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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 12. August 2020

Themen: Informeller Austausch im Bundeskanzleramt zu den Herausforderungen seitens der Schulen in Zeiten der Coronapandemie, Kabinettssitzung (Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten, Achter Altersbericht „Ältere Menschen und Digitalisierung“), COVID-19-Pandemie (Krankschreibung von in Quarantäne befindlichen Personen, Lage in Deutschland, Finanzentwicklung in der Arbeitslosenversicherung, Zulassung eines Impfstoffs in Russland), Gespräche der Bundesregierung mit der namibischen Regierung über die Aufarbeitung der gemeinsamen Kolonialvergangenheit, Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei wegen seerechtlicher Fragen im östlichen Mittelmeer, Monitoring zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, Situation nach der Präsidentschaftswahl in Weißrussland, angekündigte Reduzierung der US-amerikanischen Truppenstärke in Afghanistan, angekündigter Bericht der Zentralstelle zur Untersuchung von Extremismus im öffentlichen Dienst zu den Sicherheitsbehörden, Verhaftung von Angehörigen der Minderheit der Bahai im Iran, Mord an einem Georgier im Berliner Tiergarten, Stabilisierungsmaßnahmen für die TUI AG, Cyberagentur

1:25 Kabinettsthemen

Naive Fragen zu:
11:41 Investitionsbeschleunigung
– Sie sprachen davon, dass das Investitionsbeschleunigungsgesetz den Kultur- und Investitionsstandort Deutschland stärken würde. Gleichzeitig sagen Sie, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen gelockert würden. Warum gibt die Bundesregierung der Umwelt hier quasi die Rote Karte?
– Aber Sie haben selbst gesagt, dass die Umweltverträglichkeitsprüfungen gelockert werden. Warum ausgerechnet da? Wenn irgendetwas nicht gelockert werden sollte, dann ist es doch in Sachen Umwelt. Wenn es um Geld und Wirtschaft geht, muss also am Ende die Umwelt zurückstehen. Richtig?

18:31 Nitrat-Verordnung
– Es gab seit Monaten Streit zwischen Ihnen und dem Landwirtschaftsministerium. Herr Seibert hat gerade auf die entsprechende EU-Richtlinie bzw. auf die EU-Regeln hingewiesen und gesagt, dass die eingehalten werden müssen, auch von deutschen Bauern, auch die Düngeregelungen. Sind Sie jetzt mit dieser Verordnung zufrieden? Denn darin geht es ja hauptsächlich darum, dass es Fairness und Transparenz bei der Ausweisung von belasteten Gebieten und mehr Messstellen gibt. Das war aber nie die Kritik und auch nie das Problem der EU bei dem deutschen Nitratproblem. Es ging immer nur um das Düngerecht bzw. wie gedüngt wird. Ist das jetzt aus Ihrer Sicht vom Tisch? Sind wir jetzt auf dem Stand, den sich die EU wünscht, oder will Frau Klöckner immer noch ich zitiere Ihre Ministerin das Problem wegmessen?
– Ist Ihr Ministerium der Meinung, dass wir jetzt damit durch sind, also dass wir jetzt nichts mehr machen müssen?

31:57 Völkermord an Herero & Nama
– Der namibische Präsident hat empfohlen Sie haben ja gerade Twitter erwähnt , die Verhandlungen fortzusetzen. Das heißt, sie waren erst einmal unterbrochen. Sie tun jetzt so, als ob die Verhandlungen immer noch weiterlaufen und immer noch weiterlaufen. Wie ist es denn jetzt? (ab 34:52)
– Sie meinten gerade, dass sich die namibische Seite einfach eine Entschuldigung wünscht – natürlich so, wie die deutsche Seite das gerne will. Nach dem, was ich weiß und was zu lesen ist, wünscht sich die namibische Seite natürlich auch eine finanzielle Entschädigung und Reparationszahlungen. Das erkennen Sie nicht an?
– Was Sie hier liefern, sind Interpretationen. Ich sage Ihnen, was die Tatsachen sind und was auch die namibische Seite öffentlich sagt. Diese sagt nicht nur, wie Sie gerade behaupten, dass es hierbei um eine Entschuldigung und um Geld usw. geht.
– ist die Kanzlerin vom offensichtlichen Vertrauensbruch der namibischen Seite enttäuscht? Wie verfolgt sie diese Verhandlungen? Ist das für sie überhaupt ein Thema? Beschäftigt sie sich damit? (ab 39:35)
– Wann hat sie sich zuletzt mit dem namibischen Präsidenten unterhalten?
– welche Rolle spielt für die Bundeskanzlerin der Völkermord an den Herero und Nama? Hier hören ja auch internationale Medien zu.

43:50 Spannungen Griechenland/Türkei
– Sie sagten im Januar zu dem Deal zwischen den Türken und Teilen der libyschen Seite über ein Seeabkommen, dass es für Sie nicht akzeptabel wäre, wenn es Absprachen zulasten Dritter, zulasten eines engen Partners und eines EU-Partners gäbe (ab 49:00)
– Gibt es denn jetzt bei diesem Fall Absprachen, die zulasten Dritter, zulasten eines EU-Partners gehen? Sehen Sie so etwas?

52:42 Belarus
– warum wurde der weißrussische Botschafter bisher nicht einbestellt? Gibt es dafür noch irgendeinen guten Grund? (ab 56:20)
– hat Frau Merkel schon Kontakt zu Frau Tichanowskaja gesucht? Klar, sie spricht russisch, aber Frau Tichanowskaja spricht ja auch deutsch. Wird sich da also ausgetauscht?
– Hat sie schon mit Herrn Putin oder Herrn Xi telefoniert, die ja die beiden größten Freunde Herrn Lukaschenkos sind?
– War Herr Lukaschenko denn vor den Wahlen ein demokratisch legitimierter Präsident, Herr Seibert? Denn ich war auf dem Stand, dass auch die Bundesregierung Belarus als letzte Diktatur Europas angesehen hatte. War ich da falsch informiert? War da bis Sonntag ein demokratisch legitimierter Präsident? War das eine Demokratie? (ab 1:00:10)

1:01:15 Afghanistan
– Wann soll nach den Planungen der Bundesregierung der letzte deutsche Soldat aus Afghanistan abgezogen werden? Wann ist Schluss? (1:03:31)

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 12. August 2020:

STS SEIBERT: Schönen guten Tag! Ich würde gerne mit einer Terminankündigung beginnen. Die Bundeskanzlerin und die SPD-Vorsitzende Saskia Esken werden morgen am späten Nachmittag im Kanzleramt mit einer Reihe von Kultusministern und Kultusministerinnen zusammentreffen. Auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek wird dabei sein. Dabei geht es um einen informellen Austausch zu den Herausforderungen, vor denen unsere Schulen in Zeiten der Coronapandemie stehen. Gesprächsthema sollen auch digitale Bildungsangebote sein, die verlässlich und zeitgemäß Bildung vermitteln können. Das ist ein Treffen, das natürlich im Bewusstsein der Zuständigkeit der Länder für das Schulwesen stattfindet. Wir werden im Anschluss schriftlich über diesen Austausch informieren.

Das Erste, wovon ich Ihnen aus dem Kabinett berichten möchte, ist, dass der Bundesverkehrsminister der Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen vorgelegt hat und dass dieser Entwurf beschlossen wurde. Das ist ein Gesetzentwurf, der thematisch an drei Gesetze zur Planungsbeschleunigung anschließt, die allein in dieser Legislaturperiode beschlossen wurden. Der heute beschlossene Gesetzentwurf darum geht es bei all diesen Gesetzen schafft weitere wichtige Voraussetzungen, um Investitionen künftig schneller und effektiver durchführen zu können. Das ist die Umsetzung eines Beschlusses des Koalitionsausschusses aus dem März dieses Jahres. Darüber hinaus werden Maßnahmen des Bund-Länder-Beschlusses vom 17. Juni zur Planungsbeschleunigung im Energiebereich umgesetzt. Das dient dem weiteren Ausbau der Windenergie an Land und stellt damit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Energiewende dar.

Ich möchte drei Bereiche, in denen dieser Gesetzentwurf wirksam wird, kurz herausgreifen.

Das ist zum einen der Bereich der Raumordnung. Die Raumordnungsverfahren werden grundlegend verändert. Sie sollen künftig nur noch auf Antrag des Vorhabenträgers durchgeführt werden oder wenn die zuständige Behörde einen, wie man sagt, raumbedeutsamen Konflikt erwartet. Diese Raumordnungsverfahren werden in Zukunft stärker digitalisiert. Auch damit erhofft man sich eine beschleunigende Wirkung.

Der andere Bereich ist der Infrastrukturausbau, beispielsweise die Elektrifizierung von Schienenstrecken oder andere kleinere Baumaßnahmen, die Digitalisierung einer Bahnstrecke oder die Erhöhung bzw. die Verlängerung von Bahnsteigen. So etwas soll künftig von einem Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsverfahren freigestellt werden, wenn es nicht die Pflicht gibt, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die Pflicht, Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen, wird zudem gelockert. Bei der Digitalisierung von Schienenstrecken oder bei der Erneuerung von Bahnübergängen ist zum Beispiel keine Umweltverträglichkeitsprüfung mehr erforderlich. Wenn es um die Elektrifizierung von Schienenstrecken geht, wird nur noch eine Vorprüfung durchgeführt.

Der dritte, der letzte Bereich betrifft die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Verwaltungsgerichtsverfahren sollen optimiert und vor allem in ihrer Gesamtdauer verkürzt werden. Erstinstanzlich soll das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof bei Streitigkeiten zuständig sein, die bestimmte infrastrukturrelevante Planfeststellungsverfahren zum Gegenstand haben. Das können zum Beispiel Verfahren im Bereich der Landesstraßen, der Wasserkraftwerke und der Häfen sein.

Dies alles davon ist die Bundesregierung überzeugt dient dem Interesse der Allgemeinheit. Es stärkt unsere Konjunktur. Es trägt dazu bei, dass wir unseren Wirtschafts- und Investitionsstandort langfristig sichern. Gerade derzeit mit dem Blick darauf, dass wir alle doch das Ziel haben, die auch wirtschaftliche Coronakrise schnell zu bewältigen, ist das ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung.

Anschließend hat die Bundeslandwirtschaftsministerin eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten beschlossen. Sie wissen, seit 1. Mai dieses Jahres ist eine geänderte Düngeverordnung in Kraft. Die sieht vor, dass die Bundesregierung solch eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift für eine einheitliche Vorgehensweise der Länder bei der Ausweisung belasteter Gebiete erlässt. Das sind die sogenannten roten Gebiete. Das ist ein weiterer Baustein, den wir hier in Deutschland setzen, um europäischen Richtlinien, der EU-Nitratrichtlinie zu genügen und auch den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs nachzukommen, damit die Fortsetzung des Vertragsverletzungsverfahrens mit drohenden Strafzahlungen vermieden werden kann.

