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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 13. Juli 2020

Themen: Personalie, Abschlussbericht des UN-Menschenrechtsrates zur Ermordung des iranischen Generals Soleimani, Nutzung des US-Militärstützpunktes Ramstein für US-Drohnenangriffe, Pläne für ein Lieferkettengesetz, chinesisches Sicherheitsgesetz für Hongkong, Streit um Hilfen für Syrien in den Vereinten Nationen, Länderinformationen des Auswärtigen Amtes zu Taiwan, Erklärung der Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik anlässlich des Internationalen Tages zur Unterstützung von Folteropfern, Präsidentschaftswahlen in Polen, Ankündigung von US-Behörden zur vorübergehenden Aussetzung der Visumerteilung und des Aufenthaltsrechts für Studierende ohne Präsenzunterricht, EU-Cybersanktionsregime, geplanter Entwurf eines Gesetzes für ein Verbot der Praxis des sogenannten Kükenschredderns, geplantes Verbot von Bleischrot zur Jagd in Feuchtgebieten, StVO-Novelle, Ermittlung familiärer Herkunftsverhältnisse von Tatverdächtigen mit einem Migrationshintergrund in Bezug auf einen Gewaltausbruch in Stuttgart durch die Polizei, Schiedsverfahren Vattenfall AB et al. gegen Bundesrepublik Deutschland vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, neuer Präsident der Eurogruppe, Reise der Verteidigungsministerin, geplante Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee, Wirecard, Gespräch des Bundesaußenministers mit dem venezolanischen Interimspräsidenten, Strafzahlungen bei Nichteinhaltung der CO2-Flottengrenzwerte der EU

Naive Fragen zu:
5:11 Ermordung vom iranischen General
– hat sich die Bundesregierung bei der US-Seite informiert, ob der Drohnenangriff von Ramstein aus quasi mit den Signalen gesteuert wurde? Ramstein ist ja die Relaisstation für die US-Drohnenangriffe (ab 7:34)
– Haben Sie sich informiert, ob die amerikanische Seite die Relaisstation Ramstein für diesen Drohnenangriff im Irak verwendet hat? HHaben Sie nachgefragt?

23:22 Taiwan
– Warum führt das AA auf seiner Webseite die Flagge Taiwans nicht auf? Palästina, die Sie auch nicht als Staat anerkennen, wird auf Ihrer Seite aufgeführt.
– hat die Kanzlerin mittlerweile der im Januar wieder gewählten Präsidentin Taiwans, Frau Tsai, gratuliert? Wenn nein, warum nicht?

32:16 Kükenschreddern
– Sie wollen mit dem Schreddern aufhören, aber nicht mit dem Töten. Warum nicht? (ab 33:10)
– Aber ich verstehe nicht ganz, warum Sie das Töten an sich nicht unterbinden wollen. Sie sind doch für Tierschutz zuständig.

44:22 „Stammbaumforschung“ Stuttgart/Polizeirassismus
– Gehört Stammbaumforschung auch zu den Aufgaben der Bundespolizei? (ab 49:39)
– Herr Seibert, Sie haben hier letzte Woche zweifach gesagt: Racial Profiling wird in Deutschland nicht praktiziert. Haben Sie sich da geirrt? Haben Sie sich das noch einmal überlegt? Haben Sie nochmal nachgeschaut, gerade jetzt im Hinblick auch auf Stuttgart?
– Frau Fietz hat hier am Mittwoch gesagt, dass Rassismus und Racial Profiling in Deutschland kein strukturelles Problem darstellten. Das hört sich ja nach einer Feststellung an. Hat sich Frau Fietz da geirrt, oder bleiben Sie auch da dabei, und, wenn ja, woher wissen Sie das?
– noch einmal zu Ihrer Fehlerkultur, die sie auch angesprochen haben: Es gibt Fehler, die auch das BMI eingeräumt hat, dass es Racial Profiling in Einzelfällen gibt. Warum sagen Sie denn, dass das nicht praktiziert wird? Da müssen Sie doch sagen: In Einzelfällen wird es praktiziert, und wir wollen, dass das nicht mehr praktiziert wird. Warum sagen Sie das so? (ab 56:26)
– Es ist ja interessant, dass Sie einerseits wissen, was Frau Fietz am Freitag gesagt hat, aber andererseits nicht wissen, was Frau Fietz am Mittwoch gesagt hat. Ich lese Ihnen das gern vor.

1:14:28 Umweltministerium & Autolobby
– Es geht um einen geleakten Brief Ihres Ministeriums an die Autolobby, in dem Sie bestätigen, dass das wesentliche Anliegen der Autolobby erfüllt wurde, und zwar konkret die Senkung von Strafzahlungen bei zu hohem CO2-Ausstoß auf EU-Ebene. Warum machen Sie das, warum schreiben Sie der Autoindustrie so einen Brief, und warum sind Sie offenbar sogar stolz darauf? Denn das ist ja das Gegenteil von konsequenter Klimaschutzpolitik.

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 13. Juli 2020:

BREUL: Ich möchte mich heute von Ihnen verabschieden. Bei uns Diplomatinnen und Diplomaten kennen Sie das ja: Alle drei bis vier Jahre fängt es an zu jucken, und der nächste Wechsel steht an. So ist es auch bei mir. Diesmal steht allerdings kein exotischer Auslandsposten an, sondern ein Wechsel in das Bundespräsidialamt, also nur wenige Schritte von hier aus entfernt. Dort werde ich zukünftig für Europa zuständig sein.

Ich darf kurz drei Worte des Dankes sagen:

Der Dank gilt einmal Ihnen für die gute Zusammenarbeit, für die vielen schönen Stunden hier in der Regierungspressekonferenz und auch außerhalb. Das hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Die Regierungspressekonferenz ist ein Schatz, den es zu pflegen gilt. Sie ist vielleicht weniger als ein Diamant zu betrachten, der nie vergeht, sondern eher als eine Pflanze, die es zu gießen gilt von unserer Seite aus, aber natürlich auch von Ihrer Seite durch Ihre kritischen Nachfragen.

Dann möchte ich mich bei allen anderen hier oben auf der Bank oder jetzt ausnahmsweise auch unten für die stets gute Zusammenarbeit mit den Ressorts bedanken. Auch das das muss ich sagen hat in den dreieinhalb Jahren wirklich immer exzellent funktioniert und großen Spaß gemacht.

Zu guter Letzt danke ich natürlich dem Team, das Sie hier nicht sehen, sondern das mich immer wieder füttert. Sie können sich sicher sein: Wenn ich einmal eine interessante Zahl oder eine gute Formulierung dabeihatte, dann wurde mir das vorher genauso aufgeschrieben, und ich habe es hier nur vortragen müssen.

„Last not least“ eine Bemerkung, wenn ich darf: Wir können uns hier in Deutschland schätzen, wie sehr Sie und die Bevölkerung an internationalen Themen interessiert sind. Davon profitieren wir als Auswärtiges Amt. Nur mit Ihrem Interesse kann es eine demokratisch kontrollierte Außenpolitik geben das, was wir uns wünschen. Ich würde mir von Ihnen wünschen, dass es dabei bleibt, dass Sie nicht wie in vielen anderen Ländern die Sichtweise auf das beschränken, was vor der Haustür passiert, sondern Sie sich stets auch dessen bewusst sind, was auf dem ganzen Globus passiert. Das ist ein Schatz, den es zu bewahren gilt. Herzlichen Dank von meiner Seite.

FRAGE WARWEG: Im UN-Menschenrechtsrat wurde letzte Woche der Abschlussbericht zur Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani vorgestellt. Die verantwortliche UN-Sonderberichterstatterin für extralegale Hinrichtungen Agnes Callamard kommt dort zu dem Schluss, dass es sich bei dieser Tötung um Völkerrechtsbruch handelt. Dazu würde mich interessieren danach muss man beim AA manchmal fragen : Liegt der Bericht vor? Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Sonderberichterstatterin?

BREUL: Herr Warweg, der Bericht liegt uns vor, er wurde ja auch öffentlich vorgestellt. Wir haben ihn zur Kenntnis genommen. Wir unterstützen und schätzen die Arbeit der Sonderberichterstatterin sehr als unabhängige Expertin des Menschenrechtsrats. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zum weltweiten Schutz der Menschenrechte. Wir arbeiten mit ihr gut und eng zusammen. Von daher steht es mir auch nicht zu, diesen Bericht oder Einzelheiten daraus zu bewerten. Unsere völkerrechtliche Bewertung zur Tötung von Herrn Soleimani haben wir hier ja schon vorgetragen, und daran hat sich auch nichts geändert.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Frau Callamard ruft ja in dem Bericht die internationale Staatengemeinschaft auf, endlich robuste rechtliche Standards für den Einsatz von bewaffneten Drohnen festzulegen.

In dem Zusammenhang würde mich interessieren: Teilt die Bundesregierung zumindest diesen Vorschlag einer stärken Accountability einer Erfassung von bewaffneten Drohneneinsätzen?

BREUL: Dass wir uns als Bundesrepublik international sehr dafür einsetzen, dass es auch völkerrechtliche Standards für neue Waffensysteme gibt insbesondere dann, wenn sie in automatisierter Form daherkommen , das ist Ihnen, denke ich, bekannt. Das ist ein Projekt, das wir vorantreiben und zu dem wir im letzten Jahr eine hochrangige Konferenz durchgeführt haben, das jetzt auf Beamtenebene weitergeht. Von daher kann ich das nur bejahen. Das Auswärtige Amt, die Bundesregierung, hat sich fest zum Ziel gesetzt, dass die hohen völkerrechtlichen Standards, die wir haben, auch auf neue Waffentypen angewandt werden können.

