Artikel

Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 18. September 2020

1:08 Termine der Kanzlerin

Naive Fragen zu:
8:07 Bildung/Schnelles Internet
– Sie sprachen vom „Anschluss aller Schulen an das schnelle Internet“ – was heißt für die Bundesregierung „schnelles Internet“? (ab 12:51)

13:52 75 Jahre Vereinte Nationen
– haben sich die Mitglieder der Bundesregierung die jeweiligen Teilnahmen an den Videokonferenzen ausgesucht oder wurden sie speziell eingeladen? (15:25)

40:21 Stahlindustrie
– Sie haben hier Mitte Juli „das nationale Handlungskonzept Stahl“ vorgestellt. Wie verträgt sich denn ein Einstieg in Stahlunternehmen mit Ihrem Konzept? (ab 44:00)
– gehören zu diesen „konkreten Maßnahmen“ potenzielle Einstiege in die Stahlindustrie?

47:30 Moria
– haben Sie Verständnis oder können Sie nachvollziehen, warum dort Brände gelegt wurden? Angesichts der katastrophalen Situation, wie Sie selbst sagen? Verstehen Sie das als Hilferuf oder als Kriminaltat? (ab 49:47)

54:44 Antirassismus
– die beteiligten Migrantenorganisationen fordern ja nicht nur eine Rassismusstudie bei der Polizei, sondern auch bei anderen Behörden des Bundes. Ist Herr Seehofer offen für eine Rassismusstudie beim BAMF? Ist das BMAS offen für eine Rassismusstudie bei der Agentur für Arbeit? (ab 1:02:51)

1:13:00 Hassredegesetz
– halten Sie dieses Gesetz, Stand heute, noch in allen Teilen für verfassungsgemäß? (ab 1:17:22)
– das Problem ist ja, was Sie da reingeschrieben haben: dass Telekommunikationsunternehmen Daten an das BKA übermitteln sollen und das BKA Daten von zB Facebook abfragen soll – was alle verfassungswidrig wäre

1:21:30 Kontrollen in der Ernährungswirtschaft
– was tut Ihr Ministerium gegen den Personalmangel (bei den Lebensmittelkontrollen)? (ab 1:23:48)
– Geld fehlt für mehr Personal in den Ländern – tun Sie was dagegen?

Bitte unterstützt unsere Arbeit finanziell:
Konto: Jung & Naiv
IBAN: DE854 3060 967 104 779 2900
GLS Gemeinschaftsbank

PayPal ► http://www.paypal.me/JungNaiv

Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 18. September 2020:

STS SEIBERT: Guten Tag! Meine Damen und Herren, der Blick auf die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin beginnt mit Montag, den 21. September. Um 10.30 Uhr wird das, was wir üblicherweise das Coronakabinett nennen, zusammenkommen, also die Bundeskanzlerin mit den zuständigen Fachministern, um aktuelle Themen, die die Pandemie betreffen, zu beraten. Zum Beispiel wird es um die Umsetzung der Beschlüsse der Bund-Länder-Gespräche vom 27. August zum Thema der Einreise gehen. Es wird also eine Sitzung des Coronakabinetts am Montag um 10.30 Uhr geben.

Am Montagnachmittag wird die Bundeskanzlerin dann auf Einladung der europäischen Kommissionspräsidentin, Frau von der Leyen, an einer Videokonferenz mit Frau von der Leyen und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Sassoli, teilnehmen. Es wird dabei um die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen und zum europäischen Wiederaufbauplan gehen. Das wird das dritte Gespräch in diesem Format sein.

Am Montagabend folgt dann im Kanzleramt ein Gespräch der Bundeskanzlerin, der Bundesbildungsministerin, Frau Karliczek, und der SPD-Vorsitzenden, Frau Esken, mit den Kultusministern und -ministerinnen der 16 Bundesländer. Das ist die Fortführung des Austauschs, den die Bundeskanzlerin und die anderen beiden Damen bereits Mitte August mit einer Reihe von Kultusministern hatten. Jetzt ist es also ein Austausch mit allen. Es geht insgesamt um die Herausforderungen des Schulsystems in der Coronapandemie. Es wird um Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen und natürlich um das große Thema der Digitalisierung der Schulen gehen. Alle eint das Ziel, das zu vermeiden, was es im Frühjahr dieses Jahres über Wochen hinweg gab, nämlich komplette und flächendeckende Schließungen von Schulen und Kitas. Das wird um 18 Uhr im Kanzleramt beginnen, und es wird im Anschluss eine Pressemitteilung geben.

An dieser Stelle möchten wir auch den Vereinten Nationen zu ihrem 75-jährigen Jubiläum gratulieren. Dazu organisieren die Vereinten Nationen einen virtuellen Festakt am Montag, den 21. September, bei dem sich die Bundeskanzlerin mit einer Videobotschaft einbringen wird.

Auch die sogenannte hochrangige Woche der UN Generalversammlung ist in diesem Jahr aufgrund der Pandemie eine virtuelle Sache. Die Kanzlerin und auch verschiedene Bundesminister und -ministerinnen werden sich an verschiedenen Veranstaltungen in dieser Woche mit Videobeiträgen beteiligen. Die Bundeskanzlerin beispielsweise wird auf diese Weise am Biodiversitätsgipfel am 30. September und an der Veranstaltung zum 25. Jubiläum der Pekinger Frauenrechtskonferenz am 1. Oktober teilnehmen. Außerdem wird sie eine Botschaft für das am Rande dieser UN-Woche tagende hochrangige Treffen der Open Government Partnership übersenden.

Am Mittwoch, den 23. September, wird um 9.30 Uhr die Sitzung des Bundeskabinetts unter Leitung der Kanzlerin stattfinden.

Am 24. und 25. September werden sich die Staats und Regierungschefs der EU in Brüssel zu einer Sondertagung des Europäischen Rats treffen. Das wird am Donnerstagnachmittag wie üblich mit einem Zusammentreffen mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Sassoli, beginnen. Auf der Tagesordnung dieser Sondertagung des Rats stehen die Themen Binnenmarkt, Industriepolitik und Digitales. Das sind Themen, die die Staats- und Regierungschefs schon im März bei ihrem Europäischen Rat besprechen wollten. Nun erfolgt das also im September. Außerdem stehen außenpolitische Fragen auf der Tagesordnung. Das Verhältnis der EU zur Türkei und das Verhältnis der Europäischen Union zu China stehen im Fokus.

Um Ihnen die Vorbereitung auf diesen Gipfel zu erleichtern, wird am Mittwoch nächster Woche um 14.30 Uhr hier in diesem Saal das übliche Briefing zum Europäischen Rat stattfinden.

Damit sind wir mit der Woche durch.

FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, zum Coronakabinett habe ich zunächst einmal eine generelle Frage: Wie besorgt ist die Bundeskanzlerin über den vor allem in den europäischen Nachbarländern starken Anstieg der Zahlen?

Hat auf der Agenda des Coronakabinetts möglicherweise auch das Thema möglicher Grenzschließungen und die Frage, wie man sie vermeiden kann, gestanden?

STS SEIBERT: Nicht nur wir sehen ja seit einigen Wochen einen Wiederanstieg der täglichen Infektionszahlen im Vergleich zu dem, was wir Anfang des Sommers erlebt hatten. Inzwischen liegen wir im Schnitt bei einer Zahl von 1500 bis 1800 oder 1900 Neuinfektionen am Tag, und das muss uns wachsam machen. Wir sehen, wie Sie schon gesagt haben, auch in einigen unserer europäischen Partnerstaaten in Relation zu ihrer Bevölkerungsgröße eine zum Teil noch sehr viel stärkere Zunahme von Infektionszahlen als bei uns.

Insgesamt wollen wir in Europa mit dieser Situation ja so umgehen, dass wir möglichst abgestimmt vorgehen. Auch da, wo es dann um die Frage von Ein- und Ausreise, von Grenzkontrollen oder von so etwas geht, wollen wir abgestimmt vorgehen. Ich kann dazu heute keine neuen Ankündigungen machen. Aber diese europäische Grundhaltung, miteinander zu reagieren und sich miteinander auch über Kriterien dafür zu einigen, wie man und wann man reagiert, ist natürlich wichtig.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Darf ich die Frage dann auch noch einmal an das Innenministerium stellen, das ja in das Thema der Grenzschließungen involviert ist? Gibt es die Lehre aus dem März, die man bei Ihnen im Ministerium gezogen hat, dass man mit den betroffenen Bundesländern sehr frühzeitig schon jetzt den Dialog darüber beginnt, wie man Grenzschließungen vermeiden kann?

ALTER: Dieser Dialog findet dauerhaft statt, nicht nur auf diese Frage bezogen, sondern auf viele Fragen bezogen, die sich im Zusammenhang mit den Maßnahmen im Rahmen der Coronapandemie stellen und auch beantwortet werden müssen. Im Moment wird bei uns im Haus über die Frage von Grenzschließungen nicht intensiv nachgedacht.

FRAGE KLISS: Ich wüsste ganz gerne einmal von der Bundesregierung, was die Erwartungshaltung an diesen Austausch der Bundeskanzlerin mit den Kultusministern ist. Was soll dabei herauskommen? Einheitliche Standards sind ja wahrscheinlich nicht zu erwarten, weil wir das aus dem Föderalismus ja schon so kennen. Überlegt der Bund, mehr Geld zu geben oder beim Digitalpakt oder dem Bürokratieabbau mehr zu geben? 5 Milliarden Euro sind ja viel Geld, werden aber nicht abgerufen. So etwas in diese Richtung würde mich interessieren.

STS SEIBERT: Sie erinnern sich vielleicht daran, dass die Bundeskanzlerin nach den Sommerferien hier in der Bundespressekonferenz saß. Dabei hat sie drei Prioritäten genannt, die ihr in der Coronapandemie-Politik besonders wichtig sind, und eine davon war „Kinder, Jugend und Schule“, um zu verhindern, dass unsere Kinder und Jugendlichen sozusagen zu Verlierern der Pandemie werden, weil das Bildungssystem Unterbrechungen hat, wie wir sie kennengelernt haben, und weil das durch die digitalen Lernformen nicht ganz aufgefangen werden kann. Deswegen ist, wie ich gesagt habe, die gemeinsame Haltung von Bund und Ländern: Wir müssen alles tun, damit das nicht noch einmal vorkommt. Gerade die letzten Wochen haben gezeigt, welch hohen Stellenwert die Digitalisierung im Bildungsbereich dabei eben hat. Die Kanzlerin hat sich ja auch letzte Woche noch einmal dazu geäußert. Sie sagt, sie wolle

„alles dafür tun, dass unsere Kinder nicht die Verlierer der Pandemie sind. Ihre Bildung, ob in Kita oder Schule, muss mit das Allerwichtigste sein. Ich meine alle Kinder, egal aus welchem familiären Umfeld. Die Schule darf niemanden zurücklassen.“

Darum wird es gehen.

