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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 26. Juni 2020

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Spendengipfel der EU-Kommission, Kabinettssitzungen, Empfang des französischen Staatspräsidenten, Regierungsbefragung im Deutschen Bundestag, Austausch mit dem Kollegium der Europäischen Kommission zu den Schwerpunkten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, Vorstellung der Ziele der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Bundesrat), COVID-19-Pandemie (regionale Beschränkungen für die Kreise Gütersloh und Warendorf, Reisebeschränkungen, Zahl der im Zusammenhang mit der Coronakrise eingesetzten Bundeswehrsoldaten, Zahl der infizierten Bundeswehrsoldaten), Gespräch der Bundeslandwirtschaftsministerin mit Vertretern aus der Fleischindustrie, Lage im Sudan, Lage in Libyen, Sitzungen des Klimakabinetts, Nord Stream 2, Staatsanleihekaufprogramm der EZB, Evaluation des Mindestlohngesetzes, Erklärung der Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik zum Internationalen Tag der Unterstützung der Folteropfer, Präsidentschaftswahl in Bolivien, Urteil gegen den russischen Regisseur Kirill Serebrennikow, Wirecard, Reaktion des Bundesinnenministers auf eine „taz“- Kolumne

1:30 Termine der Kanzlerin

Naive Fragen zu:
4:18 EU-Ratspräsidentschaft
– Schwerpunkte der Ratspräsidentschaft: Laufen Klimaschutz, Digitalisierung bei Ihnen unter ferner liefen? (ab 6:00)

8:15 Corona/Fleischindustrie
– ich würde zu dem „Branchengespräch“ von Frau Klöckner gerne was wissen. Da sollen ja Vertreter von Tierhaltern, Fleisch- und Ernährungsbranche, Handel, Bundeskartellamt, Tierärzten und Verbraucherschützern dabei sein. Warum ist der Arbeitsminister nicht dabei? Und warum wurden Vertreter der Beschäftigten erst in letzter Minute eingeladen? (ab 13:30)
– aber wenn es um die Theke und den Fleischdruck geht, dann muss es doch auch um die Arbeitsverhältnisse gehen. Und warum sind keine Vertreter für Menschenrechte dabei?
– Sie sagten gerade, dass Tiere „gestorben“ sind. Warum sprechen Sie nicht von Tötung? (ab 15:50)
– würde die Ministerin von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen sprechen? gleiche Frage ans Arbeitsministerium

20:45 Libyen
– Lernfrage: Sie fordern „alle ausländischen Akteure dazu auf, jede Einmischung zu beenden“. Welche sind das? (ab 23:06)
– über welche ausländischen Akteure haben Sie Kenntnis? Wenn sie „alle“ auffordern, müssen Sie ja wissen über wen Sie da sprechen…

24:50 Bundeswehr
– aktuelle Zahlen von Soldaten im Corona-Einsatz und infizierte Soldaten?

26:47 Klimakabinett
– warum gab es denn seit 9 Monaten kein Klimakabinett? (28:20)

32:30 Folter
– würde gerne wissen, ob die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik heute zum Tag zur Unterstützung von Folteropfern für die Bundesregierung die Erklärung abgeben hat oder nur für sich?
– wann hat die Bundesregierung die USA zuletzt aufgefordert Guantanamo zu schließen?
– wie ist die Position der Bundesregierung zu Gitmo und wann hat das AA, wann hat die Kanzlerin mit Trump darüber gesprochen?

33:33 Bolivien
– in Ihrem letzten Satz der Nachreichung sagen Sie, es „gibt es keinen Anlass, an der abschließenden Feststellung der OAS zu zweifeln“. Warum nicht? Die Studie zeigt doch auf, dass es jeden Anlass dazu gibt. (ab 34:45)
– Sie haben darüberhinaus darauf gesetzt, dass es zu Neuwahlen kommt, weshalb Sie die Übergangspräsidentin Anez unterstützt. Nun nach 7 Monaten gibt es keine Neuwahlen. Würden Sie mittlerweile von einem Putsch sprechen?

37:55 Wirecard
– wie bewertet denn die Kanzlerin diesen Skandal? und hat sich die Kanzlerin in den letzten Jahren mit Vertretern von Wirecard getroffen? (ab 39:39)
– waren Vertreter mal im Kanzleramt?

47:05 Seehofer vs. taz
– wie bewertet die Kanzlerin den vermeintlichen Ausgang der Affäre?
– die taz-Redaktion hat die Einladung ins Innenministerium als Gesprächsort abgelehnt und den gemeinsamen Buch der Polizeischule Eutin vorgeschlagen, wo es Rassismusprobleme in den eigenen Reihen und dem begegnet wird. Wird der Minister die Einladung annehmen?
– die Polizeischule ist also eine Option für den Minister?

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 26. Juni 2020:

STS SEIBERT: Schönen guten Tag auch von mir! Ich beginne mit einem Blick auf die Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche.

Ich möchte noch einmal ganz kurz den morgigen Samstag erwähnen. Frau Demmer hat Ihnen das schon am Mittwoch gesagt. Die Bundeskanzlerin wird die virtuelle Geberkonferenz Coronavirus Global Response und das TV-Konzert „Global Goal: Unite for Our Future“ morgen jeweils mit einer Videobotschaft unterstützen.

Am Montag findet um 9 Uhr zu einem unüblichen Zeitpunkt eine zusätzliche Kabinettssitzung unter Leitung der Bundeskanzlerin statt.

Am Montagnachmittag auch das hat Frau Demmer schon am Mittwoch gesagt findet eine Begegnung mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron im Gästehaus der Bundesregierung auf Schloss Meseberg statt. Das ist eine Begegnung, keine Videokonferenz. Alles Wichtige, den Ablauf hatten Sie schon am Mittwoch erfahren.

Am Mittwoch, den 1. Juli, auf den wir nun schon so lange hinarbeiten, übernimmt Deutschland turnusgemäß für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft.

Zunächst findet um 9.30 Uhr die reguläre Sitzung des Bundeskabinetts unter Leitung der Bundeskanzlerin statt, die sich dann im Deutschen Bundestag von 13 bis 14 Uhr in einer Regierungsbefragung den Fragen der Abgeordneten im Plenum stellen wird. Sie wird, wie üblich, zu Beginn einen einleitenden Vortrag halten. Danach werden Fragen zu diesem und zu anderen Themen gestellt.

