Themen: Situation in Belarus, Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit dem französischen Staatspräsidenten, dem österreichischen Bundeskanzler, der Präsidentin der Europäischen Kommission und dem Präsidenten des Europäischen Rates zum islamistischen Terror; Demonstrationen in Leipzig gegen die Coranamaßnahmen, Sitzung des Coronakabinetts (aktuelle Infektionslage, Impfstrategie, Bericht zum Schutz vulnerabler Gruppen, Testkapazitäten und Testkriterien, länderübergreifende Krankentransporte), Reform der WHO, COVID-19-Pandemie (Mutation des Coronavirus in Nerzen, PCR-Tests, Corona-Warn-App, Novemberhilfen), Wahlausgang in den USA, Flüchtlingskonferenz in Damaskus, Medienberichterstattung zum GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen
Naive Fragen zu:
0:33 Corona-Demo in Leipzig
– ist es nicht richtig, dass der Dienstherr der 300 Bundespolizisten vor Ort Herr Seehofer ist und wenn diese 300 teils versagt haben am Samstag, dass wir Sie dazu befragen und Sie dazu Stellung nehmen und Verantwortung übernehmen müssen? Und ist es nicht richtig, dass diese 300 Angriffe auf Journalist*innen nicht verhindern konnten? (ab 19:24)
– Sie hatten die Demoauflösung angegesprochen: Das passierte kurz vor 16 Uhr in Leipzig. Danach wurde die Demo aber nicht aufgelöst. Die Masse hatte sich durchgesetzt gegen die Polizei und ist durch Leipzig, durch den symbolträchtigen Ring marschiert. Das ist das Gegenteil einer Auflösung. War das das Verständnis der Polizei vor Ort?
27:00 Coronakabinett/App
– wie viele Nutzer der App gibt es aktuell? (ab 36:53)
– wie hat sich die Appnutzung in den letzten zwei Wochen entwickelt?
– Herr Seibert, ich hatte nach den Nutzerzahlen gefragt…
42:14 Nicht-infizierbare Tiere
– Sie nannten jetzt Schwein und Huhn als „nicht-infizierbar“. Welche Tiere sind denn infizierbar? Gibt ja noch Rinder, Schafe, Ziegen… (ab 42:55)
46.14 Verbot verschlüsselter Kommunikation
– der erroranschlag in Wien scheint im EU-Ministerrat dazu benutzt zu werden, um ein Verbot sicherer Verschlüsselung für Services wie WhatsApp, Signal und viele andere im Schnellsiedeverfahren durchzusetzen. Das geht aus einem mit 6. November datierten internen Dokument der deutschen Ratspräsidentschaft an die Delegationen der Mitgliedsstaaten im Rat hervor, das ORF.at vorliegt – können Sie das zunächst mal bestätigen? und was soll das Verbot sicherer Verschlüsselung bringen?
– gehört sichere, also verschlüsselte, Kommunikation nicht zu unseren Grundrechten?
Sorry, dass der Beginn fehlt. Wir hatten mit einem technischen Problem zu kämpfen.
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 9. November 2020:
STS SEIBERT: Einen schönen guten Tag auch von mir! Ich möchte zunächst etwas zur Lage in Belarus sagen, denn es ist ja so, dass auch am vergangenen Wochenende wieder Tausende Menschen in Belarus auf die Straßen gegangen sind, um friedlich für Wandel in ihrem Land zu demonstrieren. Der Mut und die Unerschütterlichkeit dieser Menschen beeindrucken die Bundesregierung tief.
Wie schon in den vergangenen Wochen und Monaten ist es wieder dazu gekommen, dass das Regime zahlreiche Menschen hat festnehmen und verschleppen lassen. Die Medien sprechen von über 1000 Fällen an diesem Wochenende. Die Bundesregierung verurteilt die andauernde Repression des Lukaschenko-Regimes auf das Schärfste. Wir fordern die Staatsführung erneut auf, solche rechtswidrigen Handlungen unverzüglich einzustellen und diese ständige Verletzung von Menschenrechten zu stoppen.
Es ist unverzichtbar, dass es einen konstruktiven und offenen Dialog zwischen der Staatsführung und dem Koordinierungsrat zu fairen und freien Neuwahlen gibt. Das hat auch die OSZE gerade erst Anfang November wieder in ihrem Bericht unterstrichen. Es ist überfällig, dass Herr Lukaschenko, gegen den die EU nunmehr Sanktionen verhängt hat, dies auch endlich einsieht.
Dann habe ich noch einen kurzen Terminhinweis, der sich auf morgen, also Dienstag, dem 10. November, bezieht. Um 15 Uhr wird sich die Bundeskanzlerin in einer Videokonferenz mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der Präsidentin der Europäischen Kommission, Frau von der Leyen, und dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, austauschen.
Nach den jüngsten entsetzlichen islamistischen Anschlägen in Wien, Nizza, bei Paris, aber auch hier bei uns in Deutschland, in Dresden, wird es um den islamistischen Terror gehen und darum, wie die Europäische Union entschlossen auf diese Bedrohung reagieren kann. Diese Taten sind ein Angriff auf unsere gemeinsamen europäische Werte, und die gilt es mit umso größerem Nachdruck zu verteidigen. Das ist das Thema der morgigen Videokonferenz. Im Anschluss daran ist dann eine Pressekonferenz geplant.
FRAGE REITSCHUSTER (zur Situation in Belarus): Herr Seibert, wenn ich die Bilder richtig interpretiert habe, sind in Weißrussland sehr, sehr viele Menschen ohne Mund-und-Nasenbedeckung unterwegs. In Deutschland wird das sehr kritisiert. Wie sehen Sie das in Belarus? Kritisieren Sie das?
STS SEIBERT: Lassen Sie uns die Situation in beiden Ländern, die grundsätzlich unterschiedlich ist, auch auseinanderhalten. Ich habe gerade für die Bundesregierung gesagt, dass uns der Mut, die Entschlossenheit des belarussischen Volkes bzw. eben großer Teile des belarussischen Volkes zutiefst beeindrucken, weil sie trotz Wochen und Monaten härtester staatlicher Unterdrückung immer wieder auf die Straßen gehen und friedlich ihr Plädoyer für friedlichen Wandel in der belarussischen Gesellschaft vertreten.
In Deutschland vielleicht kommen wir später noch darauf haben wir eine grundsätzlich andere Situation. Ich halte es nicht für sinnvoll, hier jetzt irgendwelche Verbindungen zu ziehen.
ZUSATZ REITSCHUSTER: Ich ziehe keine Verbindungen. Ich bat nur um eine Einschätzung, wie Sie es einschätzen, dass der Mund-und-Nasenschutz nicht getragen wird.
STS SEIBERT: Darüber können wir gerne im Zusammenhang mit Veranstaltungen in Deutschland sprechen.
FRAGE WOLF: Herr Alter, Herr Seibert, in Bezug auf die Großdemonstration in Leipzig am vergangenen Wochenende würde mich interessieren, wie Sie generell die Radikalisierung dieser Proteste einschätzen. Es gibt im Lagebericht des Bundesinnenministers zur Coronasituation den Hinweis, dass sich die Auseinandersetzungen über Schutzmaßnahmen zunehmend aggressiver gestalten. Mich würde interessieren, wie Sie diese Entwicklung konkret abbilden.
STS SEIBERT: Vielleicht sage ich zunächst ein paar Sätze dazu. Der Kollege aus dem Bundesinnenminister wird das dann sicherlich präzisieren.
Ich habe hier für die Bundesregierung vielfach betont: Friedliche Demonstrationen sind auch in Zeiten der Pandemie wichtig. Meinungen müssen öffentlich vertreten werden können. Kritik soll und muss in einer Demokratie auch immer möglich sein.
In Leipzig wurde nun die Versammlungsfreiheit zum Teil gezielt ausgenutzt. Auflagen der Versammlungsbehörde wurden von vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht ernst genommen. Am Ende haben sich Extremisten, Chaoten, gewaltbereite Menschen nach der Auflösung der Versammlung ihren Weg durch Leipzig bereitet. Das ist in dieser äußerst kritischen Phase der Pandemie, in der wir uns als Land alle zusammen befinden, ein fatales Signal. Dazu kommt, dass es eben auch Berichte gibt, wonach während und auch nach der Demonstration Journalisten und Journalistinnen körperlich attackiert wurden. Es wurden auch Sicherheitskräfte und Polizisten und Polizistinnen angegriffen.
