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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 8. Februar 2021

Themen: COVID-19-Pandemie (Sitzung des Coronakabinetts, Strategie der Bundesregierung im Umgang mit der Pandemie, Beratungen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer, Virusmutation aus Großbritannien, finanzielle Unterstützung von Impfstoffherstellern, Meldung von Infektionszahlen an Gesundheitsämter, Entwurf eines Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen, Prämie für Klinikpersonal, Impfpriorisierung, russischer Impfstoff Sputnik V, Ausbreitung von Virusmutationen, Impfbereitschaft, Ausnahmen bei Reisebeschränkungen), geplantes Gesetz gegen sogenannte Feindeslisten, Energiewende, Ausweisung europäischer Diplomaten aus Russland, Reise des EU-Außenbeauftragten nach Moskau, Übergriffe auf Muslime und Moscheen in Deutschland, Rüstungsexporte aus Deutschland, Personalie im Bundesgesundheitsministerium, Entscheidung einer Vorverfahrenskammer des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf den territorialen Umfang förmlicher Ermittlungen der Anklagebehörde des IStGH im Zusammenhang mit der Situation in Palästina

Naive Fragen zu:
Strategiewechsel
– ich wollte noch einmal auf das Stichwort „Ende März“ zurückkommen. Nach Einschätzung der führenden Virologen und Virologinnen in Deutschland wird Ende März aus Sicht der Coronalage katastrophal sein. Denn wenn jetzt nicht verschärft wird und sich die Mutationen hier ausbreiten können, dann haben wir eine ganz andere Lage als heute. Wird ein Strategiewechsel innerhalb des Coronakabinetts eigentlich diskutiert?
– Meine Frage war ja, ob ein Strategiewechsel innerhalb des Kabinetts diskutiert wird, zum Beispiel ein Strategiewechsel hin zu „No Covid“. Oder ist das immer noch kein Thema innerhalb des Kabinetts?

Gesetz gegen „Feindeslisten“
– Das passt wunderbar, weil es ja jetzt die Kritik gibt, dass dieses Gesetz auch gegen Antifaschisten angewendet werden kann, die Daten von Neonazis verbreiten. Es wäre mir neu, dass die Bundesregierung das doof findet.
– Dieses Gesetz das haben Sie ja gerade bestätigt kann dann auch gegen Antifaschisten angewendet werden, die seit Jahren und Jahrzehnten Öffentlichkeitsarbeit machen und aufzeigen, wo Neonazis leben, usw. usf. Schützen Sie also auch die Neonazis?
– Aber Antifaschismus ist ja kein Extremismus!

Rüstungsexporte
– auf eine Anfrage im Bundestag hatten Sie geantwortet, dass vergangenes Jahr 79 einzelne Anträge abgelehnt worden seien. Ich habe das nachgerechnet. Die Gesamtzahl der Einzelgenehmigungen betrug vergangenes Jahr 10 917. Damit kommt man auf eine Ablehnungsquote in Höhe von 0,7 Prozent. Nun behaupten Sie ja, eine restriktive Rüstungsexportpolitik zu verfolgen. Wenn aber 99,3 Prozent aller Anträge auf Rüstungsexporte, auch in Diktaturen usw., grünes Licht gegeben wird, wo ist dann in irgendeiner Weise noch irgendetwas restriktiv? Deutschland ist ja, glaube ich, immer noch auf Platz vier der weltweiten Waffenexporteure.
– Sie erzählen uns seit Jahren, dass die Zahl der Genehmigungen nicht entscheidend sei, dass das Volumen der Rüstungsexporte nicht entscheidend sei. Was ist denn entscheidend? Woran kann sich die Öffentlichkeit denn orientieren, um zu bewerten, ob Sie restriktive Rüstungsexportpolitik machen? Einfach nur zu behaupten, dass man jeden Antrag einzeln prüfe, ist ja noch kein Ausdruck von Restriktivität.

Internationaler Strafgerichtshof
– das, was Sie hier sagen, ist sehr interessant. Sie sagen, der Internationale Gerichtshof sei nicht zuständig, weil Palästina kein Staat sei, obwohl Sie wissen, dass die israelische Besatzung diesen Staat verhindert.
– Das habe ich verstanden. Aber Sie erkennen an, dass es diese Staatlichkeit nicht geben kann, weil Israel seit 1967 die palästinensischen Gebiete besetzt, was Sie als völkerrechtswidrig ansehen. Für die Verbrechen, die dort auf beiden Seiten während der Besatzung passieren, sollen die Besetzer nicht belangt werden, weil es den Staat, den sie durch die Besetzung verhindern, noch nicht gibt. Ist das Ihre Auffassung?

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 8. Februar 2021:

STS SEIBERT: Meine Damen und Herren, einen schönen guten Tag! Tatsächlich hat sich heute das sogenannte Coronakabinett wieder über verschiedene Aspekte der Politik in der Pandemie beraten. Es ging wie immer mit einem Lagebericht des Bundesgesundheitsministeriums los. Vielleicht werde ich Ihnen jetzt auch einmal ganz kurz zur Pandemielage darlegen, wie die Bundesregierung diese sieht.

Es setzt sich im Grunde das fort, was wir in der letzten Woche und auch davor beobachtet haben. Da sind zum einen die Neuinfektionszahlen, die Zahl der derzeit aktiv Infizierten, die Zahl der Patienten auf Intensivstationen. Alle diese Zahlen gehen runter und nehmen ab. Die zweite Welle der Pandemie ist gebrochen, ist aber natürlich noch nicht zu Ende. Das ist eine sehr gute Entwicklung. Das ist auch ein Beweis, dass die vielen Einschränkungen, mit denen wir Bürger und die Wirtschaft zurzeit leben müssen, wirken.

Das Ziel, wieder national auf einen Inzidenzwert von 50 oder darunter zu kommen, ist jedoch noch nicht erreicht, auch wenn mittlerweile schon wieder zahlreiche Kreise und Städte unter dem Inzidenzwert 50 zum Teil unter dem Wert von 25 liegen. Es gibt aber auch Regionen, die bei einem Inzidenzwert von 200 und zum Teil deutlich darüber liegen.

Da ist zum anderen und dieser Teil des Bildes gehört genauso dazu die sehr, sehr reale Gefahr durch die Mutationen des Virus, die deutlich aggressiver sind, also mehr Ansteckungsgefahr bedeuten. Das RKI hat hier am Freitag die Verbreitung dieser Mutationen quantifiziert. Wir müssen davon ausgehen, dass sich diese Ausbreitung schon jetzt weiter fortsetzt und auch weiter fortsetzen wird.

Es ist also ein gemischtes Bild aus Erfolg und Risiko, dem Risiko nämlich, dass wir die Erfolge der letzten Wochen auch wieder zunichtemachen könnten, wenn es uns nicht gelingt, den Inzidenzwert deutlich weiter nach unten zu drücken. Es muss nach Überzeugung der Bundesregierung unser Ziel sein, die Zahl der Neuinfektionen weiter zu senken, um gute Perspektiven für Öffnungsmaßnahmen und die Aufhebung von Beschränkungen zu bekommen. Wobei dann die Öffnung der Kitas und der Grundschulen das hat die Bundeskanzlerin ja mehrfach öffentlich gesagt Vorrang vor vielem anderen haben müsste. Das ist die Lage, in der die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten am Mittwoch beraten werden. Es ist eine Lage, in der man weiter mit großer Vorsicht vorgehen muss.

Ein anderes Thema der Beratungen des Coronakabinetts war die weitere Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Sie wissen, dass eine Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter unerlässlich ist, um das Infektionsgeschehen kontrollieren zu können. Sie wissen, dass es schon seit dem vergangenen Jahr Initiativen gibt. Die eine ist die Initiative „Containment Scouts“ des Robert-Koch-Instituts; das andere ist eine Initiative des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, die einmal „Medis4ÖGD“ hieß und jetzt „Studis4ÖGD“ heißt. Mit dieser Initiative werden vor allem Studierende für die Mitarbeit in den Gesundheitsbehörden vor Ort gewonnen. Diese bestehenden Vermittlungsprojekte sollen erweitert, aufgestockt und verlängert werden.