Ich glaube, dass die Bundeslandwirtschaftsministerin dazu schon eine Pressekonferenz heute gemacht hat. Deswegen würde ich mich jetzt bei den Details dieser Verwaltungsvorschrift bezüglich des Nitrats sehr kurzhalten.

Das Kabinett hat sich zuletzt mit dem Achten Bericht zur Lage älterer Menschen in Deutschland befasst und seine Stellungnahme dazu beschlossen. Eine unabhängige Sachverständigenkommission hat diesen Bericht erstellt. Schwerpunkt dieses Mal ist das Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“. Dabei hat die Sachverständigenkommission sowohl die Potenziale als auch die Risiken der Digitalisierung mit Blick auf das Leben älterer Menschen zum Thema gemacht. Die Sachverständigen unterstreichen den Nutzen vor allem der digitalen Kommunikationstechnologien, um für ältere Menschen die sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern und auszuweiten, um sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen und um ein selbstbestimmtes Leben in dieser Gesellschaft zu führen. Außerdem können digitale Technologien natürlich dazu beitragen, dass die Gesundheitsversorgung und die Pflege für Ältere entscheidend verbessert werden können.

In ihrer Stellungnahme begrüßt die Bundesregierung diesen Bericht der Sachverständigenkommission. In den meisten der Bereiche, die die Kommission in ihrem Bericht anspricht, hat die Bundesregierung schon Programme aufgelegt und Initiativen gestartet, die älteren Menschen im Zusammenhang mit der Digitalisierung zugutekommen. Ich erwähne da nur die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung, zahlreiche Maßnahmen im Bereich Gesundheit und Pflege, zum Ausbau und zu der Verbesserung der digitalen Infrastruktur, zur Mobilität, zum Wohnen, im ländlichen Bereich usw.

Die Bundesregierung wird auch weiterhin ein Augenmerk darauf legen, dass die besonderen Interessen und Bedürfnisse älterer Menschen im Zusammenhang mit der Digitalisierung noch stärker in den Blick genommen werden. Gerade die Pandemie, in der wir derzeit stecken, mit der wir derzeit leben, zeigt ja den großen Nutzen, den digitale Technologien haben können, damit ältere Menschen auch in Zeiten, in denen der physische Besuch manchmal schwierig ist, im Kontakt mit ihrer Umwelt, mit ihren Familien, mit der Gesellschaft bleiben können.

VORS. FELDHOFF: Gibt es Fragen zu dem wie soll man das nennen? informellen Bildungsgipfel morgen?

STS SEIBERT: Das ist aber Ihre Bezeichnung.

VORS. FELDHOFF: Ja, das ist meine Bezeichnung.

STS SEIBERT: Schon deswegen, weil es sich um eine Reihe von Kultusministern handelt.

FRAGE CLASMANN: Zu dem Treffen wie auch immer Sie das nennen wollen wüsste ich gerne, Herr Seibert, was die Funktion von Frau Esken beim Thema Schulen und Corona ist. Das ist ja eigentlich ein Thema, das höchstens noch die Bundesregierung betrifft, in erster Linie die Länder. Da fragt man sich natürlich, was die Parteivorsitzende da möchte.

STS SEIBERT: Frau Esken ist die Vorsitzende einer Partei, die die Bundesregierung mitträgt. Ich habe gesagt und wiederhole es gerne: Die Kompetenz der Länder für das Schulwesen ist allen Beteiligten bewusst. Dennoch gibt es auch so etwas wie eine Gesamtverantwortung der Bundesregierung dafür, wie unser Land insgesamt mit der Pandemie umgeht. Deshalb gibt es aus gutem Grund immer wieder solche Gespräche zwischen Vertretern des Bundes und der Länder. Dieses geht auf eine Verabredung der Bundeskanzlerin mit der SPD-Vorsitzenden zurück.

FRAGE JESSEN: Gibt es eine besondere Ziellinie oder Zielposition, mit der die Kanzlerin und die Bundesregierung da hineingehen? Das Thema, das für besondere Diskussionen sorgt, ist die unterschiedliche Handhabung der Maskenpflicht. Strebt die Bundesregierung es an, dass es da mit den Ländern und in den Ländern untereinander zu einer möglichst einheitlichen Regelung kommt?

STS SEIBERT: Wie Sie sich vorstellen können, geht es morgen nicht darum, Beschlüsse zu fassen erstens, weil nicht alle 16 Kultusministerinnen und minister dabei sein werden, und zweitens, weil die Kompetenz der Länder für das Schulwesen besteht. Ich nehme dem Treffen jetzt nicht weiter Themen voraus. Es geht um die ganze Bandbreite der großen Herausforderungen, vor denen unsere Schulen, unser Schulwesen im Zusammenhang mit der Pandemie stehen. Es geht auch, wie ich gesagt habe, um das Fenster, das im Moment für digitale Bildungsformate offen ist. Ich denke, damit ist man schon ausreichend beschäftigt.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, Sie sprachen davon, dass das Investitionsbeschleunigungsgesetz den Kultur- und Investitionsstandort Deutschland stärken würde. Gleichzeitig sagen Sie, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen gelockert würden. Warum gibt die Bundesregierung der Umwelt hier quasi die Rote Karte?

STS SEIBERT: Erstens hoffe ich, dass ich gesagt habe, dass es die Konjunktur stärkt und nicht die Kultur. Auch die Kultur soll an allen Ecken gestärkt werden, aber nicht mit dem Beschleunigungsgesetz für Investitionen.

Zweitens ist es ein Anliegen, das, denke ich, im Interesse aller ist, dass wir da, wo Geld und Mittel für Investitionen vorhanden sind gleich, ob die nun aus nationalen oder auch aus europäischen Töpfen kommen , in der Lage sind, diese Mittel dann tatsächlich zur Realisierung solcher Projekte zu verwenden. Dem Ausdruck, den Sie da wählen, nämlich der Umwelt die Rote Karte zu zeigen, kann ich mich in überhaupt keiner Weise anschließen. Das ist überhaupt nicht das, was in diesem Gesetz drinsteckt. Das ist ein Beschluss der gesamten Bundesregierung, also auch der Bundesumweltministerin. Da gehen Sie in die völlig falsche Richtung.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber Sie haben selbst gesagt, dass die Umweltverträglichkeitsprüfungen gelockert werden. Warum ausgerechnet da? Wenn irgendetwas nicht gelockert werden sollte, dann ist es doch in Sachen Umwelt. Wenn es um Geld und Wirtschaft geht, muss also am Ende die Umwelt zurückstehen. Richtig?

STS SEIBERT: Nein. So, wie Sie das locker und pauschal dahinsagen, ist das einfach falsch.

ZUSATZ JUNG: Ich habe Sie nur zitiert.

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen gesagt da kann mir das zuständige Ministerium gleich zur Seite springen , dass die Pflicht zur Durchführung in bestimmten Fällen gelockert wird; das ist richtig. Das heißt aber doch nicht das, was Sie daraus machen.

ZIMMERMANN: Die Lockerungen dies hat Herr Seibert auch gesagt finden gerade bei Infrastrukturmaßnahmen im Schienenbereich statt. Sie finden nicht beliebig statt. Das sehen nicht nur wir als Bundesregierung so, sondern das können Sie auch anhand der Stellungnahmen nachvollziehen, die es im Zuge der Länder- und Verbändeanhörung für die Maßnahmen gab, die wir zur Vereinfachung vorschlagen. Da kann an bestimmten Stellen auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden. Wir haben das so geregelt, dass es breites Lob auch von Umwelt- und Naturschutzverbänden gab, darüber hinaus von der Praktikerseite. Damit meine ich die sogenannte UVP-Gesellschaft. Das ist ein Zusammenschluss von zahlreichen Ingenieursbüros und TÜVs, also Einrichtungen, die ihr täglich Brot mit Umweltverträglichkeitsprüfungen verdienen.

Aber noch einmal: Auch die Umwelt- und Naturschutzverbände haben die Maßnahmen im Schienenbereich gelobt. Der Hintergrund ist: Lockerungen und dadurch erzielte Beschleunigungen dienen auch dem Ziel, die Schiene für die Zukunft und damit für den Klimaschutz fit zu machen.

FRAGE LINDNER: In den Eckpunkten zum Investitionsbeschleunigungsgesetz war noch vom Aufbau eines zentralen Internetartenschutzportals die Rede. Kommt das jetzt in dem Kabinettsbeschluss vor? Was aus den Eckpunkten wurde in dem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt und nicht umgesetzt?

STRATER: Die erste Frage betraf die Plattform für Artenschutz. Daran wird gearbeitet. Soweit ich weiß, gibt es hierzu eine Demoversion und auch schon eine Machbarkeitsstudie. Das alles ist bereits auf den Weg gebracht worden, wird jetzt weiter vorangetrieben und in den nächsten Monaten finalisiert, sodass das auch kommen wird. Insofern werden in den Planungsverfahren Daten über Fragen des Artenschutzes über eine Plattform abrufbar sein. Da sind wir mit den Arbeiten relativ weit.

Zu der zweiten Frage: Was aus einer Ressortabstimmung letztendlich nicht einfließt, kann man ja dann in dem Kabinettsentwurf sehen. Wir haben hier einen Gesetzentwurf, der den Interessen aller gerecht wird und der innerhalb der Ressortabstimmung das ist wie immer natürlich auch gewisse Veränderungen erfahren hat. Aber letztendlich haben wir hier einen guten Gesetzentwurf vorgelegt, der schnelleres Planen und Bauen für eine starke Wirtschaft und für klimafreundliche Mobilität ermöglicht, vor allen Dingen im Bereich der Schiene.

Ein ganz plastisches Beispiel: Wenn man auf einer vorhandenen Schienenstrecke eine Oberleitung zieht, dann muss man bisher ein Planfeststellungsverfahren durchführen. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Man braucht dafür kein Planfeststellungsverfahren mehr durchzuführen. Das erleichtert die Elektrifizierung der Schiene und damit auch den Umstieg auf die Schiene, nicht nur für den Personenverkehr, sondern auch für den Güterverkehr. Das stärkt die umweltfreundliche Schiene. Die anderen Bereiche hat Herr Seibert hier schon genannt.

Insofern haben wir einen guten Gesetzentwurf, der an allen Stellen ansetzt, an denen es bislang klemmt, der die Verfahren beschleunigt und der auch unsere Bemühungen fortsetzt, die wir in dieser Legislaturperiode schon begonnen haben. Wir haben ja bereits mehrere gesetzliche Neuregelungen umgesetzt, die Maßnahmengesetze für Infrastrukturprojekte auf der Schiene und auf der Wasserstraße ermöglichen, die Ersatzneubauten, die Beseitigung von Eisenbahnkreuzungen etc. schneller möglich machen. Wir haben hier insgesamt ein großes Paket für schnelles Planen und Bauen geschnürt und wollen natürlich auch, dass das umgesetzt wird.

