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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 16. April 2021

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (zentrale Gedenkfeier für die Todesopfer in der Coronapandemie, Sitzung des Coronakabinetts, Frühjahrssitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Antrittsgespräch mit dem neuen DIHK-Präsidenten, Kabinettssitzung, digitale Auftaktveranstaltung zum Girls’ Day 2021, digitale Familienunternehmer-Tage 2021, Gipfeltreffen „Leaders Summit on Climate“), Teilnahme des Bundesaußenministers am Jahrestreffen von fünf Außenministerinnen und Außenministern aus deutschsprachigen Staaten, COVID-19-Pandemie, Wirecard-Untersuchungsausschuss, Lage in der Ostukraine, Verhältnis zwischen den USA und Deutschland, Äußerungen von Staatsminister Roth zum Westbalkan, Gespräche zwischen den JCPOA-Teilnehmern in Wien, Präsidentschaftswahlen in Syrien, US-Sanktionen gegen Russland, Verurteilung von Demokratieaktivisten in Hongkong zu mehrjährigen Haftstrafen, Demokratieförderungsgesetz, Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem amerikanischen Präsidenten

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 16. April 2021:

VORS. BUSCHOW eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

STS SEIBERT: Einen schönen guten Tag! Ich beginne, was die Termine der Bundeskanzlerin angeht, mit einer kurzen Erinnerung. An diesem Sonntag, dem 18. April, wird die Bundeskanzlerin, wie auch die Vertreter aller anderen Verfassungsorgane, um 10.15 Uhr erst an einem ökumenischen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hier in Berlin aus Anlass des staatlichen Gedenkens für die Todesopfer in der Coronapandemie teilnehmen. Ab 13 Uhr findet die zentrale Gedenkveranstaltung aus gleichem Anlass hier im Konzerthaus statt.

Am Montag, 19. April, findet um 11 Uhr erneut eine Sitzung des sogenannten Coronakabinetts unter Leitung der Bundeskanzlerin statt.

Am Dienstag wird die Bundeskanzlerin virtuell an der Frühjahrssitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates teilnehmen. Deutschland hat seit November des vergangenen Jahres und noch bis zum 21. Mai dieses Jahres den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarats inne. Die Bundeskanzlerin wird um 10 Uhr eine Rede halten und anschließend mit den Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung im Gespräch sein.

Ebenfalls am Dienstag ein Antrittsgespräch mit dem neuen DIHK-Präsidenten Peter Adrian, der am 24. März 2021 die Nachfolge von Eric Schweitzer angetreten hat. Herr Adrian ist der Präsident der IHK Trier. Das wird ein Gespräch in Form einer Videokonferenz ab 11.30 Uhr sein. Neben Herrn Adrian nimmt auch noch der Hauptgeschäftsführer der DIHK, Martin Wansleben, teil.

Am kommenden Mittwoch findet zur üblichen Zeit um 9.30 Uhr die Kabinettssitzung unter Leitung der Bundeskanzlerin statt.

Von 11 Uhr bis 11.45 Uhr wird die Bundeskanzlerin an der digitalen Auftaktveranstaltung zum Girls’ Day 2021 teilnehmen. Diese Veranstaltung bildet den Auftakt zum 20. Mädchen-Zukunftstag, der bundesweit am 22. April, also einen Tag später, leider überwiegend in digitaler Form stattfinden wird.

Wie auch in den vergangenen Jahren ist das Ziel, jungen Frauen die große Vielfalt und das große Potenzial der sogenannten MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) nahezubringen. Auch der Bundeskanzlerin ist es ein großes Anliegen, dass sich mehr Mädchen für eine berufliche Zukunft in diesen technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen entscheiden. Dafür ist es von entscheidender Bedeutung, überholte Rollenmuster und Klischees zu überwinden.

Sechs Gruppen à zwei bis drei Schülerinnen von zwei Berliner Schulen werden der Bundeskanzlerin anhand von unterschiedlichen Exponaten verschiedene Berufsfelder aus dem MINT-Bereich erläutern. Das Ganze wird per Livestream auf der Homepage der Initiative D21 übertragen.

Am Donnerstag nimmt die Bundeskanzlerin an den ebenso digitalen Familienunternehmer-Tagen 2021 teil. Der Verband DIE FAMILIENUNTERNEHMER hat die Veranstaltung in diesem Jahr unter das Motto „Leinen los! Auf welchem Kurs aus der Krise? gestellt. Die Bundeskanzlerin wird gegen 14.45 Uhr eine Rede zu aktuellen Themen der Wirtschaftspolitik halten.

Ebenfalls am Donnerstag wird die Bundeskanzlerin am Nachmittag auf Einladung von US-Präsident Joe Biden am „Leaders Summit on Climate“ teilnehmen und im Rahmen der Session „Our Collective Sprint to 2030“ ein Live-Statement abgeben. Das komplette Gipfeltreffen kann im Internet via Livestream verfolgt werden. Die US-Seite stellt einen entsprechenden Link zur Verfügung.

Bei diesem Gipfel kommen die Staats- und Regierungschefs 17 wichtiger Volkswirtschaften zusammen, die für rund 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Außerdem sind weitere Staaten eingeladen, die sich besonders für den Klimaschutz engagieren oder besonders stark vom Klimawandel betroffen sind. Ein Kernthema des Gipfels wird sein, wie alle Staaten ihre Anstrengungen und nationalen Beiträge, die sogenannten NDCs, erhöhen müssen, um gemeinsam die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Die Europäische Union hat ihr neues NDC für 2030 mindestens 55 Prozent Treibhausgasminderung gegenüber 1990 schon im vergangenen Dezember vorgelegt.

Damit bin ich erst einmal durch.

ADEBAHR: Ich möchte Ihnen gerne mitteilen, dass Außenminister Maas heute Morgen zu einem Jahrestreffen mit fünf Außenministerinnen und Außenministern aus deutschsprachigen Staaten in Lugano in der Schweiz zusammengetroffen ist. Das sind die Außenminister und Außenministerinnen von Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg. Das ist ein anerkanntes altes Format, das immer wieder von großem Nutzen ist. Turnusmäßiger Gastgeber ist dieses Jahr Ignazio Cassis, der Schweizer Außenminister.

Schwerpunkt der Gespräche sind die grenzüberschreitenden Auswirkungen der Coronapandemie, aber auch ganz allgemeine Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auch in diesem deutschsprachigen Raum sowie der Fokus auf die Zukunft für die Wissenschaftsdiplomatie. Natürlich werden auch aktuelle europäische und internationale Themen erörtert.

