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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 30. November 2020

Naive Fragen zu:
2:25 Belarus
– wann hat die Kanzlerin zuletzt mit Putin über Belarus gesprochen? (6:05)

8:47 Corona-Kabinett
– ich hab noch nicht ganz verstanden, was Sie jetzt mit den Plänen der Ministerpräsidenten machen. Grenzen die sich jetzt zu sehr von der Vereinbarung von letzter Woche ab? Haben Sie da irgendwas in der Hand, von Bundesseite, das zu untersagen oder zu unterlassen? (ab 20:34)
– Sie sind dagegen, aber können nichts dagegen tun, richtig?
– Hans‘ Frage (ab 38:47)

45:51 Ermordung eines iranischen Wissenschaftlers
– da Sie gerade meinten, dass Sie solche Tötungen generell verurteilen. Sie haben es jetzt aber nicht konkret auf diesen iranischen Fall bezogen. Hab ich Sie richtig verstanden, dass Sie die Ermordung des iranischen Kernphysikers verurteilen? (ab 48:49)
– was brauchen Sie denn für eine Erkenntnis noch, sowas zu verurteilen? Was fehlt Ihnen da?

51:58 Deutsche illegale Pushbacks
– Hans‘ Frage (ab 56:19)
– Tschuldigung, aber Herr Jessen hatte gerade die Frage gestellt, wie Sie darauf kommen, ein überfülltes Schlauchboot mit 40 Menschen, mit Kindern und Frauen, als nicht in Seenot zu bezeichen? (ab 57:23)
– erkennt das BMI das internationale Seerecht an?

1:03:24 Urteil zu Drohnenangriffe via Ramstein
– wie beurteilen Sie das Urteil des Bundesverwaltungsgericht zu Ramstein? Da wurde geurteilt, dass die Bundesregierung der USA nicht untersagen MUSS, die Airbase Ramstein für ihre weltweiten Drohnenmorde zu nutzen. Begrüßen Sie das? Finden Sie es schade, dass Sie es nicht tun müssen?
– Lernfrage ans AA: Das Gericht hat nicht festgestellt, dass Ramstein auch für die „Analyse relevanter Informationen“ der Drohnenangriffe wichtig ist. Dabei hat das AA im Bundestag 2016 selbst eingeräumt, dass Ramstein zur „Planung, Überwachung und Auswertung“ dient.

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 30. November 2020:

STS SEIBERT: Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren! Ich möchte auch heute etwas zu den Ereignissen in Belarus sagen. Trotz Minustemperaturen und Massenfestnahmen haben dort auch gestern wieder Tausende von Menschen friedlich und furchtlos für ihre demokratischen Rechte demonstriert. Doch Herr Lukaschenko und seine Helfer setzen ihren genauso zynischen wie brachialen Kampf gegen Demokratie und Freiheit, gegen diese freiheitlich und friedlich demonstrierenden Menschen fort. Sie ignorieren die legitimen Forderungen der von der Breite des Volkes getragenen Demokratiebewegung. Sie haben in den letzten Monaten und leider bis heute nicht begreifen wollen, dass sie die Stimmen so vieler Belarussinnen und Belarussen nicht zum Schweigen bringen und sie das Streben nach Freiheit nicht niederknüppeln können.

Wir bekräftigen daher nachdrücklich unsere Forderungen: Demokratische Freiheiten müssen gewährleistet werden. Repressionen und Polizeigewalt müssen ein Ende finden. Vor allem müssen Herr Lukaschenko und sein Apparat in einen konstruktiven und offenen Dialog für faire und freie Neuwahlen treten.

FRAGE REITSCHUSTER: Eine Frage zu Belarus, wobei ich glaube, dass sie sich eher an das Auswärtige Amt richtet: Bei den Demonstrationen werden ja die Hygieneregeln weitgehend nicht eingehalten. Gibt es Erkenntnisse, ob das zu COVID-19-Erkrankungen führt? Wie hoch sind die Raten dort, die Belegungen in den Krankenhäusern?

STS SEIBERT: Solche Erkenntnisse müssten Sie bei den belarussischen Stellen erfragen. Wir können sie naturgemäß nicht haben.

Das größte Problem dieser Demonstrationen ist aber die Art und Weise, wie der Staat und der staatliche Unterdrückungsapparat auf sie reagieren. Wir sehen nach jedem Wochenende Bilder von Menschen, die niedergeknüppelt werden, die in Kleintransportern verschleppt werden. Ihr Schicksal ist ungewiss. Das halten wir für das größte Problem dieser Demonstrationen.

ADEBAHR: Ich möchte noch eine Sache anfügen: Weil das so ist die Haltung der Bundesregierung hat Herr Seibert ja gerade dargelegt , wird Außenminister Maas am Mittwoch beim Minsk-Forum ein Grußwort sprechen. Das wird er gemeinsam mit dem polnischen Außenminister Rau und der belarussischen Präsidentschaftskandidatin und Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja virtuell tun. Das Minsk-Forum wurde 1997 ins Leben gerufen. Dieses Jahr ist das Minsk-Forum kein Treffen wie in den anderen Jahren. Denn es ist klar wie Herr Seibert gerade gesagt hat , dass sich die Situation in Belarus in den letzten Wochen und Monaten grundlegend verändert hat. Das wird eine Veranstaltung sein, auf der man auch mit der Zivilgesellschaft darüber diskutieren können wird, wie es in Belarus einen Ausweg aus der Krise gibt.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Bei der Abwägung zwischen Freiheit, Demokratie, Gesundheit und Leben ist es in Belarus so, dass sie zum Vorteil von Freiheit und Demokratie abwägen. Verstehe ich das richtig?

STS SEIBERT: Herr Reitschuster, in Ihrer Frage negieren Sie völlig die eklatante Unterdrückung des Freiheitswillens von friedlich demonstrierenden Menschen und die brutale Gewalt, mit der diese Freiheit niedergeknüppelt wird. Darüber sollten wir sprechen.

Auch wir möchten natürlich, dass Belarus möglichst gut durch die Pandemie kommt und es dort möglichst wenige Infektionen gibt. Die konkrete Infektionszahl können Sie allerdings nicht bei der Bundesregierung erfragen, sondern müssten sie bei belarussischen Stellen erfragen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, wann hat die Kanzlerin zuletzt mit Herrn Putin über Belarus gesprochen?

STS SEIBERT: Das kann ich Ihnen aus dem Kopf nicht sagen. Wenn wir dazu etwas herauszugeben haben, dann werden die Kollegen mir das sicherlich sagen.

ADEBAHR: Ich wollte Ihnen gern ankündigen, dass Außenminister Maas morgen und übermorgen per Videoschalte am Treffen der NATO-Außenminister teilnehmen wird. Bei dem zweitägigen Treffen wird es unter anderem darum gehen, die Ergebnisse des Reflexionsprozesses vorzustellen, den Außenminister Maas vor einem Jahr angestoßen hat. Zu diesem Reflexionsprozess haben die Co-Vorsitzenden Thomas de Maizière und Wess Mitchell nun einen Bericht vorgelegt, der den Teilnehmern vorgelegt und zum ersten Mal dort angeschaut werden wird.

Es wird bei dem Treffen unter anderem auch um das weitere Vorgehen der NATO-Partner in Afghanistan gehen, aber auch um ganz wichtige Zukunftsthemen wie Rüstungskontrolle und die Zusammenarbeit mit anderen Staaten.

Außenminister Maas wird morgen vor dem Treffen ein sogenanntes Stake-in im Auswärtigen Amt machen, das auch presseöffentlich sein wird. Wenn er das tut, dann kommt er das ist meine zweite Ankündigung aus dem Treffen der Außenminister der EU und der ASEAN-Staaten, also der Staaten des Verbandes südostasiatischer Staaten. Das Ganze findet statt unter dem Co-Vorsitz des Hohen Vertreters der EU, Josep Borrell, und der singapurischen Außenministerin Dr. Vivian Balakrishnan.

