Themen: Mord an Samuel Paty in der Nähe von Paris, Geberkonferenz für die Sahelregion, Treffen der Ratspräsidentschaft im Rahmen der Östlichen Partnerschaft, Treffen des Rats der EU-Umweltminister, COVID-19-Pandemie (Reisetätigkeiten von Mitgliedern der Bundesregierung, Videopodcast der Bundeskanzlerin, Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten nach einer bundesweiten Maskenpflicht, Kritik an der mangelnden Einbeziehung der Parlamente in Entscheidungen bezüglich Corona, Entwurf eines dritten „Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“), Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei im östlichen Mittelmeer, politische Aktivitäten des thailändischen Königs von deutschem Boden aus, 12. Integrationsgipfel, Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus, Situation politischer Gefangener in Ägypten, geplantes Verbot der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, Präsidentschaftswahl in Bolivien, Zeigen der schwarz-weiß-roten Fahne in der Öffentlichkeit, Ausbau der griechischen Landesgrenze zur Türkei, Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie, UN-Waffenembargo gegen den Iran
Naive Fragen zu:
18:00 Corona/Podcast der Kanzlerin
– hat die Kanzlerin dieses Jahr mehr Podcasts gemacht als Interviews gegeben? (ab 35:55)
– warum macht sie mehr Podcasts als Interviews?
– erklären Sie sich das „große Interesse“ an dem Podcast der Kanzlerin, damit dass sie keine journalistischen Interviews gibt? (ab 39:12)
– ist es mit Ihrem und dem Demokratieverständnis der Kanzlerin vereinbar, dass sie mittlerweile viel mehr Eigen-PR-Videos macht als kritische, journalistische Interviews?
46:08 Integrationsgipfel/Kabinettsausschuss Rechtsextremismus
– können Sie kurz begründen, warum das ausfällt? (48:40)
58:16 Pushbacks im Mittelmeer
– könnte das Verteidigungsministerium nochmal bestätigen, dass die Marine diese illegalen Pushbacks beobachtet hat? (ab 1:00:55)
1:06:35 Uploadfilter
– es geht um Ihren Entwurf zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie, in dem Sie die Pflichten zum Einsatz von Uploadfiltern verschärft haben– zulasten der Grundrechte. Mich würde interessieren, warum Sie das tun oder warum der neue Vorschlag zum Pre-Flagging genau den Vorstellungen entspricht, die Google eingebracht hat.
– außerdem hatte Ihre Ministerin versprochen den Bundesdatenschutzbeauftragten mit einzubeziehen, der sich explizit gegen dieses Pre-Flagging und gegen Googles Vorstellungen ist. Wurde der nicht mit einbezogen oder findet er es toll?
– möchten Sie dementieren, dass Ihr neuer Vorschlag, den Sie auch gerade erläutert haben zum Pre-Flagging, genau den Vorstellungen entspricht, die Google unterbreitet hat?
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 19. Oktober 2020:
STS SEIBERT: Meine Damen und Herren, guten Tag! Am Freitag ist in der Nähe von Paris ein grauenhafter Mord verübt worden, der weit über Frankreich hinaus Entsetzen ausgelöst hat. Es war die Tat eines islamistischen Fanatikers. Das Opfer war ein Lehrer, der Unterricht über die Meinungsfreiheit und auch über die Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, abhielt und der damit ganz den Werten Frankreichs, Deutschlands und unseres gemeinsamen Europas entsprach. Es war bewegend, zu sehen, wie die Menschen gestern in Paris in Trauer und in Erinnerung an diesen Lehrer Samuel Paty für genau diese Werte demonstrierten. Die Bundesregierung steht an ihrer Seite gegen islamistische Gewalt und gegen den Hass in jeder Form. Unser Mitgefühl gilt der Familie des Ermordeten.
BURGER: Ich würde gerne ergänzen, dass der Außenminister am Samstag dazu auch mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian telefoniert hat. Er hat ihm auch noch einmal im Namen der Bundesregierung der Anteilnahme und der vollen Solidarität mit Frankreich sowie der Unterstützung der Bundesregierung versichert. Teil des Austausches war auch die Frage, wie man in unseren Gesellschaften Radikalisierung und islamistischem Extremismus gemeinsam entgegenwirken kann. Es wurde vereinbart, auch dazu in einem engen Austausch mit Frankreich zu bleiben.
FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine Frage, die sich wahrscheinlich an das Innenministerium richtet: Halten Sie diese Form der Einschüchterung, die ja von diesem Mord ausgeht, auch für gegeben, was Lehrer in Deutschland angeht? Haben Sie also Hinweise darauf, dass sich deutsche Lehrer in Bezug auf das Thema der Meinungsfreiheit Regeln oder Restriktionen auferlegen müssen, weil sie Angst haben, sonst ebenfalls Opfer von Attentaten zu werden?
ALTER: Zunächst einmal macht dieser schreckliche Vorfall deutlich, dass die Gefahr von islamistischer Gewalt man kann auch sagen: von islamistischem Terror weiterhin existiert, dass die Sicherheitsbehörden jeder Form von extremistischer Gewalt entgegenwirken und sie im Blick behalten müssen und dass für die Sicherheitsbehörden deswegen gilt, einen 360-Grad-Blick zu haben. Den haben sie auch.
Es liegen im Moment jedenfalls nach unseren Erkenntnissen keine konkreten Hinweise gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Berufsgruppen vor. Aber dieses Ereignis, das ja in unmittelbarer Nachbarschaft stattfand, macht noch einmal deutlich, dass es keinen Grund gibt, bei den Maßnahmen, die man da zu treffen hat, nachzulassen.
BURGER: Außenminister Heiko Maas wird morgen an einer Geberkonferenz für die Sahelregion teilnehmen, die von Dänemark, Deutschland, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen gemeinsam organisiert wird. Es handelt sich um eine virtuelle Konferenz. Der Zentralsahel im Dreiländereck von Burkina Faso, Mali und Niger hat sich seit 2018 zu einer der weltweit schlimmsten humanitären Krisenregionen entwickelt. Mehr als 13 Millionen Menschen sind dort auf humanitäre Hilfe angewiesen. Aktuell sind nur 40 Prozent des humanitären Finanzierungsbedarfs für 2020 in Höhe von 2,4 Milliarden Euro gedeckt. Durch die Konferenz sollen zusätzliche humanitäre Mittel mobilisiert werden, und auch Deutschland wird seine Mittel auf der morgigen Konferenz substanziell erhöhen.
FRAGE DR. RINKE: Können Sie vielleicht noch ein bisschen präzisieren, auf welchen Betrag Deutschland das erhöhen will?
Welche Länder sind besonders dazu aufgefordert, sich besonders daran zu beteiligen, europäische oder außereuropäische Länder?
Ich habe noch eine ganz generelle Frage, weil Sie eben betont haben, dass das eine virtuelle Konferenz sei: Gehen wir jetzt wieder in ein Stadium über, in dem beispielsweise auch der Bundesaußenminister auf Reisen verzichtet?
BURGER: Zu Ihrer ersten Frage: Ich werde die Höhe der zusätzlichen Mittel, deren Bereitstellung Deutschland morgen bei dieser Konferenz ankündigen wird, jetzt an dieser Stelle nicht vorwegnehmen. Dafür bitte ich um Verständnis. Es handelt sich aber um eine ganz beträchtliche Größenordnung.
Selbstverständlich sind alle Staaten dazu aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten, weil es hierbei um eine akute humanitäre Krise geht, weil Menschenleben betroffen sind und weil die ganze Weltgemeinschaft hier gemeinsam in der Verantwortung steht. Natürlich ist die Sahelzone ein Gebiet, dessen Stabilität und dessen Zustand für uns in Europa von ganz unmittelbarer Bedeutung sind. Auch deshalb engagiert sich Deutschland, engagiert sich die Europäische Union und engagieren sich andere europäische Partner dort. Aber unser Aufruf gilt natürlich allen Staaten der Welt, die in der Lage sind, hierzu Beiträge zu leisten.
Zu Ihrer zweiten Frage, was das internationale Konferenzgeschehen angeht, mache ich vielleicht eine Vorbemerkung: Das ist natürlich eine Frage, die immer wieder der Abwägung unterliegt. Wir haben für die Reisen des Außenministers und auch für Treffen beispielsweise der Ratsformation innerhalb der Europäischen Union, für die wir in diesem Halbjahr als EU-Ratspräsidentschaft ja besondere Verantwortung tragen, eigene Sicherheits- und Hygienekonzepte entwickelt, um das Ansteckungsrisiko bei diesen Reisen und bei diesen Treffen so weit wie möglich zu minimieren. Trotzdem bleibt es in jedem Einzelfall eine Abwägung, ob die Dringlichkeit der Themen, die zu besprechen sind, die Sensibilität der Themen und möglicherweise auch ein besonderer Sicherheitsbedarf bei der Diskussion der Themen ein physisches Treffen erforderlich machen oder ob ein solches Treffen nicht doch auch als Videokonferenz stattfinden kann. Insbesondere für die Ratstreffen im Rahmen der Europäischen Union haben wir uns den Grundsatz gegeben, dass immer dann, wenn es besonders sensible Themen oder ein besonderes Sicherheitsbedürfnis nicht erfordern, Videokonferenzen durchzuführen sind.
