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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 19. März 2021

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs und chefinnen der Bundesländer zur Impfstrategie, Sitzung des Coronakabinetts, Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs und chefinnen der Bundesländer, Spitzengespräch der Konzertierten Aktion Mobilität, Kabinettssitzung, Regierungsbefragung im Deutschen Bundestag, Europäischer Rat), Teilnahme des Bundesaußenministers am EU-Außenrat und am NATO-Außenministertreffen in Brüssel, COVID-19-Pandemie, Gaspipeline Nord Stream 2, Haftbedingungen von Alexej Nawalny, Parlamentswahl in den Niederlanden, Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg, Belarus, Interviewäußerungen des amerikanischen Präsidenten in Bezug auf den russischen Präsidenten

Heute ohne naive Fragen.

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 19. März 2021:

STS SEIBERT: Einen schönen guten Tag! Ich fange mit einem Termin für heute an. Sie wissen ja schon, dass es ab 15 Uhr eine Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer zum Thema der nächsten Phase der Impfstrategie geben wird, insbesondere zur Einbeziehung der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen in das Impfen. Das wussten Sie schon. Ich weiß nicht, ob Sie auch schon wussten, dass die Bundeskanzlerin im Anschluss daran zu Ihrer Information eine Pressekonferenz geben wird. Ich kann Ihnen jetzt natürlich noch nicht ganz genau sagen, wann im Anschluss daran das stattfinden wird.

Dann kommen wir zum Montag. Dann wird es ab 11 Uhr die Sitzung des sogenannten Coronakabinetts in Vorbereitung der Bundeskanzlerin und der zuständigen Fachminister hinsichtlich der aktuellen Themen der Pandemie und insbesondere zur Vorbereitung der Beratungen zwischen Bund und Ländern geben, die dann das ist der nächste Termin am Montag um 14 Uhr in Form einer Videokonferenz beginnen werden. Es geht um ein ganzes Spektrum wichtiger Fragen im Zusammenhang mit der Pandemie. Auch im Anschluss daran wird es eine Pressekonferenz geben, bei der dann, wie Sie das schon kennen, wieder der Regierende Bürgermeister, Herr Müller, aus Berlin und Bayerns Ministerpräsident Söder gemeinsam mit der Bundeskanzlerin im Kanzleramt die Presse unterrichten werden.

Am Dienstag, den 23. März, wird auf Einladung der Bundeskanzlerin das fünfte Spitzengespräch der sogenannten Konzertierten Aktion Mobilität geben. Das wird eine Videokonferenz sein. Es wird wie insgesamt in dieser Reihe von Gesprächen um die Zukunft des Automobilstandorts Deutschland gehen. Das wird von 19 bis 21 Uhr stattfinden und nicht presseöffentlich sein. Im Anschluss ist eine Pressemitteilung geplant.

Am Mittwoch, den 24. März, wird um 9.30 Uhr die Sitzung des Bundeskabinetts zur üblichen Zeit stattfinden.

Von 13 bis 14 Uhr wird sich die Bundeskanzlerin dann im Deutschen Bundestag bei der Regierungsbefragung den Fragen der Abgeordneten im Plenum stellen.

Am Donnerstag und Freitag wird sie dann in Brüssel am Europäischen Rat teilnehmen. Die Staats- und Regierungschefs haben ein vielfältiges Programm. Es wird um Binnenmarkt- und Industriepolitik gehen. Der Fokus liegt auf der Digitalisierung. Diesbezüglich hatte die Bundeskanzlerin gemeinsam mit den Ministerpräsidentinnen von Estland, Finnland und Dänemark ja gerade Impulse an die Europäische Kommission übermittelt, die dann in der Folge auch von weiteren Mitgliedstaaten unterstützt wurden. Natürlich wird es auch um die aktuelle pandemische Lage gehen. Es gibt außerdem außenpolitische Themen auf der Tagesordnung, so die Lage im östlichen Mittelmeer, das Verhältnis der EU zur Türkei sowie die Beziehung zu Russland. Es wird wie immer am Anfang eine Begegnung mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, David Sassoli, geben.

Im Anschluss an den Europäischen Rat folgt am Freitag dann der Euro-Gipfel im inklusiven Format, also mit allen 27 Mitgliedstaaten. Dabei soll die internationale Rolle des Euro besprochen werden.

Um Ihnen die Vorbereitungen auf den Gipfel zu erleichtern, bieten wir am Mittwoch um 11.30 Uhr ein Briefing zum Europäischen Rat an, diesmal als Videokonferenz. Die Details werden Sie am Montag erfahren.

Das ist mein Ausblick auf die kommende Woche.

ADEBAHR: Ich möchte Ihnen gerne ankündigen, dass Außenminister Maas kommende Woche nach Brüssel reisen wird. Dort wird er zunächst am Montag am EU-Außenrat und am Dienstag und Mittwoch am NATO-Außenministertreffen teilnehmen.

Der EU-Außenrat wird sich am Montag unter anderem mit diesen Themen befassen: Es wird einen Austausch mit der Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, geben. Es wird um die Beziehungen zur südlichen Nachbarschaft gehen, was den Europäischen Rat im weiteren Verlauf der Woche vorbereitet. Auch die EU-Türkei-Beziehungen stehen auf dem Plan. Weitere aktuelle Themen werden Russland, Georgien, Venezuela, Westbalkan, Myanmar und Hongkong sein. Der irische Außenminister wird von seiner Reise in den Iran berichten. Das ist also eine sehr volle Agenda. Auch das EU-Menschenrechtssanktionsregime, das ja kürzlich geschaffen wurde, wird dort diskutiert werden.

Bei dem NATO-Außenministertreffen, das das erste physische Treffen im Kreis der NATO-Außenminister seit 2019 sein wird und an dem der amerikanische Außenminister Antony Blinken teilnehmen wird, steht der maßgeblich auch vom Auswärtigen Amt und von Außenminister Maas angestoßene Strategieprozess „NATO 2030“ auf der Agenda. Das ist ein Reflexionsprozess darüber, wie sich die NATO in Richtung 2030 entwickeln soll. Weitere Themen sind Afghanistan und der Dialog mit Russland.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, können Sie vielleicht eine Einschätzung dazu abgeben, wie ausführlich das heutige Treffen werden wird? Kann man das auch schon ein bisschen als eine Vorbereitung für das Treffen am Montag ansehen, oder ist das jetzt wirklich ganz eng gefasst und umfasst AstraZeneca, Hausärzte und das Impfen? Geht es wirklich nur um diesen ganz engen Themenkomplex, oder können wir damit rechnen, dass es heute auch ein bisschen länger dauern wird?

