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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 10. Mai 2021

Themen: Terroranschlag auf eine Mädchenschule in Kabul, Reise des Bundesaußenministers nach Rom, COVID-19-Pandemie, Novelle des Klimaschutzgesetzes, Grenzkonflikt zwischen Somalia und Kenia, Spannungen zwischen Sicherheitskräften und palästinensischen Gläubigen in Jerusalem, Kolumbien, Hackerangriff auf eine amerikanische Pipeline

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
1:25 RegPK-Start

2:15 Afghanistan
– Der ursprüngliche Deal mit den Taliban war ja, dass es einen Abzug bis zum 1. Mai gibt. Ohne diese Angriffe zu rechtfertigen: Sind die Angriffe der letzten Tage eine Folge des verschleppten Abzugs? (ab 9:15)
– Sie sagten vorhin, es gebe ein anhaltendes Gewaltvolumen in Afghanistan. Herr Seibert, Frau Vick, bleibt es dabei, dass Sie in dieser Lage Menschen nach Afghanistan abschieben?

20:33 Impfstoff/Patentfreigabe
– Sie stellen sich die Fragen in Sachen Produktionskapazitäten und Patentfrage ja schon selbst. Zitat: „Gibt es genug Produktionskapazitäten?“ Wenn Sie diese Frage mit Ja beantworten könnten, dann würden Sie das ja tun; insofern ist die Antwort natürlich Nein. Der Punkt bei der Freigabe der Patente ist ja gerade, dass andere Länder mit freien Kapazitäten einspringen. Da gibt es ja einige. Bleiben Sie also bei dem Argument, dass es um Produktionskapazitäten geht? Denn freie Kapazitäten gibt es ja in anderen Ländern (ab 30:56)
– Zweite Frage: Frau Merkel sagt ja, niemand könne wollen, dass China die mRNA-Technik erhalte. Dabei hat China diese Technik ja schon erhalten, so wie die ganze Welt; denn ein Patent ist ja die gezielte Aufdeckung einer Methode, und der Patentinhaber bekommt bei der Anmeldung ja ein staatlich zugesichertes Monopol auf diese Technik. Wenn man ein Patent aussetzt, heißt das ja nicht, dass China jetzt magischerweise die Technologie erhält, sondern dass es sie anwenden darf.
– Das hat sie im Rahmen des EU-Gipfels am Freitag gesagt, Herr Seibert. Das kann ich Ihnen vorlesen.

44:52 Klimaschutzgesetz
– Herr Fichtner sprach gerade von einem fundierten Rahmen. Wird dieser fundierte Rahmen denn mit dem Pariser Klimaabkommen konform sein? (ab 47:32)
– Alle bisherigen Pläne der Bundesregierung waren eindeutig nicht mit dem Pariser Klimaabkommen konform. Jetzt haben Sie das gerade gesagt. Habe ich Sie richtig verstanden?

52:30 Jerusalem
– UN-Generalsekretär Guterres hat ja insbesondere Israel zu äußerster Zurückhaltung aufgefordert und dazu aufgefordert, die Zerstörung und Zwangsräumungen zu beenden. Fordern Sie das auch? (ab 55:22)
– halten Sie als Bundesregierung die Proteste gegen die geplanten Zwangsräumungen von Wohnungen palästinensischer Familien also Zwangsräumungen, damit Siedler rein können für legitim?

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 10. März 2021:

VORS. WEFERS eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

STS SEIBERT: Meine Damen und Herren, guten Tag auch von mir! Am Wochenende ist in Kabul ein Terroranschlag verübt worden, der nicht bösartiger und nicht niederträchtiger hätte sein können. Das Ziel war eine Mädchenschule. Wohl aber noch viel grundsätzlicher war das Ziel eine afghanische Gesellschaft, in der Mädchen und Frauen die Bildungschancen haben sollen, die die Terroristen und ihre Hintermänner ihnen vorenthalten wollen.

Die Bundesregierung trauert mit den Angehörigen und mit dem afghanischen Volk um die mehr als 60 Todesopfer des Anschlages. Sie sendet alle guten Wünsche zur Genesung an die vielen Verletzten in den Krankenhäusern.

In Afghanistan sind in den letzten 20 Jahren bedeutende soziale und gesellschaftliche Fortschritte erzielt worden. Sie dürfen den Menschen dort, Männern wie Frauen, nicht wieder genommen werden.

FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, wenn Sie diesen Anschlag und auch die Fülle von mehr als hundert Attacken, die die Taliban am Wochenende gestartet haben, betrachten, würden Sie dann sagen, dass die Bundesregierung und auch die NATO-Verbündeten ihre Abzugspläne für Afghanistan vielleicht noch einmal überdenken sollten?

STS SEIBERT: Gern kann auch der Kollege des Auswärtigen Amtes noch antworten. Zunächst einmal steht dieser wirklich abscheuliche Anschlag ja selbst für dieses leidgeprüfte Land als ein besonderer Einschnitt da. Aus Sicht der Bundesregierung kommt es jetzt mehr darauf an, dass die Friedensverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban wieder aufgenommen und dass sie fortgesetzt werden. Eine Waffenruhe wäre hierfür ein guter Beginn. Es gibt die Ankündigung einer dreitägigen Waffenruhe zum Ende des Ramadans durch die Taliban. Diese Ankündigung haben wir zur Kenntnis genommen. Aber das muss sich natürlich erst in der Realität beweisen. Verhandlungen bleiben der beste Weg, um in Afghanistan Frieden und Stabilität zu erreichen.

BURGER: Ich möchte vielleicht nur ergänzen. Wie Herr Seibert gesagt hat, ist das anhaltend hohe Gewaltniveau im Land eines der größten Hindernisse, um den Schutz gerade auch der Hazaraminderheit besser gewährleisten zu können. Solche Anschläge hat es ja, so schrecklich sie sind, auch in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. Deswegen ist es aus unserer Sicht so wichtig, weiterhin auf eine umfassende Waffenruhe hinzuarbeiten.

Ich denke, dass sich ergänzend noch der Hinweis lohnt, dass unsere Unterstützung für die afghanischen Sicherheitskräfte auch nach der Beendigung des militärischen Einsatzes weitergehen wird, sowohl für die Polizei als auch im Bereich der Streitkräfte.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Herr Burger, der Aufbau und die Organisation von Mädchenschulen galten als einer der positiven Aspekte der Präsenz von NATO-Truppen und auch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. Haben Sie nicht die Befürchtung, dass die Taliban darauf zielen, nach dem Abzug genau diese Errungenschaften wieder rückgängig zu machen?

BURGER: In der Tat ist die Frage, wie es gelingen kann, dass die Errungenschaften, die in den letzten Jahrzehnten des internationalen Engagements in Afghanistan aufgebaut wurden, eben nicht in Gefahr geraten. Das muss natürlich zunächst einmal durch die Art und Weise, wie es zu einer politischen Verständigung in Afghanistan kommt, gewährleistet werden. Der Minister hat sich mehrfach auch zu dieser Frage geäußert. Er hat auch immer wieder darauf hingewiesen, dass die internationale Gemeinschaft Afghanistan weiterhin unterstützen wird. Alle politischen Kräfte in Afghanistan wissen, dass sie auf internationale Unterstützung angewiesen bleiben. Unsere umfangreiche Unterstützung für Afghanistan ist an die Erwartung gebunden, dass es gerade bei entscheidenden Fragen wie Menschenrechten, Frauen- und Mädchenrechten nicht dazu kommt, dass all diese Fortschritte wieder rückgängig gemacht werden.