FRAGE JUNG: Ich habe eine Frage an das BMU zu der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten. Es gab seit Monaten Streit zwischen Ihnen und dem Landwirtschaftsministerium. Herr Seibert hat gerade auf die entsprechende EU-Richtlinie bzw. auf die EU-Regeln hingewiesen und gesagt, dass die eingehalten werden müssen, auch von deutschen Bauern, auch die Düngeregelungen. Sind Sie jetzt mit dieser Verordnung zufrieden? Denn darin geht es ja hauptsächlich darum, dass es Fairness und Transparenz bei der Ausweisung von belasteten Gebieten und mehr Messstellen gibt. Das war aber nie die Kritik und auch nie das Problem der EU bei dem deutschen Nitratproblem. Es ging immer nur um das Düngerecht bzw. wie gedüngt wird. Ist das jetzt aus Ihrer Sicht vom Tisch? Sind wir jetzt auf dem Stand, den sich die EU wünscht, oder will Frau Klöckner immer noch ich zitiere Ihre Ministerin das Problem wegmessen?

ZIMMERMANN: Auch ich beginne damit, wie Herr Seibert es schon gesagt hat: Das ist eine Maßnahme aus einem Maßnahmenpaket. Dass es jetzt mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift schon getan wäre, ist natürlich nicht der Fall. Es gibt die übergeordnete Düngeverordnung. Dazu wird meine Kollegin sicherlich noch ergänzen können.

Was die heute vom Kabinett beschlossene Verwaltungsvorschrift betrifft: Die begrüßen wir, weil es darum geht, die Gebiete, in denen Nitratbelastungen gemessen werden, jetzt passgenauer und dadurch auch verursachergerechter zu erfassen. Davon erhoffen wir uns, dass die Maßnahmen, um die es letztlich geht, also die Nitratbelastung in den Gewässern zu senken, auf mehr Akzeptanz bei den Stakeholdern stoßen werden.

Die aktuelle Hitzeperiode liefert einen guten Grund dafür, dass wir den eingeschlagenen Weg zur Senkung der Nitratbelastung weiter konsequent beschreiten müssen. Wir können es uns nicht leisten, noch Trinkwasserbrunnen zur Versorgung wegen zu hoher Nitratwerte zu verlieren.

LENZ: Ich würde bei diesem Thema gerne ein bisschen von vorne anfangen und auch mit ein paar Punkten aufräumen, die in Ihrer Frage mitschwangen.

Die Düngeverordnung ist, wie schon richtig gesagt worden ist, bereits am 1. Mai in Kraft getreten. Einzelne Teile davon sind ausgesetzt worden und treten erst zum 1. Januar in Kraft. Das ist heute im Kabinett beschlossen worden, also die Verwaltungsvorschrift, was die Ausweisung der belasteten Gebiete und die Binnendifferenzierung angeht.

Wenn wir einmal bei dem Punkt Düngeverordnung anfangen: Da ging es genau darum, die Kritik der EU-Kommission auszuräumen. Es ist richtig, dass es ein Vertragsverletzungsverfahren gab. Um das Grundwasser besser zu schützen, ist die Düngeverordnung umgesetzt worden. Wir waren in langen Verhandlungen mit der EU-Kommission dazu. Wir waren in Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung. Aber dieses Thema ist jetzt sozusagen durch. Wie gesagt: Die Düngeverordnung ist zum 1. Mai in Kraft getreten.

Sie sagten, die EU-Kommission habe keine Kritik an den Messstellen gehabt. Das ist so nicht der Fall. Es gab tatsächlich Kritik daran, wie die Länder das Messstellennetz aufgebaut haben. Das ist nicht einheitlich. Genau deshalb ist dieser Beschluss heute im Kabinett gefasst worden. Die Bundesregierung hatte das Anliegen, das zu vereinheitlichen und transparenter zu machen, und zwar aus genau den Gründen, die der Kollege vom Umweltministerium genannt hat. Es geht um Transparenz, und es geht um Verursachergerechtigkeit, damit auch die Landwirte verstehen, weshalb bestimmte Maßnahmen, also die strengen Maßnahmen innerhalb der Düngeverordnung, in diesem konkreten Gebiet getroffen werden. Das ist das eine.

Vielleicht noch ein Punkt dazu: Wir haben gemeinsam mit dem Umweltministerium Anfang Juli vorgestellt, wie sich die Nitratwerte im Grundwasser verändert haben. Da gibt es eine leichte Senkung. Wir sehen also schon eine positive Tendenz bei den Messstellen. Sie messen zum Teil weniger Nitrat im Grundwasser. Dabei ist die Novellierung von 2017 noch nicht berücksichtigt und natürlich die Novellierung jetzt, von 2020, auch noch nicht. Der Trend ist schon einmal da.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ist Ihr Ministerium der Meinung, dass wir jetzt damit durch sind, also dass wir jetzt nichts mehr machen müssen?

LENZ: Nichts mehr machen in Bezug auf die Düngeverordnung, oder was meinen Sie mit „nichts mehr machen“?

ZUSATZ JUNG: Es wäre mir neu, dass jetzt alle mit dieser Düngeverordnung zufrieden sind.

LENZ: Wir haben ja das Signal von der EU-Kommission bekommen. Insofern ist das Thema der Düngeverordnung und der Novellierung jetzt durch. Jetzt muss man natürlich sehen, wie sich das weiterentwickelt. Es gibt ja die Nitratberichte. Wir werden das selbstverständlich im Blick behalten. Aber die Kritik der EU-Kommission, die es auch in Bezug auf das Vertragsverletzungsverfahren gab, ist im Moment ausgeräumt.

FRAGE JESSEN: Ich habe zwei Fragen. Die erste Frage richtet sich an das BMU: Welche weiteren Verschärfungen oder Präzisierungen der Düngevorgaben halten Sie für notwendig, ungeachtet der schon jetzt eingetretenen Veränderungen?

Zum Zweiten eine Frage an das Landwirtschaftsministerium zum Messstellennetz. Die neue Verordnung sieht pro 50 Quadratkilometer eine Messtelle vor. Was bedeutet das über den Daumen? Wie viele zusätzliche Messstellen werden in Deutschland wohl eingerichtet werden müssen? Einbezogen werden sollen ja nur solche Messstellen, bei denen Nitrate aus landwirtschaftlichem Eintrag relevant sind. Wie viel Prozent der Messstellen etwa wird das betreffen?

ZIMMERMANN: Was Ihre erste Frage betrifft: Dazu hat meine Kollegin schon auf die gemeinsame Pressemitteilung der beiden Häuser zum Nitratbericht dieses Jahres verwiesen. Da zeigt sich zwar eine leicht bessere Tendenz der Nitratwerte im Grundwasser. Aber zugleich zeigt sich auch, dass die Phosphorbelastung in Flüssen und Seen unverändert blieb und dass wir noch immer eine zu starke Eutrophierung in Küsten- und Meeresgewässern haben. Das heißt, da bleiben auf jeden Fall noch Aufgaben vor uns.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Könnten Sie das konkretisieren?

ZIMMERMANN: Das müsste ich Ihnen nachreichen.

LENZ: Was Ihre Frage nach den Zahlen betrifft: Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt seriös nicht beantworten. Ich muss Ihnen auch sagen, dass sich auch noch der Bundesrat damit befassen muss. Das soll dann nach Möglichkeit, wenn das alles durchlaufen ist, Ende September in Kraft treten. Dann haben die Länder bis Ende des Jahres Zeit, ihre Landesverordnungen entsprechend anzupassen.

Derzeit gibt es in Deutschland im Durchschnitt eine Messstelle pro etwa 50 Quadratkilometer. Aber das ist eben der Durchschnitt. Das heißt, manche Länder liegen deutlich darunter. Es geht darum das haben wir an der Stelle mehrfach gesagt , das zu vereinheitlichen. Um das einmal an einem Beispiel zu verdeutlichen: Bei einem Landwirt, der die gleichen Bedingungen hat wie der Nachbarlandwirt, der aber in einem roten Gebiet liegt, muss man einfach feiner messen können, damit derjenige auch besser nachvollziehen kann, warum dann Maßnahmen notwendig sind und strengere Bedingungen gelten.

FRAGE CLASMANN: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium, und zwar wüsste ich gerne: Wenn in einer Gruppe von Menschen ein Coronafall auftritt, dann gehen ja alle in Quarantäne, und die erkrankte Person wird krankgeschrieben. Was ist dann eigentlich mit den anderen? Werden auch die krankgeschrieben? Können die anderen, wenn der Job das zulässt, im Homeoffice weiterarbeiten, solange bei ihnen keine Infektion festgestellt worden ist? Wie sind da die Regeln?

KAUTZ: Diese Frage richtet sich eher an das BMAS.

JÄGER: Ich muss zugeben, dass mir das gerade nicht geläufig ist. Ich muss da selbst einmal nachfragen und liefere es dann nach.

STS SEIBERT: Vielleicht darf ich nicht zu dieser konkreten Frage, sondern zu der Entwicklung, in der wir derzeit innerhalb der Pandemie stehen, noch ein paar grundsätzliche Überlegungen loswerden.

Am heutigen Tag wurden mehr als 1200 Neuinfektionen durch das Robert-Koch-Institut gemeldet. Einen so hohen Wert hatten wir seit Anfang Mai nicht mehr. Ich will für die Bundesregierung sagen, dass uns die Entwicklung dieser Zahlen Sorgen macht und uns auch Sorgen machen muss; denn wir haben nicht das eine große Infektionsereignis, sondern wir haben viele kleine und mittlere Ausbrüche im ganzen Land. Die Ursachen sind ganz unterschiedlich. Reiserückkehrer bringen die Infektion mit. Es gibt Krankheitsausbrüche nach Familienfeiern und nach privaten Festen, bei denen die Hygiene- und Abstandsregelungen nicht eingehalten wurden. Es ist auch bemerkenswert, dass deutlich mehr jüngere Menschen unter den Infizierten sind. Auch das sollte jeder wissen. Jüngere Menschen sind in der Regel sehr mobil und haben damit ein größeres Potenzial, die Infektion, wenn sie sie in sich haben, auch weiterzutragen. Wenn wir alle jetzt nicht aufpassen und wachsam sind, dann kann dieses Geschehen noch eine ganz eigene Dynamik entfalten.

Es ist gut, dass wir umfassende Tests durchführen und dadurch mehr Infektionen feststellen und damit auch nachverfolgen können. Wir werden aufmerksam verfolgen, wie sich die Zahlen weiterentwickeln. Derzeit ist das Gesundheitssystem gut vorbereitet. Aber wir müssen eine Verschärfung der Situation vermeiden.

