment der zweiten Berliner Konferenz zu Klima und Sicherheit gemeinsam mit der stellvertretenden Generalsekretärin der Vereinten Nationen, Frau Amina Mohammed, und dem Außenminister Frankreichs, Jean-Yves Le Drian, eröffnen.

Dieses Jahr findet die Konferenz online und in zwei Teilen statt. Der erste Teil der Konferenz am 23. und 24. Juni wird sich mit den wachsenden Risiken befassen, die die Auswirkungen des Klimawandels für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit darstellen. In einem zweiten Teil, der vom 7. September bis zum 2. Oktober stattfinden wird, soll unter anderem darüber gesprochen werden, wie umfassende Risikobewertungen eine vorausschauende und präventive Außen- und Sicherheitspolitik unterstützen können.

Ende Juli wird die Bundesregierung das Thema von Klimasicherheitsrisiken auch auf die Agenda des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen setzen. Vielen Dank.

FRAGE JUNG: Was erfordert die physische Anwesenheit von Herrn Maas in Spanien? Warum muss also diesmal geflogen werden?

BURGER: Das Reisen gehört zum Geschäft eines Außenministers dazu. Dazu hat sich der Außenminister auch in den letzten Tagen immer wieder geäußert. Ich glaube, das ist etwas, das wir alle auch in unserer eigenen Praxis der letzten Monate erfahren haben: Per Videokonferenz und Telefon kann man gut Informationen austauschen und kann man viele Dinge auch besprechen. Trotzdem ersetzt nichts das persönliche Gespräch, gerade wenn es um komplizierte Fragen und darum geht, Vertrauen aufzubauen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Hat das Auswärtige Amt CO2-Emissionsminderungsziele?

BURGER: Ja, selbstverständlich. Das werde ich gerne nachreichen. Aber die ganze Bundesregierung hat sich ja auf einen Weg hin zur Klimaneutralität verpflichtet.

FRAGE DR. RINKE: Ich habe zuerst einmal eine Frage an das Finanzministerium und dann auch eine an das Wirtschaftsministerium.

Können Sie bestätigen, dass sich Ihr Minister gerade mit einem Lufthansa-Aktionär in Gesprächen befindet? Was genau ist das Ziel der Gespräche? Ist es möglich, dass das Paket, das mit Lufthansa ausgehandelt wurde, noch einmal nachverhandelt wird?

Die Frage an das Wirtschaftsministerium ist so ähnlich: Plant der Wirtschaftsminister auch ein Treffen mit dem Lufthansa-Aktionär Thiele?

DR. KUHN: Herr Rinke, wir haben ja am Freitag schon darüber gesprochen, und an der Aussage halte ich auch fest, nämlich dass wir zum laufenden Verfahren und zu eventuellen Gesprächen hier keine Stellung nehmen und das auch nicht weiter kommentieren.

WAGNER: Ich kann für das Wirtschaftsministerium eigentlich auch nur sagen, dass wir das laufende Verfahren auch nicht weiter kommentieren. Dazu hatten wir uns am Freitag schon entsprechend geäußert. Wenn es etwas zu berichten gibt, dann tun wir das. Aber ganz grundsätzlich gilt, dass wir über presseöffentliche Termine des Ministers berichten und andere, etwaige Termine grundsätzlich weder bestätigen noch dementieren können.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Darf ich das Finanzministerium kurz noch etwas fragen? – Die Herren oder wahrscheinlich auch einige Damen ich weiß es nicht genau sitzen ja gerade bereits zusammen. Sie wollen also nicht einmal das Gespräch bestätigen, das jetzt gerade stattfindet?

DR. KUHN: Ich habe ja gerade alles dazu gesagt, was ich dazu sagen kann und auch sagen möchte.

FRAGE SORGE: Hat es dieses Krisentreffen bzw. eine Videokonferenz zwischen dem Lufthansa-Großaktionär Thiele, Lufthansa-Chef Spohr und Finanzminister Olaf Scholz gegeben? Wenn ja, was wurde bei dem Gespräch vereinbart?

Bereitet sich der Bund auf eine mögliche Insolvenz der Lufthansa vor, oder ist der Bund bereit, doch noch den Forderungen des Großaktionärs Thiele entgegenzukommen?

DR. KUHN: Dazu habe ich jetzt gerade, glaube ich, alles gesagt. Wir haben auch am Freitag schon darüber gesprochen, dass sich der Minister dahingehend geäußert hat, dass der Bund hier ein gutes Angebot vorgelegt hat. Das ist das, was wir zum jetzigen Zeitpunkt sagen können.

FRAGE JENNEN: Ich habe auch eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Der Minister hat ja schon mehrmals erklärt, dass die Lufthansa systemrelevant sei. Die Hauptversammlung könnte jetzt allerdings dazu führen, dass die Lufthansa in die Insolvenz gehen würde. Würde man in diesem Fall dann eventuell noch einen Weg dafür sehen, eine Insolvenz abzuwenden, oder ist die Position der Bundesregierung dann, dass ein Hauptversammlungsbeschluss automatisch auf ein Insolvenzverfahren zuläuft?

WAGNER: Frau Jennen, vielen Dank! – Ich würde eigentlich gerne noch einmal auf das verweisen, was wir gesagt haben. Wir befinden uns in einem Verfahren. Wir haben ein Angebot der Bundesregierung an die Lufthansa gemacht, das vom Aufsichtsrat angenommen wurde und jetzt der Hauptversammlung zur Entscheidung vorliegt. Das ist der Stand der Dinge. Ich würde jetzt ungern darüber spekulieren wollen, was wäre, wenn, sondern das Angebot liegt vor, und es gibt noch keine Entscheidung darüber. Die soll ja in Kürze auf der Hauptversammlung getroffen werden. Das wäre aus unserer Sicht erst einmal abzuwarten, bevor wir über weitere Punkte spekulieren können.