Bei dem Treffen mit den ASEAN-Staaten wird eine Vielzahl von Themen diskutiert, wie es die breite strategische Dimension verdeutlicht, die Deutschland, die Europa in der Zusammenarbeit mit ASEAN und der Region hat.

Die Schwerpunktthemen sind unter anderem der gemeinsame Kampf gegen COVID 19 für eine wirtschaftliche Wiederbelebung nach der Pandemie, Kooperationsmöglichkeiten zum Schutz von Klima und Umwelt, die gemeinsame Stärkung der multilateralen Ordnung und der Bereich Kollektivität. Auch das ist ein ganz wichtiges Thema. Da wird es also um den Ausbau des Transports der Energie und um digitale Infrastruktur gehen. Die Außenminister werden eine Erklärung zu diesem Thema verabschieden.

STS SEIBERT: Ich würde Ihnen einen kurzen Abriss über die heutigen Beratungen des sogenannten Coronakabinetts geben.

Zunächst wurde, wie üblich, über die aktuelle Infektionslage berichtet. Wir alle kennen die Zahlen. Die Infektionszahlen liegen nach wie vor auf einem sehr hohen, auf einem deutlich zu hohen Niveau. Es ist gelungen, das exponentielle Wachstum zu stoppen. Wir sind jetzt auf ganz Deutschland bezogen je nachdem, welches Bild Sie bevorzugen in einer Seitwärtsbewegung. Wir verharren auf einem Plateau. Land für Land gibt es erhebliche Unterschiede. Starken Anstiegen in einzelnen Bundesländern stehen deutliche und erfreuliche Abwärtsbewegungen in anderen Bundesländern gegenüber. Es ist also kein einheitliches Bild. Der Mittelwert sagt wenig aus.

Sie kennen die Stimmen, die auf die Situation in den Krankenhäusern verweisen, die Stimmen von dort tätigen Ärzten und Ärztinnen, auch von Pflegekräften. Die Zahl der schweren Verläufe und der Intensivpatienten steigt weiter. Auch die Zahl der täglich gemeldeten Todesfälle ist sehr hoch. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass die Eindämmungsmaßnahmen fortgeführt und zum Teil in der letzten Begegnung und Beratung von Bund und Ländern noch einmal verschärft wurden. Unser gemeinsames Ziel ist es weiterhin, die Anzahl der Neuinfektionen deutlich zu senken. Das Ziel bleibt eine Inzidenz von 50, also 50 Fälle über sieben Tage auf 100 000 Einwohner. Nur so können wir die Überlastung der Gesundheitsämter und der Krankenhäuser verhindern.

Wir haben es gemeinsam in der Hand, das Infektionsgeschehen einzudämmen und wieder unter Kontrolle zu bringen. Wir wissen: Diese Wintermonate werden nicht leicht. Aber wir wissen auch, dass es sich lohnt, sich an die Regeln zu halten, dass wir gemeinsam die Infektionszahlen drücken können. Wir kennen die Instrumente, die da wirksam sind. Wir haben das ja im Februar zusammen eindrucksvoll erlebt.

Anders als im Frühjahr wissen wir heute deutlich mehr über das Virus, über die Möglichkeiten, sich zu schützen, über Symptome und Behandlungswege im Fall einer Erkrankung. Auch die Ergebnisse aus der Impfstoffforschung sind ermutigend.

Weiteres Thema im Coronakabinett war der Aufbau einer Nationalen Reserve Gesundheitsschutz, die ja schon Anfang Juni beschlossen wurde. Jetzt hat das Gesundheitsministerium dazu ein entsprechendes Konzept vorgestellt. Danach soll die Reserve im Kern aus Schutzausrüstung, Schutzmasken, Beatmungsgeräten und Medikamenten bestehen, mit der im Notfall Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen bei der Gesundheitsversorgung unterstützt werden sollen.

Des Weiteren ging es um die sogenannte Überbrückungshilfe III, also die Zuschüsse zu den betrieblichen Fixkosten für Unternehmen, Soloselbständige und selbständige Angehörige der freien Berufe, also für alle diejenigen, die coronabedingt erhebliche Umsatzausfälle erleiden. Dazu können Ihnen natürlich das Wirtschafts- und das Finanzministerium die entsprechenden Details mitteilen.

Soweit das Coronakabinett heute.

FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, ich hätte ganz gern noch einmal beim Thema Corona generell gefragt: Herr Söder hat ja gestern gesagt, dass es vor Weihnachten die nächste Bund-Länder-Runde gibt, die höchstwahrscheinlich weitere Verschärfungen beschließen muss. Da hätte ich ganz gern gewusst, wie die Bundeskanzlerin das sieht. Setzt auch sie darauf, dass vor Weihnachten neue Schritte beschlossen werden?

STS SEIBERT: Zur Beratung von Bund und Ländern am Mittwoch: Wir haben ja hier schon am Freitag darüber gesprochen. Die Beratung am Mittwoch ist die reguläre Konferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten, der reguläre Dezember-Termin. Es stehen also eine Reihe von Themen auf der Tagesordnung, von denen Corona in seinen verschiedenen Aspekten eines ist. Aber es wird auch um andere Themen gehen wie die Umsetzung der Energiewende, Digitalisierungsfragen, Verwaltungsmodernisierung, Ganztagsbetreuung im Grundschulalter um nur einige Themen zu nennen.

Natürlich wird die Runde auch über das Thema Pandemiebekämpfung sprechen. Aber um es klar zu sagen: Es wird nicht um neue Beschlüsse in der Sache gehen.

Die Beschlüsse der letzten Woche müssen konsequent umgesetzt werden, und zwar besonders in den Regionen mit extrem hohen Infektionszahlen, also mit Inzidenzen über 200. Da müssen weitergehende Maßnahmen ergriffen werden, um zu erreichen, dass die Zahlen dort, genau wie es im Beschluss der letzten Woche steht, kurzfristig wieder heruntergehen.

Zu der Terminfrage: Es stimmt, dass die Kanzlerin und die Länderchefs beraten, wann sie wieder zusammenkommen wollen, um die Pandemielage zu bewerten und daraus ihre Schlüsse zu ziehen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Was halten Sie von der Ankündigung einiger Ministerpräsidenten, über Weihnachten die Hotels für Verwandtenbesuche aufzumachen?

STS SEIBERT: Über das Thema Hotelübernachtungen haben wir am vergangenen Freitag auch gesprochen. Ich kann es gern noch einmal sagen: Dieses Weihnachtsfest wird ein Weihnachtsfest unter Pandemiebedingungen sein. Das Virus nimmt keinerlei Rücksicht darauf, welche Festtage wir gern in Familie oder mit Freunden in größeren Kreisen feiern wollen. Überall da, wo viele Kontakte zustande kommen, kann sich das Virus verbreiten, und das wird es auch, wenn wir uns das nicht bewusstmachen und nicht aktiv gegensteuern. Kontaktbeschränkungen sind daher unerlässlich.

Deswegen gab es in der vergangenen Woche auch den Beschluss, dass Bürgerinnen und Bürger aufgerufen bleiben, touristische Reisen zu vermeiden. Da touristische Reisen von familiär bedingten Reisen schwer abzugrenzen sind, haben Bund und Länder bei ihrem Beschluss in der vergangenen Woche genau eine solche private Nutzung von Hotels eben nicht in ihren Beschluss aufgenommen. Das ist nicht Teil des Beschlusses der vergangenen Woche wegen der fehlenden Abgrenzbarkeit.

FRAGE REICHMUTH: Wird Kanzlerin Merkel das persönliche Gespräch mit der Schweizer Bundespräsidentin und dem österreichischen Bundeskanzler suchen, um ein europaweites Skifahrverbot bis Anfang Januar durchzusetzen? Sollten die Schweiz und Österreich die Skigebiete dennoch öffnen, mit welchen Maßnahmen könnten Bundesbürgern von Skireisen abgehalten werden? Wird es Reisewarnungen geben oder werden Sie die Grenzkontrollen verschärfen? Die Frage geht auch an das Auswärtige Amt.