Am Donnerstag, wie es zu Beginn einer Ratspräsidentschaft üblich ist, tauscht sich die Bundesregierung mit dem Kollegium der Europäischen Kommission zu den Schwerpunkten der deutschen Ratspräsidentschaft aus. Das wird pandemiebedingt ab 14 Uhr in Form einer Videokonferenz stattfinden. Da es eine Videokonferenz ist, wird es auch ein etwas engerer Kreis sein, nämlich mit der Bundeskanzlerin, einigen Bundesministern und auf Brüsseler Seite mit der Kommissionspräsidentin und den drei exekutiven Vizepräsidenten Frau Vestager, Herrn Dombrovskis und Herrn Timmermans sowie dem Hohen Vertreter Josep Borrell und der Innenkommissarin Ylva Johansson. Im Anschluss gibt es dann eine Pressekonferenz parallel aus Berlin und Brüssel.

Am Freitag auch das hat etwas mit der Übernahme der Ratspräsidentschaft zu tun wird die Bundeskanzlerin um 9.30 Uhr vor dem Bundesrat die Ziele der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vortragen. Das hat sie auch zu Beginn der letzten deutschen Ratspräsidentschaft 2007 mit einer Rede vor der Länderkammer getan.

FRAGE DR. RINKE: Wenn die Bundeskanzlerin am Freitag ihren Vortrag im Bundesrat hält, ist dann auch eine Diskussion geplant? Können da auch die Ministerpräsidenten Fragen stellen, oder ist das nur eine Rede, und dann tritt sie ab?

STS SEIBERT: Das weiß ich nicht ganz genau, weil ich die Gepflogenheiten im Bundesrat nicht genau kenne. Das werden wir sicherlich noch während dieser Regierungspressekonferenz nachreichen können. Ich kann Ihnen sagen: Das ist die dritte Rede der Bundeskanzlerin vor der Länderkammer: 2005 die Antrittsrede, 2007 die Rede zur damaligen deutschen EU-Ratspräsidentschaft und nun aus dem gleichen Anlass wiederum. Aber ich kann Ihnen jetzt noch nicht genau den Ablauf sagen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Ich habe noch eine Frage zu der Begegnung zwischen der Bundeskanzlerin und Herrn Macron am Montag: Können wir erwarten, dass da ein weiterer deutsch-französischer Vorschlag gemacht wird, entweder zu dem finanziellen Rahmen der EU bis 2024 oder zu irgendeinem anderen Aspekt?

STS SEIBERT: Die deutsch-französische Initiative, die die Bundeskanzlerin und Emmanuel Macron gemeinsam gestartet haben, ist das finden wir gut ein Kernbestandteil des Vorschlags, den die EU-Kommission dann den europäischen Staats- und Regierungschefs gemacht hat und über den jetzt verhandelt wird. Bei diesen Verhandlungen wird die Bundeskanzlerin die Arbeit des Ratspräsidenten Charles Michel natürlich intensiv unterstützen. Aber einen neuen Vorschlag kann ich Ihnen hier jetzt für Montag nicht in Aussicht stellen. Es liegt ja ein Vorschlag der Kommission auf dem Tisch. Der ist jetzt Gesprächsgrundlage der Verhandlungen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, Sie haben zu den Schwerpunkten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine schöne Grafik herausgebracht, in der es heißt, die Bewältigung der Coronafolgen und der Wiederaufbau, der mehrjährige Finanzrahmen sowie die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zu Großbritannien seien die Schwerpunkte. Dann heißt es, weitere Themen seien unter anderem der Klimaschutz, die Digitalisierung und Europas Rolle in der Welt. Kann man das so verstehen, dass der Klimaschutz, die Digitalisierung und die Souveränität bei der Bundesregierung unter „ferner liefen“ laufen und dass außenpolitische Themen wie die Annexionen der Israelis, Libyen usw. kein Thema für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sind?

STS SEIBERT: Nein, so kann man es nicht verstehen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie denn dann?

STS SEIBERT: Das wäre sogar ganz falsch. Frau Demmer hat hier am Mittwoch ausführlich vorgetragen, was das Kabinett als Programmatik für die deutsche Ratspräsidentschaft vorgesehen hat. Die Bundeskanzlerin hat sich dazu immer wieder geäußert. Sie hat immer wieder betont, wie zentral für sie Themen wie die Klimapolitik und die Digitalisierung gerade auch in den nächsten sechs Monaten sind. Ich glaube, dass das deswegen ein völlig falscher Eindruck wäre.

ZUSATZFRAGE JUNG: Warum verbreiten Sie dann solche Grafiken, in denen sich mit der Coronakrise beschäftigt wird, aber die weit größere Krise, nämlich die Klimakrise, nur unter „weitere Themen“ subsumiert wird?

STS SEIBERT: Wenn Sie ständiger Kunde der verschiedenen Formate der Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Bundesregierung wären, hätten Sie gesehen, wie oft wir gerade das Thema Klimapolitik im Zusammenhang mit der anstehenden Präsidentschaft in den Mittelpunkt gehoben haben. Ich kann Ihnen zum Nachstudium gerne noch reichlich Material zur Verfügung stellen.

FRAGE: Herr Seibert, der Bürgermeister von Gütersloh hat in einem Interview gesagt, er würde sich wünschen, dass auch die Kanzlerin etwas dazu sagen würde, wie jetzt gerade mit den Menschen in den sogenannten Hotspots umgegangen wird. Er spricht davon, dass es eine Stigmatisierung geben würde. Dabei bezieht er sich auf die Beherbergungsverbote in diversen Bundesländern. Wie sehen Sie das? Wird es noch eine Reaktion der Bundeskanzlerin darauf geben?

STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin ist ständig über die Entwicklung in den betroffenen Landkreisen informiert. Sie und auch die ganze Bundesregierung wissen, dass das für viele Menschen dort jetzt eine sehr schwierige Situation ist, die Einschränkungen und Belastungen mit sich bringt. Sie dankt allen, die das mit Geduld hinnehmen, die den notwendigen zeitweiligen Beschränkungen folgen und die das auch mit Einsicht in diese Notwendigkeiten tun. Sie alle helfen, eine weitere Ausbreitung des Virus dort zu verhindern das muss ja unser aller Ziel sein und dadurch die Situation möglichst rasch wieder zu entspannen. Sie alle tun damit etwas für die Gemeinschaft.