Es ist vollkommen klar, auch bei der Veranstaltung am kommenden Montag, dass es die Länder sind, die die Kompetenz für den Betrieb der Schule und für das Bildungssystem in den Schulen haben. Gleichzeitig gibt es eine Verantwortung, die der Bund dafür empfindet, das Schulsystem auf diese Herausforderungen der heutigen Zeit und der Digitalisierung vorzubereiten und sie dafür auszustatten. Wir haben nach dem erst Treffen mit den Kultusministern eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es genau um konkrete Punkte ging. Dabei ging es um den Anschluss aller Schulen an das schnelle Internet. Dabei ging es um den Internetzugang, den auch wirklich jeder Schüler bekommen soll, und zwar einen bezahlbaren. Dabei ging es um die Ausstattung der Lehrer mit den notwendigen Endgeräten. – Das war ein informeller Austausch. Es ist jetzt wichtig, diesen Austausch fortzusetzen, und das ist das, was die Bundeskanzlerin damals angekündigt hat und was sie jetzt am Montag auch umsetzen wird.

ZUSATZFRAGE KLISS: Verstehe ich es richtig, dass die Sorge der Bundeskanzlerin um die Bildung der Schülerinnen und Schüler in Deutschland quasi auch die versteckte Kritik an den Ländern ist, dass es bislang nicht so funktioniert hat?

STS SEIBERT: Nein, dann hätten Sie mich nicht richtig verstanden. Den Schulbetrieb in Zeiten der Pandemie aufrechtzuerhalten und ihn jetzt nach den Ferien wieder aufzunehmen, wie es ja überall geschehen ist, ist vielleicht eine der schwierigsten politischen Herausforderungen, organisatorisch und logistisch. Den Infektionsschutz, die Hygienevorschriften, die Interessen und auch die gesundheitlichen Schutzinteressen aller Beteiligten wie auch der Lehrerschaft dabei im Auge zu haben, ist eine ganz, ganz schwierige Aufgabe. Die Bundeskanzlerin hat großen Respekt für jeden, der sich dieser Aufgabe auf Länderebene stellt, und sie empfindet große Dankbarkeit für diejenigen, die das dann konkret in den einzelnen Schulen umsetzen. Die Schulverwaltungen, die Lehrer und auch die Schüler und die Eltern sind ja daran beteiligt. – Das ist es nicht.

Aber wir haben doch gemerkt, dass, sagen wir einmal, noch nicht alles im Bereich der digitalen Bildung vorhanden ist, was wir bräuchten, und darauf hat die Pandemie ein wirkliches Schlaglicht geworfen. Vieles funktioniert, vieles ist in Gang gekommen. Es gibt unzweifelhaft einen Schub, der dadurch eingetreten ist. Aber daraus müssen nun die politisch Verantwortlichen auch etwas machen, und das ist das Ziel dieses Treffens am Montag.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, Sie sagten, wichtig sei der Anschluss aller Schulen an das schnelle Internet. Das ist ja schön und gut. Aber was heißt für die Bundesregierung „schnelles Internet“?

STS SEIBERT: Da gibt es eine Formel, die ich Ihnen hier, glaube ich, nicht auswendig nennen kann. Es geht um soundso viel Megabit pro Schüler; das ist eine Faustformel. Ich weiß nicht, ob mir die noch jemand von meinen Kollegen nachreichen kann. Dazu könnte ich Ihnen eine Antwort nachreichen.

FRAGE CLEMENT: In welcher Funktion nimmt Frau Esken an der Runde teil?

STS SEIBERT: In Funktion der Vorsitzenden einer der Parteien, die die Koalition mittragen.

FRAGE BLANK: Ich würde die grundsätzliche Frage voranstellen, wie über diese verschiedenen Termine am Montag informiert werden soll; denn außer bezüglich der Kultusminister, wozu Sie sagten, darüber werde es eine Pressemitteilung geben, haben Sie dazu nichts gesagt. Das interessiert aber natürlich die Öffentlichkeit.

Dann zur Videobotschaft der Kanzlerin: Wenn ich richtig informiert bin, steht sie auf der Rednerliste auf Platz 110. Wird sie das live machen, oder wird das vorher aufgezeichnet? Wann wird das sein?

STS SEIBERT: Die Rednerliste der Vereinten Nationen kenne ich nicht.

Ich werde Ihnen nachreichen, ob es sich um eine vorher aufgezeichnete Videobotschaft oder eine Live-Videobotschaft handelt. Ich rechne mit Ersterem.

ZUSATZ BLANK: Dann wäre es nett, wenn Sie nachreichen könnten, ob diese Videobotschaft dann auch verschriftlicht geben wird, und wenn Sie auch sagen könnten, wann die Frau Bundeskanzlerin sich denn per Videobotschaft an die UN-Vollversammlung wenden wird.

STS SEIBERT: Das wiederum hängt ja von der Rednerliste ab, die ich nicht kenne.

ADEBAHR: Was das Auswärtige Amt betrifft: Die Rednerliste befindet sich noch ein bisschen im Fluss. Der Außenminister wird zum Beispiel nach momentanem Stand am 29. September sprechen. In seinem Falle wäre das eine vorab aufgezeichnete Botschaft, weil das, glaube ich, dort technisch so eingespeist wird. Aber ich denke, da gibt es noch Bewegung.

FRAGE JUNG: Haben sich die Mitglieder der Bundesregierung die jeweiligen Teilnahmen an den Videokonferenzen ausgesucht, oder wurden sie speziell eingeladen?

ADEBAHR: Die sogenannte hochrangige Woche der VN-Generalversammlung findet jedes Jahr in der letzten Septemberwoche statt, und sie besteht aus einer Generaldebatte, bei der zu sprechen alle Staaten eingeladen sind. Dafür wird eine Gesamtrednerliste erstellt. Dann ist es so, dass es in New York eigentlich Tausende sogenannter Side Events gibt. Das heißt, alle Staaten der VN organisieren eigene Veranstaltungen, bei denen sie ihre Themen hochrangig bespielen oder bei denen sie darauf aufmerksam machen möchten. Die Generalversammlung und auch das VN-Sekretariat können selbiges tun. Das heißt, das ist ein großer Kreis ganz verschiedener Veranstaltungen mit verschiedenen Organisatoren.

Deutschland organisiert selbst sogenannte Side Events. In diesem Jahr wird es zum Beispiel für das Auswärtige Amt eine Veranstaltung im Rahmen der Allianz für den Multilateralismus geben. Zum Thema des Jemen haben wir im Vorgriff auf die nächste Woche schon gestern eine hochrangige Videoveranstaltung durchgeführt. Aber man kann auch an anderen Veranstaltungen teilnehmen. Das ist ein Prozess, der sich jedes Jahr so abspielt.

FRAGE JUNG: Zum Thema des Jemen: Wird es da Selbstkritik auch von deutscher Seite geben? Man wollte ja keine Waffen mehr an Staaten exportieren, die am Jemen-Krieg teilnehmen.

ADEBAHR: Herr Jung, ich glaube, weil Sie jetzt das Wort haben, wechseln Sie zu einem Politikthema. Wir waren bei den Terminen der Kanzlerin.

ZUSATZ JUNG: Nö. Selbstkritik auf UN-Ebene ist doch etwas, das einer deutschen Regierung vielleicht guttun würde.

VORS. FELDHOFF: Ist das eine Frage?

STS SEIBERT: Nein.

ZUSATZFRAGE JUNG: Frau Adebahr hat ja gerade die Frage abgeräumt, aber ich habe sie nur daran erinnert, dass das eine Frage ist. Wird es Selbstkritik in Sachen Jemen-Krieg geben, wenn Sie das schon erwähnen, Frau Adebahr?

ADEBAHR: Herr Feldhoff, wollen Sie diese Diskussion jetzt an dieser Stelle führen?

VORS. FELDHOFF: Sie können ja einmal sagen, ob es Selbstkritik gibt oder nicht. Ich weiß noch nicht, wohin das hier führt, aber

ADEBAHR: Also: Ich kann dann über die gestrige Veranstaltung zum Jemen berichten, dass das die erste Veranstaltung im Rahmen eines Side Events für die diesjährige Generalversammlung war. Wir haben zu dem Treffen gemeinsam mit Großbritannien, Schweden und Kuwait eingeladen. Der UN-Generalsekretär Herr Guterres und der Jemen-Sondergesandte Martin Griffiths haben beide auch teilgenommen.

Wir haben dabei noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass die Lage im Jemen unbefriedigend ist, dass wir unser ziviles Engagement aufstocken und auch alle Geber dazu auffordern, dies zu tun. Wir haben für das Jahr 2020 eine Gesamtsumme von 312 Millionen Euro für den Jemen eingeplant. Das beinhaltet humanitäre Hilfe, Stabilisierungs- und Entwicklungszusammenarbeit. Alle waren sich einig, dass die humanitäre Lage im Jemen katastrophal ist, und waren sich auch einig, dass es darauf ankommt, unter der Leitung des Sondergesandten Martin Griffiths die Bemühungen um eine landesweite Waffenruhe, vertrauensbildende Maßnahmen und eben den politischen Prozess intensiv fortzuführen, damit man dort zu Verbesserungen kommt. Es gibt ein gemeinsames Kommuniqué, das im Anschluss veröffentlicht wurde. Das können Sie auch einsehen.

VORS. FELDHOFF: Zufrieden, Herr Jung? – Herr Seibert hat etwas nachzureichen.

STS SEIBERT: Ja; das geht schnell. Die Videobotschaft der Kanzlerin an die Vereinten Nationen ist eine Aufzeichnung.

ZURUF: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

STS SEIBERT: Nein, ich kann Ihnen nicht sagen, wann.

FRAGE BLANK: Dann habe ich eine weitere Zusatzfrage. Wenn Sie das aufzeichnen Sie machen das ja auch bei den Podcasts so , wird das dann auch verschriftlicht und uns mitgeteilt?

STS SEIBERT: Auf jeden Fall werden Sie im Anschluss erfahren, was die Bundeskanzlerin wörtlich gesagt hat.

BLANK (zur Tagung des Europäischen Rates): Sie hatten die Schwerpunkte Türkei und China als außenpolitische Schwerpunkte genannt, nicht Russland. Gehen Sie davon aus oder geht die Kanzlerin davon aus, dass der Fall Nawalny und Reaktionen darauf dort noch keine Rolle spielen wird?

STS SEIBERT: Nein. Ich habe Ihnen jetzt einmal die angemeldeten Themen genannt, und wie es bei einem Europäischen Rat üblich ist, muss das eine Woche vorher nie eine abschließende Aufzählung sein. Wie immer bei einem solchen Gipfeltreffen können auch ganz andere Themen erörtert werden. Aber welche das im Detail sein werden, kann ich jetzt noch nicht sagen; das wird man sehen.

ZUSATZFRAGE BLANK: Hat die Kanzlerin denn vor, das Thema anzusprechen?

Gibt es mittlerweile schon irgendeine Form von Antwort auf die Aufforderung der Bundesregierung an Moskau, sich zu den Vorgängen um Herrn Nawalny zu äußern?