Gewalttätige Auseinandersetzungen und der Missbrauch des Demonstrationsrechts sind nicht zulässig. Für Gewalt und für Provokation ist kein Platz. Ebenso wenig ist Platz für extremistisches Gedankengut oder für Verschwörungsmythen, egal, von welcher Seite diese kommen. Die Versammlungsfreiheit ist zweifelsohne eines der höchsten Güter unserer Verfassung. Die Entscheidungen der Versammlungsbehörde, auch die Auflagen einer Versammlungsbehörde, müssen eingehalten und gewährleistet werden, wie es der Bundesinnenminister vorher schon gesagt hat.
ALTER: Wir beobachten dieses Demonstrationsgeschehen schon seit einigen Monaten. Seitdem es die Pandemie gibt, gibt es auch Proteste. Diese Proteste verändern sich natürlich im Laufe der Zeit. Wir haben insbesondere am vergangenen Wochenende gesehen, dass sich sehr viele Menschen mobilisieren und diesen Aufrufen folgen. Es bleibt aber bei der grundsätzlichen Einschätzung, dass es sich bei den Demonstrationsteilnehmern um eine sehr heterogen zusammengesetzte Gruppe von Menschen handelt.
Die Sicherheitsbehörden wissen auch schon seit Längerem, dass Extremisten, insbesondere Rechtsextremisten und Reichsbürger, versuchen, sich diese Proteste für ihre Zwecke zu eigen zu machen oder sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Nach wie vor bleiben die Sicherheitsbehörden aber bei der Auffassung, dass es noch nicht gelungen ist, dass Extremisten, die zunehmend offener in Erscheinung treten und auch sichtbar werden, die Proteste vollständig für ihre Zwecke instrumentalisieren konnten. Es bleibt also dabei: Wir haben es mit einer sehr heterogenen Zusammensetzung zu tun.
ZUSATZFRAGE WOLF: Wenn Sie sagen, dass die Extremisten die Proteste nicht vollständig für ihre Zwecke instrumentalisieren konnten, sehen Sie dennoch die Verschärfung oder die zunehmende Aggressivität? Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund denn dann die Verläufe in Leipzig, bei denen die Polizei die Demonstration nicht aufgelöst hat und auch nicht eingeschritten ist oder zumindest den gewaltfreien Demonstrationen nicht Herr werden konnte?
ALTER: Zunächst einmal hat ja Herr Seibert gerade das Notwendige gesagt: Gewalt ist bei der Ausübung des Versammlungsrechts kein zulässiges Mittel und wird auch nicht akzeptiert. Ich habe eben angedeutet, dass wir bei der Zusammensetzung der Gruppen durchaus erkennen, dass in letzter Zeit die Anzahl derer, die auch gewaltbereit sind, zunimmt. Das ist auch in Leipzig offensichtlich der Fall gewesen, aber deswegen ist es noch längst nicht legitim. Die Sicherheitsbehörden sehen sich eben dann mit konkreten Situationen konfrontiert, mit denen sie umgehen müssen.
In Leipzig haben wir die Situation erlebt, dass eine Veranstaltung in dieser Größenordnung von den Versammlungsbehörden zunächst nicht genehmigt wurde, aber dann aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung doch stattfand. Die Polizei sah sich am Samstagabend mit der Situation konfrontiert, dass mehr als 20 000 Menschen in der Innenstadt von Leipzig zusammengekommen sind und protestiert haben. Dann ist es für die Polizei eine Abwägung, wie sie damit umgeht. Nach allem, was wir wissen und was auch der Bundesinnenminister gestern mit seinem Kollegen in Sachsen besprochen hat, hat sich die Polizei mit Blick auf die heterogene Zusammensetzung der Gruppe und auch mit Blick auf die Größe der Gruppe dazu entschieden, eine Strategie der Deeskalation zu verfolgen. Das war sozusagen die Grundentscheidung, die die Polizei getroffen hat.
Der Innenminister von Sachsen hat auch schon öffentlich klargemacht: Es war die Entscheidung, gegen eine Personengruppe, die überwiegend friedlich ist, aus der heraus es auch Gewalt gab, aber die in ihrer Gesamtheit überwiegend friedlich ist, eben nicht mit polizeilicher Gewalt vorzugehen, sondern den Versuch zu unternehmen, dieses Geschehen möglichst friedlich zu Ende zu bringen. Das war die Überzeugung der Polizei. Diese findet der Bundesinnenminister richtig.
FRAGE HERRMANN: Herr Alter, mir ist klar, dass diese Demonstrationen Sache der Länderpolizei sind. Wie gedenkt denn die Bundesregierung, diese zunehmend radikal werdenden Kundgebungen zu schützen, auch die dort beteiligten Journalisten?
Zweitens. Welches Signal sollten aus Ihrer Sicht die Sicherheitskräfte bei diesen Demonstrationen bundesweit aussenden?
ALTER: Bevor wir uns den radikalen Kräften in dieser Gruppenzusammensetzung widmen, muss man, glaube ich, noch einmal deutlich machen, dass das größte Problem, das wir am vergangenen Wochenende gesehen haben, doch darin bestand, dass mehr als 20 000 Menschen zusammengekommen sind und sich nicht an die Auflagen der Versammlungsbehörden gehalten haben. Man könnte auch sagen, dass sie die Infektionsschutzmaßnahmen missachtet haben. Das ist ein Verhalten Herr Seibert hat das eben deutlich gemacht , das unverantwortlich und scharf zu kritisieren ist.
Es ist deswegen scharf zu kritisieren, weil diese Menschen nicht nur für sich selbst, für diese Gruppe handeln, die aus freien Stücken zusammenkommt, sondern sie nehmen mit diesem Verhalten die gesamte Gesellschaft in Mithaftung. Denn wenn es zu einem dadurch gesteigerten Infektionsgeschehen kommt, hat das Auswirkungen auf die medizinische Kapazität in Deutschland. Deswegen ist eine solche Situation nicht zu akzeptieren, denn sie betrifft auch Personen, die eine solche Zusammenkunft nicht gesucht haben und sich vorbildlich an die Infektionsschutzmaßnahmen der Bundesregierung und der Länder gehalten haben.
Innerhalb dieser Gruppe kam es dann zu Ausschreitungen. Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass sich die Polizei immer auch fragen muss, mit welchem Agieren, mit welchen Aktionen welche Lageentwicklung eintritt. Bei Veranstaltungen dieser Größenordnung ist es häufig so, dass die Polizei die Strategie der Deeskalation sucht und dann auch in der Hoffnung umsetzt, dass sich die Situation, die ja zum Teil ungeordnet war, nicht noch verschärft und noch mehr Unordnung und Chaos entsteht, sondern dass man das möglichst friedlich und geordnet in dem Bewusstsein zu Ende bringen kann, dass die Auflagen ja schon von Beginn an nicht eingehalten wurden.
Ich glaube, man muss auch deutlich sagen, dass die Polizei eine Veranstaltung, die so stattfindet und so genehmigt wurde, nur noch bedingt korrigieren kann. Der Bundesinnenminister hat schon gestern deutlich gemacht, dass alle beteiligten Behörden und auch die Gerichte im Moment in dieser Ausnahmesituation eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe haben und Entscheidungen so treffen müssen, dass sie realistisch umsetzbar sind. Wenn man rückblickend auf das Geschehen in Leipzig schaut, kann man zumindest den Eindruck bekommen, dass wir das künftig besser machen müssen.
FRAGE: Herr Alter, Frau Krüger, schaut man da nicht ein bisschen wie das Kaninchen auf die Schlange? Die Polizei das ist ja auch verständlich muss sicherlich deeskalieren. Aber solche Demonstrationen wird es immer wieder geben. Es ist klar, dass sie auf irgendeine Art und Weise gewaltbereit enden, weil eben Sie haben es selbst erwähnt das Potenzial da ist.