Deswegen bleibt zentral ich habe das hier schon am Montag gesagt; aber ich denke, man muss es wiederholen : Wir alle müssen weiterhin die Abstands- und Hygieneregeln beachten. Wir müssen weiterhin die Mund-Nasen-Bedeckungen tragen, wenn es erforderlich ist und dort, wo es empfohlen ist. Da trägt jeder Einzelne Verantwortung für sich selbst, für seine Familie und seine Mitmenschen. Auch wenn mancher verständlicherweise ein Stück weit von diesen Maßnahmen und von der notwendigen Disziplin, die immer wieder eingefordert wird, ermüdet ist: Wir müssen vorsichtig und wachsam bleiben, um alles daranzusetzen, das Erreichte nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Glücklicherweise hält sich die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland an die Regeln, aber eine Minderheit eben nicht. Die gefährden nicht nur sich; sie gefährden vor allem andere.

ZUSATZFRAGE CLASMANN: Sie haben gesagt, Sie verstünden, dass es bei manchen auch gewisse Ermüdungserscheinungen gibt. Das Ganze läuft ja nun schon seit März. Da es ja schon eine ganze Weile Probleme für Schüler, für Unternehmen usw. gibt: Würde man denn die Abwägung der verschiedenen Güter, die da auszubalancieren sind, heute anders vornehmen, als das im Mai gemacht worden ist?

STS SEIBERT: Ich weiß jetzt nicht, was Sie mit dem Rückgriff auf den Mai meinen.

Ich denke, wir müssen als Land bei unserem Umgang mit der Pandemie natürlich Prioritäten setzen, und dabei stehen verständlicherweise folgende Punkte ganz oben: Der eine ist, die Wirtschaft so gut wie es geht am Laufen zu halten oder wieder zum Laufen zu bringen. Der andere ist, den Schul- und den ganzen Bildungsbetrieb wieder voll in Gang zu setzen. Die Bewahrung von Arbeitsplätzen und die Familien sind also für die Bürger zurzeit sicher die Bereiche, deren Funktionieren ihnen am wichtigsten sind.

VORS. FELDHOFF: Das BMAS hat eine Nachlieferung zur Krankschreibung von in Quarantäne befindlichen Personen.

JÄGER: Solange es sich um eine behördlich angeordnete Quarantäne entsprechend dem Infektionsschutzgesetz handelt, gibt es auch Lohnersatzzahlungen. Das ist genau wie eine normale Krankenschreibung zu behandeln.

ZUSATZFRAGE CLASMANN: Für alle?

JÄGER: Für diejenigen, die ebenfalls unter Quarantäne gestellt werden.

FRAGE WACKET: Ist es richtig, dass die Arbeitslosenversicherung im ersten Halbjahr ein Defizit von rund 10 Milliarden Euro verbucht hat? Mit welchem Defizit wird nun im Gesamtjahr gerechnet?

JÄGER: Diese Zahlen liegen mir jetzt nicht vor. Ich werde sie nachliefern.

FRAGE SCHWENCK: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt und vielleicht auch an Herrn Seibert. Es geht um die Aussöhnung mit Namibia bzw. um die deutsche Kolonialgeschichte. Nach Medienberichten hat die namibische Regierung ein deutsches Angebot abgewiesen es sollen 10 Millionen Euro angeboten worden sein sowie eine umfangreiche Entschuldigung für das deutsche Kolonialerbe.

Meine Fragen: Stimmen diese Berichte? Wurde diesbezüglich etwas abgewiesen? Stimmen die Einzelheiten, die genannt wurden? Wie bewertet das die Bundesregierung? Können Sie diese Ablehnung nachvollziehen? Wie geht es jetzt weiter?

BURGER: Dazu kann ich Ihnen sagen, dass die Bundesregierung weiterhin Gespräche mit der Regierung von Namibia über eine zukunftsgerichtete Aufarbeitung der gemeinsamen Kolonialvergangenheit führt. Diese Gespräche verlaufen im gegenseitigen Vertrauen und konstruktiv. Beide Seiten haben Vertraulichkeit vereinbart, und deshalb kommentiert die Bundesregierung den Verlauf und Inhalt dieser Gespräche nicht.

Das Ziel der Gespräche ist das haben Sie angesprochen , dass am Ende eine Bitte um Entschuldigung steht. Aber dann eben auch in einer Form, wie sie von der namibischen Seite akzeptiert wird.

ZUSATZFRAGE SCHWENCK: Das heißt, Sie werden nichts weiter dazu sagen, weil beide Seiten Vertraulichkeit vereinbart haben? – Dann erübrigen sich alle Nachfragen, so zum Beispiel, ob Sie Einzelheiten, die die Medienberichte erwähnen 10 Millionen Euro usw. bestätigen können.

BURGER: Richtig. Ich habe ja gesagt: Da Vertraulichkeit vereinbart ist, werden wir Verlauf und Inhalt der Gespräche nicht kommentieren.

Ich möchte nur noch einmal unterstreichen: Die Gespräche laufen weiter. Der namibische Präsident hat auf seinem Twitteraccount mitgeteilt, dass auch Namibia diese Gespräche als Schlüsselmission ansieht und weiterführen will.

FRAGE JESSEN: Herr Burger, können Sie trotzdem sagen, warum für die Bundesregierung der Begriff „Reparation“ inakzeptabel ist, wenn gleichzeitig in Aussicht gestellt wird oder Einigung darüber besteht, dass es von deutscher Seite eine bedingungslose Entschuldigung sein soll? Wenn es eine bedingungslose Entschuldigung sein soll, warum ist dann der Begriff „Reparation“ nicht akzeptabel?

BURGER: Wie gesagt, ich werde mich jetzt zu den Inhalten der Gespräche und zum Gesprächsstand im Einzelnen nicht äußern.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Entschuldigung! Das ist ja nicht Inhalt der Gespräche, sondern das ist eine Fundamentalposition, wenn Sie sagen: Reparation als Begriff ist bei Aussöhnung Das geht ja über diese Gespräche weit hinaus. Warum ist der Begriff für die Bundesregierung grundsätzlich in solchen Wiedergutmachungsverhandlungen nicht akzeptabel?

BURGER: Diese Frage wurde hier aufgrund von Berichten eingeführt, dass das Thema von Gesprächen sei. Schon deshalb werde ich mich jetzt nicht zum Inhalt dieser Gespräche äußern.

FRAGE JUNG: Der namibische Präsident hat empfohlen Sie haben ja gerade Twitter erwähnt , die Verhandlungen fortzusetzen. Das heißt, sie waren erst einmal unterbrochen. Sie tun jetzt so, als ob die Verhandlungen immer noch weiterlaufen und immer noch weiterlaufen. Wie ist es denn jetzt?

Sie meinten gerade, dass sich die namibische Seite einfach eine Entschuldigung wünscht – natürlich so, wie die deutsche Seite das gerne will. Nach dem, was ich weiß und was zu lesen ist, wünscht sich die namibische Seite natürlich auch eine finanzielle Entschädigung und Reparationszahlungen. Das erkennen Sie nicht an?

BURGER: Beide Interpretationen, die Sie hier gerade anführen, kann ich nicht bestätigen.

ZURUF JUNG: Das sind Fakten, Herr Burger!

BURGER: Beide Interpretationen, die Sie hier gerade vorgetragen haben, kann ich nicht bestätigen – weder, dass die Gespräche unterbrochen seien, noch, dass irgendwelche Positionen der namibischen Seite von der deutschen Seite nicht akzeptiert oder abgelehnt würden.

Wie gesagt, zum Stand und zu den Inhalten der Gespräche kann ich hier im Einzelnen nichts weiter sagen.

ZUSATZ JUNG: Was Sie hier liefern, sind Interpretationen. Ich sage Ihnen, was die Tatsachen sind und was auch die namibische Seite öffentlich sagt. Diese sagt nicht nur, wie Sie gerade behaupten, dass es hierbei um eine Entschuldigung und um Geld usw. geht.

VORS. FELDHOFF: Herr Jung, wenn Sie das diskutieren wollen, können Sie das gerne hinterher machen. Wenn Sie eine Frage haben, stellen Sie sie bitte jetzt.

ZUSATZ JUNG: Es ist einfach falsch, was Herr Burger gerade gesagt hat, dass das Interpretationssache ist. Das ist seine Interpretation.

VORS. FELDHOFF: Das ist die Position des Auswärtigen Amtes, und diese muss ich jetzt ja nicht teilen. Es ist aber die Position des Auswärtigen Amtes; deswegen sitzen wir hier. Aber nicht, um es zu diskutieren, sondern um zu erfragen.

ZURUF JUNG: Bleiben Sie bei dem, was Sie gerade gesagt haben?

BURGER: Vielleicht mache ich noch einmal einen Punkt: Es geht uns hier darum, mit der namibischen Seite eine Einigung zu erzielen.

FRAGE BUSCHOW: Wenn ich es richtig verstanden habe, hat die Regierung von sich aus in den sozialen Netzwerken gesagt: Wir lehnen das Angebot ab. Sie hat dann ja von sich die Vertraulichkeit bei den Verhandlungen, auf die Sie verweisen, gebrochen. Ich bitte doch noch einmal um eine Bewertung: Ist das zumindest ein Rückschlag in den Verhandlungen über eine Aussöhnung mit Namibia, wenn das vonseiten der Regierung in der Art öffentlich kundgetan wird?

BURGER: Wie gesagt, für diese Gespräche ist Vertraulichkeit vereinbart. Deswegen werde ich den Inhalt und den Verlauf der Gespräche nicht weiter kommentieren. Beide Seiten sind sich einig, dass diese Gespräche weiter laufen.

FRAGE LEITHÄUSER: Eine andere Frage zu einem Nebenschauplatz. Vor geraumer Zeit sind in New York Klagen von anderen Namibiern gegen die Bundesregierung eingereicht worden, die nicht zu diesem Gesprächskreis gehören. Können Sie etwas zu dem Stand dieser Verfahren sagen, also ob sie noch anhängig sind oder ob über sie schon entschieden ist?

BURGER: Ich muss Ihnen die Antwort zum Stand von möglichen Gerichtsverfahren nachliefern.

Ich will nur eine kleine Präzisierung in Bezug auf Ihre Frage vornehmen, in der Sie von einem „Gesprächskreis“ gesprochen haben: Diese Gespräche laufen zwischen der Bundesregierung und der Regierung von Namibia.

FRAGE JESSEN: Können Sie wenigstens bestätigen, dass es ein deutsches Angebot gegeben hat? Wenn Sie das nicht bestätigen können, würden Sie eigentlich die namibische Seite einer Fehlinformation bezichtigen. Die hat ja gesagt, das deutsche Angebot sei nicht akzeptabel. Jetzt sagen Sie doch bitte: Hat es ein deutsches Angebot gegeben oder erfindet die namibische Regierung irgendetwas, was es in realita gar nicht gab?