STS SEIBERT: Über die Dauer kann ich wie immer keine Mutmaßungen anstellen. Heute gibt es ein ganz klares Thema, und das ist, wie ich gesagt habe, die nächste Phase der Impfkampagne. Das Gespräch sollte ja ursprünglich schon am Mittwoch stattfinden. Es ist dann sinnvollerweise verschoben worden, bis wir gestern Abend von der Entscheidung der EMA zu AstraZeneca erfahren haben. Nun wissen wir: Wir haben wieder drei Impfstoffe zur Verfügung, von Moderna, AstraZeneca und BioNTech. Ein vierter ist schon zugelassen, nämlich der von Johnson & Johnson, und wird dann eben auch im April verimpft werden können.

Auf dieser Basis soll nun beraten werden, wie wir nicht in einem Gegeneinander, sondern in einem Miteinander oder Nebeneinander, wenn Sie so wollen, von Impfzentren und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten diese nächste Phase des Impfens unbürokratisch, flexibel und so strukturieren können, dass es wirklich einen deutlichen Schub nach vorne gibt, der dann im April aufgrund von mehr Lieferungen auch schon spürbar sein wird und natürlich in den darauf folgenden Monaten noch deutlicher werden wird. Darum geht es heute.

Das ist ein wichtiges Thema. Deswegen, denke ich, wird es auch eine inhaltlich ausführliche Debatte darüber geben. Aber ich kann überhaupt nicht vorhersagen, wie lange es dauern wird.

Die Veranstaltung am Montag wird eine noch einmal separate Veranstaltung sein.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Wenn Sie jetzt „flexibel“ sagen, heißt das dann, dass die Kanzlerin mit der Position in die Gespräche gehen wird, dass die Impfreihenfolge möglicherweise geändert wird, oder ist sie nach wie vor wie auch der Gesundheitsminister der Meinung, dass die Impfreihenfolge auf jeden Fall so bestehen bleiben muss, wie sie jetzt ist, auch wenn die Hausärzte mitimpfen?

STS SEIBERT: „Flexibel“ heißt ja nicht, die Priorisierung, die sinnvoll war und ist, aufzugeben. Sie ist notwendig, gerade in einer Zeit, in der wir eben noch nicht Impfstoff für alle Menschen ab 18 Jahren, die ihn haben wollen, zur Verfügung haben. Aber Flexibilität war immer schon möglich, und zwar beim Übergang von einer Priorisierungsgruppe in die nächste, und Flexibilität, damit wir schnellstmöglich vorankommen und schnellstmöglich die vorhandenen Impfstoffe auch wirklich sowohl in den Praxen als auch in den Impfzentren an die Menschen bringen, wird eine der Devisen sein.

FRAGE REITSCHUSTER (zu den Impfbedingungen für Ärzte in Deutschland): Ich habe eine Frage an Herrn Gülde vom Gesundheitsministerium. Herr Gülde, die „Neue Zürcher Zeitung“ hatte gestern einen Artikel mit der Überschrift:

Ein Berliner Arzt klagt an: „Ich bin fassungslos, mit welchem Leichtsinn bei uns geimpft wird.“

Der Vorwurf lautet: Es gibt keine Schnelltests für die impfenden Ärzte, keine Impfungen für die Ärzte.

Mir ist völlig klar, dass Sie über einen Berliner Vorfall nichts sagen können. Die Frage ist aber eine allgemeine: Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass es solche Zustände nicht gibt? Wie sind da die Richtlinien?

GÜLDE: Ich kann Ihnen jetzt nur die Rahmenbedingungen dazu erläutern. Wir haben sie in der Impfverordnung festgelegt. In der Impfverordnung ist ganz klar festgelegt, dass medizinisches Personal, das unmittelbar an der Impfung beteiligt ist, in der Impfpriorisierung zur ersten Kategorie zählt und insofern auch geimpft werden kann.

Wie gesagt aber das haben Sie schon gesagt , zu diesem einzelnen Fall kann ich mich jetzt nicht äußern. Aber die Rahmenbedingungen sind ganz klar: Menschen, die an der Impfung von anderen Menschen unmittelbar beteiligt sind, gehören zur ersten Impfkategorie.

STS SEIBERT: Ansonsten obwohl Sie danach nicht fragen, aber es betrifft ja auch das Gesamtvertrauen, das Bürger in den Impfvorgang haben können zeigen gerade die Ereignisse in dieser Woche, nämlich die Aussetzung der Impfungen mit AstraZeneca, die Untersuchung von Vorfällen durch die Europäische Arzneimittelagentur und der Beschluss von gestern Abend, dass genau das eben nicht passiert. Es wird nicht leichtsinnig oder nachlässig verimpft, sondern es wird sehr genau beobachtet. Alle Impfstoffe sind in der Phase IV der Impfstoffentwicklung. Das heißt, sie werden weiter sehr sorgfältig beobachtet. Es wird weiterhin geprüft. Das Paul-Ehrlich-Institut hat seine Aufgabe absolut erfüllt, indem es nämlich, wenn ich das so sagen darf, Alarm geschlagen und auf eine Häufung von Fällen hingewiesen hat. Das ist anhand aller international verfügbarer Daten überprüft worden.

Ich glaube, das kann man den Bürgern auch sagen: Die Sicherheitsstrukturen sind vorhanden. Sie werden genutzt, und sie funktionieren im Interesse der Bürger.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Sie haben auf die Richtlinie verwiesen. Haben Sie einen Überblick oder Zahlen, wie weit das funktioniert, wie viele Ärzte in den Impfzentren geimpft sind und ob sie prioritär mit Schnelltests versorgt werden?

GÜLDE: Zu Zahlen geimpfter Ärzte liegen mir jetzt keine Informationen vor.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Schnelltests?