In Leipzig wollte man, dass die Demonstration an den Stadtrand verlegt wird. Ein Gericht hatte entschieden, dass sie doch in der Innenstadt stattfinden konnte. Ist man ohnmächtig, wenn ein Gericht sagt „Die Demonstrationen muss dort stattfinden“ und man dann nichts dagegen machen kann? Herr Seehofer zwar an die Verantwortlichkeit appelliert, aber die Gerichtshoheit und die Meinungsfreiheit sind natürlich gegeben. Was kann man überhaupt tun, um so etwas zu verhindern? Oder ist man da eher ohnmächtig?
ALTER: Ich möchte hier auf zwei Dinge eingehen. Das eine das haben Sie am Anfang angesprochen ist das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Das muss das hat ja Herr Seibert eben schon hervorgehoben gewährleistet bleiben, erst recht in einer Krise, wie wir sie im Moment erleben. Denn natürlich gibt es unterschiedliche Meinungen über die Maßnahmen, die die Regierung und die Bundesländer angeordnet haben.
Das andere ist die Frage: Unter welchen Bedingungen können solche Versammlungen stattfinden? Auch da sind wir im Moment in einer besonderen Situation. Es geht eben nicht nur darum, dass man bestimmte Streckenführungen beachtet, um möglichst Konflikte, vielleicht auch mit Gegendemonstranten, zu vermeiden, sondern es geht in diesen Zeiten eben auch ganz massiv um die Frage des Infektionsschutzes. Deswegen müssen die Behörden und zwar alle beteiligten Behörden, die im Vorfeld einer solchen Veranstaltung aktiv sind immer auch berücksichtigen, ob das, was sie zulassen, realistisch dazu führt, dass die Versammlungsteilnehmer in einer gewissen Größenordnung diese Regeln einhalten und die Behörden diese auch durchsetzen können.
STS SEIBERT: Auch wenn es wahrscheinlich nicht bei jedem verfängt, möchte man eigentlich allen Teilnehmern einer solchen Demonstration zurufen: Hört auf die überwiegende Mehrheit der Wissenschaft. Dieses Virus kann für jeden Corona-Skeptiker oder nicht gefährlich und auch lebensgefährlich sein. Unter den 10 000 und mehr Menschen, die in Deutschland an und mit dieser Krankheit leider schon gestorben sind, werden sicher eine ganze Menge gewesen sein, die nie geglaubt hätten, dass sie davon in irgendeine Gefahr gebracht werden könnten. Das würde ich gerne dazu sagen.
Wir werden als Bundesregierung immer wieder den Ernst der Krankheit und deswegen auch die Notwendigkeit, dass wir alle zusammen dagegen Maßnahmen ergreifen, betonen.
DR. KRÜGER: Ich kann mich auch voll und ganz dem anschließen, was Sie dazu gesagt haben, und kann an dieser Stelle vielleicht nur kurz ergänzen: Die Justizministerin hatte sich zu den Vorkommnissen in Leipzig ja auch schon geäußert und an die verantwortungsvolle Entscheidung aller Beteiligter appellieret. Vor allem sagt sie, dass die Demonstrationsfreiheit keine Freiheit zur Gewalt und zur massiven Gefährdung anderer ist. Sie hat die Angriffe auf die Polizei und auf die Presse sehr scharf verurteilt und gesagt: „Die Verhöhnung der Wissenschaft und die rechtsextreme Hetze, die wir gesehen haben, sind abscheulich“. Wie die Lage eskalieren konnte, bedarf jetzt gründlicher Aufklärung. Darüber hinaus sagt sie: „Tausende dicht an dicht ohne Masken sind ein Gipfel der Verantwortungslosigkeit und des Egoismus“.
ZUSATZFRAGE: Das Appellieren ist sicherlich wertvoll und auch richtig, aber darüber hinaus: Kann man denn gerade auch von der Justizseite her noch irgendetwas machen? Denn wenn ein Gericht so entscheidet, dann muss man ja das machen, was das Gericht entscheidet. Wie wollen Sie da die Konsequenzen ziehen?
DR. KRÜGER: Wir haben in Leipzig gesehen, dass die Auflagen nicht beachtet wurden. Das ist ja der größte Teil des Problems: dass Auflagen, die von behördlichen Stellen erlassen wurden, in Leipzig klar missachtet wurden und insofern eine Gefährdung aller also von mehr Menschen als denjenigen, die sich dort vor Ort beteiligt haben im Raum steht. Insofern ist es natürlich ein ganz wichtiger Aspekt, dass sich alle an die Auflagen halten.
FRAGE JESSEN: Herr Alter, wenn Sie sagen, der Innenminister stelle sich hinter die Entscheidung der Polizei, verstehe ich Sie dann richtig, dass Sie sagen: Es ist gut, eine Deeskalationsstrategie zu probieren, aber wenn man beim Betrachten des Resultats sieht, dass diese Strategie letztlich nicht erfolgreich war sie hat ja vom Ergebnis her nicht das erreicht, was sie erreichen sollte, und ist so gesehen objektiv misslungen , müsste dies für weitere Entscheidungen Konsequenzen nahelegen? Verstehen wir Sie da richtig?
ALTER: Das ist mir etwas zu pauschal formuliert, weil wir ja unterschiedliche Phasen dieser Veranstaltung betrachten müssen. Wir hatten jetzt verschiedentlich deutlich gemacht, dass man nach dem, was wir am vergangenen Wochenende erlebt haben, Zweifel haben muss, ob man eine Personengruppe in dieser Größenordnung an einem solchen Platz zu einer Versammlung zusammenkommen lassen kann, wenn vielleicht auch schon zahlenmäßig berechtigte Zweifel daran bestehen, ob die notwendigen Auflagen eingehalten werden können. Ich will auch daran erinnern, dass die Versammlungsbehörden ja zunächst zu einem anderen Ergebnis gekommen sind.
Mit dieser Situation sieht sich die Polizei dann aber konfrontiert, und sie muss dann im weiteren Verlauf damit umgehen. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen sind ja nicht zu Beginn der Veranstaltung entstanden, sondern im Verlauf, bereits nachdem die Veranstaltung aufgelöst worden ist. Sie ist aufgelöst worden, weil die Behörden erkannt haben, dass die Auflagen großflächig nicht eingehalten werden, und in dieser Situation hat die Polizei aus Sicht des Bundesinnenministers richtigerweise darauf gesetzt, die Situation möglichst ruhig zu Ende zu bringen und eben nicht mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Rentner, Kinder und Familien vorzugehen, auch wenn sich in dieser Gruppe Personen befunden haben, die ihre Gewaltbereitschaft zum Ausdruck gebracht haben. Insofern wäre mir diese zusammengefasste Schlussfolgerung, die Strategie sei nicht aufgegangen, etwas zu kurz gegriffen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Im Ergebnis ist sie dann aber eben doch nicht aufgegangen. Jetzt stellt sich die Frage: Wäre es sinnvoll, wenn bei vergleichbaren Anlässen, bei denen damit zu rechnen ist, dass sozusagen Demonstrationen gehijackt werden, stärkere Polizeipräsenz dann auch früher dafür sorgt, dass Auflagen eingehalten werden?
ALTER: Es muss das Ziel aller beteiligten Behörden sein, das Versammlungsrecht zu gewährleisten und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Maßnahmen des Infektionsschutzes vollständig zur Anwendung kommen. Das ist für alle Behörden auf allen Ebenen das erklärte Ziel oder muss es sein.
FRAGE JORDANS: Herr Alter, das Bundesjustizministerium bzw. die Bundesjustizministerin hat ja eine gründliche Aufklärung verlangt, wie die Lage eskalieren konnte. Die SPD-Vorsitzende hat von einer Bankrotterklärung des sächsischen Innenministers und des Bundesinnenministers gesprochen. Wie stehen Sie zu dieser Kritik? Unterstützen Sie eine Aufarbeitung auch in den eigenen Reihen? Sie haben ja eben selbst zugegeben, dass in Sicherheitsbehörden bekannt war, dass gewaltbereite Neonazis in der Menge waren.