Um 12.45 Uhr ist eine Pressekonferenz geplant. Die Schweizer Kollegen werden einen Livestream zur Verfügung stellen. Wir übertragen die Pressekonferenz auch auf unseren Kanälen.

FRAGE TIMOFEEVA: Wird Frau Merkel heute geimpft?

STS SEIBERT: Sie sind nicht die Erste, die das fragt. Es gilt das, was ich hier am Montag schon gesagt habe: Die Bundeskanzlerin wird sich zeitnah impfen lassen und dann die Öffentlichkeit darüber informieren.

VORS. WELTY: Dann gibt es einen Nachtrag aus dem Bundesinnenministerium zum Infektionsschutzgesetz.

ALTER: Ich hatte am vergangenen Dienstag verschiedene Fragen zu der Regelung im Infektionsschutzgesetz bekommen, die auf die Grundrechtseinschränkungen Bezug nimmt. Ich habe zugegebenermaßen etwas auf der Leitung gestanden, aber die Fragen inzwischen verstanden.

Das Infektionsschutzgesetz regelt, dass bestimmte Grundrechte beispielsweise das Recht auf körperliche Unversehrtheit eingeschränkt werden. Die Frage war, wie und auf welche Weise dies durch das Gesetz geschieht. Das ist im Prinzip ganz einfach zu erklären, denn das Infektionsschutzgesetz sieht in der Fassung, die das Kabinett vorgeschlagen hat, beispielsweise vor, dass man vor einem Friseurtermin einen aktuellen Negativtest vorweisen muss, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Wenn man sich testen lässt, hat das möglicherweise zur Folge, dass man mit einem Teststäbchen in das Innere des Körpers Nasen- oder Rachenhöhle eindringen muss. Deswegen ist eine mittelbare Beschränkung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit gegeben.

Das betrifft auch weitere Grundrechte, etwa das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Wenn wir in einem Gesetz regeln, dass man sich im eigenen Hausstand nur noch mit einer gewissen Anzahl von Personen treffen kann, kann das gegebenenfalls auch durch die Polizei, durch Ordnungsämter kontrolliert werden. Wenn das Betreten der Wohnung erforderlich ist, sind diese Grundrechte eben betroffen.

Die Anforderungen an ein formell rechtmäßiges Gesetz sehen in Deutschland vor, dass die Grundrechte, die durch ein Gesetz eingeschränkt werden, auch explizit genannt werden. Genauso ist diese Regelung im Gesetz auch zu verstehen.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Alter, ich bin jetzt etwas erschrocken, als Sie das gesagt haben. Das klingt ja jetzt so, als ob die Polizei oder das Ordnungsamt immer dann, wenn sie einen begründeten Verdacht haben wenn zum Beispiel drei Leute aus verschiedenen Hausständen in einer Wohnung sind , in die Wohnung können. Ist das so eine weitreichende Ermächtigung für Polizei und Ordnungsämter, die Unverletzlichkeit der Wohnung zu verletzen? Danke.

ALTER: Nein, das ist damit nicht verbunden. Aber wenn der Gesetzgeber ein Gesetz auf den Weg bringt, das vorsieht, das bestimmte Beschränkungen im eigenen Hausstand gelten etwa die Regelung, dass man sich nur mit einer weiteren Person, die nicht zum eigenen Hausstand gehört, treffen darf und diese Regelung auch bei Verstoß mit einem Bußgeld bedroht , dann ist damit verbunden, dass gegebenenfalls im Einzelfall die Polizei oder Ordnungsämter Wenn beispielsweise Hinweise eingehen ich überspitze das jetzt einmal bewusst , dass in einer Wohnung eine Party mit 20, 30 Leuten stattfindet, dann kann es dazu kommen, dass die Polizei an der Haustür klingelt und auch die Wohnung betreten muss, um festzustellen, ob ein Verstoß vorliegt.

Für diesen Fall ist in dem Gesetz vorgesehen, dass das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gegebenenfalls eingeschränkt werden kann. Das bedeutet aber ausdrücklich nicht, dass die Polizei durch die Straßen läuft und an den Türen der Leute klingelt, um zu kontrollieren, ob sie auch allein in der Wohnung sind.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Das ist aber doch ein Problem, das fast jeden betrifft. Wenn Sie noch einmal die Grenze setzen könnten. Sie sprachen von 20 Leuten bei einer Party. Wo ist die Grenze, dass die Polizei oder das Ordnungsamt ohne richterlichen Beschluss in eine Wohnung kann? Danke.

ALTER: Das sieht ja der Gesetzentwurf ganz explizit vor. Er sieht in §28b Absatz 1 Nummer 1 vor, dass

„private Zusammenkünfte im öffentlichen oder im privaten Raum nur gestattet sind, wenn an ihnen höchstens die Angehörigen eines Haushalts und eine weitere Person einschließlich der zu ihrem Haushalt gehörenden Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres teilnehmen“

Das ist die Regelung. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, dann gilt dies bei der Überschreitung einer Inzidenz von 100. Daran haben sich dann die Bürgerinnen und Bürgern auch zu halten.

FRAGE WARWEG: Eine ganz grundsätzliche Frage zu dieser Aufhebung und der Einschränkung von Grundrechten. Hat die Bundesregierung denn einen Fahrplan, wenn es mit dieser massiven Aufhebung und Einschränkung der Grundrechte zu Ende geht? Gibt es dafür einen konkreten Fahrplan?

ALTER: Das Gesetz, das im Moment diskutiert wird, sieht vor, dass es bundeseinheitliche Regelungen in dem Moment gibt, wo eine bestimmte Infektionsinzidenz, nämlich 100 innerhalb von sieben Tagen, überschritten wird. Das Gesetz verliert seine Wirkung, wenn an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen diese Inzidenz gewissermaßen stabil unterschritten wird. Dann ist die Wirkung des Gesetzes nicht mehr gegeben und tritt automatisch wieder außer Kraft. Das ist der Mechanismus, der jetzt vorgeschlagen wurde. Man wird sehen, wie weit das jetzt im parlamentarischen Verfahren bestätigt wird.