GÜLDE: Es liegt in der Zuständigkeit der Länder, diese Impfungen zu vollziehen und auch zu testen. Zahlen werden darüber jetzt nicht erhoben. Wie gesagt: Da müsste ich Sie bitten, sich an die Länder zu wenden.

FRAGE SAVELBERG: Ich habe gesundheitspolitisch noch einmal eine allgemeine Frage: Seit Ende Dezember wurden Vakzine zugelassen. Jetzt haben wir Mitte März. Wichtige Monate sind seitdem vergangen. Warum ist es in Deutschland noch nicht möglich, dass jetzt schon Arztpraxen impfen? Warum ist es in anderen Ländern, in denen auch mehrere Vakzine zugelassen wurden, schon möglich? Können Sie das für diejenigen erklären, die vielleicht in der deutschen Politik nicht so zuhause sind?

GÜLDE: Herr Minister Spahn hat dieses Problem in der vorigen Pressekonferenz noch einmal kurz skizziert. Letztlich ist es so: Wir brauchen gewisse Impfstoffmengen, um in die Fläche gehen zu können. Herr Spahn hat auch gesagt: Es bringt natürlich nichts, wenn wir einer Arztpraxis fünf Impfdosen anbieten können. Dann brauchen wir nicht in die Fläche zu gehen.

Wir haben uns aufgrund der Impfpriorisierung dazu entschieden, zentral über die Impfzentren zu impfen und in der zweiten Phase, die Herr Seibert gerade schon angesprochen hat, in die Arztpraxen zu gehen. Dazu bedarf es aber gewisser Impfstoffmengen. Herr Spahn hat es gerade noch einmal ausgeführt. Wir gehen davon aus, dass wir zu Beginn der zweiten Kampagne, also im April, pro Arztpraxis eine Impfsprechstunde pro Woche anbieten können.

STS SEIBERT: Wenn ich hinzufügen darf: Wir haben neben dem Impfen in Impfzentren frühzeitig noch eine andere Entscheidung gefällt, nämlich dass wir die Impfstoffe zu den Menschen bringen, die aufgrund ihres hohen Alters und ihres Gesundheitszustands das allergrößte Risiko im Zusammenhang mit Corona tragen, dass der Verlauf schwer oder gar tödlich sein könnte, und zwar die Menschen in Heimen in Altersheimen, in Pflegeheimen, in Heimen für Menschen mit Behinderungen. Es sind mobile Teams zu diesen Menschen gegangen. Das war ein Kernpunkt unserer Priorisierung in dieser ersten Phase.

Wir sehen jetzt, wo die absolute Mehrheit dieser Menschen geimpft wurde, und zwar zweifach, wie die Inzidenz in dieser Bevölkerungsgruppe ganz deutlich nachgelassen hat und Ausbrüche, wenn es sie in solchen Einrichtungen gibt, erstens weniger sind und zweitens nicht mehr so schlimm verlaufen. Das heißt, das war eine bewusste Entscheidung der Priorisierung in Deutschland.

FRAGE SAVELBERG: Von Ende Dezember an hat es, obwohl es einen deutschen Impfstoff gibt, drei Monate gedauert bis April , dass man sich in den Arztpraxen impfen lassen kann. Können Sie sagen, wie viel Impfstoff die Ärzte am Anfang zur Verfügung haben werden? Wird es einen Impftermin pro Woche geben? Ich habe das nicht genau verstanden.

GÜLDE: Das ist in der Tat ein ungefährer Wert. Wir gehen davon aus, dass wir am Anfang der zweiten Phase der Impfkampagne ungefähr eine Impfsprechstunde pro Woche anbieten können.

ZURUF SAVELBERG: Was heißt denn „eine Impfsprechstunde“? Was bedeutet das?

GÜLDE: Quasi eine Stunde pro Woche pro Arztpraxis. Man kann das dann herunterrechnen. Es wird sich ungefähr im einstelligen Bereich abspielen, möglicherweise im niedrigen zweistelligen Bereich, dass Impfungen pro Arztpraxis stattfinden.

ZURUF SAVELBERG: Zehn oder zwanzig Personen?

GÜLDE: Ungefähr. Ja.

FRAGE SCHULZE: Ich habe eine Frage zu den kostenlosen FFP2-Masken. Wie läuft die Finanzierung in diesem Fall haushaltsrechtlich ab? Gibt es einen Nachtragshaushalt oder Einsparungen an anderen Stellen im Bundesgesundheitsministerium? Die Frage richtet sich an Herrn Gülde und ersatzweise an das BMF.

GÜLDE: Man hat sich ja darauf geeinigt, dass der Bund die Kosten übernimmt. Ich denke, zu den haushälterischen Fragen müsste tatsächlich das BMF Stellung nehmen.

HARTMANN: Ich kann darauf verweisen, was das BMG gerade schon ausgeführt hat. Der Bundesregierung ging es darum, schnell und zügig Mittel zur wirksamen Eindämmung zur Verfügung zu stellen. Für diese Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung, um die es ja geht, wurde das BMF vom federführenden Bundesgesundheitsministerium beteiligt. Aufgrund der gesetzlichen Verordnungskompetenz verantwortet das BMG als Federführer alle Tatsachen, Annahmen und Berechnungen und kann insofern zu Einzelheiten Auskunft geben.

VORS. FELDHOFF: Jetzt verweist das BMF doch wieder an Sie.

GÜLDE: Ich hatte jetzt, ehrlich gesagt, die Frage so interpretiert, aus welchen Mitteln diese Finanzen in Haushalten festgelegt werden.

VORS. FELDHOFF: Die Frage ist ganz einfach. Kommen sie aus Ihrem Haushalt, oder kommen sie aus dem allgemeinen Haushalt?

GÜLDE: Das müsste ich gegebenenfalls nachtragen.

FRAGE LINDNER: Helge Braun hat vor Mallorca als „Mutantenschmelztiegel“ gewarnt. Warum gibt es für Reiserückkehrer dann keine Testpflicht?