Ein weiterer Punkt der Beratungen heute Morgen ich habe es gerade schon erwähnt betraf den Bericht des Robert-Koch-Instituts über das Vorkommen von Virusvarianten in Deutschland, auf den ich jetzt nicht näher eingehe. Diesen haben Sie am Freitag hier ja präsentiert bekommen.

Ein weiteres Thema war ein Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums, auch in diesem Jahr Beschäftigten in Kliniken, die vor allem durch die Versorgung von Coronapatienten belastet waren, eine Prämie zu zahlen. Sie wissen: Die Situation im Herbst und jetzt im Winter hat viele Krankenhäuser und deren Beschäftigten vor eine noch größere Belastung gestellt, als das im Frühjahr des vergangenen Jahres der Fall war. Sie alle kennen die Berichte aus den Kliniken. Viele Beschäftigte dort gehen an ihre Belastungsgrenze und widmen sich tagtäglich mit einem enormen Einsatz der schwierigen und herausfordernden Versorgung von Coronapatienten und Coronapatientinnen.

Das waren die wesentlichen Punkte, um die es im Coronakabinett ging.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, gibt es eine gemeinsame Haltung und Strategie der Bundesregierung über den weiteren Umgang mit Corona? Grob gesagt kann man zwei Pole in der öffentlichen Darstellung feststellen. Da ist zum einen Gesundheitsminister Spahn, der eher für ein Lockerungskonzept steht, und dann vielleicht die Kanzlerin oder auch der Wirtschaftsminister, die mehr Vorsicht anmahnen. Wo steht konkret die Kanzlerin?

Fachleute sprechen davon, dass eigentlich erst bei einem Inzidenzwert unter zehn tatsächlich nachvollziehbar kleine Herde wieder schnell ausgetreten werden können. Die Gefahr, dass ein erneutes Lockdown-Jo-Jo droht, wie wir es bisher schon mehrfach hatten, liegt auf der Hand. Wo steht die Kanzlerin? Gibt es eine gemeinsame Haltung?

STS SEIBERT: Ich bin der Sprecher der Bundesregierung und habe Sie als solcher heute über die Beratungen im Coronakabinett, in dem ja die Bundeskanzlerin mit den zuständigen Ministern und Ministerinnen berät, informiert. Insofern ist das die Haltung des Bundeskabinetts oder der Bundesregierung. Die Positionen sind sowohl die Zufriedenheit mit dem langsamen Absinken der Infektionszahlen und auch der Auslastung der Intensivstationen als auch die reale Sorge vor einer weiteren Ausbreitung der Mutation. Beides sind die Punkte unserer Analyse, die wir als Bundesregierung haben und mit der wir in die Beratungen am Mittwoch gehen werden.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Das ist ein Aufzeigen von Positionen, aber noch keine eigene Position der Kanzlerin. Mit welcher Strategie, mit welcher Absicht geht die Kanzlerin in diese Gespräche? Das war die Frage.

STS SEIBERT: Gehen Sie davon aus, dass das, was ich hier für die Bundesregierung vorgetragen habe, auch den Überzeugungen der Bundeskanzlerin entspricht.

FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, direkt da anknüpfend: So wie Sie argumentiert haben, kann man daraus ja nur schließen, dass die Maßnahmen verlängert werden müssen, weil der Inzidenzwert deutlich unter 50 sinken muss und man diesen Wert bis Mittwoch nicht erreicht hat. Interpretiere ich Sie richtig?

STS SEIBERT: Ich habe dem, was ich jetzt als Lagebeschreibung und Analyse der derzeitigen Situation für die Bundesregierung gesagt habe, eigentlich nichts hinzuzufügen. Sie wissen, dass die Maßnahmen den Beschlüssen von Bund und Ländern vom letzten Mal entsprechen und bis zum 14. Februar fortgelten. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll bis zu dem nächsten Treffen ein Konzept für eine sichere und gerechte Öffnungsstrategie erarbeiten. Die Vorschläge aus den Reihen der Bundesländer fließen in diese Beratungen ein. Ich kann aber dem Ergebnis der Beratungen nicht vorgreifen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Sie haben eben auch gesagt, dass die Schulen Priorität haben sollen. Nun kommen aber aus Bayern andere Wünsche. Hält die Kanzlerin weiter daran fest, dass, wenn es zu Öffnungsschritten kommt, die Schulen die Priorität Nummer eins haben?

STS SEIBERT: Ich kann nur das wiederholen, was ich gesagt habe und was auch die Bundeskanzlerin mindestens in dem RTL-Interview in der vergangenen Woche und auch, wie ich glaube, bei der ARD gesagt hat.

FRAGE DUNZ: Herr Seibert, Herr Wieler hat am Freitag hier die Zahl sechs Prozent genannt, die der Anteil der Virusmutation aus Großbritannien in Bezug auf die Neuinfektionen sind. Wird es eine Zahl geben, an der man sich orientieren wird, um über Lockerungen oder Nichtlockerungen zu entscheiden? Die Kanzlerin hat ja gesagt, Anfang der Woche gebe es neue Zahlen, was diese Mutationen betrifft.

Ist heute Morgen im Coronakabinett eine andere Zahl als am Freitag genannt worden? Sind es jetzt vielleicht schon 13 Prozent?

STS SEIBERT: Herr Wieler hat für das Robert-Koch-Institut hier am Freitag die Zahl von 5,8 Prozent bekanntgegeben, die den Anteil der Mutationen am Infektionsgeschehen darstellt. Die geht natürlich aus den zu dem Zeitpunkt abgeschlossenen Untersuchungen hervor. Aber natürlich rechnet das RKI mit einem Anstieg und empfiehlt auch vor dem Hintergrund dieser Erwartungen, weiterhin die Anstrengungen darauf zu richten, die Fallzahlen deutlich zu senken.

Das RKI wird das Bundesgesundheitsministerium kann sicher mehr dazu sagen natürlich die Beobachtung der Ausbreitung, die Sequenzierungen und die Analyse der Sequenzierungen fortsetzen, sodass wir diesbezüglich mit immer mit neuen Zahlen rechnen können. Nach Aussage des RKI wissen wir, dass es zu einem Zeitpunkt, der nun schon wieder etwas zurückliegt, 5,8 Prozent waren und dass man absolut damit rechnen muss, dass sich diese Ausbreitung fortsetzt.

NAUBER: Ich kann kurz ergänzen: Der Minister hat gerade eine Pressekonferenz gegeben und ist gefragt worden, ob es bis Mittwoch schon neue Zahlen geben wird. Das ist nicht der Fall. Aber das RKI wird sich diese in regelmäßigen Abständen anschauen und dann auch darüber berichten.

FRAGE BLANK: Herr Seibert, hilfsweise das Wirtschafts- und das Gesundheitsministerium. Hat heute im Coronakabinett die Äußerung von BioNTech eine Rolle gespielt, dass man mit mehr Geld von der Bundesregierung oder vonseiten der EU tatsächlich die Produktionskapazitäten hochfahren könnte? Gibt es Überlegungen, der Firma noch einmal finanziell unter die Arme zu greifen?

STS SEIBERT: Ja, das hat heute im Coronakabinett eine knappe Rolle gespielt. Aber im Wesentlichen ist dazu am Wochenende vom Bundespresseamt wie auch vom Bundesgesundheitsministerium schon das Notwendige gesagt worden, dass die Gespräche über finanzielle Absicherungen im Gang sind und laufen. Wir haben immer betont: Natürlich unterstützen wir die Impfstoffproduzenten, die Unternehmen, die Impfstoffe entwickeln. Wir werden das Notwendige tun, um die Prozesse zu beschleunigen. Mit diesen Unternehmen sind bereits Gespräche im Gang.