STS SEIBERT: Ich will es einfach noch einmal sagen, wenn ich das darf: Das ganze Ziel, die ganze Absicht dieses Gesetzes ist es doch, unser ganzes Land wieder unter diese gefährlich hohen Inzidenzen zu bringen, die Inzidenzen deutlich zu senken, damit wir in unserem Land an Öffnungs- und Lockerungsschritte denken können und die dann auch entsprechend mit Testungen und anderem und mit der natürlich jetzt immer kräftiger anlaufenden Impfkampagne absichern können. Das ist das Ziel. Insofern gibt es, anders als mancher immer behauptet, überhaupt keine Absicht des Staates, auf ewig oder noch für lange Zeit in diesen hohen Inzidenzwerten zu verharren. Im Gegenteil, sie sind gefährlich, sie sind lebensgefährlich. Wir sehen, wie sich die Situation auf den Intensivstationen entwickelt. Wir hören ganz genau, wie die Mediziner auf den Intensivstationen und genauso auch das Pflegepersonal ihre Hilferufe, wie die Bundeskanzlerin es heute gesagt hat, in die Öffentlichkeit schicken. Das Ziel dieses Gesetzes ist es, aus dieser Situation herauszukommen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber jetzt ist es ja nicht nur dieser Gesetzentwurf, der Grundrechte einschränkt, sondern das haben auch bereits andere schon beschlossene Gesetze getan. Darauf zielte unter anderem auch meine Frage. Gibt es konkrete Pläne der Bundesregierung abgesehen von diesem Inzidenzwert 100 , ab welchem Punkt es die Grundrechte wieder zurückgibt? Das ist ja durchaus etwas, was viele Bundesbürger bewegt.

STS SEIBERT: Wissen Sie, was auch eine ganz schwere Grundrechtseinschränkung ist? Wenn Sie eine Schwersterkrankung haben und es keinen Intensivplatz mehr für Sie gibt jedenfalls nicht in der Gegend, in der Sie wohnen, sodass Sie irgendwo hingeflogen werden müssen. Das erleben wir doch zurzeit schon. Die Intensivkapazitäten sind an vielen Orten so ausgereizt oder kurz davor, dass Menschen, die schwere Tumore haben, die entfernt werden müssten, erleben, dass ihre Operation nicht jetzt schon stattfinden kann, was eigentlich medizinisch geboten wäre. Auch das ist eine schwere Grundrechtseinschränkung.

FRAGE REITSCHUSTER: An Herrn Alter, weil es so gravierend ist: Verstehe ich das richtig, dass künftig, wenn der Verdacht besteht, dass mehr als zwei Haushalte zusammen sind, die Polizei und das Ordnungsamt in eine Wohnung können?

ALTER: Das wird in Ihrer Fragestellung ein bisschen verkürzt. Vielleicht muss man den Bogen auch noch einmal etwas größer spannen. Nahezu jedes Gesetz, das Polizei und Ordnungsbehörden zur Verfügung steht auch den Verkehrsbehörden, den Schifffahrtsbehörden und ähnliches , das mit Grundrechtseinschränkungen verbunden ist, sieht eine solche Regelung vor, weil es zur formellen Rechtmäßigkeit unserer Gesetze in Deutschland gehört, dass die Grundrechte, die durch ordnungsbehördliche Maßnahmen betroffen sind, explizit genannt werden. Das ist der Grund. Damit ist nicht verbunden, dass sich daran ein bestimmtes Verwaltungshandeln knüpft; denn diese Gesetze eröffnen Spielräume für die Behörden, eröffnen Möglichkeiten für die Behörden, und die Behörden gehen nach den Umständen des Einzelfalls und in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens vor.

Das heißt also, dieses Gesetz eröffnet den Behörden die Möglichkeit, gegebenenfalls auch eine Wohnung zu betreten, aber damit ist nicht verbunden, dass sie es in jedem Einzelfall tun werden. Vielmehr wird man von den Umständen des Einzelfalls abhängig machen, ob das erforderlich ist, ob es geboten ist, ob es verhältnismäßig ist. All das muss dann im konkreten Einzelfall abgewogen werden. Aber wenn diese gesetzliche Möglichkeit nicht gegeben ist, dann ist es in einem Rechtsstaat generell ausgeschlossen.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Aber prinzipiell dürfen sie es jetzt, wenn es

ALTER: Wenn das Gesetz kommt und diese Regelung so enthalten bleibt, dann ist die gesetzliche Möglichkeit eröffnet.

FRAGE REITSCHUSTER: An Herrn Seibert: Die Bundesregierung sagt ja immer wieder, dass der Inzidenzwert nicht allein entscheidend ist. Warum ist er jetzt im Gesetz als alleiniges oder als wichtigstes Merkmal aufgeführt?

STS SEIBERT: Das ist ja eine Frage, die Sie vielfach gestellt haben und die wir vielfach beantwortet haben; ich kann es aber gerne trotzdem noch einmal sagen.

Erstens. Wenn Sie in das Gesetz schauen, dann werden Sie sehen, dass da in dem Text vor den eigentlichen Gesetzesklauseln auch andere Indikatoren genannt sind. Die Bundesregierung hat nie nur auf den einen Indikator Inzidenz geschaut. Sie hat das in der Vergangenheit nicht getan und sie tut das auch jetzt nicht. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist aber das zentrale Kriterium, an das sich Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens knüpfen. Die Inzidenz hat eine hohe Aussagekraft für das Infektionsgeschehen und für die Entwicklung in allen Bereichen. Das ist ein Frühindikator. Wenn die Inzidenz steigt, dann werden Sie zeitverzögert erleben, dass auch die Zahl der Erkrankten, die auf den Intensivstationen behandelt werden müssen, steigt. Da gibt es eine ganz klare Korrelation. Deswegen ist es richtig, zuerst, also bevor die komplette Auslastung der Intensivstationen erreicht ist, auf die Inzidenz als Frühindikator zu schauen und dann zu handeln.

Die Inzidenz ist als Schwellenwert im Übrigen für Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz auch in dem noch geltenden, ich sage einmal, alten Infektionsschutzgesetz verankert, und deswegen haben wir darüber hier ja häufig gesprochen.

Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Parlamentsrede heute ja ganz klar auf die Zustände und die bedrängte Situation in vielen Intensivstationen hingewiesen. Natürlich ist das etwas. Aber erst dann zu handeln, wenn die Intensivstationen schon nahezu voll sind, ist sehr spät. Die Inzidenz zeigt uns also an, wohin die Entwicklung auch im Gesundheitswesen und in den Krankenhäusern geht.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Sie sagen, da seien auch andere Werte drin. Aber die konkreten Maßnahmen sind ja nur an die Inzidenz gekoppelt, und da haben die anderen Werte ja keinen Einfluss. Warum ist das so?