GÜLDE: Wie Sie wissen, haben wir uns auf gemeinsame Rahmenbedingungen für Testpflichten geeinigt. Es geht unter anderem um die Ausweisung von Risiko-, Hochrisiko- und Virusvariantengebieten. Derzeit befindet sich Mallorca nicht unter diesen Gebieten. Es hat, glaube ich, im Moment eine Inzidenz von 50 pro 100 000 Einwohnern. Insofern kann ich Ihnen jetzt keine Änderung in Aussicht stellen. Aber ich kann natürlich sagen, dass wir die Lage auf Mallorca sehr aufmerksam im Blick behalten.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, ich habe eine Frage mit Blick auf Montag. Da hört man ja immer wieder Forderungen, dass diese von der Kanzlerin einmal eingeführte Notbremse noch einmal nachgeschärft oder verstärkt werden müsse.

Sieht auch die Kanzlerin selbst diese Notwendigkeit?

Vor allen Dingen: Was genau kann man darunter verstehen? Heißt das, dass das schon Beschlossene von den Ländern jetzt auch praktisch durchgesetzt wird, was ja in vielen Fällen gar nicht der Fall war, oder dass man das Limit der Inzidenz von 100 noch einmal auf vielleicht 50 heruntersetzt? Es gab in einigen Bundesländern ja Fälle, in denen es erst ab 200 griff.

STS SEIBERT: Ich habe hier in den jüngsten Regierungspressekonferenzen schon mehrfach darüber berichtet. Ich habe auch den ganz klaren und ziemlich unmissverständlichen gemeinsam gefassten Beschluss von Bund und Ländern zitiert. Ich tue es jetzt nicht noch einmal. Er sagt ganz genau, was bei einer Inzidenz über 100 über mehrere Tage wieder auf den Stand von vor dem 7. März zurückzudrehen ist.

Natürlich wird das eines der Themen am Montag sein. Dabei wird man die Situation, in der wir stecken, betrachten müssen. Wir haben wieder deutlich steigende Neuinfektionszahlen. Wir bewegen uns jetzt bundesweit auf einen Schnitt von 100 zu. Heute Morgen betrug er 95,6. Wir haben, als die jüngsten Zahlen herauskamen, die deutlich ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 inzwischen dominierend mit über 70 Prozent. Wahrscheinlich steigt das jetzt noch weiter. Wir haben die Gewissheit das weiß jeder , dass eine höhere Zahl Infizierter eben auch eine höhere Zahl schwerer Verläufe bedeuten wird. Wir haben schon jetzt die Situation, dass die Belegung der Intensivstationen wieder steigt, wenn auch moderat. Das alles sind keine guten Nachrichten. Wir wissen ja: Krankenhauseinweisungen, Verlegungen auf Intensivstationen, das alles geschieht mit einem zeitlichen Abstand zur Erstansteckung. Das heißt, dass wir mit einiger Verzögerung wahrscheinlich noch deutlichere negative Aspekte sehen werden. Wir sehen um uns herum in Europa auch viele dramatische Beispiele einer dritten Welle mit zum Teil viel, viel höheren Inzidenzen im deutlich dreistelligen Bereich. Diese Gefahr besteht auch für uns.

Dieses Bild werden sicherlich alle, die am Montag für Bund und Länder beraten, im Kopf haben, um zu beraten, welche Maßnahmen in dieser schwierigen Lage angemessen sind.

Ich kann und werden den Beratungen des Montags hier nicht weiter vorgreifen.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Kann ich Ihre Äußerungen auch so zusammenfassen, dass man am Montag nicht mit weiteren Lockerungen rechnen kann?

STS SEIBERT: Die pandemische Lage und die Beschlüsse, die wir haben und die ja noch gelten, sprechen eine deutliche Sprache.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Gülde, Mediziner sagen, dass man bei einer bestehenden Krankheit nicht gegen diese Krankheit impfen dürfe. Es gibt die Klage, dass in den Impfzentren nicht regelmäßig vor der Impfung die zu Impfenden darauf getestet würden, ob sie infiziert sind.

Können Sie das bestätigen? Wie schätzen Sie das ein? Wie steht das Bundesgesundheitsministerium dazu?

GÜLDE: Das kann ich Ihnen, ehrlich gesagt, nicht bestätigen. Grundsätzlich findet aber vor der Impfung selbst ein Aufklärungsgespräch statt, in dem auch mögliche Symptome abgefragt werden. Aber wie gesagt, zu einzelnen Tests unmittelbar vor der Impfung kann ich Ihnen jetzt keine Angaben machen, weil die Impfungen, wie Sie wissen, in der Zuständigkeit der Bundesländer liegen.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Dazu habe ich eine Verständnisfrage. Sie sagten, Symptome würden abgefragt. Aber COVID-19 ist ja oft symptomfrei. Deswegen tragen wir ja auch die Masken. Da sehe ich einen Widerspruch. Denn es kann ja gut sein, dass jemand keine Symptome hat und dennoch infiziert ist.

GÜLDE: Ja, wie gesagt, das ist durchaus möglich. Unter Umständen müssen Sie tatsächlich nachfragen, wie das in den Einzelfällen dort geregelt wird.

Aber noch einmal: Es gibt ein Aufklärungsgespräch, und darin wird natürlich auch abgefragt, ob es möglicherweise Kontakte gegeben hat, ob man sich möglicherweise angesteckt hat. Diese Möglichkeiten gibt es ja auch während des Aufklärungsgesprächs unmittelbar vor der Impfung.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Aber keine generelle Richtlinie?

GÜLDE: Das Aufklärungsgespräch ist festgesetzt. Das muss erfolgen.

FRAGE SAVELBERG: Wenn man zum Beispiel in das Vereinigte Königreich schaut, dann sieht man, dass sie sich dort sehr über die „german machine“ lustig machen, darüber, dass das mit dem Impfen hier in Deutschland nicht so schnell klappt. Ich sehe zum Teil hämische Kommentare meiner dortigen Kollegen in Richtung der EU und auch Deutschlands.

Woran liegt es, dass man in Großbritannien fast viermal schneller impft als hier in Deutschland? Die Deutschen waren einmal für ihre Technologie und für ihre gute Organisation bekannt. Aber irgendwie scheint das nicht zu klappen.