Das, was Sie ansprechen und worüber jetzt vereinzelt berichtet wird, nämlich dass Menschen aus Gütersloh und Warendorf zum Teil beleidigt und dass ihre Autos zerkratzt werden, ist natürlich ein völlig inakzeptables und widerwärtiges Verhalten. Wir müssen einander gerade in schwierigen Situationen mit Respekt und Sympathie behandeln. Jeder sollte daran denken, dass sich jeder in der Lage wiederfinden könnte, in der Nachbarschaft eines Ausbruchsherdes zu leben und dann in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Das muss man ganz klar dazu sagen.

ZUSATZFRAGE: Wie steht die Bundeskanzlerin zu den Beherbergungsverboten?

STS SEIBERT: Die gehen ja auf die Verordnungen einiger Bundesländer zurück. Insofern müssten Sie diese Frage auch an die Bundesländer richten. Sie haben in ihren Landesverordnungen festgelegt, dass Menschen aus Gebieten mit Überschreitungen des regionalen Grenzwerts, also 50 Neuinfektionen über sieben Tage hinweg auf 100 000 Einwohner, nicht mehr einreisen und nicht mehr beherbergt werden dürfen. Das betrifft zurzeit tatsächlich in einzelnen Bundesländern Urlauber aus Gütersloh und Warendorf und gegebenenfalls auch Urlauber aus Göttingen. Das ist in den Landesverordnungen so festgelegt. Deswegen wird diesen Menschen auch der Rat gegeben, sich testen zu lassen. Sie haben dann mit einem negativen Testergebnis die Möglichkeit zu reisen.

Vielleicht muss man es einfach noch einmal sagen: Das, was wir jetzt in Gütersloh und in Warendorf erleben im Übrigen nicht nur dort; es gibt auch noch andere lokale Ausbrüche, auch hier in Berlin , zeigt immer wieder: Das ist noch immer ein dynamisches Infektionsgeschehen. Das Virus ist nach wie vor in Deutschland. Jede Region kann plötzlich von einem Ausbruch betroffen sein. Das sollten sich die Menschen, die jetzt glauben, sie müssten mit dem Finger auf Menschen in den betroffenen Landkreisen zeigen, auch bewusst machen. Deswegen sind die Abstands- und Hygieneregeln nach wie vor von entscheidender Bedeutung.

Wir erleben einen massiven Ausbruch bei Tönnies. Das Ziel muss sein, das hohe Infektionsrisiko, das für diese Region besteht, nicht eintreten zu lassen, also die Ausbreitung des Virus, des Infektionsgeschehens rund um die Firma Tönnies zu begrenzen. Hoffentlich gelingt das. Man muss das sehr ernst nehmen. Damit begründen sich alle diese zeitweiligen Einschränkungen, die natürlich für die Menschen in ihrem Leben im Moment sehr belastend sind.

FRAGE JORDANS: Haben Sie inzwischen prüfen können, ob es eine rechtliche Voraussetzung für Einreisebeschränkungen innerhalb Deutschlands gibt? Wird das vor Gericht Bestand haben?

ALTER: Einreisebeschränkungen, die auf Bundesebene geregelt sind, beziehen sich auf die Landesgrenzen der Bundesrepublik Deutschland und nicht auf Grenzen der Länder in Deutschland. Auf Bundesebene gibt es solche Beschränkungen oder solche Rechtsgrundlagen meines Erachtens nicht. Ich kann aber keine Auskunft darüber geben, ob derartige Vorschriften in den jeweiligen Ländergesetzen vorhanden sind.

FRAGE JUNG: Da Herr Seibert gerade schon Tönnies angesprochen hat, möchte ich an das Landwirtschaftsministerium eine Frage zur Fleischindustrie stellen. Ich möchte zu dem Branchengespräch, zu dem Frau Klöckner geladen hat, gerne etwas wissen. Daran sollen Vertreter von Tierhaltern, der Fleisch- und Ernährungsbranche, des Handels, des Bundeskartellamts sowie Tierärzte und Verbraucherschützer teilnehmen. Warum ist der Arbeitsminister nicht dabei? Warum wurden Vertreter der Beschäftigten erst in letzter Minute eingeladen?

BRANDT: Vielen Dank für die Frage. Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat mit ihren beiden Ressortkolleginnen aus NRW und Niedersachsen zu dem Branchengespräch Fleisch nach Düsseldorf eingeladen. Thema ist die Lage am Fleischmarkt. Es geht um die Neuausrichtung, die Neugestaltung der Tierhaltung und in erster Linie nicht um die Arbeitsbedingungen. Natürlich ist das ein wichtiges Thema in den Schlachtbetrieben. Aber heute geht es um die Neujustierung der Tierhaltung vom Teller bis zur Theke. Da zeigt sich, beispielsweise auch durch die Zustände bei Tönnies, dass der Preisdruck so enorm hoch ist, dass sich das bis zum Landwirt durchzieht, also dort, wo es praktisch losgeht. Das ist heute das Thema.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber wenn es um die Tierhaltung bis zur Theke und um den Preisdruck geht, dann muss es doch auch um die Arbeitsverhältnisse gehen. Ich habe auch gefragt, warum Vertreter der Beschäftigten erst in letzter Minute eingeladen worden sind. Warum sind keine Vertreter, die sich für Menschenrechte einsetzen, dabei?

BRANDT: Wann, zu welchem Zeitpunkt eingeladen wurde, kann ich nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, worum es heute hauptsächlich geht. Dabei geht es nicht hauptsächlich um die Arbeitsbedingungen in den Schlachtbetrieben.

ZUSATZFRAGE JUNG: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

BRANDT: Ich habe Ihnen gerade gesagt: Es geht vor allen Dingen um die Preise, um das Preisdumping. Die Ministerin hat schon sehr oft angesprochen, dass mit Niedrigstpreisen für Lebensmittel, für Fleisch geworben wird, wofür Tiere gestorben sind, und dass das natürlich einen enormen Druck auf die ganze Lebensmittelkette ausübt. Uns ging es jetzt um die Branche, um die Lebensmittelkette.

FRAGE JESSEN: Da Sie eben gesagt haben, es gehe wesentlich um die Tierhaltung: Bei der Aufzählung war aber nicht zu lesen, dass Vertreter von Tierschutz- und Tierwohlorganisationen dabei sind.

BRANDT: Doch. Auch Tierschützer sind eingeladen worden.

ZUSATZ JESSEN: Ich habe nur etwas von Verbraucherschützern gelesen.

BRANDT: Auch Tierschützer sind eingeladen worden.

ZUSATZ JESSEN: Dann ist mir das entgangen.

