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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 19. Februar 2021

Themen: Gedenken an die Opfer des Anschlags von Hanau, Termine der Bundeskanzlerin (Coronakabinett, Initiative „Digitale Bildung“, Bilanzgipfel zur Wohnraumoffensive, Videokonferenz mit Vertreterinnen und Vertretern landwirtschaftlicher Verbände, Kabinettssitzung, Übergabe des Jahresgutachtens 2021 der Expertenkommission Forschung und Innovation, Antrittsgespräch mit dem neuen BDI-Präsidenten, Videokonferenz des Europäischen Rats), Reise des Bundesaußenministers nach Brüssel, Nord Stream 2, iranisches Nuklearprogramm, COVID-19-Pandemie (Grenzkontrollen, Virusmutationen, Öffnungsstrategie, mögliche Impfstofflieferung für Entwicklungsländer, Einrichtung eines Härtefallfonds für Firmen, Impfstoffproduktion und Berufung eines Sonderberaters der Bundesregierung für die Produktion von Impfstoff, Höhe des Preises von Impfstoffdosen, Defizit der gesetzlichen Krankenkassen), FCAS, Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs der G7, Klage der EU-Kommission gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof, Baulandmobilisierungsgesetz

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 19. Februar 2021:

STS SEIBERT: Meine Damen und Herren, guten Tag! In ganz Deutschland gedenken heute, am 19. Februar, Menschen bei Kundgebungen oder auch im digitalen Raum der Opfer des Anschlags von Hanau. Der Bundespräsident wird heute Abend in Hanau an der Gedenkveranstaltung des Landes Hessen und der Stadt Hanau teilnehmen und die Gedenkrede halten.

Die Bundeskanzlerin hat am Wochenende in ihrem Podcast diesen fürchterlichen Anschlag als einen Einschnitt bezeichnet, einen „Einschnitt für das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft und für den Zusammenhalt der Menschen in Deutschland, ganz gleich welcher Herkunft oder Religionszugehörigkeit.“

Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi und Fatih Saraçoĝlu wurden aus Hass, aus rassistischem Hass ermordet. Die Bundeskanzlerin hat auch in ihrem Podcast daran appelliert, dass wir alles daransetzen müssen, um der verheerenden Ideologie des Rechtsextremismus und des Rassismus den Boden zu entziehen.

Die Trauer, der Schmerz um den Verlust, das Gedenken an die Opfer und die Verletzten, die Anteilnahme mit den Familien und Freunden der Ermordeten – das alles dauert an. Ich möchte bekräftigen, was die Kanzlerin gesagt hat:

„Rassismus ist ein Gift. Der Hass ist ein Gift. Wir stellen uns denen, die versuchen, Deutschland zu spalten, mit aller Kraft und aller Entschlossenheit entgegen.“

FRAGE WILP: Herr Seibert, Herr Lammert, direkt nach dem Anschlag von Hanau hat man überlegt, die Waffengesetze zu verschärfen. Warum ist es bislang nicht dazu gekommen? Woran liegt das? Ist das Interesse erlahmt?

DR. LAMMERT: Ganz allgemein zu Hanau: Der Bundesinnenminister hat immer wieder betont: Rechtsextremismus ist die derzeit größte Bedrohung für unseren demokratischen Rechtsstaat und die Sicherheit in Deutschland. Der Kampf gegen Rechtsextremismus und auch gegen Hasskriminalität hat für die Bundesregierung die oberste Priorität.

Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten zahlreiche Maßnahmen ergriffen, nicht zuletzt ein umfassendes Maßnahmenpaket des Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus im Herbst letzten Jahres mit 89 Maßnahmen für die gesamte Bundesregierung. Darüber hinaus und nicht erst seitdem sind zahlreiche Maßnahmen getroffen worden. Ich erinnere nur an einige: die massive Stärkung der Sicherheitsbehörden, das Verbot von rechtsextremen Vereinen sowie die Verschärfung des Waffenrechts, unter anderem mit einer Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden bereits im Januar des letzten Jahres.

In diesem Zusammenhang ist es auch noch wichtig, zu erwähnen, dass wir hoffen, bei einigen Gesetzesvorhaben möglichst bald voranzukommen und zu einem Abschluss zu kommen. Hier sind das Bestandsdatengesetz und auch die Novelle des Bundesverfassungsschutzgesetzes zu erwähnen, die hoffentlich möglichst bald das parlamentarische Verfahren durchlaufen wird.

ZUSATZFRAGE WILP: Es gab ja auch die Überlegung, Waffen einzuziehen oft ist nicht ganz klar, wer welche hat und dass man versucht, zu erfassen, wo sie sind und wer sie hat. Kann es gelingen, dies unter staatlicher Kontrolle zu bekommen? Können Sie Neues berichten, was das angeht? Danke.

DR. LAMMERT: Dazu habe ich keinen neuen Stand. Ich kann Ihnen insbesondere was den Umgang mit psychisch Kranken angeht , sagen, dass unmittelbar im Nachgang zu dem Anschlag von Hanau das BMI im Rahmen eines Berichts für die Innenministerkonferenz verschiedene Maßnahmen empfohlen hat, mit denen der Waffenbesitz psychisch erkrankter Personen effektiver verhindert werden kann. Die Innenministerkonferenz hat diese Handlungsempfehlungen bereits im vergangenen Jahr begrüßt und die Gesundheitsministerkonferenz gebeten, unter anderem die Möglichkeiten der Vereinheitlichung flächendeckender Mitteilungsbefugnisse gegenüber den Waffenbehörden durch die Gesundheitsämter zu prüfen.

Auch wenn die Umsetzung dieser Maßnahmen gerade auf gesetzlicher Ebene Sache der Länder ist, stehen Bund und Länder dazu sehr eng im Gespräch und wollen hierbei vorankommen. Das BMI wird die Länder schriftlich bitten, den aktuellen Stand ihrer Aktivitäten und etwaiger Handlungs- und Regelungsbedarfe aufzuzeigen. Der Bund wird diesen Prozess auch weiterhin nach Kräften unterstützen. Ziel ist es, bei der Vergabe oder Überprüfung von waffenrechtlichen Erlaubnissen ganz allgemein sicherzustellen, dass die Waffeninhaber in jeder Hinsicht zuverlässig sind.

FRAGE: Frage an BMI und BMJV: Wie steht es um das Demokratiefördergesetz? Woran hakt es? Wird die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss wegen des Gesetzes gegen Hass und Rechtsextremismus anrufen?

Wie oft hat sich bislang der Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus getroffen?

DR. LAMMERT: Was das Bestandsdatengesetz angeht, gibt es keinen neuen Stand. Es gibt Überlegungen, den Vermittlungsausschuss einzuberufen. Ich kann aber nichts Neues berichten, was darüber hinaus geht.

DR. LEBER: Ich kann allgemein ergänzen. Auch Frau Lambrecht hat sich heute anlässlich des Jahrestages geäußert und hat gesagt, dass wir um die Ermordeten trauern und sie nie vergessen werden. Sie hat weiterhin gesagt:

„Nichts gefährdet unsere offene und vielfältige Gesellschaft so sehr wie Rechtsextremismus und rechter Terror. Wir müssen alles dafür tun, dass rassistische Gewalt ein Ende hat, die bis hin zu den entsetzlichen Morden in Hanau geführt hat. Der allgegenwärtige Hass im Netz hat einen Nährboden geschaffen, der Extremisten zu Gewalttaten motiviert. Diese Spirale von Hass und Gewalt müssen wir stoppen – mit allen Instrumenten des Rechtsstaats, die wir weiter schärfen. Wir erhöhen den Verfolgungsdruck weiter und stärken Sicherheitsbehörden.“

Die Ministerin hat außerdem gesagt:

„Der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung vom Rechtsextremismus und Rassismus ist eine wichtige politische Konsequenz aus dem Anschlag von Hanau. Die Maßnahmen, die wir zum Schutz von rassistischer Gewalt und zur Stärkung unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts beschlossen haben, müssen wir noch vor der Bundestagswahl umsetzen. Unsere wehrhafte Demokratie lebt vom Engagement vieler Initiativen, die wir endlich dauerhaft und verlässlich fördern müssen. Wir brauchen das Gesetz zur Förderung unserer wehrhaften Demokratie.“

DR. LAMMERT: Der Kabinettsausschuss hat bis jetzt dreimal getagt.