ALTER: Zunächst einmal haben wir überhaupt gar keine Zweifel daran, dass die Behörden in Sachsen dieses Geschehen jetzt unter allen möglichen Blickwinkeln aufarbeiten und auch die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen. Das ist etwas, was immer stattfindet. Auch nach Einsätzen, die positiver verlaufen, findet das statt, und es wird auch in diesem Fall stattfinden; das hat die sächsische Regierung ja gestern auch in ihrer eigenen Pressekonferenz schon deutlich gemacht.
Zu der Kritik, die heute geäußert wird, insbesondere der Kritik am Bundesinnenminister, möchte ich darauf hinweisen das ist jetzt keine Schutzbehauptung, sondern es ist einfach ein Verfassungsgrundsatz , dass es in unserem Land Zuständigkeiten gibt, und Polizei ist Ländersache. Das hat zur Folge, dass die Einsatzplanung und auch die Einsatzvorbereitung üblicherweise durch die zuständigen Länder erfolgt. Der Bund hat bei der Bewältigung des Demonstrationsgeschehens mit ca. 300 Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei unterstützt, aber in der Federführung und in der Verantwortlichkeit der sächsischen Behörden. Der Minister hat also aus seiner Sicht heraus, nachdem er sich mit den zuständigen Akteuren in Sachsen über den Einsatzverlauf und auch über die Details und über die Informationen, die vorliegen, ausgetauscht hat, gestern deutlich gemacht: Er steht hinter dem, was an Grundentscheidungen getroffen wurde.
Insofern: Die Kritik ist vorhanden und wir nehmen sie zur Kenntnis.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Sie haben gesagt, dass 300 Bundespolizisten da waren. Die haben ja auch zugesehen, wie Journalisten oder Gegendemonstranten angegriffen wurden bzw. Journalisten an der Durchführung ihrer Arbeit gehindert wurden; das ist ja dokumentiert worden. Wollen Sie da eine Aufarbeitung auch unter der Bundespolizei, oder sagen Sie, dass das allein Sache der sächsischen Behörden ist?
ALTER: Man muss das, glaube ich, ein Stück weit auseinanderhalten. Die Verantwortung für den Polizeieinsatz bei der Versammlung in seiner Gänze liegt aus formalen Gründen bei den sächsischen Behörden. Diese Verantwortung wird von den sächsischen Behörden auch wahrgenommen. Es ist bei Einsätzen dieser Größenordnung immer so oder sehr häufig so, dass die Polizisten auch aus andren Bundesländern und von der Bundespolizei unterstützt werden. Das heißt, wir haben in solchen Situationen häufig eine Zusammensetzung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten aus unterschiedlichen Bereichen, die dort zusammenkommen. Der Einsatz als solcher muss aber von den sächsischen Behörden nachbereitet werden, und das wird er auch.
Zu den Angriffen auf Journalisten, die Sie angesprochen haben, will ich auch noch einmal deutlich machen: Journalisten kommen einer Aufgabe nach, die für unsere Demokratie sehr wichtig ist. Die freie Presse und die Möglichkeit der freien Berichterstattung zählen zu den Grundpfeilern unserer Demokratie, und wer Journalisten angreift in der Absicht, sie von ihrer Arbeit abzuhalten oder einzuschüchtern , der vergeht sich an unserer Verfassung. Um nichts Geringeres geht es hier, und insofern werden diese Vorfälle, soweit sie dokumentieret worden sind, natürlich auch zur Anzeige gebracht und dann im rechtsstaatlichen Verfahren verfolgt.
Es gibt diesbezüglich keinen Nachbereitungsbedarf, weil die Polizistinnen und Polizisten sich über diesen Aspekt sehr bewusst sind. Nichtsdestotrotz muss in der konkreten Situation eine Abwägung erfolgen. Die Polizei entscheidet unter Berücksichtigung des gesamten Bildes, auch ich will es noch einmal hervorheben hinsichtlich der Frage: Was folgt aus einer bestimmten Aktion, welche Lageentwicklung ist wahrscheinlich? Das kann dazu führen, dass man aus einer bestimmten Perspektive nur ein eingeschränktes Bild hat und möglicherweise Unverständnis entsteht, sich in der Nachbetrachtung dann aber doch eine schlüssige Situation ergibt.
FRAGE JUNG: Herr Alter, ist es nicht richtig, dass der Dienstherr der 300 Bundespolizisten Herr Seehofer ist, dass wir, wenn diese 300 Polizisten am Samstag zum Teil versagt haben, auch Sie dazu befragen und Sie dazu Stellung nehmen und Verantwortung übernehmen müssten, und dass auch diese 300 Bundespolizisten, deren Dienstherr Sie sind, nicht Angriffe auf Journalistinnen verhindern konnten?
Andere Frage: Sie hatten die Demoauflösung in Leipzig angesprochen. Das passierte kurz vor 16 Uhr. Danach wurde die Demo aber nicht aufgelöst. Die Masse hatte sich gegen die Polizei durchgesetzt und ist durch Leipzig, über den symbolträchtigen Leipziger Ring marschiert. Das ist das Gegenteil von einer Demoauflösung gewesen. War das das Verständnis der Polizei vor Ort?
ALTER: Zu Ihrer ersten Frage: Ich kann an dieser Stelle jetzt nicht nachvollziehen, in welcher Situation an welcher Stelle die 300 Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei im Einsatz gewesen sind. Am Samstag waren ja insgesamt mehr als 2600 Polizeibeamte in Leipzig im Einsatz. Insofern ist es richtig, dass Sie die Fragen an uns stellen, aber es bleibt ja dabei, dass die Nachbereitung eines solchen Einsatzes nur durch denjenigen erfolgen kann, der auch ein Gesamtbild darüber hat, der also weiß: Was hat an verschiedenen Stellen zu welchem Zeitpunkt stattgefunden? Diese Stelle ist auch diejenige, bei der die Berichte, die im Nachgang natürlich geschrieben werden auch von der Bundespolizei , zusammenlaufen. Wir können natürlich eine Betrachtung vornehmen und das tun wir auch , was die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei intern berichten. Aber auch da haben wir letztlich ja nur einen Teilausschnitt des Gesamtgeschehens. Deswegen ist es richtig, dass wir die Aufklärung zunächst einmal den sächsischen Behörden überlassen. Das ist einfach aus der Natur der Sache der logische und richtige Schritt.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ja, die Veranstaltung wurde sehr zeitnah, nachdem sie begonnen hatte, aufgelöst, weil die Versammlungsbehörden erkannt haben, dass die Regeln nicht eingehalten wurden, und ja, die Auflösung hat faktisch nicht stattgefunden. Die mehr als 20 000 Menschen sind zusammengeblieben und haben dann ihren Weg über den Leipziger Ring genommen, und die Polizei musste mit dieser Situation umgehen. Dazu, wie sie damit umgegangen ist, habe ich eben ja schon einiges gesagt.
FRAGE REITSCHUSTER: An Herrn Alter: Sie und Herr Seibert hatten von massiven Verletzungen der Auflagen gesprochen. Ich habe das selber gesehen ich war die ganze Zeit vor Ort : Die meisten hatten keine Masken. Die Veranstalter sagen nun aber, es sei nicht überprüft worden, wer befreit ist, und es seien sehr viele mit Maskenattest dabei gewesen. Ich habe diese Überprüfungen auch nicht gesehen. Liegen Ihnen da Erkenntnisse vor, wie viele überprüft wurden und wie hoch der Anteil derjenigen war, die nicht verstoßen haben? Denn nur am Mindestabstand kann es nicht gelegen haben; die Antifa daneben hat ja auch keinen Mindestabstand eingehalten und wurde auch nicht aufgelöst. Gibt es also Erkenntnisse zum Anteil? Woher weiß man, dass es Verstöße waren, wie viele hat man überprüft?
Zweite Frage: Es wurde jetzt sehr viel über Behinderung der Presse gesprochen. Sie sagten, wenn so etwas passiert sei, gingen Sie dagegen vor. Ich habe abgesehen davon, dass ich eine Glasflasche an den Kopf bekommen habe, nur eine Behinderung erlebt, und zwar durch die Bundespolizei. Die wollte mir nämlich das habe ich auf Video dokumentiert in einem nicht polizeilich abgesperrten Bereich untersagen, aufzunehmen. Sie sagten, ich müsse da weggehen und könne nicht so nah aufnehmen. Das habe ich alles auf Video. Werden Sie so etwas dann auch nachgehen?