ZUSATZFRAGE BLANK: Es muss natürlich schnell gehen. Zwischenergebnisse gibt es nicht?

STS SEIBERT: Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

NAUBER: Ich kann Sie auch nur auf die Äußerungen vom Wochenende verweisen, die Sie kennen und die bei dpa gelaufen sind. Für alle, die sie noch nicht kennen, kann ich es gerne vorlesen. Der Minister hat gesagt:

„BioNTech hat auf dem Impfgipfel einen möglichen Finanzbedarf von 400 Millionen Euro für die Reservierung von Kapazitäten und Rohstoffen bis in das nächste Jahr hinein dargelegt. Wir sind im Austausch mit dem Unternehmen, um dies weiter zu konkretisieren. Darüber sprechen wir auch mit anderen Impfstoffherstellern. Wir wollen für den Fall problematischer Mutationen und notwendiger Auffrischimpfungen auch für 2022 ausreichend Kapazitäten für Deutschland, Europa und die Welt sichern.“

STS SEIBERT: Ich denke, das ist das Wichtige, was man dabei jetzt bedenken muss, dass sich doch abzeichnet, dass es sich mit dem Impfen 2020/21 möglicherweise nicht erledigt haben wird, sondern dass die Möglichkeit besteht, dass Mutationen uns immer wieder dazu zwingen, neue Impfstoffe oder bestehende Impfstoffe anzupassen und neu zu verimpfen. Das heißt, auch vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll und wichtig, solche Unterstützung der Impfstoffhersteller zu leisten.

FRAGE: Herr Seibert, können Sie uns sagen, welche Ministerinnen und Minister heute am Coronakabinett teilgenommen haben?

STS SEIBERT: Aus dem Kopf kann ich Ihnen nennen: der Finanzminister, der Außenminister, die Bundesbildungs- und Forschungsministerin, der Bundesgesundheitsminister, der Staatssekretär aus dem Bundesinnenministerium, Herr Engelke, der Chef des Bundeskanzleramtes. Jetzt habe ich garantiert zwei oder drei vergessen den Bundeswirtschaftsminister zum Beispiel. Entschuldigung.

VORS. WEFERS: Fühlt sich ein Haus noch nicht ausreichend genannt? Es fehlt hier nur das Landwirtschaftsministerium.

STS SEIBERT: Die Kollegen werden mir auf die Sprünge helfen, wenn ich jetzt noch jemanden vergessen habe.

FRAGE: Herr Seibert, Sie haben von der Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes gesprochen. Es wurde hier in unregelmäßigen Abständen versprochen, den Zustand in Deutschland zu ändern, wonach wir eigentlich nur an drei Tagen in der Woche verlässliche Zahlen haben, weil die Ämter über die Wochenenden nicht richtig zählen. Können Sie uns einen Ausblick darauf geben, wann dieser Zustand beendet sein wird?

STS SEIBERT: Ich würde gern das Gesundheitsministerium bitten, sich dazu zu äußern.

NAUBER: Wir haben ja bereits viel getan, um den öffentlichen Gesundheitsdienst aufzurüsten. Wir haben in die Digitalisierung investiert. Hier sei vielleicht noch einmal auf DEMIS verwiesen, das Digital-Meldesystem, durch das die Labore seit dem 01.01. alle Meldungen über SARS-CoV-2-Infektionen an die Gesundheitsämter verpflichtend nicht mehr per Fax, sondern digital weitergeben. Zudem gibt es den ÖGD-Pakt, wie Sie wahrscheinlich wissen, der mittelfristig helfen soll.

Wir haben auch personell geholfen, u. a. mit der Bundeswehr und den Containment Scouts, die vor Ort die Kontaktnachverfolgung unterstützen. Das hatte Herr Seibert ja schon vorgetragen. Dieses Programm soll jetzt fortgeschrieben und auch aufgestockt werden.

ZUSATZFRAGE: Wenn die Zahlen so wichtig sind, noch einmal die Frage: Wann wird der Zustand beendet sein, dass wir nur Mittwoch, Donnerstag und Freitag verlässliche Zahlen haben?

NAUBER: Vielleicht muss man dazu sagen, dass wir uns ja nicht die Zahlen an einem Tag, sondern den Verlauf von Zahlen ansehen. Wir sehen uns auch nicht nur die Zahl der Neuinfektionen an. Für die Maßnahmen ist es entscheidend, auch ein Gesamtbild der Lage zu geben. Dazu gehört zum Beispiel die Auslastung auf den Intensivstationen und vieles, vieles mehr. Wichtig ist der R-Wert, die Frage: Wie schnell verbreitet sich das Virus? Sie können es nicht auf eine Zahl an einem Tag herunterbrechen.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Seibert, CDU und SPD haben im Bundestag einen Gesetzentwurf zur Fortgeltung der epidemischen Lage eingebracht. Darin heißt es unter anderem, dass die notwendigen Regelungen in einer Pandemielage über den 31. März 2021 hinaus gelten sollen. Bei Alternativen steht nur ein Wort: „keine“. Ist das mit der Regierung abgesprochen? Wie stehen Sie dazu? Woher hat man jetzt schon die Kenntnis, dass das alles noch in den April hinein gelten muss?

STS SEIBERT: Um es vielleicht für alle einzuordnen: Wie Sie wissen, hatte der Bundestag im letzten März eine sogenannte epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt. Im November hat er dieses noch einmal bestätigt.

Das ist die Voraussetzung für zweierlei:

Zum einen hat dadurch der Bundesgesundheitsminister die Möglichkeit, Verordnungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zur Bewältigung der Pandemiefolgen im Bereich Gesundheitswesen und Pflege zu erlassen, etwa ein Beispiel aus der Vergangenheit die Verordnung, um das Register für die Intensivkapazitäten zu schaffen oder die Impf-, die Test-, die Einreiseverordnung.

Zum anderen ist diese Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Sie ist Voraussetzung für die Maßnahmen, die die Bundesländer erlassen, auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus.

Noch ich denke, das haben auch die einleitenden Bemerkungen heute klargemacht ist die Pandemie nicht vorbei, und sie wird auch Ende März noch nicht vorbei sein. Das ist die Einschätzung aller Experten. Aber dann genau, Ende März, enden die genannten Verordnungen. Vor dem Hintergrund ist es wichtig darüber zu beraten, inwieweit diese Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite fortbestehen soll. Das letzte Wort darüber hat natürlich der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber.

FRAGE REITSCHUSTER: Warum ist die Vorlaufzeit so lange, zwei Monate?

STS SEIBERT: Jetzt haben wir den 10. Februar. Es sind bis Ende März jetzt nicht unbedingt zwei Monate.

FRAGE HELLER: Ich habe eine Frage zur Prämie für Krankenhäuser und dem Beschluss dazu: Stimmt der Betrag von 1500 Euro mit einer Gesamtsumme von 450 Millionen Euro?

NAUBER: Ja, das kann ich bestätigen. Wir stellen erneut 450 Millionen Euro für Prämien zur Verfügung, die Krankenhäuser und besonders belastete Beschäftigte auszahlen können. Pro Person sind davon 1500 Euro steuerfrei. Dazu hat sich übrigens der Minister auch gerade in einer Pressekonferenz noch einmal ausführlicher geäußert.

FRAGE JORDANS: Herr Seibert, was hält die Kanzlerin davon, dass es in Deutschland immer wieder zur Missachtung der Impfpriorität kommt und sich Klinikchefs, Bürgermeister und DAK-Chefs vordrängeln, während Hochbetagte, Pfleger und Ärzte weiterhin auf ihre Spritze warten?