Insofern ist unser Ansatz weiterhin, die Einflussmöglichkeiten, die wir haben, und das Engagement, das wir fortsetzen wollen, zu nutzen, um diese Fortschritte zu erhalten, auch nach dem Abzug der Bundeswehr. Daran arbeiten wir weiter.

FRAGE FELDHOFF: Herr Burger, können Sie uns ein bisschen über Ihre Erkenntnisse erzählen, was sozusagen die verschiedenen Machtstrukturen innerhalb der Taliban angeht, die Sie momentan beobachten? Offensichtlich gibt es ja verschiedene Bereiche innerhalb der Taliban. Einige setzen jetzt auf Anschläge, und andere sagen: Lasst sie doch einfach in Ruhe gehen; dann sind wir sie los. Wir würden Sie diese Talibanstrukturen momentan beschreiben?

BURGER: Da die Frage jetzt im Kontext des Anschlages vom Wochenende gestellt wird, würde ich zunächst gern einmal, damit es hierüber kein Missverständnis gibt, sagen, dass wir derzeit keine gesicherten Erkenntnisse über die Täterschaft hinter diesem Anschlag haben. Bisher hat sich niemand zu dieser Tat bekannt. Sie haben Äußerungen vonseiten der Taliban gesehen, die sich davon distanziert haben.

Zur Mehrheit dieser Art von Anschlägen hat sich in der Vergangenheit ISKP, also die Formation der Terrorgruppe IS innerhalb Afghanistans, bekannt. Wir haben darüber aber derzeit keine gesicherten Erkenntnisse.

Sie wissen, dass in Doha Friedensgespräche zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung stattfinden. Unser Afghanistan-Sonderbeauftragter Herr Potzel ist dort regelmäßig mit beiden Seiten in Kontakt. Wir bemühen uns, diese Friedensgespräche mit den Möglichkeiten und Kontakten, die wir haben, zu unterstützen. Insofern gibt es in diesem Kontext durchaus auch Gesprächskontakte zu den Taliban.

Ich muss um Verständnis dafür bitten, dass ich Ihnen jetzt von dieser Stelle aus keine vertiefte Analyse liefern kann. Ich werde sehen, ob ich etwas dazu nachreichen kann.

FRAGE JUNG: Der ursprüngliche Deal mit den Taliban war ja, dass es einen Abzug bis zum 1. Mai gibt. Ohne diese Angriffe zu rechtfertigen: Sind die Angriffe der letzten Tage eine Folge des verschleppten Abzugs?

BURGER: Ich denke, Herr Seibert hat zu diesen Angriffen das gesagt, was es dazu zu sagen gibt. Ich denke, man sollte sich davor hüten, irgendeine politische Rechtfertigung für solche Angriffe zu konstruieren. Wir haben uns im Rahmen der NATO in enger Abstimmung mit den USA darauf verständigt, diesen Einsatz, den wir gemeinsam begonnen haben, auch gemeinsam zu beenden, und zwar auf geordnete und koordinierte Art und Weise. Daran arbeiten wir derzeit.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie sagten vorhin, es gebe ein anhaltendes Gewaltvolumen in Afghanistan. Herr Seibert, Frau Vick, bleibt es dabei, dass Sie in dieser Lage Menschen nach Afghanistan abschieben?

STS SEIBERT: Darüber haben wir hier in der vergangenen Woche gesprochen. Wir haben gesagt, dass die Entwicklung in Afghanistan sehr intensiv beobachtet wird. Dies geschieht permanent. Auf der Basis dieser Beobachtung werden, wenn es nötig ist, Entscheidungen getroffen. Derzeit gilt das, was nun schon eine ganze Weile gilt. Aber die Beobachtung läuft. Dazu kann ich Ihnen jetzt nicht mehr sagen.

FRAGE JESSEN: Herr Burger, Sie haben gesagt, nach dem Abzug der Truppen werde die Unterstützung sowohl für die Sicherheitskräfte, aber auch für zivile Projekte weitergehen. Wie bereitet sich die Bundesregierung darauf vor? Richten Sie eine Taskforce ein? Auf welcher Ebene wird diese Unterstützung geleistet, durch Kräfte vor Ort, durch Institutionen, durch Finanzen? Diese neue Situation tritt ja ab September konkret ein. Ich nehme an, dass Sie sich auf die neue Lage vorbereiten. Können Sie uns das etwas konkreter darlegen?

BURGER: Ja, ich kann es versuchen. Schon in den letzten Jahren war die internationale Truppenpräsenz ja nur ein Baustein unseres Engagements in Afghanistan. Wir haben auf der Geberkonferenz im vergangenen November zugesagt, dass wir unser ziviles Engagement auch für die nächsten vier Jahre auf vergleichbarem Niveau aufrechterhalten wollen, verbunden, wie gesagt, mit der Erwartung, dass das, was unter anderem im Bereich der Frauen- und Mädchenrechte und hinsichtlich anderer demokratischer Errungenschaften in den letzten Jahren erreicht wurde, nicht infrage gestellt wird. Deswegen haben wir uns bereits in den vergangenen Jahren mit den Strukturen unserer zivilen Zusammenarbeit weitgehend unabhängig von der internationalen Truppenpräsenz aufgestellt. Insofern ändert sich an den Strukturen unserer praktischen Arbeit dort nichts Grundlegendes.

Natürlich hängen das Engagement vor Ort und die Möglichkeiten zum Tätigwerden auch von der weiteren Entwicklung der Sicherheitslage ab. Das werden wir intensiv im Blick behalten. Natürlich gibt es auch intensive Gespräche über die Frage, wie es mit der Sicherheit des internationalen Engagements vor Ort weitergeht, auch mit den Partnern.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ich weiß nicht, ob Sie meine Frage beantworten können. Ansonsten kann es vielleicht das Entwicklungszusammenarbeitsministerium. Können Sie sagen, wie hoch der Umfang der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit sein wird, die in den nächsten Jahren nach Afghanistan gehen, wenn das denn eine Art Joint Venture auch seitens der Bundesregierung ist?

BURGER: Diese Zahl sollte ich eigentlich präsent haben. Ich werde sie Ihnen hoffentlich innerhalb einer Minute nachreichen können. Ich habe die Zusage aus dem vergangenen November sie bezieht sich, wie gesagt, auf die nächsten vier Jahre mit einem Gesamtumfang, der auf demselben Niveau liegt wie in den vergangenen Jahren. Die Summe beträgt bis zu 430 Millionen Euro pro Jahr.

Außenminister Maas wird morgen zu einer zweitägigen Reise nach Rom aufbrechen. Die Ankunft dort ist für den frühen Nachmittag geplant. Der Minister wird dort zunächst die Gemeinschaft von Sant’Egidio besuchen, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Jahr 1968 als Laienbewegung von Schülern und Studenten gegründet wurde.

Am Mittwoch wird Außenminister Maas zu einem Gespräch mit dem Staatssekretär im vatikanischen Staatssekretariat für die Beziehung mit den Staaten, Erzbischof Paul Gallagher, zusammentreffen und von seiner Heiligkeit Papst Franziskus zu einer Privataudienz empfangen.

Um 13.30 Uhr wird der Außenminister zu einem Gespräch mit seinem italienischen Amtskollegen Luigi di Maio zusammentreffen. Im Anschluss ist eine gemeinsame Pressebegegnung geplant.

Am Mittwochabend wird der Außenminister wieder in Berlin eintreffen.