FRAGE GEUTHER: Kann sich auch das BMFSFJ zum Demokratiefördergesetz äußern? Woran hakt es?

STS SEIBERT: Das ist heute nicht vertreten. Die Frage müsste man auf anderem Wege beantworten.

Wenn ich das sagen darf: Alle Ministerien, die in diesen besonderen pandemischen Zeiten einmal nicht vertreten sind, hören immer zu verfolgen und verfolgen natürlich die Bundespressekonferenzen.

VORS. DETJEN: Wir haben vereinbart, dass Ministerien, deren Pressestellen zurzeit komplett im Homeoffice sind, gegebenenfalls auch nicht an der Regierungspressekonferenz teilnehmen. Die Fragen werden aber beantwortet.

FRAGE JESSEN: Frage an BMJV, BMI oder auch das Kanzleramt: Beobachten Sie eigentlich einen Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus der Art, wie wir ihn in Hanau erlebt haben, und der gesellschaftlichen Polarisierung, die im Zusammenhang mit der Pandemie zu beobachten ist? Gibt es Zusammenhänge? Kann man dabei gegenwirken, oder läuft das aus Ihrer Sicht völlig getrennt voneinander?

DR. LAMMERT: Ich kann ganz allgemein sagen, dass in Bezug auf Anti-Corona-Demonstrationen festgestellt wurde, dass an diesen Demonstrationen durchaus auch Rechtsextremisten teilgenommen haben, dass aber insgesamt diese Bewegung als heterogen einzuschätzen ist, also nicht vollständig übernommen werden kann.

FRAGE BLANK: Herr Lammert, können Sie sagen, warum Herr Seehofer sich bisher nicht persönlich zum Jahrestag geäußert hat? Wir kennen jedenfalls keine öffentliche Äußerung von Herrn Seehofer zu den Vorgängen vor einem Jahr.

DR. LAMMERT: Der Bundesinnenminister hat sich an verschiedenen Stellen immer wieder sehr deutlich zu dem Thema geäußert. Er hat letztes Jahr gesagt:

„Rechtsextreme, antisemitische und rassistische Thesen sind Gift. Gift, das Verwirrung in den Köpfen auslöst und dafür sorgt, dass das Böse hervortritt. Wir müssen den Rassismus ächten. Gesellschaft und Politik müssen ihn Schulter an Schulter mit aller Leidenschaft und Konsequenz bekämpfen.“

Der Minister hat sich, wie gesagt, zu dem Thema verschiedentlich geäußert. Darüber hinaus habe ich heute keinen neuen Stand zu berichten.

ZUSATZFRAGE BLANK: Sie sagten selber, dass der Bundesinnenminister sich im letzten Jahr zu dem Thema geäußert hat. Die Frage war, warum er sich nicht aktuell äußert. Es haben sich alle möglichen Menschen zu dem Thema geäußert. Das heutige Datum ist ein wichtiges Datum. Da stellt sich schon die Frage, warum er sich heute nicht äußert.

DR. LAMMERT: Ich kann bis jetzt von keinem Zitat berichten. Ob und wie sich der Minister noch äußert, kann ich nicht voraussagen.

FRAGE HÖHNE: Die Grünen hatten gefordert, ein Ministerium zur Chancengleichheit zu gründen. Wie steht die Bundesregierung dazu?

STS SEIBERT: Ich kann nur für diese Bundesregierung sprechen, deren Ende der Amtszeit im Herbst dieses Jahres erkennbar in Sicht ist. In dieser Zeit gibt es keine Veränderungen am ministeriellen Zuschnitt, die geplant sind. Was nicht heißt, dass Chancengleichheit, was ja ein sehr weiter Begriff ist, nicht ein wichtiges Anliegen dieser Bundesregierung ist, das natürlich von verschiedenen Ministerien Bundesjustizministerium und sicherlich auch BMFSFJ behandelt und bearbeitet wird und das auch im Kanzleramt als ein sehr wichtiges Thema gesehen wird.

VORS. DETJEN: Herr Seibert hat dann die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin anzukündigen.

STS SEIBERT: Am Montag, 22. Februar, wird es um 11 Uhr wieder eine Sitzung und Beratung des sogenannten Coronakabinetts geben.

Ebenfalls am Montag um 13 Uhr wird die Bundeskanzlerin zusammen mit Bildungsministerin Karliczek und Staatsministerin Bär an der digitalen Auftaktveranstaltung der Initiative „Digitale Bildung“ teilnehmen. Dies ist ein Online-Dialog mit Expertinnen und Experten über Perspektiven und Anforderungen an die Bildung in einer digitalen Welt.

Die Bundeskanzlerin und Bildungsministerin Frau Karliczek haben gemeinsam die Initiative „Digitale Bildung“ ins Leben gerufen. Ziel ist, diese digitale Bildung in unserem Land weiter auszubauen und ihr einen deutlichen Schub zu geben. Die Pandemie hat allen deutlich vor Augen geführt, welche hohe Bedeutung solche digitalen Lehr- und Lernangebote haben. Sie hat uns auch vor Augen geführt, wo wir im Interesse von Schülern und Lehrern noch nicht das erreicht haben, was wir erreichen wollen. Es ist aber, wie gesagt, schon ein deutlicher Schub in der Pandemie geschehen. Das soll nun fortgesetzt werden. Es ist wichtig, Lernen, Lehren und Ausbilden mit digitalen Angeboten weiterzuentwickeln und auch die digitalen Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürgern in der Breite zu stärken.

Das Ganze wird auf bundesregierung.de und auf bmbf.de live gestreamt.

Am Dienstag findet ebenso virtuell ein Bilanzgipfel des Bundesinnenministeriums zur Wohnraumoffensive statt, an dem die Bundeskanzlerin teilnehmen und eine Rede halten wird. Das Ganze wird ab 11 Uhr gestreamt.

Sie erinnern sich an den sogenannten Wohngipfel im September 2018. Damals hatten Bund, Länder und Kommunen eine gemeinsame Wohnraumoffensive auf den Weg gebracht. Seitdem kann die Bundesregierung insgesamt eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Alle zentralen Maßnahmen sind umgesetzt oder auf den Weg gebracht. Es geht aber nicht nur um die Rückschau auf das, was erreicht wurde, sondern es geht auch darum, zusammen mit den Partnern in den Bundesländern und Kommunen Perspektiven für die Bau- und Wohnungspolitik aufzuzeigen. Die Bundeskanzlerin redet, wie gesagt, um 11 Uhr.

Am Dienstagabend findet, wiederum virtuell, ab 19 Uhr eine Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit Vertreterinnen und Vertretern landwirtschaftlicher Verbände statt. Damit unterstreicht die Bundeskanzlerin einmal mehr die hohe Wertschätzung, die sie für die deutsche Landwirtschaft insgesamt und die tägliche Arbeit der Bäuerinnen und Bauern hat. Der Bundesregierung ist sehr bewusst, dass die Landwirtschaft vor erheblichen Herausforderungen steht. Dies sind strukturelle Veränderungen, aber auch Fragen des Natur- und Klimaschutzes und des Tierwohls. Das Gespräch wird deswegen auch aktuelle Fragen, aktuelle Rechtssetzungsvorhaben wie zum Beispiel die Umsetzung des Aktionsprogramms Insektenschutz aufgreifen.

Am Mittwoch findet um 9.30 Uhr wie üblich die Sitzung des Bundeskabinetts unter Leitung der Bundeskanzlerin statt.

Ebenfalls am Mittwoch auch das in Form einer Videokonferenz überreicht um 14 Uhr die Expertenkommission Forschung und Innovation der Bundeskanzlerin ihr Jahresgutachten 2021.