STS SEIBERT: Ja, es ist Teil des Beschlusses von Bund und Ländern in der vergangenen Woche, dass wir in Europa darauf hinarbeiten wollen. Wir sind der Überzeugung, dass es nicht sinnvoll ist, die nationalen Kontaktbeschränkungen die nationalen Regeln, die keinen Tourismus zulassen jetzt durch einen zu frühen Wiederbeginn der Skisaison auszuhebeln. Darauf werden wir europäisch hinarbeiten. Da gibt es eine Vielzahl von Kontakten. Wenn es etwas über Gespräche der Bundeskanzlerin zu berichten gibt und wir sie öffentlich machen, dann werde ich das auch hier tun.

ADEBAHR: Was die Reisewarnung angeht, orientieren wir uns ja an den Werten und an den Zahlen, die in den jeweiligen Ländern vorliegen. Das ist ja seit Monaten, seit Beginn der Pandemie, so. Das ist auch für Österreich und für die Schweiz der Fall. Dort gelten ganz normal die Bestimmungen über Quarantäne und Einreise und Ausreise, wie sie für alle anderen Länder auch gelten.

Zur Frage der Grenzkontrollen könnte sicher das BMI etwas sagen.

VICK: Grenzkontrollen sind derzeit nicht in Planung.

FRAGE BUSCHOW: Eine Nachfrage an das Bundesgesundheitsministerium: Der Gesundheitsminister hat sich vorhin zur nationalen Teststrategie geäußert und dabei gesagt, die Verteilung der FFP2-Masken für Risikogruppen werde sich wahrscheinlich eine Weile ziehen. Heißt das aber auch, dass jetzt die Details klar sind? Für wie viel werden sie abgegeben und ab wann? Können Sie noch ein bisschen dazu sagen?

EWALD: Sie wissen vielleicht, dass wir an einer Rechtsverordnung arbeiten. Dort werden dann Details zum Umfang und auch zur Frage der Erstattungsfähigkeit geklärt werden. Gleichzeitig beraten wir die konkrete Umsetzung mit den Krankenkassen und den Apothekern. Der Plan ist weiterhin, dass das noch im Dezember anläuft.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Aber wie teuer sie jetzt genau für die Gruppen werden, das können Sie jetzt noch nicht sagen?

EWALD: Das wird im Rahmen der Rechtsverordnung definiert werden.

FRAGE STEINLE: Die geplante Nationale Gesundheitsreserve soll mit den Länderreserven kompatibel sein. Was bedeutet das genau?

EWALD: Vielleicht zunächst zur Einordnung: Heute hat das Coronakabinett beschlossen, eine Nationale Gesundheitsreserve aufzubauen. Sie besteht im Kern aus Schutzausrüstung, Masken, Beatmungsgeräten und Medikamenten. Für den Aufbau der Reserve wird der Bund an 19 Standorten Material einlagern. Bis Ende 2021 soll diese Reserve vor allem aus bereits beschafften Materialien befüllt werden, danach aus inländischer Produktion. Als Reserve planen wir ein halbes Jahr des aktuellen Bedarfs ein. Die Schutzmaterialien Geräte, Medikamente sollen physisch für einen Monat vorgehalten werden.

Der Aufbau der Reserve ist in verschiedene Phasen eingeteilt. In der ersten Phase das wird im kommenden Jahr der Fall sein geht es vor allem darum, die Strukturen für die Bevorratung zu schaffen. In der zweiten Phase etwa 2022 wird die Reserve überwiegend auf Material aus inländischer Produktion umgestellt. Ab 2023 soll die Nationale Gesundheitsreserve ihre endgültige Zielstruktur erreicht haben.

Wichtig ist zu betonen, dass der Aufbau der Nationalen Gesundheitsreserve beispielhaft für unsere Strategie in der Pandemie ist. Wir unterstützen das Gesundheitssystem in der Krise. Gleichzeitig lernen wir aber aus der Krise und bauen langfristig tragfähige Strukturen auf. Das ist das, was ich Ihnen allgemein zur Einordnung der Reserve sagen kann.

Es wird jetzt das hatte ich ja beschrieben im Rahmen der Konzeption und auch der institutionellen Zuständigkeiten, die im Rahmen dieser Strategie definiert werden Bedarfsanalyse, Versorgungsanalyse; das sind alles Dinge, die noch im Detail geklärt werden , natürlich auch die Frage geklärt werden müssen, inwieweit das kompatibel mit den Pandemieplänen der Länder und den Bevorratungen auf der dortigen Ebene ist.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, ich habe noch nicht ganz verstanden, was Sie genau mit den Plänen der Ministerpräsidenten machen. Grenzen die sich zu sehr von den Vereinbarungen letzte Woche in Sachen Hotelübernachtung ab? Habe ich Sie das richtig verstanden? Haben Sie vonseiten des Bundes irgendetwas in der Hand, das zu untersagen?

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen aus der Sicht der Bundesregierung dargelegt, dass und warum eine solche Ausnahme bei der Nutzung von Hotels in der letzten Woche nicht Teil der gemeinsamen Beschlüsse war. Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.

Es ist ja so, dass die Beschlüsse von Bund und Ländern in aller Regel durch Verordnungen der Länder umgesetzt werden. Daraus ergeben sich in dem einen oder anderen Fall eben auch Abweichungen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Deshalb können die Länder eigene Verordnungen machen und gegebenenfalls die Übernachtungen zu Weihnachten ermöglichen. Sie sind dagegen, aber können nichts machen. Richtig?

STS SEIBERT: Obwohl dies kein Teil des gemeinsamen Beschlusses war.

FRAGE GAVRILIS: Herr Ewald, Sie hatten bereits Anfang Juli die Nationale Reserve Gesundheitsschutz beschlossen. Warum hat es so lange gedauert, bis Konkreteres herumgekommen ist, was das anbelangt?

EWALD: Es ist richtig, dass es im Juli den Beschluss gab. Dort wurde vereinbart, dass das BMG ein Konzept erstellt. Dieses Konzept liegt jetzt sozusagen ausgearbeitet vor und ist heute im Coronakabinett beraten worden.

STS SEIBERT: An dem Konzept haben verschiedene andere Ressorts mitgewirkt. Das ist eine Arbeit der Abstimmung und des Beitrags von Fachwissen aus dem Wirtschaftsministerium, dem Innenministerium und dem Verteidigungsministerium.

ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Würden Sie sagen, dass Sie relativ zeitnah zu Ergebnissen gekommen sind, oder würden Sie den Eindruck bestätigen, dass es mit einer Zeitspanne von sechs Monaten doch sehr lange gedauert hat?

EWALD: Ich kann das vielleicht kurz einordnen: Es gibt ich hatte versucht, das gerade zu beschreiben zwei Dimensionen. Die eine ist die aktuelle Bewältigung der Pandemie, wobei auch die Frage der Beschaffung, der Bereitstellung von Schutzmaterial und Ähnlichem eine Rolle spielt. Das betrifft also die aktuelle Situation.

Gleichzeitig das ist die zweite Dimension wollen wir für die langfristige zukünftige Ausrichtung gut vorbereitet sein. Es ist innerhalb der Pandemie ein Lernprozess, dass wir noch besser vorsorgen müssen, und das machen wir damit auch. Es gibt sozusagen eine Jetzt-Perspektive, und es gibt eine Perspektive, die auf die mittelfristige Zeitschiene ausgerichtet ist.

Herr Seibert, hat es gesagt: An dem Konzept war nicht nur unser Haus beteiligt, sondern auch das Wirtschafts-, das Innen- und das Verteidigungsministerium.