Ich möchte vielleicht ergänzend, weil diese Abwägung eben immer wieder eine besonders schwierige ist, eine Äußerung des Ministers in einem Interview am Wochenende zitieren. Er hat gesagt:
„Wenn es um Kriege und Krisen geht, muss man sich auch persönlich treffen und einander in die Augen schauen können. Das ist jedenfalls im Moment mit den erarbeiteten Hygienekonzepten möglich. So wie alle einen zweiten, kompletten Lockdown in Wirtschaft und Gesellschaft vermeiden wollen, sage ich: Einen diplomatischen Lockdown darf es nicht geben.“
HAUFE: Das passt gut zu den Vorbemerkungen von Herrn Burger, weil ich auch noch einmal auf zwei Termine eingehen möchte, die die EU-Ratspräsidentschaft Ende dieser Woche abhalten wird.
Am Donnerstag, den 22. Oktober, wird das Treffen der Ratspräsidentschaft unter Leitung der Bundesumweltministerin im Rahmen der Östlichen Partnerschaft stattfinden. Die Östliche Partnerschaft ist ja ein Format, in dem sich die Europäische Union in der Zusammenarbeit mit den Ländern Ukraine, Belarus, Aserbaidschan, Armenien, Georgien und Moldau koordiniert. Die Bundesumweltministerin wird am Donnerstagnachmittag ab 13.15 Uhr die Minister dieser Länder treffen, wobei das im Fall von Belarus nicht der Fall sein wird, da aufgrund des Sanktionsregimes nur der Abteilungsleiter kommen wird. Nur dieser ist eingeladen worden. Es geht dabei um die Erfüllung des Pariser Klimaabkommens und um wichtige Fragen rund um den Umwelt- und Klimaschutz. Eines der Themen, die dort vertieft werden sollen, ist die Frage, wie eigentlich nach der Coronakrise Wiederaufbauhilfen so eingesetzt werden können, dass sie auch gleich etwas für das Ziel der Klimaneutralität tun. Das ist, wie gesagt, einer der Schwerpunkte.
Am 23. Oktober folgt dann der Umweltrat, der Rat der europäischen Umweltminister und Umweltministerinnen, der ab 10 Uhr in Luxemburg tagt. Dort wird dann die Biodiversitätsstrategie auf der Tagesordnung stehen. Dort sollen die Ratsschlussfolgerungen, also die Positionen des Rates, beschlossen werden. Die Biodiversitätsstrategie ist ja das politische Programm, das die Kommission für den Natur- und Artenschutz in der Europäischen Union vorgeschlagen hat. Darin definiert sie die Ziele neu. Das ist sicherlich auch ein wichtiger Punkt, der in der gesamten Woche eine Rolle spielen wird, da es diese Woche ja auch um die EU-Agrarreform gehen wird. In der Biodiversitätsstrategie wird auch beschrieben, wie in der Landwirtschaft eben Naturschutzziele erreicht werden können. Ein weiteres wichtiges Thema des Umweltrates ist natürlich das europäische Klimagesetz und die damit verbundenen Ziele für 2030.
FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine inhaltliche Frage und eine Frage zu diesem Reise- und Coronaaspekt. Wenn ich Herrn Burger richtig verstanden habe, hat der Außenminister gesagt, wenn es um Kriege und Krisen gehe, dann sei es im Moment noch verantwortbar, dass man sich physisch treffen. Jetzt würde ich Sie natürlich fragen: Fällt dieses Treffen unter die Kategorie „Kriege und Krisen“?
Haben Sie Informationen darüber, ob möglicherweise einige Delegationen gar nicht nach Berlin reisen wollen, weil Berlin als Risikogebiet gilt?
Inhaltlich habe ich die Frage, ob Sie uns vielleicht eine Beurteilung der Beschlüsse geben können, die letzten Donnerstag und Freitag auf dem EU-Gipfel gefallen sind. Reicht das aus ihrer Sicht eigentlich aus, um diese Klimaschutzziele 2030 zu erreichen? Es geht dabei um diese CO2-Reduktion in Höhe von mindestens 55 Prozent.
HAUFE: Zum Treffen der Östlichen Partnerschaft: Wir haben natürlich mehrfach abgewogen, ob wir dieses Treffen durchführen sollen. Es wird in Luxemburg im Ratsgebäude stattfinden, wo der Pandemie entsprechende Vorkehrungen getroffen worden sind. Herr Burger hat die Bedingungen gerade erklärt.
Dass der Klimaschutz und das Klima auch in der Krise sind, muss ich hier, glaube ich, nicht mehr erklären. Dass wir die Zusammenarbeit mit den Ländern, die ich nannte, besonders sensibel handhaben müssen gerade aufgrund der Konflikt, die untereinander oder auch innerhalb der Länder herrschen , ist, denke ich, auch ganz klar.
Es gab bisher in diesem Jahr kein Treffen im Rahmen der Östlichen Partnerschaft. Deswegen war es uns so wichtig einerseits innerhalb der EU-Kommission, andererseits innerhalb der EU-Ratspräsidentschaft , dieses Treffen mit den Vertretern der genannten Länder physisch stattfinden zu lassen, sicherlich auch als ein Zeichen dafür, dass gerade während der dort herrschenden Herausforderungen und Krisen bis hin zu Kriegszuständen die Gespräche auf jeden Fall aufrechterhalten werden sollten, gerade auch im Kontakt mit der Europäischen Union.
Wenn Sie jetzt noch einmal auf die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs beim Europäischen Rat eingehen, was die Klimaziele betrifft, dann hat es dort ja Schlussfolgerungen und einen Ablaufplan für die weitere Beratung innerhalb des Rates gegeben. Ich habe am Freitag schon ausgeführt, dass wir jetzt erst einmal Klarheit über das haben, was uns mit den Klimaschutzbeschlüssen bis Ende des Jahres erwartet, also was wir wann beschließen werden. Das ist das eine. Das Zweite ist natürlich auch, noch einmal Klarheit darüber zu erhalten, dass die Treibhausgasneutralität bis 2050 innerhalb der Europäischen Union das abgemachte Ziel ist und dass wir dafür Zwischenziele brauchen, damit wir es überhaupt erreichen. Dafür ist eben die Etappe bis 2030 so entscheidend. Deswegen gibt es ja einen Beschluss seitens des Europäischen Rates, dieses bisherige Ziel bis 2030 zu erhöhen und sich dabei eben stark an dem Beschluss der Europäischen Kommission zu orientieren, was eine mindestens 55-prozentige Treibhausgasminderung angeht. Es wird dazu noch einmal eine Debatte geben. Es wird dazu jetzt auch eine Debatte im Umweltrat geben.
Aber klar ist: Das Ziel wird erhöht. Es wird deutlich erhöht werden. Es wird sich am Vorschlag und am Beschluss der Europäischen Kommission orientieren. Danach müssen wir ja auch noch mit dem Parlament über das Gesetz verhandeln und über das Klimaziel innerhalb des Trilogs.
Damit ist aber erst einmal das Programm beschrieben und Eindeutigkeit über die Zielstellungen hergestellt.
BURGER: Ich möchte ganz kurz ergänzen, damit jetzt kein falscher Widerspruch zwischen unseren Aussagen konstruiert wird. Ich habe ja davon gesprochen, dass die Abwägung zwischen der Notwendigkeit getroffen werden muss, Diskussionen mit einem besonderen Sicherheitsbedürfnis physisch zu führen. Der Minister hat das sozusagen mit dem Begriff „Kriege und Krisen“ veranschaulicht. Das bedeutet aber nicht, dass diese Schwelle immer erst dann erreicht ist, wenn geschossen wird.
Ich würde vielleicht gern noch zur Veranschaulichung sagen, was die Hygienekonzepte angeht, insbesondere bei den Ratstreffen in Luxemburg:
Wer den Sitzungsraum für den Rat in Luxemburg kennt, weiß: Das ist ein riesengroßer Raum. Dort gilt im Moment beispielsweise die Teilnehmerformel eins plus eins, das heißt die Ministerin und die Minister plus jeweils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter in einem Sitzungsraum, in dem unter normalen Bedingungen für, glaube ich, zwölf Delegationsmitglieder Platz ist. Es gilt ein Abstandsgebot von zwei Metern. Es gibt eine Maskenpflicht. Es gibt die regelmäßige Desinfizierung der Sitzungsräume und einen wie Ihre Kolleginnen und Kollegen zu Recht beklagen strikt begrenzten Zugang für Pressevertreterinnen und -vertreter sowie Dienstleister. Das alles sind Maßnahmen, die natürlich den Betrieb einschränken, aber die nach unserem Dafürhalten im Moment dazu beitragen, dort ein Sicherheitsniveau zu schaffen, in dem solche Treffen stattfinden können, wenn die politische Sensibilität es erfordert.