BURGER: Herr Jessen, Sie versuchen jetzt, mir Auskünfte zu Inhalten der Gespräche aus der Nase zu ziehen. Ich habe gesagt: Ich werde die Inhalte und den Gesprächsstand hier nicht weiter kommentieren. Das beinhaltet in keiner Weise, dass ich irgendjemandem eine Falschaussage unterstelle.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die namibische Seite sagt per Twitter, also öffentlich: Es gab ein deutsches Angebot. – Dazu möchten Sie sich nicht verhalten? Sie wollen nicht sagen, ob es eines gab oder nicht? Noch nicht einmal in dieser abstrakten Form?

BURGER: Ich sage es gerne noch einmal: Beide Seiten haben Vertraulichkeit vereinbart, und deshalb kommentiert die Bundesregierung Inhalt und Stand der Gespräche nicht.

ZUSATZ JESSEN: Eine letzte Nachfrage: Die vereinbarte Vertraulichkeit gibt es ja nicht mehr. Es gibt keine Vertraulichkeit, weil die namibische Seite offenbart hat, dass es a) ein deutsches Angebot gab, das b) für sie nicht akzeptabel ist.

BURGER: Ich glaube, es macht keinen Sinn, wenn ich das jetzt noch fünfmal wiederhole. Das, was ich dazu heute zu sagen habe, habe ich Ihnen gesagt.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, ist die Kanzlerin vom offensichtlichen Vertrauensbruch der namibischen Seite enttäuscht? Wie verfolgt sie diese Verhandlungen? Ist das für sie überhaupt ein Thema? Beschäftigt sie sich damit?

Zweitens. Wann hat sie sich zuletzt mit dem namibischen Präsidenten unterhalten?

STS SEIBERT: Erst einmal schließe ich mich der Wertung, die in Ihrer Frage enthalten ist, nicht an.

Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Ruprecht Polenz, steht mit der namibischen Regierung im ständigen Kontakt und führt regelmäßige Gespräche mit deren Sonderbeauftragten in Windhuk. Ziel der Gespräche ist es das hat der Kollege aus dem Auswärtigen Amt schon alles gesagt , dass wir uns bald gemeinsam zu den historischen Ereignissen verständigen. Wir hoffen, dass es so bald wie möglich zu einem Abschluss der Gespräche kommen wird. Über den Inhalt der Gespräche ist einstweilen Vertraulichkeit vereinbart ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Seibert, welche Rolle spielt für die Bundeskanzlerin der Völkermord an den Herero und Nama? Hier hören ja auch internationale Medien zu.

STS SEIBERT: Er ist der Grund, warum es solche Gespräche gibt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich hatte gefragt, wann die Bundeskanzlerin zuletzt mit dem namibischen Präsidenten gesprochen hat.

STS SEIBERT: Das kann ich Ihnen jetzt hier nicht sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das nachreichen?

STS SEIBERT: Mal sehen; das weiß ich nicht.

Wenn ich das noch einmal sagen darf: Von den beiden Fragestellern wird hier jetzt gerade so getan, als sei dieses Thema hier noch nie behandelt worden und als hätten wir noch nie über die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia und dessen Bürgern ganz besonders gegenüber den Herero und den Nama gesprochen. Das ist aber alles natürlich schon geschehen. Weil es diese besondere Verantwortung gibt, gibt es auch diesen Gesprächsprozess zwischen unserem Sonderbeauftragten und dem Sonderbeauftragten der namibischen Regierung.

Es geht darum, eine gemeinsame Basis des Umgangs mit dieser schmerzlichen Vergangenheit zu finden, aber auch eine gemeinsame Basis, um in die Zukunft zu kommen. Wir setzen uns für Versöhnung ein; wir setzen uns für eine würdige Gedenkkultur, für eine Kultur des Gedenkens und Erinnerns an die Gräueltaten und an das Leid der Menschen während des deutschen Kolonialkriegs im damaligen Südwestafrika, dem heutigen Namibia, ein.

Weil es wichtig ist, haben wir das alles hier immer wieder schon besprochen. Insofern verstehe ich diese sehr grundsätzlich klingenden Fragen nicht.

FRAGE BUSCHOW: Herr Seibert hat schon gesagt, dass die Gespräche kontinuierlich geführt werden. Herr Burger, wie kann man sich vorstellen, wie die Gespräche kontinuierlich geführt werden? Gibt es immer wieder Verhandlungsperioden? Wie finden diese im Moment statt? Wann gab es die letzten Gespräche? Ich vermute, dass sie zurzeit nicht physisch stattfinden. Vielleicht können Sie das sagen.

BURGER: Wenn ich zu Ihrer Frage, was konkrete Verhandlungsdaten angeht, etwas mitzuteilen habe, werde ich das nachreichen.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, aus welcher meiner Fragen schließen Sie, ich würde so tun, als habe die Bundesregierung sich jahrelang um nichts gekümmert? In den Protokollen der vergangenen Monate und Jahre werden Sie von mir mehrere Fragen zu diesem Komplex finden, mit denen ich immer nachgefragt habe, wie der Stand der Verhandlungen ist. Wie man aus einem solchen nachweisbaren Frageverhalten schließen kann, ich würde in den Fragen so tun, als würde die Bundesregierung sich dafür nicht interessieren, ist mir schleierhaft. Ich wäre für eine Antwort dankbar.

STS SEIBERT: Es war mein Gesamteindruck. Wenn er mich getäuscht hat, ist es gut.

Wir haben jetzt hier noch einmal dargelegt, was unsere Grundhaltung ist, mit der wir in diesen Gesprächen mit der namibischen Seite stehen. Ich glaube, es ist deutlich geworden: Wir möchten, dass diese Gespräche zu einem einvernehmlichen und gemeinsamen Abschluss geführt werden können.

FRAGE KOUPARANIS: Herr Seibert, ich habe eine Frage zu den aktuellen griechisch-türkischen Spannungen. Sie hatten am Montag in der Bundespressekonferenz erklärt, dass die Bundesregierung mit Griechenland und mit der Türkei in Kontakt stehen würde. Gemäß türkischen Presseberichten von heute wollte die Bundeskanzlerin entweder heute oder morgen mit dem türkischen Präsidenten und auch mit dem griechischen Premierminister Mitsotakis telefonieren. Können Sie uns schon etwas darüber berichten?

In diesem Zusammenhang eine zweite Frage: Für wie gefährlich hält die Bundesregierung die entstandene Lage in der südöstlichen Ägäis? Kann es zu einem bewaffneten Konflikt kommen?

STS SEIBERT: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Nein, ich kann Ihnen darüber nichts berichten. Wenn ich berichten kann, werde ich das tun.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Natürlich sieht die Bundesregierung die Zunahme der Spannungen in dieser Region im östliche Mittelmeer voller Sorge. Ich habe am Montag gesagt das will ich gerne wiederholen, weil es die Kernforderung bleibt : Es ist ganz wichtig, dass die Beteiligten das direkte Gespräch über die sie trennenden streitigen seerechtlichen Fragen miteinander suchen.

ZUSATZFRAGE KOUPARANIS: Inwiefern war die Bundesregierung im Vorhinein über die Unterzeichnung des Abkommens zwischen Griechenland und Ägypten über die Einrichtung einer Ausschließlichen Wirtschaftszonen informiert?

Zweitens. War der Zeitpunkt der Unterzeichnung am Donnerstag, dem 6. August, glücklich gewählt?

Drittens. Stimmen in diesem Zusammenhang Berichte, wonach Ankara und Athen einen Tag später, also am Freitag, öffentlich machen wollten, dass sie Verhandlungen aufnehmen werden?

STS SEIBERT: Die Bundesregierung hat die Unterzeichnung eines entsprechenden Vertrags zwischen Griechenland und der Ägypten zur Kenntnis genommen. Weitere Informationen dazu habe ich für Sie nicht.

ZUSATZFRAGE KOUPARANIS: Hat das Auswärtige Amt vielleicht weitere Informationen dazu?

BURGER: Auch ich kann jetzt hier keine Bewertung eines solchen Abkommens vornehmen. Ich kann Sie darauf hinweisen das hatten wir auch öffentlich gemacht , dass der Außenminister am Montagabend mit seinem griechischen Amtskollegen in dieser Sache telefoniert hat.

Sie haben vielleicht mitbekommen, dass der Hohe Vertreter der EU, Herr Borrell, für Freitag ein informelles Sondertreffen der EU-Außenminister per Videokonferenz nicht nur zur Lage im östlichen Mittelmeer, sondern auch zu Belarus und Libanon einberufen hat. Insofern beteiligen wir uns an diesen Diskussionen natürlich aktiv. Ich möchte aber insbesondere den Beratungen der Außenminister nicht vorgreifen.

FRAGE: Herr Seibert, Sie wollten das Abkommen zwischen Griechenland und Ägypten nicht bewerten. Für wie konstruktiv halten Sie dieses Abkommen, auch zeitlich gesehen, nachdem es in Berlin Verhandlungen gab und dieses Abkommen danach geschlossen wurde?

STS SEIBERT: Das ist der Versuch, die gleiche Frage noch einmal ein bisschen umformuliert zu stellen.

Wie gesagt, ich möchte jetzt keine Stellungnahme zu diesem Vertragsschluss abgeben. Aus unserer Sicht ist das Wichtigste, dass es Verhandlungen zu den streitigen seerechtlichen Fragen im Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei gibt. Dazu rufen wir die Beteiligten, wie überhaupt zur Vermeidung jeder weiteren Eskalation, auf.

ZUSATZFRAGE KOUPARANIS: Herr Burger, sind die Aktivitäten des türkischen Forschungsschiffes „Oruc Reis“ in den griechischen Hoheitsgewässern völkerrechtskonform?

BURGER: Um hier eine umfassende völkerrechtliche Bewertung abgeben zu können, fehlen mir natürlich die Informationen.

Sie haben in Ihrer Frage gesagt, dass es um griechische Hoheitsgewässer geht. Ich glaube, das ist nicht ganz präzise. Ich glaube, die Position der griechischen Seite ist, dass es sich um die griechische Ausschließliche Wirtschaftszone handelt, was noch einmal ein etwas anderer Begriff als der Begriff „Hoheitsgewässer“ ist.

Ich kann nur das sagen, was ich hier am Montag auch schon gesagt habe: Wir verfolgen diese Entwicklungen mit Sorge und glauben, dass diese Entwicklungen, auch diese türkischen Maßnahmen, nicht zur Deeskalation beitragen. Wir fordern beide Seiten auf, in einen Dialog zu treten, um die ausstehenden Fragen, insbesondere die rechtlichen Fragen, zu klären.

FRAGE JUNG: Ich habe mal nachgeguckt. Sie sagten im Januar zu dem Deal zwischen den Türken und Teilen der libyschen Seite über ein Seeabkommen, dass es für Sie nicht akzeptabel wäre, wenn es Absprachen zulasten Dritter, zulasten eines engen Partners und eines EU-Partners gäbe.