FRAGE LENZ: Herr Seibert, viele Menschen in Deutschland beschäftigen sich gerade auch durch das Wetter bedingt mit ihren Urlaubsplänen oder dem, was in diesem Jahr vielleicht an Urlaub möglich ist. Ich sage es einmal ganz vorsichtig. Dabei stößt man auf der einen Seite auf stark erweiterte Stornomöglichkeiten von Seiten der Veranstalter, die natürlich auch wissen, dass die Lage volatil ist, und auf viele kommunale und länderbezogene Regelungen, die es sehr schwer machen, den Durchblick zu behalten. Es geht um die Inzidenzen in den Herkunftsgebieten der Urlauber, um die Inzidenzen in den Zielgebieten. Hat die Bundesregierung vor vielleicht gemeinsam mit den Ministerpräsidenten , so etwas wie einen Leitfaden vorzulegen oder zu erarbeiten, der eine Orientierungshilfe geben kann, was in diesem Sommer möglich ist? Denn vieles kann man ja nicht spontan machen, sondern man muss sich vorher Gedanken machen und buchen.

STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin hatte ja am Samstag in der Pressekonferenz nach dem Europäischen Rat auch eine Frage zu diesem Thema bekommen. Sie hatte vorsichtigen Optimismus ausgedrückt, dass Reisen in diesem Sommer, zumindest in Europa, wieder wie im vergangenen Sommer möglich sein könnten.

Das ist zunächst einmal das Ergebnis der Tendenz, die wir zurzeit bei den Inzidenzen sehen. Die Indikatoren weisen eigentlich alle in die richtige Richtung. Es gibt weniger neue Fälle sie sind immer noch auf einem zu hohen Niveau; das muss man ganz klar sagen , aber immerhin ist es ein Rückgang der neuen Fälle. Inzwischen sind weniger als 5000 Menschen auf den Intensivstationen, in intensivmedizinischer Behandlung, obwohl man sich klarmachen muss, dass auch 4800 eine gewaltig hohe Zahl von Menschen ist, die da um ihr Leben kämpfen.

Zu der konkreten Frage: In den Beschlüssen von Bund und Ländern vom 3. März gibt es ja einen Plan. Darin steht in verschiedenen Schritten, wie vorgegangen werden kann, wenn die Inzidenzen für längere Zeit unter 100 liegen. Ein solcher Plan liegt also vor, nach dem im Großen und Ganzen gehandelt werden kann. Jetzt liegt es in der Natur der Sache, dass einzelne Länder jetzt sehr spezielle Regelungen treffen.

Die nächste reguläre Ministerpräsidentenkonferenz danach hatten Sie gefragt ist im Juni mit der Bundeskanzlerin. Für ein früheres Treffen gibt es erst einmal keine konkreten Pläne.

FRAGE REITSCHUSTER: Eine Frage an Herrn Seibert bzw. Herrn Gülde: Der Beirat des Gesundheitsministeriums ist zum Ergebnis gekommen, dass im Jahresdurchschnitt 2020 4 Prozent der Intensivbetten mit Coronapatienten belegt waren. Die Begründung für die Coronamaßnahmen war ja bisher immer die angespannte Situation auf den Intensivstationen wegen Corona. Könnten Sie den Widerspruch für mich auflösen?

GÜLDE: Herr Reitschuster, ich sehe da ehrlich gesagt keinen Widerspruch. Grundsätzlich folgten die Maßnahmen gerade dem Ziel, die Intensivstationen nicht zu überlasten. Deutschland ist bislang relativ gut durch die Pandemie gekommen. Wir dürfen nicht vergessen: Wir haben bislang immerhin 80 000 Tote zu verzeichnen das ist kein Grund zur Freude und viele Menschen, die auch nachträglich noch mit den Folgen von Corona zu kämpfen. Nichtsdestotrotz ist es uns mit diesen Maßnahmen gelungen, einer Überlastung des Gesundheitswesens in Deutschland vorzubeugen. Das ist im Grunde genommen das, was ich Ihnen dazu sagen kann.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Es gab immer wieder Berichte, Medienberichte, dass die Intensivstationen bereits an ihrer Grenze sind. Es gab sogar Medienberichte über Triage. Der Beirat sagt nun, die Pandemie habe die stationäre Versorgung zu keinem Zeitpunkt an ihre Grenzen gebracht. Waren die Medienberichte falsch?

GÜLDE: Ich werde hier keine einzelnen Medienberichte kommentieren. Wir haben natürlich immer über die aktuelle Situation auf den Intensivstationen und die Auslastung des Gesundheitswesens berichtet. Über einzelne Medienberichterstattung oder möglicherweise auch Zuspitzungen kann ich hier nichts sagen.

STS SEIBERT: Ich möchte aber gern hinzufügen, Herr Reitschuster: Es gab nicht nur Medienberichte. Es gab glasklare Aussagen von Menschen, Ärzten wie Pflegepersonal, die tagtäglich Verantwortung in Intensivstationen tragen und die aus ihrem Alltag am Rande der Überlastung berichtet haben. Da gab es ganz klare Aussagen. Das sind nicht nur Medienberichte, sondern das sind Stimmen von Menschen, die es tagtäglich erleben.

FRAGE BAUCHMÜLLER: Wir erleben gerade in vielen Entwicklungsländern einen massiven Engpass an Impfstoffen, Herr Seibert. Jetzt ist die Frage: In Europa, in Deutschland, sollen Millionen Impfstoffe gebunkert werden, auch noch in das nächste Jahr hinein. Die Kanzlerin hat etwas gegen eine Freigabe von Patenten. Wie passt das zusammen?

Vielleicht gleich im Anschluss: Herr Macron hat ja vor einiger Zeit angeregt, 5 Prozent der Impfstoffe sollten die Industriestaaten für Entwicklungsländer bereitstellen. Damit war die Kanzlerin eigentlich auch einverstanden. Wie ist da der Stand der Dinge?

STS SEIBERT: Sie gehen noch einmal auf die Diskussion über die Aussetzung des Patentschutzes ein. Das hat ja in der vergangenen Woche, am Wochenende, auch beim Europäischen Rat eine Rolle gespielt. Sie haben sicherlich gehört, was die Bundeskanzlerin dazu sehr klar gesagt hat. Das Ziel ist es doch, möglichst vielen Menschen in möglichst vielen Ländern so schnell wie möglich die nötigen Impfstoffe zukommen zu lassen.

Jetzt muss man sich fragen diese Frage hat sie sehr skeptisch beantwortet : Ist eine Aussetzung des Patentschutzes dazu das richtige Mittel? Wenn man bedenkt, dass die Impfstoff herstellenden Firmen nehmen wir BioNTech/Pfizer alles tun, um ihre Produktionskapazitäten zu erweitern, dass sie in europäische Produktionsnetzwerke eingetreten sind, dass sie auch zur Zusammenarbeit mit Produktionsstätten außerhalb Europas bereit sind BioNTech hat gerade bekanntgegeben, in Singapur produzieren zu wollen , dann sieht man, dass es nicht am Willen fehlt, die rettenden oder schützenden Impfstoffe für möglichst viele Menschen zur Verfügung zu stellen. Die Produktionskapazitäten sind von 2020 auf 2021 enorm gesteigert worden. Der jüngste Vertrag, den die Europäische Kommission mit BioNTech/Pfizer über anderthalb Milliarden Dosen geschlossen hat, zeigt ja, in welche Richtung es geht.