ALTER: Zum ersten Teil Ihrer Frage bitte ich wirklich um Verständnis: Diese Fragen müssten Sie an die sächsischen Behörden richten. Wir haben keinen Überblick darüber, ob und inwieweit Ausnahmetatbestände im Verlauf dieses Veranstaltungsgeschehens kontrolliert wurden, und auch keine statistischen Daten dazu.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage kann ich auch nur sagen: Die Situation, die Sie schildern, mag sich so zugetragen haben, aber das Handeln der Polizei kann man dennoch noch nicht einordnen, nur weil Sie es hier als Sachverhalt schildern. Wir müssen einfach auch berücksichtigen, dass es, wenn sich Polizistinnen und Polizisten einer gewaltbereiten Gruppierung gegenübersehen und dann Journalisten auftauchen, um ihrer für uns alle wichtigen Arbeit nachzugehen, vielleicht auch die Überlegung gibt, dafür Sorge zu tragen, dass es nicht zu Angriffen kommt oder dass es nicht zu Gewaltaktionen gegenüber Journalisten kommt. Dann kann ein Platzverweis, der gegebenenfalls ausgesprochen wird, auch einen schützenden Effekt haben.
Ich will damit nur sagen: Ich kann die konkrete Situation, die Sie schildern, hier jetzt nicht im Detail einordnen, aber ich würde davor warnen, vorschnell zu meinen, sofort erkannt zu haben, aus welchen Motiven heraus die Polizei so oder anders gehandelt hat.
FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, Sie haben eben ja gesagt, dass das ein fatales Zeichen in einer kritischen Phase der Pandemiebekämpfung war. Die Bundesregierung ändert das Infektionsschutzgesetz im Moment ja dahingehend, dass Beschränkungen, die nach § 28 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes in so einer Pandemie vorgenommen werden können, auch genauer benannt werden. Sollte man da nicht zum Beispiel auch einen Passus zur Größe von Demonstrationen in einer vorübergehenden kritischen Phase, wie Sie das genannt haben, aufnehmen, damit Gerichte dann eine entsprechende Handhabe haben? Denn es gibt ja einen gewissen Widerspruch zwischen den Kontaktbeschränkungen, die es für normale Bürger gibt, und der Menge von Personen, die sich bei einer Demonstration versammeln können.
STS SEIBERT: Herr Kautz wird dazu gleich sicherlich übernehmen. Ich wiederhole noch einmal: Ich habe vorhin hoffentlich klar gemacht, wie wichtig auch für die Bundesregierung die Versammlungsfreiheit auch in Zeiten der Pandemie ist. Es gibt ja schon im geltenden Recht Möglichkeiten, Auflagen zu erteilen oder unter bestimmten engen Voraussetzungen auch Untersagungen auszusprechen. Das wird in § 28 des neuen Infektionsschutzgesetzes, den Sie angesprochen haben, noch einmal ausdrücklich genannt.
KAUTZ: Demonstrationen werden damit aber nicht geregelt, da haben Sie Recht. Von lokalen Behörden werden Auflagen formuliert, und ich sehe jetzt auch keinen Grund, warum an dieser gängigen Praxis etwas geändert werden sollte; denn an den Auflagen lag es in Leipzig sicherlich nicht.
FRAGE WOLF: Ich würde tatsächlich noch einmal nachhaken. Vor dem Hintergrund der Erfahrung von Leipzig sehen Sie dennoch nicht die Notwendigkeit, wenn ich es richtig verstanden habe, die Formulierungen im Infektionsschutzgesetz in diese Richtung zu konkretisieren, um Gerichten möglicherweise auch eine stabilere Grundlage dafür geben zu können, solche Demonstrationen zu verhindern.
KAUTZ: Ich kann dann nur das wiederholen, was ich gerade gesagt habe: An den Auflagen lag es in Leipzig nicht.
STS SEIBERT: Ich könnte vielleicht kurz noch etwas über die Sitzung des Coronakabinetts sagen. Vielleicht mache ich zu Beginn, da wir das eigentlich nach Sitzungen des Coronakabinetts immer machen, einen kurzen Abriss der dort besprochenen Themen.
Es ging wie immer zunächst um die aktuelle Infektionslage. Sie kennen die Zahlen alle. Die Zahl der Übertragungen in der Bevölkerung steigt in allen Bundesländern und in allen Altersgruppen weiter, und sie steigt auf ein jetzt schon sehr, sehr hohes Niveau, ein zu hohes Niveau. Es ist noch zu früh, die Wirkungen der für den November zusätzlich ergriffenen Maßnahmen zu bewerten. Unser gemeinsames Ziel ist es weiterhin, die Zahl dieser Neuinfektionen deutlich zu senken. So können wir Belastung der Krankenhäuser und der Gesundheitsämter verhindern. Das haben wir gemeinsam in der Hand.
Ein weiteres Thema war die Impfstrategie. Sobald es einen oder mehrere sichere und zuverlässige Impfstoffe geben wird bzw. sobald sie zugelassen werden, wird die Lieferung nach und nach entsprechend der Produktion erfolgen. Daher muss zumindest am Anfang priorisiert werden, wer zuerst geimpft wird. Das werden vor allem Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte sowie Menschen sein, die zu einer Risikogruppe gehören. Zu den ganz wichtigen ethischen Fragen und auch den rechtlichen Rahmenbedingungen rund um das Thema des Impfens haben Sie ja vielleicht schon gehört, dass die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, die Vorsitzende der Ständigen Impfkommission und der Präsident der Leopoldina heute eine gemeinsame Pressekonferenz gemacht und ihr Positionspapier „Wie soll der Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff geregelt werden?“ vorgestellt haben.
Ein weiteres Thema war der Bericht des Bundesgesundheitsministeriums zum Schutz vulnerabler Gruppen. Ihnen gilt bei der Impfstrategie das habe ich gerade gesagt wie auch bei der Teststrategie und den allgemeinen Schutzkonzepten eine besondere Aufmerksamkeit.
Außerdem haben das Bundesgesundheitsministerium bzw. Minister Jens Spahn einen Überblick über die Testkapazitäten und die Testkriterien gegeben. Eine für Sie vielleicht interessante Zahl: In der vergangenen Woche sind es 1,6 Millionen Tests gewesen, die in Deutschland durchgeführt wurden.
Zuletzt ging es um das Thema der länderübergreifenden Krankentransporte. Auch das hat heute im Coronakabinett eine Rolle gespielt.
FRAGE JORDANS: Ich habe eine Frage an das BMG. Ich weiß nicht, ob das heute auch im Coronakabinett aufkam. Deutschland wollte ja zusammen mit anderen europäischen Ländern diese Woche, glaube ich, eine Resolution zur Reform der WHO vorlegen. Wird das jetzt noch passieren, oder gibt es Pläne, das angesichts der US-Wahl zu verschieben?
KAUTZ: Dazu kann ich Ihnen keinen neuen Stand nennen. Das ist Bestandteil interner Beratungen. Der Minister hat sich gestern so dazu geäußert, dass er in der Tat die Hoffnung hegt, dass die USA gar nicht erst aus der WHO austreten und damit auch Bestandteil dieses Reformprozesses sein werden.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Heißt das, wenn man eine Reform der WHO anstrebt, dann würde man jetzt erst einmal die Entwicklung in den USA abwarten wollen?
KAUTZ: Das habe ich nicht gesagt.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Aber ist das eine Tatsache?
KAUTZ: Die EU ist dabei, ein Reformkonzept zu entwickeln. Aber natürlich wird man sich mit den amerikanischen Partnern darüber auch austauschen.
FRAGE DR. DELFS: Ich habe eine Frage an Herrn Kautz und Frau Adebahr, und zwar zur Entwicklung in Dänemark auf diesen Nerzfarmen. Wie bewerten Sie die eigentlich? Da ist anscheinend ein mutiertes Virus im Umlauf, und deswegen hat zum Beispiel Großbritannien einer Einreisesperre verfügt. Gibt es ähnliche Pläne in Deutschland? Wie bewertet man eigentlich die Gefahr durch solche Mutationen?