FRAGE MAIER: Herr Ewald, wer wird darüber entscheiden, welche Bevölkerungsgruppen in welcher Reihenfolge geimpft werden?

EWALD: Das ist eine Frage, die nicht den Kontext der Nationalen Reserve Gesundheitsschutz betrifft.

Dazu haben wir mehrfach Stellung genommen. Wir werden ich glaube, das hatte meine Kollegin hier am Freitag erwähnt eine Verordnung auf den Weg bringen, die die Priorisierung beschreiben wird. Es gibt – das ist insoweit bekannt dazu wissenschaftliche Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Entlang dieser Vorgaben werden wir eine entsprechende Impfverordnung vorlegen.

FRAGE PROKRAKA: Ich habe eine Frage an das Bundesfinanzministerium, die eine Mischung aus einer Lern- und einer Einschätzungsfrage ist: Kann man, was die Haushalte 2020 und 2021 betrifft, abgrenzen, wie viele Milliarden sich unter der Überschrift „Coronahilfen“ subsumieren lassen?

Gibt es einen Teil davon, bei dem man damit rechnet, dass er mit den Jahren zurückfließt oder kann man das, was im Haushalt unter „Coronahilfen“ läuft, alles wirklich unter Ausgaben zusammenfassen, weil es Zuschüsse sind?

LAIADHI: Für die Haushaltsjahre Jahre 2020 und 2021 kann man ganz klar sagen, dass sie im Zeichen von Corona stehen. Wir haben umfangreiche Hilfen eingeplant und viel Vorsorge betrieben. Was die einzelnen Hilfen angeht, können Sie auf unserer Website fast tagesaktuell nachverfolgen, wie viel in Bezug auf die einzelnen Hilfen jeweils abgeflossen ist. Für den Haushalt 2021 waren das zum Beispiel im Rahmen der Corona-Wirtschaftshilfen Überbrückungshilfen in Höhe von 37,5 Milliarden Euro sowie eine allgemeine Vorsorgeplanung in Höhe von 30 Milliarden Euro.

FRAGE SCHMIT: Ich habe eine Frage an das BMF und an Herrn Seibert. Wie verhalten sich BMF und Bundesregierung zu der Diskussion, dass der Bund zwar den Ländern schon bei den Kosten in Sachen Corona hilft Stichwort „Übernahme der Hälfte der Gewerbesteuerausfälle“ und „Unterkunft von Arbeitslosengeld II-Empfängern“ , aber ansonsten seit einigen Tagen eine Debatte darüber entbrannt ist, dass der Bund hier mehr tun müsse? Ist aus Ihrer Sicht das Gleichgewicht gewahrt?

STS SEIBERT: Ich fange mit ein paar grundsätzlichen Bemerkungen dazu an: Die Bundesregierung hat in so kurzer Zeit wie nie und mit so viel Geld wie noch nie Maßnahmen ergriffen, um die Unternehmen, die Selbstständigen, die Beschäftigten zu unterstützen. Auch die Länder und die Kommunen sind durch ihre Maßnahmen in der Coronapandemie finanziell sehr gefordert.

Für den Bund ergeben sich in den kommenden Jahren durch diese vielfältigen Hilfen enorme Herausforderungen zur Konsolidierung der Finanzen. Eines ist klar: Alle Ebenen haben eine große Verantwortung in dieser außergewöhnlichen Lage. Bund, Länder und Kommunen müssen gut und konstruktiv zusammenarbeiten, um die Pandemie und ihre Folgen bestmöglich zu meistern. Sie müssen sicher immer wieder auf der Strecke, die in dieser Pandemie eben noch vor uns liegt, auch über die Aufteilung bestimmter Kosten reden.

FRAGE GAVRILIS: Zum „FAZ“-Bericht in Sachen Homeoffice-Pauschale: Können Sie bestätigen, dass die Pläne entsprechend weit gediehen sind?

Zweitens. Wie wird das konkret aussehen? Werden diese geplanten fünf Euro pro Tag zur Pauschale für Werbungskosten hinzugerechnet?

Drittens. Wann wollen Sie diese Homeoffice-Pauschale einführen?

FRAGE STEINLE: Wie schnell kann eine Anerkennung des Homeoffice in den Finanzämtern technisch umgesetzt werden?

LAIADHI: Ich kann erst einmal ganz grundsätzlich sagen, dass nach Ansicht der Bundesregierung gerade die Leistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und vor allem auch der Eltern im Homeoffice in der Coronazeit eine besondere Unterstützung verdienen. Wir befürworten daher, dass eine Homeoffice-Pauschale in das Jahressteuergesetz 2020 aufgenommen wird.

Der Minister hat sich gerade in einer Pressekonferenz dazu geäußert und hat gesagt, dass das eine gute Hilfe für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und keine große fiskalische Herausforderung ist. Ich kann sagen, dass die Gespräche dazu im parlamentarischen Verfahren gerade laufen.

FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine Frage, die sich an Bundesfinanz- und Wirtschaftsministerium richtet. Angesichts der Kritik an den Coronahilfen hätte ich ganz gerne gewusst, ob es bei Ihnen schon Planungen für Hilfen ab Januar gibt und ob man diese statt an den Umsatz an andere Kriterien knüpft. Wenn ja, an welche?

LAIADHI: Zunächst einmal ist es so, dass die außerordentlichen Wirtschaftshilfen für den Monat November auch für den Monat Dezember verlängert worden sind. Diese sind gleichlautend mit den Beschränkungen bzw. Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie für diese Monate mit dem sogenannten Lockdown light getroffen worden sind. Bei diesen Hilfen geht es darum, dass sie den betroffenen Unternehmen gezielt, schnell und möglichst unbürokratisch zugutekommen.

Wir haben am Freitag eine ausführliche Pressemitteilung herausgegeben das war auch Thema im Coronakabinett , dass eine Einigung in Bezug auf die Überbrückungshilfe III erfolgt ist. Das heißt, die Überbrückungshilfen wurden noch einmal ausgeweitet und verbessert. Diese Hilfen laufen bis einschließlich Juni des nächsten Jahres.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Entschuldigung, wenn ich nachfrage. Aber hier geht es um einen ganz anderen Status von Hilfen, nämlich für diejenigen, die von Schließungen betroffen sind. Es ist die Frage, wie das im Januar weitergeht. Wird es dann nur noch diese Überbrückungshilfen III oder eine andere Form von Hilfe geben?

LAIADHI: Es gibt jetzt die Maßnahmen bzw. Beschränkungen für November und Dezember. Daran gekoppelt sind auch die entsprechenden finanziellen Hilfen. Wie immer, wenn weitere Maßnahmen oder Beschränkungen beschlossen werden, wird man auch im fortlaufenden Prozess schauen, inwieweit man weiter handeln muss. Was die Planungssicherheit und die Vorsorge, die jetzt getroffen wurde, angeht, haben wir schon die Überbrückungshilfen III bis einschließlich Juni 2021 beschlossen und auf den Weg gebracht.

FRAGE SCHMIT: Zur Homeoffice-Pauschale: Wir haben gerade von Lothar Binding, SPD, gehört, dass die Regelung schon verabredet sei und dass demnach für zwei Jahre jeweils maximal 500 Euro für das Homeoffice geltend gemacht werden könnten, was 100 Arbeitstagen pro Jahr entspräche. Können Sie das bestätigen?

LAIADHI: Wie gesagt, die Gespräche im parlamentarischen Verfahren laufen noch. Dort werden die von Ihnen angesprochenen Einzelaspekte besprochen. Die Beratungen müssen abgewartet werden.

ZUSATZFRAGE SCHMIT: Wenn Sie sagen könnten, mit welchen tatsächlichen Mehrausgaben das BMF rechnet, wäre ich ganz froh. Es wird zwar planmäßig die Homeoffice-Pauschale geben, aber auf der anderen Seite werden auch weniger Fahrtkosten geltend gemacht werden können. Können Sie schon Details nennen?