FRAGE JUNG: Sie haben gerade gesagt, dass Tiere gestorben seien. Warum sprechen Sie nicht von einer Tötung? Die Schweine beispielsweise werden getötet. Sie sterben ja nicht einfach so.

Würde die Ministerin von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen in der Fleischindustrie sprechen? Die gleiche Frage richtet sich an das Arbeitsministerium.

BRANDT: Die Ministerin hat sich schon häufiger dazu geäußert. Sie hat gesagt, dass die Zustände untragbar sind. Das Kabinett hat im Mai die Eckpunkte für eine Verbesserung in der Fleischbranche beschlossen. Der Arbeitsminister wird jetzt sehr schnell einen Entwurf vorlegen; das haben wir ja gehört.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber von einer Ausbeutung würde sie nicht sprechen?

BRANDT: Ich habe mich so geäußert, wie ich mich geäußert habe.

JÄGER: Der Minister hat sich ebenfalls schon häufiger darüber geäußert, dass die Zustände auf jeden Fall untragbar sind und geändert werden müssen, was die Arbeitsbedingungen der Menschen mit Werkverträgen anbelangt. Er hat nicht nur diese Eckpunkte zusammen mit dem Kabinett beschlossen, sondern er wird das entsprechende Gesetz noch diesen Sommer auf den Weg bringen. Insofern habe ich dem nichts weiter hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe nach Ausbeutung gefragt.

JÄGER: Er hat gesagt, dass er die Zustände für unhaltbar hält. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, wie bewertet Ihr Ministerium den Ausgang des Treffens der Freunde des Sudans? Ich habe noch eine weitere Frage dazu: Der französische Außenminister hat sich dafür eingesetzt, dass der Sudan von der schwarzen Liste der staatlichen Terrorförderer entfernt werden soll. Wie steht die Bundesregierung dazu?

ADEBAHR: Gestern hat eine große Sudan-Konferenz mit über 50 Teilnehmern stattgefunden, die wir virtuell gemeinsam mit dem sudanesischen Premierminister Hamdok, dem UN-Generalsekretär, Herrn Guterres, und dem Außenbeauftragten der EU, Herrn Borrell, durchgeführt haben. Die Konferenz war ein Erfolg. Unser Ziel war wir glauben, das ist gelungen , ein neues Kapitel der politischen Partnerschaft für den Sudan aufzuschlagen und eine finanzielle Unterstützung für die wirtschaftliche und demokratische Transition des Sudans zu mobilisieren, die sich das Land nun anschickt zu beginnen.

Wir haben gestern 1,8 Milliarden US-Dollar eingesammelt. Das hat unsere Erwartungen übertroffen. Darüber freuen wir uns sehr. Das Team Europe, also die EU-Mitgliedstaaten, haben 770 Millionen Euro dazu beigetragen. Deutschland allein gibt 150 Millionen Euro. Insofern eröffnet diese Konferenz neue Möglichkeiten für die nächsten Schritte des Engagements des Sudans auch mit den internationalen Finanzinstitutionen, der Weltbank und dem IWF, was wir sehr unterstützen.

Wenn Sie Fragen zu den Vereinigten Staaten und zu dieser Liste haben: Wir unterstützen den Sudan auf dem Weg zu einer friedlichen demokratischen Transition und würde uns freuen, wenn für den Sudan die Wege geebnet werden, auch um mit internationalen Gebern und Institutionen gut zusammenzuarbeiten. Eine solche Entscheidung, die Sie anfragen, muss national getroffen werden. Europa ist der Ansicht, dass der Sudan im Moment auf einem guten Weg ist, und will dabei helfen, dass es so weitergeht.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Das heißt, auch Sie unterstützen das französische Anliegen?

ADEBAHR: Europa und Deutschland unterstützen, dass der Sudan die Möglichkeit bekommt, sich gut zu entwickeln. Wir wollen dabei sehr viel mithelfen.

FRAGE FIRSOVA (zu Reisebeschränkungen): Frau Adebahr, wann dürfen russische Bürger wieder in Deutschland einreisen, und welche Regelungen gelten nur für die Bürger aus Russland?

ADEBAHR: Über die Frage der neuen Einreiseregelungen für Einreisende aus Drittstaaten in den Schengen-Raum wird gerade in Brüssel beraten. Im Moment gilt da weiterhin ein Einreisestopp. Er gilt auch für die Bürger aus Russland.

Wenn es konkrete Hinweise für Russland, für das Verhalten dort und womöglich auch für Reisetätigkeit gibt, dann finden Sie sie auf unserer Webseite. Im Kopf habe ich dazu jetzt nichts.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, eine Frage zu Libyen: Sie haben gestern eine Erklärung herausgegeben es waren drei Länder: Deutschland, Italien und Frankreich , in der Sie die Notwendigkeit eines Waffenstillstands betont haben.

Erstens. Was war der Hintergrund dieser Erklärung?

Zweitens. Was sehen Sie als Knackpunkt dafür an, dass es nicht zu einem Waffenstilstand in Libyen kommt?

ADEBAHR: Der Hintergrund der Erklärung war, dass sich Deutschland, Frankreich und Italien auch in dieser Dreiergruppe eng zu Libyen abstimmen und alle daran arbeiten, den Berliner Prozess, den wir hier mit der Konferenz begonnen haben, auf einen guten Weg zu führen. Dabei ist natürlich die Abstimmung mit Frankreich und auch mit Italien ganz besonders wichtig. Außenminister Le Drian war vergangene Woche bei Außenminister Maas zu Besuch. Herr Maas war am Montag in Rom.

Das ist Ausdruck dessen, dass diese drei Länder eine gemeinsame Haltung dazu finden und gemeinsame Forderungen haben. Uns und den anderen Partnern war es angesichts des Risikos, das wir im Moment sehen, dass sich nämlich die Lage verschlechtert und dass die Situation in Libyen angespannt bleibt, wichtig, die wichtigsten Botschaften, die wir alle drei senden wollten, in einer Erklärung zusammenzufassen.

Das sind, wie Sie schon sagten, die Fortführung der politischen 5-plus-5-Gespräche, die Einhaltung des Waffenembargos und endlich zu einem Waffenstillstand und zu einem echten politischen Prozess weiterzukommen.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Was sehen Sie als Hauptproblem dafür an, dass es nicht zu einem Waffenstillstand kommen kann? Sie versuchen schon seit Januar, seit der Berliner Konferenz, einen Waffenstillstand herzustellen, der aber nicht hergestellt werden kann.