FRAGE JESSEN: Meine Frage leitet sozusagen in den anderen Themenkomplex direkt über.
Die Kanzlerin hat ja am Wochenende in ihrem Podcast sehr dringlich daran appelliert, dass überflüssige Reisen oder Reisen, sofern sie nicht unbedingt nötig sind, unterbleiben sollten. Bedeutet dieser Appell, der natürlich auch für die Mitglieder der Regierung gelten muss, dass jetzt noch einmal eine zusätzliche Prüfung der Notwendigkeit stattfindet? Ist das bei diesen Reisen mit ins Kalkül einbezogen?
Ich möchte meine Frage an Herrn Seibert angesichts dieser Situation erneuern: Ist jetzt daran gedacht oder wird es schon praktiziert, regelmäßige Testungen, vor allem von Regierungsmitgliedern, die doch noch erheblichen physischen Kontakt zu anderen haben, durchzuführen?
STS SEIBERT: Das Erste, weil Sie von erheblichem physischem Kontakt sprechen: Die Bundeskanzlerin und das Kanzleramt halten sich streng an die Hygiene- und Infektionsschutzempfehlungen des Robert-Koch-Instituts. Das betrifft Hygiene. Das betrifft Händewaschen. Das betrifft Maskentragen, und das betrifft Abstand. Das sind strenge Regeln, die eingehalten werden. Deswegen kommt es rund um die Bundeskanzlerin nicht zu dem, was Sie gerade genannt haben. Sie trifft Menschen im Abstand geschützt, mit Maske und hat natürlich auch ihre physischen Kontakte im Zusammenhang mit ihrer Arbeit stark reduziert. Sie sehen es daran, dass ganz viele Veranstaltungen, die sonst in physischer Präsenz stattgefunden hätten nehmen wir heute den Integrationsgipfel , als Videokonferenz stattfinden.
Jetzt habe ich die anderen Fragen vergessen. Es tut mir leid.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Die zweite Frage war, ob jetzt doch so etwas wie regelmäßige Testungen oder Testungen vor Reisen, in denen physische Kontakte immerhin möglich sind, stattfinden.
STS SEIBERT: Auch bei den Testungen halten sich die Bundeskanzlerin und ihre Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Das heißt: Nein? Es werden keine regelmäßigen Testungen durchgeführt?
STS SEIBERT: Das heißt, es gibt Testungen entsprechend den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts.
Ihre dritte Frage ist mir wieder eingefallen. Sie haben nach Reisen der Mitglieder der Bundesregierung gefragt.
Ich denke, es ist seit vielen Wochen bereits der Fall, dass sich jeder überlegt, ob eine Reise dienstlich notwendig ist, ob das gleiche Ziel durch eine Videokonferenz, durch eine andere Form der Kommunikation, erreicht werden kann. Das ist ja längst der Stand der Dinge.
BURGER: Ich möchte vielleicht zur Veranschaulichung sagen, was das im Kontext des tatsächlichen Reisegeschehens jetzt beispielsweise des Außenministers für die Testung bedeutet.
Das bedeutet, dass vor Reisen in Risikogebiete und nach Rückkehr aus Risikogebieten in entsprechendem zeitlichen Abstand alle Teilnehmer der Delegation einschließlich des Ministers getestet werden, wie das eben bei der Rückkehr aus Risikogebieten vorgesehen ist. Die Testungen werden nach Rückkehr auf Empfehlung, u. a. des Gesundheitsdienstes des Auswärtigen Amtes, in der Regel im Abstand von fünf Tagen durchgeführt. Das ist wiederum kein Ersatz dafür, dass während der Reisen besonders strenge Sicherheitsstandards gelten Abstandsregeln, Maskenpflicht und die strenge Reduktion der Delegationsgröße auf das absolute Minimum des Notwendigen. Selbst mit all diesen Vorkehrungen und all diesen Sicherheitsmaßnahmen gilt trotzdem noch, dass in jedem Einzelfall streng abzuwägen ist: Ist die Reise tatsächlich erforderlich?
HAUFE: Ich kann das noch einmal praktisch ergänzen. Bei den Terminen, die ich Ihnen genannt habe, muss es vorher eine Testung geben und danach sofort wieder. Ansonsten kann man nicht am Treffen teilnehmen. Das ist so vorgeschrieben.
FRAGE BLANK: Herr Seibert, Ärztekammerpräsident Reinhardt hat heute Morgen gesagt: Angst verbreiten und Bewegungsfreiheit einzuschränken sei nicht angebracht. Damit hat er sich auch auf den Podcast der Kanzlerin vom Wochenende bezogen. Herr Kubicki hat sich ähnlich geäußert. Können Sie sich dieser Kritik anschließen? Was sagt die Kanzlerin dazu?
STS SEIBERT: Die Kanzlerin hat sich am Wochenende ja in ihrem wöchentlichen Videopodcast geäußert. Wir freuen uns übrigens, dass er so weite Verbreitung gefunden hat. Es war für die Kanzlerin eine zusätzliche Möglichkeit, ihre Gedanken zu dem darzulegen, was in dieser konkreten Phase der Pandemie notwendig ist.
Wenn Deutschland durch die ersten Monate der Pandemie vergleichsweise gut durchgekommen ist, dann hatte das zwei Gründe: Politisches Handeln von Bund, Ländern und Kommunen ist der eine, die Leistungen der Bürger sind der andere Grund. Die Tatsache, dass eine übergroße Mehrheit Regeln befolgt, Einschränkungen auf sich nimmt, und sich Zurückhaltung, etwa bei Kontakten, auferlegt, hat uns vor vielem bewahrt.
Mit diesem Podcast hat sich die Bundeskanzlerin an die Bürger gewandt. In einem demokratischen Land tragen die Bürger Verantwortung. Ihre Einsicht und ihre Vernunft entscheiden mit darüber, wie wir die Pandemie in den Griff bekommen. Die Bundeskanzlerin hat sich so, wie sie es getan hat am Wochenende in dem Videopodcast an die Menschen gewandt. Das ist auch meine Antwort darauf.
ZUSATZFRAGE BLANK: Als kleine Nachfrage dazu passt auch: Herr Söder hat heute Morgen eine bundesweite Maskenpflicht unter bestimmten Voraussetzungen gefordert und gesagt, aus seiner Sicht komme der Föderalismus an seine Grenzen. Schließt sich die Kanzlerin beiden Äußerungen an?
STS SEIBERT: Ich werde jetzt hier nicht lauter Äußerungen kommentieren, die mir zugerufen werden und die ich im Einzelnen gar nicht genau kenne. Die Bundeskanzlerin hat ihre Haltung, denke ich, in diesem Videopodcast sehr klar dargelegt.
Außerdem erinnere ich daran, dass sie sich auch am Mittwoch nach der Ministerpräsidentenkonferenz geäußert hat. Sie hat gesagt, dass es gute und wichtige Schritte seien, die Bund und Länder gemeinsam beschließen konnten, dass aber ihre Unruhe, ob das reicht, um in dieser Phase die Ausbreitung der Infektionen wieder einzudämmen, noch nicht vorbei sei.
ZUSATZFRAGE BLANK: Die Frage war ja konkret nach der Einschätzung zu einer bundesweiten einheitlichen Maskenpflicht unter bestimmten Voraussetzungen. Herr Söder hat gesagt, diese sollte ab 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern an stark frequentierten öffentlichen Plätzen gelten. Vielleicht kann auch das Gesundheitsministerium etwas dazu sagen. Ist das sinnvoll oder nicht?
STS SEIBERT: Wenn Sie in die Beschlüsse von Bund und Ländern am Mittwoch schauen, dann sehen Sie ja, dass für eine Inzidenz einer Kommune von 35 Fällen auf 100 000 Einwohnern über sieben Tage durchaus Maßnahmen beschlossen wurden, die beispielsweise eine ausgeweitete Maskenpflicht vorsehen.
VORS. BUSCHOW: Möchte das Gesundheitsministerium ergänzen?
HAJEBI: Eigentlich wurde jetzt alles dazu gesagt.
FRAGE DR. RINKE (zum Podcast der Bundeskanzlerin): Herr Seibert, würden Sie sagen, was ja einige Medien feststellen, dass es einen Autoritätsverlust der Kanzlerin gibt, weil Sie sich jetzt quasi mit Appellen an die Bevölkerung richten muss und die Maßnahmen, die Sie für richtig hält, nicht durchsetzen kann?
Die zweite Frage: Es gibt zunehmende Kritik, dass die Parlamente nicht ausreichend in Corona-Entscheidungen einbezogen werden. Das betrifft vor allem die Bundesebene, aber auch Landesebenen. Teilt die Kanzlerin diese Besorgnis und wäre sie dafür, dass zunehmend wieder die Parlamente oder Parlamentsbeschlüsse an die Stelle von Verordnungen rücken?