Es ist also nicht die Frage des Patentschutzes, die hier eine Limitierung erzielt, sondern es ist die Frage: Gibt es genügend Produktionskapazitäten? Gibt es genügend Kapazitäten für diese immens komplexe Produktion, die nicht mit der Produktion von anderen Arzneimitteln vergleichbar ist? Gibt es andere Wege, da voranzukommen? Da ist aus unserer Sicht der von Regierungen flankierte Ausbau der Produktionskapazitäten der richtige Weg. Sowohl in Deutschland als auch auf Ebene der EU gibt es ja eine Taskforce, eine Arbeitsgruppe, die sich genau damit befasst und die auch einiges an Fortschritten erzielt hat.

ZUSATZFRAGE BAUCHMÜLLER: Was ist mit diesem 5-Prozent-Anteil, der für Entwicklungsländer bereitstehen soll?

STS SEIBERT: Da müsste ich Ihnen, weil ich nicht genau weiß, an welchem Punkt die europäische Diskussion derzeit ist, eine Antwort nachliefern.

Die grundsätzliche Bereitschaft dazu bestand von Deutschland wie von anderen europäischen Partnern. Aber über den Zeitpunkt und die exakte Portionierung sozusagen war noch zu sprechen. Ich kann Ihnen das jetzt aus dem Kopf nicht sagen. Ich sehe, dass ich da etwas nachlegen kann.

FRAGE ESIPOV: Eine Frage an das Gesundheitsministerium zum Thema Impfstoff: Wie ist der aktuelle Stand zur Zulassung von Sputnik V in der EU und in Deutschland? Wann rechnen Sie mit einer Zulassung? Wird der russische Impfstoff zu diesem Zeitpunkt angesichts der steigenden Liefermengen von anderen Herstellern noch benötigt?

GÜLDE: Der Stand ist weiterhin unverändert. Bislang liegen nur noch nicht die vollständigen Datenpakete vor. Insofern kann ich derzeit keine Aussage zu einem möglichen Zulassungstermin machen.

FRAGE FELDHOFF: Herr Gülde, ich bin heute Morgen mit der Nachricht überrascht worden, dass jetzt beim Impfstoff Johnson & Johnson die Priorisierung aufgehoben worden ist. Woher kommt diese Entscheidung ich will nicht sagen: der plötzliche Sinneswandel , nachdem ja in der letzten Woche sozusagen schon AstraZeneca entpriorisiert wurde?

GÜLDE: Dazu hat sich der Minister ja heute Morgen auch in einer Pressekonferenz geäußert. Darauf möchte ich gern verweisen.

Grundsätzlich ist es so: Wir haben es bei Johnson & Johnson teilweise mit ähnlichen Vorbehalten zu tun. Wir haben uns tatsächlich dazu entschlossen, diese Priorisierung aufzugeben und genauso wie mit dem Impfstoff von AstraZeneca zu verfahren. Das ermöglicht es uns, mit dem Impftempo insgesamt zuzulegen. Es ist also auch für unter Sechzigjährige eine Impfung mit Johnson & Johnson nach einem ausführlichen Aufklärungsgespräch und einer individuellen Risikoabwägung mit dem zuständigen Arzt möglich.

ZUSATZFRAGE FELDHOFF: Nur damit ich das richtig verstehe: Der entscheidende Grund für die Aufhebung der Priorisierung ist, dass man bei AstraZeneca sieht: Das wollen nicht genug Menschen, zum Beispiel weil sie Angst vor Thrombosen haben?

GÜLDE: Wie gesagt, es gab dahingehend ähnliche Berichte, und zurzeit sehen wir, dass Johnson & Johnson seine Lieferzusagen einhält das war ja vor einigen Wochen noch nicht abzusehen. Das heißt, dass wir mit einer sehr hohen Zahl von Impfstoffdosen rechnen können. Ende Mai rechnen wir mit einer Million Dosen, und bis Ende Juni mit acht Millionen Dosen. Das heißt, wir haben sehr, sehr viele Impfstoffdosen verfügbar und wollen natürlich auch beim Impftempo entsprechend zulegen. Da bietet sich natürlich an, dass man die Impfpriorisierung aufhebt.

FRAGE MEERKAMM: Anschließend an die Frage des Kollegen Feldhoff: Wenn ich das richtig im Kopf habe, hat der Minister heute Morgen in seiner Pressekonferenz vorgerechnet, dass etwa die Hälfte des von Johnson & Johnson jetzt zugesagten Impfstoffs an über 60-Jährige verimpft werden könnte und deswegen auch die Freigabe geschehen ist. Wäre es denn nicht möglich, dann zu sagen: Wenn die andere Hälfte jetzt nicht an Freiwillige unter 60-Jährige verimpft werden kann, dann wird diese Hälfte sozusagen freigegeben und an Anwender ausgeliefert oder zugeführt, die nicht genügend Impfstoff haben?

Meine zweite Frage bezieht sich auf die Öffnungsperspektive. Der Minister hat heute Morgen in seiner Pressekonferenz, wenn ich es richtig im Kopf habe, in Bezug auf Öffnungen vor einem Überbietungswettbewerb gewarnt. Können Sie das noch ein bisschen präzisieren? Hat er da bestimmte Maßnahmen im Auge oder war das eher eine allgemeine Bemerkung?

GÜLDE: Zu Ihrer ersten Frage zu Johnson & Johnson: Da kann ich möglichen Gesprächen jetzt nicht vorgreifen, inwieweit eine Freigabe von bestimmten Impfstoffchargen für eine Lieferung an andere Länder möglich ist. Grundsätzlich ist es aber so das wissen Sie , dass bei dem Impfstoff von Johnson & Johnson nur eine Impfung nötig ist. Das heißt, es bietet sich durchaus an, Menschen damit zu impfen, die schwerer zu erreichen sind. Das machen die Länder inzwischen ja durchaus auch und impfen damit zum Beispiel wohnungslose Menschen. Das ist zurzeit die Strategie, die wir mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson fahren.

Zu den möglichen Lockerungen: Ja, der Minister hat sich heute dazu geäußert, das kann ich hier jetzt aber nicht präzisieren. Ich meine, er hat ganz klar gesagt: Wenn gelockert wird, dann sollte das vorsichtig und anhand der entsprechenden Inzidenzwerte, die wir in den Ländern haben, geschehen, und wenn gelockert wird, dann sollte das in erster Linie beispielsweise bei Außengastronomie bzw. allen anderen Aktivitäten, die im Außenbereich stattfinden, geschehen.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Gülde, auf dem Ärztetag wurde eine umfassende COVID-19-Impfung von Kindern gefordert. Zitat: „Das Recht auf Bildung mit Kita und Schulbesuch kann im Winter 2021/22 nur mit rechtzeitiger Covid-19-Impfung gesichert werden.“ Wie sieht das Gesundheitsministerium generell dieses Thema, welche Pläne hat es da?

GÜLDE: Herr Reitschuster, wie Sie wissen, gibt es derzeit einige Bemühungen, die verfügbaren Impfstoffe auch für Kinder freizugeben. Zurzeit kann BioNTech ab 12 Jahren verimpft werden, und es gibt weitere Zulassungsverfahren auf dieser Ebene. Natürlich haben auch wir gesagt: Es ist wünschenswert, dass Kinder sich impfen lassen können. Zurzeit geben die Zulassungsdaten das noch nicht her. Soweit diese Möglichkeit besteht, wollen wir die Impfkampagne natürlich gerne auch auf Kinder und Jugendliche ausweiten.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Wie sehen Sie bei Kindern die Risiko-Nutzen-Abwägung? Kinder erkranken ja relativ selten schwer, Impfnebenwirkungen treten aber doch relativ häufig auf.