STS SEIBERT: Gut, jetzt sind wir also bei diesem Thema.

VORS. FELDHOFF: Wir sind jetzt beim Thema „Nawalny“.

STS SEIBERT: Alles klar. Es geht heute munter hin und her. – Wir stehen hinsichtlich dieser Frage, und das ist auch noch nicht abgeschlossen, mit unseren europäischen Partnern und Freunden in Kontakt, und mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

ZUSATZFRAGE BLANK: Sie könnten aber vielleicht sagen, ob eine Antwort aus Moskau vorliegt oder nicht. Das, nehme ich an, würden Sie wissen.

STS SEIBERT: Wir haben Russland dringend gebeten und aufgefordert, sich zu dem Vorgang zu erklären, und diese Aufforderung besteht weiterhin.

FRAGE WARWEG: Ich müsste jetzt auch nachfragen. Ich hätte eine Frage direkt zu Nawalny, nicht unbedingt im Kontext des EU-Gipfels. Sind wir jetzt thematisch bei Nawalny?

VORS. FELDHOFF: Wir sind jetzt beim Thema Nawalny, weil ich auch noch zwei andere Fragen zu dem Komplex habe.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Das Nawalny-Team hat ja jetzt eine neue Version präsentiert, laut derer die Vergiftung nicht durch Tee am Flughafen erfolgte, sondern durch Wasserflaschen in seinem Hotelzimmer, die das Team dann entwendet und nach Deutschland geschmuggelt hat. Laut Darlegung des Cinema-for-Peace-Geschäftsführers erfolgte dieser nennen wir es Schmuggel in demselben Charterflugzeug wie die Überführung von Nawalny.

Da würde mich interessieren: Kann die Bundesregierung diese Version des Nawalny-Teams bestätigen? Befinden sich diese drei Wasserflaschen im Besitz der Bundesrepublik Deutschland, und erfolgte der Transport dieser Wasserflaschen in dem benannten Charterflugzeug, das Nawalny nach Berlin und dann in die Charité brachte?

STS SEIBERT: Die Bundesregierung hat das Video, das das Team von Herrn Nawalny ins Netz gestellt hat, zur Kenntnis genommen. Zu Fragen, die dieses Video betreffen, müssten Sie sich an das Team von Herrn Nawalny richten. Alles, was wir zu diesem Thema zu sagen haben, haben wir in den Pressemitteilungen und bisherigen Stellungnahmen, u. a. auch von der Bundeskanzlerin, ausgedrückt. Dem habe ich hier nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Jetzt sind die Wasserflaschen ja ein potenzielles Beweismittel in dem Kriminalfall. Kann die Bundesregierung vielleicht noch einmal bestätigen, ob die Bundesregierung im Besitz dieser Wasserflaschen ist und ob sie plant, diese potentiellen Beweisstücke auch an die russischen Ermittler zu übergeben?

STS SEIBERT: Ich habe den bisherigen Stellungnahmen dazu, was die Toxikologen in Deutschland und im Übrigen inzwischen unabhängig davon in Frankreich und Schweden über den Charakter und die Herkunft des Giftes gesagt haben, nichts hinzuzufügen.

FRAGE: Die OVCW hat ja nun die Proben von Herrn Nawalny untersucht. Wurde die Bundesregierung bereits über die Ergebnisse informiert?

ADEBAHR: Unserer Erkenntnis nach dauert die Untersuchung durch die OVCW noch an. Es ist bei uns noch kein Ergebnis eingegangen. Das ist der Stand.

FRAGE: Die Frage bezieht sich auf das zweite Rechtshilfeersuchen. Es ist ja am Mittwoch hier bestätigt worden, dass es das gibt. Ist dieses bereits bearbeitet worden? Ist die Bearbeitung abgeschlossen worden? Hat man die Ersuchen an die Berliner Verwaltung für Justiz weitergeleitet?

KALL: Ja, wir haben den Eingang des zweiten Rechtshilfeersuchens der russischen Generalstaatsanwaltschaft vom 14. September, von Montagabend dieser Woche, beim Bundesamt für Justiz am Mittwoch wie Sie hier schon gesagt haben bestätigt. Wir haben auch gesagt, dass dieses zweite Rechtshilfeersuchen in der Sache nun von der Bundesregierung geprüft wird. Insofern ist der Stand unverändert. Es wird geprüft. Es wurde bislang nicht an die Berliner Landesjustiz weitergeleitet.

FRAGE WARWEG: Zurückkommend auf die OPCW: Mich würde interessieren, wieso die Bundesregierung darauf verzichtet hat, die Anforderung des Paragraphen 2 Artikel 9 des Chemiewaffenübereinkommens einzusetzen?

Ich zitiere kurz: Die Vertragsstaaten sollten sich nach Möglichkeit zuerst bemühen, durch Informationsaustausch und Konsultationen untereinander alle Fragen zu klären und zu lösen, die Zweifel an der Einhaltung dieses Übereinkommens aufkommen lassen.

STS SEIBERT: Die Bundesregierung hat die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, die OVCW, in die Analyse von Beweismitteln im Fall Nawalny einbezogen. Diese Einbindung der OVCW basiert auf Artikel VIII 38 (e) des Übereinkommens, das allen Vertragsstaaten die Möglichkeit eröffnet, die technische Unterstützung durch die OVCW zu erhalten.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Dazu hätte ich jetzt auch eine Frage. Wieso beziehen Sie sich explizit auf diesen Paragraphen 38 (e), der sich ja ausschließlich auf technische Hilfe begrenzt und es der OPCW nicht erlaubt, eigenständige Untersuchungen und eigenständige Rückschlüsse zu formulieren und zu veröffentlichen?

ADEBAHR: Artikel VIII 38 (e) ist, wie schon gesagt, das Verfahren, das die Möglichkeit eröffnet, bei einem Verstoß gegen das Chemiewaffenübereinkommen ein solches steht hier in Rede mit technischer Unterstützung zu helfen. Deswegen haben wir uns auf diesen Artikel VIII 38 (e) konzentriert, der diese Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der Überprüfung eines Verstoßes gegen das Chemiewaffenübereinkommen die OPCW anzurufen.

FRAGE BLANK: Ich weiß nicht, wer das beantworten kann vielleicht auch das Verteidigungsministerium. Ist es richtig, dass das Labor der Bundeswehr, das diese Spuren nachgewiesen hat, ein Referenzlabor der OVCW ist? Ist es also richtig, dass dieses Labor in Bayern ein Teil dieser Organisation in Den Haag ist? Oder wie kann man das einordnen?

ADEBAHR: Es ist so, dass die OVCW mit verschiedenen Laboren zusammenarbeitet, von denen sie sagt: Das sind die Standards, die die OVCW braucht. Zu der Frage, welche Labore das sind, müsste die OVCW, denke ich, Stellung nehmen.

ZUSATZFRAGE BLANK: Aber Sie werden doch wissen, ob

STS SEIBERT: Das macht das Labor aber nicht zu einem Teil der OVCW.

ADEBAHR: Nein.

STS SEIBERT: Das ist ein Teil der Bundeswehr.

ZUSATZFRAGE BLANK: Ist es ein Referenzlabor? Oder wird es von denen als Referenzlabor genannt? Stimmt das?

STS SEIBERT: Ich weiß nicht, ob die Frage das Verteidigungsministerium beantworten kann. Es ist das zuständige Labor der Bundeswehr für toxikologische Untersuchungen.

COLLATZ: Sie können das auch den Seiten der OVCW sowie den Seiten des Instituts entnehmen. Es gibt DIN-Normen, die erfüllt sein müssen, damit Labore als Maßstab genommen werden können, und an den Untersuchungen beitragen können. In München handelt es sich um ein solches Labor.

ADEBAHR: Noch einmal, um das klarzustellen: Das heißt aber nicht, dass das Teil der OVCW ist.

STS SEIBERT: So ist es.

FRAGE WARWEG: Mich würde aber trotzdem noch einmal interessieren, wieso die Bundesregierung explizit einen Paragraphen wählt, der es der OPCW nicht erlaubt, eigenständig und unabhängig zu untersuchen und auch eigene Schlüsse zu formulieren, sondern das alles nach wie vor in der Hand der Bundesrepublik bleibt?

ADEBAHR: Ich glaube, wir haben die Begründung genannt, warum wir diesen Weg gehen, der aus unserer Sicht für dieses Verfahren der vorgesehene und richtige ist. Die OVCW überweist die Proben an Labore und bietet so den Einstieg in dieses Verfahren, was dann in der OVCW nach den Regeln des Chemiewaffenübereinkommens fortgeführt wird. Die Bundesregierung agiert hier absolut auf dem Boden des Chemiewaffenübereinkommens und nach den Regeln und Verfahren, die die OVCW eröffnet.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Noch eine grundsätzliche Verständnisfrage: Die Analysen der OPCW das haben Sie ja selbst gesagt dauern noch an. Es ist ja eigentlich auch weltweit die Referenzinstitution dafür. Aus welcher Motivation heraus hat sich die Bundesregierung entschieden, vor dieser OPCW-Untersuchung auf zwei Militärlabore in Schweden und Frankreich zurückzugreifen? Wieso haben Sie sich also für diese zusätzliche Untersuchung durch zwei Militärlabore entschieden und nicht dafür, die Untersuchung per se in den Händen der OPCW lassen?

STS SEIBERT: Das Eine ist vom anderen unabhängig. Die Funde, die unabhängig voneinander in Frankreich und Schweden gemacht wurden und die den Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe bestätigen, präjudizieren ja in keiner Weise, was nun die von der OVCW beauftragten Referenzlabore herausfinden.

ADEBAHR: Im Übrigen hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass es Speziallabore sind.

STS SEIBERT: Richtig.

FRAGE JESSEN: Eine simple Lernfrage: Sind die Speziallabore in der Lage, durch die eventuelle detaillierte Zusammensetzung des gefundenen Nowitschoks festzustellen, aus welchem Labor sie mutmaßlich stammen? Das ist bei anderen chemischen Untersuchungen häufig der Fall, dass man die Herkunft bis zum tatsächlichen Ursprung dieser Charge zurückverfolgen kann. Ist das prinzipiell auch hier gegeben?

STS SEIBERT: Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.

ADEBAHR: Ich könnte sie auch nicht beantworten. Wenn eines dieser Labore über derlei Fragen, die Sie stellen, Auskunft geben möchte, dann wird es dies tun.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Vielleicht könnten Sie aber doch nachreichen, ob es prinzipiell möglich ist?

STS SEIBERT: Nein.

ADEBAHR: Ich glaube nicht, Herr Jessen, dass ich das nachreichen kann.

ZURUF JESSEN: Warum nicht?