FRAGE DR. RINKE: Anknüpfend an die Frage von Freitag an das Finanzministerium, was Wirecard betrifft: Mittlerweile stellt sich heraus, dass 1,9 Milliarden Euro bei einem DAX-Konzern verschwunden sind. Deswegen hätte ich noch einmal den Versuch gestartet, von Ihnen eine Bewertung dessen zu erhalten, ob das für das Image des Finanzstandorts Deutschland in irgendeiner Weise nachteilig ist. Freitag wollten Sie sich dazu nicht äußern. Wollen Sie das heute tun?

DR. KUHN: Ich kann noch einmal auf Freitag verweisen. Da haben wir ja auch noch einmal betont, dass wir uns zu einzelnen Unternehmen nicht äußern werden.

Ich kann aber gerne zwei oder drei einordnende Anmerkungen machen. Zunächst einmal hat die BaFin im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Marktaufsicht frühzeitig Entwicklungen, die die Wirecard AG als börsennotiertes Unternehmen betreffen, beobachtet und ist möglichen Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Vorschriften nachgegangen. Insbesondere hat die BaFin Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gestellt, soweit der Verdacht der Marktmanipulation bestand.

Wichtig ist, hier noch einmal zu differenzieren. Soweit die Tätigkeit von Abschlussprüfern und die Rechnungslegung betroffen sind das ist ja hier die entscheidende Frage , möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die Aufsicht über die Abschlussprüfer wird von den Abschlussprüferaufsichtsstellen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ausgeübt. Die Prüfung von Verstößen gegen Rechnungsauslegungsvorschriften durch kapitalmarktorientierte Unternehmen obliegt der Deutschen Prüfstelle für die Rechnungslegung. Soweit ein Verdacht auf kriminelle Handlungen besteht, ist es in erster Linie Aufgabe der Staatsanwaltschaft, diesem Verdacht nachzugehen. Das Bundesfinanzministerium verurteilt natürlich jede Art von Betrug und Manipulation.

Noch zur Aufsicht der BaFin: Die Wirecard AG ist kein Unternehmen, das der Institutsaufsicht der BaFin untersteht. Die Institutsaufsicht der BaFin beschränkt sich nur auf die WIRECARD BANK. Das ist eine Tochter der Wirecard AG.

ZUSATZ DR. RINKE: Die generelle Aussage zu dem Finanzstandort Deutschland haben Sie jetzt noch nicht bewertet.

DR. KUHN: Dazu habe ich mich am Freitag schon geäußert und habe gesagt, dass sich das Bundesfinanzministerium zusammen mit der Bundesbank und auch der BaFin für einen starken, stabilen und gesunden Finanzmarkt und Finanzstandort Deutschland einsetzt.

FRAGE SORGE: Meine Frage richtet sich an das Finanz- und das Wirtschaftsministerium. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung des Unternehmens, dass das ausgewiesene Bankguthaben von 1,9 Milliarden Euro mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht besteht?

WAGNER: Für das Bundeswirtschaftsministerium kann ich das nicht kommentieren. Gegebenenfalls kann das Bundesfinanzministerium dazu etwas sagen bzw. hat dazu schon etwas gesagt.

DR. KUHN: Ich habe meinen Aussagen nichts weiter hinzuzufügen.

FRAGE HELLER: Denken Sie darüber nach, die BaFin zu stärken?

DR. KUHN: Ich habe gerade schon deutlich gemacht, dass es hier ja vor allem um die Rechnungslegung und die Abschlussprüfung geht und die BaFin vor allem die Aufsicht über die WIRECARD BANK hat, um die es hier ja gar nicht geht. Im Übrigen verweise ich auf das, was ich gerade schon ausgeführt habe.

FRAGE JENNEN: Ein Thema bei Wirecard, das ja schon eine ganze Zeit lang im Raum steht, besteht der Verdacht von Geldwäsche. Das Bundesfinanzministerium hat vor ein paar Monaten einen Bericht veröffentlicht, dass Deutschland in dem Bereich von Geldwäsche ein Problemland ist oder dass zumindest in Deutschland häufige Fälle von Geldwäsche vorkommen. Ist in dem Bereich irgendetwas geplant, auch mit Blick auf strengere Auflagen für die Wirtschaftsprüfer? Auch die scheinen ja ein paar Augen geschlossen zu haben.

DR. KUHN: Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist natürlich eine sehr wichtige Aufgabe für die Bundesregierung. Sie tut alles dafür, dass entschieden dagegen vorgegangen werden wird. Im Herbst steht auch die FATF-Prüfung an, die sich durch die Coronakrise etwas verzögert hat.

Ich möchte hier noch einmal etwas klarstellen: Die BaFin ist für die WIRECARD BANK zuständig. Hier geht es ja um die Wirecard AG. Die Wirecard AG unterliegt nicht der Geldwäscheaufsicht der Bank. Die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer liegt auch nicht bei der BaFin. Ich glaube, es ist wichtig, das zu erwähnen, weil in dem Kontext

ZURUF JENNEN: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

DR. KUHN: Dafür setzt sich die Bundesregierung sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene in vielfacher Form ein. Das Thema Geldwäschebekämpfung wird sicherlich auch ein wichtiges Thema im Rahmen der Ratspräsidentschaft ein.

ZURUF JENNEN: Und die Wirtschaftsprüfer?

DR. KUHN: Die Wirtschaftsprüfer unterliegen, glaube ich, dem BMWi.

WAGNER: Ich kann zum Thema Wirtschaftsprüfer nichts ergänzen.

FRAGE ZWICK: Haben die DPR oder die APAS die Rechnungslegung von Wirecard und die Prüfung durch EY in der Vergangenheit überprüft? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

WAGNER: Wenn ich für das BMWi etwas zum Thema Wirtschaftsprüfung ergänzen kann, würde ich das nachreichen.