GÜLDE: Mir sind jetzt, ehrlich gesagt, aus den Zulassungsstudien keine Nebenwirkungen bei Kindern bekannt. Insofern: Die Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgt immer durch die Ständige Impfkommission und auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Daten.

FRAGE JUNG: Sie stellen sich die Fragen in Sachen Produktionskapazitäten und Patentfrage ja schon selbst. Zitat: „Gibt es genug Produktionskapazitäten?“ Wenn Sie diese Frage mit Ja beantworten könnten, dann würden Sie das ja tun; insofern ist die Antwort natürlich Nein. Der Punkt bei der Freigabe der Patente ist ja gerade, dass andere Länder mit freien Kapazitäten einspringen. Da gibt es ja einige. Bleiben Sie also bei dem Argument, dass es um Produktionskapazitäten geht? Denn freie Kapazitäten gibt es ja in anderen Ländern.

Zweite Frage: Frau Merkel sagt ja, niemand könne wollen, dass China die mRNA-Technik erhalte. Dabei hat China diese Technik ja schon erhalten, so wie die ganze Welt; denn ein Patent ist ja die gezielte Aufdeckung einer Methode, und der Patentinhaber bekommt bei der Anmeldung ja ein staatlich zugesichertes Monopol auf diese Technik. Wenn man ein Patent aussetzt, heißt das ja nicht, dass China jetzt magischerweise die Technologie erhält, sondern dass es sie anwenden darf.

STS SEIBERT: Woher Sie dieses Zitat haben, das Sie gerade benutzen, ist mir nicht klar. Ich habe das in der Öffentlichkeit nicht gehört, deswegen kann ich dazu nichts sagen.

Die Argumente sind am Wochenende und Ende der vergangenen Woche doch sehr klar gemacht worden: Produktionskapazitäten entstehen nicht dadurch, dass man Patente freigibt. Produktionskapazitäten müssen gesucht werden und sie können dann in Kooperation genutzt werden, so wie es längst geschieht. Ich habe von dem europäischen Netzwerk mit 15 Produktionsstätten der unterschiedlichsten großen Pharmahersteller, die sich mit BioNTech/Pfizer dazu verabredet haben, gesprochen. Da wird, wie Sie wissen, ja nicht nur für Europa, sondern da wird auch für die Welt produziert.

Der Weg, die Produktionskapazitäten über die Lizenzvergabe zu erweitern was auch staatlich unterstützt werden kann , wird seit Langem gegangen, und dem verdanken wir die enorme Steigerung der Produktionskapazitäten. Das ist sicherlich auch noch weiter steigerbar. Der Gesundheitsminister hat heute Morgen ja von der Bereitschaft gesprochen, die er bei den Impfstoffherstellern wahrnimmt, auch international, auch Richtung Asien zu kooperieren. Deswegen, denke ich, ist auf der Basis von Innovation und patentgeschützter Entwicklung von Impfstoffen unglaublich viel im Sinne der Kooperation, der Lizenzvergabe, der internationalen Zusammenarbeit möglich, und das wird auch bereits so gemacht.

VORS. WEFERS: Die Frage zu China war noch offen.

STS SEIBERT: Das war dieses Zitat, das Herr Jung hier benutzte, von dem ich nicht weiß, woher er es hat. Deswegen wollte ich darüber jetzt nicht sprechen.

ZUSATZ JUNG: Das hat sie im Rahmen des EU-Gipfels am Freitag gesagt, Herr Seibert. Das kann ich Ihnen vorlesen.

STS SEIBERT: Nach meinen Informationen sind das nichtöffentliche Sitzungen. Deswegen, glaube ich, können Sie mir da irgendetwas vorlesen, aber das macht es noch nicht zu einem Zitat.

Ich glaube aber, das Wesentliche habe ich gesagt: Zusammenarbeit und Qualitätssicherung ist ein extrem wichtiger Bereich, und all das steht überhaupt nicht der Ausweitung der Produktionskapazitäten im Wege. Im Gegenteil, diese Ausweitung wollen wir als Staaten, und wir flankieren sie auch mit allen Möglichkeiten, die wir haben. Diese Ausweitung wird von den großen Impfstoffherstellern auch längst betrieben.

FRAGE DR. RINKE: Meine Frage knüpft direkt da an. Sie haben gerade eben noch einmal das wiederholt, was die Kanzlerin gesagt hat, nämlich dass man die Firmen bei dieser Produktionsausweitung in Asien unterstützen wolle. Genau wie sieht diese Unterstützung denn aus? Die Kanzlerin sprach von Risikoabsicherung und von Abnahmegarantien. Können Sie sagen, wie man BioNTech dazu bringen kann, mehr Produktionsstätten in Asien aufzubauen?

STS SEIBERT: Ich habe das jetzt nicht auf Asien bezogen, sondern habe das grundsätzlich gemeint. Wir haben beim Bundeswirtschaftsministerium eine Taskforce für die Ausweitung der Produktionskapazitäten angesiedelt. Die Europäische Kommission hat eine solche Taskforce unter dem Vizepräsidenten der Kommission, Herrn Breton. Vielleicht kann das Wirtschaftsministerium über die Arbeit dieser Taskforce berichten.

Es ist jedenfalls längst eine politische Flankierung der Kooperationen, der Ausweitungen der Produktionskapazitäten, die die Unternehmen selber vornehmen, im Gange. Wir haben dafür in vieler Hinsicht den Weg geebnet. Das begann mit dem Werk Marburg, das inzwischen Gott sei Dank auch im großen Stile produzieren kann, und das setzt sich in anderen Beispielen fort.

Dazu, wie es sich dann mit Asien vollziehen wird, kann ich Ihnen hier jetzt keine konkreten Hinweise geben. Ich weiß nicht, ob das Wirtschaftsministerium dazu mehr sagen kann.

VORS. WEFERS: Aber vielleicht können Sie es mit Blick auf die Uhr ein bisschen konkret und nicht so grundsätzlich machen.

DR. BARON: Ich kann noch einmal auf das verweisen, was wir schon am vergangenen Freitag siehe Protokoll der Regierungspressekonferenz vom Freitag schon gesagt haben. Die Taskforce hat ja zunächst einmal die Aufgabe, sichere Versorgung über eigene Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa zu sichern und in Deutschland Produktionskapazitäten zu schaffen. Das ist ja auch schon gelungen. Die zwei Beispielfälle hatte ich schon genannt: Erstens IDT Biologika in Dessau, die in Lizenz sowohl für AstraZeneca als auch für Johnson & Johnson produzieren, und zweitens Allergopharma in Reinbek, die für Johnson & Johnson produzieren. Das sind ja gerade Standorte, die in Lizenz produzieren, eben mit dem Ziel, ab 2022 eine sichere Versorgung in Deutschland mit Impfstoffen über eigene Produktion zu schaffen; denn über eigene Produktion kann ich natürlich auch viel besser Liefersicherheit herstellen.

Darüber hinaus hat die Taskforce die Aufgabe zu schauen: Was sind Fragen, die nicht den Impfstoff selbst, sondern vielleicht Produkte oder Nebenprodukte betreffen, die dafür erforderlich sind wie zum Beispiel „glass vials“ , und auch da flankierend zu unterstützen. Das machen wir durch konkrete Förderprogramme. Wir haben jüngst mit 90 Millionen Euro ein Förderprogramm für „glass vials“, also Glasröhrchen und Glasfläschchen, aufgesetzt. Das ist also die Flankierungsarbeit, die die Taskforce leiten soll.