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen das gerade so gut ich kann erklärt und ich finde, ganz überzeugend.

FRAGE WARWEG: Laut einer aktuellen Oxford-Studie treten Thrombosen bei Impfungen mit dem BioNTech-Impfstoff ähnlich häufig auf wie bei Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff. In diesem Zusammenhang würde mich interessieren weil da bisher relativ wenig bekannt ist für die bundesdeutsche Bevölkerung ist , wie es mit der Haftungspflicht bei BioNTech/Pfizer aussieht. Könnte das Gesundheitsministerium uns dazu vielleicht ein bisschen aufklären?

GÜLDE: Zum Thema Haftungsrecht haben wir hier ja schon mehrfach Auskunft gegeben. Grundsätzlich ist es so: Für Mängel am Impfstoff, beispielsweise produktionsbedingte Mängel, haftet das Unternehmen. Für eventuelle Schädigungen oder Nebenwirkungen, die bei einer Impfung auftreten, die seitens der STIKO empfohlen wird, haftet der Staat.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Allein in meinem eigenen näheren Bekanntenkreis gibt es zwei Personen, die nach BioNTech-Impfungen schwere Herzrhythmusstörungen hatten, die bis heute auch anhalten und die von Ärzten auch auf die Impfung zurückgeführt wurden. Bei denen hat sich bisher niemand von BioNTech/Pfizer gemeldet. Deshalb würde ich jetzt einmal sozusagen induktiv fragen: Wie ist denn da das Prozedere? Gibt es da Abmachungen? Denn lang anhaltende Herzrhythmusstörungen sind ja keine kleinen Nebenwirkungen. Wie ist das Prozedere, wie reagiert BioNTech da sonst?

STS SEIBERT: Wenn ich dazu einmal ganz kurz etwas sagen darf: Bevor wir jetzt dazu kommen, dass wir aus anekdotischen Erzählungen einzelner Journalisten medizinische Theorien entwickeln, würde ich wirklich dafür plädieren, dass wir das in den Händen der Fachleute lassen. Der Einsatz der in Europa und damit auch in Deutschland zugelassenen Impfstoffe wird streng überwacht. Wir haben es erlebt: Als im Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung die Problematik der Sinusvenenthrombosen aufgekommen ist, ist die Verwendung des Impfstoffs eine Zeit lang ausgesetzt und danach qualifiziert wieder erlaubt worden. Das ist eine Sache, die wir, glaube ich, nicht auf der politischen Ebene lösen, sondern zu der die Experten der EMA, die Experten des Paul-Ehrlich-Instituts und dann auch der STIKO, ihre Empfehlungen abgeben. Ich bin persönlich der Meinung, dass es jetzt nicht viel bringt, hier zu sagen: „Ich kenne einen und ich habe auch schon mal einen gehört, der …“.

ZURUF WARWEG: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

VORS. WELTY: Ich diskutiere mit Ihnen an dieser Stelle nicht die Regeln, Herr Warweg. Sie haben jetzt nicht das Wort.

STS SEIBERT: Durch die EMA und durch das Paul-Ehrlich-Institut wird so etwas, wie wir es im Falle AstraZeneca erlebt haben, aufgearbeitet, wenn es solche Hinweise gibt, und zwar in allen Ländern, die diesen Impfstoff einsetzen. Dann werden Daten gesammelt und dann beugen sich die Experten, wie es bei AstraZeneca geschehen ist, über diese Daten und werten aus, ob es da Zusammenhänge gibt, in welcher Häufigkeit das auftritt usw.

ZURUF WARWEG: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

VORS. WELTY: Herr Warweg, Sie haben jetzt nicht das Wort.

GÜLDE: Ich kann vielleicht ganz kurz noch etwas ergänzen: Grundsätzlich ist es ja, dass Verdachtsmeldungen an das Paul-Ehrlich-Institut weitergemeldet und dort dann auch ausgewertet werden. Impfschäden ich gehe einmal davon aus, Sie sprechen jetzt von Impfschäden müssen dann als solche diagnostiziert werden. Eventuelle Entschädigungszahlungen ergeben sich dann aus dem Infektionsschutzgesetz und müssen dann bei den zuständigen Landesbehörden eingereicht werden. Das ist das Verfahren.

FRAGE REITSCHUSTER: Laut einer Studie, die im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht ist, kann regelmäßiger Sport vor einem schweren Krankheitsverlauf bei COVID-19 schützen. Nun ist der ja sehr erschwert. Die Bundesregierung riet zu Gartenarbeit. Wie wollen Sie diese neuen Studienerkenntnisse berücksichtigen? Ich nehme an, Herr Gülde kann das beantworten.

GÜLDE: Dass sportliche Betätigung sich positiv auf die Gesundheit auswirkt, bestreitet in der Bundesregierung überhaupt niemand. Auch Herr Minister Spahn hat sich dazu häufig geäußert. Grundsätzlich steht aber natürlich die Frage im Raum: Bedeutet Sport, dass ich mich mit anderen treffe, dass ich mit anderen in Kontakt trete, und dass somit ein Risiko besteht, dass sich Menschen infizieren? Diese Möglichkeiten gilt es abzuwägen, und das wir mit diesen Maßnahmen. Das ist das, was ich dazu sagen kann.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Die Bundesregierung hat als Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP unter anderem gesagt, man habe ja genügend Gartenarbeit. Ich nehme einmal an, das ist nicht alles. Gibt es irgendwelche konkreten Schritte, die Sie planen, um den Bürgern wieder mehr Sport zu ermöglichen?

GÜLDE: Na ja, ich meine, die Schritte sind ganz klar: Wir müssen mit den Inzidenzen herunterkommen. Herr Spahn hat sich dazu ja relativ häufig geäußert, auch gestern in der Bundespressekonferenz. Ich würde Sie gerne auch noch einmal auf das Protokoll verweisen.

Grundsätzlich ist es so: Bevor wir über Öffnungsschritte sprechen können auch solche, die dann mit Tests begleitet werden , müssen wir erst einmal mit den Inzidenzen herunter. Wir müssen gerade einfach die Infektionen in den Griff bekommen, wir müssen einfach die Kliniken entlasten und wir müssen einfach die Zahlen der Neuansteckungen drastisch senken, bevor wir dann über Lockerungen nachdenken können.

