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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 07. Juni 2021

Themen: Termine des Bundesaußenministers (19. Konferenz der Leiterinnen und Leiter der deutschen Auslandsvertretungen, virtuelles Treffen mit den Außenministern der Staaten des westlichen Balkans), COVID-19-Pandemie, Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine, Einigung der G7-Finanzminister auf einen Mindeststeuersatz für Unternehmen, Aussetzung gemeinsamer Militäraktionen von Frankreich und Mali, Verlängerung der Kurzarbeitsregeln, Nominierung der nächsten US-Botschafters, Behinderung der Arbeit von Pressevertretern anlässlich der Proteste gegen den Ausbau der A 100 in Berlin durch die Polizei, mögliche Auswirkungen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite auf den Bundestagswahlkampf, Umgang mit Beständen alkoholischer Getränke der Bundeswehr beim Abzug aus Afghanistan, Lage in Afghanistan, Sicherheitslage afghanischer Ortskräfte, Anzahl afghanischer Ortskräfte zwischen 2001 und 2012, möglicher Hack von Kryptohandys durch das FBI als Grundlage bundesweiter Razzien gegen Mitglieder der organisierten Kriminalität

Themen/Naive Fragen zu:
– Spahns Masken
– Gasdeals mit Russland
– Mali
– Afghanistan

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 07. Juni 2021:

Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SASSE: Ich möchte Ihnen ankündigen, dass Außenminister Maas heute um 12 Uhr gemeinsam mit der Außenministerin des Königreichs Norwegen die diesjährige Konferenz der Leiterinnen und Leiter der deutschen Auslandsvertretungen im Auswärtigen Amt eröffnen wird, die sogenannte BoKo 21.

Die Konferenz führt in der Zeit von heute bis einschließlich 10. Juni – weitgehend digital – neben den Leiterinnen und Leitern der mehr als 200 deutschen Auslandsvertretungen auch Vertreterinnen und Vertreter ausländischer Botschaften sowie zahlreiche hochrangige Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Kultur zusammen. Die diesjährige BoKo steht unter dem Motto „Build back better: Außenpolitik für die Welt nach Corona“. In verschiedenen digitalen Workshops und Foren werden Botschafterinnen und Botschafter über europäische Souveränität, transatlantische Zusammenarbeit und die globale Ordnung nach COVID-19 diskutieren.

Daran anknüpfend liegt der Schwerpunkt des Wirtschaftstags der BoKo, der morgen stattfindet, auf dem Thema „New Deal – ein neuer europäisch-amerikanischer Schulterschluss als Ausweg aus der Coronawirtschaftskrise“. Außenminister Maas wird hier ebenfalls eine Rede halten und anschließend mit der Vorstandsvorsitzenden der Braun AG, Frau Anna Maria Braun, und SAP-Vorstandsmitglied Sabine Bendiek diskutieren. Zusätzlich sind jeweils Keynotes von verschiedenen anderen Repräsentanten aus der Wirtschaft und des EU-Kommissars für Handel, Valdis Dombrovskis, vorgesehen.

Ich kann Ihnen außerdem ankündigen, dass die Rede des Außenministers heute um 12 Uhr auch auf dem Instagram-Kanal des Auswärtigen Amtes übertragen wird.

Dann möchte ich Ihnen eine weitere Ankündigung für morgen machen.

Außenminister Maas wird morgen ein virtuelles Treffen leiten, zu dem die Außenminister der Staaten des westlichen Balkans eingeladen sind. Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung 2014 einen Prozess mit den Ländern des westlichen Balkans geschaffen, um die regionale Zusammenarbeit auf dem westlichen Balkan zu verbessern und damit die EU-Annäherung der sechs Westbalkanstaaten zu unterstützen.

Deutschland ist nun nach sieben Jahren wieder Gastgeber. Auch das Gipfeltreffen wird in diesem Jahr in Berlin stattfinden. Nach der Videokonferenz der teilnehmenden Außenminister aus den Staaten des Westbalkans, aus mehreren EU-Mitgliedstaaten und mit Erweiterungskommissar Várhelyi und EAD-Generalsekretär Sannino findet um 11 Uhr eine Pressebegegnung mit Außenminister Maas im Auswärtigen Amt statt. Die Einladung dazu erhalten Sie auf üblichem Weg.

Kautz: Ich wollte von dieser Stelle noch etwas zu der Maskengeschichte sagen. Der Minister hat sich ja gerade noch einmal dazu geäußert. Aber vielleicht haben das nicht alle mitbekommen.

Es ist klar, dass für uns im Bundesministerium für Gesundheit die Sicherheit von Schutzmasken absolute Priorität hat. Wir möchten auch noch einmal klar sagen, dass die Einrichtungen der Obdachlosen- und Behindertenhilfe, wie es immer geplant war, gute und sichere Masken aus deutscher Produktion, aus den Beständen des BMG, erhalten haben.

Allerdings hätten auch die anderen Masken, über die berichtet worden ist, die sogenannten Masken mit CPI-Standard, Coronapandemie-Infektionsschutzmasken, diesen Zweck erfüllt. Denn diese Masken schützen vor Infektionen. Sie sind mehrfach überprüft worden. Für diese Überprüfung ist ein Verfahren durch das BfArM, das Bundesinstitut für Arzneimittel, und den TÜV NORD entwickelt worden, mit dem klargestellt wird, dass sie gegen Infektionen schützen. Sie wurden sowohl in China wie in Deutschland überprüft. Das haben wir hier an dieser Stelle auch mehrfach erklärt.

Inzwischen sind sie im Infektionsschutzgesetz auch mit dieser Prüfung normiert, und das ist auch Konsens innerhalb der Regierung. Die Masken dieses Typs sind in der Pandemie millionenfach eingesetzt worden. 230 Millionen Masken dieses Typs sind an die Länder gegangen und eingesetzt worden. Am Ende ist es also eine Meinungsverschiedenheit über Prüfnormen zwischen zwei Behörden.

Lassen Sie mich also zusammenfassend noch einmal klarstellen: In der Pandemie können diese Masken zum Infektionsschutz weiter eingesetzt werden. Denn alle Masken, die nach diesem Prüfmaßstab geprüft wurden, gewährleisten einen effektiven Infektionsschutz.

Frage REITSCHUSTER: Frau Sasse, Sie sagten, es gehe bei der Botschafterkonferenz 2021 um die globale Ordnung nach Corona. Geht das Auswärtige Amt davon aus, dass sie sich von der globalen Ordnung vor Corona unterscheidet?