STS SEIBERT: Ich weiß nicht, ob das Gesundheitsministerium dazu etwas sagen will. Es gibt da einzelne Berichte. Das scheint mir aber nicht eine Beschreibung der Grundsituation zu sein. Mir scheint die Impfpriorisierung, die die Bundesregierung auf Empfehlungen auch der STIKO und des Ethikrates vorgenommen hat, weiterhin zu gelten und das ist auch richtig so.

NAUBER: Ich würde gern auf die Pressekonferenz von eben verweisen, die wir live gestreamt haben und die man noch auf unserer Seite findet. Denn auch dazu ist der Minister gerade gefragt worden. Er hat gesagt: Es gilt natürlich die Impfverordnung. Das neueste Update der Impfverordnung sieht aber ausdrücklich vor, dass von der Reihenfolge auch abgewichen werden kann, wenn das für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen (erforderlich ist) und zur kurzfristigen Vermeidung des Verwurfs von Impfstoffen, wenn sozusagen abends etwas übrigbleibt. Aber im Großen und Ganzen gilt natürlich die Impfverordnung. Wie gesagt: Näheres dazu können Sie gern in der Pressekonferenz nachhören.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, ich wollte noch einmal auf das Stichwort „Ende März“ zurückkommen. Nach Einschätzung der führenden Virologen und Virologinnen in Deutschland wird Ende März aus Sicht der Coronalage katastrophal sein. Denn wenn jetzt nicht verschärft wird und sich die Mutationen hier ausbreiten können, dann haben wir eine ganz andere Lage als heute. Wird ein Strategiewechsel innerhalb des Coronakabinetts eigentlich diskutiert?

STS SEIBERT: Die Bundesregierung nimmt wissenschaftliche Erkenntnisse und auch wissenschaftliche Mahnungen aus vielerlei Richtungen zur Kenntnis und schaut sie sich sehr genau an. Die Lage ist so, wie wir sie im Moment empfinden und wie ich sie am Anfang ausgedrückt habe.

Es gibt eine sehr reale Gefahr, die von der Ausbreitung der Mutationen ausgeht, die aggressiver als das Standardvirus sind. Die südafrikanische Mutation ist noch einmal etwas anderes als die britische. Diese reale Gefahr sehen wir sehr deutlich. Ohne diese reale Gefahr könnte man bei den derzeitig herrschenden, langsam sinkenden Neuinfektionszahlen usw. sehr zuversichtlich sein. Aber sie ist nun einmal da. Deswegen ist auch Vorsicht geboten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Meine Frage war ja, ob ein Strategiewechsel innerhalb des Kabinetts diskutiert wird, zum Beispiel ein Strategiewechsel hin zu „No Covid“. Oder ist das immer noch kein Thema innerhalb des Kabinetts?

STS SEIBERT: Ich glaube, dass es jetzt keinen Sinn hat, hier einzelne Schlagworte zu diskutieren. Die Strategie der Bundesregierung war es immer, alles zu tun, um gesundheitlichen Schaden von den Menschen abzuwenden und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Bisher ist das gelungen, obwohl das Gesundheitssystem gerade in diesem Winter einer extremen Belastung ausgesetzt war und ist. Gleichzeitig muss natürlich auch das getan werden, was man tun kann, um das gesellschaftliche Miteinander zu bewahren, um die Wirtschaft bei Schäden zu unterstützen. Das war immer die Strategie der Bundesregierung und wird sie bleiben.

FRAGE DUNZ: Herr Seibert, Sie hatten vorhin gesagt, dass es am Mittwoch auch um eine Öffnungsstrategie geht. Man kann ja davon ausgehen, dass der Lockdown erst einmal verlängert wird. Können Sie irgendwelche näheren Angaben zu dieser Öffnungsstrategie machen, was die Parameter sein werden? Ist das ein Zeitraum? Sind das einzelne Branchen? Sind das noch einmal Inzidenzwerte? Oder woran wird sich diese Öffnungsstrategie entlanghangeln?

STS SEIBERT: Ich kann dazu nur das wiederholen, was ich vorhin gesagt habe: Es gibt die Verabredung von Bund und Ländern, an einer gerechten, sinnvollen, fairen und vor allem auch sicheren Öffnungsstrategie zu arbeiten, also einer, die verhindert, dass wir unmittelbar nach Inkrafttreten von Öffnungen gleich wieder ein Emporschießen der Inzidenzen sehen. Dazu laufen intensive Vorgespräche. Ich möchte jetzt hier dem, was am Mittwoch miteinander beraten und beschlossen wird, nicht weiter vorgreifen.

Natürlich sind da weiterhin verschiedene Indikatoren zu beachten. Die Kollegin hat es ja gesagt: Das geht nicht nur um die Zahl der Neuinfektionen. Es geht genauso um die Situation in den Krankenhäusern. Es geht um das, was wir vom Vordringen der Mutationen wissen. Das Alles wird man im Auge behalten müssen.

FRAGE DR. RINKE: An das Gesundheitsministerium zu dem russischen Impfstoff: Es gibt jetzt von einigen die Forderung, dass man, weil man jetzt einen stärkeren Impfstoffbedarf hat, doch eine nationale Notfallzulassung prüfen sollte. Könnten Sie angesichts des Mangels an Impfstoff von der bisherigen Linie abrücken und eine nationale Notfallzulassung prüfen? Wenn nicht: Warum nicht?

NAUBER: Ich kann Sie da tatsächlich nur auf das verweisen, was der Minister bereits letzte Woche gesagt hat, nämlich dass Impfstoffe willkommen sind, wenn sie von der EMA geprüft und zugelassen sind.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Können Sie bitte noch begründen, warum man keine nationale Notfallzulassung macht, obwohl man im Moment großen Bedarf hat?

NAUBER: Ich belasse es bei dem, was der Minister dazu gesagt hat.

STS SEIBERT: Das ist der gleiche Grund, den wir auch schon Ende des vergangenen Jahres hatten, als die ersten Impfstoffe fertig wurden. Die Bundesregierung und auch die anderen europäischen Partner haben gesagt: Für uns ist Vertrauen in diesen Impfstoff von ganz besonderem Wert, denn es wird darauf ankommen, dass die Bürger und Bürgerinnen dieses Vertrauen entgegenbringen und dass sie nicht das Gefühl haben, dass es Abkürzungen gegeben hat, die sich in irgendeiner Weise auf die Sicherheit eines Impfstoffs auswirken könnten.

Genau das ist die Begründung, warum auch jetzt ganz klar ist: Ein Impfstoff unabhängig von seiner nationalen Herkunft ist willkommen, wenn er nach allen gängigen Verfahren von der EMA zertifiziert ist und die Europäische Kommission ihn zulässt was dann sehr schnell gehen kann.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Seibert, eine Frage zum sogenannten Coronagipfel am Mittwoch: Gibt es da, wie vorher schon, wieder eine Expertenrunde? Können Sie zur Zusammensetzung etwas sagen?

Wird die Bundeskanzlerin auf die Kritik reagieren, dass die Zusammensetzung zu einseitig gewesen sei, werden also Experten aus Psychologie, Erziehungswissenschaften und dergleichen sowie Kritiker dabei sein?

STS SEIBERT: Auf die von Ihnen gerade angesprochene Kritik haben wir hier nun schon ein halbes Dutzend Mal und auch ansonsten schriftlich und in Interviews reagiert; deswegen, glaube ich, müssen wir das jetzt nicht noch einmal tun.

Es gibt dieses Mal keine vorgeschaltete Expertenanhörung vor der Beratung der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten am Mittwoch. Das war ja auch nicht bei jeder solchen Veranstaltung der Fall. Es hat das zweimal gegeben, aber es hat so etwas auch häufig nicht gegeben. Das letzte Mal gab es einfach einen ganz konkreten Informationsbedarf, nämlich das damals noch neuere Thema der Mutationen und ihrer Auswirkungen. Ein solches Thema gibt es diesmal nicht. Aber wie ich es schon gesagt habe: Wissenschaftliche Erkenntnisse fließen in die Arbeit der Bundesregierung und natürlich wahrscheinlich auch der Landesregierungen auch jenseits von solchen vorgeschalteten Expertenanhörungen ein.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Mit Reaktion auf Kritik meinte ich nicht eine Rechtfertigung, sondern Handlungen. Gibt es oder gab es jetzt im Vorfeld irgendwelche Gespräche der Bundeskanzlerin mit Kritikern der Coronamaßnahmen?