FRAGE KREUTZFELDT: Ich wollte noch einmal zurück zu Herrn Seehofer. Ich wollte nur einmal mein Befremden kundtun, Herr Grünewälder, dass Sie uns hier sagen, es gäbe noch nichts, was Sie uns hier in dieser Pressekonferenz sagen könnten, uns auf ein Statement um 12.30 Uhr verweisen und gleichzeitig spricht Ihr Minister gerade auf bild.de und macht die Aussagen sozusagen vorab. Das ist ja schon einmal komisch. Aber dazu sagen Sie anscheinend nicht mal, dass Sie uns mitteilen dürfen, was er parallel zur gleichen Zeit dort verkündet. Er sagt dort: „Ich habe die Absicht, aber ich muss natürlich mit meinen Juristen darüber reden. Das erfolgt heute Nachmittag.“ Das noch einmal zur Klarstellung für alle, die jetzt vielleicht gleich zu der anderen PK laufen müssen. Das ist die Aussage von Herrn Seehofer, die Herr Grünewälder uns nicht mitteilen konnte.

GRÜNEWÄLDER: Wenn ich da noch einmal einsteigen darf: Ich sehe darin keinen Widerspruch. Ich habe Ihnen gesagt: Es ist noch nicht darüber entschieden worden. Das ist genau das, was Sie gerade zitiert haben.

Im Übrigen findet die PK, soweit ich das weiß, in Stuttgart statt.

FRAGE SCHULZE: Aber wenn er jetzt schon die Absicht hat, dann ist das doch etwas anderes, als wenn er es erwägt. Dahinter steckt ja mehr Sicherheit. Daher noch einmal die Frage: Welchen Straftatbestand würde der Minister anzeigen? Was ist seine Absicht?

GRÜNEWÄLDER: Ich glaube, wir haben das Thema hier hinreichen diskutiert. Ich habe nicht

ZURUF SCHULZE: Aber Sie haben keine Antwort auf die Frage gegeben!

GRÜNEWÄLDER: Ich habe darauf hingewiesen, dass über die Strafanzeige noch nicht entschieden worden ist. Das ist der Stand. Das ist das, was ich sagen kann, und was auch der Bundesinnenminister gerade gesagt hat. Es ist noch nicht darüber entschieden worden.

FRAGE WIESCHEMEYER: Ich würde gerne wissen, welchen Stellenwert Herr Seehofer eigentlich der Landespressekonferenz und der Bundespressekonferenz einräumt, wenn die wichtigsten und zentralsten Aussagen parallel zur Bundespressekonferenz und vor einem Termin der Landespressekonferenz in Baden-Württemberg schon auf bild.de getätigt werden.

GRÜNEWÄLDER: Der Bundesinnenminister besucht heute Stuttgart und trifft sich mit seinem Amtskollegen Strobl. Dazu gibt es eine Pressekonferenz. Es ist durchaus üblich, dass aus Termingründen nicht immer auf die Regierungspressekonferenz, die sicher sehr wichtig ist, Rücksicht genommen werden kann und insofern Parallelitäten bestehen können.

VORS. WEFERS: Dann sage ich noch einmal für die Bundespressekonferenz, dass wir hier den Komment haben, den auch alle beachten, dass vor Bundespressekonferenzen das Thema nicht vorab mit anderen Medien besprochen wird. Das ist hier die Usance. Ich weiß nicht, wie das in der Landespressekonferenz in Baden-Württemberg ist. Da wir uns aber im Zuge der Coronakrise sehr regelmäßig mit den Kollegen der Landespressekonferenzen austauschen, werden wir das Thema sicherlich da noch einmal besprechen.

ZUSATZ WIESCHEMEYER: Ich kann ergänzen. Ich war eine Zeitlang Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Ich will nur sagen, dass die dies als unfreundlichen Akt empfinden würde.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, wie steht die Kanzlerin zu der Entwicklung in Gütersloh in Sachen Coronaausbrüche und zum konkreten Ausmaß beim Fleischhersteller Tönnies? Ist sie überrascht? Wusste sie von den Zuständen?

Hält sie bzw. die Bundesregierung immer noch daran fest, mit der Gesetzesänderung in der Fleischindustrie bis zum 1. Januar zu warten? Wenn die Zustände in der Fleischindustrie laut Bundesregierung nicht haltbar und nicht akzeptabel sind, warum wird dann noch bis Januar gewartet und nicht, wie zum Beispiel bei dem Konjunkturpaket, ab dem 1. Juli entschieden?

Eine Frage an das Gesundheitsministerium. Bund und Länder haben eine Kontakt- und Ausgehbeschränkung für den Fall von mehr als 50 Neuinfektionen pro Woche bei 100 000 Einwohnern vereinbart. Wann soll diese Regelung, auf die man sich geeinigt hat, zur Anwendung kommen, wenn nicht jetzt in diesem Landkreis Gütersloh?

STS SEIBERT: Vielleicht fange ich an. Der Ausbrauch bei Tönnies ist ein massiver Ausbruch. Mehr als 1300 Menschen wurden bisher positiv getestet. Gut 20 von ihnen müssen stationär behandelt werden, und leider müssen eben auch einige intensivmedizinisch behandelt werden. Für die Region besteht daher ein hohes Infektionsrisiko.

Zunächst einmal sind unsere Gedanken bei den betroffenen Menschen. Wir hoffen sehr, dass alle Erkrankten die Krankheit überstehen werden. Vor allem bei den schwer Erkrankten, bei denjenigen, die auf den Intensivstationen liegen, und bei deren Angehörigen sind die Gedanken der Bundesregierung.

Es ist jetzt alles zu tun, um diesen Ausbruch einzudämmen und die Ausbreitung des Infektionsgeschehen rund um Tönnies zu begrenzen. Wir sind als Bundesregierung allen dankbar, die sich dafür einsetzen: die Verantwortlichen im Kreis Gütersloh, der öffentliche Gesundheitsdienst, alle Helfer und Helferinnen vor Ort, die bei der Gesundheitsversorgung, bei den Reihentests oder auch da mithelfen, wo zum Beispiel die betroffenen Menschen in der Quarantäne unterstützt werden müssen. Das ist ein Ausbruch, der sehr ernst zu nehmen ist. Die Bundesregierung beobachtet dieses Geschehen genau.