ADEBAHR: Ich hoffe, es lag in meiner Antwort. Das ist die Bereitschaft der libyschen Konfliktparteien, sich an einen Tisch zu setzen. Daran arbeiten wir. Das ist eben die Zusage zu den 5-plus-5-Gesprächen. Das heißt, wir brauchen aufseiten der Parteien in Libyen eine Bereitschaft, mit den VN, unter der Leitung der VN in diese Gespräche einzusteigen. Daran arbeiten wir.

Auf der anderen Seite ist es natürlich auch wichtig, dass das Waffenembargo eingehalten wird, sodass man eine Atmosphäre schafft, in der die politischen Gespräche gut gedeihen können.

FRAGE JUNG: Frau Adebahr, in der Erklärung schreiben Sie, Sie forderten alle ausländischen Akteure dazu auf, jede Einmischung zu beenden.

Welche sind das?

ADEBAHR: Wir haben in der letzten Zeit von verschiedener Seite Verletzungen des Waffenembargos gesehen. Das sind auch Dinge, die in den Vereinten Nationen beraten werden. Alle Seiten, die womöglich das Waffenembargo verletzen, rufen wir dazu auf, dies zu unterlassen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Über welche ausländischen Akteure haben Sie Erkenntnisse? Denn wenn Sie sie alle auffordern, dann müssen Sie ja wissen, über wen Sie sprechen.

ADEBAHR: Ich kann Ihnen hier heute keine detaillierten Erkenntnisse über einzelne Lieferungen und einzelne Sachen darlegen. Aber

ZUSATZ JUNG: Sie sollen mir die Akteure nennen! Ich will nur die Akteure wissen, von denen Sie selbst sprechen.

VORS. WEFERS: Können wir mal hier nicht irgendwie immer hin und her springen, sondern bitte erst mal beantworten lassen?

ADEBAHR: Dann sage ich dazu noch einmal, dass es zum Beispiel auch immer wieder Gespräche zwischen Russland und der Türkei gibt und sich auch Ägypten in diesen Prozess immer wieder eingeschaltet hat. Diese Länder waren natürlich in Berlin anwesend und sind auch aufgerufen, sich an dieses Waffenembargo zu halten.

ZUSATZFRAGE JUNG: An das Verteidigungsministerium: Wie viele Soldatinnen und Soldaten sind aktuell im Einsatz, wenn es um die Coronakrise geht? Wie viele Infektionen gibt es innerhalb der Bundeswehr, also sowohl im Ausland als auch im Inland?

COLLATZ: Das beantworte ich gern, aber Sie können das alles auf unseren Internetseiten ganz tagesfrisch und aktuell nachlesen. Das ist auf den Seiten der SKB veröffentlicht.

Wir haben derzeit gut 300 Menschen im Coronaeinsatz, davon eine erkleckliche Anzahl rund um die Tönnies-Vorfälle.

In den Einsätzen das müsste ich nachschauen, aber auch das ist veröffentlicht haben wir eine einstellige Zahl von betroffenen Soldatinnen und Soldaten, und zwar ohne Einwirkung auf die Durchführung der Einsätze.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie haben mir gerade die Zahl der Infektionen im Ausland genannt und die Einsätze

COLLATZ: Sie haben nach der Anzahl der infizierten Soldatinnen und Soldaten in den Einsätzen gefragt, richtig?

ZUSATZ JUNG: Und auch in Deutschland, also nach der Gesamtzahl.

COLLATZ: Das alles können Sie, wie gesagt, nachlesen.

ZUSATZ JUNG: Das habe ich auf die Schnelle nicht gefunden.

COLLATZ: Das ist täglich online. Nach meinen Informationen haben wir eine niedrige einstellige Zahl. Aber ich denke, am besten lesen Sie das noch einmal nach.

FRAGE BUSCHOW: Ich habe noch eine Frage zu den Terminen, Herr Seibert. Wenn ich nicht richtig zugehört habe, dann bitte ich um Entschuldigung.

Wozu ist die zusätzliche Kabinettssitzung am Montag nötig, und worum geht es?

STS SEIBERT: Sie dient dem Ziel, die Beschlüsse des Kabinetts noch rechtzeitig vor der parlamentarischen Sommerpause ins parlamentarische Verfahren zu geben.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Zwei Kabinettssitzungen, heißt das, dass es nächste Woche so viele Themen gibt, dass man zwei Sitzungen braucht?

STS SEIBERT: Das ist die Begründung, ja.

FRAGE JESSEN: Anknüpfend an ein Thema, das schon einmal angefragt worden war, nämlich Sitzungen des Klimakabinetts: Ich meine, Sie hatten geantwortet, dass die letzte Sitzung im Oktober stattfand. Gibt es Planungen, Sitzungen des Klimakabinetts in der Zukunft fortzuführen, oder ist das Klimakabinett derzeit oder endgültig eingestellt?

VORS. WEFERS: Dazu hatten Sie etwas nachgereicht, wenn ich mich nicht irre.

STS SEIBERT: Ich meinte auch, es sei etwas nachgereicht worden.

ZUSATZ JESSEN: Ja, es wurde nachgereicht, wann die letzte Sitzung war.

STS SEIBERT: Ach so. Dann kann ich Ihnen sagen, dass das Projekt weder derzeit noch überhaupt eingestellt worden ist. Aber ich kann Ihnen heute keine nächste Sitzung ankündigen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Heißt das, dass es wieder Sitzungen des Klimakabinetts geben wird, wenn Sie das Thema der Klimaproblematik für so relevant halten, dass es dazu Extrasitzungen dieses Teilkabinetts geben wird?

STS SEIBERT: Das geht fast schon wieder auf die Frage von Herrn Jung vom Anfang zurück. Das Thema der Klimaproblematik halten wir für hochrelevant in der täglichen Arbeit dieser Bundesregierung. Das merken Sie auch an der Arbeit dieser Bundesregierung. Das wird sich auch im europäischen Rahmen in den nächsten sechs Monaten mit unserer Unterstützung des Green Deal, mit unserer Unterstützung für schärfere europäische Klimaziele ausdrücken.

ZUSATZ JESSEN: Deswegen ja die Nachfrage, weil ich Ihnen ja unterstelle, dass es Ihnen wichtig ist. Aber

STS SEIBERT: Dann ist es doch gut. Ich sage Ihnen Bescheid, wenn es eine weitere Klimakabinettssitzung anzukündigen gibt.

FRAGE JUNG: Warum gab es denn seit neun Monaten kein Klimakabinett, Herr Seibert?