Die Expertenkommission wird sich in ihrem diesjährigen Gutachten natürlich vor allem zu den aktuellen Auswirkungen der Coronapandemie auf Forschung und Innovation äußern. Es gibt auch andere Schwerpunkte, nämlich die Anpassungen der beruflichen Aus- und Weiterbildung an die digitalen Veränderungen sowie das Thema Agilität in der Forschungs- und Innovationspolitik.

Es ist ein presseöffentlicher Termin, der auch auf bundesregierung.de gestreamt wird.

Ein weiterer Termin ist am Mittwochnachmittag das Antrittsgespräch des neuen BDI-Präsidenten Professor Siegfried Russwurm bei der Bundeskanzlerin, der am 1. Januar die Nachfolge von Dieter Kempf angetreten hat. Auch das wird per Videokonferenz stattfinden. An diesem Austausch zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen nehmen neben der Bundeskanzlerin und Professor Russwurm auch sein Vorgänger Dieter Kempf sowie der BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang teil.

Am Donnerstag und Freitag nimmt die Bundeskanzlerin dann an der Videokonferenz des Europäischen Rats statt, an der die Bundeskanzlerin teil. Es gibt am Donnerstag ab 15 Uhr zunächst eine Arbeitssitzung über die aktuelle Lage in der Coronapandemie. In der zweiten Arbeitssitzung am Freitag ab 9 Uhr wird es um sicherheits- und verteidigungspolitische Themen gehen. Dazu ist auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg eingeladen. Außerdem stehen noch die Beziehungen zur südlichen Nachbarschaft auf der Tagesordnung.

So weit die öffentlichen Termine.

FRAGE BLANK: Ganz kurz zu dem Europäischen Rat: Ist geplant, dass die Kanzlerin am Freitag noch eine Pressekonferenz hier in Berlin macht?

STS SEIBERT: Das muss ich Ihnen Anfang der Woche sagen, wenn sich das genauer herausgestellt hat. Das kann ich Ihnen heute noch nicht sagen.

FRAGE DR. RINKE: Zum Coronakabinett: Können Sie uns sagen, was am kommenden Montag die Themen sein werden?

STS SEIBERT: Nein, das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Das ist natürlich immer sehr von der aktuellen Entwicklung abhängig; deswegen wäre es unvorsichtig, wenn ich Ihnen das schon am Freitag nennen würde.

ADEBAHR: Ich möchte Ihnen gerne ankündigen, dass Außenminister Maas nach Brüssel reisen wird, wo am Montag der EU-Außenrat in diesem Falle physisch stattfinden wird. Auf der Tagesordnung des Treffens stehen unter anderem eine Debatte zu Russland und der weiteren Positionierung der EU dazu, ein Austausch zum strategischen Kompass der Europäischen Union, der eben die Handlungsfähigkeit in den Bereichen Sicherheit, Verteidigung und auch Krisenprävention stärken soll, eine Debatte zur südlichen Nachbarschaft, die auch den Gipfel vorbereitet, und das Thema Iran. Außerdem gibt es am Montag noch eine Aussprache per Video mit dem neuen amerikanischen Außenminister Antony Blinken.

FRAGE DR. RINKE: Frau Adebahr, können Sie uns sagen, was genau bei dem Thema Russland auf der Agenda steht? Wird es da um weitere Sanktionen gehen?

Da Sie Herrn Blinken erwähnt haben: Heute wird das State Department einen Bericht zu Nord Stream 2 und möglichen Sanktionen dazu abgeben. Erwarten Sie, dass das Statement auch Sanktionen gegen deutsche Firmen empfiehlt?

ADEBAHR: Zu Nord Stream 2 ist unsere Haltung unverändert. Wenn es aus den USA Neuigkeiten gibt, werden wir uns das natürlich genau anschauen, und wir müssen natürlich auch erst einmal sehen, was in einem möglichen Bericht an den Kongress drinsteht.

Zu Russland: Sie kennen die jüngsten Diskussionen und auch den Hintergrund des Falles Nawalny sowie der Ausweisung des EU-Diplomaten und andersherum. Insofern wird auch Herr Borrell von seiner Reise nach Moskau berichten, und ich kann der Diskussion am Montag nicht vorgreifen. Es wird sich am Montag ergeben, in welche Richtung die EU dort gehen wird.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, Sie haben auch das Stichwort Iran als Thema erwähnt. Wie steht die Bundesregierung zu der jüngsten US-diplomatischen Offensive? Die USA haben ja gesagt, dass sie die Gespräche unterstützen und auch gern den „Snapback“-Mechanismus zurücknehmen würden.

In diesem Kontext eine technische Frage an Herrn Seibert zum Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem iranischen Präsidenten: Von wem ging die Initiative dieses Telefonats aus?

STS SEIBERT: Das kann ich schnell machen: Es ist grundsätzlich so, dass die Bundeskanzlerin mit internationalen Staats- und Regierungschefs dann telefoniert, wenn beide sich auf ein Telefonat einigen.

ADEBAHR: Sie haben es schon angesprochen, Herr Towfigh-Nia: Gestern gab es in Paris einen sehr intensiven, sehr guten und atmosphärisch wirklich schönen Austausch zwischen dem britischen Außenminister, dem französischen Außenminister, Außenminister Maas und Antony Blinken. Sie haben vielleicht die Erklärung gesehen, die gestern Abend noch hinausgegangen ist. Wir begrüßen ganz ausdrücklich, dass die USA dort Gesprächsbereitschaft signalisieren und dort einen „return to diplomacy“ ankündigen.

Sie haben vielleicht auch gesehen, dass aus dem EAD die Ankündigung kam, dass man bereit sei, zu einem informellen Treffen aller Parteien des JCPOA einzuladen. Auch aus den USA kam daraufhin das Signal, dass man zu einem solchen Gespräch bereit sei und dort kommen werde. Das sind ganz ausdrücklich sehr, sehr gute Nachrichten, die vielleicht einen Weg zurück zum JCPOA zeigen.

Die USA haben auch den Sicherheitsrat notifiziert, dass sie den Versuch der Auslösung des „Snapbacks“ durch die vormalige Trump-Administration nicht mehr teilen und damit auch offiziell zurückziehen. Damit bekräftigen die USA, dass die Sicherheitsratsresolution 2231, die ja das JCPOA indossiert und auch der Grundbaustein für das Nuklearabkommen ist, vollständig in Kraft ist. Das war auch immer die Rechtsauffassung der europäischen Parteien dieses Abkommens, und diese teilen die USA nun. Auch das ist natürlich ein sehr guter Schritt.

Insgesamt haben wir mit dieser Erklärung und dem gestrigen Gespräch drei Dinge gesehen, die aufseiten der Vereinigten Staaten von Amerika ganz konkrete Schritte in Richtung Gesprächsbereitschaft, Diplomatie und eventuell Schritt für Schritt einer Rückkehr in das JCPOA sind, nämlich Sie haben es auch schon angesprochen erstens die Bereitschaft, an einem Treffen aller JCPOA-Parteien das inkludiert natürlich auch Russland und China teilzunehmen, zweitens der Brief an den Sicherheitsrat, in dem sie mitteilen, dass sie den „Snapback“-Versuch der Trump-Administration nun zurückziehen und drittens auch die Ankündigung die auch eine ganz praktische Ankündigung ist; das ist ja auch immer wichtig , dass die Restriktionen für die Bewegungsfreiheit iranischer Diplomaten in New York, die es seitens der Trump-Regierung gab, zurückgezogen werden und zu dem Status von vorher zurückgekehrt wird.