Zu der Frage der Maßnahmen, die die Bundesregierung für die Fleischwirtschaft zunächst einmal als Eckpunktepapier beschlossen hat: Die Umsetzungsarbeiten daran das kann Ihnen sicherlich das zuständige Ministerium noch besser sagen haben natürlich schon begonnen. Aber ganz unabhängig davon sind die Zoll- und auch die Arbeitsschutzbehörden der Länder natürlich aktuell gefordert, jetzt schon verstärkt zu kontrollieren.

JÄGER: Zu dem Gesetzentwurf hat sich der Minister in den letzten Tagen mehrfach geäußert. Schon in der vergangenen Woche hat meine Kollegin hier gesagt, dass das Gesetz so schnell wie möglich kommen wird.

Gerade heute hat Minister Heil im Morgenmagazin betont: Wenn es nach ihm geht, darf das Gesetz auch gerne vor dem 1. Januar 2021 in Kraft treten. Es wird gerade daran gearbeitet. Den Kabinettsbeschluss hat Herr Seibert bereits erwähnt. Von diesen Eckpunkten ist bereits in der letzten Woche etwas umgesetzt worden, nämlich im Rahmen der Entsenderichtlinie, die in deutsches Recht umgesetzt wurde. Darin ist auch die Verstetigung des Projekts „Faire Mobilität“ enthalten, mit dem eine niedrigschwellige Beratung für Menschen aus anderen Ländern, die als Entsandte in Deutschland arbeiten, angeboten wird.

NAUBER: Ich kann noch einmal das bekräftigen, was Herr Seibert gesagt hat. Wir nehmen das Ausbruchsgeschehen im Kreis Gütersloh nach wie vor sehr ernst. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich dazu heute auch gegenüber der „Rheinischen Post“ geäußert:

„Jetzt gilt es, den regionalen Ausbruch umgehend einzudämmen und die Infektionsketten zu unterbrechen. Deswegen muss angeordnete Quarantäne dringend durchgesetzt werden. Nur mit entschlossenem Handeln vor Ort in Ostwestfalen kann ein Übergreifen auf ganz Deutschland verhindert werden. Es ist gut, dass die Landesregierung dem Geschehen höchste Priorität einräumt.“

Ich kann Ihnen auch noch sagen, dass das Robert-Koch-Institut die Behörden vor Ort unterstützt. Am Samstag ist dort ein Ausbruchsteam mit drei erfahrenen Epidemiologinnen und Epidemiologen eingetroffen, um die dortige Amtsärztin zu unterstützen. Außerdem sind in Gütersloh 15 Containment Scouts des RKI im Einsatz und weitere drei im Landkreis Warendorf. Die Containment Scouts das wissen Sie vielleicht helfen bei der Kontaktnachverfolgung. Ich kann Ihnen auch noch ankündigen, dass das Robert-Koch-Institut am morgigen Dienstag eine Pressekonferenz abhalten wird, um das Ausbruchsgeschehen für Sie noch einmal fachlich einzuordnen.

Ansonsten kann ich zu Ihrer Frage nur noch einmal darauf hinweisen, dass über die Maßnahmen vor Ort nach wie vor die Länder entscheiden, denn diesen obliegt der Vollzug des Infektionsschutzgesetzes.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das ist bekannt. Die Kanzlerin, die Bundesregierung war stolz auf diesen Notfallmechanismus, der bei 50 neuen Infektionen pro 100 000 Einwohner greifen soll. Herr Seibert, können Sie uns erklären, warum dieser Mechanismus bei diesem offensichtlichen Fall jetzt nicht automatisch zur Anwendung kommt?

Herr Heil hatte gesagt: Wir machen jetzt Schwerpunktrazzien der Arbeitsschutzbehörden des Zolls. Herr Kuhn, Sie sind für den Zoll zuständig. Wie hat sich die Zahl der Razzien in den letzten Wochen und Monaten verändert? Können Sie uns aktuelle Zahlen nennen?

STS SEIBERT: Gerade in der letzten Woche haben sich die Bundeskanzlerin, andere Mitglieder der Bundesregierung und die Regierungschefs und –chefinnen der Länder darauf geeinigt, noch einmal zu bekräftigen: „Dort, wo die regionale Dynamik im Infektionsgeschehen dies erfordert, sollen im Rahmen der vorzusehenden Maßnahmen im öffentlichen Raum weitergehende Kontaktbeschränkungen erlassen werden, um den Ausbruch einzudämmen und ein überregionales Infektionsgeschehen zu verhindern.“

Genau darum geht es, wie ich versucht habe zu erklären. In den Landkreisen rund um Gütersloh und bei dem Ausbruch rund um Tönnies sind ja auch solche Maßnahmen wie beispielsweise die Schließung von Kitas und Schulen ergriffen worden. Wenn Sie den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gestern gehört haben, dann hat er ja zunächst einmal weitere Maßnahmen von dem Erfolg abhängig gemacht, den man bei der Begrenzung dieser Infektionswelle hat.

DR. KUHN: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich) hat in der Tat ihre Prüfung in den letzten Wochen deutlich intensiviert und trägt dazu bei, dass die Missstände in der Fleischwirtschaft aufgearbeitet und bekämpft werden. Die Hauptzollämter wurden bereits am 12. Mai von der Generalzolldirektion angewiesen, die Prüftätigkeit zu intensivieren und insbesondere mit den Arbeitsschutzverwaltungen der Länder Prüfmaßnahmen vorzunehmen. Seither wurden 137 Arbeitgeberprüfungen und 3200 Personenbefragungen durchgeführt. Jetzt werden diese Prüfungsergebnisse ausgewertet. Es werden auch schon erste Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die FKS, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, ist hier dran und überprüft das intensiver.

Noch einmal zur Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern: Die Länder sind für die Überwachung der gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften, also auch gerade der Hygiene- und Gesundheitsvorschriften zuständig, die FKS kümmert sich um Mindestlohn- und Sozialhilfebetrug und arbeitet Hand in Hand mit den Länderbehörden zusammen. Sowohl Minister Scholz als auch Minister Heil haben sich gemeinsam mit einem Schreiben an die Länder gewandt und dafür geworben, die gemeinsamen Kontrollen mit den Arbeitsschutzverwaltungen zu intensivieren und haben einen verstärkten Personaleinsatz angefordert. Es gibt seit dem 11. Mai zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem Bundesarbeitsministerium auch eine Taskforce, die sich speziell mit den Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft und der Frage befasst, wie dort die Untersuchungen und Kontrollen intensiviert und verbessert werden können.