ADEBAHR: Weil das ein Labor in einem Land ist, das Untersuchungen vornimmt, und weil das Labor darüber kommunizieren würde, was es kann oder nicht kann und wie es dazu steht, wenn es das wollte.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Aber ein Bundeswehrlabor ist ja sozusagen unter Kontrolle oder Regie, wenn man so will, der Bundesregierung. Deswegen könnten Sie doch vielleicht eruieren, ob es prinzipiell mit verfeinerter Labortechnik möglich ist, die Spur einer Charge bis zum Ursprungsort zurückzuverfolgen. Das ist doch eigentlich im Rahmen der Regierungsverantwortung.

ADEBAHR: Herr Jessen, ich glaube, wir können hier aus verschiedenen Gründen das sagen, was wir zum Bundeswehrlabor gesagt haben. Eine Prinzipienfrage, wie Sie sie da aufwerfen, können wir, zumindest hier, nicht beantworten.

FRAGE DR. RINKE (zur Lage in Belarus): Noch einmal die Frage an Frau Adebahr, wie weit man bei den Vorbereitungen ist. Herr Röttgen hat heute gefordert, dass auch Herr Lukaschenko auf die Liste gesetzt werden soll, gerade nach der jetzigen Ankündigung der Grenzschließung zu Litauen und Polen. Ist die Bundesregierung dafür, dass Herr Lukaschenko auf die Liste kommt, und wird die Liste der Personen, die man im Auge hat, möglicherweise am Montag noch sehr weit ausgeweitet werden?

ADEBAHR: Sie haben Recht, Herr Rinke: Die Frage, wie es mit den Sanktionen gegen Belarus, für die wir uns auch einsetzen, vorangeht, wird am Montag zu besprechen sein. Sie wird in diesen Tagen, also auch jetzt, beraten.

Ich möchte Sie gern noch einmal auch auf Äußerungen des Außenministers verweisen, der gestern oder vorgestern nageln Sie mich nicht fest im Bundestag gesagt hat, dass er sieht, dass Herr Lukaschenko weiter mit Gewalt gegen die Demonstranten vorgeht. Er hat auch gesagt:

„Wenn die Gewalt gegen die friedliche Opposition nicht aufhört, dann werden diese Maßnahmen auf erheblich mehr Personen auszuweiten sein, und dann wird es dabei auch darum gehen, über Herrn Lukaschenko zu reden.“

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Nur damit ich es nicht falsch interpretiere: Ich interpretiere das so, dass er für diese Sanktionen gegen Herrn Lukaschenko ist. Ist das ein richtiger Schluss aus dem, was Sie gerade vorgetragen haben?

ADEBAHR: Er hat mit Bezug auf die Debatte in der EU gesagt, dass, wenn sich nichts ändert, über die Frage zu reden sein wird. Das ist der Stand.

FRAGE SHUKA: Der albanische Premier Rama ist ja zurzeit in Berlin. Ist auch ein Treffen mit der Kanzlerin geplant? Wenn nicht, haben die beiden miteinander kommuniziert? Herr Rama als der derzeitige Vorsitzende der OSZE wäre ja möglicherweise ein wichtiger Gesprächspartner in Sachen Belarus.

STS SEIBERT: Über einen Termin der Bundeskanzlerin mit Ministerpräsident Rama kann ich jetzt nichts berichten. Aber die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich die Bemühungen der OSZE und ihres amtierenden Vorsitzenden das ist der albanische Ministerpräsident , Gespräche zur Lösung der Krise in Belarus zu fördern.

FRAGE VALASSOPOULOS (zur Sondertagung des Europäischen Rates): An Herrn Seibert und das Auswärtige Amt: Die EU schließt neue Sanktionen gegen Ankara nicht aus. Was ist die Haltung der Bundesregierung?

STS SEIBERT: Die Haltung der Bundesregierung ist, dass das Verhältnis der Europäischen Union und ihrer Mitglieder zur Türkei ein Thema beim Sonderrat in Brüssel in der kommenden Woche ist. Dem werde ich jetzt hier nicht vorgreifen.

Ansonsten verfolgen wir die Entwicklung im östlichen Mittelmeer sehr aufmerksam und sind weiterhin der Überzeugung, dass Deeskalation und Dialog sozusagen die Forderungen der Stunde sind, um die seerechtlich strittigen Fragen zu lösen. Das ist das, wofür wir uns mit viel Einsatz bemühen.

FRAGE: Ich habe eine Frage an Frau Adebahr zu der abgesagten Europareise des iranischen Außenministers. Die iranische Seite sagt, das erfolgte aus logistischen Gründen. Gibt es von deutscher Seite auch Gründe, warum das nicht stattfand? Gab es Signale, auch nach der Hinrichtung des iranischen Ringers, dass man das vielleicht im Moment nicht machen sollte? Gibt es Planungen, wann das nachgeholt werden könnte?

ADEBAHR: Von unserer Seite hätte es keine Gründe gegeben, einen Termin nicht wahrzunehmen. Wir sind mit Iran zu verschiedenen Themen im Gespräch. Gerade auch, was die Frage der Menschenrechte angeht, ist es wichtig, das Gespräch zu suchen.

Die iranische Seite hat diesen Grund kommuniziert. Insofern ist es das von der iranischen Seite, was man dazu weiß und annehmen darf und sollte.

ZUSATZFRAGE: Es gibt jetzt aber noch keine weiteren Planungen, wann man das eventuell nachholen kann?

ADEBAHR: Nein, das habe ich Ihnen hier nicht mitzuteilen.

FRAGE: Es ist bekanntgeworden, dass Anfang Oktober eine zweite internationale Konferenz über Libyen im Rahmen einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Vereinten Nationen stattfinden soll. Es wird darauf hingewiesen, dass der französische Präsident eine Konferenz über Libyen einberufen hat, an der Fayez Al-Sarraj und sein Gegner, Herr Haftar, teilnehmen sollen. Ist die Konferenz, die die Bundesregierung mit den Vereinten Nationen vereinbart hat, gleichbedeutend damit, Herrn Macron, der Haftar unterstützt, den Teppich unter den Füßen wegzuziehen?

STS SEIBERT: Ich glaube, es gab da eine Meldung einer Nachrichtenagentur, die ein bisschen missverständlich war. Wir gehen davon aus, dass sie sich auf ein virtuelles Treffen zu Libyen am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen bezieht. Zu dem lädt nach meinen Informationen der Generalsekretär der UN, Herr Guterres, ein. Die Details dazu vielleicht wissen Sie mehr sind, glaube ich, im Abstimmungsprozess.

ADEBAHR: Herr Guterres lädt für den 5. Oktober Thema Generalversammlungswoche der Vereinten Nationen zu einem Treffen zu Libyen ein. Wir begrüßen das natürlich und werden uns auch daran beteiligen. Das Ziel so die Vereinten Nationen ist es, eben acht Monate nach der Berliner Libyen-Konferenz eine Bestandsaufnahme mit den internationalen Akteuren vorzunehmen. Da wir als Bundesregierung an diesem Thema selbstverständlich weiter intensiv arbeiten, ist das eine gute Sache, an der wir gern teilnehmen.

FRAGE DR. RINKE: Noch einmal einen Verweis auf das französische Treffen oder das von Macron geplante Treffen: Ist das mit der Bundesregierung abgestimmt, oder laufen da mittlerweile zwei parallele Verhandlungsstränge?

ADEBAHR: Wir sind mit den französischen Partnern zum Thema Libyen immer in einem engen Gespräch. Was ein mögliches Treffen oder eine Konferenz in Frankreich angeht, dazu müsste Frankreich kommunizieren. Am 5. Oktober handelt es sich um eine Einladung des UN-Generalsekretärs, der ja den Prozess leitet, auch im Rahmen der Berliner Konferenz.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Vielleicht kann ich die Frage einfach anders herumdrehen. Sorgen Sie sich, dass, wenn es zu viele Gesprächskanäle zu demselben Thema gibt, das möglicherweise kontraproduktiv ist, gerade wenn der französische Präsident sich jetzt auch bemüht, allein den innerlibyschen Prozess voranzubringen?

STS SEIBERT: Ich glaube, das Entscheidende ist, dass alle Akteure das gleiche Ziel verfolgen das heißt, den politischen Prozess zu unterstützen und zu kräftigen, der von den Vereinten Nationen und UNSMIL geleitet wird.

Unsere Bemühungen, insbesondere der Berliner Konferenz, dienen genau diesem Ziel, nämlich zu helfen, dass dieser von der UN geleitete Prozess erfolgreich sein kann.

FRAGE DR. RINKE: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Es gibt Berichte, dass die Bundesregierung überlegt, bei dem angeschlagenen Stahlhersteller thyssenkrupp einzusteigen. Es gibt auch offene Forderungen der Gewerkschaft des Unternehmens, das genau das passieren sollte. Können Sie uns die Haltung Ihres Ministers dazu sagen?

WAGNER: Zu konkreten Unternehmenshilfen: Hier gilt, was wir zu allen anderen Anfragen in dem Bereich sagen und auch sagen müssen, dass wir zu etwaigen Anträgen und Verfahren zu einzelnen Unternehmen grundsätzlich keine Auskunft geben dürfen. Dazu sind wir aufgrund der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verpflichtet, sodass ich Ihnen hier leider keine Details geben kann. Ich kann also weder Berichte bestätigen noch dementieren.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Können Sie uns eine Einschätzung abgeben, wie wichtig eine eigene Stahlproduktion von thyssenkrupp für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist?

WAGNER: Ich kann vielleicht generell etwas zur Bedeutung der Stahlindustrie sagen:

Für den Minister ist das ein sehr wichtiges Thema, das sich genau damit beschäftigt, wie wir die deutsche Stahlindustrie als wichtige Grundlagenindustrie in Deutschland zukunftsfähig machen und sie in Deutschland erhalten. Die Stahlindustrie ist eine hochwertige Industrie es geht um Arbeitsplätze, die weltweit ganz vorn dabei sind , auch was das Thema Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit der Produktion betrifft.

Deswegen hat der Minister ein Konzept vorgelegt, das auch in der Regierung abgestimmt ist, in dem es darum geht, wie wir die Stahlindustrie weiter unterstützen können. Denn ganz klar ist, dass die Stahlindustrie zurzeit unter vielen Schwierigkeiten leidet. Da ist die Weltmarktsituation, die Nachfragesituation auch aufgrund der Coronakrise. Die Stahlindustrie ist von Zollstreitigkeiten betroffen. Die Stahlindustrie ist natürlich insbesondere auch herausgefordert, wenn es darum geht, 2050 klimaneutral zu werden.

Der Minister hat, als er seinen Vorschlag zum Thema Klimaschutz und Wirtschaftswachstum vorgelegt hat, explizit auch die Stahlindustrie und auch energieintensive Unternehmen genannt, die wir dabei unterstützen müssen, auf dem Weg bis 2050 klimaneutral zu werden. Wir brauchen in Deutschland und Europa das hat der Minister auch gesagt eine leistungsfähige Industrie auch in diesen Bereichen; denn wir können es uns nicht leisten, dass diese Arbeitsplätze und auch die Wertschöpfung und die ganze Zulieferindustrie ins Außer-EU-Ausland abwandern. Im Hinblick auf den Klimaschutz ist, glaube ich, auch ganz wichtig, dass die Emissionen dort dann höher wären, als wenn wir sie hier produzieren würden.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: So, wie Sie es begründen, klang wie ein Ja für den Staatseinstieg.