STS SEIBERT: Zunächst zu der Frage des Bundestages: Ohne der Tagesordnung des Bundestages natürlich irgendetwas vorausnehmen zu können, gehe ich doch davon aus, dass der Deutsche Bundestag in seiner nächsten Sitzungswoche die Lage unseres Landes in der Pandemie diskutieren wird. Die Bundeskanzlerin hat sich auch im Deutschen Bundestag immer wieder zur Pandemie geäußert, wenn Sie sich an ihre letzte Haushaltsrede erinnern. Das war in den letzten September-Tagen; ich glaube, am 30. September. Da hatte sie einen langen und eindringlichen Teil zum Thema Corona.
Da sehen Sie inhaltlich die direkte Linie zum Podcast dieses Wochenendes. Ich habe versucht, es gerade darzulegen. In einer Demokratie ist es normal und richtig, dass sich die Bundeskanzlerin auch in einer solchen Form einmal direkt an die Bürger wendet. Das Mitwirken der Bürger, die aktive Beteiligung, die Einsicht und Vernunft der Bürger ist ein entscheidender Faktor dafür, ob wir weiter vergleichsweise gut durch diese Pandemie kommen. Das ersetzt nicht politisches Handeln; politisches Handeln findet statt. Die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin haben das am letzten Mittwoch bewiesen. Es ist aber doch der andere Teil unseres Gemeinwesens, nämlich die eigenständige, aus eigener Einsicht erfolgende Handlung der Bürger.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Beide Fragen haben Sie, finde ich, jetzt nicht richtig und ausreichend beantwortet. Es ging nicht darum, ob der Bundestag über Coronamaßnahmen debattiert, sondern ob er über Coronamaßnahmen entscheidet.
Die Frage nach der Bundeskanzlerin bezog sich darauf, ob sie sich auch deswegen in einem Podcast an die Bürger wendet, weil sie politisch die Punkte, die sie wichtig findet, nicht durchsetzen kann.
STS SEIBERT: Wenn Sie auf die Zeit seit März zurückschauen, dann werden Sie nicht nur die Fernsehansprache der Bundeskanzlerin finden, sondern auch mehrere Videopodcasts, die sich genau mit dem Thema beschäftigen, was jetzt notwendig ist, was zu tun ist, was aus ihrer Überzeugung jeder Bürger dazu beitragen kann, damit wir gut durch die Pandemie kommen. Das ist mehrfach thematisiert worden, vielleicht am Samstag besonders eindringlich, aber sicherlich nicht zum ersten Mal.
Ansonsten steht es dem Regierungssprecher jetzt schlecht an zu sagen, was der Bundestag zu entscheiden hat. Der Bundestag spielt seine Rolle es ist eine wichtige, entscheidende Rolle in unserem Verfassungsgefüge. Es ist dann aber die Sache des Bundestages, sich des Themas anzunehmen, wie er es mit Sicherheit auch tun wird.
FRAGE HELLER: Wie reagiert die Bundesregierung auf die Kritik, sie betreibe Coronapolitik weitgehend am Parlament vorbei? Sieht sie angesichts dessen Anlass, ihre Pläne für eine Verlängerung von Sonderrechten für Minister Spahn über März 2021 hinaus noch einmal zu überprüfen?
STS SEIBERT: Vielleicht kann sich das Gesundheitsministerium dazu auch äußern, weil ja die allermeisten Dinge in seinem Kompetenzbereich liegen. Ich glaube, dass ich zum Verhältnis des Handelns der Bundesregierung und des Bundestages jetzt das Meine gesagt habe.
HAJEBI: Der Punkt, der gerade angesprochen wurde, wird in einem Entwurf quasi erwähnt. Die regierungsinterne Abstimmung läuft noch. Zu den Details kann ich mich nicht äußern.
FRAGE CLEMENT: Trotzdem eine Nachfrage dazu. Der Entwurf liegt ja nun vor. Es heißt beispielsweise in Ihrem Papier, dass diese Sonderregelungen, die bisher bis März befristet sind, nun, soweit das notwendig ist, verstetigt werden sollen, um eine Gefährdung der Bevölkerung auszuschließen. Was ist mit „verstetigt“ gemeint?
HAJEBI: Der Entwurf befindet sich, wie gesagt, in regierungsinterner Abstimmung. Zu den Details kann ich mich nicht äußern.
ZUSATZ CLEMENT: Das ist ja kein Detail, sondern eine Nachfrage zu dem vorliegenden Entwurf.
HAJEBI: Ich kann mich nicht zu einem Entwurf äußern, der noch nicht verabschiedet wurde.
ZUSATZFRAGE CLEMENT: Sie können nicht sagen, was Ihr Ministerium mit „Verstetigung“ meint?
HAJEBI: Das kann ich jetzt nicht sagen.
FRAGE KELLER: Herr Seibert, warum hat die Kanzlerin das Format eines Podcasts gewählt und nicht eine Fernsehansprache, die vermutlich ja noch mehr Leute erreicht hätte?
STS SEIBERT: Es gibt immer die Überlegung: Wann ist das eine richtig, und wann ist das andere angemessen?
Der Videopodcast, den die Bundeskanzlerin seit weit über zehn Jahren betreibt, ist eine wöchentliche Möglichkeit, eine Menge Menschen mit den Überzeugungen der Bundeskanzlerin zu einem bestimmten Thema zu erreichen.
Dieser Videopodcast am Samstag ist ganz ungewöhnlich oft nachgefragt worden. Es hat ungewöhnlich viel Berichterstattung über ihn gegeben. Das heißt, das Ziel, viele Menschen zu erreichen, ist, denke ich, erreicht worden. Wir haben zusätzlich noch türkische und arabische Sprachfassungen davon erstellt, weil es als Bundesregierung unser Anliegen sein muss, möglichst alle Menschen in unserem Land zu erreichen.
Das ist im Übrigen ja seit Beginn der Coronapandemie etwas, was es sehr verstärkt gibt, nämlich fremdsprachliche Übersetzungen von entscheidenden Coronainformationen zur Verfügung zu stellen. Insofern hat dieses seinen Zweck erreicht. Es wird immer wieder die Überlegung sein: Welche Kommunikationsform ist die richtige?
Genauso wichtig ist es, dass die Bundeskanzlerin regelmäßige Pressekonferenzen gibt zuletzt am Freitag in Brüssel, am Mittwoch in Berlin , bei denen sie sich Ihren Fragen stellt. Ganz entscheidend wichtig sind natürlich genauso Reden und Stellungnahmen im Deutschen Bundestag.
ZUSATZFRAGE KELLER: Wie viele Abrufe gab es denn?
STS SEIBERT: Ich kann Ihnen das nicht aus dem Kopf sagen; das können wir aber nachliefern. Es waren ungewöhnlich hohe Zahlen. Wir können das nachliefern, zumal die Zahl noch steigt.
FRAGE LANGE: Herr Seibert, eine Nachfrage zur Zusammenarbeit von Bundestag und Bundesregierung. Es gibt Kritik von Juristen, dass Rechtsverordnungen in Bezug auf das Beherbergungsverbot gekippt werden, weil im Bundestag der Unterbau oder Überbau nennen Sie es, wie Sie wollen fehlt, weil also keine Gesetzesgrundlagen geschaffen werden. Sieht die Bundesregierung das genauso? Würde sich die Bundesregierung wünschen, dass der Bundestag tätiger wäre, damit solche Rechtsverordnungen vor Verwaltungsgerichten Bestand haben?
STS SEIBERT: Es gibt vor Verwaltungsgerichten zu den verschiedenen Themen, die jetzt beklagt wurden, von Bundesland zu Bundesland durchaus ganz unterschiedliche Urteile. Ich bin überzeugt, dass es nicht die Aufgabe des Regierungssprechers ist, Wünsche oder Erwartungen an den Deutschen Bundestag zu richten. Ich denke, der Deutsche Bundestag wird sich seiner Rolle in unserer Demokratie entsprechend mit diesem Thema befassen, wie er es in der Vergangenheit auch schon getan hat.
FRAGE: Herr Seibert, Sie haben gerade schon nachdrücklich über die Motivation des Videopodcasts gesprochen. Er wurde am Freitagnachmittag aufgezeichnet und am Samstag ausgestrahlt. Dazwischen wurde die Kanzlerin mit Einkaufstüten im KaDeWe gesichtet. Meine Frage ist: Wie passt es zusammen, die Menschen aufzufordern, zu Hause zu bleiben, wann immer es möglich ist, und direkt im Anschluss im KaDeWe shoppen zu gehen?
STS SEIBERT: Ich kenne den Einkaufsrhythmus der Bundeskanzlerin nicht. Aber dass Menschen einkaufen gehen, kommt millionenfach jeden Tag vor.
ZUSATZFRAGE: Würden Sie sagen, der Einkaufsbummel im KaDeWe würde nicht unter die Dinge fallen, bei denen die Kanzlerin zum Verzicht aufruft?
STS SEIBERT: Ich kommentiere grundsätzlich nicht das persönliche Verhalten der Bundeskanzlerin und kenne auch den Zusammenhang nicht. Aber einkaufen ist etwas, was Sie, ich und wahrscheinlich alle hier im Saal regelmäßig tun können. Es ist möglich, das so zu tun, dass das Infektionsrisiko minimal ist, indem man sich an die Regeln hält.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, eine Lernfrage zu dem Videopodcast. Hat die Kanzlerin dieses Jahr mehr Videopodcasts als Interviews gemacht?