STS SEIBERT: Wenn ich ein Letztes hinzufügen darf, bevor wir das Thema verlassen Entschuldigung, Frau Vorsitzende : Herr Reitschuster hat mir bzw. uns neulich ja noch einmal Großbritannien als Beispiel vorgehalten. Der britische Premierminister hat vor zwei oder drei Tagen in einem Interview ganz klar gesagt, worauf die Senkungen der Inzidenzen in Großbritannien, die viel geringere Zahl an Menschen, die auf den Intensivstationen behandelt werden müssen, und die geringere Totenzahl zurückgehen, nämlich ganz klar auf die harten, wochenlangen Maßnahmen des Lockdowns. Schauen Sie sich dieses Interview an. Das ist es, was tatsächlich notwendig ist, um, wie es der Kollege aus dem Gesundheitsministerium gesagt hat, von diesen so nicht tragbaren hohen Inzidenzen herunterzukommen.

ZURUF REITSCHUSTER: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

VORS. WELTY: Entschuldigung wir beschließen jetzt dieses Thema.

FRAGE DELFS: Zu den Terminen der Bundeskanzlerin: Wird die Kanzlerin am kommenden Freitag vor dem Wirecard-Ausschuss aussagen?

STS SEIBERT: Ja, am Freitag, den 23. April, wird die Bundeskanzlerin als Zeugin vor dem 3. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags, also dem Wirecard- Untersuchungsausschuss, aussagen. Das Kabinett hat in seiner letzten Sitzung dafür die notwendige die ist immer notwendig Aussagegenehmigung erteilt.

FRAGE NEHLS: Wie verträgt sich das Gebot, keine Rüstungsgüter in Krisengebiete zu exportieren, mit dem Verlangen der Ukraine nach Waffenlieferungen aus Deutschland?

ADEBAHR: Wir haben in den letzten Tagen Herr Seibert hat das ausführlich ausgeführt unsere Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck gebracht. Es gibt eine Erklärung der G7-Außenminister, und wir haben unsere Haltung zu den Vorgängen an der ukrainischen Grenze sehr, sehr deutlich gemacht. Das ist die Linie, die wir auch in den letzten Tagen so auch der Bundesaußenminister noch einmal bei dem Treffen der NATO-Außenminister in Brüssel am Mittwoch im NATO-Kreise, wo sehr starke Einigkeit herrschte sehr, sehr deutlich gemacht haben. Das ist das, was die Bundesregierung dazu sagt.

VORS. WELTY: Herr Seibert, möchten Sie etwas ergänzen?

STS SEIBERT: Nein, ich kann hundertprozentig beipflichten.

ZUSATZFRAGE NEHLS: Wie viele rote Lämpchen leuchteten im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt auf, als der ukrainische Botschafter in einem Deutschlandfunk-Interview gedanklich mit der Rückkehr seines Landes zu nuklearer Bewaffnung spielte?

ADEBAHR: Ich glaube, wir sind nicht hier, um Presseäußerungen anderer zu kommentieren. Es gibt per Videokonferenz auch Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten. Es gibt unsere klare Haltung, die in den letzten Tagen immer wieder zum Ausdruck gebracht wurde. Das ist natürlich auch das, was wir im Dialog mit der ukrainischen Seite der ukrainischen Seite vermitteln.

FRAGE WARWEG: Der ukrainische Botschafter in Deutschland hat ja ein recht explizites Ultimatum formuliert: NATO-Mitgliedschaft oder wieder Atomwaffen in der Ukraine. – Mich würde schon interessieren, wie das Auswärtige Amt dieses Ultimatum bewertet.

ADEBAHR: Ich möchte Sie bezüglich dieser Frage auf die Äußerungen aus der NATO und auch von Generalsekretär Stoltenberg in dieser Woche verweisen, in denen sich Deutschland als NATO-Mitglied voll wiederfindet.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber wenn Sie das priorisieren müssten, würden Sie dann eher eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine oder die atomare Wiederbewaffnung der Ukraine unterstützen?

STS SEIBERT: Wenn wir irgendetwas priorisieren müssten so haben wir es auch in verschiedenen Erklärungen getan , dann würden wir jetzt priorisieren, dass die russischen Truppenverstärkungen und die russischen Truppenbewegungen abgebaut werden.

FRAGE TANASIICHUK: Es wurde angekündigt, dass die Bundeskanzlerin am Treffen der Präsidenten aus der Ukraine und Frankreich via Internet teilnehmen werde. Können Sie das bestätigen?

STS SEIBERT: Ja, ich kann Ihnen bestätigen, dass sich die Kanzlerin heute Nachmittag per Video zu einem Treffen des französischen Präsidenten Macron mit dem ukrainischen Präsidenten Selensky, das in Paris stattfinden wird, zuschalten wird. Ja, es wird dann ein Gespräch zu dritt geben.

FRAGE SCHMIDT: Herr Seibert, die Ukraine war ja auch ein Thema im Telefonat zwischen Frau Merkel und Herrn Biden. Lässt sich jetzt schon feststellen, dass sich das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland wieder deutlich verbessert?

STS SEIBERT: Die USA und Deutschland haben ja auf die allermeisten Themen der Weltpolitik einen ganz verwandten und partnerschaftlichen Blick. Der Gleichklang der Analyse dessen, was derzeit in und um die Ostukraine herum passiert, geht ja schon aus der gemeinsamen Erklärung der G7 hervor, in der sowohl die USA als auch Deutschland vertreten sind. Wir sind zutiefst beunruhigt, haben die Außenminister gesagt, und die Beunruhigung macht sich an den laufenden umfangreichen Verstärkungen russischer Streitkräfte an den Grenzen der Ukraine fest. Daher gibt es auch die klare Aufforderung, dies abzubauen. Diese groß angelegten und auch vorher nicht angekündigten Truppenbewegungen sind bedrohliche und destabilisierende Maßnahmen. Es gibt also einen Gleichklang in der Analyse dessen, was dort derzeit passiert.

ZUSATZFRAGE SCHMIDT: Ich gebe zu, dass die Frage natürlich ein bisschen weiter als nur auf die Ukraine bezogen war. Lässt sich ganz grundsätzlich in der Tonalität, der Zusammenarbeit und auch den ersten Gesprächen doch schon irgendwie ein engeres Zusammenrücken feststellen?