FRAGE JUNG: Herr Breul, hat sich die Bundesregierung bei der amerikanischen Seite informiert, ob der Drohnenangriff von Ramstein aus quasi mit den Signalen gesteuert wurde? Ramstein ist ja die Relaisstation für die US-Drohnenangriffe.

BREUL: Herr Jung, die vielen schönen Momente, die ich vorhin erwähnte, sind nicht unbedingt die, in denen ich immer das wiederholen muss, was Sie bereits kennen. Insbesondere darf ich noch einmal darauf verweisen, dass die Feststellung, die Sie in Ihrer Frage treffen, so nicht richtig ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das haben Sie im Bundestag selbst eingeräumt.

BREUL: Wenn Sie möchten, dann kann ich das noch einmal darstellen. Was wir gesagt haben, ist nach wie vor richtig, dass die US-Seite uns darüber informiert hat, dass in Ramstein eine Relaisstation für Signale auch der US-Armee ist. Es ist mitnichten so, wie Sie es immer darstellen, dass es die Relaisstation sei, über die Drohnenangriffe gesteuert werden. Das ist einfach nicht richtig.

Natürlich das haben wir Ihnen mehrfach gesagt sind wir im regelmäßigen Dialog mit den USA auch zu der Frage, was auf den Stützpunkten hier in Deutschland geschieht. Die US-Seite hat uns wiederholt zugesichert das ist das, was wir natürlich einfordern , dass die USA auf ihren Stützpunkten in Deutschland deutsches und internationales Recht einhalten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Haben Sie sich informiert, ob die amerikanische Seite die Relaisstation Ramstein für den Drohnenangriff im Irak verwendet hat? Es ist bekannt, dass die Relaisstation Ramstein für Drohnenangriffe im Irak und in Afghanistan, also für Ziele im Nahen Osten, verwendet wird. Es gibt andere Relaisstationen für andere weltweite Drohnenangriffe in anderen Bereichen der Welt. Aber für den ist es Ramstein. Haben Sie sich über diesen konkreten Drohnenangriff bei der amerikanischen Seite informiert? Haben Sie nachgefragt?

BREUL: Das habe ich gerade versucht zu beantworten. Es gibt einen regelmäßigen Dialog mit den Amerikanern, in dem wir auch über diesen Sachverhalt gesprochen haben. Ich möchte Ihnen sagen, dass wir von amerikanischer Seite die Zusicherung haben, dass sie sich an deutsches und internationales Recht halten.

Ich möchte Sie zudem darauf hinweisen, dass dann, wenn eine geheime militärische Operation stattgefunden hat, natürlich nicht sämtliche Hintergründe und Details mit denjenigen geteilt werden, die nicht an der Operation beteiligt waren.

FRAGE DUDIN: Eine Frage zum Lieferkettengesetz: Gibt es inzwischen ein Ergebnis der Umfragen zur Selbsteinschätzung deutscher Unternehmen zu den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten? Dieses Ergebnis wurde für Mitte Juli angekündigt.

BREUL: Das Ergebnis liegt noch nicht vor. Sie wissen, die Erhebung hat jetzt aktuell stattgefunden.

Wir können aktuell sagen, dass das Quorum erreicht wurde, dass sich also eine ausreichende Anzahl von Unternehmen beteiligt hat, sodass das Ergebnis auf die Grundgesamtheit hochgerechnet werden kann. Diese Analyse findet jetzt statt. Dazu werden in dieser Woche auch Gespräche zwischen den Ressorts stattfinden. Wenn das Ergebnis vorliegt und es den Prozess der Auswertung durchlaufen hat, werden wir dieses auch öffentlich präsentieren.

FRAGE DR. RINKE: Eine Frage zu China und Hongkong. Sie richtet sich an das Auswärtige Amt. Aber eine Nachfrage habe ich dann auch an Herrn Seibert.

Es gibt ja Forderungen, dass Deutschland wegen des chinesischen Vorgehens in Hongkong das Auslieferungsgesetz oder die Auslieferungsvereinbarung mit Hongkong aufhebt. Ich hätte ganz gern gewusst, wie sich das Auswärtige Amt dazu stellt.

Herr Seibert, der Bundespräsident hat gestern China vor nachhaltig negativen Entwicklungen in den Beziehungen zu Europa gewarnt, wenn es an seiner Hongkong-Politik festhalten sollte. Teilt die Bundeskanzlerin diese Einschätzung des Bundespräsidenten?

BREUL: Ich kann gern beginnen. Der Kollege vom BMJV kann hier eventuell auch noch ergänzen.

Mir wäre wichtig, am Anfang zu unterstreichen, dass die deutsche Rechtsordnung sicherstellt, dass niemand ausgeliefert wird, dem politische Verfolgung oder Folter drohen, egal ob mit oder ohne Abkommen.

Richtig ist: Unser Verhältnis mit Hongkong basierte immer darauf, dass dort die Justiz unabhängig ist. Das ist etwas, worauf wir uns verlassen können. Natürlich wird das ein Thema sein, das wir jetzt mit großer Aufmerksamkeit verfolgen.

STS SEIBERT: Wie es üblich ist, nehme ich jetzt hier zu Äußerungen des Bundespräsidenten, des Staatsoberhaupts, nicht Stellung. Für die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin, aber auch die ganze Bundesregierung, ist das gültig, was wir hier mehrfach dargestellt haben, was auch die europäische Haltung ist.

Wir sind uns innerhalb der Europäischen Union und deswegen auch innerhalb der Bundesregierung völlig einig: Das hohe Maß an Autonomie, das Hongkong hat, darf nicht ausgehöhlt werden. Wir erwarten, dass diese rechtsstaatlichen Prinzipien, die aus dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ erwachsen, eingehalten werden.

Die in Hongkong geltende Rechtsstaatlichkeit muss geachtet werden. Die friedliche Ausübung der Bürgerrechte durch die Hongkonger Bürger im Rahmen dieses Geltungsbereichs darf nicht in Frage gestellt werden. Das ist die europäische Haltung; das ist auch die Haltung der Bundesregierung.

Ansonsten hat es Kollege Breul schon gesagt. Die Außenminister der Europäischen Union werden heute neben anderen Themen auch über Hongkong sprechen. Dabei spielt auch das Thema Auslieferungsabkommen/Rückführungsabkommen eine Rolle. Wichtig ist der Hinweis: Politisch Verfolgte weist die Bundesregierung grundsätzlich nicht aus.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Eine Frage an das Justizministerium: Ich hätte ganz gern gewusst, ob denn das Justizministerium und ihre Ministerin die Rechtsstaatlichkeit in Hongkong noch gewährleistet sehen oder Sie schon einen Schritt weitergehen und sagen würden: Das ist nicht mehr gewährleistet.

DR. KEITEL: Ich habe keine Ergänzung zu dem, was Herr Seibert und Herr Breul schon gesagt haben. Das müsste ich Ihnen gegebenenfalls nachreichen.

FRAGE JESSEN: Ich habe eine Frage zum Thema Syrien-Hilfe an das Auswärtige Amt: Der UN-Sicherheitsrat hat jetzt auf Vorlage von Deutschland und Belgien eine Fortsetzung der Hilfe beschlossen, allerdings in einer eingeschränkten Form. Es wird nur noch einen Grenzübergang geben. Das ist eine Position, die das Auswärtige Amt in der vergangenen Woche hier noch kritisiert hatte. Dennoch bezeichnet der Außenminister das als einen Erfolg im Gegensatz zum deutschen UN-Botschafter Christoph Heusgen. Wieso ist es ein Erfolg, wenn eine Position beschlossen wird, die den eigenen gesetzten Zielen nicht entspricht?

BREUL: Ich fürchte, Herr Jessen, Sie sind ein bisschen dem auf dem Leim gegangen, was heute Morgen geschrieben wurde. Ich kann bei den Ministerzitaten in keiner Weise erkennen, dass er da von einem Erfolg gesprochen hat.

Der Minister hat sich am Samstag unmittelbar nach der Abstimmung erleichtert darüber gezeigt, dass es weiter möglich ist, Hilfe über die Grenze zu leisten. Das war für 24 Stunden schon nicht mehr der Fall. Da war die Resolution ausgelaufen, und es sah ganz danach aus, dass es so bleiben müsste.

Deutschland und Belgien als federführende Staaten in diesem Ressort haben sich das in dieser Frage nicht einfach gemacht. Wir haben die ganze Woche hart gerungen. Sie haben unsere wiederholten Statements dazu gesehen.

Wir haben am Ende einen Kompromiss machen müssen. Er hat nicht das Ergebnis, das wir uns gewünscht haben. Aber der Kompromiss erlaubt zumindest, dass Hilfen über diesen einen Grenzübergang, über den die meisten der VN-Lieferungen auch tatsächlich abgewickelt werden, fortgesetzt werden können.

Da jubelt jetzt keiner. Das hat der Außenminister nicht getan. Er hat sich gestern auch noch einmal in den Abendnachrichten dazu geäußert und sich darüber beklagt, dass hier mit einem Grundprinzip gebrochen wurde, nämlich, dass humanitäre Hilfe ohne politische Konditionen daherkommt, da sich zwei Staaten dem verweigert haben. Aber unter dem Strich mussten wir eine Lösung finden. Für die Menschen ist es nicht die Lösung, die wir wollten, aber es ist besser als keine.