WAGNER: Nein, ich habe Ihnen gesagt, dass wir zu konkreten Unternehmen keine Stellung nehmen können, und dann hatte ich Ihnen die generelle Haltung des Bundeswirtschaftsministeriums und insbesondere des Ministers zur Bedeutung einer Stahlindustrie in Deutschland dargelegt. Ich habe am Anfang explizit gesagt, dass ich mich nicht zu konkreten Unternehmen äußern kann.

FRAGE JUNG: Herr Seibert und das BMWi haben hier ja Mitte Juli das nationale Handlungskonzept Stahl vorgestellt. Wie verträgt sich denn ein Einstieg in Stahlunternehmen mit Ihrem Konzept?

STS SEIBERT: Zu dieser Frage hat der Kollege nun wirklich alles gesagt. Wir äußern uns hier nicht über einzelne Unternehmen.

ZURUF JUNG: Das frage ich nicht.

STS SEIBERT: Bitte?

ZUSATZ JUNG: Das frage ich ja nicht. Ich will wissen, ob es in Ihrem nationalen Handlungskonzept offen ist oder möglich ist, in die Stahlindustrie einzusteigen.

STS SEIBERT: Dieses Handlungskonzept enthält Vorschläge und Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie auch künftig sicherzustellen, und Maßnahmen, die dieser deutschen Stahlindustrie helfen können, den notwendigen Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen Produktion auch zu schaffen. Konkrete Maßnahmen sind darin benannt, und wir stehen darüber im Übrigen auch mit der Europäischen Kommission im Austausch. Denn wie der Kollege gerade gesagt hat, wollen wir natürlich nicht, dass energieintensive Industrien wie zum Beispiel die Stahlindustrie aus unseren Ländern abwandern in Regionen, die sehr viel weniger strikte Klimaschutzvorgaben machen. Das ist im Wesentlichen, worum es im Handlungskonzept Stahl geht. Lesen Sie es nach.

ZUSATZFRAGE JUNG: Gehören zu diesen konkreten Maßnahmen potenzielle Einstiege in die Stahlindustrie oder staatliche Hilfen? Das müssen Sie ja wissen.

WAGNER: Ich kann da vielleicht noch ergänzen: Das Handlungskonzept sieht nicht vor, dass die Stahlindustrie verstaatlicht wird, nein; das ist nicht Teil des Konzepts.

ZUSATZ JUNG: Das habe ich nicht gefragt.

WAGNER: Es sieht auch nicht vor, dass es zu einer Verstaatlichung einzelner Unternehmen kommt.

Wie gesagt, das Handlungskonzept hat verschiedene Inhalte. Es geht dabei um die Frage der Chancengleichheit auf den globalen Stahlmärkten, es geht dabei um den Carbon-leakage-Schutz, wo wir uns ja über verschiedene Maßnahmen unterhalten, und es geht dabei auch um das Thema „grüner Stahl“, bei dem wir darüber gesprochen haben, wie wir es schaffen, die Stahlproduktion gegebenenfalls durch Wasserstoff CO2-neutral zu machen.

Alles andere sind unternehmerische Fragen des Einzelfalls, und ich habe Ihnen ja gesagt, dass wir zum Einzelfall keine Auskunft geben können. Das sind Fragen, die sich jetzt bei vielen Unternehmen stellen, die wegen der Auswirkungen der Coronapandemie in Schwierigkeiten geraten sind, und da wird jeder Einzelfall angeschaut. Aber wie gesagt, zu konkreten Unternehmen können wir hier keine Auskunft geben.

FRAGE DR. RINKE: Zwei kurze Nachfragen dazu:

Können Sie uns zumindest sagen, ob das Unternehmen einen Antrag auf Kapitalhilfe des Staates gestellt hat?

In diesem Zusammenhang: Wie viele Firmen haben denn mittlerweile Anträge unter dem WSF gestellt?

WAGNER: Ich kann auch Anträge weder dementieren noch bestätigen. Derzeit haben rund 70 Unternehmen bekundet.

FRAGE BLANK: Zum Thema Flüchtlinge auf Moria: Herr Alter, können Sie uns sagen, wie viele von den 150 unbegleiteten Minderjährigen bislang schon in Deutschland angekommen sind? Gibt es irgendeinen Zeitplan dafür?

ALTER: Von den 150 unbegleiteten Minderjährigen, die nach dem Brand von den griechischen Behörden auf das griechische Festland transferiert worden sind, um dann zum Teil nach Deutschland zu kommen, ist bislang noch niemand in Deutschland angekommen. Wir hatten in der vergangenen Woche einen Flug aus einem anderen Kontingent. Weitere Flüge sind schon konkret geplant, unter anderem Ende September. Wir werden sehen, ob es möglich ist, bereits dann auch von dieser Gruppe jemanden mit nach Deutschland zu bringen. Bislang ist von dieser Gruppe noch niemand hier angekommen.

ZUSATZFRAGE BLANK: Unter dieser Gruppe minderjähriger Flüchtlinge sollen ja auch zwei der mutmaßlichen Brandstifter sein. Hat man mit der griechischen Regierung besprochen, was mit denen geschieht? Wird denen der Prozess in Griechenland gemacht?

ALTER: Darüber habe ich keine konkrete Kenntnis. Wir wissen, dass es eine Gruppe von insgesamt 400 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gibt, die in Europa verteilt werden sollen. Wir wissen auch, dass es durch die griechischen Behörden zu mehreren Festnahmen gekommen ist. Es dürfte sich von selbst verstehen, dass die griechischen Behörden zunächst einmal die Strafverfahren von Tatverdächtigen durchführen und nicht währenddessen schon eine Umverteilung erfolgen kann.

FRAGE VALASSOPOULOS: Herr Seibert, heute hat Frau Merkel offenbar mit Herrn Mitsotakis gesprochen. Was können Sie dazu sagen?

STS SEIBERT: Dazu kann ich sagen, dass die Bundeskanzlerin gerade in diesen Zeiten sehr stetigen Kontakt mit dem griechischen Ministerpräsidenten pflegt.

FRAGE: Die Kanzlerin hat sich heute auch mit Frau von der Leyen getroffen. Was können Sie über dieses Gespräch sagen? Was stand auf der Agenda? Warum haben die beiden gesprochen?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen dazu nichts sagen, weil ich hier bin und nicht dort und keine Informationen über das Treffen habe. Vielleicht kann ich Themen nachreichen, aber jetzt kann ich nichts dazu sagen.

FRAGE JUNG: Weil gerade noch einmal das Thema Brandstiftung in Moria thematisiert wurde: Herr Seibert und Herr Alter, hat die Bundesregierung denn Verständnis bzw. können Sie nachvollziehen, warum dort Brände gelegt wurden? Verstehen Sie das als Hilferuf oder als Kriminaltat?

STS SEIBERT: Brandstiftung in einem eng besiedelten Lager bringt Menschen in akute Lebensgefahr. Wir waren ich denke, wie alle sehr, sehr froh, dass in den Bränden von Moria niemand ums Leben gekommen ist und niemand ernsthaft verletzt wurde.

Im Übrigen habe ich mich dazu als Sprecher der deutschen Bundesregierung nicht zu äußern. Der strafrechtliche oder kriminalistische Umgang damit liegt zunächst einmal bei den griechischen Behörden, und die machen ihre Arbeit.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber der Punkt ist ja: Den Menschen geht es dort so schlecht, dass sie sogar Brände legen.

STS SEIBERT: Das ist Ihre Aussage, das sagen Sie jetzt, ja. Ich habe mich dazu geäußert.

FRAGE JESSEN: Herr Alter, es gab Berichte, denen zufolge mindestens ein Teil der ungefähr 1500 Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen sollen, eigentlich sowieso schon einen gesicherten Rechtsanspruch hätten und von daher eigentlich gar nicht als zusätzliche Aufnahmen zu rechnen seien. Trifft das zu? Falls ja, wie hoch ist dieser Anteil?

ALTER: Ich kann diese Frage deswegen nicht beantworten, weil ich die Einzelfälle nicht kenne. Es ist nur so daran will ich erinnern , dass wir uns entschieden haben, Familien mit Kindern aufzunehmen, die bereits in Griechenland einen Schutzbedarf anerkannt bekommen haben. Insofern dürfte in diesen Fällen auch die Zuständigkeit geklärt gewesen sein. Das heißt, es handelt sich ganz klar um Fälle, für die die griechischen Behörden zuständig gewesen sind. Insofern ist es für mich im Moment schwer vorstellbar, dass es einen Rechtsanspruch darauf gegeben hätte, nach Deutschland zu kommen.

Aber noch einmal: Ich kenne die Einzelfälle nicht und kann nur das Prinzip erläutern.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Vielleicht können Sie das intern prüfen und das nachreichen, falls es tatsächlich so wäre, dass es eigentlich gesicherte Rechtsansprüche auf Aufnahme in Deutschland gäbe?

ALTER: Noch einmal: In dem Prinzip der Asylbearbeitung, das derzeit in Europa zur Anwendung kommt, ist es so, dass man im ersten Schritt prüft, welcher Staat für die Bearbeitung des Asylverfahrens zuständig ist. Wenn diese Zuständigkeit festgestellt wurde, dann wird die Überstellung organisiert und dann wird in dem zuständigen Staat das Verfahren durchgeführt und entschieden. Wenn es sich um Personen handelt, die in Griechenland bereits ein Verfahren durchlaufen haben und anerkannt sind, dann ist diese Zuständigkeitsfrage zweifelsfrei geklärt. Insofern kann sich da jedenfalls aus dieser Perspektive heraus kein Rechtsanspruch ergeben, nach Deutschland zu kommen.

FRAGE BLANK: Noch einmal an Herrn Alter im Zusammenhang mit dem Bericht vom „Focus“, dass ein ehemaliges Mitglied des Vereins Uniter wohl unter anderem im Personenschutz des Verfassungsschutzes bei Herrn Haldenwang eingesetzt war: Ist das richtig? Welche Konsequenzen werden daraus gezogen?

ALTER: Wir haben den Bericht zur Kenntnis genommen. Der Sachverhalt, wie er in dieser Berichterstattung vom „Focus“ dargestellt wird, ist unzutreffend man könnte auch sagen, in wesentlichen Teilen falsch. Die Bundesregierung hat die zuständigen Gremien im Deutschen Bundestag über den Sachverhalt informiert, so wie er sich aus unserer Sicht darstellt. Das Bundesinnenministerium kommt in der Bewertung der Sachlage an keiner Stelle zu der Überzeugung, dass es sich um eine Panne handelt. Ich bitte um Verständnis, dass ich hier aus verschiedenen schwerwiegenden Gründen zu dem Einzelfall und den Einzelaspekten nicht weiter ins Detail gehen kann.