Zu China kann ich Ihnen aktuell leider auch nichts berichten. Ich kann prüfen, ob ich da etwas nachreichen kann. Mir ist aber nicht bekannt, dass die Taskforce schon konkrete Planungen in diese Richtung hätte.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Meine eigentliche Frage war, ob es Hilfen für Firmen gibt, wenn sie denn an anderen Orten der Welt Produktionskapazitäten aufbauen wollen, und zwar nicht nur durch politische Flankierung, sondern vielleicht auch durch finanzielle.

BURGER: Darf ich kurz ein Detail ergänzen, weil die Kolleginnen und Kollegen vom BMZ heute nicht hier sind? Die würden bestimmt darauf hinweisen können, dass es mit verschiedenen Ländern Afrikas schon konkrete Gespräche darüber gibt, wie wir dort den Aufbau von Produktionskapazitäten unterstützen können.

VORS. WEFERS: Vielleicht kann uns das BMZ, das uns ja sicher zuschaut, dann noch schriftlich mit einer Antwort versorgen, dann an die Adresse der Geschäftsstelle.

FRAGE JESSEN: In der Frage von Produktionsausweitung und Patentfreigabe stoßen zwei Prinzipien aufeinander. Das eine ist die möglichst schnelle und weitreichende Versorgung mit Impfstoffen, das zweite sind die wirtschaftlichen Interessen der derzeitigen Rechteinhaber. Gibt es irgendwo eine nachvollziehbare Quelle oder ein Gremium, in dem objektiv und frei von wirtschaftlichen Interessen festgestellt werden kann, welche Produktionskapazitäten wo eigentlich innerhalb absehbarer Zeit aufgebaut werden könnten? Die bisherige Argumentation auch der Bundesregierung sagte ja, man könne nicht irgendwo von heute auf morgen etwas einrichten. Das behauptet ja aber auch niemand. Aber es krankt doch im Moment daran, dass eine Patentfreigabe mit dem Hinweis darauf abgewehrt wird, dass das, was die Patentfreigabe beansprucht, nämlich dass dann relativ rasch woanders eine Produktion aufgebaut werden könnte, gar nicht möglich sei. Ist das irgendwo verifizierbar und nachvollziehbar, damit man da einen Grund in die Debatte bekommt?

STS SEIBERT: Ich denke, man sollte die Debatte schon einmal nicht so beginnen, wie Sie es jetzt getan haben, nämlich dass es einen Widerspruch zwischen wirtschaftlichen Interessen der Impfstoffhersteller auf der einen und einer Ausweitung der Produktion, damit auch möglichst viele Menschen weltweit den Impfstoff bekommen, auf der anderen Seite gäbe. Man sieht im Verhalten der Impfstoffhersteller ich beziehe mich jetzt noch einmal auf BioNTech/Pfizer, aber man könnte sich auch auf andere beziehen keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie sich nicht von Anfang an bemüht haben, nach besten Kräften die Impfstoffproduktion auszuweiten und die Kapazitäten hochzufahren, um noch mehr Menschen in noch mehr Ländern beliefern zu können. Den Gegensatz, den Sie aufmachen, finde ich holzschnittartig, wenn ich das so sagen darf. Deswegen, glaube ich, ist das eigentlich nicht die Grundlage, auf der man diskutiert.

Man sollte auf Grundlage der Frage diskutieren: Was braucht es, um diese sehr speziellen Pharmazeutika herzustellen? Die Mitgründerin von BioNTech, Frau Türeci, war am Freitag, glaube ich, auf CNN zu sehen und sprach von einer vierstelligen Zahl von Produktionsschritten, bis man bei dem fertigen Impfstoff angekommen ist. Das muss man bedenken. Es gibt Möglichkeiten, und die werden ja bereits genutzt, Lizenzen zu vergeben und Produktionskapazitäten zu erhöhen. Das alles findet statt. Es gibt staatliche Unterstützung. Deswegen widerspreche ich diesem, wie ich finde, Schwarz-Weiß-Gegensatz, den Sie da, wenn ich das so sagen darf, aufmachen.

ZUSATZ JESSEN: Ja, der Holzschnitt ist ja ein bekanntes und bewährtes künstlerisches Mittel zur Verdeutlichung

VORS. WEFERS: Herr Jessen, können wir es ein bisschen straffen?

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ja, ich kann das straffen. – Das wissen Sie, Herr Seibert. Gleichwohl ist es so, dass ein Argument für die Nichtfreigabe von Patenten schlicht und einfach die wirtschaftlichen Interesse der Rechteinhaber sind. Das hat die Debatte der letzten Jahre gezeigt, und genau dieser Mechanismus hat sich in der Vergangenheit bei der späteren Freigabe der Lizenzen oder Patente für Aids-Medikamente auch gezeigt. Hat die Bundesregierung denn ein Interesse daran, dass sei es auch durch finanzielle Kompensation von Rechteinhabern im Grunde dann doch durch eine Patentfreigabe an anderen Orten in der Welt Produktionskapazitäten ausgeweitet werden, wenn das dort möglich ist?

STS SEIBERT: Mehr habe ich dazu jetzt nicht zu sagen. Wenn Sie wissen wollen, wie einzelne Unternehmen ihre Kapazitätsausweitungen für die nächsten Monate oder Jahre vorsehen, müsste ich Sie bitten, die einzelnen Unternehmen anzusprechen.

Noch einmal gesagt: Sie sprechen von dem Gewinninteresse der Hersteller. Natürlich gibt es das; wir sind ja in einer Marktwirtschaft. Aber es gibt natürlich auch die enormen Kosten, die sie bis zur Entwicklung eines Impfstoffs hatten, nämlich die Investitionen, die dafür notwendig waren. Es gibt auch die Kosten, die erforderlich sind, wenn man zum Beispiel bestehende Impfstoffe so an mögliche Mutanten anpasst, die in der kommenden Zeit noch auftauchen könnten, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe nicht eingeschränkt ist. Das alles ist auch zu bedenken.

FRAGE PUGLIESE: Welche Themen wird Heiko Maas mit Luigi Di Maio in Rom behandeln?

BURGER: Dabei wird es um die ganze Bandbreite der bilateralen, europäischen und internationalen Themen gehen. Mit Italien arbeiten wir sehr eng beim Thema Libyen zusammen. Insofern könnte ich mir vorstellen, dass das eine Rolle bei den Gesprächen spielen wird, sicherlich auch die Frage, wie man in Deutschland und Italien mit der wirtschaftlichen Erholung und dem Recovery Fund umgeht, möglicherweise auch beispielsweise die Lage im östlichen Mittelmeer sowie das Thema „Flucht und Migration“.

FRAGE HELLER: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert bzw. das Umweltministerium. Gibt es inzwischen in der Regierung eine gemeinsame Linie zur anstehenden Novelle des Klimaschutzgesetzes? Welche Themenfelder sind noch strittig?

Wie steht das Umweltministerium zum Vorschlag von Minister Altmaier, den CO2-Preis anzuheben und dafür die EEG-Umlage zu streichen?

STS SEIBERT: Wie angekündigt wollen wir im Kabinett einen überarbeiteten Gesetzentwurf beschließen, der die Vorgaben dieses wegweisenden Karlsruher Urteils umsetzt. Die Abstimmungen dazu laufen. Das Ziel ist, dass das in der Kabinettssitzung am Mittwoch dieser Woche geschieht.

FICHTNER: Ergänzend dazu: Ich höre aus der Frage von Herrn Heller das weit verbreitete Missverständnis heraus, es würde hier um ein Maßnahmenpaket gehen. Das ist nicht der Fall. Es ist so, wie wir hier auch letzte Woche gesagt haben: Es geht um den Rahmen. Wir wollen einen fundierten Rahmen für den Klimaschutz in den nächsten Jahrzehnten schaffen. Darauf aufbauend kann man dann über Maßnahmen reden, aber das ist nicht Bestandteil dieses Gesetzes, das wir am Mittwoch im Kabinett behandeln wollen.