LAIADHI: Ich kann Ihnen sagen, dass sich der Minister gerade geäußert und gesagt hat, dass das keine große fiskalische Herausforderung sein wird.

FRAGE BRODBECK: Wie ist der aktuelle Stand der Anträge auf Novemberhilfen? Wieviel wurde ausgezahlt? Wann ist mit der Auszahlung zu rechnen?

Zweitens. Viele Betriebe klagen über die langsame Abwicklung. Haben Sie dafür Verständnis?

DR. BARON: Vielen Dank. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Novemberhilfen seit der letzten Woche beantragt werden können, und zwar exakt so, wie wir das angedacht und geplant hatten: Antragstellung ab 25. November, und seit dem 27. November fließen die ersten Zahlungen.

Was die Zahlen angeht, kann ich Ihnen die Zahlen vom Freitag nennen das ist der aktuelle Stand , und schaue dann nach, ob es aktuellere gibt: Am Freitag waren 27 887 Anträge auf Novemberhilfe über die Plattform www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de eingegangen, also rund 30 000 Anträge.

Die Abschlagszahlungen, die dann seit Freitag ich hatte ja gesagt, dass es ab Freitag die Abschlagszahlungen gibt veranlasst wurden, hatten ein Volumen von knapp 18 Millionen Euro. Bis zum heutigen Tag sind es schon sehr viel mehr Anträge geworden; das Interesse daran ist sehr groß. Heute sind es insgesamt schon rund 54 000 Anträge auf Novemberhilfe, die gestellt wurden. Das sind die aktuellsten Zahlen, die ich habe.

Was die Zahl der Abschlagszahlungen angeht, habe ich keine aktuellen Zahlen vorliegen. Dazu heißt es nur, dass für den Großteil der mehr als 54 000 gestellten Anträge auch eine Abschlagszahlung beantragt wurde. Aber Sie sehen: Das Interesse daran ist seit der vergangenen Woche sehr groß.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Seibert, Sie haben heute und auch das letzte Mal gesagt, dass der Anstieg der Coronazahlen exponentiell war. Ich habe nun einen Mathematiker befragt, den Prof. Homburg. Der sagt, der sei sigmoid. Sigmoid bedeutet s-förmig. Vielleicht könnten Sie ausführen, worauf Sie sich in Bezug auf das „exponentiell“ berufen.

Herr Ewald, laut den Daten des offiziellen Intensivregisters ist die Zahl der insgesamt verfügbaren Intensivbetten, nicht der belegten, seit September um 3167 gesunken. Vielleicht könnten Sie erklären, wie es zu diesem Bettenschwund in den Intensivstationen kam.

STS SEIBERT: Ich werde der Bundespressekonferenz gerne noch einmal die Zahlen und die Grafiken des extrem steilen Anstiegs der Infektionszahlen in den Monaten September und Oktober zur Verfügung stellen, und dann können Sie daraus Ihre eigenen Schlüsse ziehen.

EWALD: Dafür müssten Sie sich bitte an die Bundesländer wenden. Die Bundesländer sind verpflichtet, seit dem 16. April all ihre verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten jeden Tag an das Intensivregister zu melden. Ein Behandlungsplatz umfasst nicht nur das Bett und das Gerät, sondern auch das Personal. Wann ein Bett betreibbar ist, wird darin auch genau definiert. Es ist wie gesagt Aufgabe der Länder, die Krankenhauskapazitäten zu steuern. Zum Teil haben wir dafür auch Regelungen in den Coronaschutzverordnungen getroffen.

Wichtig ist aus unserer Sicht, dass die Freihaltung von Kapazitäten für potenzielle COVID-Patientinnen und Patienten nicht zu einer Unterversorgung anderer Patienten führt. Das sind am Ende aber ärztliche Entscheidungen, die vor Ort in den Häusern getroffen werden müssen.

STS SEIBERT: Ich empfehle in diesem Zusammenhang auch die Aussagen des Verbands der Intensivmediziner und die Aussagen zum Beispiel der Charité und anderer Universitätskliniken. Gerade in der vergangenen und vorvergangenen Woche haben sie in einer gemeinsamen Presseerklärung über die aus ihrer Sicht besorgniserregend angespannte Situation in den Intensivstationen gesprochen, und zwar sowohl, was die Strukturen und die Betten, als auch, was das Personal betrifft.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, trifft es zu, dass die Kanzlerin sich wünscht, dass Personal, das für die Betreuung von Risikopatienten eingesetzt wird, prioritär geimpft wird, wenn ein Impfstoff zur Verfügung steht?

Würde sich das mit den Empfehlungen der Ethikkommission vertragen, Herr Ewald?

Zweite Frage an Herrn Ewald: Die Reserve wird, je nachdem, mit mindestens einem Monat der Bedarfsabdeckung bis hin zu sechs Monaten angegeben. Das ist offenbar ein Stufenmodell. Ab wann wird diese erste Stufe, also die Abdeckung des Bedarfs für einen Monat, zur Verfügung stehen?

STS SEIBERT: Zu der Frage der Impfprioritäten gibt es ja dieses Positionspapier Sie kennen es vielleicht der Ständigen Impfkommission, der Leopoldina und des Deutschen Ethikrats mit dem Titel „Wie soll der Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff geregelt werden?“. Darin wird sowohl ethisch als auch rechtlich eingehend Stellung zu Fragen der Rahmenbedingungen genommen, unter denen dann eine Priorisierung erfolgen würde.

Ein wirksamer Schutz der vulnerablen Gruppen würde der Pandemie einen Teil ihres Schreckens nehmen. Der Schutz von Menschen, die in Krankenhäusern, in Pflegeheimen, in den Schulen, bei der Polizei oder bei der Feuerwehr arbeiten, stellt wesentliche Bereiche der Daseinsvorsorge, der Pandemiebewältigung und der Gesundheitsversorgung sicher. Aber die konkrete Festlegung, wer in welcher Reihenfolge geimpft wird, hängt maßgeblich davon ab, welcher Impfstoff oder welche Impfstoffe wann zugelassen werden und in welcher Menge sie zu welchem Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Darauf hat die Ständige Impfkommission auch immer hingewiesen. Deswegen wird sie ein entsprechend konkretes Impfkonzept erst nach der Zulassung eines Impfstoffes vorlegen, und das wird dann die Basis für die Priorisierung sein.

Wir sind, was das Thema eines Impfstoffes betrifft, wie wir ja auch in den letzten Tagen an den Nachrichten gemerkt haben, gerade in einer sehr volatilen Lage. Wir hoffen alle auf Impfstoffe, die auch innerhalb sehr absehbarer Zeit zur Verfügung stehen werden, und die Zeichen deuten auch darauf hin. Aber wir merken auch: Eine exakte Vorhersage kann es heute noch nicht geben, weil auf dem Weg zur Freigabe bzw. Zulassung eines Impfstoffs immer noch einiges passieren kann. Das Wichtigste für uns alle ist ja, dass es am Ende ein medizinisch verlässlicher Impfstoff ist, also einer, der sowohl wirksam als auch sicher ist.

EWALD: Ich kann das an dieser Stelle eigentlich nicht weiter ergänzen, was Ihre Frage zur nationalen Schutzreserve angeht. Ich hatte ja, glaube ich, eben erwähnt, dass es in der ersten Phase das ist ja sozusagen auf insgesamt drei Phasen angelegt um die konzeptionelle Bedarfsanalyse und um den Aufbau von Strukturen und auch um das Schaffen von institutionellen Voraussetzungen sowie um den Aufbau der entsprechenden Versorgungsmengen geht. Das soll bis Ende 2021 realisiert werden.

FRAGE KRUMM: An das Wirtschaftsministerium: Aus verschiedenen Bereichen mehren sich die Forderungen nach einem harten Lockdown, um den zähen „Stückel-Lockdown“ zu vermeiden. Gibt es Planungen in diese Richtung?