KAUTZ: Ich kann dazu gerne etwas sagen. Das Friedrich-Loeffler-Institut hat eine Risikoeinschätzung hinsichtlich der Vermutung abgegeben das müsste dann eigentlich das Landwirtschaftsministerium sagen , dass in Nerzen neue Virusvarianten generiert werden. Dafür gibt es allerdings bislang noch keine wissenschaftlichen Belege. Ich weiß nicht, ob Sie die Pressekonferenz verfolgt haben, die wir hier vergangene Woche durchgeführt hatten. Frau Prof. Brinkmann, eine Virologin, hat uns sagt, dass momentan noch als relativ gesichert gilt, dass dieses Virus nicht stark mutiert und relativ stabil ist. Trotzdem werden das Paul-Ehrlich-Institut und das RKI die Situation natürlich weiter verfolgen.
ADEBAHR: Außenminister Maas hat mit seinem dänischen Kollegen telefoniert. Der hat ihn auch über die aktuelle Situation unterrichtet. Die beiden haben sich darüber ausgetauscht. Es gibt ja in Brüssel derzeit auch intensive Beratungen darüber, wie man Fragen der Kontaktnachverfolgung, des Managements und der ganzen Krise europäisch gestaltet, und man war sich einig, dass man sich europäisch koordinieren will.
Ich glaube, was Fragen nach Einreise und Kontrollen angeht, wäre das BMI der richtige Ansprechpartner.
ALTER: Vielleicht kann ich noch einmal den aktuellen Sachstand wiedergeben. Es gibt ja an allen Binnengrenzen eine intensivierte Schleierfahndung, auch mit Blick auf das Infektionsgeschehen. Das betrifft auch die deutsch-dänischen Grenze. Dort werden Stichprobenkontrollen mit dem Ziel durchgeführt, dass man Sachverhalte, die für das Infektionsgeschehen relevant sind, auch mit den zuständigen Gesundheitsämtern besprechen kann. Wir denken aber derzeit nicht darüber nach, Grenzkontrollen an der Grenze zu Dänemark einzuführen.
FRAGE REITSCHUSTER: (Beginn ohne Mikrofon; akustisch unverständlich) Der Abgeordnete Luthe aus dem Berliner Abgeordnetenhaus hat eine Anfrage an den Berliner Senat gestellt und gefragt, ob der PCR-Test nachweisen könne, dass der Erreger infektiös sei. Die Antwort des Berliner Senates durch die Gesundheitsverwaltung war ich habe es gesehen schwarz auf weiß: Nein. – Herr Luthe sagt, er ziehe nun die Schlussfolgerung, dass der PCR-Test nicht die Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz begründen kann. Wie betrachten Sie diese Aussage des Berliner Senats?
KAUTZ: Ich werde jetzt nicht Aussagen von Berliner Abgeordneten kommentieren. Ich kann Ihnen allerdings sagen, dass laut Infektionsschutzgesetz eine Infektion als die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus definiert ist. Mit dieser Definition wird der Tatsache Rechnung getragen, dass nicht in jedem Fall die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Vermehrung zu einer Krankheit führen. Somit ist der PCR-Test sehr wohl durch dieses Infektionsschutzgesetz gedeckt.
ZUSATZ REITSCHUSTER: Der ist also gedeckt, obwohl er nicht den Nachweis der Vermehrung führen kann. Sie sehen das anders als der Berliner Senat.
KAUTZ: Herr Reitschuster, Sie wiederholen Ihrer Frage. Ich habe dazu gesagt
ZURUF REITSCHUSTER: Ja, weil ich keine Antwort bekommen habe!
KAUTZ: Ich habe dazu gesagt, was ich zu sagen habe. Es ist
ZURUF REITSCHUSTER: (akustisch unverständlich)
KAUTZ: Es ist durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt.
FRAGE KUHN: Wie bewerten Sie die Möglichkeit, die Corona-Warn-App um eine Clustererfassung zu erweitern, zum Beispiel in Restaurants oder Veranstaltungen? Teile des DP3T-Konsortiums haben mit CrowdNotifier ein Konzept für die dezentrale anonyme Erfassung von Zusammenkünften über einen QR-Code-Scan vorgelegt.
KAUTZ: Wir entwickeln die Corona-Warn-App ständig weiter. Sie ist sehr erfolgreich, was die Downloadzahlen betrifft. Wir sind dabei, sie ständig zu verbessern. Es gibt auch ständig Verbesserungen, wie das bei Digitalisierungsprojekten üblich ist. Wir werden aber am Prinzip der Corona-Warn-App nichts ändern, dem der Freiwilligkeit und der Nichtnachverfolgbarkeit von Infektionen. Daran wird sich nichts ändern.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, Herr Kautz, Können Sie uns die aktuelle Zahl der App-Nutzer nennen? Wie haben sich die Downloadzahlen in den letzten zwei Wochen entwickelt?
STS SEIBERT: Meine neueste Zahl ist: Es gibt mit Stand von heute Morgen 22,14 Millionen Downloads. Ich habe es heute Morgen gesehen: Die Zahl ist über das Wochenende hinweg um etwa 250 000 gestiegen, also sehr nennenswert. Es wurden inzwischen mehr als 3 Millionen genau 3,116 Millionen Testergebnisse auf dem digitalen Weg von den angeschlossenen Laboren übermittelt. Es ist ja so, dass dies der schnellste Weg einer Testergebnisübermittlung ist.
Es gibt 53 565 User, die ihr positives Coronatestergebnis über die App geteilt haben. Es ist ja am Anfang immer wieder und auch zu Recht beklagt worden, dass zu wenige Menschen diese aktive Handlung in der Corona-Warn-App vornehmen. Es werden deutlich mehr. Trotzdem bleibt es bei dem Aufruf an alle, die eine Corona-Warn-App installiert haben: Wenn Sie tatsächlich ein positives Testergebnis mitgeteilt bekommen, dann teilen Sie es auch über die App; denn nur dann können Ihre Kontakte anonym bzw. pseudonymisiert informiert werden. – Das tun jetzt doch sehr viele Menschen.
ZUSATZ JUNG: Weil Sie die Nutzer gerade erwähnt hatten: Ich hatte nach den Nutzerzahlen gefragt, nicht nach den Downloads, Herr Seibert.
STS SEIBERT: Ich habe jetzt hier nur die Downloadzahlen vorliegen. Ich müsste schauen, ob man das genauer herunterbrechen kann.
FRAGE DR. RINKE: Ich habe nur eine kurze Nachfrage dazu, ob ich das richtig verstanden habe: Mehr als 500 000 User haben ihren positiven Test
STS SEIBERT: Nein. Habe ich so falsch gesprochen? Genau 53 565 User haben nach dem Stand der Meldung von heute Morgen ihr positives Testergebnis über die App geteilt.
FRAGE GEERS: Es gibt einen Brandbrief von drei Ländern von Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen an Minister Altmaier mit dem Tenor, bei den sogenannten Novemberhilfen, bislang vorgesehenen Antrags- und Bewilligungsverfahren, drohten massive Verzögerungen. Eine den Bedürfnissen der Unternehmen angemessene Abwicklung drohe unmöglich zu werden. Was sagt das BMWi dazu?
Zweitens: Gibt es Überlegungen, auf die Forderungen einzugehen, den Kreis der mittelbar betroffenen Unternehmen zum Beispiel auf den Einzelhandel auszuweiten und für diese Firmen dann auch die Zugangskriterien für Finanzhilfen zu lockern?
EICHLER: Ja, dazu vielleicht erst einmal Folgendes: In der letzten Woche wurden die Details der sogenannten Novemberhilfe ja vorgestellt. Der Zweck der Novemberhilfe ist es, jetzt im November den Ausfällen, die Unternehmen haben, zu begegnen oder sie dort, wo es jetzt erforderlich wird, durch die Maßnahmen zu unterstützen. Das Ziel ist, das möglichst unbürokratisch zu tun, damit die Hilfen auch möglichst schnell ankommen. Ein Weg dafür, der gewählt wird, ist gewesen, dass Soloselbstständige Anträge bis 5000 Euro selbst stellen können. Das wurde so, wie gesagt, eben vor dem Hintergrund dessen entschieden, diese Hilfen möglichst unbürokratisch an diejenigen zu bringen, die sie brauchen.