STS SEIBERT: Sie macht jede Woche einen. Wir sind jetzt in der 43. Kalenderwoche. Sie können sich ausrechnen, wie viele sie gegeben hat.
ZUSATZ JUNG: Sie werden ja wissen, wie viele Interviews die Kanzlerin gegeben hat.
STS SEIBERT: Sicherlich nicht 43.
ZUSATZFRAGE JUNG: Warum nicht? Wie kann das sein?
STS SEIBERT: Weil ich das eine nicht gegen das andere aufrechne. Ein Videopodcast ist etwas vollkommen anderes als ein Interview. Er ersetzt keine Interviews, aber ist eine Möglichkeit im Übrigen seit vierzehn Jahren praktiziert , einen direkten Weg der Kommunikation zu finden, der im Übrigen von Hunderttausenden von Menschen jedes Wochenende nachgesucht wird. Das ist nicht gegen Interviews, Pressekonferenzen und andere Pflichten aufzurechnen, die die Bundeskanzlerin im Bereich der Kommunikation selbstverständlich hat.
FRAGE JESSEN: Der bayerische Ministerpräsident hat am Wochenende Zweifel geäußert, ob der Föderalismus dieser Herausforderung noch gewachsen ist. Er sagt, er könne sich vorstellen, mehr Aufgaben von den Ländern zentral auf den Bund zu verlagern. Begrüßt die Bundesregierung diese Perspektive? Kommt das ihren eigenen Absichten entgegen?
STS SEIBERT: Ich wiederhole es noch einmal: Ich kenne nicht genau die Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten und bin eigentlich auch nicht dafür zuständig, hier alle Ministerpräsidentenäußerungen zu kommentieren.
Die Bundesregierung ist überzeugt davon, dass das Zusammenwirken von Bund und Ländern in ihren unterschiedlichen Aufgabenbereichen und auch mit ihrem unterschiedlichen Blick auf die Situation mit dazu beigetragen hat, dass Deutschland bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen ist. So sollten wir weiter miteinander zusammenarbeiten.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Die konkrete Frage war: Hält auch die Bundesregierung die Verlagerung von Kompetenzen von den Ländern an den Bund für eine sinnvolle Perspektive, wie Herr Söder dies angedeutet hat?
STS SEIBERT: Ich habe dazu jetzt nichts Weiteres zu sagen.
FRAGE JUNG: Noch einmal zu dem Videopodcast. Erklären Sie sich das große Interesse an diesem Videopodcast damit, dass die Kanzlerin keine bzw. kaum journalistische Interviews gibt?
STS SEIBERT: Nein. Ich erkläre mir das große Interesse damit, dass viele Menschen in unserem Land merken, dass die Infektionszahlen täglich steigen, sprunghaft steigen, dass viele Kommunen am Rande einer Situation oder vielleicht schon über diesen Rand hinaus sind, in der die Gesundheitsämter die Nachverfolgung der Kontakte noch leisten können. Das heißt, viele Menschen haben tatsächlich das Gefühl, dass wir jetzt, genau wie die Bundeskanzlerin es formuliert hat, in einer sehr ernsten Phase der Pandemie angekommen sind und dass es jetzt darauf ankommt, darauf zeitnah richtig und konsequent zu reagieren. Das ist meine Erklärung, die ich dafür habe.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ist es mit Ihrem Verständnis und dem Verständnis der Kanzlerin für Demokratie vereinbar, dass sie mittlerweile viel mehr Eigen-PR-Videos als kritische journalistische Interviews macht?
STS SEIBERT: Ich weise schon den Begriff „Eigen-PR“ im Zusammenhang mit dem Podcast der Bundeskanzlerin zurück. Das ist Unsinn, und das wissen Sie.
FRAGE CLEMENT: Herr Seibert, eine Nachfrage zu der Parlamentsdebatte, die ja gerade schon mehrfach angesprochen wurde. Sie haben gesagt, Sie haben dem Bundestag keine Empfehlungen zu geben. Das versteht sich. Trotzdem die Frage: Vonseiten des Bundestags und einzelner Fraktionen kommt Kritik Richtung Bundesregierung, man regiere am Parlament vorbei. Gerade vor dem Hintergrund der Neuauflage des Infektionsschutzgesetzes heißt es, mit einer Verstetigung was auch immer das heißt der Sonderregelungen würden die Rechte der Exekutive überstrapaziert. Wie ist die Reaktion der Bundesregierung darauf?
STS SEIBERT: Die Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes das haben wir schon gehört ist in der Ressortabstimmung. Wie üblich äußern wir uns während dieser Phase der Ressortabstimmung nicht zu Einzelheiten. Wenn das Ergebnis der Ressortabstimmung feststeht und das Bundeskabinett sich mit dem Gesetz befasst, werden alle Fragen dazu natürlich hier und überall beantwortet.
Im Übrigen habe ich als Regierungssprecher hier zu dem, was der Deutsche Bundestag in dieser Krise zu leisten hat, wirklich keine weiteren Hinweise zu machen.
ZUSATZ CLEMENT: Der Begriff einer Verstetigung von Sonderregelungen, der jetzt diskutiert und auf Papier festgehalten wird, ist ja nun keine Kleinigkeit, über die man sagen kann: „Wir diskutieren erst, beschließen, und dann können wir gerne darüber reden.“ Man muss doch einmal wissen, über was hier gerade diskutiert wird.
STS SEIBERT: Das ist eine grundsätzliche Frage, wie man mit Gesetzentwürfen umgeht, die innerhalb Bundesregierung in der Ressortabstimmung sind. Wir haben dabei eine Art der Herangehensweise, dass wir über die Dinge mit Ihnen diskutieren, über die wir uns innerhalb der Bundesregierung geeinigt haben. Dann beginnt ja ein langer Diskussionsprozess, ein langer parlamentarischer Prozess, in dem alle Fragen und Aspekte beleuchtet werden können und auch sollen.
FRAGE BLANK: Herr Burger, meine Frage bezieht sich auf die Türkei und die Ausweitung von Seenotrettungsgebieten. Das ist ja möglicherweise als Provokation gegenüber Griechenland zu sehen. Gibt es diesbezüglich eine Einschätzung von Ihrer Seite? Verurteilen Sie das oder hat die Türkei richtig gehandelt? Ist das rechtlich korrekt?
BURGER: Wir kennen diesen Sachverhalt bisher nur aus den Nachrichten. Ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt dazu noch keine vertiefte Einschätzung geben. Wenn ich diesbezüglich etwas nachzureichen habe, werde ich das gerne tun.
FRAGE KARAVITI: Plant die Bundesregierung eine neue Initiative für die Aufnahme von Gesprächen zwischen Griechenland und der Türkei?
BURGER: Die Bundesregierung ist seit vielen Wochen sowohl mit Griechenland als auch mit der Türkei immer mit dem Ziel im Gespräch, direkte Gespräche zwischen beiden Seiten über die Fragen, die sich insbesondere im östlichen Mittelmeer stellen, zu ermöglichen. Diese Bemühungen dauern an. Konkrete Gesprächstermine habe ich Ihnen jetzt aber nicht anzukündigen.
FRAGE DR. RINKE: Herr Burger, es geht um das Thema Thailand. Frau Adebahr hatte hier letzte Woche schon auf eine Frage dazu geantwortet und hat gesagt, dass man davon ausgehe, dass sich der thailändische König, der große Phasen seiner Zeit hier in Deutschland verbringt, aus politischen Geschäften zurückhalten solle. Man habe das dem thailändischen Botschafter auch mehrfach übermittelt. Warum war diese mehrfache Übermittlung dieses Wunsches oder dieser Mahnung eigentlich notwendig? Gibt es Hinweise darauf, dass der thailändische König sich doch von hier aus in die Politik in Thailand einmischt?
BURGER: Ich kann Ihnen hier über das hinaus, was Frau Adebahr dazu vergangene Woche gesagt hat, nichts mitteilen. Im Moment befindet sich der König in Thailand. Es gibt dort politische Entwicklungen Demonstrationen , die wir sehr genau verfolgen. Auch dazu sind wir mit der thailändischen Seite im Gespräch. Aus unserer Sicht ist die Presse- und Demonstrationsfreiheit ein hohes Gut, die geschützt werden muss. Eine friedliche Meinungsäußerung muss möglich sein. Deswegen sollten gewaltsame Zusammenstöße dort weiter vermieden werden.
Wie gesagt, derzeit hält sich der thailändische König in Thailand auf.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Wenn der König sich in Thailand aufhält, ist es für ihn dann ein Problem, wieder nach zu Deutschland zu reisen, wenn er das will? Hätte die Bundesregierung dagegen Einwände, weil sich die Proteste ja auch gerade gegen die konstitutionelle Monarchie richten?