DR. BARON: Es verwundert mich etwas, dass die Frage an uns gerichtet ist. Es gibt klare Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz aus der vergangenen Woche. Diese gelten und werden ja auch in den Ländern umgesetzt. Wir als Wirtschaftsministerium sind von den Beschlüssen bezüglich der Wirtschaftshilfen betroffen; das wurde hier schon benannt. Auch das wird entsprechend umgesetzt, weil dadurch ja gerade die von Schließungen betroffenen Branchen adressiert werden, und damit wird auch im Dezember diesen Unternehmen weiterhin Hilfe geleistet.

FRAGE JORDANS: Meine Frage geht an das BMG. Ein bekannter Programmierer hat die bisher nicht quelloffenen Google-APIs für die Corona-Warn-App nachgebaut. Es gibt jetzt eine Art Klon dieser App, die also vollkommen quelloffen sein soll. Ich wollte fragen, ob das BMG diesen quelloffenen Ansatz unterstützt und ob SAP und Deutsche Telekom dazu ermutigt werden, diese API statt der geschlossenen von Google anzuwenden, damit die App vielleicht noch mehr Akzeptanz findet.

EWALD: Zu dem von Ihnen konkret beschriebenen Fall kann ich nichts sagen; dazu liegen mir keine Informationen vor. Dafür bitte ich um Verständnis.

Richtig ist aber, und das möchte ich hier noch immer betonen, dass wir sozusagen ständig bemüht sind, die Corona-Warn-App weiterzuentwickeln, und natürlich auch aus der Szene und dem Umfeld der Entwickler Impulse aufnehmen. Das ist ja ein Open-Source-Verfahren. Jeder kann sich daran beteiligen. Vorschläge sind da grundsätzlich willkommen.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Meine zweite Frage geht auch an das BMG, aber vielleicht zu einem anderen Thema. Der Minister ist ja im Moment ausgelastet, wie wir durch unsere Interviewanfragen wissen, aber morgen hat er einen Termin bei einer Preisverleihung für Elon Musk. Ich wollte fragen, worin der Zusammenhang zwischen seiner Arbeit als Gesundheitsminister und der Preisverleihung für Elon Musk besteht.

EWALD: Ich sehe da keinen Zusammenhang. Die Termine sind ja teilweise mit erheblicher Vorlaufzeit geplant worden, zumindest bei Präsenzveranstaltungen immer unter der Maßgabe der geltenden Infektionsschutzmaßnahmen und der Konzepte der Veranstalter. Die Termine sind so geplant, wie sie geplant worden sind, und ich sehe da keinen Zusammenhang.

FRAGE BUSCHOW: Auch zu Corona, aber das ist noch einmal ein Themenwechsel: Es gab aus der katholischen Kirche heraus vor wenigen Tagen den Vorschlag, einen Gedenktag für die Opfer der Coronapandemie einzurichten, einmalig oder sogar wiederkehrend. Mich würde einfach die Haltung der Bundesregierung dazu interessieren. Herr Seibert, gibt es solche Überlegungen, oder haben Sie darüber schon einmal gesprochen?

Es gab ja auch einmal die Überlegung oder den Vorschlag des Bundespräsidenten, einen Staatsakt durchzuführen. Daher stelle ich die Frage: Fänden Sie das gut? Wann wäre eventuell ein guter Zeitpunkt dafür?

STS SEIBERT: Ich denke, das ist es wert, dass man darüber redet und miteinander berät.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, ich habe zwei Fragen zum Iran. Zum einen geht es um den Terroranschlag gegen den iranischen Atomphysiker Fachrisadeh am Freitag. Der iranische Außenminister hat Deutschland scharf dafür kritisiert, dass es diesen Terroranschlag nicht kritisiert hat und ihn auch nicht verurteilt hat, und gesagt, dass Deutschland mit zweierlei Maß messe, wenn es um Terroranschläge gegen den Iran gehe. Dazu hätte ich gerne eine Reaktion.

Eine zweite Frage: Am 6. Dezember sollte es ein JCPOA-Treffen in Wien geben. Was wird der Hauptfokus dieser Gespräche seien?

ADEBAHR: Zu Ihrer ersten Frage: Wir haben auch schon am Wochenende gesagt, dass wir über diesen Anschlag natürlich sehr beunruhigt sind und dass die Tötung von Herrn Fachrisadeh das Potenzial hat, die Lage in der Region erneut und gefährlich zuzuspitzen. Gerade jetzt wie Sie wissen, wenige Wochen vor Amtsantritt der neuen US-Regierung muss es aus unserer Sicht doch darum gehen, Ruhe zu bewahren und auch den Spielraum für neue Verhandlungen und für Gespräche zu erhalten. Unser Ziel ist es ja, gemeinsam mit den USA und mit den Parteien des JCPOA den Streit über das iranische Atomprogramm auf dem Verhandlungsweg zu lösen, und deswegen ist es wichtig, dass jede weitere Eskalation nun verhindert wird und sich alle Seiten in Zurückhaltung üben.

Ich kann auch noch einmal sagen, dass wir grundsätzlich jede Aktion, die zu einer Zuspitzung der Lage führt, verurteilen. Auch unsere grundsätzliche Haltung zu gezielten Tötungen ist bekannt. Solche lehnen wir als Bundesregierung ab.

Was Gespräche am 16. Dezember in Wien im Rahmen einer Sitzung der Joint Commission angeht, kann ich Ihnen sagen, dass es dafür Planungen auf hoher Beamtenebene gibt. Ich glaube, dazu ist gerade eine Pressemitteilung des Europäischen Auswärtigen Dienstes erschienen, die auch noch einmal ausdrückt, dass es eben darum gehen soll, die Bemühungen um den Erhalt des JCPOA dort zu diskutieren.

FRAGE NEHLS: Wird es angesichts der EU-Ratspräsidentschaft eine außenpolitische Verurteilung des Mordes aus dem Kreis der EU-Außenminister auf deutsche Initiative hin geben?

ADEBAHR: Wenn ich richtig informiert bin, hat sich für die EU, und dahinter steht natürlich auch Deutschland, ja schon der Hohe Vertreter Josep Borell geäußert. Ich habe den Wortlaut jetzt nicht vorliegen. Ich weiß nicht, Herr Seibert, Sie?

STS SEIBERT: Ich glaube, das ist das, was ich hier habe, ja. Es wurde ein EU-Statement „Iran: Statement by the Spokesperson on the killing of a government official in Absard“ herausgegeben; das können Sie ja sicherlich nachlesen.

FRAGE JUNG: Frau Adebahr, Sie meinten gerade, dass Sie solche Tötungen generell verurteilen, haben das jetzt aber nicht konkret auf den Fall des iranischen Kernphysikers bezogen. Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundesregierung diese Ermordung des iranischen Kernphysikers verurteilt?

ADEBAHR: Wir haben als Bundesregierung im Moment keine eigenen Erkenntnisse zum Hergang dieser Tat. Grundsätzlich lehnen wir gezielte Tötungen ab.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was brauchen Sie denn noch für Erkenntnisse, um so etwas zu verurteilen? Was fehlt dafür?

ADEBAHR: Ich habe Ihnen gesagt, dass wir über diesen Anschlag sehr beunruhigt sind, dass wir gezielte Tötungen ablehnen und dass wir auch grundsätzlich jede Aktion ablehnen, die zu einer Zuspitzung der Lage führt. Nichtsdestotrotz ist es ja so, dass wir über den Hergang dieses Attentats im Moment keine eigenen Erkenntnisse haben, und auch das muss man im Moment eben konstatieren.

FRAGE: Meine Frage richtet sich auch an das Außenministerium. Teile meiner Frage sind schon behandelt worden. Es geht jetzt darum, dass der Sprecher des Außenbeauftragten der EU mit deutlichen Worten dieses Attentat als Straftat verurteilt hat. Wie steht die Bundesregierung dazu?