Da ist also Bewegung drin. Das werden die Außenminister natürlich auch am Montag weiter besprechen. Das sind ganz konkrete Schritte, über die wir uns sehr freuen.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal sagen Sie haben es gestern in dem Kommuniqué vielleicht auch gelesen und den Außenminister gehört : Die jüngsten Ankündigungen des Iran zur Einschränkung der Transparenz und zu einem Zurückfahren der Zusammenarbeit mit der IAEO, wie auch schon die vorherigen Ankündigungen zum Thema Anreicherung, sind im Moment nicht hilfreich. Wir würden uns wünschen, dass jetzt auch aus Teheran ganz konkrete Signale kommen und man sagt: Wir setzen uns jetzt an einen Tisch und wollen konstruktiv für dieses Nuklearabkommen arbeiten. Denn aus europäischer Sicht das ist immer noch unsere „bottom line“ ist der Erhalt dieses Abkommens immer noch der beste Weg, Iran von dem Bau einer Atomwaffe abzuhalten und darum geht es ja in letzter Konsequenz.

STS SEIBERT: Ich kann das alles hundertprozentig unterstreichen, will aber einen Gedanken noch einmal besonders unterstreichen: Es ist jetzt entscheidend, die Chance für die Diplomatie zu ergreifen, und deswegen ist es auch entscheidend, keine einseitigen Schritte zu unternehmen, die dem zuwiderlaufen. Deswegen ruft die Bundesregierung, wie es gerade auch Frau Adebahr für das Auswärtige Amt getan hat, den Iran auf, die angekündigte Einschränkung der IAEO-Inspektionen nicht umzusetzen und noch einmal zu überdenken. Das hat auch die Bundeskanzlerin in ihrem Telefonat mit Präsident Rohani zum Ausdruck gebracht.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, der iranische Außenminister Zarif hat heute noch einmal gefordert, dass die trumpschen Sanktionen aufgehoben werden. Wie steht die Bundesregierung dazu?

ADEBAHR: Wir begrüßen und das ist ja erst einmal der erste Schritt , dass die USA bereit sind, sich an den Tisch des JCPOA zu setzen, und wir wünschen uns, dass auch Iran das macht. Wenn man dort sitzt das ist das Wesen der Diplomatie , dann kann man darüber reden, wie eine Sequenzierung denn darum wird es ja am Ende gehen für konkrete Schritte vonseiten der USA aussehen kann. Es wird dabei aber natürlich auch und das ist wichtig um eine Aufhebung der Nichtbefolgung des JCPOA des Iran gehen. Das sind ja Dinge, die Hand in Hand gehen müssen, und das wird zu besprechen sein. Wenn am Ende das JCPOA vollständig in Kraft sein soll, dann würde das natürlich auch die Aufhebung der Sanktionen der USA bedingen. Das ist, glaube ich, allen klar, und das hat auch der Außenminister gesagt.

Dieser Weg, den man da jetzt anfängt, ist schon diffizil. Man muss miteinander sprechen, und das Thema Sequenzierung wird sicherlich eines der Themen sein. Wichtig ist, dass wir jetzt den ersten Schritt gehen und da erst einmal an einen Tisch kommen.

VORS. DETJEN: Herr Dr. Lammert vom Innenministerium hat noch einen Nachtrag zum Thema Hanau.

DR. LAMMERT: Ja, ich möchte noch gern ein aktuelles Zitat des Bundesinnenministers nachreichen, das mir vorhin nicht vorlag. Der Bundesinnenminister äußert sich wie folgt:

Wir gedenken heute der Opfer von Hanau. Alle Menschen in Deutschland müssen sicher leben können. Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen. Wir bieten denen die Stirn, die das Gift des Rechtsextremismus, des Rassismus und des Antisemitismus verbreiten und unsere freiheitliche Lebensweise bekämpfen.

FRAGE BAUCHMÜLLER: Mit Blick auf Virusvarianten in anderen Ländern: Sind weitere Länder zu Virusvariantengebieten erklärt worden, und falls ja, welche Länder wegen welcher Varianten?

Stimmt es, dass an der deutsch-französischen Grenze zunächst auf Grenzkontrollen verzichtet wird? Bis zu welchen Infektionszahlen soll das gelten?

DR. LAMMERT: Zunächst ganz allgemein: Die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen im Herzen Europas das haben wir an dieser Stelle bereits mehrfach betont ist immer Ultima Ratio und kann nur eine absolute Ausnahme sein. Die Frage der Notwendigkeit ergab sich in Bezug auf die unmittelbaren Nachbarn Tschechien und Österreich, weil diese Länder bzw. Regionen als Virusmutationsgebiete eingestuft wurden und anderweitige kurzfristige Möglichkeiten nicht bestanden, um den Viruseintrag zu unterbinden.

Die Faktoren, die zu einer Einstufung als Virusmutationsgebiet führen, sind vielfältig und beziehen sich zwar insbesondere, aber nicht allein auf das Infektionsgeschehen selbst. Auch die Maßnahmen innerhalb der betroffenen Staaten sowie die denkbaren grenzüberschreitenden Gegenmaßnahmen werden mit in die Bewertung einbezogen. Dementsprechend beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe aus Bundesgesundheitsministerium, Auswärtigem Amt und BMI mit der Frage, welche Länder in diese Kategorie eingestuft werden müssen. Bislang besteht eine solche Einstufung als Virusmutationsgebiet innerhalb der EU nur für Tschechien, die Slowakei, Österreich und Portugal. Die Frage der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen wird immer innerhalb der Bundesregierung mit den betroffenen Bundesländern und natürlich auch mit den betreffenden Nachbarstaaten eng koordiniert und abgestimmt.

Darüber hinaus habe ich an dieser Stelle von keinen konkreten Entscheidungen zu berichten.

FRAGE DR. RINKE: An das Innenministerium: Mehrere Verbände Logistiker zum Beispiel fordern heute eine Änderung bei den Grenzkontrollmaßnahmen, weil sie die Lieferketten schädigen oder gefährden würden. Deswegen wüsste ich gerne: Wollen Sie bei der Art und Weise, wie die Grenzkontrollen durchgeführt werden, nachbessern?

Zweitens zu Frankreich: Wovon machen Sie abhängig, dass Kontrollen an der Grenze zu Frankreich eingeführt werden? Hängt das nur von dem Infektionsgeschehen in Frankreich ab oder auch von der Zustimmung der Bundesländer, die an Frankreich grenzen?

DR. LAMMERT: Vielleicht zuerst zur zweiten Frage. Ich habe es gerade schon angesprochen: Allgemein kann man sagen, dass die Faktoren, die zu einer Einstufung als Virusmutationsgebiet führen, vielfältig sind und sich nicht allein zwar insbesondere, aber nicht allein auf das Infektionsgeschehen beziehen. Auch Maßnahmen innerhalb der betroffenen Staaten und auch grenzüberschreitende Gegenmaßnahmen, die getroffen werden könnten, müssen hier in Betracht gezogen werden. Das ist also ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren.

Zu Ihrer ersten Frage, ist vielleicht noch einmal zu betonen: Die Kontrollen an den Binnengrenzen sind zu einem einzigen Zweck eingeführt worden; das hat der Bundesinnenminister gestern auch bei seinem Besuch an der deutsch-tschechischen Grenze sehr deutlich gemacht. Es geht darum, den Viruseintrag einer gefährlichen Mutation nach Deutschland möglichst zu verhindern. Deswegen sind diese Grenzkontrollen erforderlich, auch wenn das nicht immer in allen Bereichen völlig reibungslos funktionieren kann das ist ja völlig klar. Der Bundesinnenminister hat gestern aber auch festgestellt, dass die Abfertigung an den Grenzen mittlerweile reibungslos bzw. perfekt läuft, und er hat ein großes Lob an die Bundespolizei und auch die Landespolizeien ausgesprochen. Die Abfertigungen laufen also sehr gut. Das ist der aktuelle Stand.

FRAGE DR. BECKER: Sie haben es gerade schon angesprochen: Verschiedene Faktoren spielen in die Frage der Grenzschließungen hinein. Mir ist aber nicht ganz klar, wer sozusagen das finale Wort hat. Deshalb meine Frage an das BMI, aber vielleicht auch an das BMG: Wenn Bundesländer sich da einfach komplett verweigern und diese Grenzschließungen nicht wollen, können Sie dann als Krisenstab dem BMI sagen: Nein, die müssen aber sein, weil sich die Dinge verschärft haben? Wer hat am Ende sozusagen die Entscheidung?