Zur zweiten Frage nach dem CO2-Preis und der EEG-Umlage: Die Deckelung der EEG-Umlage ist jetzt schon Praxis. Wir sind auch sehr dafür, die EEG-Umlage weiter abzusenken; denn das hilft ja gerade dabei, das, von dem wir mehr haben wollen, nämlich Ökostrom, günstiger zu machen. Parallel dazu gibt es auch jetzt schon die Praxis, dass wir fossile Energien über den CO2-Preis verteuern, womit wir das, von dem wir weniger haben wollen, verteuern und das, von dem wir mehr haben wollen, günstiger machen. Das ist das Prinzip dahinter.

Zu den aktuellen Vorschlägen, vielleicht ganz grundsätzlich: Im Lehrbuch funktioniert der CO2-Preis so, dass man als Konsumentin und Konsument die Wahl zwischen unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten hat. In der Praxis sind die Märkte dann leider doch nicht immer so perfekt; ein Beispiel ist das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern. Wenn man jetzt als Mieter einen höheren CO2-Preis zahlen müsste, dann hätte man nicht die Wahl, welche Heizung eingebaut wird. Diese Wahl haben die Vermieter. Deswegen wirkt der CO2-Preis in solchen Fällen nicht so, wie er eigentlich wirken müsste. Deswegen ist unsere Haltung, dass man bitteschön erst einmal die Grundlagen richtig legt, sodass CO2-Preise auch gut wirken können. Dazu haben wir auch einen Vorschlag gemacht. Dabei sind das BMF, das BMJV, wir und auch das Bundesbauministerium einer Meinung.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, Herr Fichtner sprach gerade von einem fundierten Rahmen. Wird dieser fundierte Rahmen denn mit dem Pariser Klimaabkommen konform sein?

STS SEIBERT: Er wird konform mit unseren nationalen Zielen, mit unseren europäischen Zielen, mit unseren Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen und vor allem selbstverständlich auch mit den Forderungen sein, die jetzt das Bundesverfassungsgericht ganz konkret an uns gestellt hat.

ZUSATZFRAGE JUNG: Alle bisherigen Pläne der Bundesregierung waren eindeutig nicht mit dem Pariser Klimaabkommen konform. Jetzt haben Sie das gerade gesagt. Habe ich Sie richtig verstanden?

STS SEIBERT: Ich habe doch sehr deutlich gesprochen.

FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, Herr Fichtner, ist in Bezug auf das, was am Mittwoch außer dem Klimaschutzgesetz passieren wird, auch absehbar, dass man sich nach den bisherigen Beratungen schon abschließend über die Belastung der verschiedenen Sektoren einigen wird? Ist das Teil des Pakets, das am Mittwoch beschlossen wird? Wenn ja, wie sieht die Verteilung aus?

FICHTNER: Meinen Sie jetzt die Sektorziele?

ZUSATZ DR. RINKE: Ja.

FICHTNER: Das haben wir so vorgeschlagen. Wir sind zuversichtlich, dass das auch gelingen wird.

STS SEIBERT: Wir befinden uns in den Abstimmungen, und deswegen werde ich jetzt hier über die komplexen Einzelheiten nicht berichten.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Gibt es also bisher noch keine Einigung?

FICHTNER: Wir haben Montag.

FRAGE BAUCHMÜLLER: Ich habe eine Frage an das BMWi zur Verteilung der CO2-Kosten zwischen Mietern und Vermietern. Ich habe in der Aufzählung von Herrn Fichtner das BMWi nicht aufgezählt gehört. Heißt das, Sie sind gegen den Vorschlag der Aufteilung der Kosten? Wenn das so ist, warum?

DR. BARON: Ich würde gerne zu zwei Punkten noch einmal kurz Stellung nehmen, zum einen zum Komplex der Strompreise. Dazu ist die Forderung von Herrn Altmaier ja sehr klar die, dass wir sagen: Wenn wir mehr Ausbau erneuerbarer Energien wollen, dann müssen wir natürlich auch dafür sorgen, dass wir den Strompreis stabil halten und die EEG-Umlage eben mittelfristig abschaffen, indem wir Sie über die CO2-Bepreisung oder den Haushalt finanzieren. Das ist ganz wichtig. Das ist unter dem Aspekt der Kosten sehr wichtig, aber natürlich auch, um unsere Energie- und Klimaziele zu erreichen; denn wir wollen ja gerade die Sektorkopplung vorantreiben.

Wir werden ja mehr Wärmepumpen, mehr Elektroautos sehen. Also muss sozusagen die Stromseite der Strommarkt und der Strompreis gegenüber den anderen Sektoren wettbewerbsfähig sein. Deshalb ist die mittelfristige Abschaffung der EEG-Umlage aus unserer Sicht ein ganz wesentlicher Aspekt, der aus der CO2-Bepreisung oder aus dem Haushalt zu finanzieren ist.

Dann sprechen Sie ein zweites Thema an, nämlich die CO2-Bepreisung im Verhältnis Mieter und Vermieter. Zu diesem Thema gibt es verschiedene Überlegungen und auch Gespräche, die andauern. Man muss hier auch schauen, dass man den richtigen Blick und nicht die vermeintlich einfache Lösung wählt. Denn man muss auch berücksichtigen, welche Sanierungen gewählt werden und die Frage stellen: Ist die Sanierung, die der Vermieter wählt, gut oder schlecht? Das muss man irgendwie differenziert abbilden.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Fichtner, eines der Mittel zur Erreichung der Klimaziele ist der Ausstieg aus der Kohleenergie. Dazu wird unter anderem auch mehr Gas verfeuert. Das Gas kommt unter anderem zusätzlich aus Russland. Die Russen wiederum setzen auf Kohlekraftwerke, um mehr Gas nach Deutschland liefern zu können. Können Sie für mich diesen Widerspruch auflösen? – Danke.

FICHTNER: Ich würde erst einmal die These bestreiten, dass wir unbedingt mehr Gas verbrauchen werden. Wir brauchen Gas für einen Übergangszeitraum. Das wird aber nicht viel mehr sein, als das jetzt der Fall ist.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Aber für den Übergangszeitraum haben Sie das selber gesagt. Wie ist dann der Widerspruch für den Übergangszeitraum aufzulösen? – Danke.

FICHTNER: Ich sehe, ehrlich gesagt, den Widerspruch nicht.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, eine Frage zum Konflikt zwischen Somalia und Kenia. Es kam in der letzten Woche aufgrund einer Friedensinitiative zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Ich hätte gerne eine Stellungnahme dazu.

Zweitens. Wie bewerten Sie die Vermittlerrolle Katars in dem Konflikt?

BURGER: Die Antwort dazu muss ich Ihnen nachreichen.

FRAGE AIASH: Wir vermissen immer noch die Meinung der Bundesregierung zur Gewalt der israelischen Streitkräfte gegen die palästinensische Bevölkerung in Jerusalem, insbesondere gegen das Viertel Sheikh Jarrah und die Angriffe auf Besucher der Al-Aksa-Moschee. Die ganze Welt verurteilt das, und Berlin schweigt.

BURGER: Nein, Berlin schweigt nicht, sondern Berlin steht in intensivem Kontakt mit seinen Partnern in der Region. Der Außenminister hat gestern mit dem jordanischen Außenminister telefoniert. Er stand auch über das Wochenende in Kontakt mit seinem israelischen Kollegen.