STS SEIBERT: Ich wiederhole mich jetzt trotzdem: Wir sind hier und auch bei anderen Gelegenheiten darauf eingegangen. Es hat beim letzten Mal, bei der Expertenanhörung, zum Beispiel den Teilnehmer Herrn Professor Krause gegeben, der in manchen Einschätzungen sicherlich etwas anders liegt als die Bundesregierung. Es hat auch Gespräche mit anderen Vertretern aus anderen Fachrichtungen gegeben. Ich wiederhole es noch einmal: Die Ressorts sind im Rahmen ihrer thematischen Zuständigkeit ohnehin im Kontakt mit Wissenschaftlern aus ganz verschiedenen Fachrichtungen.

FRAGE BLANK: An Herrn Seibert und hilfsweise auch an das Auswärtige Amt: Nachdem die österreichische Regierung das Bundesland Tirol als Risikogebiet ausgewiesen hat, weil sich dort die südafrikanische Virusvariante ausbreitet: Plant die Bundesregierung, Tirol und möglicherweise auch andere Länder wie zum Beispiel die Slowakei, in der das südafrikanische Virus wohl auch massiv auftritt als Virusvariantengebiet auszuweisen?

STS SEIBERT: AA und BMI sind, glaube ich, für solche Grenz- und Reisefragen die richtigen Ansprechpartner.

SASSE: Uns ist diese Meldung bekannt, die ja über die Deutsche Presse-Agentur gelaufen ist. Sie wissen, dass wir die Entwicklungen überall auf der Welt sehr intensiv beobachten und auch die Einstufung in unterschiedliche Gebietskategorien fortlaufend überprüfen. Österreich ist naturgemäß ein Land, mit dem wir gerade durch den Grenzverkehr eng verbunden sind; deswegen gilt das ganz besonders auch für Österreich.

Wenn es in diesem Bereich Neuerungen gibt, werden wir diese auf der Seite des Robert-Koch-Instituts veröffentlichen. Dem folgt kurz danach in der Regel eine Reisewarnung oder eine Aktualisierung auf der Webseite des Auswärtigen Amtes. Aber wie gesagt, die Bundesregierung insbesondere BMG, BMI und Auswärtiges Amt befindet sich dazu in intensivem Austausch und wir beobachten die Lage.

ZUSATZFRAGE BLANK: Und wie sieht das bei der Slowakei aus?

SASSE: Dazu habe ich Ihnen im Moment nichts Neues anzukündigen.

FRAGE JESSEN: Frau Nauber, am vergangenen Mittwoch gab es zum Thema Impfbereitschaft die Frage, wie viele der Impfberechtigten eine Teilnahme abgelehnt haben. Sie konnten da keine Zahlen liefern, haben aber Nachlieferung in Aussicht gestellt. Eine solche Nachlieferung ist bislang noch nicht eingegangen. Ist das verschüttgegangen oder verfügen Sie nicht über dieses Zahlenmaterial?

NAUBER: Letzteres. Das ist nicht verschüttgegangen; ich habe extra auch beim RKI noch einmal nachgefragt. Diese Daten liegen uns tatsächlich nicht vor. Sie könnten bei den Bundesländern noch einmal fragen, ob vielleicht einzelne Bundesländer oder Landkreise diese Daten erheben. Ein deutschlandweiter Überblick liegt da aber nicht vor.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Wäre es zur Feststellung der real vorhandenen Impfbereitschaft nicht sinnvoll damit die Sprecher nicht sozusagen aus dem hohlen Bauch Eindrücke vermelden müssen , einen solchen Überblick herzustellen? Streben Sie das an?

NAUBER: Dazu kann ich Ihnen jetzt keine Ankündigungen machen. Gleichwohl gibt es ja zahlreiche Umfragen zu diesem Thema, die, wenn ich mich da aktuell richtig erinnere, auch zeigen, dass die Impfbereitschaft steigt und dass sie zwischen Dezember und jetzt ganz deutlich gestiegen ist. Insofern beobachten wir das natürlich sehr aufmerksam.

FRAGE: Herr Seibert, Sie haben die Situation als sehr ernst bezeichnet. Es geht zum Teil um Reiseeinschränkungen. Wie bewerten Sie angesichts dieser Situation die Tatsache, dass viele europäische Profifußballclubs gerade kreuz und quer durch Europa reisen, einige auch in Virusvariantengebiete? Halten Sie das nicht für das falsche Signal zu dieser Zeit?

STS SEIBERT: Vielleicht ist das etwas für die Kollegin aus dem Sportministerium.

VICK: Dem BMI sind die Berichterstattungen natürlich auch bekannt. Wir sind da aber nicht im Vorfeld eingebunden, und das BMI bewertet grundsätzlich die Planungen nicht.

Ganz generell und losgelöst vom Einzelfall ist, wie Sie auch schon gesagt haben, Sinn und Zweck der Coronavirus-Einreiseverordnung und der Coronavirus-Schutzverordnung, den Viruseintrag nach Deutschland insbesondere aus Mutationsgebieten zu vermeiden. Dazu gehört natürlich insbesondere die Kontaktreduzierung zwischen Menschen aus Mutationsgebieten und den Menschen hier in Deutschland. Insofern zielen die erlassenen Regeln nicht darauf ab, dass sich die Menschen jetzt andernorts treffen.

ZUSATZFRAGE: Können Sie begründen, warum es in diesem Fall für die Profifußballclubs ich zitiere einmal: „FC Bayern nach Katar“; ich könnte jetzt noch eine große Liste anführen Ausnahmen gibt?

VICK: Die Ausreise aus Deutschland ist ja nicht verboten. Bei der Einreise gelten dann die Einreise- und Quarantäneregelungen.

STS SEIBERT: Ich wurde vorhin, glaube ich, von Herrn Brössler zur Teilnahme am Coronakabinett gefragt. Ich habe Gott sei Dank keinen Minister vergessen. Das Verteidigungsministerium war durch Staatssekretär Hoofe vertreten, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit durch Staatssekretär Jäger, und dann war auch noch der Staatsminister im Kanzleramt Herr Hoppenstedt anwesend.

FRAGE GEUTHER: An das Justizministerium: Es geht mir um den Gesetzentwurf zum Thema gefährdende Veröffentlichung personenbezogener Daten, der am Wochenende unter dem Schlagwort „Feindeslisten“ bekannt wurde.

Erste Frage: Was ist hier der Zeitplan?

Zweite Frage: Es geht ja um die Veröffentlichung von Daten, die geeignet sind, die Gefahr einer bestimmten rechtswidrigen Tat gegen die betroffene Person zu begründen. Das ist, vorsichtig gesagt, ausfüllungsbedürftig. Können Sie Hinweise geben, wie ein Richter das ausfüllen soll?

DR. KEITEL: Erst einmal ganz allgemein: Ich kann bestätigen, dass das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf erarbeitet hat, mit dem die Verbreitung sogenannter Feindeslisten ausdrücklich unter Strafe gestellt werden soll. Damit setzen wir eine der 89 Maßnahmen des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus um.

Ziel ist es, Betroffene besser vor Bedrohungen, Hass und Hetze zu schützen. Sehr häufig kommen diese Drohungen ja auch aus dem rechtsextremistischen Spektrum. Diese Drohungen treffen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker oder Menschen, die sich für Geflüchtete oder sonst für eine vielfältige Gesellschaft einsetzen. Wenn deren Namen und Adressen auf Listen verbreitet werden, hat dies ein gefährliches Bedrohungspotenzial. Bereits das Verbreiten von personenbezogenen Daten nur einer Person soll strafbar sein, wenn die Verbreitung geeignet ist wie Sie es gerade auch gesagt haben , diese Person der Gefahr rechtswidriger Taten auszusetzen.