ZUSATZFRAGE BLANK: Das ist jetzt natürlich eine sehr missliche Lage, denn wenn Sie sagen, die Berichterstattung sei in wesentlichen Teilen falsch, möchte man ja zumindest wissen, in welchen Teil sie nicht falsch war. Es besteht ja durchaus ein erhebliches öffentliches Interesse daran, zu hören, ob zum Personenschutz von Herrn Haldenwang eine Zeit lang tatsächlich jemand von Uniter gehört hat. Können sie wenigstens das sagen?

ALTER: Ich kann über das, was ich gerade gesagt habe, aus wichtigen Gründen nicht hinausgehen. Ich kann nur noch einmal wiederholen: So, wie der Bericht aufgebaut ist, ist er aus unserer Sicht nicht zutreffend.

FRAGE CLEMENT: Ich habe eine Frage an Herrn Alter zu der Polizeistudie: Die Justizministerin hat nun ja eindringlich an den Innenminister appelliert, seine Haltung zu überdenken. Es sei gerade kein Generalverdacht, eine solche Studie durchzuführen. SPD-Innenminister namentlich Herr Maier haben eigene Studien in Betracht gezogen. Ändert das die Haltung des Ministers zu dieser Studie?

Zweite Frage: Der Minister hat in der „Süddeutschen Zeitung“ eine allgemeinere Studie für denkbar gehalten. Was macht diese Studie besser oder anders, sodass sie für ihn in Betracht käme?

ALTER: Zu Ihrer ersten Frage: Wir haben hier ja bereits am Mittwoch auch zu den Vorfällen in Nordrhein-Westfalen sehr klar Stellung genommen. Auch der nordrhein-westfälische Innenminister hat den Sachverhalt in aller Deutlichkeit eingeordnet. Wir finden, dass er da die richtigen Worte gefunden hat.

Auch der Bundesinnenminister hat sich am Mittwoch und gestern zu diesen Sachverhalten öffentlich geäußert. Ich will hier gern noch einmal vortragen, was er gesagt hat. Er hat am Mittwoch gesagt:

„Wer sich im rechtsradikalen Spektrum bewegt, chattet, Thesen übernimmt oder ähnliches, hat weder beim Bund noch beim Land in einer öffentlichen Position etwas verloren. Da bin ich absolut kompromisslos.“

Er hat weiter gesagt:

„Der Vorgang bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen tut weh. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul greift zu Recht rigoros durch.“

Er sagt weiterhin:

„Ich bin überzeugt, dass die überwältigende Mehrheit unserer Polizistinnen und Polizisten solche Machenschaften ablehnen und zweifelsfrei zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.“

Die Position des Bundesinnenministers ist damit klar. Sie ist auch bis zum jetzigen Zeitpunkt unverändert. Deswegen kann ich da keine neuen Erkenntnisse berichten.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die Berichterstattung geht auf den Kabinettsausschuss Rechtsextremismus ein; es ist keineswegs ein Bezug auf eine Aussage des Ministers. Über die Ergebnisse und das weitere Verfahren im Hinblick auf den Kabinettsausschuss habe ich mich hier auch am Mittwoch schon geäußert, und dem habe ich auch nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE CLEMENT: Was Sie hier referiert haben, ist ja alles bekannt. Aber bekannt war zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass eine Kabinettskollegin den Minister nun auffordert, diese Studie nun doch umzusetzen. Das heißt, es gibt nun ja Streitigkeiten zwischen den Ressorts. Wie gehen Sie damit um?

ALTER: Dass es Forderungen gibt, solche Studien durchzuführen, ist nun wirklich nicht neu; das war auch vor den Vorfällen, die wir jetzt in Nordrhein-Westfalen zur Kenntnis nehmen mussten, schon bekannt. Wir haben heute ja auch zur Kenntnis genommen, dass der IMK-Vorsitzende sich in einer entsprechenden Weise geäußert hat. Insofern kann man hier sehen, dass es offenbar Unterschiede innerhalb der Regierung bei der Bewertung der Sachlage gibt. Das ändert aber nichts an der Position, die der Bundesinnenminister vertritt.

KALL: Vielleicht kann ich das für das Justizministerium noch ergänzen, weil Sie in Ihren Fragen auch zweimal die Justizministerin angesprochen haben und sie sich zuletzt heute früh selbst geäußert hat. Unsere Forderung nach dieser Studie bzw. unser Anliegen, dass es eine solche Studie gibt, ist ja nicht neu, sondern geht auf die Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz zurück, die Deutschland eindeutig empfohlen hat, eine Studie zu Racial-Profiling-Vorfällen durch die Polizei durchzuführen und solche Vorfälle zu dokumentieren. Das ist schon einige Monate her, insofern ist auch dieses Anliegen nicht ganz neu. Die Justizministerin hat eindeutig gesagt:

„Polizistinnen und Polizisten stehen für den Schutz unserer Demokratie. Daran darf es nicht den geringsten Zweifel geben, auch und gerade im eigenen Interesse der Polizei.“

Es geht also gerade nicht um einen Generalverdacht, sondern es geht darum, die Vorfälle, die es gibt, zu dokumentieren, für die Betroffenen auch da zu sein, diese Vorfälle ernst zu nehmen und sie eben wissenschaftlich zu untersuchen. Dieses Anliegen besteht weiter, das hat die Ministerin heute früh noch einmal unterstrichen.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, da das nun sozusagen ein wiederaufgeflammter Disput innerhalb des Kabinetts ist, sich die Einzelfälle häufen und sich Länder und Länderinnenminister sozusagen auf diesen Weg machen: Was ist die Position der Kanzlerin? Hält sie eine weitergreifende Untersuchung von Strukturen und Verhaltensweisen sowie auch Maßnahmen gegen extremistische Einstellungen bei Bundesdeutschen und bei der Polizei für sinnvoll?

STS SEIBERT: Ich würde gerne noch einmal ganz kurz auf das Grundthema eingehen. Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sind ganz klar Bedrohungen unserer öffentlichen Sicherheit in Deutschland. Genau deshalb sind ja die Berichte, die wir über diesen Fall oder diese Fälle aus Nordrhein-Westfalen bekommen, so alarmierend. Es ist sowohl alarmierend, dass Polizisten so widerwärtige Inhalte ins Netz gepostet haben, als auch ist es alarmierend, dass andere sich diese Inhalte angeschaut und dann nicht eingegriffen haben, nichts gemeldet haben.

Ich glaube, Herr Alter hat das hier am Mittwoch absolut richtig gesagt: Diese Vorgänge sind ein Schlag ins Gesicht vor allem derjenigen Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag in großer Loyalität zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ihren schwierigen Dienst machen oft unter schwierigsten Bedingungen , für Recht und Gesetz und als Freund und Helfer der Bevölkerung. Deswegen ist es, glaube ich, wichtig, noch einmal zu betonen: Die Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten und es sind etwa 300 000 Menschen in Deutschland, die bundesweit bei der Polizei beschäftigt sind macht auf dem Boden des Grundgesetzes überzeugt und engagiert einen ganz schweren Einsatz und Dienst für jeden von uns, und dafür verdienen sie Anerkennung.

Zu der Frage der Studien ist jetzt eigentlich alles gesagt worden. Wir begrüßen erst einmal die Ankündigung des nordrhein-westfälischen Innenministers, alles wirklich bis ins Letzte aufzuklären und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Ansonsten ist hier bereits auf den Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus hingewiesen worden. Auch dort wird das Thema behandelt werden. Das umfasst auch Überlegungen, wie man die Datenbasis, die Datengrundlage über die Verbreitung von Rassismus in unserer Gesellschaft verbessern kann. Ich kann Ihnen dazu heute keinen neuen Stand nennen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ich entnehme gerade Ihrem letzten Satz, dass es für die Kanzlerin mindestens ein sinnvoller Ansatz wäre, sich über eine umfassendere Datengrundlage, die auch mit unabhängigen wissenschaftlichen Methoden erhoben wird, mehr Klarheit zu verschaffen. Das würde die Kanzlerin, so entnehme ich Ihren Worten, für sinnvoll halten. Ist das richtig?

STS SEIBERT: Ich habe das gesagt, was ich gesagt habe. Ihre Wertung ist Ihre Wertung. Die Arbeit dieses Kabinettsausschuss ist sehr wichtig und wird sicherlich auch unter dem Eindruck solcher Fälle intensiv fortgesetzt werden.

FRAGE KLISS: Eine Verständnisfrage an Herrn Alter: Wenn die Innenminister der Länder jetzt sagen, dass sie eine solche Studie machen wollen, kann der Bundesinnenminister das dann verhindern oder verbieten? Prognostisch gefragt: Würde er das?

ALTER: Der Bundesinnenminister wird es keinem Landesinnenminister verbieten, sich mit seiner Polizei zu beschäftigen.

STS SEIBERT: Denn Polizei ist Ländersache. Das ist ja erst einmal ein ganz natürlicher Ansatz.

FRAGE JUNG: Noch einmal zu dem Kabinettsausschuss: Die beteiligten Migrantenorganisationen fordern ja nicht nur eine Rassismusstudie bei der Polizei, sondern auch bei anderen Behörden des Bundes. Herr Alter, wie steht Herr Seehofer zu einer Rassismusstudie beim BAMF? Wäre er dafür offen?

An das BMAS: Ist Ihr Ministerium offen für eine Rassismusstudie zum Beispiel bei der Agentur für Arbeit, die von den Migrantenorganisationen ja auch gefordert wird?

ALTER: Der Bundesinnenminister nimmt die Arbeit in dem Kabinettsausschuss sehr, sehr ernst er ist dort ja auch geschäftsführend tätig und hat großes Verständnis dafür, dass es Personengruppe gibt, Verbände gibt, Interessenvertretungen gibt, die vortragen, dass sie im praktischen Leben Probleme sehen. Es ist nicht so, dass das vollständig ignoriert wird; vielmehr wird es Herr Seibert hat es gerade gesagt in die Arbeit des Kabinettsausschusses mit einfließen.

Der Bundesinnenminister ist der Auffassung das hat er bei fast jeder Gelegenheit deutlicher als jeder seiner Vorgänger zum Ausdruck gebracht , dass Rechtsextremismus und Rassismus in Deutschland zu den größten Bedrohungen für die Gesellschaft gehören, die wir derzeit sehen. Er hat natürlich ein Interesse daran, dass das bekämpft werden kann, und zwar mit allen Mitteln, die dafür zur Verfügung stehen. Aber er ist nicht der Auffassung, dass man sich jetzt sozusagen einzelne Berufsgruppen herausgreifen und sagen sollte: Die untersuchen wir jetzt mal und schauen mal, was dabei herauskommt.

Sollte der Kabinettsausschuss zu Maßnahmen kommen, die breit angelegt sind, wird sich der Bundesinnenminister damit beschäftigen.

ZUSATZ JUNG: Ich hatte nicht nach Maßnahmen, gefragt, sondern nach Untersuchungen, und zwar speziell beim BAMF, bei dem ja offenkundig ist, dass es dort wahrscheinlich zu rassistischen Vorfällen kommt, weil natürlich Ausländer mit der Behörde zu tun haben und nicht Deutsche.