ADEBAHR: Ich glaube, ich habe ausführlich darauf geantwortet, wie die Bundesregierung zu diesem Fall steht. Die EU-Erklärung steht natürlich für sich. Die ist im Namen der EU erfolgt, und das ist auch das, was die EU dazu sagt.

ZUSATZFRAGE: Das Außenministerium hat ja zur Besonnenheit aufgerufen, was Handlungen angeht, die eine Eskalation nach sich ziehen. Aber dieses Attentat ist ja in einer besonderen Form geschehen. Wie äußert sich das Bundesaußenministerium zu so einem Attentat, wenn ein Regierungsmitglied Ziel dieses Verbrechens geworden ist?

ADEBAHR: So, wie ich das bisher in meinen Antworten getan habe.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, glauben Sie, dass dieses Attentat die Nukleargespräche mit dem Iran erschweren wird?

ADEBAHR: Das wird man sehen. Es ist natürlich so, dass die Lage dadurch eskaliert ist und dass wir ja keine weitere Eskalation der Lage brauchen. Deswegen rufen wir ja alle Seiten zur Zusammenarbeit und zur Besonnenheit auf. Jetzt muss man eben sehen, welche Spielräume für Gespräche und für den Dialog es in den nächsten Wochen geben wird.

FRAGE GAVRILIS: Meine Frage geht an das BMI. Es geht um das Thema Frontex und Push-backs und konkret um den Fall am 10. August, in den die Bundeswehr mit dem Schiff „Uckermark“ wohl indirekt involviert war. Die Besatzung hat dort ein überfülltes Schlauchboot vorgefunden.

Erste Frage: Warum hat die Bundespolizei diese Menschen nicht gerettet?

Zweite Frage: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus, dass die Bundespolizei offensichtlich an illegalen Push-backs indirekt beteiligt war? Gibt es Möglichkeiten, dass Sie sich aus dieser Mission zurückziehen? Vielleicht können Sie dazu mehr sagen.

VICK: Die Bundespolizei war nicht an illegalen Push-backs beteiligt. Der Sachverhalt am 10. August vor der Insel Samos, von dem Sie sprechen, ist bekannt. Alle Beobachtungen der vor Ort eingesetzten Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei wurden schriftlich dokumentiert und gemeldet.

Zum Sachverhalt: Ein Kontroll- und Streifenboot der Bundespolizei war an diesem Tag im Rahmen der Frontex-Operation „Poseidon“ vor der griechischen Insel im Einsatz und bekam den Auftrag, ein nicht identifiziertes Objekt vor Samos zu erreichen und die Situation aufzuklären. Bei diesem Objekt handelte es sich um ein Schlauchboot mit etwa 40 Personen an Bord. Da keine unmittelbare Seenot bestand, wurde die Sachlage an die Einsatzleitung gemeldet. In der Folge wurde das Einsatzboot der Bundespolizei durch die griechische Küstenwache abgelöst und kehrte auftragsgemäß in den Hafen zurück. Das im Einsatz befindliche Boot der griechischen Küstenwache kehrte wenig später ebenfalls in den Hafen zurück. Das Schlauchboot und die ca. 40 Personen konnten nicht festgestellt werden.

Für die Bootsbesatzung der Bundespolizei ließ sich nicht aufklären, welche Einsatzmaßnahmen vor Ort getroffen wurden. Sie bat die Einsatzleitung um Aufklärung und meldete den Vorfall schriftlich an Frontex.

FRAGE JORDANS: Frau Vick, die von Ihnen beschriebene Situation ist genau die Art von Situation, die vom UNO-Flüchtlingskommissariat als Push-back beschrieben wird.

Erstens: Inwiefern kommen Sie zu dem Schluss, dass das kein Push-back gewesen sei?

Zweitens: Wir hatten zu dem Thema der Push-backs und der Beobachtung durch die Bundespolizei schon Anfang August immer wieder gefragt. Letzten Monat hat ihr Kollege auch weiterhin behauptet, es habe keine solche Beobachtung gegeben. Wie kann es sein, dass zwei Monate nach diesem Vorfall in der Pressestelle des BMI noch keine Informationen dazu angekommen sind, sondern erst jetzt?

VICK: Zunächst ist mir wichtig zu sagen, dass ich nicht weiß, wie Sie zu der Einschätzung kommen, dass es sich um einen illegalen Push-back gehandelt habe. Wir kennen nur den Bericht der Bundespolizei. Die Bundespolizei hat den Ort des Geschehens auftragsgemäß verlassen und das, was sie an Beobachtungen getätigt hat, gemeldet, wie ich gerade vorgetragen habe. Das ist erst einmal wichtig.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Haben Sie das durch Anwälte prüfen lassen? Weshalb kommen Sie zu dem Schluss, dass das kein Push-back gewesen sei?

VICK: Der Sachverhalt ist durch die Bundespolizei aufgenommen worden. Aber sie hat den Einsatzort ja verlassen. Was dann vor Ort passiert ist, können die Bundespolizisten vom Hafen aus nicht beurteilen. Sie können die Beobachtungen, die sie gemacht haben, auf vorschriftsgemäße Art und Weise den zuständigen Behörden melden, und das hat die Bundespolizei getan.

FRAGE JESSEN: Zum einen: Warum ist es keine Situation von Seenot, wenn sich 40 Menschen in einem Schlauchboot auf hoher See befinden? Das wurde in der Vergangenheit, glaube ich, anders gesehen.

Zum anderen: Auch nach Ihrer Darstellung ist es doch so, dass die Bundespolizei es der griechischen Seite ermöglicht hat, diesen Push-back durchzuführen. Denn daran, dass das Schlauchboot abgedrängt und dann von türkischer Küstenwache übernommen wurde, besteht ja, glaube ich, kein Zweifel. Warum sagen Sie also dann, wenn die Bundespolizei eine Maßnahme ermöglicht, sie sei nicht beteiligt gewesen?

VICK: Ihre Frage unterstellt, dass die Bundespolizei wüsste, was passiert ist, nachdem sie in den Hafen zurückgekehrt ist. Das weiß die Bundespolizei nicht.

FRAGE JUNG: Herr Jessen hat gerade auch die Frage gestellt, wie Sie darauf kämen, ein überfülltes Schlauchboot mit 40 Menschen, mit Kindern und Frauen, als nicht in Seenot zu bezeichnen.

VICK: Die Einschätzung, wann ein Schiff in Seenot ist und wann nicht, überlasse ich den zuständigen handelnden Behörden. Ich kann rückblickend nicht bewerten, ob sich ein Schiff in Seenot befunden hat oder nicht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Erkennt das BMI das internationale Seerecht an? Dort ist das klar geregelt, und danach ist klar, dass 40 Menschen auf einem Schlauchboot in Seenot sind. Erkennen Sie das Seerecht an?

VICK: Selbstverständlich erkennt das BMI das Seerecht an. Aber eine Vorschrift davon sprechen Sie , nach der es normiert sei, dass 40 Menschen auf einem Boot automatisch in Seenot seien, kenne ich nicht.

FRAGE GAVRILIS: Meine zweite Frage wurde nicht wirklich beantwortet. Ich hatte nach den Konsequenzen gefragt. Die griechischen Behörden haben in der Vergangenheit mehrmals Push-backs durchgeführt. Das ist auch durch Frontex-Beamte zum Beispiel für den 19. April dokumentiert.

Wenn sie davon ausgehen, dass sich dies wiederholen könnte, würden sie genauso handeln, oder würde sich die Bundespolizei, wenn sie wieder ein Boot aufgreift, anders verhalten?

VICK: Zunächst ist der komplette Sachverhalt vollumfänglich aufzuklären. Dies ist noch nicht erfolgt. Wir haben den Bericht der Bundespolizei, aber nicht mehr.