Derzeit ist der Gesetzentwurf in der Länder- und Verbändebeteiligung, und die haben bis zum 22. Februar Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.

ZUSATZFRAGE GEUTHER: Darf ich noch einmal nachfragen? Ich hatte ja nach der Formulierung gefragt, die Sie jetzt auch vorgetragen haben. Können Sie irgendwie näher konkretisieren, wann das der Fall sein soll?

DR. KEITEL: Es kann zum Beispiel sein, dass, wenn auf Demonstrationen oder auch bei Versammlungen Äußerungen wie „Diese Person sollte einmal Besuch bekommen“ oder „Gegen diesen oder jenen müsste man einmal etwas unternehmen“ aufkommen, die eben dazu geeignet sind, nicht nur die von diesen Feindeslisten Betroffenen, sondern auch die Bevölkerung zu verunsichern und zugleich den öffentlichen Frieden zu stören, die Veröffentlichung von solchen Adressen künftig unter Strafe gestellt werden soll, um die Personen besser zu schützen.

FRAGE PERCINIC: Können Sie bestätigen, dass lediglich Feindeslisten aus dem rechtsextremen Spektrum als Straftatbestand verfolgt werden sollen, oder gilt das auch für den Linksextremismus? Falls es nur als Instrument zur Bekämpfung von Rechtsextremismus dienen soll, bedeutet das, dass die Bundesregierung die Gefahr von Links- und Rechtsextremismus unterschiedlich gewichtet?

DR. KEITEL: Ganz allgemein gilt dieser Straftatbestand eben dem verbesserten Schutz der allgemeinen Rechtssicherheit und des friedlichen Zusammenlebens und schränkt dabei überhaupt nicht ein, aus welchen Kreisen das kommt.

FRAGE JUNG: Das passt wunderbar, weil es ja jetzt die Kritik gibt, dass dieses Gesetz auch gegen Antifaschisten angewendet werden kann, die Daten von Neonazis verbreiten. Es wäre mir neu, dass die Bundesregierung das doof findet.

DR. KEITEL: Was ist jetzt Ihre konkrete Frage dazu?

ZUSATZFRAGE JUNG: Dieses Gesetz das haben Sie ja gerade bestätigt kann dann auch gegen Antifaschisten angewendet werden, die seit Jahren und Jahrzehnten Öffentlichkeitsarbeit machen und aufzeigen, wo Neonazis leben, usw. usf. Schützen Sie also auch die Neonazis?

DR. KEITEL: Gegen jede Form des Extremismus und jegliche Form von Feindeslisten –

ZURUF JUNG: Aber Antifaschismus ist ja kein Extremismus!

DR. KEITEL: – soll dieser Straftatbestand gelten.

FRAGE WOLF: Welche Erkenntnisse haben Sie über die Folgen der Pandemie auf die Kohleverstromung? Der Anteil fossiler Energieträger am Strommix sinkt durch eine insgesamt sinkende Stromnachfrage. Was muss passieren, um diesem Trend auch nach der Pandemie nachhaltig zu stabilisieren?

WAGNER: Vielleicht kann ich zunächst einmal auf den Monitoring-Bericht zur Energiewende hinweisen, den wir vor Kurzem im Kabinett verabschiedet haben und der ja auch noch einmal gründlich aufarbeitet, wo wir aktuell mit der Energiewende stehen.

Ich glaube, das zielt ein bisschen auf die Effekte dieses Lockdowns im letzten Jahr auf die Stromversorgung und auch den Strombedarf ab. In der Tat ist der Strombedarf durch den Lockdown ja teilweise gesunken, was sich insbesondere auch auf den CO2-Ausstoß ausgewirkt hat. Es hat ja im letzten Jahr auch einen neuen Rekord an erneuerbaren Energien im Stromsektor gegeben.

Ganz grundsätzlich gelten die Maßnahmen zur Verringerung der Kohleverstromung ja unabhängig davon, ob wir eine Pandemie haben oder nicht. Wir gehen davon aus, dass wir diese Pandemie überwinden werden, und hoffen darauf, dass dann wieder ein entsprechender Aufschwung einsetzen wird. Dann wird auch die Stromnachfrage wieder steigen. Die grundsätzlichen Maßnahmen in Bezug auf den Kohleausstieg und die Erreichung der Klimaziele gelten ja weiter und werden auch jährlich angeschaut und nachgeschärft, sodass ich hier jetzt keine ganz spezifischen Maßnahmen nennen kann. Es ist vielmehr das generelle System, das hier wirkt und wirken wird.

FRAGE BRÖSSLER: Frau Sasse, Außenminister Maas hat ja am Freitag gesagt, die Ausweisung europäischer Diplomaten aus Russland werde nicht unbeantwortet bleiben, so sie nicht zurückgenommen werde. Wie wird die Antwort aussehen? Wann wird diese Antwort erfolgen, oder ist diese Antwort schon erfolgt?

Wie zufrieden ist der Außenminister mit den Ergebnissen der Reise des EU-Außenbeauftragten Borrell nach Moskau? Hätte man sich einen anderen Reiseverlauf gewünscht?

Sorry, aber es ist ganz kurz noch einmal zu Corona: Gibt es irgendeinen Zusammenhang mit der Frage der Nutzung des russischen Impfstoffs? Sehen Sie im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten, die es zurzeit im Verhältnis zu Russland gibt, irgendeinen Grund, auf dieses Angebot einzugehen oder nicht einzugehen? Das wäre natürlich auch eine Frage an Herrn Seibert.

SASSE: Vielleicht erst einmal zum Gesamtkomplex, den Sie angesprochen haben, die Zusammenarbeit mit Russland: Ich möchte auf die Gesamtäußerungen des Außenministers von Freitag verweisen. Er hat wörtlich gesagt:

„Die Entscheidung Russlands, mehrere EU-Diplomaten, darunter einen Mitarbeiter der Botschaft Moskau, auszuweisen, ist in keiner Weise gerechtfertigt und beschädigt das Verhältnis zu Europa weiter.“

Ich ergänze außerdem aus der Äußerung von Freitag:

„Sollte die Russische Föderation diesen Schritt nicht überdenken, wird er nicht unbeantwortet bleiben.“

Das haben Sie erwähnt, Herr Brössler.

Sie sprachen die Gegenmaßnahmen an. Darüber möchte ich an dieser Stelle nicht spekulieren. Der Außenminister selbst hat gesagt „Wenn die Russische Föderation diesen Schritt nicht überdenkt, wird er nicht unbeantwortet bleiben“, und bei dieser Äußerung möchte ich es an dieser Stelle belassen.

Was die Reise von

VORS. WEFERS: Darf ich einmal kurz dazwischenfragen? Herr Jordans fragt nämlich ganz konkret, ob die Gegenausweisung von russischen Diplomaten eine Option wäre. Ich will die Frage hier nicht untergehen lassen.

SASSE: Wie gesagt: An dieser Stelle möchte ich nicht über Gegenmaßnahmen spekulieren, sondern auf die Äußerung des Außenministers von Freitag verweisen.

ZUSATZFRAGE BRÖSSLER: Die Reise von Herrn Borrell?

VORS. WEFERS: Jetzt zur Reise! Ich wollte die Antwort auf die Frage zu der Reise nicht unterbrechen.

SASSE: Was die Reise von Herrn Borrell angeht auch darüber gab es am Wochenende ja sehr viele Berichte , ist unser Eindruck, dass wir keinen Fehler in dem Versuch erkennen können, ein konstruktives Gespräch mit der russischen Seite zu führen. Die Signale vonseiten Russlands waren dabei natürlich mehr als ernüchternd. Es war von vornherein klar, dass wir im Lichte dieser Gespräche dann als EU über unser weiteres Vorgehen beraten werden. Herr Borrell hat gestern selbst angekündigt, dass das Rahmen der nächsten Tagung des Rats für auswärtige Beziehungen erfolgen wird, und das ist der aktuelle Stand.