Gibt es denn jetzt bei diesem Fall Absprachen, die zulasten Dritter, zulasten eines EU-Partners gehen? Sehen Sie so etwas?

BURGER: Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, weil das eine intime Kenntnis des Inhalts dieses Abkommens erforderte. Die deutsche Bundesregierung ist keine Partei bei diesem Abkommen.

ZUSATZ JUNG: Aber das waren Sie ja bei dem türkisch-libyschen Deal auch nicht, und das haben Sie auch kommentiert.

BURGER: Nein.

ZUSATZ JUNG: Und den griechisch-italienischen Deal haben Sie ja auch kommentiert.

BURGER: Ich kann natürlich grundsätzlich sagen, dass es ein Grundprinzip des Völkerrechts ist, dass Vereinbarungen zulasten Dritter nicht wirksam sind.

FRAGE MERTENS: Wie bewertet das BMZ die finalen Ergebnisse des zweiten Unternehmensmonitorings zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte?

WICKERT: Die Ergebnisse liegen nun vor. Es hat sich gezeigt, dass noch weniger Unternehmen die Vorgaben erfüllt haben, um der unternehmerischen Sorgfaltspflicht nachzukommen. Damit liegen die Zahlen noch niedriger als die ersten Ergebnisse Mitte Juli zeigten. Das unterstreicht die Schlussfolgerungen von Minister Müller und Minister Heil, dass deswegen nun der Koalitionsvertrag greifen muss, dass wir nun national gesetzlich tätig werden und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen wollen.

Die zusammen mit dem Wirtschaftsministerium drei Ministerien sitzen nun an einem Eckpunkteprogramm und versuchen, das noch im Laufe des Sommers einzubringen.

VORS. FELDHOFF: Nun gibt es eine Nachlieferung des BMAS.

JÄGER: Es ging um die finanzielle Lage der Bundesagentur für Arbeit. Dazu lässt sich sagen, dass sie mit einer Rücklage in Höhe von 26 Milliarden Euro ins laufende Jahr gegangen ist und dass davon im ersten Halbjahr 10 Milliarden Euro aufgebraucht wurden. Es ist unschwer vorstellbar, dass ein großer Teil davon in das Kurzarbeitergeld geflossen ist.

Da sich nicht absehen lässt, wie sich die zweite Jahreshälfte weiterentwickelt, können wir keine Prognosen darüber abgeben, wie es mit den Finanzen im Weiteren aussehen wird. Für den Fall, dass tatsächlich die gesamte Rücklage aufgebraucht werden sollte, ist vereinbart, dass es einen Bundeszuschuss für die BA geben wird.

FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, seit Montag ist in Belarus vieles passiert. Inzwischen gibt es mehr als 5000 Verhaftete oder Festgenommene. Es gibt Schusswaffengebrauch. Frau Tichanowskaja wurde offensichtlich gezwungen, eine Videobotschaft aufzuzeichnen. Sie musste sie vorlesen. Dann ist sie entweder geflohen oder wurde außer Landes gebracht.

Haben Sie dem, was Sie am Montag gesagt haben, was zum Beispiel die Anerkennung der Wahlen am Sonntag und von Präsident Lukaschenko als rechtmäßigem Präsidenten angeht, etwas hinzuzufügen?

STS SEIBERT: Ich bin froh, dass Sie nach dem Thema Belarus fragen. Wenn es nicht gekommen wäre, hätte ich es aktiv angesprochen.

Man muss noch einmal ganz deutlich sagen: Die Bundesregierung verurteilt jeden Einsatz von Gewalt gegen friedlich demonstrierende Menschen auf den Straßen von Minsk und andernorts im Lande Belarus. Dort rollt eine regelrechte Repressionswelle mit Tausenden Festnahmen nach Wahlen, die weder fair noch frei waren, mit Festnahmen von Mitgliedern der politischen Opposition, Festnahmen von Bürgerinnen und Bürgern, die nichts anderes getan haben als öffentlich ihrem Wunsch nach politischem Wandel Ausdruck zu verleihen, Festnahmen auch von Journalisten aus dem In- und Ausland. Alle, die in Belarus verhaftet wurden, weil sie friedlich für ihre demokratischen Rechte demonstriert haben, müssen freigelassen und müssen gehört werden.

Dass Frau Tichanowskaja, die Oppositionskandidatin, nach Litauen ausreisen musste, zeigt ja, welche Atmosphäre, welches Klima der Einschüchterung, der Angst und auch der Gewalt derzeit in Belarus herrscht. Denn offenbar wurde Frau Tichanowskaja Sie haben es gesagt , deren Ehemann sich ja in Haft in Belarus befindet, zuvor dazu genötigt, in einem Video zu einem Verzicht auf Proteste aufzurufen. Das würde wirklich unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigen und ließe erahnen, zu welchen Repressionsinstrumenten das Regime in Minsk zu greifen bereit ist.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Wird die Bundesregierung öffentlich sagen: „Wir weigern uns, die Ergebnisse der Wahlen am Sonntag und Präsident Lukaschenko als rechtmäßigen Präsidenten anzuerkennen“?

STS SEIBERT: Wir haben bereits am Montag sehr klar gesagt und es gibt keinen Grund, davon abzurücken , dass diese Wahl den Mindeststandards für demokratische Wahlen nicht entspricht. Das ist die einhellige Auffassung der 27 europäischen Mitgliedsstaaten. Das ist natürlich nicht akzeptabel.

Wir haben am Montag auch gesagt in Europa ist jetzt einiges in Bewegung gekommen , dass wir mit unseren EU-Partnerstaaten darüber beraten wollen und müssen, was die angemessene Reaktion darauf ist. Der Hohe Vertreter Josep Borrell hat in einer gemeinsamen Erklärung der 27 Staaten schon mitgeteilt, dass diese europäische Reaktion unter anderem beinhalten könnte, Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die verantwortlich für die beobachtete Gewalt, für die ungerechtfertigten Verhaftungen, für die Fälschung von Wahlergebnissen sind.

Sie wissen, dass für Freitag ein Sondertreffen der europäischen Außenminister zu diesem Thema geplant ist.

FRAGE JUNG: Herr Burger, warum wurde der weißrussische Botschafter bisher nicht einbestellt? Gibt es dafür noch irgendeinen guten Grund?

Herr Seibert, hat Frau Merkel schon Kontakt zu Frau Tichanowskaja gesucht? Klar, sie spricht russisch, aber Frau Tichanowskaja spricht ja auch deutsch. Wird sich da also ausgetauscht?

Hat sie schon mit Herrn Putin oder Herrn Xi telefoniert, die ja die beiden größten Freunde Herrn Lukaschenkos sind?

BURGER: Wir haben hier am Montag und auch heute über eine ganze Reihe von diplomatischen Reaktionen gesprochen, die es auf die Vorfälle schon gegeben hat. Die klare Verurteilung vonseiten der Bundesregierung haben Sie gehört. Auch Herr Seibert hat sich darauf gerade bezogen. Wir sind uns auch im Kreis der 27 EU-Mitgliedsstaaten einig, was diese Verurteilung und auch die Notwendigkeit angeht, unser Verhältnis zu Belarus im Lichte dieser Ereignisse zu überprüfen. Insofern werden wir die diplomatischen Mittel und Instrumente, die wir haben, auch weiterhin nutzen, um dieser Überzeugung Ausdruck zu verleihen.

ZUSATZ JUNG: Nur zur Erinnerung: Ich hatte gefragt, warum Sie den Botschafter nicht einbestellt haben.

BURGER: Und ich habe Ihnen gesagt, dass wir eine ganze Reihe von diplomatischen Instrumenten zur Verfügung haben. Wir haben einige davon auch schon genutzt und werden am Freitag im Kreise der EU-Außenminister darüber beraten, wie es weitergeht. Herr Seibert hat das Thema möglicher Maßnahmen gegen Verantwortliche angesprochen. Zu den möglichen Maßnahmen, die in Rede stehen auch der Außenminister hat sich ja schon zum Thema Sanktionen geäußert , zählen einige, die, denke ich, als deutlich schärfer einzuordnen sind als die Einbestellung eines Botschafters.

STS SEIBERT: Zu Ihren Fragen, die sich an mich gerichtet haben: Sie wissen, dass ich grundsätzlich dann über Gespräche berichte, wenn ich über Gespräche zu berichten habe und dann hätte ich das auch schon getan.

FRAGE: Herr Burger, könnten Sie doch bitte noch einmal ausführen, welches die Maßnahmen gegen die Verantwortlichen sein könnten?

BURGER: Der Außenminister hat gestern und auch schon am Montag gesagt, dass wir in der Vergangenheit Sanktionen der EU gegen Personen und Entitäten in Weißrussland hatten sie wurden in der Vergangenheit, im Jahr 2016, teilweise aufgehoben, weil es eine positive Entwicklung in Belarus gab, unter anderem die Freilassung politischer Gefangener und dass Teil der Gespräche sein muss, ob diese Entscheidung von 2016 in dieser Form noch Bestand haben kann.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, ist Herr Lukaschenko für die Bundesregierung demokratisch legitimierter Präsident von Belarus?

STS SEIBERT: Die Wahl, die am Wochenende stattgefunden hat, hat nicht dem Mindeststandard, den Mindestanforderungen demokratischer Wahlen genügt. Ich habe es am Montag und auch heute gesagt.

ZUSATZ JESSEN: Das bedeutet in der Kurzform: Nein

STS SEIBERT: Es ist kein demokratisch zustande gekommenes Wahlergebnis.

FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, wird die Bundesregierung Frau Tichanowskaja einladen?

STS SEIBERT: Dazu habe ich jetzt keine Informationen für Sie. Ich kenne auch nicht die Pläne von Frau Tichanowskaja.

FRAGE JUNG: War Herr Lukaschenko denn vor den Wahlen ein demokratisch legitimierter Präsident, Herr Seibert? Denn ich war auf dem Stand, dass auch die Bundesregierung Belarus als letzte Diktatur Europas angesehen hatte. War ich da falsch informiert? War da bis Sonntag ein demokratisch legitimierter Präsident? War das eine Demokratie?

STS SEIBERT: Dass es, was Bürgerrechte, Demokratie, den Umgang mit der politischen Opposition betrifft, seit vielen, vielen Jahren schwere Meinungsverschiedenheiten mit der weißrussischen Führung gibt, ist Ihnen bekannt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber war Belarus denn in den letzten Jahren eine Demokratie, Herr Seibert?

STS SEIBERT: Ich habe meine Antwort doch gegeben.

FRAGE LEITHÄUSER: Meine Frage geht an das Verteidigungsministerium, eventuell auch an das Auswärtige Amt. Gestern wurde der Bundestag darüber informiert, dass die Amerikaner weitere Truppen aus Afghanistan abziehen werden und die Gesamtstärke unter 5000 sinken wird. Es hieß, dass die Bundeswehr ihre Aufgaben im Wesentlichen weiterführen könne.