GÜLDE: Es gibt natürlich zwei Dinge.

Zunächst einmal: Ich kann zu einzelnen Kommentaren in der Berichterstattung jetzt keine Stellung nehmen. Aber grundsätzlich ist es so: Sie wissen, dass es in Großbritannien eine Notfallzulassung der Impfstoffe gab. Wir in Europa haben uns darauf geeinigt, dass es ein reguläres Zulassungsverfahren bei der Europäischen Arzneimittelagentur gibt.

Darüber hinaus gibt es natürlich auch unterschiedliche Liefermengen. Das muss man ganz klar sagen. Aufgrund der Notfallzulassung hatten die Briten die Möglichkeit, andere Liefermengen möglicherweise auch schon im Vorfeld zu vereinbaren.

Außerdem haben wir natürlich das hat Herr Seibert schon gesagt eine Impfpriorisierung festgelegt. Unser Ziel war es, in erster Linie die vulnerablen Gruppen zu schützen. Das heißt, dass wir auch mit mobilen Impfteams tatsächlich in die Altenheime gehen mussten. Das hat natürlich auch zu gewissen Verzögerungen geführt. Aber noch einmal: Unser Ziel ist es, in erster Linie die vulnerablen Gruppen, also vor allem die älteren Menschen, zu schützen. Das war eben auch das Ziel der ersten Phase unserer Impfkampagne.

ZUSATZFRAGE SAVELBERG: Höre ich dabei mitschwingen, dass die Briten, wenn es um Impfmengen geht, besser verhandelt haben, dass sie also nicht nur mehr Impfstoff zur Verfügung hatten, als es quasi um die Zulassung ging, sondern dass sie auch besser verhandelt haben, was man in bestimmten Dokumentationen auch sehen konnte?

GÜLDE: Nein, das kann ich jetzt nicht sagen. Denn ich selbst war bei den Verhandlungen nicht dabei. Die Verhandlungen haben die Europäische Kommission bzw. die britische Regierung geführt. Ich kann jetzt nichts dazu sagen, inwieweit sie sich dabei im Einzelnen unterschiedlich verhalten haben. Darüber möchte ich jetzt tatsächlich keine Aussage treffen. Ich habe jetzt wirklich nur etwas dazu gesagt, wie das Verfahren bei uns war. Aber ich möchte damit jetzt tatsächlich keine Aussage über ein Besser oder Schlechter getroffen haben.

FRAGE WEIDMANN: Herr Gülde, wie stehen Sie, wenn der Impfstoff knapp ist, zur Verimpfung des russischen Impfstoffes Sputnik V?

GÜLDE: Auch dazu hat sich Herr Minister Spahn gerade in der PK hier geäußert. Grundsätzlich ist es so: Wenn ein Impfstoff auf europäischer Ebene zugelassen wird, dann kann er natürlich auch verimpft werden. Aber dazu bedarf es natürlich erst einmal eines regulären Zulassungsverfahrens. Dieses wurde bei der EMA eröffnet. Dazu zählt auch, dass die Datenpakete seitens des Herstellers eingereicht werden. Wenn diese Impfstoffe zugelassen sind, dann kann man gegebenenfalls auch über eine Verimpfung in Europa bzw. Deutschland sprechen.

ZUSATZFRAGE WEIDMANN: Wie lange wird diese Zulassungsprozedur Ihrer Einschätzung nach dauern?

GÜLDE: Das kann ich nicht sagen. Noch einmal: Grundlage dafür ist, dass die Datenpakete vollständig eingereicht werden. Das ist derzeit nach meinem Kenntnisstand noch nicht vollständig erfolgt.

ZUSATZFRAGE WEIDMANN: Wochen? Monate?

VORS. FELDHOFF: Ich will Ihre Frage nicht kritisieren, aber diese Frage haben wir hier eben bereits ausführlichst über eine Stunde lang abgehandelt. Der Saal war voll. Ich lade gern dazu ein, wenn der Minister persönlich kommt, diese Frage hier zu stellen.

FRAGE SAVELBERG: Vorhin haben Sie erklärt, dass die Impfungen in Arztpraxen im niedrigen Bereich sind, dass es das Impfangebot gibt oder geben wird. Ich habe kurz gerechnet. Es gibt ungefähr 100 000 Arztpraxen in Deutschland. Wenn diese niedrigste Zahl da mitgenommen wird und man nur über die Arztpraxen impfen würde, dann würde es ungefähr 20 Monate dauern.

Vorhin haben Sie gesagt: Na ja, die Kommentare aus Großbritannien, das alles wäre nicht so schlimm, weil das Einzelmeinungen seien oder sie von anderswo kämen. Aber man spürt ganz deutlich, dass sie sich über Deutschland lustig machen.

Meine Frage: Wenn es in diesem Tempo mit den Arztpraxen weitergeht, wenn das so lange dauern würde, kann Deutschland dann noch richtig Leistung zeigen, was natürlich möglich wäre, um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, oder ist es doch eher die „deutsche Schnecke“?

STS SEIBERT: Herr Savelberg, wenn ich einmal etwas sagen darf:

Erstens. Nichts an dieser Pandemie ist lustig weder die fürchterlich hohen Totenzahlen, die in anderen Ländern noch deutlich höher sind als bei uns aber auch bei uns sind sie schrecklich , noch die Tatsache, dass nicht für alle jetzt schon so viel Impfstoff zur Verfügung steht, wie wir uns das sicherlich alle wünschen würden. Wir haben hier mehrfach darauf hingewiesen, dass die Europäische Union ganz anders als Großbritannien und ganz anders als bisher auch die USA ein großer und bedeutender Exporteur von Impfstoff ist. Wir haben große Mengen von Impfstoff in andere Länder außerhalb der Europäischen Union auch nach Großbritannien exportiert. Den umgekehrten Weg gibt es nicht. Das ist hier alles in den letzten Wochen und Monaten ja sehr intensiv besprochen worden.