SASSE: Ich kann dazu nur sagen, dass uns das letzte Jahr und die Coronapandemie natürlich geprägt haben und es in den digitalen Workshops und Foren der Leiterinnen und Leiter unserer Auslandsvertretungen darum gehen wird, Fragen zu diskutieren, die auch mit der Pandemie im Zusammenhang stehen. Das sind Fragen der europäischen Souveränität, der transatlantischen Zusammenarbeit und auch globalere Fragen, wie ich gerade schon gesagt habe, die mit der Pandemie im Zusammenhang stehen.

Zusatzfrage REITSCHUSTER: Es gibt ja viele Menschen, die Angst vor einer neuen globalen Ordnung haben. Die Politik sagt, das ist eine Verschwörungstheorie. Können Sie diese Menschen in irgendeiner Art und Weise von der Politik her beruhigen?

SASSE: Ich kann Ihnen dazu jetzt nicht mehr als das sagen, was ich gerade zur Botschafterkonferenz gesagt habe.

Frage BALSER: Herr Seibert, Herr Kautz hatte den Streit zwischen den Ministerien von Herrn Heil und Herrn Spahn ja angesprochen. Mich würde interessieren: Was denkt denn die Kanzlerin über diesen Streit, und wie sieht sie vor allem die Rücktrittsforderungen, die indirekt aus der SPD kamen? Frau Esken hat ja gesagt, mit dieser menschenunwürdigen Haltung habe man in der Politik nichts verloren.

StS Seibert: Ich werde jetzt hier nicht Äußerungen aus dem politischen Raum und aus den Parteien kommentieren. Der Bundesgesundheitsminister hat schon am Wochenende und heute sehr klar dargelegt – sein Sprecher hat es gerade noch einmal getan -, warum Vorwürfe unbegründet sind, dass für das BMG immer die Sicherheit der Nutzerinnen und Nutzer an oberster Stelle gestanden hat und dass die Masken, die zur Verteilung anstanden, die diesen besonderen Standard haben, eben auch infektionssicher sind. Nur deswegen können sie jetzt überhaupt in der nationalen Reserve gelandet sein, was im Übrigen ein Beschluss ist, den die ganze Bundesregierung mitgetragen hat.

Ich denke also, die Darlegung ist schlüssig. Wir sollten jetzt wieder darangehen, uns den verschiedenen Aufgaben, die die Pandemie uns stellt, zu widmen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeitsministerium. Herr Spahn hat heute Morgen auch gesagt, dass es im Übrigen die Idee des Bundesarbeitsministeriums gewesen sei, die Masken unter anderem an Obdachlose zu verteilen. Kann das Arbeitsministerium dazu Stellung nehmen? Stimmt das?

Haas: Ohne Zweifel hat sich das BMAS immer dafür eingesetzt, FFP2-Masken an vulnerable Gruppen zu verteilen. Das betrifft allerdings – das ist jetzt der springende Punkt – zertifizierte Masken, wie es vorgesehen war. BMG, BMAS und die Länder haben sich im vergangenen Jahr auf ein Prüfgrundsatz für Schutzmasken geeinigt. Auf deren Einhaltung hat das BMAS stets bestanden. Es gab jetzt im Verlauf – den möchte ich hier gar nicht detailliert darstellen; das würde zu weit führen – einen Vorschlag des BMG, für diesen Versand von Masken ein neues Prüfkriterium zu entwickeln. Dem haben wir hart widersprochen.

Am Ende ist es so gekommen, wie es aus unserer Sicht auch richtig ist. Wir haben diese Masken nicht mit unserer Zustimmung an vulnerable Gruppen versandt, sondern man hat sich, wie von Herrn Seibert gerade angesprochen, im Kabinett darauf geeinigt, diese in die nationale Reserve zu geben, was bedeutet, dass sie in absoluten Ausnahmezuständen in den Umlauf kommen können.

Kautz: Dem darf ich kurz von dieser Stelle aus widersprechen, auch wenn das ungewöhnlich ist. Es ist kein neues Prüfkriterium entwickelt worden. Dieses Prüfkriterium gab es schon. Es war jetzt nur die Frage, ob es in der Pandemie weiter angewendet werden soll oder nicht.

Was ich bestätigen kann: Es war die Idee des Arbeitsministeriums, die Einrichtungen mit kostenlosen Schutzmasken zu bedenken. Dieser haben wir uns auch angeschlossen. Dann ging es eben um die Frage, welche Masken man nimmt.

Zusatzfrage: Frau Haas, wenn ich das richtig verstanden habe, dann müsste Ihnen der Sachverhalt ja seit ungefähr einem Jahr bekannt sein, auch die Vorwürfe in Richtung Gesundheitsministerium. Warum erfahren wir erst jetzt darüber? Ist das Zufall?

Haas: Nein, das ist kein Zufall. Es wäre auch, ehrlich gesagt, nicht in unserem Interesse gewesen, dass regierungsinterne Kommunikation irgendwie medienöffentlich wird. Denn im Normalfall klären Ressorts Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ressorts. Leider steckt man nicht immer darin. Manchmal gehen Infos nach draußen.

Für uns war es wichtig, von Anfang an zu sagen: Wir widersprechen diesem Vorhaben, neue oder andere Prüfstandards anzuwenden, sondern wir bleiben bei dem im März letzten Jahres zwischen BMG, den Ländern und BMAS vereinbarten Schutzkriterien. Das ist dann ja auch so eingetreten, sodass wir hier keinen weiteren Handlungsbedarf mehr gesehen haben.

Frage STOLL: Herr Kautz, wenn jetzt ab heute Jugendliche geimpft werden, die 12 Jahre und älter sind, welche Rechtssicherheit haben die Ärzte denn, wenn keine Empfehlung der STIKO vorliegt, dass diese Impfungen sinnvoll und gefahrenfrei sind? Haben Sie genug Impfstoff für die Kinder?

Kautz: Sie haben dieselbe Rechtssicherheit wie bei den anderen Impfungen auch. Denn es gibt eine Zulassung für diesen Impfstoff für diese Altersgruppen, und damit kann dieser Impfstoff eingesetzt werden. Das ist unabhängig von der Empfehlung der Ständigen Impfkommission.

Der Minister hat am Wochenende betont, dass am Anfang nicht genug Impfstoff für alle da sein wird. Wir können jetzt also nicht in den ersten Wochen alle Zwölf- bis Sechzehnjährigen durchimpfen. Das wird sicherlich nicht der Fall sein. Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir bis Mitte Juli relativ viele Erwachsene werden impfen können. Wir gehen davon aus, dass 80 Prozent aller Erwachsenen bis Mitte Juli mindestens einmal geimpft werden können. Bei der Annahme, dass sich 70 bis 75 Prozent der Erwachsenen impfen lassen werden, dann erreichen wir bis Mitte Juli eine Quote von 90 Prozent der impfwilligen Erwachsenen.