Nach dem Telefonat mit dem jordanischen Amtskollegen hat er sich auch auf Twitter geäußert das haben Sie vielleicht gesehen – und noch einmal seine große Sorge über eine Eskalation der Gewalt dort in Jerusalem zum Ausdruck gebracht.

Im Übrigen hat sich am Wochenende auch das Nahost-Quartett in einer ausführlichen Stellungnahme zur Situation geäußert. Sie wissen, dass die Europäische Union einer der vier Akteure im Nahost-Quartett ist. Heute sitzen in Brüssel die EU-Außenminister zu ihrem regelmäßigen Rat zusammen, und dort wird das Thema sicherlich auch eine Rolle spielen.

Ich würde Sie tatsächlich gerne noch einmal auf das Statement des Quartetts verweisen, das wir für sehr wichtig halten und in dem unter anderem Beunruhigung über provokative Aussagen verschiedener politischer Gruppen und auch Beunruhigung über den Abschuss von Raketen und Brandballons von Gaza gegen Israel geäußert wird. Weiterhin wird die Sorge über die Räumung palästinensischer Familien aus ihren Häusern und der Aufruf zur Zurückhaltung und zur Vermeidung von Maßnahmen zum Ausdruck gebracht, die die Situation insbesondere jetzt während der islamischen Feiertage weiter eskalieren könnten.

FRAGE JUNG: UN-Generalsekretär Guterres hat ja insbesondere Israel zu äußerster Zurückhaltung aufgefordert und dazu aufgefordert, die Zerstörung und Zwangsräumungen zu beenden. Fordern Sie das auch?

BURGER: Ich würde Sie wirklich gerne auf das Statement des Quartetts vom Wochenende verweisen. Dieser Positionierung schließen wir uns voll umfänglich an.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Seibert, halten Sie als Bundesregierung die Proteste gegen die geplanten Zwangsräumungen von Wohnungen palästinensischer Familien also Zwangsräumungen, damit Siedler rein können für legitim?

STS SEIBERT: Ich kann mich jetzt nur dem Kollegen aus dem Auswärtigen Amt anschließen, der ja ganz klar von unserer Sorge über Räumungen und Vertreibungen palästinensischer Familien in Ostjerusalem gesprochen hat. Das ist auch zusammen mit den britischen, spanischen und italienischen Partnern schon in der vergangenen Woche schriftlich niedergelegt worden. Das ist die Haltung der Bundesregierung, und dem kann ich mich nur anschließen. Wir fordern beide Seiten auf, jetzt dringend einen Beitrag zu leisten, um die Situation zu deeskalieren und jetzt Augenmaß und Zurückhaltung von allen Beteiligten an den Tag zu legen.

FRAGE BASAY: Herr Burger, halten Sie die Angriffe der israelischen Polizei auf Menschen in der Moschee in Ostjerusalem für verhältnismäßig? Verurteilen Sie diese Gewalt?

BURGER: Ich kann nur noch einmal auf das verweisen, was ich gerade gesagt habe, auch auf die Äußerungen des Quartetts. Ich kann auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir mit den Partnern in der Region und mit allen, die Einfluss auf die Lage dort nehmen können, schon über die ganzen letzten Tage in intensivem Kontakt zu der Frage standen, wie jetzt die Situation entschärft werden kann und was konkret getan werden kann, um die Lage zu deeskalieren.

ZUSATZFRAGE BASAY: Sie haben in der letzten Woche mit anderen europäischen Ländern eine Erklärung bezüglich der Siedlungen abgegeben. Sie haben Israel aufgerufen, den Siedlungsbau in palästinensischen Gebieten einzustellen und haben dies als eine Verletzung gegen geltendes Völkerrecht deklariert. Wenn es eine Völkerrechtsverletzung ist, würden Sie irgendwelche Konsequenzen gegenüber Israel ziehen?

BURGER: Herr Basay, das ist nun eine Position, die wahrlich nicht neu ist, sondern die Sie von uns auch in dieser Regierungspressekonferenz seit vielen Jahren konsistent hören. Unserer Meinung nach ist der israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebieten nicht mit dem Völkerrecht zu vereinbaren. Aus unserer Sicht ist das auch ein Hindernis für Fortschritte im Friedensprozess. Das ist eine Botschaft, die wir auch gemeinsam mit den europäischen Partnern der israelischen Seite immer wieder mitteilen.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, ich möchte die Frage des türkischen Kollegen aufgreifen. Er hat ja explizit gefragt, ob Sie diese Angriffe auf die Moscheen verurteilen und auch, dass auf Frauen und Kinder mit Blendgranaten mit Tränengaspatronen geschossen wird. Verurteilen Sie das?

Eine zweite Frage: Der luxemburgische Außenminister hat heute seine Angst geäußert, dass Israel ganz Ostjerusalem annektieren, besetzen würde und alle Palästinenser aus diesem Gebiet vertreibt. Teilen Sie seine Sorge?

BURGER: Ich glaube, ich habe für den Moment zu den Ereignissen das gesagt, was ich hier und jetzt zu sagen habe. Wie gesagt, die Außenminister der Europäischen Union sitzen gerade in Brüssel zusammen. Möglicherweise wird sich der Außenminister heute im Laufe des Tages auch noch einmal zur Situation äußern.

Die Äußerungen von Herrn Asselborn werde ich hier nicht kommentieren.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, gab es seit den Ereignissen in Jerusalem ein Telefonat der Bundeskanzlerin mit Premierminister Netanjahu?

STS SEIBERT: Ich berichte Ihnen ja über Telefonate, wenn es etwas zu berichten gibt. Ich hatte Ihnen dazu jetzt nichts zu sagen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Es gab also keines?

FRAGE ZULETA: Können Sie, Herr Seibert, oder der Vertreter des Auswärtigen Amtes etwas über die aktuelle Krise in Kolumbien sagen?

BURGER: Wenn es vonseiten des Auswärtigen Amtes dazu etwas mitzuteilen gibt, dann muss ich das nachreichen. Natürlich verfolgen wir die Lage dort aufmerksam. Ich habe aber zum derzeitigen Zeitpunkt kein Statement dazu mitgebracht.

FRAGE WARWEG: Es gibt einen Brief von 15 Bundestagsabgeordneten, der an den kolumbianischen Präsidenten gerichtet ist und die übermäßige Gewaltanwendung der Polizei gegen die Demonstranten in Kolumbien kritisiert. Die Polizei hat seit Ende April mindestens 30 Demonstranten erschossen. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Mitglieder des Bundestages?

Zweitens. Wieso hat sich das Auswärtige Amt bisher nicht kritisch zur Polizeigewalt geäußert, wie es das regelmäßig in anderen Fällen tut? Ich nenne hier Russland und Venezuela.

BURGER: Die Antwort werde ich gerne in die Nachlieferung einbeziehen.

FRAGE DR. RINKE: Meine Frage bezieht sich auf einen Hackeranschlag auf eine amerikanische Pipeline. Ich hätte ganz gerne vom Bundesinnenministerium, das wahrscheinlich zuständig ist, gewusst, ob dieser Hackerangriff auf die Colonial-Pipeline irgendwelche Auswirkungen auf Deutschland hat. Wird man aufgrund der Tatsache, dass fast die ganze Ölversorgung im Osten der USA unterbrochen wurde, noch einmal den Schutz der Infrastrukturanlagen überprüfen?

VICK: Die Antwort müsste ich Ihnen gegebenenfalls nachreichen.

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