FRAGE DR. RINKE: Frau Nauber, ich möchte noch einmal eine Frage wiederholen: Warum gibt es keinen Lockdown in dem Landkreis? Das wäre ja eine der Möglichkeiten. Was wäre statt eines kleineren partiellen Lockdowns, der jetzt angeordnet wurde, die Präferenz des Gesundheitsministeriums?

Zweitens. Gibt es von Ihnen eine Vereinbarung mit der Firma Tönnies, dass alle Gesundheitskosten, die jetzt anfallen, von dem Unternehmen getragen werden müssen oder werden auch Kosten von der öffentlichen Gesundheitsvorsorge übernommen?

NAUBER: Den Worten des Ministers kann ich an dieser Stelle jetzt nichts weiter hinzufügen und nur noch einmal den Hinweis geben, dass über die Maßnahmen vor Ort die Bundesländer selbst entscheiden.

Von einer Vereinbarung, wie Sie sie jetzt erwähnt haben, habe ich keine Kenntnis.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Wird die denn von Ihrer Seite aus angestrebt? Das Unternehmen selber hat ja sogar angekündigt, dass es die Testungen im Raum Gütersloh bezahlen will. Deswegen muss ja eine Vereinbarung getroffen werden.

NAUBER: Ich kann Ihnen dazu nichts mitteilen.

FRAGE: Eine Frage an das BMAS. Sie sagten, speziell das Gesetz zum Verbot von Werkverträgen ist in Arbeit. Woran hakt es denn möglicherweise? Wann rechnen Sie damit, dass es in die parlamentarische Beratung kommt?

JÄGER: Die Entwicklung des Gesetzes läuft. Woran es hakt, kann ich jetzt nicht sagen. Wir arbeiten im Moment gerade daran. Es kommt so schnell wie möglich in das parlamentarische Verfahren. Ich habe dazu aber keine Daten zu nennen. Wir hegen die Hoffnung, dass das noch vor August gelingt. Garantieren lässt sich so etwas aber ja nie.

FRAGE REUTER: Sind Sie der Meinung, dass es sich dort um ein lokalisiertes, klar eingrenzbares Infektionsgeschehen handelt, oder ist es bei 1300 Infizierten und rund 1300 Wohnstandorten von Tönnies-Mitarbeitern nicht doch ein verteiltes Ausbruchsgeschehen mit unklaren Infektionsketten?

NAUBER: Ich kann dazu wirklich nur noch einmal das wiederholen, was Minister Spahn gesagt hat: Es gilt jetzt, jeden regionalen Ausbruch umgehend einzudämmen und die Infektionsketten zu unterbrechen. Darüber, wie das im Einzelnen geschieht, entscheiden die Bundesländer.

FRAGE MEYER: Noch einmal zu den Haftungsmöglichkeiten gegen das Unternehmen: Weswegen genau wären möglicherweise Ansprüche geltend zu machen?

JÄGER: Der Minister hat sich zu diesem Thema ja häufiger geäußert. Er hat betont, dass in der Fleischwirtschaft ein System von Subunternehmertum existiert, durch das die Verantwortung gerade auch für den Arbeitsschutz abgewälzt wurde. Er erwartet von Unternehmen wie Tönnies, dass sie vor Ort mit den Behörden kooperieren und alles tun, um den Schaden zu begrenzen und für das einzustehen, was da angerichtet wurde. Gegebenenfalls können vor Ort auch zivilrechtliche Haftungsmöglichkeiten bestehen.

FRAGE JORDANS: Was empfinden die Minister bei dem Anblick von Menschen, viele davon Ausländer, die wegen Quarantänemaßnahmen hinter Metallzäunen eingesperrt sind? Wer ist für die Versorgung dieser Eingezäunten zuständig?

NAUBER: Ich habe dazu nichts mitzuteilen.

JÄGER: Wie sich jemand fühlt, der so etwas sieht, kann man sich vorstellen ich denke nicht, dass das irgendjemandem gefällt. Wer dafür verantwortlich ist, kann ich nicht sagen, aber ich würde einmal vermuten, dass das eigentlich die Unternehmen wären.

FRAGE JESSEN: Es wird gemeldet, dass die Bundeswehr in Gütersloh im Einsatz sei. Kann uns jemand sagen, was sie dort tut?

Zum Zweiten. Herr Seibert, da der Arbeitsminister heute Morgen betont hat es wurde eben noch einmal zitiert , dass, wenn es nach ihm ginge, das Gesetz gern auch vor dem 1. Januar kommen könne: Ist das auch die Auffassung der Kanzlerin, setzt auch sie sich dafür ein, dass dieses Gesetz möglichst schon vor dem 1. Januar kommt.

COLLATZ: Vielleicht steige ich zunächst zu der Bundeswehrfrage ein, denn das ist eine einfach zu beantwortende Frage: Wir haben sehr schnell ein Amtshilfeersuchen bekommen, das genehmigt wurde. Wir sind dann zunächst mit 25 Menschen vor Ort gewesen, um die schnelle Ermöglichung von Reihentestungen zu unterstützen. Wir sind ja nur ein kleiner Akteur vor Ort; insgesamt können wir hier ja nur in Unterstützungsmaßnahmen tätig sein. Wir haben uns aber gut eingebunden und zunächst mit 25 Menschen, einen Tag später dann aber mit bis zu 65 Menschen diese Reihentestungen unterstützt. Aktuell sind wir mit 39 Menschen vor Ort, die die zuständigen Behörden bei der Durchführung der Reihentests unterstützen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Das heißt also, Ordneraufgaben und so etwas in der Art?