STS SEIBERT: Ich will dem Kollegen aus dem Auswärtigen Amt beipflichten. Es ist natürlich bedrückend, dass ein bewährter Zustand, der humanitäre Hilfe über mehrere Zugänge möglich machte, nicht aufrechterhalten werden konnte, weil es Vetos dagegen gab. Die Alternative zu dem Kompromiss, der nun erzielt worden ist, wäre es allerdings gewesen, gar keine Resolution und damit gar keinen grenzüberschreitenden Zugang nach Syrien zu haben.

Es ist ja so, dass weder das syrische Regime noch seine Verbündeten, beispielsweise Russland, eine komplette Versorgung der Bevölkerung sicherstellen können das kann nur die UN und deswegen Erleichterung, dass überhaupt eine weitere Versorgung der notleidenden Bevölkerung durchführbar ist. Es ist Deutschland und Belgien mit diesem Kompromiss gelungen, eine noch größere humanitäre Katastrophe abzuwenden. Aber diejenigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, die gegen den ersten Resolutionsentwurf ihr Veto eingelegt haben, müssen sich tatsächlich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihre machtpolitischen Interessen auf dem Rücken der leidgeprüften syrischen Bevölkerung in diesen Regionen durchgesetzt haben.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Danke. Ich habe gelernt, dass nicht jede Erleichterung über ein Ergebnis gleich auch eine Erfolgsbewertung darstellt.

Herr Breul, welcher konkrete Schaden oder Nachteil entsteht durch diesen Kompromiss für die Durchführung der Hilfsorganisationen? Wo liegen die konkreten Nachteile für die syrische Bevölkerung?

BREUL: Das werden wir jetzt mit den humanitären Organisationen genau bewerten müssen, die ja zu einem großen Teil die deutsche Hilfe im Norden Syriens umsetzen. Der Grenzübergang, bei dem es gelungen ist, ihn für zwölf Monate zu verlängern, ist, wie ich gerade schon sagte, in dem Sinne der wichtigere von beiden, weil von dort die Mehrzahl der Güter durchgeht. Natürlich hilft das nicht in der Region, die nahe des anderen Übergangs liegt.

Wir werden jetzt bewerten müssen, wie wir damit umgehen. Es gibt theoretisch Alternativen mit Hilfsorganisationen und anderen Transportrouten. Wir werden jetzt mit Hochdruck darangehen, wie wir es schaffen können, diesen Rückschlag, der für die Menschen in Nordsyrien eindeutig ist, möglichst gering zu halten und die humanitäre Hilfe dort möglich zu halten.

STS SEIBERT: Ich möchte ganz kurz meinen letzten Satz korrigieren, weil ich mich in einem Punkt versprochen habe:

Diejenigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, die die Vetos eingelegt haben, die alles getan haben, um die Hilfsmöglichkeiten einzuschränken, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, ihre machtpolitischen Interessen auf dem Rücken der betroffenen Bevölkerung ausgetragen zu haben – durchgesetzt glücklicherweise dann am Ende doch nicht ganz.

FRAGE WARWEG: Mich würde zum einen interessieren, was aus deutscher Sicht dagegen gesprochen hat, den russischen Resolutionsvorschlag, gegen den es ja auch entsprechende Vetos gab, nicht anzunehmen. Es wurde argumentiert, dass man sehr gut die Hilfslieferung auch in Syrien selbst und nicht über türkische Grenzposten verteilen kann. In diesem Rahmen würde die Hilfe die gesamte syrische Bevölkerung erreichen und nicht nur die von sozusagen dschihadistischen Milizen dominierte Region Idlib. Was spricht aus Sicht der bundesdeutschen Regierung gegen eine Verteilung der Hilfslieferungen in Syrien?

BREUL: Es ist so, dass auch in den regimekontrollierten Gebieten humanitäre Hilfe stattfindet. Um die ging es aber in dieser Resolution nicht, sondern es ging um die humanitäre Hilfe „cross-border“. Die Alternative dazu wäre eine Hilfe „cross-line“, also humanitäre Hilfe über die Gefechtslinie hinweg, was für die humanitären Helfer wahnsinnig gefährlich ist. Das ist nicht zuverlässig und würde die humanitären Helfer in das zynische Regime begeben, das schon vielfach humanitäre Hilfe als Fortsetzung des Konflikts benutzt hat. Das wäre unverantwortlich.

Ich möchte noch einmal betonen: Wir haben gemeinsam mit Belgien und den humanitären Helfern, vertreten in New York, alle Schritte auf das Engste abgestimmt. Das humanitäre Interesse, das wir bei dieser Resolution verfolgt haben, war es, den Menschen zu helfen. Das hat uns geleitet und am Ende dazu gebracht, diesen Kompromiss ich sage es noch einmal: ein Ergebnis, das wir uns so nicht gewünscht haben durchzubringen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Ich habe eine Nachfrage zu Äußerungen von UN-Botschafter Heusgen, der gesagt haben soll, dass es durch den öffentlichen Streit gelungen sei, Russland und China zu isolieren und in die Defensive zu bringen. Können Sie diese Aussage so bestätigen?

Wenn ja, worin besteht die Isolierung und das In-die-Defensive-Bringen von Russland und China im UN-Sicherheitsrat?

BREUL: Das Zitat kann ich nicht bestätigen, weil es mir so nicht vorliegt. Sie haben vielleicht verfolgt, dass die Sitzungen über das Wochenende zum Teil öffentlich waren, also über den Webstream der Vereinten Nationen übertragen wurden. Darum kann es sein, dass Herr Heusgen sich so geäußert hat; das weiß ich nicht.

Ich denke, in der Sache ist das Abstimmungsergebnis zuletzt zwölf Ja-Stimmen und drei Enthaltungen eindeutig. Auch bei den vorherigen Entwürfen war es so, dass eine überwältigende Mehrheit im Sicherheitsrat die vorherigen Vorschläge von Deutschland und Belgien unterstützt hat und Russland und China mit ihrem Veto dafür gesorgt haben, dass keine Lösung möglich war. Das können Sie bewerten, wie Sie wollen. Jedenfalls waren die Mehrheitsverhältnisse im Sicherheitsrat eindeutig.

FRAGE JUNG: Herr Breul, ich warte noch auf eine Nachreichung zum Thema Taiwan. Warum führt das AA auf seiner Webseite die Flagge Taiwans nicht auf? Palästina, die Sie auch nicht als Staat anerkennen, wird auf Ihrer Seite aufgeführt.

Herr Seibert, hat die Kanzlerin mittlerweile der im Januar wieder gewählten Präsidentin Taiwans, Frau Tsai, gratuliert? Wenn nein, warum nicht?

BREUL: Herr Jung, das kann ich gerne beantworten. Wir haben das für Sie noch einmal nachgeprüft: Die Flagge Taiwans wird seit dem Relaunch der Homepage des Auswärtigen Amtes im November 2017 nicht auf unseren Seiten angezeigt. Das ist das, was man mit ein paar Klicks nachvollziehen kann.

Wir haben ein bisschen weiter in dem „data dump“ der vorherigen Seite nachgeschaut. Auch dort haben wir bis jetzt keine Version finden können, wo es je anders gehandhabt worden wäre. Das also zu Ihrer Frage, ob das eine Änderung war.

Ich hatte ja am Freitag auch schon ausgeführt, dass unsere Position zu Taiwan und dem Ein-China-Prinzip seit Längerem bekannt ist. Darum möchte ich auch um Ihr Verständnis werben, dass es natürlich unterschiedliche Möglichkeiten gibt, Dinge darzustellen, wenn man sie in einem bestimmten Schema darstellen will. Wir haben uns jetzt zu dieser Darstellungsform auf der Webseite durchgerungen. Eine Flagge ist ein Symbol der Staatlichkeit.

Warum wird die Flagge von Palästina dargestellt? Die Flagge von Palästina wird seit 1974 international als Flagge der Palästinenser anerkannt. Aber auch da, Herr Jung, wird Sie vielleicht nicht überraschen, dass die Tatsache, dass die Flagge dort angezeigt wird, keine Positionsverschiebung oder Positionsänderung der Bundesregierung darstellt. Die Bundesregierung setzt sich für eine Zweistaatenlösung ein, also für einen palästinensischen Staat als Ergebnis von Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern.

STS SEIBERT: Ich habe die an mich gerichtete Frage hier schon einmal beantwortet. Gratulationen durch die Bundeskanzlerin kommen grundsätzlich für die Staaten infrage, zu denen die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe noch eine andere Frage an das Auswärtige Amt. Sie wollten uns seit dem 26. Juni eine Antwort nachreichen. Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik hat am Internationalen Tag der Unterstützung für Folteropfer eine Erklärung abgegeben. Ich wollte wissen, wann die Bundesregierung zuletzt die USA aufgefordert hat, Guantanamo zu schließen. Darauf haben Sie bisher keine Antwort gegeben.

BREUL: Dann bedauere ich das. Wir bemühen uns, um eine möglichst schnelle Nachlieferung.

ZUSATZ JUNG: Danke!

FRAGE DR. RINKE: Herr Breul, ich hätte ganz gerne nach der polnischen Präsidentschaftswahl gewusst, ob Sie die Äußerung, die Herr Duda auch in Richtung Deutschland gemacht hat, nach der Wahl etwas offensiver kommentieren könnten. Haben die antideutschen Äußerungen des Präsidenten Ihrer Meinung nach zu seinem Wahlsieg beigetragen?

BREUL: Herr Rinke, Sie werden verstehen, dass ich in dem Moment, wo Wahlergebnisse eintröpfeln bzw. wir noch auf die Verkündung des offiziellen Wahlergebnisses warten, keine Wahlanalyse betreiben kann.