BURGER: Ich werde einer solchen Situation jetzt nicht vorgreifen. Im Moment befindet sich der König, wie gesagt, in Thailand. Wir haben in der Vergangenheit keine Einwände gegen private Aufenthalte des thailändischen Königs geäußert. Wie gesagt, sind wir der Auffassung, dass ausländische Staatsgeschäfte nicht von deutschem Boden erfolgen sollten.
FRAGE GAVRILIS: Herr Alter, wissen Sie mittlerweile, warum der Innenminister heute nicht am Integrationsgipfel teilnehmen wird?
ALTER: Ich denke, ich habe diese Frage schon am Freitag beantwortet. Wenn es um die Teilnahme des Bundesinnenministers an Veranstaltungen geht, spielen dafür ich will es gern wiederholen immer sehr viele verschiedene Faktoren eine Rolle, terminliche Fragen, inhaltliche Schwerpunktsetzungen und Ähnliches. In der Abwägung dieser Dinge wurde entschieden, dass der Bundesinnenminister an der Veranstaltung heute nicht teilnimmt.
ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Es gibt Kritik von Teilnehmerinnen und Teilnehmern daran, dass er zum zweiten Mal in Folge nicht an diesem Integrationsgipfel teilnimmt. Was entgegnen Sie denen, die sagen: „Herr Seehofer ist an diesem Thema gar nicht interessiert“?
ALTER: Diese Kritik nehmen wir zur Kenntnis. Es ist ja nicht so, dass das Bundesinnenministerium an dieser Veranstaltung nicht beteiligt wäre. Jemand aus unserer Hausleitung ist vor Ort, der das Haus vertritt. Insofern kann man nicht die Schlussfolgerung ziehen: Nur weil der Bundesinnenminister nicht persönlich teilnimmt, nehme er das Thema nicht ernst oder nicht wichtig genug. Das ist ein wesentlicher Baustein seiner Politik, die er in verschiedenen Bereichen vorantreibt. Auch Integration ist ein ganz wichtiges Thema, dem er sich widmet. Man sollte es, denke ich, nicht allein daran festmachen, ob der Bundesinnenminister an einer Videokonferenz teilnimmt oder nicht.
ZUSATZFRAGE GAVRILIS: An Herrn Seibert, das ist zumindest thematisch ähnlich: Am Mittwoch ist der dritte Kabinettsausschuss zum Thema der Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus geplant gewesen, der jetzt wohl nicht stattfinden soll oder wird. Können Sie das bestätigen, und wie steht die Bundeskanzlerin zu dieser Absage?
STS SEIBERT: In der Tat sehe ich im Terminkalender für diesen Mittwoch keine Sitzung dieses Ausschusses. Aber das lässt mit Sicherheit nicht den Schluss zu, dass uns die Aufgabe in irgendeiner Weise etwas anderes als absolut wichtig und prioritär wäre. Das schlägt sich auch in der täglichen Arbeit der Regierung nieder.
Wann es zu einer nächsten Sitzung dieses Ausschusses kommt, werden wir Ihnen rechtzeitig sagen.
FRAGE JUNG: Können Sie kurz begründen, warum das ausfällt?
STS SEIBERT: Nein, das kann ich nicht. Ich weiß, ehrlich gesagt, auch gar nicht, ob es für diesen Mittwoch fest vorgesehen war. Das muss ich recherchieren und werde darauf zurückkommen, wenn ich dazu etwas sagen kann.
FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, ich habe eine Frage zum Thema der Menschenrechte in Ägypten. Mitglieder des US-Kongresses haben in einem Brief an den ägyptischen Präsidenten ihre große Sorge über die Situation der politischen Gefangenen in dem Land geäußert und die Freilassung der Gefangenen gefordert.
Wie bewertet Ihr Haus die Situation der politischen Gefangenen in Ägypten?
BURGER: Es tut mir leid, mir liegt der Brief im Moment nicht vor, und ich kenne auch den Kontext nicht.
Wir haben uns zur Menschenrechtslage in Ägypten hier immer wieder geäußert und gesagt, dass wir erheblichen Verbesserungsbedarf sehen. Wir haben uns insbesondere zur Frage der Meinungsfreiheit und der Betätigungsfreiheit der Zivilgesellschaft geäußert. Wir haben uns auch zur Problematik von Folter in ägyptischen Gefängnissen geäußert.
Wenn ich zu dem von Ihnen nachgefragten Sachverhalt etwas Konkretes ergänzen kann, dann werde ich das gern nachliefern.
FRAGE FRÖDER: Herr Alter, bis zum Ende der Legislatur soll es eine Reform des Baugesetzes geben. Laut Koalitionsvertrag soll darin auch ein Verbot der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt geregelt werden. Nun gab es in Ihrem Haus bereits einen Referentenentwurf dazu, aus dessen aktueller Version dieses Umwandlungsverbot allerdings wieder verschwunden ist.
Wieso?
Wird es dieses Umwandlungsverbot noch in dieser Legislaturperiode geben?
ALTER: Das Umwandlungsverbot ist aus dem Gesetzentwurf genommen worden, nachdem die sogenannte Länder- und Verbändeanhörung stattgefunden hat. Das heißt, wir haben aus diesem Schritt, der im Prozess eines Gesetzgebungsverfahrens zwingend vorgesehen und auch wichtig ist, was man ja gerade daran erkennt, die Rückmeldung aus den Ländern bekommen, dass dieser Punkt derzeit in den Ländern umstritten ist. Vor diesem Hintergrund, um die (akustisch unverständlich) an dieser Stelle nicht weiter aufzuhalten, ist der Entwurf zunächst einmal um diese Regelung erleichtert worden, was aber nicht bedeutet, dass der Bundesinnenminister dieses Ziel aus den Augen verlieren oder ad acta legen würde. Derzeit finden Gespräche innerhalb der Bundesregierung und auch anderweitige Gespräche statt, und wir werden sehen, in welcher Fassung der Gesetzentwurf letztlich beschlossen werden wird.
FRAGE DR. RINKE: Dass es Diskussionen in den Ländern gibt, ist ja bei fast allen Themen üblich. Vielleicht können Sie das noch ein wenig genauer erklären. Gibt es so große Widerstände dagegen, dass man glaubt, dass der Gesetzentwurf Bundestag und Bundesrat nicht passieren könnte?
Wie steht der Minister persönlich zu dem Umwandlungsverbot? Ist es aus seiner Sicht ein Ziel, oder ist er mittlerweile auch davon überzeugt, dass das kein guter Schritt wäre?
ALTER: Der Bundesinnenminister hat den Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Als er ihn auf den Weg gebracht hat, enthielt er eine solche Regelung. Dem können Sie entnehmen, welche Position der Bundesinnenminister hat.
Jetzt gibt es an diesem Punkt aber wirklich Streitfragen, die zu klären sind, bevor man mit einem solchen Vorhaben weitermacht, weil es letztlich insbesondere die Menschen in den Bundesländern betrifft, die Eigentümer und Eigentümerinnen. Bei der Sachlage, die wir nach der Länder- und Verbändeanhörung gesehen haben, hat der Bundesminister entschieden, zumindest diesen Punkt zunächst herauszunehmen und anderweitig zur Klärung zu bringen.
FRAGE JESSEN: An das Auswärtige Amt: Die Präsidentschaftswahl in Bolivien ist noch nicht endgültig ausgezählt. Aber bereits jetzt haben konservative Kandidaten und die konservative Übergangspräsidentin dem Kandidaten des linken Lagers zum Wahlsieg gratuliert.
Ist aus Sicht der Bundesregierung diese Wahl von den demokratischen Mängeln, die Sie der Vorgängerwahl attestiert haben, frei? Handelt es sich also nach Ihrer Erkenntnis um einen demokratisch einwandfreien Wahlvorgang? Wie beurteilen Sie den Wahlvorgang und, wenn es geht, auch das sich abzeichnende Ergebnis?
BURGER: Zunächst einmal begrüßen wir, dass die Wahlen ruhig und geordnet verlaufen sind. Bis die Endergebnisse da sind, werden noch einige Tage vergehen. Das müssen wir abwarten. Grundsätzlich ist es ein wichtiger Schritt zur innenpolitischen Stabilisierung, wenn Frau Áñez als Vertreterin des konservativen Lagers Herrn Arce zum Wahlsieg gratuliert.
Sie wissen vielleicht, dass eine sechsköpfige EU-Expertenmission seit Mitte September vor Ort ist, um die Wahlen zu begleiten. Nach Einschätzung der Mission hat die bolivianische Wahlkommission bei der Vorbereitung der Wahlen gute Arbeit geleistet. Eine abschließende Einschätzung der EU-Beobachter liegt aber noch nicht vor.