ALTER: Das ist auch ein wenig ein Symptom, das wir seit mehreren Wochen feststellen: Wir sind innerhalb weniger Minuten plötzlich bei dem Vorwurf, im BAMF gehe es rassistisch zu,

ZURUF JUNG: (akustisch unverständlich)

ALTER: weil sie mit Ausländern zu tun haben. Diesen Vorwurf weise ich zunächst einmal zurück. Er ist in keiner Weise begründet.

Es macht aber deutlich und das ist das Anliegen des Bundesinnenministers , dass es nicht damit getan ist, etwas in den Raum zu stellen und dann davon auszugehen, dass es einfach so stimmt, sondern der Bundesinnenminister sagt, seit Wochen und Monaten werden Vorwürfe gegen die deutsche Polizei erhoben, letztlich auch vor dem Hintergrund von Ereignissen, die sich in ganz anderen Teilen unserer Welt abgespielt haben. Er ist nicht davon überzeugt, dass man nur aufgrund dieser Vorwürfe jetzt eine spezifische Berufsgruppe darunter können Sie auch das BAMF fassen im Rahmen einer Studie untersuchen muss.

ZUSATZ JUNG: Er könnte ja alle Behörden, die ihm unterstehen, auf Rassismus untersuchen lassen. Das wäre doch mal was!

ALTER: Der Bundesinnenminister ist der Auffassung, dass man im Kabinettsausschuss über die gesellschaftlichen Probleme reden muss. Dabei kann es zu Ergebnissen kommen, die vielleicht auch über den Geschäftsbereich des BMI hinausgehen.

MÜHLHAUSEN: Vielen Dank. Die Forderung nach einer Rassismusstudie in der BA ist für mich an dieser Stelle neu. Da ich als Vertreter des Bundesministeriums auch nicht für die BA sprechen kann, werde ich die Antwort auf die Frage nachreichen.

FRAGE CLEMENT: Herr Kall, da es den Dissens zwischen zwei Ressorts gibt und da offenbar keine schnelle Lösung absehbar ist, unterstützt die Ministerin das Vorgehen einzelner Länder, eigene Studien zu machen? Ist das aus Sicht der Ministerin dann sozusagen der kleine Schritt, der getan werden kann?

KALL: Die Justizministerin unterstützt wissenschaftliche Untersuchungen dieses Phänomens und insgesamt von Rassismus und Rechtsextremismus in staatlichen Strukturen. Es ist wichtig, Vorfälle konsequent zu untersuchen und sie auch wissenschaftlich zu untersuchen. Insofern unterstützt sie die Studien und die Initiativen, die es dazu gibt.

Wichtig ist aus unserer Sicht aber eben auch, dass man, wenn man dieses Phänomen und Vorfälle in Polizeibehörden, die es gibt, untersuchen will, dies nicht sozusagen gegen den Willen oder ohne die entsprechenden Behörden und Innenministerien tut, sondern man muss ja gerade auch den Zugang zu den Polizeibehörden bekommen und das auch gerade da in der Kooperation machen. Wie Herr Seibert und Herr Alter es gesagt haben, genauso sehen wir, sieht es die Justizministerin ja auch, dass nämlich der übergroße Anteil der Polizeibeamten in Deutschland fest auf dem Boden des Grundgesetztes und zu demokratischen Werten steht und Menschen gerade vor Rassismus schützt. Deswegen sollte das in der Zusammenarbeit geschehen.

ZUSATZFRAGE CLEMENT (zur Novelle der Straßenverkehrsordnung): Herr Strater, wenn es heute im Bundesrat zu keiner Entscheidung kommen sollte, was ist dann das weitere Vorgehen des Ministeriums, was sind die nächsten Schritte, um endlich aus der Rechtsunsicherheit herauszukommen?

STRATER: Sehen Sie es mir nach! Im Moment läuft die Bundesratssitzung noch. Ich denke, der Tagesordnungspunkt wurde auch noch nicht aufgerufen. Das heißt: Wir sind mitten in der Entscheidungsphase. Deswegen möchte ich jetzt nicht spekulieren nach dem Motto „Was wäre, wenn …“. Der Minister hat heute früh in einem Interview noch einmal klar geäußert, was wir uns wünschen, und eine Bitte an die politischen Kräfte gerichtet, dass sie sich im Sinne der schwächeren Verkehrsteilnehmer für den Kompromiss, den wir mit allen Beteiligten erarbeitet haben, entscheiden mögen.

Wir werden jetzt sehen, wie die Länder im Plenum des Bundesrates entscheiden werden. Dann werden wir uns dazu verhalten.

ZUSATZFRAGE CLEMENT: Da die Haltung der Grünen bekannt ist, noch einmal die Frage: Kein Plan B für den Fall, dass es im Bundesrat nicht weitergeht?

STRATER: Wie gesagt, wäre es nicht angemessen, von dieser Stelle aus während einer laufenden Bundesratssitzung nach dem Motto „Was wäre, wenn …“ zu kommentieren. Unsere Position hat der Minister heute früh noch einmal klargemacht. Es geht um einen Kompromiss, der für Rechtssicherheit und klarheit sorgt und die Verhältnismäßigkeit im Sinne der schwächeren Verkehrsteilnehmer wiederherstellt. Die Entscheidung im Plenum müssen wir jetzt abwarten.

FRAGE IGLESIAS SAN MARTIN: Unterstützt die deutsche Regierung die Forderung des EU-Außenbeauftragten, die Wahl in Venezuela zu verschieben, um EU-Wahlbeobachter entsenden zu können?

Würde die deutsche Regierung nach den Berichten der Mission des EU-Menschenrechtsrates über die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Venezuela weitere EU-Sanktionen gegen das Maduro-System unterstützen?

Erwägt die deutsche Regierung nach der Schwächung von Herrn Guaidó innerhalb der venezolanischen Opposition, die Unterstützung für ihn zu überdenken?

ADEBAHR: Zur Fact Finding Mission der Vereinten Nationen würde ich gern sagen, dass den Vereinten Nationen große Anerkennung und Dank für diese umfangreiche, systematische und gut recherchierte Darstellung der Menschenrechtsverletzungen, die wir leider in Venezuela sehen, gebührt. Die Bundesregierung verurteilt die schweren Menschenrechtsverletzungen, die der Bericht der Fact Finding Mission belegt. Wir fordern das Maduro-Regime nachdrücklich auf, die Menschenrechte in Venezuela zu respektieren.

Derzeit findet in Genf die 45. Sitzung des Menschenrechtsrats statt. Auch in diesem Gremium wird sich die Bundesregierung für eine Verlängerung und Erweiterung dieses Mandats der Vereinten Nationen einsetzen.

Was das Thema der Wahlen angeht, möchte ich Sie gern auf eine heute Morgen veröffentlichte Stellungnahme der International Contact Group on Venezuela verweisen. Ich zitiere am besten kurz: The

„ICG members concluded that conditions are not met, at the moment, for a transparent, inclusive, free and fair electoral process. All obstacles to political participation must be removed in order for a meaningful electoral process to take place.“

Weiterhin wird gesagt, dass der momentane Zeitplan für eine Entsendung der EU-Beobachtungsmission nicht ausreicht. Insofern wird dazu aufgerufen, die Bedingungen für eine freie und faire Wahl herzustellen. Das ist die Meinung der internationalen Kontaktgruppe, in der die EU und auch Deutschland Mitglied sind.

Habe ich alles beantwortet?

VORS. FELDHOFF: Es wurde noch gefragt, ob die Schwächung Herrn Guaidós die Bundesregierung dazu bringt, die Unterstützung für ihn überdenken.

ADEBAHR: Nein, unsere Haltung zu Herrn Guaidó ist unverändert.

FRAGE BAUMANN: Polen mustert gerade seine alten russischen Panzer aus und will ungefähr 800 neue Panzer anschaffen. Würde sich die Bundesregierung für den Kauf von Leopard 2, neu oder gebraucht, einsetzen?

VORS. FELDHOFF: Ich glaube, solch eine Frage geht an das Wirtschaftsministerium.

WAGNER: Ich glaube, wenn es um den Kauf von Panzern geht, dann könnte gegebenenfalls das Verteidigungsministerium mehr dazu sagen.

VORS. FELDHOFF: Das schüttelt auch mit dem Kopf. Ich sehe leider momentan eher keine Antwort darauf.

FRAGE JESSEN: Es geht um das Hassredegesetz, im Frühsommer verabschiedet. Der Bundespräsident hat es wegen verfassungsrechtlicher Bedenken noch nicht unterzeichnet. Hintergrund ist, dass das Gesetz Zugriffsmöglichkeiten des BKA zum Beispiel auf Facebook- und YouTube-Daten verstärken würde, die aber nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts schon jetzt zu weit gehen. Darüber wird derzeit gesprochen, soweit man weiß, zwischen Kanzleramt, Justizministerium und Bundespräsidialamt.

Herr Kall, wie will die Bundesregierung aus dieser Bredouille herauskommen?

KALL: Zum Sachstand kann ich Ihnen sagen, dass das am 18. Juni 2020 vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung vorliegt.

Aus Respekt vor dem Bundespräsidenten und auch vor dem Deutschen Bundestag, der dieses Gesetz wie auch der Bundesrat beschlossen hat, äußern wir uns zu der laufenden Prüfung möglicher Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bestandsdatenauskunft auf einzelne Regelungen dieses Gesetzes derzeit nicht.

Vielleicht noch ein Hinweis zum zeitlichen Ablauf: Die Bundesregierung hat diesen Gesetzentwurf am 19. Februar beschlossen. Der Deutsche Bundestag hat dann parallel den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen und den Regierungsentwurf am 18. Juni dieses Jahres beschlossen. Der Bundesrat hat das am 3. Juli bestätigt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, um deren Auswirkung es geht, ist am 17. Juli, also einen Monat nach der Verabschiedung dieses Gesetzes durch den Deutschen Bundestag, vom Bundesverfassungsgericht veröffentlicht worden.

Das tatsächlich Besondere an dieser Konstellation ist, dass wir ein Gesetz haben, das vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat beschlossen ist, und dass es einen Monat später eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gab, dessen Auswirkungen geprüft werden.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Sie bestätigen damit im Grunde die Problematik. Vielen Dank.

Die Frage bleibt also: Wie sieht die Strategie der Bundesregierung aus? Das Gesetz würde in seinen Auswirkungen über das hinausgehen, was das Verfassungsgericht für verfassungswidrig hält. Wie seht der Ausweg aus? Planen Sie eine Novellierung? Planen Sie auch das ist zu lesen möglicherweise, schnell ein Ersatzgesetz hinterherzuschieben? Vielleicht können Sie dazu doch etwas sagen.