COLLATZ: Nein, wir haben auch mobile Testteams, die wir den Gesundheitsämtern jeweils zur Verfügung stellen. Da werden Abstriche gemacht und Ähnliches, da wird also auch aktive und praktische Arbeit vor Ort geleistet.

STS SEIBERT: Zu Ihrer zweiten Frage: Für die ganze Bundesregierung sind diese Veränderungen, die in der Fleischindustrie angestrebt sind und notwendig sind, sehr wichtig. Deswegen hat die Bundesregierung sehr schnell den Eckpunktebeschluss gefasst. Dieser Beschluss wird jetzt umgesetzt. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, wie lange das dauern wird, aber das wird natürlich mit Dringlichkeit vorangetrieben. Ich kann trotzdem noch einmal darauf verweisen: Zollbehörden und Arbeitsschutzbehörden der Ländern sind schon jetzt gefordert und können schon jetzt verstärkt kontrollieren.

FRAGE SCHIEMENZ: Zur Corona-Warn-App: Wie stehen Sie dazu, dass ältere Smartphones nicht ausreichend genutzt werden können? Wird die Bundesregierung womöglich finanzielle Unterstützung leisten, um auch für Smartphones mit älteren Betriebssystemen die Corona-Warn-App installierbar zu machen?

STS SEIBERT: Zunächst möchte ich zu der Corona-Warn-App noch einmal sagen: Sie ist mit Stand heute Morgen 11,7 Millionen Mal gedownloadet wurden. Das sind über 2 Millionen Downloads mehr als am Freitag. Sie hat sehr positive Bewertungen in den App-Stores bekommen. Das ist aus Sicht der Bundesregierung ein erfolgreicher und sehr erfreulicher Start, und es zeigt, dass sich der Kurs der Bundesregierung bei der Entwicklung und auch der Kurs der Unternehmen, die die Entwicklung gemacht haben, nämlich auf Transparenz, auf Offenheit zu setzen, wirklich gelohnt und bestätigt hat und dass das eine App ist, der die Menschen vertrauen können.

Es ist so und das kann ich hier jetzt auch nicht anders darstellen , dass die App nicht für jedes alte Smartphone geeignet ist. Das ist eine Frage technischer Eignung und nicht irgendeines politischen Willens. Die App nutzt neue Techniken und Sicherheitsverfahren, die ältere Smartphones ab einem bestimmten Jahrestag sozusagen nicht leisten, und unter Berücksichtigung dieser wichtigen Faktoren haben die Entwickler an der App gearbeitet. Sie läuft auf mehr als 85 Prozent der in Deutschland vorhandenen Smartphones, und die Entwickler haben zugesagt, noch einmal zu überprüfen, ob eine Steigerung möglich ist. Bedenken Sie aber auch: Es werden ständig und zwar ganz unabhängig von der App neue Smartphones gekauft, und die sind dann natürlich automatisch immer in der Lage, mit der Bluetooth-Low-Energy-Technik zu arbeiten.

Natürlich würde man sich wünschen, dass es anders wäre und dass jeder mit jedem alten Smartphone damit arbeiten könnte, aber es gibt da technische Gründe, die durch ein politisches Wollen der Bundesregierung nicht wegzuwischen sind.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, wie bewerten Sie denn die Äußerung von Frau Bär, die gesagt habe, manche Leute seien auch einfach zu faul, sich ein neues Smartphone zuzulegen?

ZURUF: Zu bequem!

FRAGE JESSEN: Ja, was das mildere Wort ist. Also: Manche Leute seien zu bequem, sich ein neues Smartphone zuzulegen. Ist das eine geschickte Äußerung in einer Zeit, in der sich nicht jeder alle halbe Jahre ein neues Modell zulegen kann?

STS SEIBERT: Nach dem, was ich in den sozialen Netzwerken mitbekommen habe, ist diese Äußerung von dem Medium, das sie veröffentlicht hat, korrigiert worden. Mehr kann ich dazu jetzt nicht sagen.

VORS. WEFERS: Herr Grünewälder hat jetzt noch einmal das Wort zum Thema Zeitplan der Pressekonferenz des Bundesinnenministers in Stuttgart.

GRÜNEWÄLDER: Es ist gerade ja etwas Verwirrung über den Zeitpunkt der Pressekonferenz in Stuttgart entstanden. Ich möchte nur darauf hinweisen: Seit kurz nach 12 Uhr läuft die Pressekonferenz nach der Begegnung des Bundesinnenministers mit seinem baden-württembergischen Kollegen. Diese Pressekonferenz wird unter anderem von „BILD“ live übertragen. Es war nicht ein Interview, das da vorgeschaltet war, sondern es war die Pressekonferenz, die seit kurz nach 12 Uhr live übertragen wurde. Ich habe das Video hier auf dem Handy, das kann ich Ihnen gleich zeigen. Das nur zur Klarstellung. Danke schön!

FRAGE WARWEG: Am 15. Juni erklärte der Leiter der ukrainischen Delegation der Kontaktgruppe, dass nach seinem Verständnis die Minsk-2-Vereinbarungen einen rein konstruktorischen Charakter hätten und auch keinerlei Verpflichtungen für die Ukraine beinhalten würde. Da möchte ich fragen: Sind dem Auswärtigen Amt diese Äußerungen bekannt, und falls ja, teilt sie die Äußerungen des Delegationsleiters Oleksandr Mereschko?

BURGER: Mir sind solche Äußerungen gerade hier nicht bekannt. Wenn wir dazu etwas sagen können, werde ich das gerne nachliefern.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Nun ist Deutschland in diesem Kontext ja nicht irgendwer, sondern Garantiemacht. Das heißt, trotz des Status als Garantiemacht ist man sich im Auswärtigen Amt dieser Äußerungen im Kontext der Kontaktgruppe zu Minsk 2 nicht bewusst?

BURGER: Herr Warweg, ich habe nicht gesagt, dass das Auswärtige Amt sich dieser Äußerungen nicht bewusst ist, sondern ich habe gesagt: Mir ist diese Äußerung jetzt gerade nicht bekannt. Deswegen werde ich mich erst dann dazu äußern, wenn ich sie kenne.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Das heißt, Sie können entsprechend etwas nachliefern?