Was den Impfstoff angeht, verweise ich auf die Äußerungen des Kollegen aus dem BMG von eben.

ZUSATZ BRÖSSLER: Herr Seibert?

STS SEIBERT: Für den Impfstoff gilt das, was wir hier ja vor etwa einer Viertelstunde ausgeführt haben. Ein Impfstoff kann in der Europäischen Union dann zum Einsatz kommen, wenn er nach allen gültigen Verfahren von der EMA zertifiziert und von der Europäischen Kommission zugelassen worden ist. Das gilt für jeden Impfstoff.

FRAGE DR. RINKE: Frau Sasse, Herr Seibert, es soll heute eine Videokonferenz zwischen der EU, Kanada, den USA und Großbritannien über den Fall Nawalny und mögliche Schritte geben. Können Sie bestätigen, dass diese Videokonferenz stattfindet oder stattgefunden hat?

SASSE: Ich kann Ihnen an dieser Stelle keine Angaben zu einer möglichen Videokonferenz machen. Wenn wir darüber etwas zu berichten haben, dann werden wir es an dieser Stelle tun.

FRAGE: Frau Sasse, der Außenminister hat ja „wenn Russland das nicht überdenkt“ gesagt. Es gibt ja schon das Statement von Herrn Peskow, der gesagt hat: Wir haben nichts zu überdenken, was die Ausweisung dieser Diplomaten angeht. – Was wird die Bundesregierung in diesem Fall tun?

SASSE: Wie gesagt: An dieser Stelle möchte ich nicht über mögliche Gegenmaßnahmen spekulieren. Die Aussage des Außenministers steht für sich.

FRAGE REMME: Ist die Ausweisung der betroffenen Deutschen schon vollzogen?

SASSE: Dazu kann ich an dieser Stelle nichts sagen.

FRAGE LÜCKING: Es kam im vergangenen Jahr zu mehr als 900 Übergriffen auf Muslime und Moscheen. Wie betrachten die Bundesregierung bzw. das BMI diese Entwicklung?

Was wurde nach dem Anschlag von Hanau unternommen, um Muslimfeindlichkeit in Deutschland etwas entgegenzusetzen?

VICK: Bei den zitierten Zahlen handelt es sich um vorläufige Zahlen. Das BKA erfasst monatlich die von den Polizeien gemeldeten Zahlen und meldet diese am 28. des Folgemonats an das BMI. Diese einmal gemeldeten Zahlen werden nicht mehr verändert, auch wenn sich Änderungen ergeben haben. Das heißt, sie sind derzeit noch Momentaufnahmen. Am 31. Januar, dem Stichtag, werden alle gemeldeten Zahlen festgehalten und dann in umfangreichen Abstimmungsprozessen zwischen Bund und Ländern bereinigt, sodass keine Fehler oder Doppelmeldungen vorhanden sind. Erst nach Abschluss dieser Abstimmungen mit den Ländern werden diese Zahlen öffentlich vorgestellt und eingeordnet.

Zu den Maßnahmen: Die Bekämpfung islamfeindlicher Straftaten ist dem Bundesinnenministerium ein wichtiges Anliegen. Die Sicherung muslimischer Einrichtungen in Deutschland liegt in der Zuständigkeit der Länder. Gleichwohl stehen die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder im Austausch miteinander, beobachten die Lageentwicklung sehr genau und passen die daraus gegebenenfalls resultierenden Schutzmaßnahmen der jeweiligen Lage an.

FRAGE JUNG: Ich will auf das Thema der Rüstungsexporte zu sprechen kommen. Herr Wagner, auf eine Anfrage im Bundestag hatten Sie geantwortet, dass vergangenes Jahr 79 einzelne Anträge abgelehnt worden seien. Ich habe das nachgerechnet. Die Gesamtzahl der Einzelgenehmigungen betrug vergangenes Jahr 10 917. Damit kommt man auf eine Ablehnungsquote in Höhe von 0,7 Prozent.

Nun behaupten Sie ja, eine restriktive Rüstungsexportpolitik zu verfolgen. Wenn aber 99,3 Prozent aller Anträge auf Rüstungsexporte, auch in Diktaturen usw., grünes Licht gegeben wird, wo ist dann in irgendeiner Weise noch irgendetwas restriktiv? Deutschland ist ja, glaube ich,

WAGNER: Die Frage habe ich verstanden.

ZUSATZ JUNG: immer noch auf Platz vier der weltweiten Waffenexporteure.

WAGNER: Das Thema exerzieren wir hier, meine ich, jedes halbe Jahr durch.

ZUSATZ JUNG: Ja, solange wie Sie behaupten, dass

WAGNER: Würden Sie mich jetzt vielleicht antworten lassen? Die Zahl der Ablehnungen ist keinerlei Indiz dafür, wie restriktiv eine Rüstungsexportkontrolle ist. Ganz wichtig ist dabei, dass Rüstungsexportgenehmigungen erst einmal beim Bundesamt für Ausfuhrkontrolle beantragt werden. Dabei sind dem Antragsteller unsere Rüstungsexportgrundsätze schon bekannt, und darüber wird er auch regelmäßig informiert, sodass von vornherein aussichtslose Anträge erst gar nicht gestellt werden. Daneben werden Anträge auch zurückgenommen, wenn im Verfahren signalisiert wird oder zu erkennen ist, dass sie keine Aussicht auf Erfolg haben. Auch solche Anträge werden am Ende nicht weiterverfolgt.

Von daher ist die Ablehnungsquote kein Indiz dafür, wie restriktiv die Rüstungsexportkontrolle ist, weil die Anträge, wie gesagt, immer im Hinblick auf das geltende Exportgeschehen gestellt werden.

Ein Beispiel: Bei uns gilt ein grundsätzliches Genehmigungsverbot für den Export von Kleinwaffen in Drittstaaten, und selbstverständlich werden daher in diesem Bereich keine Anträge gestellt. Wenn dort keine Anträge gestellt werden, dann werden dort natürlich auch keine Anträge abgelehnt. Das ändert aber nichts daran, dass es grundsätzlich keine Exporte von Kleinwaffen in Drittstaaten gibt. Das ist eine ganz konkrete Verschärfung, auf die sie aber keinerlei Rückschlüsse aus den Ablehnungszahlen ziehen können. Denn das, was von vornherein nicht erlaubt werden kann, wird auch nicht beantragt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie erzählen uns seit Jahren, dass die Zahl der Genehmigungen nicht entscheidend sei, dass das Volumen der Rüstungsexporte nicht entscheidend sei. Was ist denn entscheidend? Woran kann sich die Öffentlichkeit denn orientieren, um zu bewerten, ob Sie restriktive Rüstungsexportpolitik machen? Einfach nur zu behaupten, dass man jeden Antrag einzeln prüfe, ist ja noch kein Ausdruck von Restriktivität.

WAGNER: In der Tat. Das Prinzip der Einzelfallprüfung gilt ohnehin. Die Frage ist, wie die konkreten Kriterien im Einzelfall angewandt werden. Die ganze Bundesregierung macht sich die Einzelentscheidungen nicht leicht. Sie werden zusammen im Ressortkreis getroffen, insbesondere natürlich auch mit der Einschätzung zur außen- und sicherheitspolitischen Lage durch das Auswärtige Amt. In jedem Einzelfall wird geprüft, wie die Lage vor Ort ist, welcher Verwendungszweck infrage kommt, ob das Land in einzelnen Konflikten ist, ob entsprechende Rüstungsgüter im jeweiligen Land repressiv für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden können. Diese Kriterien werden dort sehr, sehr genau geprüft.