STS SEIBERT: Weil notwendige Klimathemen zum Teil auch im regulären Kabinett bearbeitet wurden und weil wir jetzt einen sehr starken Fokus das ist verständlich, denke ich auf die Bekämpfung der Coronapandemie gelegt hatten, national wie international. Dies hat natürlich wiederum das wird sich auch in den nächsten sechs Monaten zeigen auch mit Klimapolitik zu tun.

FRAGE FIRSOVA: Laut Bloomberg bereitet Deutschland Gegenmaßnahmen für den Fall vor, dass die USA zusätzliche Sanktionen gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 verhängen werden. Stimmt das? Welche Maßnahmen sind im Gespräch?

EICHLER: Sie kennen ja unsere Haltung zu extraterritorialen Sanktionen. Wir lehnen diese ab, weil sie aus unserer Sicht völkerrechtswidrig sind. Das ist nach wie vor der Stand.

Zu etwaigen Gegensanktionen ist mir nichts bekannt.

FRAGE DR. RINKE: An das Finanzministerium: Zum Thema der Anleiheaufkäufe der EZB soll es eine Information für den Bundestag und, so nehme ich an, auch für die Bundesregierung geben. Haben Sie von der Bundesbank schon eine entsprechende Erklärung der EZB bekommen, in der Ihnen das Anleiheprogramm erklärt wird? Ist bei Ihnen irgendetwas eingegangen? Erwarten Sie in nächster Zeit etwas?

WOGATZKI: Dazu kann ich Ihnen hier heute keine Auskunft erteilen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Weil noch kein Termin feststeht, oder warum?

WOGATZKI: Ich bleibe dabei, dass ich dazu heute hier nichts sagen werde.

STS SEIBERT: Ich könnte zum Bundesrat etwas nachreichen. Ich glaube nämlich, es war auch Herr Rinke, der vorhin fragte, wie es im Bundesrat nach der Rede der Kanzlerin weitergehen wird. Danach ist eine Aussprache vorgesehen, also Redebeiträge der Vertreter der Bundesländer.

FRAGE BUSCHOW: Noch einmal an das BMAS, das sich gerade nach hinten gesetzt hat es tut mir leid , mit Blick darauf, dass die Mindestlohnkommission in der nächsten Woche ihren Beschluss vorstellen will. Können Sie einmal schildern, wie der Stand der Evaluation des Mindestlohngesetzes ist, die für dieses Jahr angekündigt war?

JÄGER: Dazu kann ich Ihnen nichts Neues sagen, außer dass die Evaluation stattfinden wird. Wir werden etwas bekannt geben, sobald wir dazu etwas veröffentlichen werden.

FRAGE JUNG: An das AA: Ich würde gerne wissen, ob die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik heute zum Internationalen Tag der Unterstützung der Folteropfer die Erklärung für die Bundesregierung oder nur für sich abgegeben hat.

ADEBAHR: Sie gibt ihre Erklärung in der Kapazität als Menschenrechtsbeauftragte dieser Bundesregierung ab.

ZUSATZ JUNG: Also hat sie für die Bundesregierung gesprochen.

ADEBAHR: Sie hat als Menschenrechtsbeauftragte dieser Bundesregierung gesprochen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wann hat die Bundesregierung zuletzt die USA dazu aufgefordert, Guantanamo zu schließen, wenn wir jetzt bei Folter und Folteropfern sind?

ADEBAHR: Ich habe die Erklärung im Moment nicht vor Augen, und das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Aber sie gibt die Erklärung als Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung ab.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber die Frage bezieht sich jetzt konkret auf den Partner USA, der immer noch ein Foltergefängnis betreibt. Wie ist die Position der Bundesregierung dazu? Wann hat das AA die USA zuletzt aufgefordert? Herr Seibert, hat die Kanzlerin vielleicht mit Herrn Trump in den letzten Monaten oder Jahren darüber gesprochen?

ADEBAHR: Ich müsste das nachreichen.

STS SEIBERT: Ich auch.

FRAGE JESSEN: Diese Frage richtet sich auch an das AA und gegebenenfalls an Herrn Seibert. Das Thema Bolivien hatten wir diese Woche schon einmal. Es gibt aber Anlass zur Nachfrage. Die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass es Untersuchungen gibt, die zu dem Ergebnis kamen, dass der Abschlussbericht der OAS, die die Wahlen im letzten Herbst für irregulär erklärt hat, selbst auf falschen statistischen Methoden beruhte. Die Bundesregierung hat diese Woche erklärt, man nehme das zur Kenntnis. Reicht das aus, oder muss sich die Bundesregierung jetzt nicht überlegen, wie sie mit diesem Ergebnis umgeht? Immerhin sind durch die Übernahme dieser falschen Bezichtigung Verhältnisse eingetreten: Rücktritt von Morales, eine Übergangsregierung, keine Neuwahlen. Wie nimmt die Bundesregierung Verantwortung wahr?

ADEBAHR: Auch dazu müsste ich Ihnen etwas nachreichen, wenn ich da einen neuen Stand haben werde.

FRAGE JUNG: Daran würde ich auch noch einmal anschließen wollen. Sie sagten in Ihrem letzten Satz Ihrer Nachreichung: Aus Sicht des AA gibt es keinen Anlass, an der abschließenden Feststellung der OAS zu zweifeln. – Dabei ist die Grundlage, auf der wir jetzt fragen, ja diese Studie über die absolut mangelhafte Auswertung der OAS. Warum gibt es also keinen Anlass? Es gibt doch auch nach den jetzigen Recherchen der „New York Times“ jeglichen Anlass, daran zu zweifeln!

Sie haben ja selbst immer wieder darauf gesetzt, dass es zu Neuwahlen kommt. Darum haben Sie die Übergangspräsidentin Añez unterstützt. Jetzt, nach sieben Monaten, gibt es weder einen Termin für Neuwahlen noch irgendwelche Neuwahlen. Würden Sie mittlerweile von einem Putsch sprechen?

ADEBAHR: Wenn ich über die Antwort hinaus, die wir nachgereicht haben, einen neuen Stand haben sollten, dann würde ich ihn Sie wissen lassen.

FRAGE FITZPATRICK: Der Regisseur Kirill Serebrennikow ist der Veruntreuung von Fördergeldern schuldig befunden worden, und zwar in einem umstrittenen Verfahren, das als politisch angesehen wird. Nimmt die Bundesregierung dazu Stellung oder hat eine Stellungnahme abzugeben?