BURGER: Ich habe gesagt: Wenn ich dazu etwas nachliefern kann, dann werde ich das gerne tun.

ZUSATZ WARWEG: Danke!

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, eine Frage zu Libyen: Der ägyptische Staatspräsident Al-Sisi hat mit einer militärischen Intervention in Libyen gedroht. Wie besorgt ist die Bundesregierung über diese Drohung?

BURGER: Es wird deutlich, dass die Instabilität in Libyen regionale Dimensionen annimmt und umso dringender gelöst werden muss. Wir sind deshalb weiter mit allen Seiten im Gespräch und wirken unverändert auf die Konfliktparteien ein, damit sie unter der Ägide der Vereinten Nationen die Verhandlungen fortsetzen. Wir rufen auch ihre jeweiligen Unterstützer auf, damit sie dazu ihren Beitrag leisten. Wir rufen außerdem alle Beteiligten auf, das UN-Waffenembargo endlich vollumfänglich einzuhalten. Wir hören, dass beide libyschen Seiten zu einem baldigen gemeinsamen Treffen bereit sind. Das begrüßen wir, und wir halten diesen Weg auch für den einzig richtigen. Heute tagt auch das internationale Follow-up-Komitee zur Berlin-Konferenz, diesmal unter dem Co-Vorsitz der Arabischen Liga. Auch dort werden die aktuellen Entwicklungen sicherlich thematisiert, und dort ist natürlich auch Deutschland aktiv beteiligt.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Al-Sisi sagte auch, dass es so ein Einmarsch legitim wäre. Die libysche Regierung hat gesagt, das wäre de facto eine Kriegserklärung. Deshalb noch einmal meine Frage: Nehmen Sie diese Drohung ernst?

BURGER: Ich habe über die öffentlich verfügbaren hinaus keine Erkenntnisse zu diesen Aussagen. Ich habe ja gerade schon gesagt, was die Zielrichtung unseres Wirkens ist, nämlich ein Ende der ausländischen Unterstützung für militärische Aktivitäten in Libyen und ein Beitrag dazu, dass sich die Parteien endlich an den Verhandlungstisch begeben.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Nur eine Verständnisfrage: Sie haben keine Erkenntnisse über die Aussagen von Al-Sisi zu diesem Thema?

BURGER: Keine über die öffentlich bekannten hinaus.

FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, die Kanzlerin hat mit dem ägyptischen Präsidenten erst vor wenigen Tagen telefoniert. Hat dabei diese Drohung, in Libyen direkt zu intervenieren, eine Rolle gespielt? Wie bewertet die Kanzlerin den Vorgang?

STS SEIBERT: Es war natürlich ein vertrauliches Gespräch, aus dem ich hier jetzt auch nicht weiter berichten werde. Sie wissen aber und das kann ich gerne noch einmal sagen , dass die Haltung der Bundeskanzlerin und der ganzen Bundesregierung, gerade auch in der engen Zusammenarbeit mit dem Außenminister, diejenige ist, dass wir alle Parteien dazu aufrufen, die Ruhe zu bewahren und sich für eine politische Lösung einzusetzen. Libyen braucht nichts so sehr wie einen Waffenstillstand, und die Parameter eines solchen Waffenstillstands sollen in den Militärgesprächen verhandelt werden, die die Vereinten Nationen vermittelt haben. Dafür hat der Berliner Prozess die Vorkehrungen geschaffen. So bleiben diese Verhandlungen unter UN-Ägide aus unserer Sicht der zentrale Bezugspunkt für den Friedensprozess in Libyen. Das ist die Haltung der Bundeskanzlerin, die sie in vielen Gesprächen, öffentlich wie nicht öffentlich, immer wieder vertreten hat.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Ich will es trotzdem noch einmal versuchen: Hat der ägyptische Präsident in dem Gespräch möglicherweise schon angekündigt, dass Ägypten intervenieren könnte?

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen über das Gespräch der Kanzlerin mit dem ägyptischen Präsidenten hier nicht mehr zu berichten.

FRAGE WARWEG (zur Präsidentschaftswahl in Bolivien): Herr Seibert, Sie hatten hier am 11. November letzten Jahres die Vertreibung von Evo Morales und den Machtantritt der Interimspräsidentin Áñez als wichtigen Schritt bezeichnet, auch mit Verweis auf die entsprechenden OAS-Berichte. Jetzt gibt es eine neue unabhängige Untersuchung, die zu dem Schluss gekommen ist, dass es diese angeblichen Unregelmäßigkeiten und Manipulationen gar nicht gab. Selbst die „New York Times“ berichtet, die These eines Wahlbetrugs beruhe auf falschen Daten und ungeeigneten statistischen Techniken. Dazu möchte ich fragen: Sind der Bundesregierung diese neuen Erkenntnisse bekannt? Plant sie eine Revision ihrer damaligen Aussage, dass das ein wichtiger Schritt war?

STS SEIBERT: Ich weiß nicht, wie es das Auswärtige Amt sieht ich habe heute keine neuen Informationen zu Bolivien mitgebracht und müsste die gegebenenfalls nachreichen.

BURGER: Bei mir sieht es genauso aus.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Jetzt hat Áñez den für September vereinbarten Wahltermin erneut verschoben und weigert sich auch, das entsprechende Wahlgesetz, das diese Neuwahlen dann ermöglicht, zu unterzeichnen. Wie bewertet das Auswärtige Amt zumindest davon wird es ja Kenntnis haben diese Weigerung der Interimspräsidentin?

BURGER: Auch zu dieser Frage würde ich Ihnen gerne nachliefern.

FRAGE RENAUD: An das Finanzministerium und das Wirtschaftsministerium zu den Terminen heute Nachmittag mit dem französischen Minister für Wirtschaft und Finanzen Bruno Le Maire, der sowohl Bundesfinanzminister Scholz und Bundeswirtschaftsminister Altmaier trifft: Was ist von diesem Treffen zu erwarten? Sind konkrete Entscheidungen zu erwarten?