Zusatzfrage STOLL: Warum sind Sie denn dann vorgeprescht? Wenn es nicht genug Impfstoff und keine Empfehlung der STIKO gibt, hätten Sie die Kinder doch später zur Impfung zulassen können.

Kautz: Warum?

Zusatz STOLL: Weil offenbar weder eine Empfehlung vorliegt noch genug Impfstoff da ist.

Kautz: Ich folge Ihrer Logik nicht. Wir haben ja verschiedentlich gesagt – auch der Minister hat das gesagt -, dass wir nach eineinhalb Jahren Pandemie Kindern und Jugendlichen auch die Möglichkeit eröffnen wollen, sie zu schützen. Wir können auch nicht so ganz schematisch vorgehen. Klar gibt es eine Impfpriorisierung, die wir eingeführt haben und die wir auch zu befolgen versuchen. Sie müssen dann aber von der Prioritätsgruppe 3, die jetzt geimpft wird, auch den Switch beziehungsweise einen fließenden Übergang zur Freigabe des Impfstoffes für alle schaffen. Da sind wir gerade dabei.

Frage DR. RINKE: Ich würde gerne noch einmal zu dem Thema Masken zurückkommen und Herrn Seibert fragen: Hat sich die Kanzlerin angesichts des relativ doch ungewöhnlichen Streits zwischen den beiden Ministerien direkt eingeschaltet, gab es Gespräche mit den Ministerien oder besser gesagt mit den beiden Ministern?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin ist ja grundsätzlich regelmäßig mit Ministern und Ministerinnen ihres Kabinetts im Gespräch; darüber berichte ich jetzt nicht im Einzelnen. Ich denke, das Entscheidende ist, dass wir die Sachfragen klären, und da steht ja vor allem die Frage im Raum: Ist infektionsmäßig sicher, was da an Masken auf den Markt kommt beziehungsweise was zur Verteilung ansteht beziehungsweise jetzt in die nationale Reserve übernommen wurde? Das, glaube ich, hat das BMG jetzt erneut sehr klar dargelegt.

Zusatzfrage DR. RINKE: An die beiden Ministerien: Hat es eigentlich einen direkten Kontakt zwischen den beiden Ministern gegeben, um diesen Streit auszuräumen?

Kautz: Die Minister stehen in ständigem Kontakt.

Haas: Das kann ich bestätigen.

Frage REITSCHUSTER: Eine Verständnisfrage: Das Gesundheitsministerium geht also davon aus, dass diese Masken vollständig schützen, das Arbeitsministerium geht davon aus, dass sie nicht schützen; sie wurden nicht verteilt. Das heißt, wegen dieses Streites wurden diese Masken, die nach Auffassung des Gesundheitsministeriums schützen könnten, dann nicht an die Leute gegeben? Ich sehe da ein ziemliches Konfliktpotenzial.

Haas: Wir haben die Qualität der Masken nicht zu beurteilen, sondern wir haben die Zertifikate zu beurteilen. Wir haben uns auf einen Prüfgrundsatz geeinigt, und der ist hier unseres Erachtens nicht erfüllt; deshalb haben wir das nicht freigegeben. Wir haben jetzt aber nicht die Qualität der Masken zu beurteilen.

Kautz: Das ist im Grunde genau das, was ich vorhin gesagt habe, nämlich dass es um einen Streit um Prüfnormen geht. Klar ist das medial entsprechend hochgespielt worden und im Parteienspektrum aufgegriffen worden. Zwischen den Ministerien geht es aber um eine Meinungsverschiedenheit über Prüfnormen. Die Prüfnorm, um die es geht, ist aber – um es noch einmal zu wiederholen – nicht neu, sondern vom BfArM und vom TÜV NORD entwickelt worden und im Infektionsschutzgesetz niedergelegt. Nach dieser Prüfnorm wurden die Masken geprüft und schon über 230 Millionen Mal im ganzen Land eingesetzt. Das sind also nicht irgendwelche Masken, die man nie eingesetzt hätte.

Zusatzfrage REITSCHUSTER: Ganz konkret zu den Auswirkungen: War das zu einem Zeitpunkt, als die betreffenden Gruppen ohnehin ausreichend mit Masken versorgt waren, oder war es so, dass sie wegen dieses Vetos weniger Masken bekommen haben beziehungsweise die Masken langsamer bekommen haben? Was hatte das also für konkrete Auswirkungen für die Leute, für die diese Masken vom Gesundheitsministerium zugedacht waren?

Kautz: Es gab ja keinen Zeitverzug, sondern wir haben als Alternative Masken genommen, die in Deutschland produziert wurden, um diese Meinungsverschiedenheiten über Prüfgrundsätze zu überbrücken.

Haas: Um Ihre Frage zu beantworten: Es sind alle vulnerablen Gruppen zum geeigneten Zeitpunkt mit hinreichend vielen Masken versorgt worden.

Frage KLISS: Was ich noch nicht ganz verstehe: Frau Haas, Sie sagen, diese Masken sollten nur in absoluten Ausnahmesituationen ausgegeben werden. Heißt das dann, Herr Kautz, dass die Masken, die in der nationalen Reserve sind, eventuell irgendwann in der Müllverbrennung landen und gar nicht mehr eingesetzt werden, sodass da ordentlich Geld verbrannt worden ist?

Kautz: Nein, das würde ich so nicht sehen. Sie müssen das eigentlich so sehen, dass vom Arbeitsministerium diese Prüfmaßstäbe angezweifelt wurden in der Annahme, dass die Pandemie zu Ende sei. Das sind Masken, die für Hochphasen von Pandemien geeignet sind beziehungsweise für eine Pandemie geeignet sind. Es war ja mitnichten der Fall, dass die Pandemie im Herbst, als es diese Meinungsverschiedenheit gab, vorbei war.

Haas: Wenn ich das noch ergänzen darf, weil Sie sagten, dass diese Prüfnormen vom Arbeitsministerium angezweifelt wurden: Auf diese Prüfnormen haben sich BMAS und BMG ja geeinigt. Ich finde, es ist relativ wichtig, das noch einmal zu sagen.

Zusatzfrage KLISS: Was heißt denn dann „Ausnahmesituation“, Frau Haas?