Was den Kreis der Antragsberechtigten angeht, ist die Entscheidung eben dafür gefallen, dass mittelbar Betroffene das heißt, Unternehmen, die nicht direkt von einer Schließungsanordnung betroffen sind dann in den Kreis der Antragsberechtigten einbezogen werden, wenn sie einen bestimmten Anteil ihres Umsatzes normalerweise mit direkt betroffenen Unternehmen machen.
FRAGE DR. RINKE: Weil vorhin der Verweis auf das Landwirtschaftsministerium aufkam: Das wäre auch meine Frage. Gibt es irgendwelche Erkenntnisse darüber, dass in Deutschland auch Nerze betroffen sind?
FRISCHEMEYER: Unsere Bundesministerin, Julia Klöckner, hat das zum Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gehörende Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, das Friedrich-Loeffler-Institut, beauftragt, Studien über die Empfänglichkeit von Tieren gegenüber SARS-CoV-2 durchzuführen.
Das Ergebnis lautet, dass die wichtigsten landwirtschaftlichen Nutztiere wie Schweine und Hühner nicht infizierbar sind. Von diesen Tieren geht demnach keine Gefahr einer Übertragung des Virus auf den Menschen aus. Das Friedrich-Loeffler-Institut beobachtet aber weiterhin die Entwicklung und führt auch konstant und kontinuierlich Studien zu dem Thema durch.
FRAGE JUNG: Sie hatten jetzt erwähnt, dass Schweine und Hühner nicht infizierbar seien. Wurde denn festgestellt, welche Tiere infizierbar sind?
FRISCHEMEYER: Das war Bestandteil der Untersuchung. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Sie haben jetzt nur gesagt, welche Tiere nicht infizierbar sind. Welche sind infizierbar? Wenn Sie jetzt Schweine und Hühner nennen, heißt das, Kühe, Schafe, Ziegen und Hunde nicht?
FRISCHEMEYER: Das muss ich Ihnen nachreichen. Das müsste das Friedrich-Loeffler-Institut detaillierter wissen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Wenn Sie uns das hier mitteilen, wie können Sie uns denn die andere Seite nicht mitteilen? Das verstehe ich nicht.
VORS. DETJEN: Wir werden versuchen, das nachzuliefern, wenn es da Erkenntnisse gibt. Jedenfalls gibt es Erkenntnisse, welche Tiere nicht infizierbar sind.
FRAGE DR. RINKE: Das kann ich nur unterstützen, zumal die Frage auf die Nerze zielte. Da sind ja jetzt schon Infektionen in mehreren Ländern, nicht nur in Dänemark, gefunden worden. Deswegen noch einmal meine Frage von vorhin: Haben Sie bei Nerzen in Deutschland auch schon Infektionen festgestellt?
FRISCHEMEYER: In Deutschland spielt die kommerzielle Haltung von Nerzen keine Rolle. In dem Sinne stellt sich die Frage für uns nicht.
FRAGE NERBOLIER: Zur Videokonferenz zum Kampf gegen islamistischen Terror: Was sind die konkreten Hauptmaßnahmen, die morgen von Frau Merkel, Herrn Macron, Herrn Kurz usw. besprochen werden? Was sind die deutschen Prioritäten in diesem Bereich?
STS SEIBERT: Um es ganz klar zu sagen: Ich möchte diesem Gespräch morgen nicht vorgreifen.
FRAGE DR. RINKE: Vielleicht eine Frage an das Innenministerium, da die Innenminister sich ja auch am Freitag mit dieser Frage auseinandersetzen: Es gibt ja schon Vorschläge, sowohl von Macron als auch von der CSU-Landesgruppe, dass man zum Beispiel zu verstärkten Grenzkontrollen übergeht, dass man Gefährder in Gefängnissen isoliert. Was sind die Ziele, die das Innenministerium als deutsche Ratspräsidentschaft für dieses Innenministertreffen anstrebt?
ALTER: Es ist natürlich klar, dass die deutsche Ratspräsidentschaft, wenn sie einen inhaltlichen Schwerpunkt setzt, auch die Inhalte vorbereitet. Deswegen gibt es im Moment auf verschiedenen Ebenen Gespräche. Es gibt Papiere, die aus dem politischen Raum stammen. Das ist alles richtig. Aber ich würde es gern so wie auch der Regierungssprecher halten.
Die Gespräche werden stattfinden. Vorab möchte ich dazu keine Stellung nehmen.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Darf ich es noch einmal versuchen, weil diese Vorschläge ja auf dem Tisch liegen? Befürwortet Herr Seehofer, dass man auf den Vorschlag von Herrn Macron oder der CSU eingeht, zum Beispiel Grenzkontrollen einzuführen?
ALTER: Der Bundesinnenminister wird in seinen Gesprächen diese Anregungen, die von unterschiedlicher Seite kommen, berücksichtigen.
FRAGE JUNG: Auch an Herrn Alter, gegebenenfalls an Herrn Seibert: Es gibt ein vom 6. November datiertes Dokument der deutschen Ratspräsidentschaft an die Delegationen der Mitgliedstaaten im Rat, aus dem hervorgeht, dass der Terroranschlag in Wien im EU-Ministerrat dazu benutzt zu werden scheint, ein Verbot sicherer Verschlüsselung für Dienste wie WhatsApp, Signal und viele andere durchzusetzen. Können Sie das bestätigen, dass die deutsche Ratspräsidentschaft das Verbot von verschlüsselter Kommunikation vorhat? Können Sie uns sagen, wie das in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien steht?
ALTER: Ich würde den Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien nicht so sehen. Es ist so, dass die Bundesregierung ihre grundsätzliche Haltung zum Thema Verschlüsselung ja bereits mit dem Kabinettsbeschluss vom 2. Juli 1999 festgelegt hat. Danach hält sie an dem Prinzip Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung fest. Dieses Prinzip ist auch in der Cyber-Sicherheitsstrategie von 2016 so verankert.
Jetzt haben wir die Ratspräsidentschaft seit Beginn des zweiten Halbjahres. Bei dem Dokument, von dem Sie reden, handelt es sich um einen Entwurf einer Resolution, die die deutsche Ratspräsidentschaft erstellt hat, nachdem sie von den Mitgliedstaaten mit diesem Mandat ausgerüstet wurde.
Ziel dieser Diskussion oder dieser Initiative ist es, mit der Industrie ins Gespräch zu kommen und einen allgemeinen Konsens zu erzielen, wie auf diesem Gebiet Fortschritte zu erzielen sind, die für beide Seiten akzeptabel sind.
ZUSATZFRAGE JUNG: Gehört sichere, also verschlüsselte Kommunikation, für die Bundesregierung zu den Grundrechten in Deutschland?
ALTER: Es geht jedenfalls bei der Initiative nicht darum, in irgendeiner Form eine Art Generalschlüssel zu definieren oder zu erstellen.
FRAGE JORDANS: Herr Alter, in dem Dokument ist die Rede davon, dass kompetente Behörden Zugang zu diesen verschlüsselten Nachrichten erhalten sollen. Können Sie für uns dechiffrieren, was „kompetente Behörden“ heißt? Sind das jetzt bloß Polizeibehörden, oder können das auch die Geheimdienste sein?
ALTER: Ich nehme an, dass dieser Begriff aus einer Übersetzung stammt. Es gibt diese Bezeichnung „competent authorities“ häufig im Englischen. Damit sind die Behörden gemeint, die hier Zuständigkeiten haben und auch entsprechende rechtliche Befugnisse besitzen.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Wer wäre das in Deutschland?
ALTER: In Deutschland wir haben es ja erst kürzlich per Kabinettsbeschluss deutlich gemacht haben die Polizeien Zugriff auf Telekommunikationsdaten. Aber auch das Bundesamt für Verfassungsschutz soll solche Befugnisse erhalten.
FRAGE VOLLRADT: Ein Vorschlag von Herrn Macron wurde ja in Reihen des Bundestages von Grünen, CDU und sogar AfD aufgegriffen, und zwar nach einem Verbot der „Grauen Wölfe“.