Ich habe gesagt, dass es heute eine Telefonkonferenz zwischen Bund und Ländern gibt, um genau diesen Punkt zu besprechen: Wie schafft man es, die nächste Phase des Impfens, in der es sowohl die Impfzentren mit ihrer wichtigen Aufgabe geben soll als auch die niedergelassenen Ärzte, die einen wichtigen Beitrag leisten können, schon ab April anzuschieben, und wie bringt man das mit den voraussichtlich zur Verfügung stehenden Impfdosenmengen überein? Ich kann Sie nur einladen, sich vielleicht für die Pressekonferenz heute im Anschluss an diese Telefonkonferenz zu interessieren.

ZUSATZ SAVELBERG: Danke für das Angebot. Zu dieser Kampagne über die Arztpraxen: Es gibt ja ganz viele Arztpraxen in Deutschland viel mehr als in anderen Ländern , und deutsche Ärzte haben auch einen guten Ruf. Wenn Sie sich allerdings nur auf die Arztpraxen konzentrieren und wenn nur diese eine Stufe

STS SEIBERT: Darum geht es doch gar nicht. Entschuldigung, aber wir haben es jetzt mehrfach gesagt: Es geht nicht darum, nur in den Arztpraxen zu impfen.

ZUSATZ SAVELBERG: Das weiß ich, aber

STS SEIBERT: Dann brauchen Sie doch diese Frage nicht zu stellen Entschuldigung, wenn ich das so sage. Wenn wir sagen, dass es um ein Nebeneinander, um eine Kombination von Impfzentren und Arztpraxen geht das ist das Thema heute , dann müssen wir doch den anderen Fall hier nicht diskutieren.

ZUSATZ SAVELBERG: Das verstehe ich sehr wohl,

STS SEIBERT: Danke.

ZUSATZ SAVELBERG: aber ein Baustein in der Bekämpfung der Pandemie ist, wie Sie richtig gesagt haben, dass man die Arztpraxen dazunimmt. Aber wenn es nur diese vorhandene Zahl an Impfdosen gibt und dann eben nur eine bestimmte Zahl von Menschen pro Woche oder pro Monat geimpft werden können, dann würde das ja 20 Monate lang dauern.

STS SEIBERT: Um das jetzt vielleicht abzuschließen wenn ich das sagen darf :

ZUSATZ SAVELBERG: Aber das ist eine Frage an das Gesundheitsministerium!

STS SEIBERT: Wir haben bei den zu erwartenden Liefermengen von Impfstoffen doch keine lineare Entwicklung. Vielmehr sind die Verträge doch so das haben wir auch mehrfach gesagt , dass wir im zweiten Quartal zunehmend und zwar nicht linear zunehmend eine ganz große Verbesserung an dieser Lieferfront erreichen werden und im Sommer ganz woanders stehen, als wir aller Voraussicht noch im April stehen und auch der April wird schon besser sein als der März. Das heißt, es ist falsch, einfach zu sagen: Okay, es gibt so und so viele Impfungen in Arztpraxen in diesem Monat, und wenn es in dem Tempo weitergeht Es wird nicht in diesem Tempo weitergehen.

ZUSATZ SAVELBERG: Das hoffen wir.

STS SEIBERT: Ja, aber das ist auch die Basis unserer Berechnungen, weil wir ja auch Verträge und zugesagte Liefermengen haben. Nun haben wir erlebt, dass Liefermengen, die zugesagt sind, gelegentlich auch erst später kommen, das ist richtig. Aber die Zahlen sind so, dass wir sehr zuversichtlich sein können, dass wir eben nicht eine lineare Zunahme haben werden, sondern eine sehr deutliche Zunahme.

FRAGE REITSCHUSTER: An Herrn Gülde und vielleicht auch Herrn Seibert: Ich habe hier im Oktober oder November des letzten Jahres gefragt, ob es Studien oder Untersuchungen über Kollateralschäden und mögliche Nebenwirkungen von Masken gerade auch bei Kindern gibt. Seitdem sind viele Monate vergangen. Gibt es inzwischen Studien oder hat man welche in Auftrag gegeben? Könnten Sie dazu vielleicht ein kurzes Update geben?

GÜLDE: Zum Thema Maskentragen haben sich ja die zuständigen medizinischen Fachgesellschaften, unter anderem die Kinder- und Jugendärzte sowie auch die pneumologischen Fachgesellschaften, vielfach geäußert. Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Maskentragen selbst schadet das gilt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Darüber hinaus habe ich Ihnen jetzt keine weiteren Angaben zu irgendwelchen Studien zu machen. Mir liegen keine Erkenntnisse vor, dass es dazu Studien gab. Gegebenenfalls kann ich das noch nachreichen. Aber wie gesagt, die medizinischen Fachgesellschaften haben sich sehr eindeutig zu diesem Thema geäußert.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Vielleicht habe ich mich etwas unglücklich ausgedrückt: Es ging mir nicht nur um die Masken, sondern auch generell um Fragen wie psychische Folgen und dergleichen. Könnten Sie vielleicht noch einmal konkretisieren, was da an neuen Untersuchungen oder wissenschaftlichen Studien in Auftrag gegeben wurde oder schon vorliegt?

GÜLDE: Ja, da gibt es einige Studien. Da würde ich Sie tatsächlich bitten, sich einmal an das Robert-Koch-Institut zu wenden. Die haben auf ihrer Webseite tatsächlich eine sehr umfangreiche Studiensammlung zu diesem Thema. Zum Beispiel befasst sich die COSMO-Studie unter anderem mit den psychischen Folgen der Pandemie. Darauf würde ich Sie gerne verweisen.

FRAGE NEHLS: Zu Nord Stream 2 an das Auswärtige Amt und das Bundeswirtschaftsministerium: Bedeutet das US-Verlangen nach einem sofortigen Baustopp für die Nord-Stream-2-Pipeline das Ende der deutschen Souveränität in puncto Außenwirtschafts- und Energiepolitik? Gibt es daraufhin Reaktionen, wird also offiziell protestiert oder gar mit dem US-Botschafter gesprochen, oder gibt es eine EU-Absprache nach diesem Erpressungsversuch?

FRAGE DOLGUNOV: Das „Handelsblatt“ berichtet, dass die Bundesregierung der neuen US-Regierung angeboten habe, die Ukraine stärker zu unterstützen. Im Gegenzug erwarte man den Verzicht auf Nord-Stream-2-Sanktionen. Können Sie das bestätigen?