Haas: „Ausnahmesituation“ heißt – ich müsste es jetzt noch einmal wörtlich im Infektionsschutzgesetz nachlesen -: In dem Moment, in dem eine derartige Maskenknappheit herrscht, dass die Bevölkerung nicht mit Masken versorgt werden kann – das zielt ein bisschen auf die Frage des Kollegen -, würde man auf diese zugreifen. Da aber derzeit, wie Herr Kautz auch darstellte, hinreichend Masken vorhanden sind, die alle Zertifikatsnormen erfüllen, besteht im Moment die Notwendigkeit dazu nicht.

StS Seibert: Vielleicht können wir auch einfach froh sein, dass wir anders als in der Situation des letzten Jahres, als es eine absolute Notlage gab und die erforderlichen Masken einfach nicht verfügbar waren – nicht in Deutschland und auch kaum auf dem Weltmarkt zu bekommen -, jetzt eine Nationale Reserve Gesundheitsschutz haben, in der wir diese Masken für einen Tag vorhalten, an dem wir sie möglicherweise brauchen, sodass wir nicht wieder in die Notlage verfallen, die wir im Jahre 2020 hatten. Dass wir in dieser Nationalen Reserve Gesundheitsschutz jetzt diese zertifizierten Masken haben – nach Beschluss der Bundesregierung und des Bundestages -, ist doch eine gute Sache.

Frage JESSEN: Ich verstehe den Konflikt so, dass das Arbeitsministerium sagt: Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Verbleib dieser Masken – letzten Herbst oder wann das war – lag die nach den damaligen Kriterien nötige Zertifizierung nicht vor.

Haas: Das ist richtig.

Frage JESSEN: Woran hat es, Frau Haas, konkret gemangelt?

Haas: Wir haben uns mit dem BMG auf den CPA-Standard geeinigt, und diese Masken tragen, wenn Sie so wollen, nicht das CPA-Siegel, sie sind nicht darauf getestet.

Zusatzfrage JESSEN: Wenn das Gesundheitsministerium sagt, das sei nur ein Streit um die Norm: Bezweifeln Sie, Herr Kautz, dass diese Norm damals galt? Wenn die Masken tatsächlich das Siegel nicht hatten, wieso hätte man sie dann dennoch wie von Ihnen geplant einsetzen können?

Kautz: Wir haben uns im Februar auf eine Norm geeinigt, um das nachzuprüfen, das ist richtig. Im Herbst gab es diesen Konflikt, ob man diese Masken einsetzen kann oder nicht. Dafür wäre zusätzlich zum Beispiel noch eine Temperaturkonditionierung notwendig gewesen – 24 Stunden bei 70 Grad und weitere 24 Stunden bei 30 Grad, und dann müssten diese Masken immer noch einsetzbar sein. Letztendlich sind das Definitionen des Arbeitsschutzes, die, wie wir finden, in einer Pandemie so nicht anzusetzen sind; denn bei den Masken, die wir zum Infektionsschutz einsetzen, kommt es uns ausschließlich auf den Infektionsschutz an. Diesen Streit oder diese Meinungsverschiedenheiten über Prüfnormen sollten wir hier aber, glaube ich, nicht aufmachen.

StS Seibert: 70 Grad und minus 30 Grad – für diejenigen, die auch an diesen Details interessiert sind.

Haas: Plus allerdings auch die empfohlene Tragedauer. Das ist an dieser Stelle vielleicht der etwas wesentlichere Punkt.

Frage : Diese CPA-Masken, also Coronapandemie-Atemschutzmasken, landen jetzt für den Fall, dass vielleicht einmal keine Coronapandemie, sondern eine andere Notlage herrscht, in der nationalen Reserve, habe ich das richtig verstanden?

Haas: Eine andere pandemische Notlage.

Zusatzfrage : Aber wenn es keine CPA-Masken, also keine Pandemie-Atemschutzmasken sind, für welche Pandemie sollen sie dann vorrätig gehalten werden?

Kautz: Diese Masken sind zu gebrauchen für den Einsatz in einer Pandemie.

Zusatzfrage : Obwohl sie nicht CPA-zertifiziert sind?

Kautz: Doch, die können Sie einsetzen.

Zusatzfrage : Aber die Kollegin hat gerade gesagt – – –

Vorsitzender Feldhoff: Herr Jung, das ist jetzt schon Ihre vierte Frage, glaube ich.

Kautz: Es gibt einen Standard, der im Infektionsschutzgesetz festgelegt ist; das ist der sogenannte CPI-Standard. Es gibt also zwei Standards, einmal CPI und einmal CPA. Den CPA-Standard hat Frau Haas gerade benannt. Der CPI-Standard, also der Coronapandemie-Infektionsschutzmasken-Standard, ist im Infektionsschutzgesetz festgelegt und konsentiert, und danach können diese Masken eingesetzt werden.

StS Seibert: Und auf dieser Basis – um es noch einmal zu sagen – hat die Bundesregierung das im Kabinett beschlossen, hat der Bundestag das beraten und verabschiedet und ist das jetzt geltende Rechtslage. Es herrscht also Einvernehmen in der Bundesregierung über die Tauglichkeit dieser CPI-Schutzmasken für Infektionsschutzzwecke.

Frage BUSCHOW: Was ich noch nicht verstanden habe: Werden diese Masken jetzt nachgetestet, um vielleicht noch das CPA-Siegel zu bekommen? Ist das möglich, ist das geplant, ist das schon passiert?

Kautz: Sie sind zurzeit in der nationalen Gesundheitsreserve und werden auch teilweise von den Ländern eingesetzt.

Zusatzfrage BUSCHOW: In welchen Bereichen sind denn die Masken, die an die Länder gesendet wurden, eingesetzt worden?

Kautz: Da müssten Sie sich im Zweifel an die Länder wenden.

Zusatzfrage BUSCHOW: Das heißt, ob die Masken in Behinderten- und Obdachloseneinrichtungen verwendet wurden, können Sie nicht sagen?

Kautz: Nein, die haben wir direkt beliefert.

Frage GAVRILIS: Können Sie noch einmal zusammenfassen, um wie viele Masken es sich hier eigentlich handelt?

Kautz: 230 Millionen Masken dieses Standards – Sie sprechen nur vom CPI-Standard – sind bislang ausgeliefert worden. 150 Millionen sind in der nationalen Reserve.

Zusatzfrage GAVRILIS: Können Sie sagen, was das die Steuerzahlenden gekostet hat? Wie viele Mittel sind dafür verwendet worden?

Kautz: Das kann ich Ihnen aktuell nicht sagen, das liefere ich für diese 380 Millionen Masken nach.