STS SEIBERT: Wir haben den heutigen Schuldspruch zur Kenntnis genommen. Die Verkündung des Strafmaßes steht ja nach unseren Informationen noch aus.

Wie Sie wissen und wie wir hier auch häufig im Zusammenhang mit anderen Fällen dargestellt haben, verfolgt die Bundesregierung die Entwicklung in Russland und den dortigen Umgang mit Oppositionspolitikern, mit Journalisten, mit der Zivilgesellschaft, mit Künstlern und Künstlerinnen sehr genau. Prinzipien von OSZE und Europarat gelten auch für Russland, also das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Kunstfreiheit sowie faire Bedingungen für die Präsentation von abweichenden politischen Vorstellungen. Das sollte unseres Erachtens auch in der Russischen Föderation gewährleistet sein. Das hat die Bundesregierung auch in Kontakten mit Vertretern der Russischen Föderation zum Fall Serebrennikow betont.

FRAGE JESSEN: War die Bundesregierung in irgendeiner Weise durch einen Prozessbeobachter wie einen Botschafter vertreten?

ADEBAHR: Unsere Vertretung hat den Prozess in seiner Gesamtheit sehr aufmerksam verfolgt. Die Antwort darauf, ob heute jemand dabei war, müsste ich nachreichen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Aber insgesamt waren bei Prozessterminen und Verhandlungen, soweit die öffentlich waren, Beobachter vor Ort?

ADEBAHR: Ja.

FRAGE DR. RINKE: Es geht um Wirecard. Nachdem ja jetzt strafrechtliche Ermittlungen in verschiedenen Ländern eingeleitet wurden, hätte ich ganz gerne noch einmal die Frage gestellt, ob der Minister oder Ihr Ministerium eigentlich auch eine Mitverantwortung für das sehen, was passiert ist. Am Montag war es ja noch so, dass man auch die BaFin nicht wirklich für zuständig oder verantwortlich gehalten hatte. Das hat sich dann am Dienstag geändert. Deswegen stelle ich noch einmal die Frage: Sieht man eigentlich auch irgendein Versäumnis innerhalb des Finanzministeriums?

WOGATZKI: Der Minister hat sich ja gestern Abend in einem Statement dazu geäußert. Er hat unter anderem gesagt, dass sich verschiedene staatliche Institutionen Fragen stellen lassen müssen, Aufsichtsstellen durchleuchtet werden müssen und Fehler rasch identifiziert werden müssen. Er ist Herrn Hufeld für die klaren Worte dankbar und erwartet nun rasch Taten von ihm.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Genau deswegen, weil alle anderen verantwortlich waren, aber nicht das Finanzministerium, stelle ich noch einmal die Frage: Sieht man auch eine Mitschuld im Finanzministerium, weil man trotz Hinweisen, die über Jahre hinweg eingingen, nicht bei der BaFin hingeschaut hat?

WOGATZKI: Wie gesagt: Er hat Herrn Hufeld für seine klaren Worte gedankt und dann daran die Bitte oder die Erwartung angeschlossen, dass jetzt auch rasch Taten folgen werden.

ZUSATZ DR. RINKE: Im Finanzministerium wird es also keine Konsequenzen geben.

WOGATZKI: Der Minister hat auch gesagt, dass jetzt erstens alles geprüft und durchleuchtet wird und dass nicht nur geprüft wird, sondern dass zweitens auch sofort an einem Konzept gearbeitet wird, das er für die nächsten Tage erwartet.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, wie bewerte denn die Kanzlerin diesen Wirecard-Skandal? Hat sich die Kanzlerin in den letzten Jahren mit Vertretern von Wirecard getroffen?

STS SEIBERT: Dieser Wirecard-Fall ist ein besorgniserregender Fall; denn Unternehmen und Finanzmärkte müssen zuverlässig und müssen ordnungsgemäß arbeiten. Jetzt ist die Staatsanwaltschaft München zuständig dafür, zu klären, ob da Marktmissbrauch bzw. Bilanzbetrug vorlag, also dafür, alle weiteren offenen Fragen zu klären und zu ermitteln.

Natürlich muss es insgesamt darum gehen, Schaden vom Finanzplatz Deutschland abzuwenden. Deswegen müssen Schwächen bei den Kontrollmechanismen dort, wo sie sich herausstellen, auch behoben werden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Hat sich die Kanzlerin in den letzten Jahren mit Wirecard-Vertretern getroffen? Waren die einmal im Kanzleramt?

STS SEIBERT: Dazu habe ich hier keine Informationen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das nachreichen?

STS SEIBERT: Weiß ich nicht; mal sehen.

FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, sehen Sie eine Mitverantwortung der Kanzlerin? Haben Sie das Gefühl, dass der Fachminister, in dem Fall Herr Scholz, bei dem Thema BaFin zu lange weggeguckt hat?

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen für die Bundeskanzlerin jetzt das gesagt, was zu dem Fall Wirecard zu sagen ist. Zu Fragen der Aufsicht, Rechnungslegung, Bilanzkontrolle, Wirtschaftsprüfung und regulatorischen Vorschriften sind sicherlich eher die Kollegen aus dem Finanz-, dem Wirtschafts- und dem Justizministerium zuständig.

FRAGE JESSEN: Zu den Informationen, die frühzeitig vorgelegen haben, gehören ja auch Informationen mindestens eines Whistleblowers, die offenbar nicht so ernst genommen worden sind, wie man sie hätte ernst nehmen müssen. Ist das Anlass für die Bundesregierung zu überlegen, wie man systematisch und vom Verfahren her Insiderinformationen, Whistleblowerinformationen stärker und frühzeitiger berücksichtigt?

KALL: Ich kann nicht konkret etwas zu dem Punkt Informationen durch Whistleblower im Fall Wirecard sagen, aber insgesamt kann ich etwas zum Whistleblowerschutz sagen, denn da tut sich etwas: Es gibt eine neue EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz, die beschlossen ist und die wahrscheinlich in den nächsten ungefähr eineinhalb Jahren auch in deutsches Recht umgesetzt wird und zu einem sehr viel umfassenderen Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, also Whistleblowern, im deutschen Recht führen wird. Das reicht vom öffentlichen Recht, vom öffentlichen Dienst bis hin zum Arbeitnehmerschutz Schutz vor Kündigung, Schutz vor jeglichem Nachteil im beruflichen Leben Herr Jung, Sie schütteln den Kopf, aber diese EU-Richtlinie ist wirklich gut. Die könnten Sie sich einmal anschauen, und die setzen wir jetzt um.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Frage bezieht sich ja darauf, dass offenbar, obwohl Whistleblowerinformationen vorliegen, diese sozusagen nicht systemisch in Handlung umgesetzt wurden. Gibt es Überlegungen der Bundesregierung, wie man das effizienter einsetzen kann, also sozusagen die Whistleblower nicht nur schützen, sondern auch ihre Informationen politisch handlungsrelevant werden lassen kann?