Auch sonst werden Sie von unserer Seite hier keine Analyse hören, wer wie und warum eine Wahl gewonnen hat. Wir arbeiten mit der polnischen Regierung und ihren unterschiedlichen Vertretern ausgezeichnet zusammen und sind frohen Mutes, dass das in Zukunft auch so sein wird.

FRAGE REIFENRATH: Deutsche, die in den USA studieren, haben einen Brief an das Auswärtige Amt und den Auswärtigen Ausschuss geschrieben, weil Universitäten ab dem Herbstsemester nur noch Onlinekurse anbieten. Die USA wollen diese Studierenden ausweisen. Ich würde gerne wissen, was das Auswärtige Amt bisher dagegen unternommen hat bzw. was noch unternehmen will.

BREUL: Diesen Brief haben wir erhalten. Wir haben die Ankündigung der US-Behörden zur Kenntnis genommen, die Visumerteilung und das Aufenthaltsrecht für Studierende ohne Präsenzunterricht an einer Universität ab dem Herbst vorübergehend auszusetzen.

Wir haben vollstes Verständnis dafür, dass das die deutschen Studierenden, die sich in den USA aufhalten und ab Herbst eben keinen Präsenzunterricht haben, in eine sehr belastende und schwierige Situation bringt. Wir bemühen uns, diese nach Möglichkeit zu unterstützen. Wir haben die Situation auch weiter im Rahmen unserer laufenden Gespräche mit der amerikanischen Regierung über Möglichkeiten der Lockerung von Reisebeschränkungen thematisiert und werden dies auch weiterhin tun.

Gleichzeitig gilt das will ich ehrlicherweise dazu sagen , dass angesichts der weltweiten Pandemie Staaten nach der jeweiligen Situation Sie alle kennen die Zahlen aus den USA geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um damit umzugehen. Das gilt für Deutschland und die Staaten der Europäischen Union ebenso wie für die USA.

ZUSATZFRAGE REIFENRATH: Ich würde gerne wissen, wie viele deutsche Studierende, die sich in den USA aufhalten, schon um Hilfe gebeten haben und was Sie denen raten. Sollen sie das Land verlassen, oder sollen sie lieber bleiben, weil sie Angst haben müssen, dass sie nicht wieder einreisen können?

BREUL: Was eine Beratung angeht, wird natürlich der individuelle Fall anzuschauen sein. Die Botschaften stehen als Ansprechpartner für die Studierenden bereit, die Hilfe und Beratung benötigen. Wie Sie wissen, besteht keine Meldepflicht für Deutsche im Ausland, sodass wir auch keine präzisen Zahlen nennen können, wie viele das genau betrifft und wie viele im Herbst womöglich auch keinen Präsenzunterricht haben.

Zahlen, wie viele Studierende sich bereits an die Botschaft gewandt haben, liegen mir nicht vor. Wenn ich eine Schätzung bekomme, liefere ich die gerne nach.

STS SEIBERT: Ich könnte etwas zur Gesamtzahl der deutschen Studenten in den USA sagen: Es sind aktuell knapp 9200.

ZUSATZFRAGE REIFENRATH: Was raten Sie denen?

BREUL: Wir haben jetzt die Ankündigung der US-Behörden gesehen. Es wird mit Sicherheit noch darauf ankommen, wie das genau umgesetzt wird. Von daher fällt es mir jetzt von dieser Bank aus schwer, zum jetzigen Stand den einen konkreten Ratschlag zu geben. Wir fordern die Studierenden, wie gesagt, auf, sich an die Botschaft, an die Generalkonsulate in dem jeweiligen Amtsbezirk zu wenden und im Gespräch zu schauen, was die beste Lösung ist.

FRAGE FIRSOVA: Berlin hat Anfang Juni in Brüssel die sogenannten Cybersanktionen gegen Russland vorgeschlagen. Laut dpa gibt es noch keine Entscheidung darüber. Stimmt das?

STS SEIBERT: Das werde ich Frau Firsova nachreichen, weil ich im Moment den letzten Stand Herr Breul!

BREUL: Ich kann gerne etwas dazu sagen. Am Wochenende kam dieses Cybersanktionsregime ja auf einmal als neue Meldung auf. Sie werden sich vielleicht als eifrige Besucherin der Bundespressekonferenz erinnern, dass wir das hier auch bereits im Mai angekündigt und gesagt hatten, dass das jetzt der Anfang eines Prozesses ist. Das ist ja ein neues Sanktionsregime, das wir zum ersten Mal bemühen. Wir haben diese Bitte in den Kreis der EU-Mitgliedstaaten eingebracht. Wir haben viel Unterstützung dafür erhalten. Die vertraulichen Verhandlungen laufen aber noch. Daher kann ich im Moment dazu keinen Zwischenstand vermelden.

Eine solche Listung wird jedoch nicht mit einem Fingerschnipsen gemacht, sondern im Rahmen eines förmlichen EU-Listungsprozesses. Dafür ist auch Einstimmigkeit erforderlich. Wir haben das Verfahren also sehr schnell in Gang gebracht, aber das braucht jetzt einfach seine Zeit. Das ist der normale Vorgang.

FRAGE STEINKOHL: Ich wüsste gerne vom Landwirtschaftsministerium, ob es stimmt, dass bei Ihnen ein Gesetzentwurf gegen das Kükentöten, gemeinhin Kükenschreddern genannt, ab 2021 in Arbeit ist. Wann soll der fertig werden? Gibt es dafür eigentlich eine Zustimmung von allen Landwirtschaftsministerien in den Bundesländern?

IRION: Ich kann Ihnen bestätigen, dass wir an einem Gesetzentwurf arbeiten, weil wir nächstes Jahr definitiv das Kükenschreddern verbieten wollen. Es gab Vorschläge aus der Geflügelwirtschaft, die bisher nicht ausgereicht haben. Wir wollen definitiv 2021 mit dem Kükenschreddern aufhören.

ZUSATZFRAGE STEINKOHL: Ohne jede Ausnahme oder wieder mit irgendwelchen Übergangsfristen?

IRION: Das ist mir bislang nicht bekannt. Der Gesetzentwurf befindet sich, wie gesagt, noch in der Ausarbeitung. Wann er genau fertig sein wird und wer noch alles angehört werden wird, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen.

FRAGE JUNG: Sie wollen mit dem Schreddern aufhören, aber nicht mit dem Töten. Warum nicht?

IRION: Es gibt mehrere Verfahren, dass Kükentöten zu beenden. Man kann – das Verfahren gibt es schon – im Ei das Geschlecht feststellen, sodass das Küken sozusagen gar nicht aus dem Ei schlüpft, bevor es getötet wird, und es gibt noch andere Verfahren, die das Töten komplett ausschließen. Man lässt die Hähnchen also auch groß werden, oder man züchtet beide Arten von Hühnern, also Fleischhühner und Legehühner.

ZUSATZ JUNG: Aber Sie wollen ja quasi, dass die männlichen Küken vor dem Schlüpfen getötet werden.

IRION: Das ist das Verfahren, das im Moment auf dem Markt ist, das marktreif ist, das schon von vielen angewandt wird und das wir auch verbreiten wollen. Alle anderen Möglichkeiten dafür, das ganz zu verhindern, indem die Hühner oder in diesem Fall die Hähnchen groß werden können, sind uns natürlich auch recht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber ich verstehe nicht ganz, warum Sie das Töten an sich nicht unterbinden wollen. Sie sind doch für Tierschutz zuständig.

IRION: Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Es gibt diese drei Verfahren.

FRAGE DR. RINKE: Es geht um ein anderes Thema, aber die Frage richtet sich auch an das Landwirtschaftsministerium und, fürchte ich, an das Umweltministerium. Es geht um das Verbot von Bleischrotmunition. Darüber gibt es offenbar einen Streit innerhalb der Bundesregierung bzw. zwischen Ihren beiden Häusern. Bis Mittwoch, wenn ich richtig informiert bin, muss die Bundesregierung aber in Brüssel ein Votum abgegeben haben, ob sie nun für oder gegen dieses Verbot ist. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, was der letzte Stand ist. Wird sich Deutschland für ein Verbot aussprechen oder nicht?

IRION: Soll ich anfangen? – Unsere Ministerin hat einen Brief an Frau Schulze geschrieben und hat unsere Bedenken darin vorgebracht. Es gibt Studien, die zumindest sehr stark nahelegen, dass Stahlschrot das Sterben der Tiere unnötig verlängert, was aus unserer Sicht Tierquälerei bedeuten würde. Darauf, dass wir den Tierschutz gegenüber dem Umweltschutz nicht hintanstellen wollen, hat unsere Ministerin Frau Schulze hingewiesen. Soweit ich weiß, befinden sich die Ministerinnen darüber auch im Gespräch.

HAUFE: Die Diskussion darüber läuft noch; das hat die Kollegin gerade beschrieben. Für uns ist die Argumentation der Kommission recht schlüssig.

Es geht ja um einen Beschluss des REACH-Regelungsausschusses. Blei ist eines der gefährlichsten Gifte, das es gibt. Es zählt zu den weltweit zehn gefährlichsten Giften. So legt es zum Beispiel auch die WHO fest. Die European Food Safety Authority sagt, es sei ein Ultragift. Wir haben ja gar keinen Grenzwert für Blei, weil jede Exposition oder jeder Kontakt von Menschen mit Blei giftig ist. Da es jedes Jahr eine hohe Zahl von Wasservögeln gibt, die allein durch das Verpulvern von Blei über Gewässern umkommen, sind wir eigentlich sehr daran interessiert, dass es dieses Verbot von Bleimunition in Feuchtgebieten bzw. in Nähe von Gewässern geben soll.