Ich darf vielleicht noch ergänzen, dass das Auswärtige Amt diesen Wahlprozess auch mit drei Projekten zur Demokratieförderung mit Partnern aus der Zivilgesellschaft begleitet hat, erstens zur Durchführung von Umfragen, zweitens zur Ausrichtung einer Präsidentschaftsdebatte und drittens zur Wahlbeobachtung durch die Vereinigung interamerikanischer Wahlgerichte, also zu lokaler Wahlbeobachtung. Außerdem wurde Unterstützung bei der Einführung eines „Wahl-O-Maten“ geleistet, der vor allem jüngeren Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit gibt, sich mit den politischen Inhalten der Kontrahenten näher auseinanderzusetzen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Bei der davorliegenden Wahl wurde festgestellt oder gesagt, es habe Wahlfälschungen gegeben. Vergleichbare Beobachtungen gab es dieses Mal offenbar nicht. Also hat es sich nach allem, was Sie wissen, um eine Wahl gehandelt, die allen demokratischen Anforderungen genügt. Verstehe ich Sie so richtig?
BURGER: Nein. Was ich gesagt habe, ist, dass bisher noch keine Berichte vorliegen, weder der EU-Expertenmission noch meines Wissens von anderen Wahlbeobachtungsmissionen, die das systematisch ausgewertet hätten. Deswegen habe ich dazu jetzt einfach noch keine Aussage zu treffen.
FRAGE VOLLRADT: Meine Frage bezieht sich auf Überlegungen, neben dem Verbot der Reichskriegsflagge das Zeigen der schwarz-weiß-roten Fahne rechtlich einzuschränken. Gibt es diesbezüglich Abstimmungen zwischen dem Innen- und dem Justizministerium, um eine bundesweit einheitliche Regelung zu schaffen? Falls ja, sind Ausnahmeregelungen für Vereine oder studentische Verbindungen geplant?
ALTER: Ich bin mir noch gar nicht wirklich sicher, ob es überhaupt einer bundeseinheitlichen Regelung bedarf. Denn der Bundesinnenminister hat ja deutlich gemacht, dass er es begrüßt, wenn die Länder in ihrer derzeitigen Rechtslage möglichst weitgehend versuchen, das öffentliche Zeigen der Reichskriegsflagge auch in der Form, die im Moment noch nicht verboten ist, zu unterbinden. Er hat angekündigt, das Thema auf der nächsten Innenministerkonferenz auf die Tagesordnung zu setzen. Dort wird man sich darüber unterhalten und feststellen, ob die Länder ausreichende rechtliche Befugnisse haben, um das herzustellen, oder ob es gesetzliche Anpassungen geben muss, über die man dann sprechen kann. Aber jedenfalls mit heutigem Stand reden wird nicht über ein konkretes Gesetzgebungsvorhaben, sondern über eine Abstimmung zwischen Bund und Ländern.
BÖNNIGHAUSEN: Ich kann dazu nur noch ganz kurz ergänzen, dass das Bundesjustizministerium ein striktes Vorgehen der Länder gegen das Zeigen von Reichskriegsflaggen in der Öffentlichkeit begrüßt, da sie ein Symbol von Rechtsextremisten ist, die Hass und Verachtung gegenüber der Demokratie und unserer vielfältigen Gesellschaft verbreiten. Überlegungen der Bundesregierung zu einem strafrechtlich bewerten Verbot, was dann unser Ministerium beträfe, gibt es derzeit nicht.
FRAGE GAVRILIS: Herr Seibert, Griechenland plant, die Landesgrenze zur Türkei in Richtung Evros mit einer längeren Mauer auszubauen: 27 km. Es wird relativ viel Geld investiert, um sich abzugrenzen und, wie es heißt, die Grenze zu sichern.
Begrüßt die Kanzlerin das Vorhaben Griechenlands?
STS SEIBERT: Ich kenne dieses Vorhaben nicht, sodass ich es für die Bundesregierung jetzt nicht bewerten kann. Ich weiß nicht, ob einer der Kollegen bessere Kenntnisse darüber hat.
Grundsätzlich wissen wir, dass Griechenland als Land am Rande der Europäischen Union besonderen Aufgaben und Herausforderungen gegenübersteht. Wir sind auch davon überzeugt, dass die Gesamtaufgabe der Migration und des Ankommens von Asylsuchenden in der Europäischen Union nur in Zusammenarbeit mit den Ländern außerhalb der Europäischen Union, mit den Transit- und Herkunftsländern, gelöst werden kann. Ich kann und werde aber diese konkrete Maßnahme jetzt nicht bewerten.
ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Vielleicht auch an das BMI: Es gibt zu den Ereignissen im März aktuell Berichte unter anderem von Forensic Architecture, laut denen es illegale Pushbacks auch von griechischer Seite in Richtung Türkei gab. Soweit ich weiß, ist die Bundespolizei immer noch dort. Haben Sie Erkenntnisse darüber im März haben Sie es verneint , dass Menschen inhaftiert und illegal in die Türkei zurückgeschoben werden?
ALTER: Es ist zutreffend, dass die Bundespolizei in Griechenland weiterhin unterstützt. Wir halten es auch nach wie vor für notwendig, dass wir das haben wir immer gesagt da europäisch zusammenstehen, und wenn es hilfreich ist und von der griechischen Regierung gewünscht ist, dass die Bundespolizei unterstützt, dann bieten wir diese Unterstützung auch an.
Zu Ihrer zweiten Frage habe ich keine konkreten Erkenntnisse, auch heute nicht. Uns sind keine konkreten Hinweise auf das, was Sie da beschrieben haben, bekannt geworden, und insofern kann ich das auch nicht kommentieren.
ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Sie haben keinerlei Erkenntnisse darüber? Wie würden Sie diese Medienberichte denn bewerten? Sind die aus der Luft gegriffen? Sie haben ja Beamten dort vor Ort.
ALTER: Nein, dass sie aus der Luft gegriffen wären selbst das kann ich nicht kommentieren. Sie stehen im Raum und wir nehmen sie zur Kenntnis, aber wir haben auf amtlichen Wege keinerlei Erkenntnisse gewonnen oder gewinnen können, die das bestätigen.
FRAGE JUNG: Kann das BMVg noch einmal bestätigen, dass die Marine diese illegalen Pushbacks beobachtet hat? Wenn das BMI nichts davon weiß, kann sich ja vielleicht ein anderes Ministerium daran erinnern.
COLLATZ: Ich kann hier nur erklären was ich zuvor auch schon in vielen Konferenzen gemacht habe , dass die Marine ihre Beobachtungen mitteilt und nur dann eingreifen kann, wenn entweder Seenotrettung geboten ist oder die national zuständigen Küstenwachen nicht handlungsfähig sind. Weitere Bestätigungen kann ich hier überhaupt nicht machen.
ZUSATZFRAGE Aber diese Beobachtungen, dass Sie illegale Pushbacks erlebt haben, haben Sie bzw. hat die Marine ja schon mitgeteilt. Wird das denn auch der Bundespolizei mitgeteilt, damit das BMI (akustisch unverständlich).
COLLATZ: Die Deutsche Marine handelt dort im Rahmen ihres Mandates und ihres Auftrages, ist dort eingebunden in eine internationale Organisation und nimmt dort das Berichtswesen wahr. Wie diese Beobachtungen, die sie neutral meldet, zu werten sind ob als Pushbacks oder nicht als Pushbacks , obliegt nicht dem Kommandanten eines Schiffes.
FRAGE BLANK: An Herrn Alter vom BMI: Rechnen Sie in dieser Woche mit einem Abschluss der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst?
ALTER: Der Bundesinnenminister hat ja gemeinsam mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände am vergangenen Freitag, im Vorfeld der dritten Verhandlungsrunde, die am kommenden Donnerstag beginnen soll, der Arbeitgeberseite ein Angebot gemacht. Er ist zuversichtlich, dass es gelingen kann, am Verhandlungstisch einen Abschluss in dieser Runde zu finden. Dem kann man natürlich nicht vorgreifen, aber zumindest Zuversicht ist angebracht; denn aus Sicht des Bundes und auch aus Sicht der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ist ein sehr weitreichendes Angebot unterbreitet worden.
Es gab ja am Wochenende verschiedentlich Kritik daran, aber deswegen lohnt es sich vielleicht auch, noch einmal genau zu schauen, worum es da eigentlich konkret geht: Es geht um 2,3 Millionen Beschäftigte in Bund und Kommunen und um ein Tarifangebot, das in einer ausgesprochen schwierigen Situation unterbreitet wird, in der wir uns derzeit befinden. Die Coronapandemie hat weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und damit auch auf die Haushaltslage, und in dieser Verantwortung muss man dieses Angebot auch einordnen. Da lohnt es sich auch zu erwähnen, dass der öffentliche Dienst ein sicheres Arbeitsverhältnis bietet, was ja auch an sich schon ein Wert ist.