Frage DR. RINKE: Zum Thema Impfen an Herrn Kautz: Heute wurde die Impfpriorisierung in den Arztpraxen aufgehoben, und auch die Betriebsärzte können jetzt impfen. Es gibt ja Sorge, dass nun die Arztpraxen überrannt werden; das Frustrationslevel steigt, weil jeder sofort geimpft werden möchte. Mit welchem Zeitpunkt rechnen Sie, ab dem man zeitnah einen Impftermin bekommen kann, wenn man nicht priorisiert ist? Wird das noch im Juni sein oder erst im Juli?

Kautz: Das kann ich Ihnen nicht auf den Tag genau sagen. Klar ist, dass jetzt nicht am ersten Tag alle diejenigen einen Impftermin bekommen können, die sich impfen lassen können.

Zusatzfrage DR. RINKE: Erwarten Sie, dass es jetzt tatsächlich zu diesem von Ihnen ja auch befürchteten Ansturm kommt oder haben Sie Hinweise darauf, dass die Leute mittlerweile verstanden haben, dass sie nicht sofort alle am ersten Tag geimpft werden können?

Kautz: Wir gehen schon davon aus, dass es eine Menge Impfwillige gibt. Deswegen hat sich der Bundesgesundheitsminister am Wochenende ja auch so geäußert, wie er sich geäußert hat. Er hat um Geduld und auch um Verständnis für die Praxisteams und die Teams in den Impfzentren gebeten und hat darauf hingewiesen, dass diese versuchen, so viele Menschen so schnell wie möglich zu impfen. Es gibt aber zwei Faktoren, die das Ganze knapp machen: Zeit und Impfdosen.

Frage REITSCHUSTER: Herr Kautz, laut dem Berliner Senat sind nach vollständiger Impfung, also zwei Wochen nach der letzten Impfung, elf Personen an oder mit COVID-19 gestorben. Alle waren mit dem Impfstoff von BioNTech geimpft. Bei Hospitalisierten gibt es die gleichen Zahlen: 45 von 48 wurden mit dem Impfstoff von BioNTech geimpft. Erhebt der Bund auch solche Statistiken, um mögliche Zusammenhänge herauszufinden?

Kautz: Sie wissen, dass wir das tun, Herr Reitschuster. Wir haben verschiedentlich an dieser Stelle gesagt, dass das PEI die Impfkampagne wöchentlich bewertet und dazu auch Zahlen veröffentlicht. Zahlen des Berliner Senats werde ich jetzt hier nicht kommentieren.

Zusatzfrage REITSCHUSTER: Ist Ihnen im Moment anhand dieser Zahlen – Sie sagen, sie haben sie – bekannt, dass es bundesweit eine ähnliche Häufung gibt? Wenn ja, was ziehen Sie daraus für Konsequenzen?

Kautz: Nein, das ist mir nicht bekannt.

StS Seibert: Zunächst einmal sind Sie es ja auch, der behauptet, dass es einen inneren Zusammenhang mit der Impfung gibt.

Zuruf REITSCHUSTER: Nein, habe ich nicht!

StS Seibert: Gut. – Menschen sterben, und auch geimpfte Menschen können sterben. Es ist bei jedem Verdachtsfall der Frage nachzugehen – das wird ja auch vom PEI und auf europäischer Ebene von den anderen Instituten gemacht -, ob er tatsächlich kausal mit der Tatsache zusammenhängt, dass der Verstorbene vorher geimpft war.

Zuruf REITSCHUSTER (akustisch unverständlich)

StS Seibert: Genau dem ist nachzugehen. Ich denke, das wird genau da geschehen, wo es auch hingehört: das Paul-Ehrlich-Institut, die internationalen Wissenschaftlergremien, die diese Dinge ständig auswerten.

Vorsitzender Feldhoff: Herr Reitschuster, ich will nicht Ihre Frage abwürgen. Ich will nur darauf hinweisen, dass wir hier keine Talkshow sind. Das gilt aber für alle hier.

Frage BRODBECK: Hamburg hat im Unterschied zu der bundesweiten Aufhebung der Priorisierung ab heute in seinem Impfzentrum diese Aufhebung nicht vorgenommen und kritisiert diese sehr, weil es noch sehr viele über 60-Jährige gäbe, die nicht geimpft seien. Was sagen Sie zu der Kritik? Was ist an dem Vorgehen von Hamburg falsch?

Kautz: Es ist genauso vorgesehen – dazu hat sich auch der Bundesgesundheitsminister letzte Woche hier an dieser Stelle geäußert -, dass die Länder also die Möglichkeit haben, je nach Lage die Impfpriorisierung aufrechtzuerhalten. Diese Möglichkeit ist vor dem Hintergrund geschaffen worden, dass unterschiedliche Länder – oder in dem Fall Stadtstaaten – unterschiedliche Bevölkerungszusammensetzungen und andere Altersstrukturen haben und man dann auch anders darauf reagieren muss.

Frage DR. RINKE: Eine Frage zu der Zweitimpfung. Es gibt mittlerweile einige Studien, dass Mischimpfungen mehr Schutz bieten als die Zweitimpfung mit demselben Impfstoff. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, ob das Bundesgesundheitsministerium mittlerweile empfiehlt, dass generell Mischimpfungen vorgenommen werden, also ein mRNA-Impfstoff als Zweitimpfung, nachdem man mit AstraZeneca geimpft worden ist.

Kautz: In die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen werde ich mich hier an dieser Stelle wie üblich nicht einmischen. Sie wissen, dass solche Mischimpfungen, wie Sie sie nennen, möglich sind. Generell wird das noch nicht empfohlen.

Frage REITSCHUSTER: Herr Kautz, es gab einen Bericht im ZDF, in dem es unter anderem hieß, dass in den Zahlen der Coronatoten auch Zahlen von Menschen enthalten seien, die schon mehr als zehn Wochen zuvor krank waren. Es hieß, dass keine Panels erhoben worden seien, dass das sehr, sehr wichtig wäre. Ich will das nicht ausführen. Es war von einer Datenerhebungskatastrophe die Rede. In dem ZDF-Bericht heißt es, das Bundesgesundheitsministerium habe sich nicht geäußert. Da das ja doch sehr schwerwiegende Vorwürfe sind: Kann man damit rechnen, dass sich das Bundesgesundheitsministerium doch noch zu diesen Vorwürfen äußert? – Danke.

Kautz: Wir äußern uns zu allen Presseanfragen – vielleicht nicht so zeitnah, wie sich das die Redaktionen immer vorstellen. Dafür bitte ich um Entschuldigung. Wir antworten aber auf alle Presseanfragen. Aber einen ZDF-Bericht werde ich jetzt an dieser Stelle nicht kommentieren.