DR. LAMMERT: Die Entscheidung über Grenzkontrollen liegt beim Bundesinnenminister, aber wie ich bereits erwähnt habe: Solche Entscheidungen werden immer ausgiebig abgestimmt innerhalb der Bundesregierung, mit den betroffenen Bundesländern und natürlich auch mit den betreffenden Nachbarstaaten.

ZUSATZFRAGE DR. BECKER: Das heißt am Ende aber: Sie werden nicht gegen die Bundesländer agieren?

DR. LAMMERT: Das heißt, dass solche Entscheidungen immer mit den Beteiligten, die ich genannt habe, koordiniert und abgestimmt werden.

FRAGE JESSEN: An Herrn Seibert: In der vorangegangenen Pressekonferenz hat Professor Wieler vom RKI vor einem erneuten Wendepunkt des Infektionsgeschehens gewarnt, weil eben durch die Virusmutationen eine neue Dynamik hineinkommt. Teilt die Kanzlerin die Einschätzung, dass Deutschland vor einem erneuten Wendepunkt steht und dass eine dritte Welle droht? Was bedeutet dies für die Perspektive von Maßnahmenlockerungen?

STS SEIBERT: Da mir die Äußerung von Herrn Wieler jetzt nicht vorliegt, würde ich sie nicht gern kommentieren. Aber das Bild, das sich uns zeigt, ist ich denke, darüber sind wir uns alle einig , dass wir nach einer längeren Zeit eines sehr erfreulichen Rückgangs der Inzidenzwerte nun seit einigen Tagen merken, dass es eine Seitenbewegung gibt und der Rückgang stagniert. Außerdem haben wir mittlerweile Kenntnis davon, dass sich die Mutationen, die eine höhere Ansteckungsgefahr in sich tragen, auch in Deutschland ausbreiten. Wir sind eben nicht mehr bei 6,5 Prozent, sondern wir sind jetzt bei anderen Werten. Das müssen wir natürlich sehr ernst nehmen, wie es der Bundesgesundheitsminister, glaube ich, vorhin auch klar gesagt hat. Das bedeutet für uns natürlich, dass alle Überlegungen über mögliche Öffnungsschritte oder eine Rücknahme von Restriktionen mit viel Vorsicht und Umsicht angestellt werden müssen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Der Begriff „Wendepunkt“ fiel explizit, und zwar im Hinblick auf die Mutanten. Wenn wir tatsächlich einen solchen erneuten Wendepunkt haben, kann dann die bisherige Diskussion über die Perspektive schrittweiser Lockerungen und Öffnungen überhaupt noch fortgesetzt werden?

STS SEIBERT: Natürlich müssen Diskussionen fortgesetzt werden. Mit Blick auf das nächste Treffen von Bund und Ländern am 3. März wird intensiv beraten und die Situation intensiv analysiert. Natürlich ist es ganz wichtig, dass wir weiter nachdenken. Aber Vorsicht und Umsicht sind in der aktuellen Situation sicherlich auch wichtig.

FRAGE JENNEN: Herr Seibert, im Rahmen der G7 wird diskutiert, wie man den Entwicklungsländern bei der Impfstofflieferung helfen kann. In diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Vorschläge, unter anderem einen Vorschlag von Johnson, überflüssige Impfstoffe dorthin zu liefern. Macron schlägt sogar bis zu fünf Prozent vor. Wie ist die Position der Bundesregierung dazu?

STS SEIBERT: Die Bundesregierung hat sich von Anfang dieser Pandemie an dafür eingesetzt, diese Pandemie weltweit zu bekämpfen. Wenn wir in Deutschland mit ihr eines Tages fertig geworden sein sollten oder wenn wir das in Europa geschafft haben, dann nützt uns das nicht sehr viel, wenn in anderen Teilen der Welt die Pandemie noch wütet. Denn dann werden auch wieder Einträge von dort zu uns kommen. Deswegen war das von vornherein der Ansatz der Bundesregierung.

Wir haben bereits erhebliche Mittel für die weltweite Bekämpfung der Coronapandemie zur Verfügung gestellt. Wir haben weitere Mittel in Aussicht gestellt. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat ihnen bereits zugestimmt. Wir werden das als Teil eines Finanzierungspakets der internationalen Partner einbringen und sind dazu auch mit den G7-Partnern im Gespräch.

ZUSATZFRAGE JENNEN: Aber hierbei geht es ja auch konkret um die Frage, ob man bereit ist, letztendlich eigene Impfstoffe den Entwicklungsländern zu geben.

STS SEIBERT: Von überschüssigen Impfstoffen das haben Sie in Ihrer ersten Frage erwähnt können wir im Moment in Deutschland nicht reden. Aber es gibt im Grundsatz die Verständigung auch mit dem französischen Präsidenten, dass die europäischen Länder etwas aus ihren Beständen an ärmere Länder auf anderen Kontinenten, die bisher zum Teil noch gar nicht versorgt sind, abgeben. Wann und in welchen Schritten das geschieht, das ist sicherlich noch zu bereden.

FRAGE BLANK: Herr Altmaier hat einen Härtefallfonds für Firmen, die bei den Coronahilfen durch den Rost fallen, vorgeschlagen. Bayern hat schon gesagt, man werde nicht mitmachen.

Meine Frage an das Wirtschaftsministerium: Ist es Grundvoraussetzung, dass die Länder bei diesem Fonds mitmachen, damit er überhaupt zustande kommt?

EICHLER: Sie haben vielleicht schon gesehen, dass wir uns dazu geäußert haben. Die Pläne für einen Härtefallfonds, über die jetzt gesprochen wird, das ist auch mit Blick auf die Länder keine Pflicht, sondern es ist ein Angebot für die Erfassung einzelner Fälle, die eben leider durchs Raster fallen. Das ist der Stand. Wir stimmen uns derzeit dazu ab.

ZUSATZFRAGE BLANK: Was sagt das Finanzministerium zu dem Vorschlag?

Gibt es schon Überlegungen über das Volumen eines solchen Fonds? Das mag mir durchgegangen sein.

KOLBERG: Wie die Sprecherin des BMWi eben betont hat, laufen die Gespräche dazu. Wir haben umfassende Hilfen vorgesehen und sind auch ständig dabei, die Hilfen anzupassen und zu erweitern. Der Minister hat sich auch in den letzten Tagen und heute im Interview mit „FOCUS online“ dazu geäußert, dass wir den Ansatz fahren, dass die Hilfe auch ankommt und dass alle, die Hilfe brauchen, unterstützt werden.

ZUSATZFRAGE BLANK: Noch einmal an das Wirtschaftsministerium: Schwebt Ihnen zum Volumen noch nichts vor?

EICHLER: Uns schwebt schon etwas vor, aber dem will ich nicht vorgreifen, weil, wie gesagt, die Gespräche dazu jetzt noch laufen.

FRAGE DUNZ: Ich möchte noch einmal kurz auf die Frage zur Öffnungsstrategie zurückkommen. Herr Seibert, am 10. Februar wurde die für den 10. Februar angekündigte Öffnungsstrategie auf den 3. März verschoben. Wird die Kanzlerin darauf pochen, dass diese Strategie am 3. März vorgetragen wird, oder hält sie es eher für möglich, sie noch einmal zu verschieben, um nicht falsche Signale zu setzen, dass gelockert werden könnte?

FRAGE JOLKVER: Hat die Kanzlerin konkrete Vorstellungen über die Reihenfolge der Aufhebung von Maßnahmen?

STS SEIBERT: Ich habe hier am Montag ziemlich ausführlich aus dem vorgetragen, was die Bundeskanzlerin am vergangenen Freitag auch in einem Fernsehinterview mit dem „ZDF heute-journal“ über die 14 Tage der Beobachtung, ob einzelne Öffnungsschritte zu einem Hochschnellen der Infektionszahlen geführt haben, und darüber gesagt hat, dass man dann, wenn das nicht der Fall ist, weitere Schritte machen kann. Das muss ich jetzt, denke ich, nicht wiederholen.