Welche Aufgaben können nicht weitergeführt werden?

Werden Kontingente der Bundeswehr oder andere Truppenteile Aufgaben der Amerikaner übernehmen?

In welchen Zeiträumen planen Sie jetzt? Glauben Sie also, dass bis zum Ende des Mandats Anfang des nächsten Jahres die Truppenstärke der Bundeswehr Bestand haben kann, oder ist offen, was nach November geschieht?

HELMBOLD: Die offiziell angekündigte Truppenreduzierung der US-Streitkräfte trifft uns nicht unerwartet. Sie soll in enger Abstimmung mit allen Partnern vor Ort geschehen. Der entscheidende Punkt ist im Moment, dass die USA bereit sind, die Unterstützung der Partner bei der Erfüllung der Mission „Resolute Support“ angepasst sicherzustellen. Das bedeutet auch, dass die Bundeswehr zunächst erst einmal weiterhin zu ihren Verpflichtungen stehen kann.

Alle weiteren Schritte werden innerhalb der NATO besprochen und abgestimmt werden. Dem kann ich jetzt nicht im Einzelnen vorgreifen.

VORS. FELDHOFF: Gibt es eine Ergänzung des Auswärtigen Amtes?

BURGER: Ich habe dem jetzt erst einmal nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE LEITHÄUSER: Heißt das, dass Sie auf der einen Seite schon wissen, dass die Amerikaner abziehen, dass aber auf der anderen Seite die NATO noch kleine Pläne hat, wie sie damit umgeht?

HELMBOLD: Wir bereiten uns selbstverständlich auf verschiedene Szenarien vor. Aber im Moment ist der Sachstand, dass tatsächlich zurzeit 8600 US-Soldaten in Afghanistan sind. Die Reduzierung auf 4500 US-Soldaten ist Medienberichten zufolge geplant. Wir stehen weiterhin in enger Abstimmung mit den Amerikanern. Uns wurde von amerikanischer Seite zugesichert, dass die „critical enablers“ weiterhin zur Verfügung stehen, um die Mission, zu der wir auch weiterhin stehen, weiterhin durchzuführen.

Der weitere Fortgang der Dinge hängt davon ab, wie die Abstimmung insbesondere auch mit den anderen Partnern, auch im NATO-Rahmen, weiter stattfinden werden.

FRAGE JUNG: Gegebenenfalls an Herrn Seibert oder auch an Herrn Burger: Wann soll nach den Planungen der Bundesregierung der letzte deutsche Soldat aus Afghanistan abgezogen werden? Wann ist Schluss?

BURGER: Ich habe jetzt nicht im Kopf, bis wann wir aktuell ein Mandat haben. Sie kennen unsere Bemühungen um die Unterstützung eines Friedensprozesses für Afghanistan. In Afghanistan hat es in den letzten Wochen erfreuliche Entwicklungen gegeben, die die Chancen dafür verbessert haben, dass wir in den nächsten Wochen tatsächlich den Beginn innerafghanischer Friedensverhandlungen sehen. Die Bundesregierung unterstützt diese Bemühungen tatkräftig. Wir sind dazu nicht nur mit den Parteien in Afghanistan selbst im Gespräch, sondern auch mit den USA, mit Katar und mit Norwegen und bemühen uns gemeinsam, diesen Prozess nach Kräften zu unterstützen.

Für uns ist wichtig, dass die Errungenschaften, die wir in den letzten Jahren in Afghanistan erreicht haben, insbesondere was Themen wie Menschenrechte, Frauenrechte und die Bildung für Kinder und Mädchen angeht, in diesem Friedensprozess nicht geopfert werden, sondern dass der Prozess zu einem Frieden für Afghanistan führt und auch diesen Entwicklungsfortschritten Rechnung trägt. Wenn es gelingt, in diesem Prozess Fortschritte zu machen, wenn es eine Friedensperspektive für Afghanistan gibt, dann schafft das natürlich auch die Voraussetzungen dafür, dass eine internationale Unterstützung im militärischen Bereich für die afghanischen Sicherheitskräfte vielleicht nicht mehr oder vielleicht in anderer oder geringerer Form gebraucht wird.

FRAGE CLASMANN: Minister Seehofer hatte im Juli angekündigt, bis Ende September werde das Bundesamt für Verfassungsschutz einen umfassenden Bericht zu Extremismus und Rassismus in allen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern vorlegen. Dann hieß es, von den Sicherheitsbehörden des Bundes, vom MAD und auch aus einigen Ländern gebe es schon Input, während man von einigen anderen Ländern noch Input erwarte, weil es unterschiedliche datenschutzrechtliche Vorgaben gebe. Jetzt ist mir aber zu Ohren gekommen, dass es im September vielleicht doch nichts damit werden wird, weil einige Länder wohl wollen, dass die die IMK erst noch darauf schaut. Ich vermute einmal, dass sie es ist, die vielleicht nicht unbedingt will, dass aus dem Bericht eine regionale Häufung hervorgeht. Können Sie uns auf den neuesten Stand bringen? Wann kommt dieser Bericht denn jetzt?

GRÜNEWÄLDER: Aus meiner Sicht gibt es da keinen neuen Stand. Ihre Berichte kann ich nicht bestätigen. Es ist ja auch noch nicht September. Also bitte ich Sie um Geduld. Nach meiner Information wird dieser Bericht so vorgelegt werden, wie es der Bundesinnenminister angekündigt hat.

ZUSATZFRAGE CLASMANN: Hält er also daran fest, dass der Ende September öffentlich werden wird?

GRÜNEWÄLDER: Selbstverständlich.

FRAGE SCHWENCK: Meine Frage betrifft auch Repression, allerdings im Iran. Dort gab es eine gehäufte Zahl von Verhaftungen von Angehörigen der Bahai-Minderheit. Insgesamt 70 Personen kamen dabei wohl in Haft. Wie ist denn die Haltung der Bundesregierung zu dieser Verhaftungswelle? Gab es darüber bilaterale Gespräche mit dem Iran? Welche Schritte erwägt die Regierung?

BURGER: Die Bundesregierung beobachtet die Lage der Menschenrechte im Iran und insbesondere die schwierige Situation religiöser Minderheiten wie der Bahai mit großer Sorge. Die Bahai sind die am stärksten in ihren Rechten eingeschränkte Minderheit im Iran, und sie sind dort wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Gerade in den letzten Monaten gibt es verstärkt Berichte über eine Zunahme der Zwangsmaßnahmen und auch Kampagnen gegen die Bahai, insbesondere im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Problemen Irans und der Coronapandemie; der Iran ist ja eines der davon am stärksten betroffenen Länder.

In unseren Kontakten mit der iranischen Seite thematisieren wir regelmäßig die Menschenrechtslage im Iran. Wir kritisieren Menschenrechtsverletzungen gegenüber religiösen Minderheiten im Allgemeinen und auch gegenüber den Bahai im Speziellen. Auch die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Frau Kofler, setzt sich regelmäßig für die Rechte der Bahai im Iran ein, zuletzt mit einer Erklärung im Juni 2020.

ZUSATZFRAGE SCHWENCK: Sanktionen? Sie sind ja in einer schwierigen Situation. Einerseits wollen Sie den Iran im Nukleardeal halten, also nett zum Iran sein, sage ich jetzt einmal in Anführungszeichen, andererseits könnte so etwas ja auch Anlass dafür sein, Sanktionen und eine schärfere Herangehensweise zu fordern. Gibt es solche Überlegungen?

BURGER: Ich würde Ihrer Aussage widersprechen, dass es beim Atomabkommen mit dem Iran darum geht, nett zum Iran zu sein. Es geht bei diesem Atomabkommen darum, zu verhindern, dass der Iran den Weg zu einer Atombombe geht. Es steht auch nicht im Widerspruch zu der Möglichkeit, schwere Menschenrechtsverletzungen im Iran mit Sanktionen zu belegen. Die EU hat ein spezielles Sanktionsinstrument, um gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen im Iran vorzugehen. Diese Sanktionen haben wir auch im Zuge des JCPOA nicht aufgehoben. Dieses Sanktionsinstrument besteht nach wie vor, und benutzen es auch nach wie vor.

FRAGE JOLKVER: Herr Burger, ich habe eine Frage zu den gestrigen Gesprächen in Moskau, und zwar zu dem Aspekt des Moabit-Mordes. Der russische Außenminister beklagt, dass die deutsche Seite die Beweise für die Teilnahme von russischen Regierungsstellen an dem Auftrag des Mordes nicht vorlege. Mich würde interessieren, warum die deutsche Seite das nicht tut. Gibt es eventuell juristische Hindernisse? Darf man, bevor die Sache vor Gericht ist, diese Beweise nicht vorlegen, oder warum werden diese Beweise nicht vorgelegt?

BURGER: Ich würde jedem, der sich für diese Frage interessiert, sehr die Lektüre der Pressemitteilung des Generalbundesanwalts ans Herz legen, in der er die Beweislage und die Gründe für die Anklageerhebung sehr deutlich darlegt.

Im Übrigen ist es so das hat der Außenminister gestern bei der Pressekonferenz mit seinem russischen Außenministerkollegen auch so gesagt , dass wir die Möglichkeiten der Exekutive, von der russischen Seite um Mithilfe bei der Aufklärung zu bitten, ausgeschöpft haben. Jetzt liegt das Verfahren in den Händen der unabhängigen Justiz. Die ist dafür zuständig. Selbstverständlich weiß jeder, der einen Strafprozess kennt, dass im Strafprozess Beweise öffentlich vorgelegt werden.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Das heißt, bevor die Sache vor Gericht geht, darf die deutsche Seite diese Beweise der russischen Seite nicht vorlegen. Verstehe ich Sie richtig?

BURGER: Die Ermittlungen führt der Generalbundesanwalt. Das ist eine unabhängige Ermittlung der Justizbehörden. Das ist nicht Sache der Exekutive. Es ist nicht Sache der Bundesregierung, Ermittlungen zu führen, sondern das ist Sache der dafür zuständigen Ermittlungsbehörden. Die haben das getan, und zwar mit einem sehr ernst zu nehmenden Ergebnis, das zu der Anklageerhebung geführt hat, und dort gehörte diese Frage auch hin.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Kann vielleicht das Justizministerium auf die Sprünge helfen? Darf die Anwaltschaft die Beweise, die sie in diesem Fall hat, jetzt schon öffentlich machen, unter anderem gegenüber der russischen Seite?

KALL: Na ja, dabei geht es ja weniger darum, etwas öffentlich zu machen.