ADEBAHR: Ich kommentiere hier keine Presseberichte. Das beantwortet, glaube ich, beide Fragen. Unsere Haltung zu Nord Stream 2 ist bekannt. Natürlich haben wir die Presseerklärung des State Department von Außenminister Blinken gestern zur Kenntnis genommen. Genauso ist auch bekannt, dass dazu unterschiedliche Ansätze und Positionen bestehen. Auch unsere ablehnende Haltung zu extraterritorialen Sanktionen ist ja bekannt. Herr Blinken hat auf die US-Gesetzeslage, wie sie nach der Sanktionsgesetzgebung der Vereinigten Staaten von Amerika ist, hingewiesen, und auch das ist ja schon bekannt. Insofern habe ich hier heute keine Neuigkeiten zu verkünden.

VORS. FELDHOFF: Hat das Außenministerium in dieser Frage mit dem US-Botschafter gesprochen oder gibt es da andere Gesprächsformate?

ADEBAHR: Auch Herr Maas hat schon gesagt, dass wir zu Konsultationen, wie sie auch in der US-Gesetzgebung die, glaube ich, im Februar verabschiedet worden war angeregt wurden, bereit sind und da auch für ein Gespräch zur Verfügung stünden.

FRAGE DR. DELFS: An Frau Adebahr und Herrn Seibert: Sehen Sie und sieht auch die Kanzlerin diese Sanktionsdrohung als Teil der ursprünglich einmal etwas freundlicher angekündigten Gespräche mit den USA zu diesem Thema? Die Kanzlerin selbst hat ja einmal gesagt, sie wolle auch gerne mit Herrn Biden selbst sprechen und dann würde auch alles auf den Tisch kommen. Oder sieht man diese Androhung jetzt sozusagen als eine Störung des konstruktiven Gesprächs, das man mit den USA zu diesem Thema eigentlich anstrebt?

STS SEIBERT: Unsere Haltung ist da unverändert: Extraterritoriale Sanktionen, wie sie von den USA im Zusammenhang mit Nord Stream 2 angedroht und verhängt werden, lehnen wir ab. Das haben wir gegenüber der US-Administration zur Sprache gebracht, und das werden wir auch weiterhin tun.

FRAGE REITSCHUSTER: An Herrn an Herrn Seibert oder vielleicht auch an Frau Adebahr: Herr Nawalny hat jetzt aus dem Gefängnis berichtet, dass er dort in meinen Augen unter folterähnlichen Bedingungen behandelt wird. Er wird zum Beispiel jede Stunde in der Nacht aufgeweckt. Ist das der Bundesregierung bekannt? Nimmt sie das zum Anlass, noch einmal ihre Besorgnis auszudrücken oder den russischen Behörden etwas mitzuteilen?

STS SEIBERT: Ich kenne diesen jüngsten Bericht von Herrn Nawalny nicht. Dass die Zustände im russischen Strafvollzug, insbesondere in den Straflagern, sicherlich nicht dem entsprechen, was wir uns unter menschenwürdigem Strafvollzug vorstellen und praktizieren, ist aufgrund vieler früherer Aussagen bekannt. Aber diese konkrete letzte Aussage von Herrn Nawalny kann ich nicht kommentieren, weil ich sie nicht kenne.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Werden Sie sich da informieren und gegebenenfalls intervenieren bzw. intervenieren ist ein großes Wort, das können Sie ja nicht noch einmal Ihren Missmut ausdrücken?

STS SEIBERT: Unsere Haltung zum Fall Nawalny ist ja ganz klar: Wir haben für die Freilassung von Herrn Nawalny plädiert. Und das tun wir weiterhin.

FRAGE NEHLS: Zu Nord Stream 2: Wird der Baustopp denn befolgt?

ADEBAHR: Herr Blinken hat in der Pressemitteilung entsprechend der US-Sanktionsgesetzgebung beteiligte Firmen aufgefordert, ihre Tätigkeit dort einzustellen. Das ist nicht neu. Das ist US-Sanktionsgesetzgebung, wie sie existiert und wie auch unsere Haltung zu extraterritorialen Sanktionen bekannt ist.

VORS. FELDHOFF: Dann müsste man sich im Zweifel wahrscheinlich an die Firmen wenden. Sehe ich das richtig?

ADEBAHR: Ja.

FRAGE SAVELBERG: Eine Frage zum Thema Niederlande. Im Nachbarland von Deutschland gab es eine Wahl. Premierminister Rutte hat die Wahl gewonnen und wird wahrscheinlich wiedergewählt werden. Wie bewertet die Bundeskanzlerin dieses Wahlergebnis?

Die Linksliberalen haben stark zugelegt. Wird das als positiv für die europapolitischen Bemühungen Deutschlands angesehen? Nimmt man auch wahr, dass die extreme Rechte gerade zweistärkste Kraft in Holland geworden ist?

STS SEIBERT: Herr Savelberg, wir pflegen Wahlen bei unseren europäischen Partnern nicht zu bewerten. Das tun wir auch in diesem Fall nicht.

ZUSATZFRAGE SAVELBERG: Erwartet man, dass es schwieriger wird, die Verhandlungen in Brüssel zu führen, wenn eine politische Kraft in den Niederlanden für einen „Nexit“ plädiert, gegen die EU und gegen Immigrationsgesetze ist und die auch mit rassistischen Tönen von sich hören lässt?

STS SEIBERT: Das ist jetzt ein Versuch, mir doch einen Kommentar zum Wahlergebnis zu entlocken. Das wird nicht gelingen. Die Niederlande sind für Deutschland Freund, Nachbar und wichtiger europäischer Partner. So war es, und so wird es sein.

ZUSATZFRAGE SAVELBERG: Können Sie noch einen Satz zu der Zusammenarbeit zwischen Herrn Rutte und seiner künftigen Regierung sagen?

STS SEIBERT: Ich kann doch nicht über eine künftige Regierung in den Niederlanden sprechen, die noch gar nicht gebildet ist.

ZUSATZ SAVELBERG: Es sieht danach aus, dass die künftige Regierung die alte Regierung ist.