Wir alle wünschen uns Lockerungen. Es ist deswegen auch richtig, dass an vielen Stellen intensiv über solche Strategien nachgedacht wird. Wir haben ja auch die Situation, dass zum Teil innerhalb von Bundesländern extrem hohe Inzidenzen ziemlich niedrigen Inzidenzen gegenüberstehen. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident hat gestern in einem Fernsehinterview darauf hingewiesen, dass er einen Landkreis wie Plön hat, der irgendwas um die 15 hat, glaube ich, und er hat das Ausbruchsgebiet Flensburg, in dem zurzeit ganz besondere Maßnahmen notwendig sind.

Wir wollen eine sichere und eine gerechte Öffnungsstrategie. Was heißt sicher? Sicher heißt, dass Öffnungen nicht unmittelbar dazu führen dürfen, dass die Inzidenzwerte wieder hochschnellen und wir möglicherweise einen Jo-Jo-Effekt haben, sodass man Öffnungen dann auch wieder zurücknehmen und rückgängig machen muss. Das will doch niemand.

Heute, am 19. Februar, ist es für mich nicht möglich, genau zu kalkulieren, wo wir am 3. März stehen werden. Es ist einfach auch noch nicht abschließend geklärt, wie sich die sich ausbreitenden Virusmutationen weiter auf das Infektionsgeschehen auswirken werden. Deswegen haben Bund und Länder vereinbart, dass eine Arbeitsgruppe nächste Schritte entwickelt, wie eine Perspektive aussehen kann. Dabei müssen Vorsicht und Umsicht walten. Über die Gründe haben wir hier ausführlich gesprochen.

Ansonsten muss ich Sie bitten, die weiteren Beratungen, die dann am 3. März zu führen sind, und die Entscheidungen am 3. März abzuwarten.

ZUSATZFRAGE DUNZ: Solch eine Strategie muss ja, wie Sie mehrfach gesagt haben, was ich auch gehört habe, nicht unbedingt Tagesdaten enthalten. Es ist also vielleicht gar nicht die Erwartung da, dass das eine Strategie ist, in der es heißt: Am 14. März dies und am 28. März jenes. Aber wenn ein Konzept dazu, auf welcher Grundlage geöffnet werden könnte, erneut verschoben würde Die Frage war, ob, wenn jetzt schon klar ist, wenn sich diese Virusmutation so entwickelt, dass Sie nicht einmal das Signal setzen.

STS SEIBERT: Nein, das habe ich nicht gesagt. Bund und Länder haben vereinbart, dass eine Arbeitsgruppe nächste Schritte entwickeln soll, wie eine Perspektive für all diejenigen Bereiche aussehen kann, die in dem vergangene Woche gefassten Beschluss noch keine Perspektive hatten.

FRAGE GEERS: Wo liegen die Engpässe bei der Impfstoffproduktion? Fehlen zum Beispiel Rohstoffe oder Ähnliches?

Nachdem die Kanzlerin und der Vizekanzler betont haben, dass der Ausbau der Impfstoffproduktion an Geld nicht scheitern werde, die Frage: Wird der neue Impfstoffbeauftragte nur koordinieren, oder kann er auch Haushaltsmittel einsetzen?

EICHLER: Ich beginne mit dem zweiten Punkt. Ich verstehe es so, dass es um die ressortübergreifende Taskforce Impfstoffproduktion gehen soll, über die auch jetzt schon berichtet wird.

An der Stelle nur Folgendes zur Zielsetzung:

Warum wird diese ressortübergreifende Taskforce eingerichtet? Es geht darum, die Produktionsprozesse für die Bereitstellung der erforderlichen Impfdosen 2021 abzusichern. Es geht weiterhin darum, eine sichere und resiliente Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit mRNA-Impfstoffen 2022 und in den Folgejahren zu gewährleisten. Es geht auch darum, die industrielle Basis in Deutschland für die Produktion von mRNA-Impfstoffen zu verbreitern und langfristig zu sichern.

Die Einrichtung der Taskforce hat keine Auswirkungen auf die bestehenden Zuständigkeiten der Ressorts. Sie bleiben, wie sie sind.

Darf ich nach der ersten Frage zur Impfstoffproduktion fragen?

ZUSATZFRAGE GEERS: Wo liegen die Engpässe bei der Impfstoffproduktion? Fehlen zum Beispiel Rohstoffe oder Ähnliches?

VORS. DETJEN: Dazu kann ich den Hinweis geben, dass es in der Pressekonferenz um 9.30 Uhr zu dem ganzen Themenkomplex und auch zu Herrn Krupp Auskünfte gab.

EICHLER: Dann würde ich sagen, dass die Auskünfte dort wahrscheinlich sehr viel konkreter und weiter gehend waren als das, was ich jetzt sagen kann. Ich kann dazu von meiner Seite nur allgemein sagen vielleicht kann das Bundesgesundheitsministerium noch ergänzen , dass unser Ziel generell ist, Schwachstellen und Engpässe in der Impfstofflieferkette zu erkennen und diesen Engpässen vorzubeugen. Zu diesem Zweck bauen wir zum Beispiel eine Matchingplattform für Impfzubehör auf. Ich kann in diesem Zusammenhang etwa Spritzen, Kanülen, Kochsalzlösung nennen. Das sind die Punkte, die ich dazu sagen kann, aber vielleicht kann das Bundesgesundheitsministerium noch ergänzen.

GÜLDE: Ehrlich gesagt, nicht viel. Ich möchte auch noch einmal auf die Äußerungen des Ministers um 9.30 Uhr hier in der Bundespressekonferenz verweisen.

Wir stehen in einem kontinuierlichen Austausch mit der pharmazeutischen Industrie zu genau diesen Themen.

Was wir natürlich immer wieder zurückgespielt bekommen, sind eher Fragen der Produktionskapazitäten oder auch von Vorprodukten. Beispielsweise wurde bei BioNTech auch immer wieder über die Lipide diskutiert. Wir sehen aber auch vielversprechende Ansätze zu Kooperationen der Unternehmen untereinander. Es sei nur beispielsweise die Kooperation zwischen BioNTech und Sanofi erwähnt.

KOLBERG: Herr Geers fragte auch nach der Finanzierung. Der Finanzminister hat immer betont, wie wichtig der Impfstoff ist und dass die dafür notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Er hat noch einmal betont, dass Testen gut sei. Aber einen Gamechanger hätten wir erst, wenn genügend Impfstoff zur Verfügung stehe. Hier bleibe viel zu tun.

An den Finanzen wird es also nicht scheitern. Der Minister hat immer wieder betont, dass die dafür notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Das gilt natürlich auch für die Taskforce, die jetzt eingerichtet wird.

FRAGE HEBERLEIN: Warum hat es das BMWi bisher nicht geschafft, die Aufgaben, die Sie gerade beschrieben haben, allein zu lösen?

Wie bewerten Sie es, dass jetzt ein Vertrauter von Herrn Scholz der Sonderbeauftragte für Impfstoff im BMWi ist?

EICHLER: Zur zweiten Frage: Ich nehme hier keine Bewertung dessen vor.

Zur ersten Frage: Aus meiner Sicht illustriert schon die Einrichtung einer ressortübergreifenden Taskforce, dass Punkte und Zuständigkeiten betroffen sind, die nicht nur in unserem Haus liegen, sondern auch noch in anderen Häusern. Deshalb richten wir die Taskforce ein und arbeiten daran, zusammen.

FRAGE BLANK: Herr Seibert, „SZ“ und Rechercheverbund melden heute einen sehr hohen ursprünglich geforderten Preis von BioNTech/Pfizer je Impfstoffdosis von über 54 Euro. Ich nehme an, dass Sie den genauen Preis jetzt nicht bestätigen können. Aber können Sie etwas zu der Größenordnung sagen?

STS SEIBERT: Die Verhandlungen sind ja, wie wir hier vielfach besprochen haben, von der Europäischen Kommission für die Mitgliedsstaaten geführt worden. Deswegen müsste ich Sie bitten, diese Frage nach Brüssel zu richten.