STS SEIBERT: Die USA sind unser wichtigster Partner und unser engster Verbündeter außerhalb Europas. Die Zusammenarbeit ist so eng, wie sie nur sein kann, und zwar hinsichtlich einer ganzen Vielzahl von Themen. Die Bundeskanzlerin hat ja in ihren ersten Äußerungen nach dem Amtsantritt von Joe Biden auch, sagen wir einmal, ihre Hoffnung in Bezug auf die Intensität und den Grundton der Zusammenarbeit ausgedrückt.

ADEBAHR: Wenn ich noch eine Sache in Bezug auf die Ukraine anfügen könnte: Hinsichtlich dessen, was Deutschland tut und wie es sich solidarisch zeigt, hat Herr Seibert gerade einen Termin genannt. Wir haben die Erklärung, die es in den letzten Tagen gab, genannt. Wir haben das NATO-Treffen der Außenminister in dieser Woche genannt.

Ein weiterer Strang, den ich gerne auch hier noch einmal darlegen würde, ist die OSZE in Wien. Dort gehen die Bemühungen um eine Deeskalation in den letzten Tagen wirklich weiter. Wir arbeiten gemeinsam mit anderen OSZE Mitgliedstaaten daran, von Russland Erklärungen zu diesen eben nicht angekündigten, groß angelegten Truppenbewegungen in der Grenzregion zu erlangen. Daran arbeiten wir. Das ist genau der Sinn dieses OSZE-Mechanismus für vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen. Das ist das sogenannte Wiener Dokument. Wir sehen bisher nicht, dass Russland konstruktiv in diesen Gesprächsrahmen eingestiegen ist und im Sinne von Aufklärung und der Zurverfügungstellung von Sachinformationen mitwirkt. Aber wir sind weiterhin committet, wie man heute so schön sagt, diesen Weg weiterzugehen, und würden uns dabei eine russische Mitarbeit und eine Aufklärung wünschen.

FRAGE WARWEG: Herr Seibert, Sie haben Russland gerade noch einmal aufgefordert, die Truppenbewegungen auf seinem eigenen Territorium zu unterlassen. Ebenso hat ja bereits Frau Merkel Russland in ihrem Gespräch mit Herrn Biden aufgefordert, die Truppenverstärkungen aufzuheben. Mich würde interessieren, auf welcher Grundlage man von einem souveränen Staat fordert, Militärmanöver auf dem eigenen Territorium zu unterlassen.

STS SEIBERT: Diese Grundlage wird zum Beispiel in der gemeinsamen Außenministererklärung der G7 genannt. Darin wird auf die Grundsätze und Verpflichtungen der OSZE Bezug genommen, zu denen sich Russland hinsichtlich der Transparenz militärischer Bewegungen bekannt hat, sowie auf das Verfahren nach Kapitel III. des Wiener Dokuments. Das ist ein Beispiel.

ADEBAHR: Darauf hatte ich gerade auch hingewiesen.

FRAGE SHUKA: Es geht um die Balkan-Grenzverschiebung. Staatsminister Roth hat sich heute per Twitter dagegen geäußert. Bezieht sich diese Äußerung auf den slowenischen Vorschlag über mögliche friedliche Grenzverschiebungen auf dem Balkan?

ADEBAHR: Ich habe das nicht im Blick. Ich müsste es mir anschauen. Ich würde das gegebenenfalls nachreichen.

ZUSATZFRAGE SHUKA: Herr Seibert, hat die slowenische Regierung diese Pläne auch der Bundesregierung gezeigt? Wie steht die Bundeskanzlerin dazu?

STS SEIBERT: Ich kann hier nicht von irgendwelchen Plänen, die ich nicht kenne und die mir nicht vorliegen, sprechen, und die Kontakte mit der slowenischen Regierung sind vertraulich. Deswegen kann ich hier auch keine Informationen darüber geben.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Adebahr, zu den Nukleargesprächen in Wien: Wie bewertet die Bundesregierung diese Gespräche?

Iranische Verhandlungsführer in Wien hatten die E3 sehr scharf dafür kritisiert, dass sie die Sabotageakte in Natans nicht verurteilt haben. Wie steht die Bundesregierung dazu?

ADEBAHR: Ich ziehe es vor, hier nicht Inhalte aus den vertraulichen Gesprächen zu verbreiten. Die Parteien sitzen in Wien zusammen. Es ist richtig, dass die Wiener Gespräche zur Wiederbelebung des Nuklearabkommens gestern wieder begonnen haben, und wir hoffen, dass sie die nächsten Tage fortdauern. Die Konstellation ist die gleiche wie in der letzten Woche: Die Politischen Direktoren treffen sich in den beiden Arbeitsgruppen, einerseits der für Nuklearfragen und andererseits der für den Sanktionsabbau. Es geht dabei um sehr komplexe technische Fragen.

Ja, es ist auch aus unserer Sicht so die Erklärungen der letzten Tage dazu haben Sie sicherlich gesehen , dass die jüngsten nukleartechnischen Ankündigungen, also die der Urananreicherung auf 60 Prozent und die der Zentrifugeninstallation in Natans, die Gesprächsatmosphäre in diesem Moment erst einmal natürlich nicht unbedingt verbessert haben. Aber das ist trotzdem gut, und dazu stehen alle Parteien; die USA sind wieder in Wien wir gehen davon aus, dass es möglich ist oder möglich sein könnte, in Wien Fortschritte in Richtung unseres Ziels einer vollständigen Rückkehr zum Nuklearabkommen zu machen. Deshalb führen alle Beteiligten derzeit die Gespräche in Wien fort.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Ich stelle noch einmal meine Frage: Wieso haben Sie diesen Terrorangriff auf Natans nicht verurteilt? Soweit ich mich erinnern kann, hat Deutschland diesen Terrorangriff nicht verurteilt. Soweit ich mich erinnern kann, hat die Bundesregierung bis jetzt noch nie irgendwelche Sabotageakte in den iranischen Nuklearanlagen verurteilt. Warum ist das so?

ADEBAHR: Sie haben hier vielleicht in der letzten Regierungspressekonferenz auch noch Herrn Burger gehört, und er hat noch einmal gesagt, dass wir alle Entwicklungen kritisch sehen, die geeignet sind, die Verhandlungen in Wien negativ zu beeinflussen. Das ist auch heute der Fall.

FRAGE: Russland und Iran wollen, dass die Präsidentschaftswahlen in Syrien den Tyrannen Baschar Assad ins Amt bringen. Gibt es Bemühungen der Bundesregierung, diese Wahlen zu vereiteln?