FRAGE SCHMIDT: An das BMI und möglicherweise auch das BMJV: Reichen aus Ihrer Sicht die Überwachungsbefugnisse, die in den Eckpunkten für das Bundespolizeigesetz genannt werden, aus? Ist es Ihrer Einschätzung nach ausreichend, Quellen-TKÜ oder die Überwachung von Messengerdiensten nur bei Verdacht etwa auf Menschenhandel oder Schleuserkriminalität zuzulassen, oder sollte das grundsätzlich für alle Straftaten im Bereich der Bundespolizei möglich werden?

VICK: Die Gespräche dazu laufen derzeit, insofern kann ich dem Ergebnis nicht vorgreifen.

BÖNNIGHAUSEN: Dem kann ich nichts hinzufügen.

ZUSATZFRAGE SCHMIDT: Wenn mit der Novelle Erweiterungen der Befugnisse und eine Ausweitung der Einsatzbereiche geplant sind, gibt es dann noch eine klare und transparente Abgrenzung zu den Befugnissen des BKA und auch zu den Landespolizeibehörden? Wie soll da künftig also die Rollenverteilung aussehen?

VICK: Wie bereits gesagt: Die Gespräche dazu laufen und ich kann dem Ergebnis nicht vorgreifen.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, zum Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Katar: Der US-Sicherheitsberater Jared Kushner plant in die Region zu reisen, um in diesem Streit zu vermitteln. Wie sieht die Bundesregierung diesen Vermittlungsversuch?

ADEBAHR: Mir war das konkrete Ziel der Reise von Herrn Kushner nicht so bekannt da müssten Sie auch Herrn Kushner fragen, ob das das konkrete Ziel ist. Aus unserer Sicht ist es natürlich so, dass der Streit um Katar, der die Region seit, ich glaube, mittlerweile knapp zwei Jahren belastet, eine Sache ist, die im Rahmen des Golf-Kooperationsrates und in der guten Kooperation aller arabischen Staaten geklärt und beigelegt werden sollte. Jede Vermittlungsbemühung, die dazu beiträgt, diesen Streit oder diese festgefahrene Situation das ist es mittlerweile ja zu entschärfen und dort wieder Gespräche und Austausch in Gang zu bringen, ist grundsätzlich gut.

Insofern muss man natürlich abwarten, was für Gespräche Herr Kushner dort führt und welchen Output die sozusagen haben werden.

FRAGE REITSCHUSTER: Zu den Aussagen von Frau Fietz letzten Mittwoch, 1,15 Milliarden Euro würden für den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus ausgegeben: Gibt es auch Zahlen, wie viel für den Kampf gegen Linksextremismus und anderen Extremismus ausgegeben wird? Meine Frage richtet sich wahrscheinlich an Herrn Seibert, gegebenenfalls auch an Frau Vick und vielleicht auch an das Familienministerium Sie wissen besser, wer antworten kann.

STS SEIBERT: Das würde wahrscheinlich in den Bereich des Innenministeriums fallen, aber ich kann dazu heute keine Zahlen nennen.

VICK: Ich müsste die gegebenenfalls nachreichen.

STS SEIBERT: Für die Bundesregierung ist klar, dass wir jeden Extremismus jeden politischen Extremismus und erst recht jeden gewalttätigen Extremismus ablehnen und auch mit den Mitteln des Staates bekämpfen.

FRAGE JUNG: An Herrn Seibert und vielleicht auch Frau Adebahr zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zum Thema Ramstein: Es wurde geurteilt, dass die Bundesregierung den USA nicht untersagen muss, die Ramstein Air Base für ihre weltweiten Drohnenmorde zu nutzen. Begrüßt die Bundesregierung dieses Urteil? Finden Sie es schade, dass Sie das jetzt nicht tun müssen und planen Sie vielleicht, das trotzdem zu tun?

Eine Lernfrage an Frau Adebahr: Das Gericht hat nicht festgestellt, dass Ramstein auch für die Analyse relevanter Informationen der Drohnenangriffe wichtig ist. Dabei hat das AA 2016 im Bundestag selbst eingeräumt, dass Ramstein in Bezug auf die Drohnenangriffe zur Planung, Überwachung und Auswertung dient.

STS SEIBERT: Das Urteil gibt wichtige Hinweise, wichtige Orientierungen bezüglich der Schutzpflichten, die der Bundesregierung hinsichtlich der Nutzung von Militärstützpunkten durch Partnerstaaten im konkreten Fall der USA obliegen. Es bestätigt die Rechtsauffassung der Bundesregierung und stellt fest, dass die Bundesregierung diesen Schutzpflichten bisher in ausreichendem Maße nachgekommen ist.

ADEBAHR: Zu der an mich gerichteten Frage: Ich glaube, es ist etwas schwierig, über etwas zu sprechen, über das das Gericht im Vergleich zu dem, was das AA 2020 im Bundestag gesagt haben soll eben nicht geurteilt hat. Wenn Sie noch einmal genau konkretisieren wollen, was Sie gegeneinanderstellen wollen, reichen wir die Antwort gerne nach.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das Gericht hat nicht feststellen können, dass in Ramstein auch eine Analyse relevanter Informationen der Drohnenangriffe vorgenommen wird. Dabei hat das AA 2016 im Bundestag durch die Informationen der Amerikaner, die Sie dort aufgeführt haben, selbst gesagt, dass Ramstein zur Planung, Überwachung und Auswertung dieser Drohnenangriffe dient. Hat die Bundesregierung das Gericht angelogen, oder gibt es einen neuen Kenntnisstand?

ADEBAHR: Herr Jung, ich glaube, es ist nicht redlich, daraus jetzt konstruieren zu wollen, dass die Bundesregierung das Gericht angelogen habe. Dazu müsste man den konkreten Zeitraum, auf den sich das Gericht bezieht, die konkrete Urteilspassage sowie den konkreten Kontext kennen, in dem das Auswärtige Amt etwas gesagt hat. Ich finde es nicht ganz redlich, das hier für mich aus der kalten Lamäng zu präsentieren und zu fordern, dass ich das gegeneinanderstellen soll.

Das Verteidigungsministerium hat die Bundesregierung gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt beim Prozess vertreten. Wenn Sie das noch einmal konkretisieren wollen, reichen wir das gerne nach.

FRAGE JESSEN: Frau Adebahr, hat das Auswärtige Amt oder nach Ihrer Kenntnis ein anderes Ministerium der Bundesregierung jemals aktiv geprüft, ob die Drohnenangriffe völkerrechtskonform oder völkerrechtswidrig sind?

ADEBAHR: Ich glaube, zu der Frage, wie die Drohnenangriffe zu bewerten sind, sowie zur Nutzung von Ramstein haben wir hier immer wieder ausführlich vorgetragen. Diese Aussagen haben sich auch nach dem Urteil nicht geändert.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Frage war ja nach der aktiven Prüfung. Es ist ein Vorgang eigener Art, ob ich sage „Ich prüfe jetzt etwas aktiv“ oder ob ich sage „Ich verlasse mich auf das, was mir von anderer Seite gesagt wird“. Die Frage ist: Haben Sie jemals selbst aktiv geprüft?

STS SEIBERT: Wir stehen in einem regelmäßigen vertrauensvollen Austausch mit den US-Behörden. Das gilt auch für rechtliche Fragen, die US-Streitkräfte in Deutschland betreffen. Das haben wir an dieser Stelle schon mehrfach mitgeteilt.

FRAGE VALASSOPOULOS: Der griechische Außenminister kritisiert Berlin, dass kein Waffenembargo für die Türkei durchgesetzt wurde. Was sagen Sie dazu?

ADEBAHR: Die Formulierung „kein Waffenembargo für die Türkei durchgesetzt wurde“ ist auch etwas kontextlos. Falls er die Frage gerne schriftlich einreichen möchte, reichen wir die Antwort nach.

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