KALL: Erst einmal ist wichtig zu sagen, dass das Bundesverfassungsgericht natürlich nicht über dieses Gesetz und auch nicht über Änderungen, die durch dieses Gesetz vorgenommen werden, entschieden hat, sondern über bestehende Bestimmungen des Bundeskriminalamtgesetzes, des Telekommunikationsgesetzes und anderer Gesetze.

Geprüft werden die mittelbaren Auswirkungen auf einzelne Bestimmungen des Hasskriminalitätsgesetzes, und ich möchte wirklich betonen: auf einzelne Bestimmungen. Denn der Kern des Hasskriminalitätsgesetzes sind ja diverse Verschärfungen des Strafrechts, um entschiedener und deutlich strikter gegen Hassrede, vor allen Dingen gegen rechtsextremistische Hassrede wir wissen, dass der ganz überwiegende Anteil von Hatespeech von rechts kommt , vorzugehen. Es ist eine Pflicht zur Meldung an das Bundeskriminalamt in Fällen von Volksverhetzung, von Morddrohungen, von Vergewaltigungsdrohungen, also schweren Fällen von Hasskriminalität, vorgesehen. Es sind Auskunftssperren im Melderecht vorgesehen. Das sind die Kernbereiche dieses Gesetzes, und um die geht es dabei gar nicht, sondern es geht eben um die einzelnen Bestimmungen der Gesetze, die ich genannt habe. Wie gesagt, wird das geprüft.

Wir müssen und werden uns auch weiterhin mit Bewertungen sehr zurückhalten, weil der Deutsche Bundestag und der Bundesrat dieses Gesetz beschlossen haben. Es war ein Vorschlag der Bundesregierung, aber er hat das parlamentarische Verfahren durchlaufen. Jetzt obliegt es allein dem Bundespräsidenten, die Ausfertigung zu prüfen. Deswegen nehmen wir dazu jetzt keine weiteren Bewertungen vor.

FRAGE JUNG: Zum Verständnis: Halten Sie dieses Hatespeechgesetz mit Stand von heute noch in allen Teilen für verfassungsgemäß?

KALL: Ich habe gesagt, dass der Deutsche Bundestag und der Bundesrat dieses Gesetz beschlossen haben, dass jetzt allein dem Bundespräsidenten die Prüfung der Ausfertigung dieses Gesetzes obliegt und dass wir uns deswegen aus Respekt vor dem Bundespräsidenten, aber auch aus Respekt vor dem Gesetzgeber mit weiteren Bewertungen zurückhalten.

ZUSATZ JUNG: Das Problem ist ja das, was Sie da hineingeschrieben haben. Das Gesetz kommt ja von der Bundesregierung. Der Bundestag hat es am Ende beschlossen, klar. Aber Sie haben ja hineingeschrieben, dass Telekommunikationsdienstleister Daten an das BKA übermitteln sollen und dass das BKA Daten zum Beispiel von Facebook abfragen soll, was alles verfassungswidrig wäre.

KALL: Aus unserer Sicht gebietet es der Respekt vor dem Bundespräsidenten, dass wir uns jetzt nicht mit öffentlichen Bewertungen in diese Prüfung einschalten. Natürlich ist es uns wichtig, dass dieses wichtige Gesetz in Kraft treten kann. Aber inhaltlich werde ich jetzt hierauf nicht tiefer eingehen können.

Das Besondere an der Konstellation, die auch für Verfassungsrechtler eine neue Konstellation ist, ist, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht etwa vor dem Beschluss des Gesetzes, sondern vier Wochen danach erfolgte ist und auch keine unmittelbaren, sondern möglicherweise mittelbare Auswirkungen auf das Gesetz haben kann.

FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium. Es geht um das Thema Wirecard. Nach einem Bericht haben BaFin-Mitarbeiter in wesentlich größerem Umfang mit Wirecard-Aktien und Derivaten spekuliert, als es vorher bekannt war.

Hatten Sie als Ministerium auch davon Kenntnis?

Wissen Sie, ob BaFin-Mitarbeiter auch mit Aktien der Firma Grenke spekuliert haben?

DR. KUHN: Ich kann zunächst einmal auf die Äußerung des Bundesfinanzministers verweisen, der sich am 3. September am Rande eines „Handelsblatt“-Bankengipfels auch zu dem Thema geäußert hat. Ich kann ihn zitieren. Er hat gesagt:

„Ich habe von Anfang an gesagt, alle Regeln stehen auf dem Prüfstand. Natürlich gilt das auch für interne Kontrollsysteme“.

Es muss schon der bloße Anschein von Interessenkonflikten vermieden werden. Deshalb will die Finanzaufsicht zusätzliche Vorgaben für Mitarbeitergeschäfte erlassen. Wir sind als an dem Thema dran, und es wird auch bei der BaFin Änderungen geben.

ZUSATZ DR. RINKE: Das war interessant, aber keine Antwort auf die Frage. Mir ging es ja darum, ob Sie als Ministerium davon Kenntnis haben, dass bei der BaFin in noch wesentlich größerem Umfang als bisher bekannt gehandelt wurde. Sie zitieren eine Äußerung vom 3. September, aber jetzt sind wir ja schon ein paar Tage weiter.

DR. KUHN: Die Informationen, auf die Sie sich beziehen, ergeben sich ja, sofern ich es richtig verstehe, aus einer Auskunft, die das Bundesfinanzministerium an den Bundestag gegeben hat. Das ist der Stand, den wir jetzt nach außen gegeben haben.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Zu Grenke: Haben Sie irgendwelche Informationen darüber, dass BaFin-Mitarbeiter auch mit Aktien anderer Firmen, die sie mit beaufsichtigen oder kontrollieren müssen, handeln?

DR. KUHN: Mir liegen dazu jetzt keine Informationen vor.

FRAGE KLISS: Die Bundesernährungsministerin Julia Klöckner will heute die Zahl der vorgeschriebenen Kontrollen in Lebensmittelbetrieben drastisch reduzieren. Meine Fragen gehen an das Bundesgesundheitsministerium, an das Bundesjustiz und verbraucherschutzministerium, also Herrn Kall, und an das Bundeslandwirtschaftsministerium. Es ist nicht nur foodwatch, sondern es sind auch die Amtstierärztinnen und ärzte und der Verband der Lebensmittelkontrolleure, die den Bundesrat auffordern, dieses Vorhaben zu stoppen.

Frage an das Verbraucherschutzministerium: Wird durch weniger Kontrollen der Verbraucherschutz zurückgesetzt?

An das Gesundheitsministerium: Sehen Sie gesundheitliche Gefahren für die Verbraucher?

An das Landwirtschaftsministerium: Warum sollen weniger Lebensmittelkontrollen zu besserem Verbraucherschutz führen?

VORS. FELDHOFF: Wir beginnen mit dem Verbraucherschutzministerium.

KALL: Meine Bitte wäre allerdings, dass wir mit dem Landwirtschaftsministerium beginnen, weil der Ernährungsbereich nun wirklich dort liegt.

IRION: Es trifft überhaupt nicht zu, dass die Zahl der Kontrollen reduziert wird, sondern die Kontrollen werden im Gegenteil sogar verstärkt.

Was ändert sich mit der neuen AVV RÜb? Die Kontrolldichte, die bisher sozusagen fakultativ den Ländern anheimgestellt wurde, ist jetzt verpflichtend. Darüber hinaus wird der risikobasierte Ansatz gestärkt, sodass in den Betrieben, in denen es Anlass zur Sorge gibt, dass Lebensmittel dort nicht ordentlich behandelt werden, häufiger Kontrollen stattfinden können und dafür in anderen Betrieben nicht ständig kontrolliert wird. Aber die Kontrollen, die stattfinden, sind verpflichtend, und es ist nicht den Ländern anheimgestellt, ob sie stattfinden oder nicht. Das ist der Unterschied.

Es gibt also mehr Kontrollen statt weniger Kontrollen. Was foodwatch sagt, ist falsch.

ZUSATZFRAGE KLISS: Es gibt weniger verpflichtende Kontrollen. Das heißt für Sie: Das sind mehr Kontrollen. Oder verstehe ich das falsch?

IRION: Es ist so: Bisher gab es einen Vorschlag über die Zahl der Kontrollen, die regelmäßig durchzuführen sind. Dieser war aber nicht verpflichtend. Das heißt, die Länder konnten diese Zahl unterschreiten, was zum Teil auch passiert ist. Diese Zahl machen wir jetzt verpflichtend. Hinzu kommen Kontrollen, die anlassbezogen sind, sodass also kontrolliert werden kann, wenn ein Betrieb etwas gefährdeter ist als ein anderer. Darüber hinaus steht es den Ländern diese sind dafür zuständig frei. Sie können jeden Tag kontrollieren, wenn sie es für nötig halten. Das schreiben wir nicht vor, sondern darüber können die Länder frei entscheiden.

KALL: Ich kann dem nichts hinzufügen.

GÜLDE: Dem schließe ich mich an.

FRAGE JUNG: Frau Irion meinte gerade, die Länder könnten ja jeden Tag kontrollieren. Das Problem ist ja der Personalmangel. Was tut Ihr Ministerium gegen den Personalmangel in den Ländern?

IRION: Die Kontrolle obliegt den Ländern. Den Ländern steht es frei, Personal zu beschäftigen und ihr Personal zielgerichtet einzusetzen, sodass sie mit dem vorhandenen Personal und dem vorhandenen Geld die bestmögliche Kontrolle erwirken.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ja, aber das Geld für mehr Personal fehlt. Tun Sie etwas dagegen? Helfen Sie ihnen?

IRION: Kontrolle ist Ländersache und nicht Bundessache.

ZUSATZ JUNG: Das heißt: Sie wollen nicht helfen.

IRION: Mehr kann ich dazu nicht sagen.

VORS. FELDHOFF: Herr Jung, versuchen Sie es nicht mit Unterstellungen! Das ist, bitte, hier nicht die Arbeitsebene.

ZUSATZ JUNG: Die Unterstellung ist natürlich berechtigt, wenn sie etwas tun wollen, mehr Kontrollen haben wollen,

VORS. FELDHOFF: Wir brauchen das nicht zu diskutieren. Wir können das gern im Anschluss diskutieren.

ZUSATZ JUNG: aber dort nicht mehr Personal wollen.

VORS. FELDHOFF: Herr Jung, wir werden das jetzt nicht

STS SEIBERT: Sie verweist auf die föderale Ordnung unseres Staates.

ZUSATZ JUNG: Aber es gibt keine Kooperation zwischen Bund und Ländern, in keinen Bereichen

STS SEIBERT: In ganz vielen Bereichen, Gott sei Dank!

Zur Podcastversion

Podcast mit Interviewfolgen

Podcast mit Aufzeichnungen der BPK

Diskutiere und Kommentiere im Forum!
Werdet Unterstützer unserer Arbeit & verewigt euch im Abspann!
Wer mindestens 20€ gibt, wird im darauffolgenden Monat am Ende jeder Folge als Produzent gelistet.
Jung & Naiv
IBAN: DE85 4306 0967 1047 7929 00
BIC: GENODEM1GLS
BANK: GLS Gemeinschaftsbank