Wir kennen auch keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass irgendeine Form von Alternative zur Bleimunition dem schnellen Sterben entgegenstehen würde. Dafür kennen wir keine wissenschaftlichen Begründungen. Deswegen sind wir daran interessiert, dem hier zuzustimmen.

Wir finden, wie gesagt, auch die Argumentation seitens der Kommission sehr schlüssig. Wir führen natürlich auch das Gespräch mit dem Landwirtschaftsministerium, um möglichst eine Zustimmung Deutschlands zu erreichen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Da wir heute Montag haben und Mittwoch, wie gesagt, die Bundesregierung ja eine Haltung vertreten muss, hätte ich ganz gerne von Herrn Seibert gewusst, ob das Kanzleramt angesichts dieser ungelösten Differenzen zwischen den beiden Ministerien das Verfahren an sich zieht oder ob man riskiert, dass man vielleicht mit einer Enthaltung in die deutsche Ratspräsidentschaft startet.

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen an diesem Montagmorgen nichts anderes zu sagen, als die beiden Kollegen gerade gesagt haben. Die Gespräche laufen. Jetzt müssen wir sehen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Sind Sie also optimistisch, dass das Problem bis Mittwoch gelöst werden kann?

STS SEIBERT: Ich kann dazu heute keine Einschätzung abgeben.

FRAGE DUNZ: Herr Seibert, wie beurteilt die Bundesregierung bzw. die Kanzlerin den Streit um die Verschärfung der Straßenverkehrsordnung? Ist es sinnvoll, die geplante Verschärfung von Fahrverboten wegen eines Formfehlers scheitern zu lassen?

Was ist mit der Drohung von Verkehrsminister Scheuer, bei Ablehnung der Rücknahme der verschärften Fahrverbote auch die Verbesserungen für die Radfahrer zu kippen?

Daran anschließend an das BMVI: Wird es zu dem heutigen Bund-Länder-Gespräch eine offizielle Mitteilung geben?

STS SEIBERT: Ich weiß nicht, ob das hier nicht schon am Freitag eine größere Rolle gespielt hat. Da war ich nicht da. Insofern würde ich jetzt vielleicht erst einmal die Kollegen aus den betroffenen Ressorts bitten, dazu Stellung zu nehmen.

ALEXANDRIN: Ich glaube auch, dass ich mich am Freitag dazu bereits sehr ausführlich geäußert habe. Ich kann dem hinzufügen, dass die Gespräche, die zu einer schnellen Klärung der Situation herangezogen werden, aktuell auf Arbeitsebene laufen. Dazu zählt unter anderem auch das Gespräch, auf das Frau Dunz sicherlich anspielt. Sobald es etwas Neues bezüglich des Sachstandes zu verkünden gibt, werden wir das sicherlich auch sehr schnell tun.

Ich kann gerne noch einmal wiederholen: Es kommt darauf an, dass wir jetzt einen Kompromiss finden, und zwar gemeinsam mit den Ländern, dass wir die sehr guten Maßnahmen, die in der StVO-Novelle enthalten waren, nämlich Maßnahmen zur Stärkung schwächerer Verkehrsteilnehmer und insbesondere der Fahrradfahrer, schnell und effizient umgesetzt bekommen, dass wir schnell Rechtssicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger schaffen und dass wir eben, wie gesagt, die sehr guten Regelungen in der Novelle behalten können. Das war im Übrigen auch von Anfang an die Linie, die das BMI dabei gefahren hat.

STS SEIBERT: Die Gespräche sind ja im Gange, und die sind natürlich auch notwendig, um dabei einen Kompromiss zu finden. Rechtssicherheit ist ein hohes Gut und muss hergestellt werden. Es gibt einen Formfehler, mit dem ein solches Gesetz natürlich nicht in Kraft treten kann. Also muss Heilung gefunden werden. Der Weg dafür befindet sich jetzt im Gespräch.

FRAGE MOHAMED: Herr Seibert, Ihre Mitarbeiter sind Zielpersonen vieler ausländischer Geheimdienste. Meine Frage zur ägyptischen Spionageaffäre; nennen wir es Datendiebstahl: Haben Sie als Behördenleiter die Befugnis, Ihre Mitarbeiter als turnusmäßige Maßnahme danach zu befragen, wo sie die letzten fünf Jahre waren? Ist auffällig, wer irgendwo Urlaub macht? Es ist nämlich vielleicht eine Belohnungsmethode, dass Ihre Mitarbeiter für ihren Datendiebstahl eine Reise nach Ägypten oder Russland oder in egal welche Diktatur erhalten.

Sie wissen von dieser Sache seit Dezember. Gab es bei Ihnen personelle Konsequenzen?

STS SEIBERT: Das war hier am Freitag sehr ausführlich Thema. Meine Kollegin Frau Fietz hat dazu

ZURUF MOHAMED: Hat nichts gesagt!

STS SEIBERT: Nein, und genauso werde ich es auch halten, weil es laufende Ermittlungen gibt! Über laufende Ermittlungen werde ich keine Auskunft geben. Ich werde auch keine Auskunft über Personalangelegenheiten geben.

Frau Fietz hat auch gesagt, dass bei der Einstellung von Mitarbeitern im Bundespresseamt wie auch in allen anderen Ministerien und Behörden die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden.

ZUSATZFRAGE MOHAMED: Wer hat bei Ihnen außerhalb der Akkreditierungsstelle Zugriff auf die Daten ausländischer Journalisten oder Journalisten im Allgemeinen?

STS SEIBERT: Nein. Auch darüber hat Frau Fietz am Freitag hier ja berichtet.

ZUSATZFRAGE MOHAMED: Sie hat gesagt, diese Person habe keinen Zugriff. Sie sei im Besucherzentrum im mittleren Dienst angestellt. Aber wer außerhalb der Akkreditierungsstelle hat

STS SEIBERT: Nein, sie hat nicht einmal das gesagt, wenn ich das sagen darf, weil sie wie auch ich über Personalangelegenheiten oder konkrete Personen hier keine Auskunft gibt. Sie hat ganz grundsätzlich, weil der Begriff „Besucherdienst des Bundespresseamts“ in den Medien war, ganz grundsätzlich über die Aufgaben des Besucherdienstes des Bundespresseamtes gesprochen. Dieser Besucherdienst ist eben nicht, wie mancher glaubt, für den Umgang mit in- oder ausländischen Journalisten zuständig. Das ist eine ganz andere Stelle im Haus. Dieser Besucherdienst ist und zwar ausschließlich für die Durchführung der sogenannten Informationsfahrten von Bürgern zuständig, die, von den Bundestagsabgeordneten eingeladen, nach Berlin kommen.

ZUSATZFRAGE MOHAMED: Wir reden jetzt aneinander vorbei. Wer hat Zugriff auf meine Daten als ausländischer Journalist? Wer in Ihrem Haus außer der Akkreditierungsstelle kann meine Daten sehen und verkaufen?

STS SEIBERT: Der Gedanke, dass Ihre Daten verkauft werden, ist, ehrlich gesagt, abenteuerlich; das muss ich einfach so sagen. Gehen Sie einfach davon aus, dass wir uns im Bundespresseamt der sensiblen Daten von Journalisten, seien es in- oder ausländische Journalisten, absolut bewusst sind und dass unser Umgang mit diesen Daten dieser Sensibilität der Daten auch entspricht.

FRAGE JESSEN: Die Frage richtet sich an das Bundesinnenministerium, hat aber gleichwohl auch mit dem sensiblen Datenumgang zu tun. Bei der Strafverfolgung in Stuttgart werden jetzt offenbar die familiären Herkunftsverhältnisse von Tatverdächtigen mit einem Migrationshintergrund verfolgt. Gehört das, generell gefragt, zum polizeilichen Werkzeugkasten, der angemessen ist, um solche Straftaten aufzuklären?

ALTER: Ich will vielleicht zu Beginn noch einmal daran erinnern, dass wir in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni in Stuttgart einen Gewaltausbruch, einen Gewaltexzess erlebt haben, wie er in dieser Form bisher unbekannt war. Die Stuttgarter Polizei dazu gibt es ja mittlerweile auch Pressemitteilungen forscht diesen Sachverhalt bzw. dieses Phänomen unter allen möglichen Perspektiven aus, um einerseits die festgestellten Straftaten zur Anzeige zu bringen und auch die Möglichkeit zu eröffnen, dass dieses Verhalten sanktioniert wird, und um andererseits aber auch dieses neue kriminelle Phänomen, das da aufgetaucht ist, zu untersuchen und zu prüfen, ob man daraus künftig Strategien entwickeln kann, die vielleicht der Prävention und der Verhinderung dienlich sind.

Die Stuttgarter Polizei und auch der baden-württembergische Innenminister haben sich dazu gestern bereits geäußert und deutlich gemacht, dass es sich bei dem überwiegenden Teil der 39 Tatverdächtigen, die identifiziert werden konnten, um Jugendliche und Heranwachsende handelt. Gerade bei diesem Personenkreis sind Aspekte der Prävention von besonderer Bedeutung. Insofern ist es polizeiliches Standardvorgehen, dass auch das soziologische Umfeld solcher Täter im Rahmen der Erforschung des Sachverhalts mit einbezogen wird. Dies schließt selbstverständlich auch die Eltern mit ein.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Irrt sich der niedersächsische Innenminister Pistorius, der in dem Sachverhalt wohl auch sachkundig sein dürfte, wenn er sagt, die Kriterien, die da angelegt würden, seien für ihn identisch mit Racial Profiling, und sehr dringend eine Positionierung des Bundesinnenministeriums fordert?