VORS. FELDHOFF: Ich glaube, Herr Savelberg, das hat jetzt an der Stelle keinen Sinn, wenn ich das so sagen darf.

FRAGE REITSCHUSTER: Eine Frage an Herrn Seibert bzw. an die Kollegen. Sie wissen besser als ich, wer zuständig ist. Laut einem Bericht von „the Germanz“ wird das Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg bei Bonn von einem chinesischen Staatskonzern betrieben. Trifft das zu? Wenn ja, wie sehen Sie diese Symbolik?

STS SEIBERT: Ich weiß es nicht. Was ist das? Ein Bericht von wem? „the Germanz“?

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Ja, „the Germanz“.

STS SEIBERT: Was ist denn „the Germanz“, wenn ich fragen darf?

ZUSATZ REITSCHUSTER: Eine Internetzeitung von Klaus Kelle.

STS SEIBERT: Aha, okay. Wenn ich etwas dazu nachreichen kann, werde ich das tun.

VORS. FELDHOFF: Gibt es andere Erkenntnisse? – Das sehe ich nicht. Dann warten wir auf die Nachreichung.

FRAGE WACKET: Meine Frage bezieht sich auf das Thema Weißrussland, wo Frau Tichanowskaja schon einmal eine Online-Befragung gestartet hat und auf Bürgerbefragung auf dem Ausland setzt. Sie hat eine Plattform aufgesetzt, wo abgestimmt werden soll, ob man Verhandlungen mit der Lukaschenko-Regierung aufnimmt. Offenkundig ist auch die OSZE eingeschaltet. Ist die Bundesregierung dabei auch involviert? Steht sie für eine Vermittlungsrolle bereit? Wie schätzt sie das ein?

ADEBAHR: Wir unterstützen diesen Aufruf ausdrücklich. Wir haben als Bundesregierung mehrfach unsere Position deutlich gemacht. Die gefälschte Wahl in Belarus erkennen wir nicht an. Herrn Lukaschenko hat aus unserer Sicht keine demokratische Legitimation. Aus genau diesem Grund fordern wir ja als Bundesregierung in Europa einen inklusiven nachhaltigen Dialog, der alle Gruppen in Belarus mit einschließt. Genau dieses Angebot der OSZE für einen solchen Dialog liegt seit Monaten auf dem Tisch.

Insofern ist es aus unserer Sicht so, dass eine Online-Abstimmung, eine Online-Befragung doch ein gutes Mittel sein kann, um die politische Stimmung im Land einzufangen und abzubilden, um eben dahin zu kommen, wohin wir wollen, nämlich zu einem echten nationalen Dialog, der diese innenpolitische Krise in Belarus lösen kann und der auf die legitimen Forderungen der Opposition und der Demokratiebewegung eingeht, nämlich das Recht, faire und freie Wahlen zu verwirklichen.

FRAGE SAVELBERG: Ich weiß nicht, an wen sich meine Frage richtet. Der amerikanische Präsident hat seinen russischen Kollegen Putin als „Mörder“ bezeichnet. Ich weiß nicht, ob Sie das wahrgenommen haben. Sehen Sie das auch so? Haben Sie das auch so wahrgenommen?

Wenn Sie das nicht so sehen, warum sehen Sie das nicht so?

STS SEIBERT: Ich dachte, wir hatten das Thema Russland in all seinen Facetten hinter uns.

ZURUF SAVELBERG: Nein! Ich glaube, Herr Nawalny ist nicht mit Herrn Putin gleichzusetzen.

STS SEIBERT: Ich hatte nur den Eindruck, dass die Veranstaltungsleitung

VORS. FELDHOFF: Man ist vor Überraschungen nie gefeit, Herr Seibert.

STS SEIBERT: So ist es. Das ist ja auch das Schöne an der Regierungspressekonferenz.

Präsident Putin ist der Staatspräsident eines Landes, mit dem wir und zwar nicht nur wir, sondern Europa, die G7 zahlreiche Meinungsverschiedenheiten haben. Als einige Stichworte würde ich zum Beispiel den Fall Skripal, jüngst den Fall Nawalny, den Tiergartenmord und die Einschränkungen der Menschenrechte, der Freiheiten, in Russland nennen. Das sind Themen, die natürlich zwischen uns stehen und die wir auch immer wieder mit aller Offenheit gegenüber der russischen Führung ansprechen.

Wir haben auch gemeinsame Interessen. Natürlich bedarf es auch der Kooperation mit Russland, wenn man bei konkreten globalen Krisen vorankommen will. Dieses Nebeneinander von sehr belastenden Umständen und dem Interesse an Kooperation bei bestimmten Themen kennzeichnet das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und der russischen Regierung.

ZUSATZFRAGE SAVELBERG: Sie sprechen jetzt Mordversuche und einen verübten Mord an, der ungefähr einen Kilometer von diesem Saal hier geschehen ist. Mutmaßlich gehen diese Taten auf russische Täter zurück. Meine Frage war, ob Sie dem amerikanischen Präsidenten folgen können, wenn er sagt, dass sein Kollege Putin ein Mörder sei.

STS SEIBERT: Ich habe für die Bundesregierung das gesagt, was ich dazu zu sagen habe.

ZUSATZ SAVELBERG: Sie haben aber nicht zu meiner Frage Stellung genommen.

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen meine Antwort gegeben. Sie können ja fragen, aber Sie können jetzt nicht verlangen, dass ich eine bestimmte Antwort gebe.

ZUSATZ SAVELBERG: Das verstehe ich.

STS SEIBERT: Dann müssen wir leider so verbleiben.

ZUSATZFRAGE SAVELBERG: Wollen Sie der amerikanischen Argumentation folgen, können Sie ihr folgen? Oder lehnen Sie diese ab? Wie sieht es aus?

STS SEIBERT: Ich habe zu dem Thema das gesagt, was ich zu sagen habe.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, hält die Bundeskanzlerin solche Bezeichnungen wie „Mörder“ in der internationalen Diplomatie für hilfreich? Hätte man das vielleicht ein bisschen diplomatischer sagen können?

STS SEIBERT: Herr Delfs, ich habe der Antwort, die ich Herrn Savelberg gegeben habe, nichts hinzuzufügen.

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