Erst einmal kann ich mich Herrn Burger in allem anschließen. Der Generalbundesanwalt führt dieses sehr wichtige Strafverfahren. Er hat vor dem Berliner Kammergericht Anklage erhoben. Hier wird es den Prozess geben. Wie Herr Burger gesagt hat, ist ein Strafprozess öffentlich. Es ist die Natur des Strafprozesses, dass dort alles auf den Tisch kommt und die Anklage öffentlich mit allen Beweismitteln untermauert werden muss, die dann im Strafprozess eine Rolle spielen.

Worüber wir ja aber hier reden, sind die Rechtshilfeersuchen, die noch von der Berliner Justiz an die russische Seite gestellt worden waren. Natürlich sind Rechtshilfeersuchen begründet. Natürlich legt man dabei in gewisser Weise den Stand der Ermittlungen offen; man muss ja auch klarmachen, um welche Beweismittel es geht. Diese Rechtshilfeersuchen sind eben in der Substanz überhaupt nicht beantwortet worden, und daher rührt sozusagen der Vorwurf einer unzureichenden Zusammenarbeit und Unterstützung. Das alles wird aber, wie gesagt, im Strafprozess vor dem Kammergericht öffentlich geklärt werden.

FRAGE: Die Frage zu dem gestern von Russland vorgestellten Impfstoff richtet sich auch ein bisschen an Herrn Seibert. Der russische Präsident Putin hat gestern angekündigt, dass in Russland der erste Impfstoff gegen das Coronavirus für eine breite Anwendung zugelassen wurde. Wie schätzt das Bundesgesundheitsministerium dieser Ankündigung ein? Teilt das Ministerium die kritischen Einlassungen von Experten, die darauf hingewiesen haben, dass der russische Impfstoff nicht alle notwendigen Erprobungsstufen durchlaufen hat?

Interessiert sich die Bundesregierung überhaupt für diesen Impfstoff? Plant sie, mit den russischen Behörden in Verbindung zu treten, um mehr Informationen über den Impfstoff zu bekommen

KAUTZ: Dazu hat sich der Bundesgesundheitsminister eigentlich heute Morgen im Deutschlandfunk ausführlich geäußert. Außerdem haben wir uns gestern als Ministerium auch dazu geäußert. Das ist also eigentlich alles in den Agenturmeldungen zu lesen.

Der Bundesgesundheitsminister hat in dem Interview mit dem Deutschlandfunk betont, dass er sich natürlich freuen würde, wenn es einen Wirkstoff gäbe, der wirkt, aber der russische Impfstoff sei nach allem, was wir wissen, nicht ausreichend erprobt. Die Daten liegen uns vor allen Dingen nicht vor. Deswegen könne es gefährlich sein, zu früh mit dem Einsatz dieses Impfstoffes zu beginnen. Außerdem sei es für das Vertrauen der Bevölkerung in diesen Impfstoff sehr wichtig, dass die notwendigen Studien sehr genau und abschließend durchgeführt werden. Herr Spahn hat wörtlich gesagt: „Es geht nicht darum, bei der Impfstoffentwicklung Erster zu sein, sondern es geht darum, einen wirksamen, erprobten und damit auch sicheren Impfstoff zu haben“.

FRAGE JESSEN: Gibt es so etwas wie ein international gültiges Verfahren dafür, welche Daten von den Entwicklern von Impfstoffen, die dann gegebenenfalls auch international eingesetzt werden können, zur Verfügung gestellt werden müssten oder müssen, oder gibt es ein solches Verfahren nicht?

KAUTZ: Es gibt klinische Prüfungen. Es gibt ein Verfahren in Deutschland und ein Verfahren in der EU. Dafür braucht man Drei-Phasen-Prüfungen. Dabei wird die Verträglichkeit des Impfstoffes geprüft, aber auch die Wirksamkeit. Das wird erst in Tierversuchen und dann in Versuchen an kleineren Kohorten und danach an größeren Kohorten von Menschen gemacht. Abschließend folgt die Phase-III-Studie, die die Wirksamkeit belegen soll.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Dieses Drei-Phasen-Modell wird ja auch in der Regel international angewendet. Es ist durchaus bekannt. Mich interessiert jetzt, ob es für Medikamente oder Impfstoffe, die in anderen Ländern wie in diesem Fall in Russland entwickelt worden sind, ein Verfahren der Überprüfung der Zulässigkeit solcher Stoffe in Deutschland oder in der EU gibt, also jenseits des bekannten Drei-Phasen-Modells.

KAUTZ: Normalerweise würde ein Pharma-Unternehmen, wenn es mit einem Produkt auf den Markt kommen möchte, die Zulassung beantragen und müsste dann auch diese Daten offenlegen. Jetzt begebe ich mich in einen anderen Bereich: In der Wissenschaftscommunity ist die Offenlegung von Daten gerade für solche Dinge natürlich absolut Usus. Das ist jetzt aber meiner Meinung nach nichts, was ein formales Verfahren darstellt.

FRAGE JENNEN: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. TUI hat gerade mitgeteilt, dass man mit der Bundesregierung Hilfe vereinbart habe, dass die KfW den Kredit erst einmal um ungefähr 1,05 Milliarden Euro aufstockt und das auch eine Wandelanleihe vorgesehen ist, die dem Staat eventuell 9 Prozent der Anteile verschaffen würde. Könnten Sie das bestätigen?

Können Sie auch insbesondere die Konditionen für den Staatsanteil nennen? Unter welchen Umständen würde der Staat tatsächlich diese Wandelanleihe ziehen?

DR. BARON: Ich kann dazu gerne etwas sagen. Es ist in der Tat so, dass sich das Unternehmen TUI ja gerade dazu geäußert hat und dazu auch die notwendige Ad-hoc-Mitteilung herausgegeben hat.

Ich kann bestätigen, dass sich das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium im gegenseitigen Einvernehmen zugunsten der TUI AG auf Stabilisierungsmaßnahmen geeinigt haben. In der Tat ist es so, dass wir dem Unternehmen Stabilisierungsmaßnahmen gewähren. Zum einen geht es um eine Aufstockung eines schon bestehenden KfW-Kredits. Wie Sie auch richtig geschildert haben, geht es dabei um eine Aufstockung um 1,05 Milliarden Euro als Kredit der staatlichen Förderbank KfW.

Das zweite Element ist ein Erwerb einer Wandelanleihe in Höhe von 150 Millionen Euro durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Es geht hierbei darum, dass die TUI AG wie auch andere Unternehmen vor der Krise ein profitables Unternehmen war und durch die Coronakrise in eine schwere Lage geraten ist. Sinn dieser Stabilisierungsmaßnahmen ist es, dem Unternehmen und seinen Beschäftigten durch diese Krise zu helfen und ihnen eine Zukunftsperspektive zu geben.

Vielleicht noch kurz zu Ihrer Frage zum Erwerb der Wandelanleihe: Es ist so, dass es um den Erwerb einer Wandelanleihe durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds im Umfang von 150 Millionen Euro geht, wobei die Option für eine Wandlung und die Zeichnung von knapp 60 Millionen Stammaktien besteht.

ZUSATZFRAGE JENNEN: In welcher Situation wird die gezogen? Was muss eintreten?

DR. BARON: Das kann ich Ihnen nicht genauer schildern. Es ist natürlich das Wesen einer Anleihe, dass sie dem Inhaber das Recht einräumt, die Summe entweder in Aktien umzuwandeln, oder sie muss zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezahlt werden. Die ganze Maßnahme der Wandelanleihe ist natürlich zeitlich befristet. Ich kann noch einmal prüfen, ob wir weitere Details dazu nennen können. Dies ist das, was ich aktuell an Details nennen kann.

BURGER: Ich kann Ihnen etwas zu zwei Fragen zum Thema Namibia nachreichen, zunächst einmal zu den Verhandlungsrunden: Bisher gab es acht förmliche Verhandlungsrunden. Die letzte davon hat im Februar stattgefunden. Beide Seiten haben sich, wie gesagt, Vertraulichkeit ausbedungen. Es ist natürlich so, dass wir auch außerhalb dieser Verhandlungsrunden über alle möglichen Möglichkeiten des Kontakts mit der namibischen Regierung verfügen, beispielsweise über unsere Botschaften.

Es war auch nach dem Stand zivilrechtlicher Prozesse in den USA gefragt worden, was Schadensersatzansprüche aus Namibia angeht. Dazu kann ich Ihnen mitteilen: Vertreter der Volksgruppen der Herero und Nama haben am 5. Januar 2017 Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Court for the Southern District of New York mit dem Ziel nicht bezifferter Schadensersatzansprüche sowie direkter Beteiligung an Regierungsgesprächen erhoben. Diese Klage wurde vom Gericht in seiner Entscheidung vom 6. März 2019 abgewiesen. Dagegen haben die Kläger am 11. März 2019 Revision eingelegt. Über diese Revision ist noch nicht entschieden. Ich kann Ihnen derzeit auch kein Datum nennen, an dem das Revisionsgericht entscheiden wird.

FRAGE JOLKVER: Herr Grünewälder, ich habe eine Frage zu der Cyberagentur. In Ihrer Pressemitteilung vom 10. August wird einmal der Begriff „Technologiesouveränität“ und einmal von Herrn Seehofer der Begriff „digitale Souveränität“ benutzt. Mich würde interessieren, was damit gemeint ist. Ist es eventuell so, dass man die Abhängigkeit von ausländischen Produkten verringern möchte, oder wie soll man das verstehen?

GRÜNEWÄLDER: Genau, das ist etwa in diese Richtung zu verstehen. Die Cyberagentur hat ja die Aufgabe, mittel- und langfristig Innovationen anzustoßen und Entwicklungen zu ermöglichen. Im Sicherheitsbereich sollen disruptive Innovationen bzw. Ideen erforscht und entwickelt werden. Die Bundesregierung verspricht sich davon auch, dass Innovationen entwickelt werden, die es uns ermöglichen, dann auf eigene deutsche Entwicklungen zurückzugreifen, nicht mehr auf Produkte aus dem Ausland. Insofern ist es auch eine Frage der digitalen Souveränität, eigene Produkte hier im Land zu entwickeln, die man gerade im Sicherheitsbereich nutzen kann, ohne dass Sicherheitsbedenken bestehen.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Um welche Produkte aus welchen Ländern geht es? Sind es die USA, die die meisten Produkte dieser Art herstellen, die Sie benutzen? Wahrscheinlich ja, oder?

GRÜNEWÄLDER: Diese Aussage ist ganz allgemein zu betrachten. Wir haben jetzt keine bestimmten Produkte im Auge, die zu ersetzen sind. Die Perspektive ist, wie gesagt, mittel- bis langfristig, etwa zehn Jahre. Aber Ziel ist es halt, eigene Produkte von europäischen Firmen und deutschen Firmen zu entwickeln, sodass man nicht mehr auf Produkte aus dem Ausland angewiesen ist, bei denen möglicherweise Sicherheitsbedenken eine Rolle spielen, weil die Daten auf ausländischen Servern lagern usw.

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