Verstehe ich Sie jetzt recht, dass Sie sagen, eine solche Erforschung des familiären und des Elternhintergrunds zum Beispiel auch durch die Heranziehung von Daten von Standesämtern sei aus Ihrer Sicht okay?

ALTER: Wenn wir uns phänomenologisch mit Kriminalitätsentwicklungen beschäftigen, dann ist es sozusagen Standardrepertoire, dass man die Frage, wie es eigentlich zu diesem oder jenem kommen konnte, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Dazu zählen ganz viele Aspekte, etwa die Frage, ob jemand aus einem Haushalt kommt, in dem er Gewalterfahrung hat, oder ob jemand aus einem Haushalt mit höherem oder niedrigem Bildungsgrad oder mit höherem oder niedrigem Einkommen kommt. Dazu zählt natürlich auch die Frage, ob jemand einen Migrationshintergrund hat.

Aber die Feststellung als solche, dass jemand einen Migrationshintergrund hat, ist eben zu kurz gegriffen, weil es einen deutlichen Unterschied macht, ob jemand erst seit zwei oder drei Wochen im Land ist oder ob jemand hier geboren ist und eine starke Bindung an die Gesellschaft hat.

Wenn man also der Ursache bestimmter Entwicklungen auf den Grund gehen will, dann kommt man gar nicht umhin, das soziologische Täterumfeld mit einzubeziehen und sich dann die Frage zu stellen, ob das Anhaltspunkte für präventive Strategien bietet.

ZUSATZ JESSEN: Das bedeutet, dass das ein generelles Verfahren ist, das Sie bei Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund für richtig halten, dass da sozusagen Formen von Familienforschung betrieben werden, wann welche Vorfahren nach Deutschland gekommen sind, wie lange sich der Tatverdächtige oder seine Familie in Deutschland aufhalten, wie sie integriert sind. Das alles gehört für Sie zur Aufklärung des Tathintergrundes.

ALTER: Wenn man es nur auf Tatverdächtige mit Migrationshintergrund bezieht, dann ist das zu eng. Bei jugendlichen Tätern oder bei Tätern, die noch nicht volljährig sind deswegen habe ich das am Anfang hervorgehoben , ist es allgemeiner Standard, dass man auch die Hintergründe der Eltern in die Betrachtung mit einbezieht.

Letztlich ist es auch für das Gericht eine wichtige Information, weil das Gericht bei einem Strafverfahren am Ende eine Gesamtabwägung des Sachverhaltes vornehmen muss. Das Gericht hat geradezu die Anforderung an die Polizei und die Ermittlungsbehörden, dass der Sachverhalt umfassend und in allen denkbaren Facetten aufgeklärt wird. Das bezieht sich aber auf deutsche Straftäter genauso wie auf Täter mit Migrationshintergrund oder auf Täter, die überhaupt keine deutsche Staatsangehörigkeit haben, beispielsweise Touristen. Das ist ein kriminalpolizeilicher Standardvorgang.

FRAGE JUNG: Gehört Stammbaumforschung auch zu den Aufgaben der Bundespolizei?

Herr Seibert, bleiben Sie dabei? Sie haben hier letzte Woche zweifach gesagt: Racial Profiling wird in Deutschland nicht praktiziert. Haben Sie sich da geirrt? Haben Sie sich das noch einmal überlegt? Haben Sie nochmal nachgeschaut, gerade jetzt im Hinblick auch auf Stuttgart?

Frau Fietz hat hier am Mittwoch gesagt, dass Rassismus und Racial Profiling in Deutschland kein strukturelles Problem darstellten. Das hört sich ja nach einer Feststellung an. Hat sich Frau Fietz da geirrt, oder bleiben Sie auch da dabei, und, wenn ja, woher wissen Sie das?

STS SEIBERT: Wie immer: drei bis sieben Fragen auf einmal. Ich versuche es der Reihe nach.

Zunächst einmal haben Sie jetzt den Begriff der sogenannten Stammbaumforschung ins Spiel gebracht. Dazu möchte ich sagen: Wer auch immer ihn jetzt in die Arena geworfen hat dieser Begriff verbietet sich in diesem Zusammenhang. Das ist ein historisch belastetes und nicht angebrachtes Wort.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die baden-württembergischen Behörden die notwendigen Ermittlungsarbeiten gegenüber den Verdächtigen nach den Grundsätzen von Recht und Gesetz durchführen. In der Tat gibt es erhebliche Straftaten in Stuttgart aufzuklären, die im Verlauf der Gewaltnacht verübt wurden. Dieses Interesse haben wir alle, gerade auch die Stuttgarter Bürger. Das war Teil eins.

Teil zwei: Wir haben hier ausführlich zu dem vermeintlichen Phänomen des Racial Profilings gesprochen. Wir haben hier ich weiß es nicht genau mindestens 20 Minuten darüber gesprochen, dass es in der deutschen Polizei weder Anleitungen noch irgendwelche gebilligte Methoden gibt, die man Racial Profiling nennen könnte.

Kollege Alter hat zu Recht gesagt, dass es überall, in allen Lebensbereichen auch Menschen gibt, die Fehlverhalten an den Tag legen, und dass es, wo so etwas geschieht, natürlich auch das habe ich auch gesagt Wege und Kanäle geben muss, auf denen man gegen diese Menschen Klage führt, auf denen etwas aufgeklärt und die Sache behandelt wird. Aber Racial Profiling ist kein Teil der Polizeiarbeit in Deutschland. Es wird nicht als ein solcher anerkannt, gelehrt oder praktiziert. Das ist es, was ich gesagt habe.

Frau Fietz Äußerung kenne ich jetzt nicht. Wir haben immer gesagt auch die Bundeskanzlerin hat das aus Anlass der Ermordung von George Floyd gesagt , dass wir, auch in Deutschland, natürlich Rassismus in unserem Land haben und uns damit befassen müssen, und zwar sowohl politisch wie auch gesamtgesellschaftlich, und dass das eine Aufgabe ist, die uns allen zusammen zu lösen ansteht. Das prägt die Politik der Bundesregierung in vieler Hinsicht.

FRAGE VON BULLION: Frage an das Bundesjustizministerium: In diesem Fall wird beim Standesamt ja speziell nach dem Migrationshintergrund gefragt. Das ist ja jetzt nicht unter ferner liefen, sondern es wird danach gesucht. Welche Erkenntnisse kann man bei der Bewertung einer Straftat überhaupt aus der Nationalität der Eltern erschließen? Können Sie uns das vielleicht erläutern?

Auch Frage noch mal ans BMI: Sagen wir so, ich möchte gern wissen, wo die Nationalität einer Familie relevant ist, dass man so speziell da noch mal nachforscht.

DR. KEITEL: Mir sind keine wissenschaftlichen Studien bekannt, die irgendeinen Zusammenhang der Nationalität der Eltern zu irgendwelchen Taten von Kindern nahelegten. Sollten wir dazu Erkenntnisse haben, würde ich sie nachreichen. Aber im Moment habe ich dazu überhaupt keine Informationen.

ZUSATZ VON BULLION: Das heißt mit anderen Worten, dass Sie da bisher keinen Zusammenhang erkennen können.

DR. KEITEL: Ich sagte, mir liegen keine wissenschaftlich fundierten Studien dazu vor, die das nahelegten.

ALTER: Ich kann nur noch einmal wiederholen: Bei der Feststellung von Straftaten erheben wir alle möglichen täterbezogenen Informationen, beispielsweise das Lebensalter, das Geschlecht, den Bildungsgrad und bei nicht volljährigen Tätern selbstverständlich auch Informationen zum Elternhaus.

Auch nach der Definition des Statistischen Bundesamtes gibt es in Deutschland eben den Aspekt des sogenannten Migrationshintergrundes. Migrationshintergrund hat eine Person, wenn sie selbst oder ein Teil der Eltern mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Insofern ist das für die Frage der Vermeidung bestimmter Kriminalitätsphänomene Wir reden hier ja von schweren Straftaten, die sich gegen die öffentliche Ordnung gewendet haben. Wir reden von Landfriedensbruch und schwerem Landfriedensbruch. Da kann ich mir schon vorstellen, ohne dass ich die Ermittlungshandlungen der Stuttgarter Polizei im Detail kenne, dass es eine Rolle spielt, ob solche Straftaten auf der Grundlage einer guten Integration, auch einer guten Bindung an die Gesellschaft stattfinden, oder ob eine solche gesellschaftliche Bindung möglicherweise noch gar nicht eintreten konnte, weil jemand erst wenige Tage oder wenige Wochen im Land ist. Bei der Würdigung des Gesamtumstandes kann das eine Rolle spielen, wenngleich natürlich die Frage der Nationalität jedenfalls nach meinem Kenntnisstand keine Auswirkungen auf die Sanktionierung als solche hat, jedenfalls was den subjektiven und objektiven Tatbestand angeht.

ZUSATZFRAGE VON BULLION: Würde bei der Würdigung der Schwere einer Straftat auch eine französische Nationalität der Eltern eine Rolle spielen?