Zusatzfrage REITSCHUSTER: Aber Sie können vielleicht kommentieren, warum keine Kohorten, also Panels, erhoben werden und wie Sie generell zu der Kritik stehen, dass das die Bekämpfung der Pandemie sehr, sehr erschwere.

Kautz: Herr Reitschuster, noch einmal: Ich kenne diesen ZDF-Bericht nicht. Ich werde ihn an dieser Stelle nicht kommentieren.

Frage: Meine Frage richtet sich an Herrn Seibert und Frau Sasse. Der russische Präsident Putin hat kürzlich bei einem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg klargestellt, dass er einen weiteren Gastransit durch die Ukraine vom Wohlverhalten dieses Landes abhängig macht. Wie bewertet das die Kanzlerin, die Bundesregierung?

Welchen Einfluss hat das möglicherweise auch auf das Projekt Nord Stream 2 und ein mögliches Moratorium dieses Projekts?

StS Seibert: Wir haben uns dazu ja schon am Wochenende geäußert. Ich kann das gerne noch einmal sagen.

Für die Bundesregierung war es und ist es weiterhin zentral, dass auch mit Nord Stream 2 die Ukraine Gastransitland bleibt. Es gibt einen Transitvertrag – der ist unter Vermittlung der Europäischen Union und auch tätiger Mithilfe der Bundesregierung zustande gekommen -, in dem Russland und die Ukraine die Weichen dafür gestellt haben und damit ein wichtiges Signal für die Gewährleistung der europäischen Gasversorgungssicherheit gesetzt haben. Das ist ein gemeinsames Vertragswerk, von dem wir erwarten, dass es auch eingehalten wird.

Dieser Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine läuft übrigens bis mindestens 2024, hat also eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren. Aber die aktuelle Vereinbarung sieht auch vor, dass die Parteien die Möglichkeit einer Verlängerung bis 2034 prüfen.

Frage REITSCHUSTER: Herr Seibert, ich kann mich gut erinnern. Vor einigen Jahren hat die Bundeskanzlerin gesagt, dass die Bedingung ist, dass das weiter durch die Ukraine läuft. Verstehe ich Sie jetzt richtig, dass das einzig und allein an diesem bilateralen Vertrag zwischen beiden Ländern festgemacht wird? – Danke.

StS Seibert: Unsere zentrale politische Überzeugung hat sich nicht geändert. Die Ukraine muss Gastransitland bleiben. Wir haben als Bundesregierung dafür sehr viel Arbeit investiert. Wir haben die Verhandlungen gemeinsam mit der Europäischen Union begleitet und sind froh darüber, dass 2019 dieser Transitvertrag zustande kam, dessen Einhaltung natürlich zu erwarten ist.

Zusatzfrage REITSCHUSTER: Die Ukrainer machen sich sehr große Sorgen, dass die Russen, wie sie sagen, wieder wortbrüchig werden. Die Bundesregierung hat also als einzige Garantie für die Ukrainer diesen Vertrag oder gibt es noch irgendetwas anderes, das die Bundesregierung den Ukrainern zusichern kann? – Vielen Dank.

StS Seibert: Wir haben hier – aus gegebenem Anlass gerade auch in der letzten Woche – über die verschiedenen Formen der Unterstützung, die Deutschland, die Bundesregierung, der Ukraine schon seit Jahren zukommen lässt, gesprochen. Das alles könnten wir jetzt hier noch einmal erwähnen. Wie gesagt, es gibt einen Vertrag, der unter Vermittlung der EU und der Bundesregierung zustande gekommen ist. Dieser Vertrag ist gültig. Er läuft bis Ende 2024. In dem Vertrag ist zumindest die Möglichkeit einer Verlängerung auf weitere zehn Jahre angelegt. Wir sind überzeugt, dass dieser Vertrag einzuhalten ist.

Frage DR. RINKE: Genau da hätte ich ganz gerne nachgefragt. Herr Seibert, wenn Sie jetzt so betonen, dass der Vertrag bis 2024 läuft und es danach nur eine Option der Verlängerung gibt, hätte ich ganz gerne gewusst, für wie lange Ihr Satz gilt, dass die Bundesregierung sagt, dass die Ukraine Gastransitland bleiben muss. Ist das nur eine Garantie – – –

StS Seibert: Dieser Satz gilt und ist nicht befristet. Ich trage Ihnen halt vor, was die Vertragslage ist. Dieser Vertrag ist auf mindestens fünf Jahre geschlossen. Er läuft also zunächst einmal bis Ende 2024. Unsere Überzeugung ist nicht befristet.

Zusatzfrage DR. RINKE: Um das klar zu verstehen: Sie dringen also darauf, dass dieser Vertrag noch einmal um zehn Jahre verlängert wird?

StS Seibert: Wir dringen vor allem darauf, dass der Vertrag von allen Seiten eingehalten wird. Natürlich ist es eine wünschenswerte Option, dass es auch eine Verlängerung gibt.

Frage : Nur eine Lernfrage: Für wen besteht die Option? Für alle drei Seiten oder für zwei Seiten? Wer kann die Option ziehen?

StS Seibert: Die Parteien, die den Vertrag geschlossen haben. Es ist ein Vertrag zwischen Russland und der Ukraine.

Zusatzfrage : Beide Seiten müssen die Option ziehen? Das heißt, wenn die Russen sagen „Nö, das machen wir jetzt nicht. Wir haben ja eine Leitung zu den Deutschen“, dann haben die Ukrainer Pech. Richtig?

StS Seibert: Es dreht sich im Kreise. Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass dieser bilaterale Gastransitvertrag zustande kommt. Wir haben immer klar gesagt: Auch wenn Nord Stream 2 existiert, muss die Ukraine Gastransitland bleiben.

Dieser Vertrag, der unter deutscher und europäischer Vermittlung zustande gekommen ist, ist sozusagen ein Ergebnis dieser Überzeugung und dieser Bemühungen. Wir sind froh, dass es möglich war, dass die beiden diesen Vertrag geschlossen haben. Wir erwarten, dass er eingehalten wird.

Frage DR. RINKE: Im Nachklapp zu Reisen der Kanzlerinnenberater und einer Staatssekretärin des Auswärtigen Amtes hätte ich ganz gerne gewusst, ob es Neuerungen gibt. Gibt es mittlerweile Klarheit darüber, was die Bundesregierung der US-Seite dafür anbieten könnte, dass diese auf Sanktionen gegen Nord Stream 2 verzichtet?