WOGATZKI: Sie spielen jetzt auf die Berichterstattung der „Financial Times“ an. Die BaFin ist ja gerade deswegen Marktmanipulationsvorwürfen nachgegangen und hat auch die entsprechenden Schritte eingeleitet. Dabei würde ich es hier jetzt belassen.

KALL: Ich kann jenseits vom Fall Wirecard vielleicht noch ergänzen: Wie gesagt, diese Richtlinie sieht nicht nur Whistleblowerschutz vor, sondern auch die Wege und die Verfahren, wie sich Whistleblower an ihre Arbeitgeber wenden und dass jedes größere Unternehmen Ombudsstellen benennen muss, an die solche Hinweise gehen. Auch die Maßgaben gerade bei größeren Versäumnissen, bei denen man sich im Zweifel nicht mehr an das Management im eigenen Unternehmen wendet, zum Beispiel, wenn es Verstrickungen gibt, und man sich dann unmittelbar an Behörden und in besonders gravierenden Fällen auch unmittelbar an die Öffentlichkeit wenden kann.

FRAGE DR. RINKE: An das Wirtschaftsministerium zu möglichen Konsequenzen und Verantwortlichkeiten: Sieht man die Notwendigkeit, Wirtschaftsprüfer künftig stärker zu beaufsichtigen? Hätte man das schon früher tun sollen?

EICHLER: Aus unserer Sicht ist klar: Wir brauchen hier eine schnelle und umfassende Aufklärung. Meine Vorredner haben ja schon gesagt, dass das jetzt auch angelaufen ist. Natürlich sehen wir hier auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Verantwortung. Diese müssen Fehler in Bilanzen frühzeitig erkennen und, wenn etwas schiefgelaufen ist, auch tatkräftig dazu beitragen, das aufzuarbeiten.

Zur Aufsicht über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften das hatten wir hier am Mittwoch schon gibt es die unabhängige Abschlussprüferaufsichtsstelle, die APAS, die aufgrund von EU-Vorgaben eingerichtet ist und eben tatsächlich unabhängig agiert und auch nicht der Fachaufsicht des BMWi unterliegt, sondern nur der Rechtsaufsicht.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Genau darauf zielte die Frage: Das ist ja quasi eine Art Selbstverpflichtung oder Selbstkontrolle; das gibt es ja in anderen Politikbereichen auch. Ist Ihr Ministerium der Auffassung, dass man das ändern müsste, weil das offenbar nicht dazu geführt hat, dass man so einen Manipulationsfall, Betrugsfall oder Fehler was auch immer bei Wirecard entdecken konnte?

EICHLER: Es gibt Vorgaben für die APAS; da gibt es eine Richtlinie, die die Vorgaben dazu enthält, wie die Kontrolle auszuüben ist. Geprüft wird dabei eben nicht der konkrete Einzelfall, sondern es wird generell geprüft, ob Prüfungen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Aus Anlass des konkreten Falls würde ich sagen: Es ist wichtig, diesen Fall erst einmal aufzuarbeiten und zu schauen, was tatsächlich schiefgelaufen ist. Dann kann man weitersehen.

FRAGE JUNG: Ich habe noch eine Frage zu der „taz“-Affäre: Herr Seibert, wie bewertet die Kanzlerin den vermeintlichen Ausgang, dass es jetzt doch keine Anzeige von Herrn Seehofer gab, und seine Einladung an die „taz“-Chefredaktion?

Herr Alter, die Redaktion hat ja das Innenministerium als Gesprächsort abgelehnt und den gemeinsamen Besuch der Polizeischule in Eutin vorgeschlagen, wo es ja auch Rassismusprobleme in den eigenen Reihen gibt und dem begegnet wird. Wird der Minister diese Einladung zu einem Besuch der Polizeischule annehmen?

ALTER: Wir kennen die Berichterstattung von gestern, laut der die Zeitung reagiert und diesen Vorschlag gemacht hat. Ich gehe davon aus, dass die Berichterstattung so zutrifft. Der Bundesinnenminister hat diese Reaktion zur Kenntnis genommen. Zunächst einmal ist damit ja auch verbunden, dass die Zeitung signalisiert, der Einladung des Ministers zu einem Gespräch jedenfalls im Grundsatz folgen zu wollen. Das ist zunächst einmal ein positives Signal.

Wir werden jetzt im nächsten Schritt die Zeitung auch schriftlich einladen, es wird also einen Schriftverkehr geben. Damit wird der Dialog über die Rahmenbedingungen des Treffens ausgelöst. Wir sind auf den Gesprächsort nicht festgelegt. In der Presseerklärung war das Bundesinnenministerium genannt, aber das ist für uns keineswegs eine Gesprächsbedingung. Über die Rahmenbedingungen des Gesprächs werden wir uns sicherlich verständigen können, aber verständlicherweise nicht über die Öffentlichkeit.

STS SEIBERT: Ich glaube, Herr Alter hat alles gesagt. Wir haben hier vielfach darüber gesprochen, wie wichtig allen in der Bundesregierung der hohe Wert der Pressefreiheit ist. Wir haben auch darüber gesprochen, aus welch tiefer Überzeugung die Bundesregierung zu unseren Polizisten und Polizistinnen steht. Es ist gut, wenn es dazu jetzt ein Gespräch gibt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich wollte ja wissen, was die Kanzlerin jetzt zu diesem vermeintlichen Ende sagt, und nicht, worüber wir schon längst gesprochen haben, Herr Seibert.

STS SEIBERT: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Alter, verstehe ich Sie richtig, dass die Polizeischule in Eutin, wo es auch um Rassismus innerhalb der Polizei geht, eine Option für den Minister ist?

ALTER: Wir kennen diese Schule, wir kennen die Vorgänge in dieser Schule und wir kennen auch die Bemühungen dieser Schule, dem entgegenzuwirken. Dabei bleibt es aber zunächst. Es ist ein Vorschlag der Zeitung, der uns über die Öffentlichkeit erreicht hat, und wir ziehen es vor, dass wir die Rahmenbedingungen des Gesprächs mit der Zeitung direkt klären und dann die Öffentlichkeit darüber informieren.

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