Ich weiß, das Ministerium sagt im Vorfeld nichts zu möglichen Vereinsverboten. Aber können Sie sagen, inwieweit das BMI das aktuelle Gefährdungspotenzial durch die „Grauen Wölfe“ einschätzt, auch im Zusammenhang mit dem Konflikt um Bergkarabach? Gibt es da Beobachtungen Ihrerseits? In Frankreich spielt das ja eine größere Rolle.
ALTER: Das muss ich Ihnen nachliefern. Es gibt in verschiedenen Dokumenten Erwähnungen der „Grauen Wölfe“. Ob und inwieweit sich durch aktuelle Entwicklungen eine Veränderung ergeben hat, reiche ich gern nach.
FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, ich wollte noch einmal zu den US-Wahlen fragen.
Die Kanzlerin hat ja heute unter anderem gesagt, dass man sich schon bewusst sei, dass Deutschland und Europa auch weiterhin mehr leisten müssten, was die Sicherheit angeht. Können Sie sagen, ob sie damit gemeint hat, dass man jetzt noch mehr als das schon Beschlossene machen muss? Ist Deutschland dazu bereit? Wäre Deutschland dazu bereit? Denn sie hat ja im Nebensatz hinzugefügt, dass eigentlich schon viel passiert ist.
Dann noch einmal in dem Zusammenhang: Gibt es schon eine konkrete Initiative der deutschen Ratspräsidentschaft, um auf EU-Ebene einen neuen Dialog mit den USA anzustoßen?
STS SEIBERT: Zu Ihrer ersten Frage: Die Bundeskanzlerin hat, wenn ich mich recht erinnere, gesagt „und wir Europäer haben uns ja längst auf diesen Weg gemacht“.
Das zeigt ja: Es ist ein Weg, der sich noch fortsetzen wird, dass Europa mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit, für die Sicherheit und seine Interessen auch in den Regionen rund um Europa übernehmen wird. Der Weg ist ganz erkennbar noch nicht abgeschlossen.
Wir sind jetzt in einer Phase, in der in Amerika das, was man „transition“ nennt, beginnt. Deswegen finde ich es zu früh, jetzt für die Bundesregierung, die deutsche Ratspräsidentschaft oder für Europa hier Initiativen anzukündigen. Diese „transition“ wird jetzt in Amerika beginnen, sie wird dort durchgeführt. Im Zuge dieser „transition“ wird es dann sicher auch wie es bei den vorhergegangenen Regierungswechseln, Präsidentenwechseln, war Kontakte geben. Aber heute halte ich das für zu früh.
FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, vielleicht können Sie noch einmal im Nachklang erklären, warum einige europäische Staats- und Regierungschefs Herrn Biden sehr früh gratuliert haben. Es scheint ja da doch auch Unterschiede in der EU zu geben. Man hat sich mit einigen abgesprochen, aber anscheinend nicht mit allen.
Die Frage an Frau Adebahr zu dieser Gratulationswelle, die es gegeben hat, ja teilweise auch für Unterlegene, wie zum Beispiel vom slowenischen Ministerpräsidenten: Gibt es eigentlich auch auf der Außenministerebene irgendeine Vereinbarung, wie man jetzt weiter vorgehen will?
STS SEIBERT: Ich kann und will hier nur für die Bundesregierung sprechen. Die Bundeskanzlerin hat zu dem Zeitpunkt gratuliert das haben ja dann auch andere Vertreter der Bundesregierung getan , den wir für den Geeigneten hielten, und zwar anhand der bis dahin veröffentlichten Auszählungsergebnisse, der sehr klaren Einschätzung der OSZE-Beobachterkommission, der einhelligen Bewertung durch die US-Medien usw. Es hat dazu Kontakte mit wichtigen europäischen Partnern gegeben. Aber ich kann nicht für alle europäischen Partner sprechen.
ADEBAHR: Selbiges gilt für die Außenminister. Es gab Kontakte auf europäischer Ebene. Es gab natürlich Kontakte der Bundesregierung. Der Außenminister hat zu dem Zeitpunkt gratuliert, den er in dieser Situation für den Richtigen hielt.
FRAGE DR. DELFS: Das ist eine Frage an Herrn Seibert und Frau Adebahr. Haben Sie Verständnis dafür, dass sowohl Russland als auch China dem neuen US-Präsidenten bislang nicht gratuliert haben? Können Sie diesen Schritt nachvollziehen?
STS SEIBERT: Das haben wir, denke ich, nicht zu kommentieren. Die Bundeskanzlerin und der Außenminister, für die wir hier sprechen, haben es an dem aus ihrer Sicht geeigneten Zeitpunkt getan.
FRAGE JESSEN: Ich hätte eine Frage zu den Konsequenzen der Transition.
Das Thema Iran scheint sich wieder aufzumachen. Teheran hat offenbar signalisiert, dass sie wieder gern verhandeln würden. Welche Rolle spielt Deutschland dabei, Frau Adebahr? Wie schätzen Sie die Chancen ein, wieder in Verhandlungen über eine Begrenzung iranischer Atomprogramme zu kommen?
ADEBAHR: Natürlich gibt es viele internationale Themen, die Deutschland und Europa mit einer neuen und dann gewählten US-Administration besprechen wollen. Iran gehört sicher dazu.
Der Außenminister hat heute Morgen im „Deutschlandfunk“ dazu schon gesagt, dass wir das JCPOA immer als gutes Abkommen betrachtet haben und wir das auch weiterhin tun, dass wir auf der anderen Seite aber sehen, dass Iran dieses Abkommen im Moment verletzt und dass für die USA Themen wie das Verhalten gegenüber Israel und die iranische Rolle in der Region immer wichtig waren.
Der Außenminister hat heute auch zum Ausdruck gebracht, dass das natürlich Themen sind, über die man wird reden können. Es wäre gut, wenn man darüber redet, dann auch gemeinsam mit dem Iran.
Insofern: Jetzt müssen wir alle abwarten. Es ist eine Transition, die gerade beginnt. Dann wird man sehen, wie eine neue US-Administration sich zu verschiedenen Themen, auch zu Iran, verhält. Joe Biden hat im Wahlkampf dazu ja schon einmal Stellung genommen. Insofern wird man abwarten, wie sich das entwickelt. Da sind wir dann Anfang nächsten Jahres, wenn es soweit ist, dass am 20. Januar eine neue Administration ins Amt kommt.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Frage war ja, ob Deutschland sozusagen, weil es offenbar das Vertrauen zumindest teilweise des Iran wie der designierten Biden-Administration genießt, eine Art Vorreiter-, Entwicklungs- oder Moderatorenrolle wird spielen können und sich vielleicht jetzt schon vorbereitet?
ADEBAHR: Welche Rolle Deutschland da spielt, müssen wir einmal abwarten. Das JCPOA hat verschiedene Parteien. Frankreich, Großbritannien, die EU und Deutschland gehören dazu. Alle sind aktive Mitglieder dieses Abkommens.
FRAGE FIRSOVA: Frau Adebahr, Herr Seibert, was hält die Bundesregierung von der am 11. und 12. November in Damaskus angekündigten Konferenz zum Thema Flüchtlinge?
ADEBAHR: Das müsste ich genauer nachreichen. Da traue ich mir jetzt mit einer ganz oberflächlichen „hearsay“-Kenntnis“ keine fundierte Meinung zu, die ich Ihnen hier vortragen möchte.
FRAGE: Der „SPIEGEL“ hat sich jüngst beim ehemaligen Bundesanwalt von Stahl für die damalige Berichterstattung im Komplex Bad Kleinen entschuldigt. Da wäre meine Frage, ob das in Ihrem Haus nicht vielleicht auch eine Gelegenheit wäre, sich im Sinne einer kollektiven Verantwortlichkeit zu entschuldigen, um diese Vorgänge sozusagen abzuschließen und eine symbolische Rehabilitierung zu erwirken, zumal dieser vorzeitige Ruhestand ja dem Steuerzahler auch einiges gekostet hat?
DR. KRÜGER: Vielen Dank für diese Frage. Ich muss sie mitnehmen und kann jetzt gerade nichts dazu beitragen. Es tut mir leid.