StS Seibert: Es bleibt dabei: Wir haben ja in der vergangenen Woche darüber gesprochen, dass es Gespräche der Berater der Bundeskanzlerin und der Staatsekretärin aus dem Auswärtigen Amt in Washington gegeben hat und dass diese Gespräche fortgesetzt werden.

Zusatzfrage DR. RINKE: Aber es gibt keine Klarheit darüber, was man der amerikanischen Seite anbieten könnte oder ob man ihr überhaupt etwas anbieten sollte?

SASSE: Ich glaube, dazu können wir nur sagen: Der Inhalt dieser Gespräche ist selbstverständlich weiter vertraulich.

Frage DR. RINKE: Eine Frage an das Bundesfinanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium. Nachdem sich die G7-Finanzminister darauf geeinigt haben, eine Mindeststeuer von 15 Prozent einzuführen, hätte ich ganz gerne gewusst, was eigentlich die Auswirkungen sind, und zwar einmal für den Staat und für die Unternehmen. Hat die Bundesregierung darüber schon einen Überblick? Wenn mehr Steuern gezahlt werden müssen, muss irgendjemand diese ja auch aufbringen.

WOGATZKI: Wenn ich mit einer kurzen Einordnung für alle beginnen kann: Diese Vereinbarungen von Freitag und Samstag können historisch genannt werden. Finanzminister Scholz sprach von einer Steuerrevolution, der britische Finanzminister von einer historischen Einigung und Yellen von einem beispiellosen Schritt. Insoweit möchte ich auf die Äußerungen des Bundesfinanzministers und seiner Kollegen verweisen.

Zu Ihrer konkreten Frage kann ich Ihnen sagen, dass eine genaue Schätzung noch nicht vorliegt. Parameter wurden ja jetzt erst einmal auf der Ebene der G7-Finanzminister festgezurrt. Jetzt geht das Paket an das Inclusive Framework on BEPS zurück, dieses Gremium, das bei der OECD angesiedelt ist und aus 139 Staaten besteht. Dieses Gremium wird jetzt anhand der Vorgaben der G7 die einzelnen Kriterien ausarbeiten, und dann werden sicherlich Schätzungen möglich sein. Gerne möchte ich Sie aber darauf verweisen, dass sich Herr Fratzscher heute auch schon geäußert hat und davon ausgeht, dass das eine gute Lösung für Deutschland ist.

BARON: Ich kann leider auch nicht mit Quantifizierungen dienen; denn es folgt ja wie gesagt nach der Einigung der G7 jetzt ein sehr komplexer Umsetzungsprozess, den Frau Wogatzki umschrieben hat.

Zusatzfrage DR. RINKE: Wenn Sie jetzt Herrn Fratzscher erwähnen, heißt das dann, dass die Bundesregierung auf jeden Fall mit Steuermehreinnahmen rechnet? Ab wann?

WOGATZKI: Wie gesagt, und ich bleibe dabei: Wir können das noch nicht genau quantifizieren. Ich kann Sie aber darauf hinweisen, dass es eine ifo-Studie gab, die allerdings nicht den neuen Parameter einbezieht und deswegen auch nicht ganz gültig ist. Aber auch darin ging man schon davon aus, dass es Deutschland nicht zum Nachteil gereichen wird, wenn man eine Einigung findet.

Zusatzfrage DR. RINKE: Ich habe noch eine Nachfrage an das Finanzministerium. Wir haben ja über die Digitalsteuer eine ähnliche Debatte geführt, und am Schluss gab es die Entscheidung, dass man eine Digitalsteuer – zumindest in Frankreich, das damit begonnen hatte – einführt, weil man nicht so lange auf eine globale Lösung warten möchte. Wäre das Finanzministerium dafür, dass man diese Mindestbesteuerung einführt, auch wenn sich der Kreis der OECD-Staaten nicht in Gesamtheit hinter dieses Projekt stellt, also dass die G7-Staaten dann alleine vorangehen?

WOGATZKI: Wir sind jetzt sehr zuversichtlich, dass der gesamte Prozess einen guten Weg geht, wenn sich die OECD beziehungsweise das Inclusive Framework on BEPS Ende Juni beziehungsweise Anfang Juli geeinigt haben. Dann geht das ganze Projekt ja an die G20. Die G20-Finanzminister werden sich am 9. und 10. Juli in Venedig treffen, und dann soll eine Einigung erzielt werden. Dann soll es ja auch ganz schnell gehen. Die EU hat auch bereits angekündigt, dass sie das zum Anlass für einen einheitlichen Rechtsrahmen für eine Unternehmensbesteuerung nehmen wird, sodass ich hier auf hypothetische Fragestellungen gar nicht antworten möchte.

Frage HASENKAMP: Frankreich setzt gemeinsame Militäreinsätze und auch Beratungsmissionen in Mali aus. War das mit der Bundesregierung und der EU abgesprochen? Wir sehen jetzt die deutschen Pläne aus?

SASSE: Zu Mali kann ich zum einen auf die Ausführungen aus der letzten Woche verweisen; denn wir haben uns ja am vergangenen Montag bereits ausführlich zur Lage eingelassen. Selbstverständlich stehen wir in sehr enger Abstimmung mit Frankreich über die Lage vor Ort und auch die Maßnahmen und den Einsatz, auf den die Kollegen des BMVg sicherlich noch näher eingehen können.

Frankreich hat vorerst seine gemeinsamen Militäroperationen mit den malischen Streitkräften ausgesetzt. Sie wissen, dass Herr Goïta heute eine Rede halten wird. Die läuft, soweit ich weiß, parallel zu dieser Pressekonferenz. Davon wird natürlich auch viel abhängen. Wir werden unser Engagement danach natürlich im Lichte dieser Rede bewerten.

Routsi: Vielen Dank für die Frage. – Sie wissen ja, dass die französische Operation Barkhane eine bilaterale Operation mit Mali ist, bei der französisches Militär gemeinsam mit dem malischen Militär gegen Terroristen vorgeht. Die Einsätze der Bundeswehr, EUTM Mali und MINUSMA, sind ja jeweils in multinationale Rahmenbedingungen eingebettet. Für uns zeichnet es sich im Moment so ab, dass die Vorgänge in Mali keinen Einfluss haben und auch die Sicherheitslage entsprechend unverändert ist. Selbstverständlich beobachten wir das nach wie vor weiter. Auch die Bundeskanzlerin hat ja sehr deutlich gemacht, dass ein militärisches Engagement in Mali erforderlich bleibt.