ALTER: Zumindest wird sie im Rahmen dessen mit erhoben. Wenn es in diesem Fall eine Täterin oder einen Täter gegeben hätte, der oder die französischer Herkunft wäre oder französische Eltern hätte und nicht volljährig wäre, würde das selbstverständlich auch erhoben. Das wird nicht auf bestimmte Länder bezogen, sondern ist eine allgemeine Informationserhebung im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, noch einmal zu Ihrer Fehlerkultur, die sie auch angesprochen haben: Es gibt Fehler, die auch das BMI eingeräumt hat, dass es Racial Profiling in Einzelfällen gibt. Warum sagen Sie denn, dass das nicht praktiziert wird? Da müssen Sie doch sagen: In Einzelfällen wird es praktiziert, und wir wollen, dass das nicht mehr praktiziert wird. Warum sagen Sie das so?

Es ist ja interessant, dass Sie einerseits wissen, was Frau Fietz am Freitag gesagt hat, aber andererseits nicht wissen, was Frau Fietz am Mittwoch gesagt hat. Ich lese Ihnen das gern vor. Sie hat gesagt:

„Ich … kann nur darauf“
hinweisen,
„was am Montag gesagt worden ist“
da bezieht Sie sich auf Sie, Herr Seibert ,
„nämlich dass Rassismus und Racial Profiling in Deutschland kein strukturelles Problem darstellen.“

Woher weiß das Bundespresseamt das? Gerade im Hinblick auf die aktuellen

STS SEIBERT: Herr Jung, Sie machen mir ja immer Vorschläge, was ich sagen soll.

ZUSATZ JUNG: Nein!

STS SEIBERT: Ich versuche es jetzt trotzdem mit dem, was ich sagen will. Ich habe mich zu der Frage des Racial Profilings und möglicher Fälle, die vorgekommen sein könnten und mit denen man dann entsprechend umgehen müsste, gerade geäußert, und ich werde das jetzt nicht noch einmal wiederholen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie die Antwort nachreichen, wie das mit

STS SEIBERT: Nein. Ich habe mich dazu jetzt ausreichend geäußert und möchte das

ZUSATZ JUNG: Das ist eine Behauptung von Ihnen!

STS SEIBERT: nicht noch einmal wiederholen. Es ist auch gar nicht notwendig.

FRAGE VON BULLION: Ich habe eine Nachfrage, weil ich es nicht verstanden habe, Herr Alter. Wenn eine Straftat besonders schwer ist, ist dann der Migrationshintergrund relevanter als dann, wenn eine Straftat weniger schwer ist, oder warum hat es unbedingt damit zu tun, dass es jetzt so besonders ungewöhnlich schwere Ausschreitungen waren?

ALTER: Dann haben Sie mich falsch verstanden. Ich habe deutlich gemacht jedenfalls ist das das Ziel dessen, was ich hier zur Auskunft gebe , dass es bei kriminologischen Sachverhalten oder kriminologischen Entwicklungen wie dem Gewaltexzess in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni in Stuttgart wichtig ist, nicht nur das Vorgefallene zu sanktionieren, sondern auch die Fragen zu beantworten, wie es dazu kommen konnte, welche Motive dahinterstecken dabei können alle möglichen Aspekte eine Rolle gespielt haben und welche Strategien man daraus ableiten kann, um ein solches Verhalten künftig zu vermeiden oder zu verhindern.

Um diese Frage zu beantworten, gehört es zur polizeilichen Routine, das gesamte Umfeld auch tätersoziologisch mit zu berücksichtigen. Ich kann es gern wiederholen: Lebensalter, Geschlecht, Herkunft, Einkommen, Bildungsstand, all diese Dinge können dabei eine Rolle spielen, selbstverständlich auch die Frage, ob jemand einen Migrationshintergrund hat.

FRAGE SORGE: Zum Rechtsstreit mit Vattenfall über den Atomausstieg: Die Bundesregierung ist mit einem Befangenheitsantrag vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten erneut gescheitert. Vattenfall fordert nun mehr als 4,4 Milliarden Euro.

Wie bewertet die Bundesregierung die Entscheidung des Gerichts? Welcher nächste Schritt ist in dem Verfahren geplant?

EICHLER: Das ist ein laufendes Verfahren, und das kommentiere ich hier nicht.

FRAGE: Arbeits- und Entwicklungshilfeministerium versuchen, beim Lieferkettengesetz weiterzukommen. Es heißt weiterhin, dass sich das Wirtschaftsministerium dagegen eher sperrt. Warum eigentlich?

EICHLER: Wir hatten das Thema vorhin bereits, und dem habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen. Wir sind jetzt an dem Punkt, dass wir die Antworten, die zur Umfrage hereingekommen sind, auswerten. Das ist der Stand der Dinge.

FRAGE GAMMELIN: Wie bewertet das Kanzleramt, dass die kleinen Eurostaaten nicht die von den großen EU-Staaten favorisierte spanische Finanzministerin zur Eurogruppenchefin mitgewählt haben und einen anderen Kandidaten durchgesetzt haben? Was bedeutet das für die anstehenden Verhandlungen um den EU-Wiederaufbaufonds, wo ja auch einige kleinere Staaten dagegen sind?

STS SEIBERT: Zunächst einmal ist mir nicht bekannt, dass in irgendeiner Weise öffentlich ist, wer in der Eurogruppe wen gewählt hat. Das ist meines Wissens nicht bekanntgegeben worden. Deswegen werde ich mich dazu auch nicht äußern.

Für uns ist vollkommen klar: Der irische Finanzminister Donohoe ist jetzt Chef der Eurogruppe, und die Bundesregierung wird die Zusammenarbeit mit ihm so eng und vertrauensvoll wie möglich angehen.

ZUSATZFRAGE GAMMELIN: Unabhängig davon, wer die spanische Finanzministerin gewählt hat oder nicht: Was bedeutet der Ausgang dieser Wahl für das weitere Verfahren und für die weiteren Verhandlungen über den EU-Wiederaufbaufonds?

STS SEIBERT: Frau Gammelin, Sie scheinen da einen Zusammenhang herstellen zu wollen. Ich kann das nicht kommentieren. Es ist ohnehin so, dass im Europäischen Rat bei den Gesprächen sowohl über den Wiederaufbaufonds wie auch über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 Einstimmigkeit herrschen wird. Das heißt, ob ein Land groß, mittelgroß oder klein ist: Seine Stimme zählt, und sie hat das gleiche Gewicht wie die Stimme eines Landes, das möglicherweise größer oder kleiner ist. Das heißt, es muss eine Einigung von allen 27 hergestellt werden. Es gibt in diesen Tagen viele Kontakte unter den 27 Regierungen. Das ist erst einmal positiv. Es ist aber nicht absehbar, ob es am Freitag schon möglich sein wird, eine Einigung herzustellen. Wie gesagt, es wird die Notwendigkeit bestehen, Einstimmigkeit herzustellen.

VORS. WOLF: Die Nachfrage war unabhängig von der Größe der EU-Staaten es ging um die Wahl der Eurogruppenchefin in Bezug auf den Wiederaufbaufonds.

STS SEIBERT: Na gut, jetzt ist es ja der Europäische Rat, der in Brüssel zusammenkommt, um zu diesem Thema eine Einigung herzustellen. Das heißt, zunächst einmal ist jetzt der Europäische Rat gefragt, bei seiner Sondersitzung den Wiederaufbauplan und die mehrjährige finanzielle Vorausschau zu beraten.

FRAGE REIFENRATH: An das Verteidigungsministerium: Die Verteidigungsministerin wird jetzt zum ersten Mal seit der Coronapandemie wieder eine Reise machen. Können Sie vielleicht etwas zu dem Ziel dieser Reise sagen?

ROUTSI: Selbstverständlich ich freue mich, dass Sie das ansprechen. Das wird die erste physische Auslandsreise der Verteidigungsministerin, und sie wird folgende Staaten besuchen: Polen, Bulgarien, Ungarn, die Slowakei und die Tschechische Republik, auch in dieser Reihenfolge, und zwar von Mittwoch bis Samstag. Natürlich wird es dabei um das Thema der EU-Ratspräsidentschaft gehen und entsprechend auch darum, was uns miteinander verbindet, insbesondere im Verteidigungsbereich.

ZUSATZFRAGE REIFENRATH: Was ist für Sie denn die wichtigste Gemeinsamkeit?

ROUTSI: Wir sind mit diesen Ländern natürlich auch in gemeinsamen Einsätzen gebunden und wir sind unterschiedlich miteinander verbandelt. Um jetzt einmal Polen als Beispiel zu nehmen: Wir haben gemeinsame Truppenverbände, und da gibt es eine Menge Austausch. Der erfolgt jetzt eben zum ersten Mal wieder auf persönlicher Ebene.

FRAGE: Zur Türkei und EU an das Auswärtige Amt und an Sie, Herr Seibert: Wie kommentiert die deutsche Regierung die Entscheidung des türkischen Präsidenten Erdoğan, die Hagia Sophia UNESCO-Weltkulturerbe in eine Moschee umzuwandeln? Wird diese Entscheidung für die deutsche Ratspräsidentschaft den Dialog zwischen EU und der Türkei beeinträchtigen?

STS SEIBERT: Die Bundesregierung das hatte ja auch das Auswärtige Amt am Wochenende schon gesagt hat die Entscheidung in der Türkei vom letzten Freitag mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Die Hagia Sophia hat eine große kulturhistorische Bedeutung und sie hat eine große religiöse Bedeutung, und zwar sowohl für das Christentum als auch für den Islam und wir messen ja diesem interreligiösem hohen Wert bei.