ADEBAHR: Das ist eine sehr allgemeine Formulierung. Ich weiß nicht, worauf sie sich bezieht.

Unsere Position zu Syrien ist unverändert. Klar: Wir sind dort humanitär engagiert. Wir haben, was die Sicherheitsratsresolution betrifft, heute auch keine neue Haltung zum politischen Prozess, zu den Wahlen in Syrien und zur humanitären Hilfe eingenommen.

FRAGE WARWEG: Zum Thema Syrien, wenn Sie gerade das humanitäre Engagement der Bundesregierung ansprechen: Können Sie noch einmal darlegen, an wen sich die plötzlich verabschiedete Syrien-Hilfe in Höhe von über einer Milliarde Euro allein von Seiten der Bundesrepublik konkret innerhalb Syriens richtet?

ADEBAHR: Dazu würde ich Ihnen gern eine ausführliche Antwort nachreichen. Denn es sind verschiedene Akteure, mit denen wir dort zusammenarbeiten. Das dient alles dem Ziel, den Not leidenden Menschen in Syrien, die wirklich unter diesem Krieg leiden, zu helfen und sie mit dem Nötigsten zu versorgen. Das geht an verschiedene Akteure an internationale Akteure, große und kleine Organisationen. Wenn Sie mögen, kann ich versuchen, da etwas nachzureichen, was das noch genauer aufschlüsselt.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Sie haben jetzt noch einmal betont, dass Sie der gesamten syrischen Bevölkerung helfen. Nach aktuellem Wissensstand geht diese Hilfe explizit nicht in die zwei Drittel des Landes und in den Großteil der Gesamtbevölkerung, wo die syrische Regierung präsent ist. Da würde mich noch einmal interessieren: Wieso schließen Sie bewusst zwei Drittel der Not leidenden Bevölkerung in Syrien von dieser Hilfe aus?

ADEBAHR: Wir wünschten, wir könnten allen Menschen in Syrien helfen und zu einer allgemeinen Verbesserung der Lage aller Menschen in Syrien beitragen.

Die Fragen des Zugangs und der Schwierigkeiten, in bestimmte Gebiete hineinzukommen, sind lang und oft diskutiert. Sie sind auch im Sicherheitsrat diskutiert worden. Da geht es nämlich um Zugänge über die Grenze, in das Land hinein und in ganz bestimmte Regionen.

Wir wünschten, wir hätten im ganzen Land für alle internationalen Organisationen humanitären Zugang, der sich rein auf dieser Basis an alle Menschen in Syrien richten könnte. Das ist leider nicht überall der Fall.

FRAGE NEHLS (zur Wiener Nuklearvereinbarung mit Iran): Auf welcher Basis fordert die Bundesregierung die komplette Einhaltung eines Vertrages, der ja nach der Aufkündigung durch die USA de facto gar nicht mehr existiert?

ADEBAHR: Aus unserer Sicht das ist eine Position, die wir seit Beginn des JCPOA einnehmen ist es ein sinnvoller Vertrag, den es zu erhalten gilt. Die USA haben diesen Vertrag einseitig unter der Trump-Administration verlassen. Wir als E3 sind dort Partner geblieben, und wir haben auch über schwierige Zeiten hinweg den Dialog mit dem Iran fortgeführt, um eben dieses Nuklearabkommen am Leben zu erhalten. Wir haben unsere Bemühungen nach Amtseintritt der Biden-Administration dahingehend intensiviert und in Washington auch neue Partner gefunden, die sich unter bestimmten Umständen vorstellen könnten in die gleiche Richtung zu gehen. Genau darum geht es eben, dass das Abkommen nicht tot ist, sondern wir gerade in Wien zusammensitzen und versuchen, alle Seiten zu einer vollständigen Rückkehr in dieses Abkommen zu bewegen.

FRAGE JORDANS: Die Kanzlerin hat wohl heute ein Gespräch mit dem französischen und dem chinesischen Präsidenten zum Thema Klimawandel gehabt. Können Sie uns über die Inhalte des Gespräches berichten und sagen, was sich aus Sicht Bundesregierung für das Klimatreffen bei Joe Biden ergibt?

STS SEIBERT: Ich kann, weil das Gespräch jetzt am Vormittag stattgefunden hat, hier keine Inhalte benennen. Ich kann nur sagen, dass es in der Tat ein solches Gespräch gegeben hat und es natürlich auch darum ging, den von mir angekündigten informellen Klimagipfel vorzubereiten, den der US-Präsident für die nächste Woche einberufen hat. Es ist sehr wichtig, dass alle Akteure tatsächlich ihre Beiträge leisten.

FRAGE WARWEG (zur Verhängung von US-Sanktionen gegen Russland): US-Präsident Joe Biden hat gestern per Dekret den „nationalen Notstand“ verkündet, um einer angeblich russischen Gefahr begegnen zu können. Da würde mich interessieren: Teilt die Bundesregierung das Vorgehen und Inhalt dieses Dekrets?

STS SEIBERT: Ich denke nicht, dass es an uns ist, jetzt einzelne Maßnahmen der amerikanischen Regierung hier zu bewerten. Das sehe ich nicht als die Aufgabe der Bundesregierung an.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Das Auswärtige Amt vielleicht noch?

ADEBAHR: Könnten Sie Ihre Frage spezifizieren? Sprechen Sie von den gestern durch die USA verkündeten Sanktionen gegen Russland? Das meinen Sie?

ZUSATZFRAGE WARWEG: In diesem Zuge hat er dann ein Dekret erlassen „national emergency“ bla bla. Da wollte ich wissen, ob die Bundesregierung die Erklärung eines „nationalen Notstandes“ und die Einschätzung von Russland als eminente Gefahr teilt?

STS SEIBERT: Entschuldigung, da ich das Stichwort Cyberangriff jetzt nicht aus Ihrem Mund gehört hatte, auf die die USA ja gestern reagiert haben, wusste ich nicht, dass Sie das meinen.