Der Maßstab dafür, ob unsere Rüstungsexportkontrolle restriktiv ist, sind zum einen die Vorschriften, die wir haben. Ich hatte Ihnen gerade schon gesagt, dass wir grundsätzliche keine Genehmigungen für den Export von Kleinwaffen in Drittstaaten erteilen. Das ist ein Beispiel für die restriktive Rüstungsexportkontrolle, die restriktiver geworden ist. Zum anderen ist es die Tatsache, dass wir jeden Fall genau prüfen und dass solche Genehmigungen nicht erteilt werden, sobald es Zweifel daran gibt, dass diese Kriterien eingehalten werden,

FRAGE REIFENRATH: An die NATO wurde eine Summe in Höhe von 53,03 Milliarden Euro gemeldet. Wie kommt es zu dieser Steigerung?

ZURUF: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

VORS. WEFERS: Das BMVg ist interessanterweise nicht da, obwohl mir gesagt wurde, dass eigentlich nur das Landwirtschaftsministerium nicht da sei.

STS SEIBERT: Es verfolgt aber diese Bundespressekonferenz und kann sich mit einer Frage, die hier jetzt nicht beantwortet werden kann

VORS. WEFERS: Dann schicke ich jetzt freundliche Grüße an das Verteidigungsministerium mit der Bitte, sich nächstes Mal abzumelden und uns nachzuliefern, wie es zu dieser Steigerung kommt. Vielen Dank.

FRAGE REITSCHUSTER: An das Gesundheitsministerium: Herr Zubeil, der Gatte des Virologen Professor Streeck, ist bei Ihnen Unterabteilungsleiter geworden. Aus internen Quellen im Gesundheitsministerium habe ich die Information, dass die Abteilung in Berlin sei, er aber in Bonn und damit näher an seinem Wohnsitz bleiben könne und dass es diesbezüglich Unzufriedenheit gebe.

Können Sie diese Information bezüglich der Abteilung und des Verbleibs in Bonn bestätigen? Dass Sie den Hinweis auf die Unzufriedenheit nicht kommentieren, ist klar.

NAUBER: Erst einmal kann ich bestätigen, dass sich Paul Zubeil seit heute als Unterabteilungsleiter um europäische und internationale Angelegenheiten im Bundesgesundheitsministerium kümmert. Er bringt als stellvertretender Direktor für den Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen in Brüssel viel Erfahrung in internationalen Organisationen mit, und er hat sich in einer externen Ausschreibung gegen ein gutes Dutzend qualifizierter Bewerber durchgesetzt. Wir sind froh, dass wir ihn haben.

Wie Sie wissen, befindet sich das Bundesgesundheitsministerium sowohl in Bonn als auch in Berlin.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Die konkrete Frage haben Sie nicht beantwortet. Ist seine Abteilung tatsächlich mehrheitlich in Berlin?

NAUBER: Sehen Sie es mir nach, dass ich Ihnen hier jetzt nicht die genaue Aufteilung der Abteilung darstellen kann. Aber grundsätzlich sind wir ein Ressort, das in beiden Städten beheimatet ist.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Können Sie eine Antwort nachreichen?

NAUBER: Ich will gern sehen, ob ich das tun kann.

FRAGE NEHLS: Der Internationale Strafgerichtshof hält sich für die Ahndung von Kriegsverbrechen aller Seiten in besetzten Gebieten, also auch in Palästina, für zuständig. Die Reaktionen sind höchst unterschiedlich. Schließt sich die Bundesregierung bzw. das Auswärtige Amt der palästinensischen Führung oder der israelischen Regierung an?

SASSE: Wir haben die Entscheidung der Vorverfahrenskammer des Internationalen Strafgerichtshofs vom vergangenen Freitag zur Kenntnis genommen. In der Sache geht es um eine Zuständigkeitsfrage. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs bezieht sich auf den territorialen Umfang förmlicher Ermittlungen der Anklagebehörde und ausdrücklich nicht auf die Staatlichkeit der palästinensischen Gebiete. Sie bedeutet, dass die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs Ermittlungen zu etwaigen Völkerrechtsverbrechen in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten aufnehmen kann. Es ist nun an der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs, zu entscheiden, ob tatsächlich Ermittlungen aufgenommen werden.

Die Bundesregierung hatte in dem Verfahren ihre Rechtsauffassung in einem sogenannten Amicus-Curiæ-Brief dargestellt, also in einem Schriftsatz der sogenannten Freunde des Gerichts, den wir auf Einladung des Gerichts Anfang vergangenen Jahres verfasst haben und in dem wir unsere Rechtsauffassung dargelegt haben. Die Richter der Vorverfahrenskammer sind nun mehrheitlich einer anderen Argumentation gefolgt.

Unsere Haltung in der Sache ist unverändert. Nach unserer Rechtsauffassung sind der Internationale Strafgerichtshof und seine Anklagebehörde aufgrund des Fehlens des völkerrechtlichen Elements der Staatlichkeit von Palästina nicht zuständig. Ein palästinensischer Staat und die Festlegung territorialer Grenzen können das haben wir an dieser Stelle schon vielfach dargestellt nur durch direkte Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern erreicht werden. Deutschland trägt als einer der größten bilateralen Geber auch zum Aufbau eines zukünftigen palästinensischen Staates im Rahmen einer zwischen den Konfliktparteien verhandelten Zweistaatenlösung bei.

Unsere Position zum Nahostfriedensprozess kennen Sie; sie ist ebenfalls unverändert.

Gleiches gilt für unsere Haltung zum Strafgerichtshof insgesamt. Deutschland gehört seit Gründung des IStGH zu den entschiedensten Unterstützern. Wir sind zweitgrößter Beitragszahler und selbst Mitglied im Römischen Statut, der rechtlichen Grundlage für den IStGH.

FRAGE JUNG: Frau Sasse, das, was Sie hier sagen, ist sehr interessant. Sie sagen, der Internationale Gerichtshof sei nicht zuständig, weil Palästina kein Staat sei, obwohl Sie wissen, dass die israelische Besatzung diesen Staat verhindert.

SASSE: Ich habe gesagt, dass es auf das Element der Staatlichkeit der Palästinenser ankommt. Wir haben in unserem Amicus-Curiæ-Brief dargelegt, dass dieses völkerrechtliche Element der Staatlichkeit von Palästina fehlt und der IStGH dementsprechend nicht zuständig ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das habe ich verstanden. Aber Sie erkennen an, dass es diese Staatlichkeit nicht geben kann, weil Israel seit 1967 die palästinensischen Gebiete besetzt, was Sie als völkerrechtswidrig ansehen. Für die Verbrechen, die dort auf beiden Seiten während der Besatzung passieren, sollen die Besetzer nicht belangt werden, weil es den Staat, den sie durch die Besetzung verhindern, noch nicht gibt. Ist das Ihre Auffassung?

SASSE: Herr Jung, ich schließe mich Ihrer Interpretation an dieser Stelle

ZUSATZ JUNG: Das haben Sie doch gerade gesagt!

SASSE: ausdrücklich nicht an, sondern ich verweise noch einmal auf das, was ich gerade gesagt habe, dass ein palästinensischer Staat und auch die Festlegung territorialer Grenzen nur durch direkte Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern erreicht werden kann.

FRAGE DR. RINKE: Frau Sasse, können Sie uns sagen, wer eigentlich Kriegsverbrechen in den besetzten Gebieten ahnden könnte? Wenn nicht der Internationale Strafgerichtshof, wer soll dann hinschauen?

SASSE: In dem konkreten Fall ging es um die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs, und dazu haben wir unsere Rechtsauffassung deutlich gemacht.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Das habe ich verstanden. Aber gibt es eine andere Institution, die mutmaßliche Kriegsverbrechen, falls es sie gibt, aufklären könnte?

SASSE: Dazu kann ich an dieser Stelle nichts sagen.

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