Jetzt gilt es einmal abzuwarten, wie die weitere Regelung und die Ausgestaltung der Nutzung erfolgen wird. Ich will aber nicht verhehlen, dass wir die Entscheidung bedauern, die am Freitag gefällt wurde, dass nämlich die ausschließlich Nutzung des Bauwerks als Museum beendet werden soll; denn der Status als Museum hat eben Menschen aller Glaubensrichtungen zu jedem Zeitpunkt freien Zugang zu diesem Meisterwerk ermöglicht.

BREUL: Ich kann vielleicht nur einen Aspekt ergänzen, nämlich dass, wie Sie wissen, die Hagia Sophia bereits seit 1985 zur Welterbeliste der UNESCO gehört. Aufgrund ihrer materiellen und immateriellen Werte gehört sie zum Erbe der Menschheit. Vom Beginn der Arbeiten zur Umnutzung hätte das UNESCO-Welterbekomitee konsultiert werden müssen. Auch das ist leider unterblieben. Das trägt zu unserem Bedauern zusätzlich bei.

FRAGE JESSEN: Gibt es über den Ausdruck des Bedauerns hinaus irgendwelche Möglichkeiten, auf den Prozess noch einzuwirken?

Zum Zweiten: Gehen Sie davon aus, dass diese Maßnahme sozusagen gezielter Bestandteil eines religiösen oder Kulturkampfes ist?

BREUL: Ich kann dazu sagen, dass wir, wenn wir bei der UNESCO über Welterbestätten und deren Erhalt reden, aus gutem Grunde versuchen, die internationale Politik herauszuhalten das ist ein anderes Thema, über das wir hier sprechen. Hier geht es, wie ich gerade schon erwähnte, um das Erbe der Menschheit und um dessen Erhalt; es geht nicht um politische Beziehungen oder vielleicht auch politischen Streit zwischen einzelnen Staaten. Das ist unser Ansatz, und den wollen wir bei dem Umgang mit Welterbestätten auch weiter verfolgen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Nun ist diese andere Ebene aber von einer anderen Seite eingebracht worden. Sagen Sie jetzt, dass Sie das nicht interessiert, weil Sie es anders sehen?

BREUL: Dass uns das Thema interessiert, haben wir, glaube ich, gerade beide zum Ausdruck gebracht. Es gibt die richtigen Formate dafür, dieses Thema aufzunehmen; da wird die UNESCO auf jeden Fall dazugehören. Es steht noch nicht fest, wann die wegen Covid-19 abgesagte Sitzung in diesem Jahr nachgeholt werden kann, aber da wird das mit Sicherheit auf die Tagesordnung kommen. Von daher ist uns das nicht egal und wir werden darüber sprechen. Sie werden mich jetzt aber nicht dazu bekommen, das mit den politischen Beziehungen zur Türkei, wo wir auch über ganz andere Themen reden, zu verbinden.

FRAGE LÖHR: Zu Wirecard: Warum hält das Finanzministerium den Inhalt der Gespräche zwischen Staatssekretär Kukies und dem Wirecard-Chef Braun unter Verschluss? Wie viele solcher Gespräche mit Managern führt der Staatssekretär üblicherweise im Jahr?

DR. KUHN: Vielen Dank für Ihre Frage das ermöglicht mit, die irreführende Berichterstattung zu dem Thema richtigzustellen. Die Bundesregierung arbeitet intensiv an einer umfassenden Aufklärung und Analyse der Vorkommnisse rund um die Wirecard AG. Dazu haben sich das Bundesfinanzministerium, das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesjustizministerium wiederholt ausführlich geäußert, und wir werden das auch weiterhin tun. Die Bundesregierung informiert den Bundestag zügig und sorgfältig über unsere Erkenntnisse und die Fragen in dem Zusammenhang. Das gilt auch für Gespräche mit der Wirecard AG.

Der Bundestag ist bereits am Freitag letzter Woche darauf spielen Sie ja an auch über den Inhalt eines Gesprächs am 5. November mit dem zuständigen Staatssekretär informiert worden. Wir gehen davon aus, dass die Abgeordneten von der Möglichkeit jetzt Gebrauch machen, sich die entsprechenden Informationen jetzt auch anzusehen. Wenn die Abgeordneten noch weitere Fragen haben, werden wir auch die sorgfältig und zügig beantworten. Die Bundesregierung steht dem Parlament auch weiterhin zur Verfügung, um alle Punkte in Zusammenhang mit der Aufklärung des Falls Wirecard ausführlich zu erläutern und zu erklären.

FRAGE VON BULLION: Herr Seibert, wie bewerten Sie, dass das zur geheimen Verschlusssache erklärt wurde?

STS SEIBERT: Ich habe das nicht zu kommentieren. Der Kollege hat sich geäußert.

FRAGE WARWEG: An das Außenministerium: Am 6. Juli hat Heiko Maas mit dem selbsternannten venezolanischen Interimspräsidenten Juan Guaidó gesprochen. Nach eigenen Aussagen hat er unter anderem betont, dass faire und freie Wahlen Grundlage für die Stabilität bleiben. Jetzt hat Herr Guaidó ja kurz vor dem Gespräch mit Herrn Maas erklärt, dass er die für den 6. Dezember angesetzten Parlamentswahlen boykottieren will. Da würde mich interessieren: War dieser geplante Wahlboykott auch Teil des Gesprächs mit Herrn Maas? Wie bewertet die Bundesregierung grundsätzlich, dass der von ihr unterstützte Interimspräsident öffentlich zum Wahlboykott aufruft?

BREUL: Wir haben die Ankündigung, am 6. Dezember Wahlen abzuhalten, zur Kenntnis genommen. Die Bundesregierung und die Europäische Union haben in den letzten zwei Jahren stets betont, dass freie, faire und glaubwürdige Wahlen das wichtigste Element einer politischen Lösung in Venezuela sind. Das gilt für Präsidentschaftswahlen, aber selbstverständlich auch für die 2020 fälligen Parlamentswahlen. Es müssen aber politische und institutionelle Voraussetzungen erfüllt sein, um freie, faire und glaubwürdige Wahlen auch wirklich zu ermöglichen. Das ist gegenwärtig nicht der Fall. Wir fordern alle Seiten dazu auf, durch politische Verhandlungen diese Voraussetzungen noch zu schaffen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Mit welchem strategischen Kalkül unterstützt die Bundesregierung einen selbsternannten Interimspräsidenten, der nachweislich an einem gescheiterten Militärputsch beteiligt war, dessen Unterschrift unter einem Vertrag steht, der US-Söldnern eine Invasion in Venezuela ermöglichen würde und in dessen nächstem Umfeld es gigantische Korruptionsskandale gibt? Wieso hält die Bundesregierung an so einer Person so vehement fest?

BREUL: Herr Warweg, Ihre Frage ist gespickt mit Vorhaltungen, die wir nicht teilen und die auch nicht von den Fakten gedeckt sind. Wie Sie wissen, ist Herr Guaidó ein Übergangspräsident. Er hat das Mandat, Präsidentschaftswahlen zu organisieren, nachdem diese im Mai 2018 durch die Manipulation durch das Regime Maduro in einer Sackgasse gelandet sind. Das ist das Mandat, für das ihm von Deutschland, von der Europäischen Union und von den Staaten in Lateinamerika Unterstützung wiederfährt, und dabei wollen wir ihn weiter unterstützen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Weil es auch einen expliziten Vorwurf an mich gab: Das heißt, das Außenministerium sagt, Juan Guaidó sei letztes Jahr nicht an dem Militärputsch beteiligt gewesen?

BREUL: Das Außenministerium sagt, Herr Warweg und das ist keine neue Linie , dass Herr Guaidó der legitime Übergangspräsident ist, um freie Wahlen in Venezuela zu organisieren.

FRAGE JUNG: An das Umweltministerium: Es geht um einen geleakten Brief Ihres Ministeriums an die Autolobby, in dem Sie bestätigen, dass das wesentliche Anliegen der Autolobby erfüllt wurde, und zwar konkret die Senkung von Strafzahlungen bei zu hohem CO2-Ausstoß auf EU-Ebene. Warum machen Sie das, warum schreiben Sie der Autoindustrie so einen Brief, und warum sind Sie offenbar sogar stolz darauf? Denn das ist ja das Gegenteil von konsequenter Klimaschutzpolitik.

HAUFE: Ich kenne diesen Leak und diesen Brief auch nicht, von dem Sie jetzt gerade sprechen; deswegen kann ich jetzt schwer dazu Stellung nehmen. Ich weiß nicht, wovon genau Sie reden.

ZUSATZ JUNG: Der Brief kursiert seit dem 11. Juli; er ist bei abgeordnetenwatch.de im Netz zu finden. Dazu wurde von Ihrer Seite bisher eben noch nichts gesagt, und darum wollte ich diesbezüglich nachfragen. Sie reden darin davon, dass die Bundesregierung sich in Brüssel für die deutliche Senkung von Strafzahlungen bei Überschreiten der CO2-Zielwerte einsetzt. Dieser Brief kommt von Ihrem Haus und ging an die Autolobby.

HAUFE: Die Art und Weise, wie Strafzahlungen erfolgen, wenn ein Autounternehmen seine CO2-Flottengrenzwerte nicht einhält, sind festgelegt. Mehr kann ich dazu jetzt nicht sagen. Ich kenne diesen Brief, wie gesagt, nicht; ich müsste mich jetzt erst damit vertraut machen. Deswegen kann ich Ihnen hier an dieser Stelle keine Reaktion geben.

ZUSATZ JUNG: Dann frage ich am Mittwoch noch einmal.

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