Wir haben diesen Cybervorfall gemeinsam mit unseren Partnern in der NATO, in der Europäischen Union, verurteilt. Wir haben unsere Solidarität mit den USA betont. Wir sind weiterhin entschlossen, gemeinsam mit den Partnern gegen Cyberangriffe vorzugehen. Wir erwarten auch, dass alle Länder Cyberaktivitäten unterlassen, die gegen die international vereinbarten Normen und die international vereinbarten Standards verstoßen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Noch eine Nachfrage an das Auswärtige Amt: Joe Biden hat Putin zunächst „Mörder“ genannt, dann zum Gespräch eingeladen und gestern erneut Sanktionen ausgerufen, Diplomaten ausgewiesen und den „nationalen Notstand“ erklärt. Teilt denn das Auswärtige Amt diese Art der Außenpolitik, der Diplomatie, des US-amerikanischen Partners?

STS SEIBERT: Ich möchte nicht qualifizieren, was Sie mit dieser Art meinen. Wir nehmen natürlich die US-amerikanische Erklärung von gestern bezüglich der Sanktionen und des Gesprächsangebots und das Telefonat von Herrn Biden und Herrn Putin zur Kenntnis. Unsere Politik gegenüber Russland spiegelt sich in den Erklärungen der letzten Tage wieder, die wir verschiedentlich abgegeben haben und wie sie sonst zum Beispiel auch in diesem Forum hier dargestellt wurden.

FRAGE JORDANS: Stichwort Hongkong: Heute wurden mehrere Demokratieaktivisten in Hongkong, darunter der Milliardär Jimmy Lai, zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Wie kommentiert die Bundesregierung diese Gerichtsentscheidung?

ADEBAHR: Das möchte ich gern genauer nachreichen. Unsere grundsätzliche Haltung zu Hongkong ist klar, dass wir die Einschränkung der Freiheitsrechte und die Verletzungen des Basic Law sehr kritisch sehen.

Im Übrigen wird Hongkong auch Thema auf dem Rat der Außenminister am kommenden Montag sein. Es finden gerade vorbereitende Gespräche statt. Auch dort wird sich noch einmal die hoffentlich einmütige Haltung der Europäischen Union zu diesen Fragen widerspiegeln, wie sie sich auch bisher schon fortgezogen hat.

FRAGE REITSCHUSTER: Thema Demokratieförderungsgesetz: Herr Alter, bisher ist das ja daran gescheitert, dass die Unionsfraktion sagt, es müsse ein Bekenntnis von allen für das Grundgesetz her, die Geld bekommen. Der Herr Minister versteht diese Kritik nicht. Was ist denn so schlimm an der Forderung, dass alle, die Geld bekommen sollen, sich zum Grundgesetz bekennen sollen?

ALTER: Diese Zielrichtung verfolgt natürlich auch der Bundesinnenminister. Der Bundesinnenminister ist der tiefen Überzeugung, dass eine staatliche Förderung von Vereinen nur dann erfolgen kann, wenn diese Vereine auch auf dem Boden der Verfassung agieren. Da gibt es überhaupt keinen Dissens. Es gibt Unterschiede in der Frage, wie man das sicherstellt. Diese Unterschiede werden im Moment besprochen und diskutiert. Aber vom Ergebnis her gibt es da keinen Dissens.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Ist das auch Konsens in der Koalition? Oder ist das nur die Meinung des Innenministers?

ALTER: Zu diesem Thema finden im Moment noch eine ganze Reihe von Gesprächen statt. Der Bundesinnenminister hat nach wie vor das Ziel, dass das Thema zeitnah im Kabinett auf die Tagesordnung kommt. Ich bitte um Verständnis, dass ich zu einzelnen Gesprächsaspekten jetzt keine Stellung nehmen kann.

FRAGE CLASMANN: Zu den Kontaktbeschränkungen: Herr Alter, Sie haben erwähnt, dass das Betreten der Wohnung durch das neue Infektionsschutzgesetz möglich wird. Ist das nicht auch schon jetzt durch die Landesverordnungen möglich?

ALTER: Wenn dieser Eindruck entstanden ist, dann bin ich sehr dankbar für die Frage, um das noch einmal klarstellen zu können.

Das Infektionsschutzgesetz regelt die Rahmenbedingung im Umgang mit der Pandemie in verschiedenen Lebensbereichen mit dem Ziel, das Infektionsgeschehen zu bremsen. Das Infektionsgeschehen regelt aber keine neuen Ermächtigungsgrundlagen für Polizei und Ordnungsbehörden. Es wird nur die Systematik verändert.

Im Moment werden Maßnahmen ab einer Sieben-Tages-Inzidenz von 100 in den jeweiligen Bundesländern geregelt. Das heißt also: Das Land Berlin agiert für sich, der Freistaat Bayern agiert für sich. Die Befugnisse, die sich für die Ordnungsbehörden ergeben, ergeben sich natürlich aus den jeweiligen Rechtsgrundlagen der Länder, also für die Berliner Polizei aus dem Berliner Polizei- und Ordnungsgesetz und für Bayern entsprechend.

Wenn jetzt eine bundesgesetzliche Regelung wie das Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht wird und zur Frage steht, wie es jetzt ergänzt werden soll, dann muss formell klargestellt werden, dass die Eingriffsbefugnisse der Polizei- und Ordnungsbehörden, die bereits existieren, erhalten bleiben. So muss man das verstehen. Das heißt also, es werden keine neuen Befugnisse geschaffen, sondern das Niveau für die Polizei- und Ordnungsbehörden bleibt dadurch erhalten, dass dies im Infektionsschutzgesetz so klargestellt wird.

FRAGE FILIPPOV (zum Ukraine-Konflikt): Hält die Bundesregierung ein Gipfeltreffen des russischen und amerikanischen Präsidenten in Deutschland für möglich bzw. ist sie bereit, so ein Treffen in Deutschland zu organisieren?

STS SEIBERT: Ich muss wirklich sagen, dass sich diese Frage für uns jetzt nicht stellt. Wir haben begrüßt, dass der amerikanische Präsident ein solches Gesprächs- und Begegnungsangebot gemacht hat. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

FRAGE LANGE: Ich hätte noch eine Frage, Herr Seibert, zum Telefonat der Kanzlerin mit Herrn Biden. Hat das Thema Strafzölle zwischen EU und USA dabei auch eine Rolle gespielt? Es gab ja unter anderem den Vorschlag vom EU-Kommissionsvize, alle Strafzölle auszusetzen. Gibt es da einen neuen Stand?

STS SEIBERT: Ich kann Sie jetzt nur auf das hinweisen, was wir als Pressemitteilung im Anschluss an das Telefonat herausgegeben haben. Nach meiner Erinnerung ist dieses Thema dabei nicht genannt worden.

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