Dennoch gibt es ein Angebot, das in vielen Bereichen deutliche Einkommenssteigerungen vorsieht. Nicht einmal, sondern substanziell und dauerhaft soll es nach unserem Angebot eine Steigerung von 3,5 Prozent auf drei Jahre Laufzeit geben, und verschiedene Bereiche sollen zusätzlich prämiert werden. So soll es eine coronabedingte Sonderprämie für Beschäftigte in Krankenhäusern und im Pflegebereich geben, es soll für alle Beschäftigte eine Sonderprämie von 300 Euro als Einmalzahlung geben, und darüber hinaus sollen insbesondere für die Beschäftigten im öffentlichen Gesundheitssektor in den Krankenhäusern, in den Pflegebereichen Zulagen erhöht werden. Nach unseren Angebot wird zum einen eine Pflegezulage in Höhe von 50 Euro neu geschaffen, die Intensivzulage soll von derzeit 46 Euro auf künftig 96 Euro erhöht werden, und die Zulage für Wechselschichtdienst soll von derzeit 105 Euro auf 155 Euro steigen. Das bedeutet: Wenn eine Krankenschwester auf einer Intensivstation im Wechselschichtdienst tätig ist, kann sie allein über diese Zulagenerhöhung künftig 150 Euro monatlich mehr verdienen das sind im Jahr 1800 Euro. Das ist aus unserer Sicht ein weitreichendes Angebot. Man könnte auch sagen: Im Vorfeld einer Tarifrunde als Angebot der Arbeitgeber kann sich das Angebot sehen lassen.
ZUSATZFRAGE BLANK: Nun fordern ver.di und dbb beamtenbund, dass die Arbeitgeber in der Verhandlungsrunde noch einmal deutlich nachlegen. Ist das denkbar?
ALTER: Na ja, das ist nun mal der Sinn und Zweck von Verhandlungen. Man wird sehen, wo man sich trifft.
Aber noch einmal: Die Arbeitgeberseite hat sich abgestimmt und hat versucht, zwei Dinge in Einklang zu bringen. Einerseits geht es darum, deutlich zu machen, dass es natürlich Wertschätzung auch im Sinne von Einkommenssteigerungen geben muss, mit einer Schwerpunktsetzung auf diejenigen Bereiche, die gerade in der Coronakrise gezeigt haben, dass wir sie dringend brauchen, und die das wahrscheinlich auch in den kommenden Monaten noch zeigen werden. Da geht es nicht darum, dass man einmal einen Bonus auszahlt, sondern da geht es darum, dass diese Einkommensverhältnisse eben dauerhaft und substanziell ansteigen können. Anderseits geht es darum, ein Angebot zu machen, das auch der derzeitigen Gesamtlage Rechnung trägt, und die derzeitige Gesamtlage ist jedenfalls so, dass man auch beim Verwenden von Haushaltsmitteln verantwortungsbewusst vorgehen sollte.
Dennoch ich habe es anfangs gesagt : Der Bundesinnenminister ist zuversichtlich, dass es gelingen kann, die dritte Verhandlungsrunde gemeinsam abzuschließen.
FRAGE JUNG: An das BMJ zum Thema Uploadfilter und Ihrem Entwurf zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie, in dem Sie die Pflichten zum Einsatz von Uploadfiltern zulasten der Grundrechte verschärft haben. Da würde mich interessieren, warum Sie das tun und warum der Vorschlag zum sogenannten Pre-Flagging genau den Vorstellungen entspricht, die Google eingebracht hat. Wie erklären Sie sich das?
Außerdem hatte Ihre Ministerin versprochen, den Bundesdatenschutzbeauftragten frühzeitig einzubeziehen, der ja explizit gegen dieses Pre-Flagging, explizit gegen Googles und Facebooks Vorstellungen ist und sich öffentlich einsetzt. Wurde der nicht mit einbezogen oder wurde der einbezogen und findet das jetzt auch toll?
BÖNNIGHAUSEN: Zur letzten Frage: Ja, der wurde einbezogen. Wie das geschehen ist oder was seine Stellungnahme dazu war, kann ich jetzt gerade aber nicht sagen.
Zu der anderen Sache kann ich sagen: Ja, es gibt eine Änderung im Vergleich zum Diskussionsentwurf aus dem Juni. Es ist aber nicht so, dass das eine Regelung wäre, die zulasten der Nutzerinnen und Nutzer gehen soll. Im Gegenteil: Ziel der Regelung ist, dass die Nutzerinnen und Nutzer in einer Vielzahl von Fällen Es ist tatsächlich nicht immer so einfach, das urheberrechtlich selbst zu bewerten. Es ist nämlich so, dass immer dann, wenn die Plattform Inhalte bereits lizensiert hat dazu sind die Plattformen nach § 4 des neuen Gesetzes auch in großem Umfang verpflichtet , sich der Nutzer nach der neuen Regelung nicht mehr mit der Frage auseinandersetzen muss, ob es sich bei seinem Upload um eine Karikatur, eine Parodie oder ein Pastiche handelt. Karikaturen lizensierter Inhalte gehen ohne Weiteres online. In der Praxis wird in den meisten Fällen nämlich bereits eine Lizenz da sein oder ein Sperrverlangen hinterlegt sein.
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass es auch Fälle geben soll, in denen tatsächlich geblockt werden könnte. Wir werden das auf jeden Fall beobachten. Allerdings muss ich vielleicht ein bisschen weiter ausholen und beschreiben, wie dieser Mechanismus genau funktioniert.
Es gibt mehrere Stufen, wenn ein Nutzer oder eine Nutzerin einen Content hochlädt. Es gibt in der Regel eine Referenzdatenbank der Plattform, und wenn der Nutzer einen Inhalt hochlädt, wird dieser mit der Referenzdatenbank abgeglichen. Wenn die Datenbank den Inhalt kennt, kann es durchaus sein, dass vielleicht schon eine Lizenz vorliegt; in diesem Fall geht der Inhalt online. Kennt sie den Inhalt nicht, weil es vielleicht ein neu geschaffenes Werk ist, dann geht der Inhalt online. Wenn die Datenbank den Inhalt zwar kennt, aber keine Lizenz vorliegt, ist der nächste Schritte, zu prüfen, ob es vielleicht eine geringfügige Nutzung gibt das ist in § 6 unseres neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz geregelt. Das ist zum Beispiel bei weniger als 20 Sekunden Film, 20 Sekunden Ton oder 1000 Zeichen Text der Fall. Wenn das der Fall ist, geht der Inhalt online. Erst dann kommt der Pre-Flagging-Mechanismus. In diesem Fall kann der Nutzer oder die Nutzerin angeben, ob es sich um eine Karikatur, eine Parodie oder ein Pastiche handelt, und kann das so pre-flaggen. Auch dann geht der Inhalt erst einmal online. Nur, wenn das nicht der Fall ist, kann es dazu kommen, dass in Einzelfällen der Inhalt kurzzeitig geblockt wird. Der Nutzer oder die Nutzerin bekommt dann aber auch eine Nachricht wahrscheinlich eine Push-Nachricht oder eine E-Mail, je nachdem, wie die jeweilige Plattform das dann regelt , wird darüber informiert und kann dann auch widersprechen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Möchten Sie dementieren, dass Ihr neuer Vorschlag zum Pre-Flagging, den Sie jetzt gerade auch erläutert haben, genau den Vorstellungen entspricht, die Google im Sommer in einem Vorschlag unterbreitet hat?
BÖNNIGHAUSEN: Das kann ich nicht dementieren es ist richtig, dass das dem entspricht. Allerdings ist es sicherlich nicht so, dass das aus einem Interesse geschehen ist, das Google daran hat. Vielmehr haben wir über diese Regelung auch mit Experten gesprochen und erkannt, dass es auch für Nutzer sinnvoll sein kann, wenn das so funktioniert.
FRAGE TOWFIGH NIA: An das Auswärtige Amt: Das Iran-Waffenembargo ist ja am Wochenende abgelaufen, das heißt, der Iran kann legal Waffenhandel betreiben. Gibt es dazu eine Stellungnahme ihres Ministeriums?
BURGER: Ja. Wir haben wiederholt gemeinsam mit unseren E3-Partnern unsere Sorge zum Ausdruck gebracht, dass ein Auslaufen des konventionellen Waffenembargos des Sicherheitsrats gegen Iran Auswirkungen auf Sicherheit und Stabilität in der Region haben könnte. Wir haben uns deswegen in den vergangenen Monaten intensiv für einen Kompromiss im Sicherheitsrat bemüht, doch leider konnte keine Lösung gefunden werden, die im Sicherheitsrat von allen mitgetragen worden wäre. Auch aktuell gibt es im Sicherheitsrat leider keine Ansatzpunkte für eine Neuregelung des Waffenembargos durch eine Resolution. Wir stehen als E3 allerdings weiterhin mit den zentralen Akteuren in Kontakt und loten aus, ob es Wege gibt, durch die die möglichen regionalen Auswirkungen begrenzt werden könnten.
Wichtig ist, dass sich jetzt sowohl Iran als auch Staaten, die mit dem Gedanken spielen, sich an Waffengeschäften mit Iran zu beteiligen, mit Blick auf Sicherheit und Stabilität der Region verantwortungsvoll verhalten und größte Zurückhaltung üben. Zudem möchte ich hier noch einmal betonen: Das EU-Waffenembargo bleibt unverändert in Kraft, und wir wissen auch von anderen Ländern wie der Schweiz, Norwegen, Australien und Kanada, dass sie ähnliche Embargobestimmungen gegen Iran weiter in Kraft lassen.