DR. KUHN: Es ist richtig, dass der Bundesfinanzminister sich heute mit seinem Amtskollegen aus Frankreich treffen wird. Es ist das erste physische Treffen seit dem Lockdown. Die beiden werden sich zu europapolitischen Themen austauschen, natürlich auch im Vorfeld der deutschen Ratspräsidentschaft. Es ist ein üblicher enger Austausch mit Frankreich.

WAGNER: Für das Wirtschaftsministerium gilt das sehr ähnlich. Minister Altmaier und Minister Le Maire haben auch während der Corona-Lockdown-Zeit, als persönlicher Kontakt überhaupt nicht möglich war, sehr eng zusammengearbeitet und haben mit Videokonferenzen auch gemeinsame Veranstaltungen online gemacht. Bei dem heutigen Treffen geht es um eine ganze Palette von Themen. Die Minister werden darüber heute dazu haben wir auch schon eingeladen auch noch einmal informieren. Ich glaube, diese Einladung haben wir bereits verschickt ich finde sie gerade nicht. Ich glaube, heute um 17.30 Uhr werden beide über ihre Gespräche berichten.

DR. KUHN: Ich kann auch noch ganz kurz ergänzen: Es wird vor dem Treffen kurze Statements der beiden Minister geben. Das wird auch im Livestream auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums gezeigt.

KREUTZFELDT: Noch einmal ganz kurz an Herrn Grünewälder, damit hier nicht irgendjemandem vorgeworfen wird, die Unwahrheit zu sagen: Die Pressekonferenz des Bundesinnenministers hat nicht um kurz nach 12 Uhr, sondern um 12.30 Uhr begonnen, und vorher hat er ein Statement bei „BILD“ gegeben. Ihr Chef Steve Alter meldet auf Twitter: „BM #Seehofer in #Stuttgart im Gespräch mit @BILD“ usw., und ich sehe die Kollegen, die bei der Pressekonferenz sind. Es war also ein Exklusivgespräch vorher. Was Sie eben in Reaktion auf meine Aussage gesagt haben, war insofern aus meiner Sicht nicht wahr.

GRÜNEWÄLDER: Es ist natürlich sehr schwer, von Berlin aus Sachen zu kommentieren, die jetzt gerade in Stuttgart stattfinden. Ich weiß, dass um 12.05 Uhr ein Statement vor Hintergrund des Innenministeriums Baden-Württemberg zusammen mit dem Kollegen Strobl angefangen hat. Wir können das gleich gern noch einmal aufklären. Es fanden jedenfalls offizielle Statements statt, die öffentlich waren, und es war mir wichtig, das noch einmal darzustellen. Es findet heute umfangreiche Information der Presse in Baden-Württemberg, in Stuttgart statt.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, zur EU-Ratspräsidentschaft: Es gibt Diskussionen zum Sponsoring. Rumänien hatte seine Ratspräsidentschaft von Coca-Cola sponsern lassen, Österreich von Audi und Bulgarien von BMW. Von wem wird die Bundesregierung während der EU-Ratspräsidentschaft gesponsert? Oder verzichtet die Bundesregierung komplett darauf?

STS SEIBERT: Ich meine, wir hätte hier neulich ausführlich dazu berichtet, aber vielleicht war das auch eine Anfrage, die außerhalb der Bundespressekonferenz lief. Ich werde die Antwort auf diese Anfrage gerne noch einmal nachreichen. Die Präsidentschaft der Bundesregierung ist nicht gesponsert.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das heißt, Sie verzichten komplett darauf, und es gibt auch keine kleinen lokalen oder regionalen Unternehmen, die Getränke sponsern etc.?

STS SEIBERT: Deswegen würde ich Ihnen den Text, den wir dazu herausgegeben haben, gerne noch einmal heraussuchen und zur Verfügung stellen. Es gibt grundsätzlich kein Sponsoring. Ich glaube mich zu erinnern, dass es bei einzelnen Veranstaltungen möglicherweise die Zurverfügungstellung von regionalen Spezialitäten gibt. Das würde ich jetzt aber, ehrlich gesagt, nur unter Vorbehalt sagen. Es gibt dazu einen ganz klaren Text, und den stelle ich hier gerne noch einmal zur Verfügung.

FRAGE JESSEN: Es gibt ja, da die einzelnen Ratspräsidentschaften das unterschiedlich handhaben, auch die Erwägung, ob man auf EU-Ebene eine grundsätzliche Regelung haben sollte, dass es kein Sponsoring jedenfalls in großem Ausmaß geben dürfe. Setzt sich die Bundesregierung für eine solche grundsätzliche Regelung eines Sponsoringverbots ein?

STS SEIBERT: Ich habe meinen Text jetzt auch gefunden so schnell geht es manchmal.

Die Bundesregierung wird im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft grundsätzlich auf Sponsoring verzichten, um ihre volle Unterstützung für die Ziele der EU zu zeigen. Grundsätzlich sollte der Verzicht auf Sponsoring als politisches Zeichen der Unabhängigkeit betrachtet werden und zeigen, dass die Durchführung der Ratspräsidentschaft grundsätzlich ohne Sponsoring durch die Privatwirtschaft möglich ist. Jetzt kommt es: Ausnahmen könnten allenfalls im regionalen Bereich liegen. Regionale Spezialitäten werden da zum Beispiel genannt. So könnte beispielsweise regionalen Anbietern, etwa von regional typischen Produkten der Veranstaltungsorte, die Gelegenheit gegeben werden, diese zu präsentieren. Auch in diesem Fall sind die Vorschriften der VV Sponsoring einzuhalten. Unter anderem müssen die Prinzipien der Chancen- und Wettbewerbsgleichheit Berücksichtigung finden.

VORS. WEFERS: Es war noch die Frage offen, ob Sie sich dafür einsetzen wollen, dass das immer so bleibt.

STS SEIBERT: Ich habe doch klar gesagt, dass die Bundesregierung die Ziele der Europäischen Union auf diesem Gebiet damit unterstützen will, dass sie grundsätzlich auf

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