FRAGE KEGEL: Inwieweit haben sich die Bundesregierung bzw. das Bundesgesundheitsministerium an den Preisverhandlungen beteiligt oder sich darin eingemischt?

GÜLDE: Wie gesagt: Wir können jetzt zu Details von Vertragsverhandlungen keine Stellung nehmen. Dass man sich innerhalb von Vertragsverhandlungen aneinander annähert, ist, denke ich, selbstredend, und dabei hat auch die Bundesregierung geholfen.

STS SEIBERT: Auch dass man sich im Rahmen der Vertragsverhandlungen immer wieder mit den Mitgliedstaaten rückgekoppelt hat, ist, glaube ich, klar.

FRAGE LANGE: Ich habe eine Verständnisfrage. Ich war in Mathe immer schlecht, aber die Zahl von 8,9 Millionen Euro und die Zahl von 135 Millionen Impfdosen stehen im Raum, und das macht 14 Euro pro Dose. Ist das richtig? Ist das also am Ende der Preis, oder wie kommt sonst diese Zahl, die ja vom Gesundheitsministerium veröffentlicht wurde, zustande?

GÜLDE: Herr Seibert hat es ja schon gesagt: Die Vertragsverhandlungen selbst wurden von der Europäischen Kommission geführt. Fragen dazu müssten Sie dann an die richten. Zu einzelnen Zahlen kann ich jetzt keine Stellung nehmen.

ZUSATZ LANGE: Entschuldigung, die Zahl kommt ja von Ihnen, also vom Gesundheitsministerium. Die habe ich mir ja nicht ausgedacht.

GÜLDE: Es bleibt dabei.

FRAGE HELLER: Können Sie den heutigen Bericht der „FAZ“ über das deutlich gestiegene Defizit der gesetzlichen Krankenkassen bestätigen? Was sind die wesentlichen Gründe dafür? Wie soll gegengesteuert werden, wenn die Sozialversicherungsbeiträge nicht über die Marke von 40 Prozent steigen sollen? Ist das gemeldete Defizit allein coronabedingt?

GÜLDE: Ich denke, dass begründet durch die Coronapandemie die Krankenkassen unter enormen finanziellen Druck geraten sind, kann man ganz klar bestätigen. Allerdings wurden ja auch etliche Kosten immer wieder durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgefedert. Die abschließenden Zahlen dazu liegen uns noch nicht vor.

FRAGE DR. RINKE: Ich hätte das Verteidigungsministerium gerne nach dem deutsch-französischen oder deutsch-europäischen Kampfjetprojekt gefragt. Ihre Ministerin hat ja gestern zusammen mit der französischen Kollegin noch einmal versucht, eine Einigung zustande zu bringen. Das scheint nicht gelungen zu sein. Können Sie uns bitte sagen, was der neueste Stand der Verhandlungen ist und wo die Probleme zwischen Deutschland und Frankreich liegen?

HELMBOLD: Ich kann nur allgemein sagen, dass die Verhandlungen zwischen den Nationen Deutschland, Frankreich und auch Spanien sowie den jeweiligen Industriepartnern noch andauern. Wir planen aber nach wie vor, eine 25-Millionen-Euro-Vorlage in dieser Legislaturperiode dem Haushaltsausschuss vorzulegen. Bezogen auf Einzelheiten laufender Verhandlungen kann ich darüber hinaus im Moment leider keine Stellung nehmen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Aber können Sie nicht bitte zumindest die Themenfelder nennen? Wo gibt es denn noch Differenzen zwischen den Ländern?

HELMBOLD: Ich kann im Einzelnen nicht darauf eingehen. Ich kann sagen, wo wir generell stehen, aber das sind keine neuen Informationen. Das heißt, die Informationen darüber, wie und im Rahmen welcher Schritte die Umsetzung der Projekte erfolgen soll, liegen Ihnen bereits vor.

FRAGE DUNZ: Ich wollte noch einmal nach dem G7-Termin von heute Nachmittag fragen. Herr Seibert, der Gipfel im vorigen Jahr unter US-Präsidentschaft ist ja ausgefallen. Der wird jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr nachgeholt werden, weil die Präsidentschaft direkt an die Briten überging. Ist es eigentlich egal, wenn das in einem Jahr nicht stattfindet? Gibt es eine Lücke? Ist etwas versäumt worden? Für wie wichtig hält die Bundeskanzlerin dieses Format, auch wenn es vom größten Partner, den USA, nicht besetzt wurde?

STS SEIBERT: Die diesjährige britische Präsidentschaft hat ja schon eingeladen oder angekündigt, dass sie Mitte Juni in Cornwall den Gipfel stattfinden lassen will. Die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung messen dem G7-Format unverändert hohe Bedeutung bei. Es ist deswegen sehr gut, dass es auf Einladung von Premierminister Johnson heute zu so einer ersten Videokonferenz in diesem Jahr kommen wird. Dabei wird es um Fragen der multilateralen Zusammenarbeit, vor allem aber natürlich auch um das Thema der Pandemiebekämpfung und der wirtschaftlichen Erholung in und nach der Pandemie gehen. Es ist wichtig, dass wir mit Partnern, mit denen wir gemeinsame Werte teilen, an diesen Problemen, die uns alle treffen und die wir alleine nicht lösen können, arbeiten. Das wird heute im Vordergrund stehen.

ZUSATZFRAGE DUNZ: War es ein Versäumnis, dass das letztes Jahr nicht stattgefunden hat, oder wird jetzt durch die Münchner Sicherheitskonferenz, die das erste Merkel-Biden-Aufeinandertreffen sein wird, etwas an persönlichen Begegnungen nachgeholt werden können, auch wenn das digital sein wird?

STS SEIBERT: Ich denke, niemand hat sich gefreut, dass es im letzten Jahr nicht möglich war, ein G7-Treffen im physischen Format durchzuführen. Es hat eine Reihe von Videokonferenzen gegeben, aber natürlich ist es gerade auch in diesem Kreis wichtig, dass man sich trifft, dass man ausführlicher beisammen sitzt und die kommunikativen Möglichkeiten nutzt, die eben über eine Videokonferenz hinausgehen. In diesem Jahr soll das ja hoffentlich möglich sein.

Nun haben wir einen neuen amerikanischen Präsidenten, einen Präsidenten, der ja auch schon eine außenpolitische Grundsatzrede im State Department gehalten hat und der zusammen mit seinem Außenminister immer wieder betont, dass Diplomatie, internationale Zusammenarbeit und vor allem auch eine enge Abstimmung mit den Partnern und Verbündeten im Mittelpunkt seiner Außenpolitik stehen werden. Das ist eine gute Nachricht. Die Kanzlerin und die Bundesregierung freuen sich auf die Zusammenarbeit, und heute wird es diese wichtige G7-Videokonferenz geben.

Es stimmt, dass sowohl der US-Präsident als auch die Bundeskanzlerin und übrigens auch der französische Präsident heute bei der virtuellen Ausgabe der Münchner Sicherheitskonferenz aktiv sein werden. Die Bundeskanzlerin wird eine Rede halten, und so wird es auch Präsident Biden tun.

FRAGE: Gestern hat die EU-Kommission ja Klage gegen Deutschland eingereicht, weil Deutschland wiederholt seinen Naturschutzverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Warum ist das denn so? Seit Jahren gibt es diesen Streit mit der EU, und die EU hat darauf hingewiesen, dass Deutschland nicht genug tue. Warum passiert das weiterhin nicht?

FICHTNER: Wir sprechen ja als Umweltministerium größtenteils in der Rolle des Briefträgers in diesem Verfahren; denn zuständig sind weit überwiegend die Bundesländer. Für fast alle der ungefähr 4600 Gebiete, die es gibt, sind die Länder zuständig. Wir sind für acht Gebiete in der Nord- und in der Ostsee zuständig. Dort haben wir unsere Hausaufgaben auch in allen wesentlichen Punkten erledigt.

Es gab in den letzten Jahren einige Fortschritte. Die Länder sind inzwischen bei 99,4 Prozent angelangt, was die rechtliche Sicherung der FFH-Gebiete angeht, und bei 84 Prozent, was die Festlegung der Erhaltungsmaßnahmen angeht. Es ist völlig unstrittig, dass wir in beiden Punkten schnell auf 100 Prozent kommen müssen.

Es gibt aber darüber hinaus auch noch unterschiedliche juristische Auffassungen darüber, was die FFH-Richtlinie von den Mitgliedstaaten erwartet. Dabei geht es weniger um die Qualität der Schutzgebiete. Die ist uns auch wichtig, wie wir mit dem Insektenschutzpaket neulich auch wieder gezeigt haben. Wir wollen zum Beispiel, dass in FFH-Gebieten weniger Pestizide eingesetzt werden. Dafür haben wir gerade zusammen mit dem BMEL eine Verordnung auf den Weg gebracht.

Allerdings geht es in diesem Klageverfahren gar nicht darum, sondern es geht darum, wie viel Bürokratie im Schutzgebietsmanagement der Länder nötig ist. Da wünscht sich die EU-Kommission einen Detailgrad, der uns tatsächlich Sorge macht. Die Ressourcen der Naturschutzverwaltung von Bund, Ländern und Kommunen sind begrenzt. Wenn die jetzt auf Jahre hinaus ihre Energie in die Überarbeitung von Gebietsverordnungen stecken müssen, dann könnte das für den Naturschutz sogar kontraproduktiv sein.

ZUSATZFRAGE: Wie wollen Sie im Streit mit der EU denn jetzt weiter vorgehen?

FICHTNER: Gestern hat die Kommission angekündigt, dass sie Klage erheben will. Jetzt wird es einige Wochen oder sogar Monate dauern, bis die Klageschrift vorliegen wird. Auf die warten wir jetzt. Dann werden wir uns die genau anschauen. Dann folgt das Klageverfahren. Dafür werden wir uns natürlich eng mit den Ländern abstimmen. So ein Klageverfahren dauert durchschnittlich 19 Monate.

ZUSATZFRAGE: Sie haben gesagt, Sie seien Briefträger. Was ist denn in den letzten Jahren beim Austragen der Briefe an die Länder falsch gelaufen, wenn die ihre Hausaufgaben nicht machen?

FICHTNER: Was die grundsätzlichen Ursachen angeht, wurden in Deutschland einfach sehr, sehr viele FFH-Gebiete ausgewiesen, rund 4600. Andere EU-Länder haben deutlich weniger, größere Gebiete ausgewiesen. Die haben es dann leichter.

Ansonsten ist die Umsetzung einfach sehr, sehr dezentral. Ich habe es gesagt: Es sind Länder, Kommunen und Landkreise, die sich damit beschäftigen. Schon sobald mehr als ein Landkreis von so einem Gebiet betroffen ist, wird es einfach mühsam. Wie das genau funktioniert, müssten Sie sich im Grunde von den jeweils vor Ort Zuständigen erläutern lassen, auch, warum das so lange dauert.

FRAGE GAVRILIS: Ich habe eine Frage, die ich schon am Mittwoch an das Innenministerium gestellt habe. Ich weiß nicht, ob Sie die jetzt beantworten können. Die bezieht sich auf das Thema des Flächenverbrauchs bis zum Jahr 2030 und das Ziel der Halbierung. Wie hoch ist der aktuelle Wert des Flächenverbrauchs? Wenn es um die Ausweisung von Bauflächen im Außenbereich geht, für welche Bereiche wird die Ausweisung am meisten angewendet, zum Beispiel für Einfamilienhäuser?

Zweitens. Steht § 13b des Baulandmobilisierungsgesetzes mit Blick auf die Bebauung von Außenflächen nicht im Widerspruch zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und zum Umweltschutz?

DR. LAMMERT: Ich will vielleicht einmal mit der zweiten Frage beginnen, und zu den Zahlen kann vielleicht das Umweltministerium noch etwas beitragen. – Das Baulandmobilisierungsgesetz, und um das geht es ja hier, trägt der hohen Bedeutung des Wohnungsbaus Rechnung. Es soll insbesondere die Bereitstellung von Bauland für den Wohnungsbau erleichtern. Das heißt also, das Gesetz vereinfacht an ganz vielen Stellen die Prozesse, mit denen Kommunen Bauland aktivieren können und Baugenehmigungen erteilen können. Die Vorschriften zum Umweltschutz werden davon selbstverständlich nicht berührt.

Ein wichtiger zielführender Ansatz das ist auch dem Bundesinnenminister ganz wichtig ist, dass Innenstadtbereiche und Dorfkerne gestärkt und revitalisiert werden sollen, indem man zum Beispiel leer stehende Flächen und Gebäude wieder nutzbar macht und eine Verdichtung vornimmt. Damit kann auch der Flächenverbrauch an den Rändern begrenzt werden.

Ganz konkret zu § 13b ist noch zu sagen, dass sich diese Regelung ausschließlich auf die Schaffung von Wohnraum bezieht und auch zeitlich und vom Umfang her eng begrenzt ist. Sie gilt nur für Außenbereiche, die sich an bereits bebaute Ortsteile anschließen. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass natürlich jede Einzelfallentscheidung darüber, ob es zu so einer Nutzung kommen kann, von den Kommunen vor Ort getroffen werden muss, und auch hierbei müssen die Grundsätze der Bauleitplanung zum Beispiel wieder der Vorrang der Innenentwicklung sowie natürlich die Vorschriften zum Umweltschutz wieder beachtet werden.

Das heißt also zusammenfassend: Wir haben es mit einem ausgewogenen Gesetzentwurf zu tun. Der befindet sich jetzt aber in der parlamentarischen Beratung, und die bleibt abzuwarten.

FICHTNER: Ich kann gerne etwas ergänzen. Zum Flächenverbrauch: Damit ist der tägliche Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland gemeint. Der beträgt laut Statistischem Bundesamt aktuell 56 Hektar pro Tag. Das ist der letzte Stand von 2018. Ziel der Bundesregierung ist es, mit der Nachhaltigkeitsstrategie von 2016 den Flächenverbrauch bis 2030 auf deutlich unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Wir stehen mit den 56 Hektar schon besser da als noch in den 90er-Jahren damals waren es noch 120 Hektar , aber wir sind noch nicht gut genug.

Dann wurden wir am Mittwoch auch zu unserer Position zu § 13b des Baulandmobilisierungsgesetzes gefragt. Dabei geht es um die Frage, ob bestimmte Flächen im Außenbereich erleichtert ausgewiesen werden können. Grundsätzlich gefällt uns die Ausnahme darin nicht; denn wir finden, dass es eines ordentlichen Bebauungsplans mit Umweltverträglichkeitsprüfung im Außenbereich bedarf, weil es darum geht, Umweltauswirkungen zu erfassen, zu minimieren und gegebenenfalls auch auszugleichen.

Die Bundesumweltministerin hat dieser Ausnahme im Kabinett trotzdem zugestimmt, und zwar im Rahmen eines Kompromisses und aus mehreren Gründen. Der eine war, dass die bisherige Ausnahme, die schon seit 2017 gilt, ohnehin nur wenig genutzt wurde. Die neue Ausnahme, die jetzt vorgesehen ist, ist zeitlich auf drei Jahre befristet und, wie der Kollege gerade sagte, auch sehr eng begrenzt. Außerdem gibt es zahlreiche andere wichtige Erfolge in diesem Gesetz, die zu dieser Abwägung geführt haben. Aus sozialpolitischer Sicht ist das zum Beispiel die Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen sowie das Vorkaufsrecht für Kommunen und aus umweltpolitischer und stadtentwicklungspolitischer Sicht auch das Baugebot für Brachflächen. Dabei geht es darum, dass sich Eigentümer bisher zum Teil aus Spekulationsgründen mit dem Bauen zurückgehalten haben. Dieses Baugebot ist für die Innenentwicklung und die lebendigen Innenstädte und Ortskerne ein großer Gewinn, wie das Bauministerium gerade auch schon gesagt hat.

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