Frage DR. RINKE: Frau Sasse, gibt es da nicht eine Kleine Differenz zwischen beiden Ministerien? Sie sagten, man warte jetzt die Rede ab und beurteile danach, wie man weiter vorgehen möchte, und das Verteidigungsministerium sieht keinen Einfluss auf das deutsche Engagement, weil es multinational sei. Worauf bezieht sich dann also das, was das Auswärtige Amt nach der Rede der Machthaber in Mali eigentlich neu bewerten möchte?

Routsi: Herr Rinke, darf ich da ganz kurz einhaken? Wenn ich das nicht gesagt haben sollte, dann tue ich es jetzt: Derzeit! Die Lage ist natürlich volatil, ist veränderbar, und die Einschätzung, die Sie von mir bekommen, ist eine Momentaufnahme.

Zusatzfrage DR. RINKE: Gut, aber dann muss ich an Sie eine Nachfrage richten: Heißt „derzeit“ nur „bis zur Rede, die es in einer oder zwei Stunden geben wird“?

Routsi: Wir werden das natürlich mit großem Interesse verfolgen und auswerten. Die Bundeswehr setzt ihre Aufträge natürlich im Rahmen der Mandate fort, und dieser Mandatierungsprozess ist ja festgezurrt. Wenn sich eine neue politische Lage ergibt, dann wird das unter Umständen natürlich auch zu Veränderungen führen. Aber ich kann Ihnen jetzt nur einen aktuellen Sachstand geben, der so ist, dass das im Moment keinen Einfluss hat.

SASSE: Vielleicht noch einmal kurz zur Klarstellung, Herr Rinke: Für uns steht natürlich weiterhin in Mali im Vordergrund, dass der zivile Übergangsprozess fortgesetzt wird und dass auch die für Februar geplanten Wahlen stattfinden. Im Lichte dieser Interessen, die ich gerade dargestellt habe, werden wir die Entwicklung prüfen und begutachten.

Frage : Ich habe zwei Fragen, zum einen – – –

Vorsitzender Feldhoff: Eine Frage, eine Nachfrage!

Zusatzfrage : Nein. Ich möchte darauf hinweisen, dass eine Frage, die letzte Woche gestellt wurde und zu der die Antwort nachgereicht werden sollte, noch nicht beantwortet wurde, nämlich ob die Bundeswehr diejenigen ausgebildet hat, die jetzt die Regierung weggeputscht haben. Darauf schulden Sie uns noch eine Antwort.

Habe ich es zweitens richtig verstanden, dass die Franzosen die malische Armee jetzt nicht mehr ausbilden, zumindest temporär, aber wir weiterhin schon? Ist das korrekt?

Routsi: Was die Nachreichung angeht, Herr Jung: Da sind wir dran. Das haben wir Ihnen ja auch am Freitag zugesagt. Ich hoffe, dass ich vielleicht bis spätestens zur kommenden Regierungspressekonferenz am Mittwoch Informationen zusammentragen und ermitteln kann.

Falls Sie Fragen zur französischen Operationsführung haben, müssen Sie die an das französische Verteidigungsministerium richten.

Zusatz : Aber es wurde ja schon öffentlich beantwortet, dass sie aktuell die Ausbildung aussetzen. Warum setzt die Bundeswehr die Ausbildung dann nicht aus?

Routsi: Wir haben zwei mandatierte Aufträge, und denen kommen wir nach.

StS Seibert: Die französische Operation Barkhane – das ist ja hier gesagt worden – hat in der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Barkhane und den malischen Streitkräften einen anderen Inhalt als unsere multilaterale Beteiligung an den Trainingsmissionen. Deswegen müssen Sie sich nach dem französischen Einsatz dann bei den Franzosen erkundigen. Aber es gibt da erhebliche operative Unterschiede.

Frage: Frau Haas, es geht um den Stand der Dinge, was die geplante Verlängerung der Kurzarbeitsregeln angeht. Herr Heil hatte ja angekündigt, dass die kommen soll. Es war eine Ressortabstimmung eingeleitet worden. Wie ist da der Stand der Dinge und, vor allen Dingen, wann wird das ins Kabinett kommen?

Haas: Ehrlich gesagt ist der Stand der Dinge genau so, wie Sie ihn richtig zusammengefasst haben. Wir befinden uns in der Ressortabstimmung. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir zeitnah auch die Kabinettsbefassung erreichen werden.

Zusatz: Aber die Zeit drängt ja doch etwas. Bis Ende Juni gilt die Regelung.

Haas: Umso mehr hoffen wir darauf, dass wir zeitnah die Kabinettsbefassung erreichen werden.

Vorsitzender Feldhoff: Ich sehe Ihren skeptischen Blick, aber mehr gibt es offensichtlich zurzeit nicht zu sagen.

Haas: Ich kann Ihnen sagen, dass es von allen Seiten positive Signale gibt und dass, soweit ich weiß, die gesamte Bundesregierung ein Interesse daran hat, zeitnah die Regelung zum Kurzarbeitergeld zu verlängern. Ich kann Ihnen natürlich nicht über die Details der Ressortabstimmung Auskunft geben, aber ich mutmaßte jetzt einmal, dass das in nächster Zukunft Thema im Kabinett sein wird.

Frage GLUCROFT: Können Sie bestätigen, dass die Nominierung der nächsten US-Botschafterin oder des nächsten US-Botschafters jetzt gerade im formellen Austausch stattfindet oder demnächst stattfinden wird, oder weiß die Kanzlerin schon mehr Bescheid?

SASSE: Dazu kann ich heute nichts berichten.

StS Seibert: Ich auch nicht.

Frage : Die Frage bezieht sich auf Proteste am letzten Wochenende, bei denen ein Dutzend Pressevertreter von der Polizei bei ihrer Berichterstattung über die Proteste gegen den Ausbau der A 100 in Berlin behindert worden seien. Mindestens zehn dieser Journalistinnen und Journalisten waren mit bundeseinheitlichen Presseausweisen unterwegs. Gibt es dazu eine Stellungnahme des BMI oder des Verkehrsministeriums, weil die Autobahn GmbH ja dem Verkehrsministerium untersteht?

ALTER: Ich kann zu dem Sachverhalt keine Stellung beziehen. Mir sind die Medienberichte darüber bekannt, ich kenne aber keine Details dieses Vorgangs. Die müssten Sie bei der Polizei Berlin in Erfahrung bringen.

Frage REITSCHUSTER: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und gegebenenfalls auch Herrn Alter. Die epidemische Lage soll ja über die Bundestagswahl hinaus verlängert werden. Nun gibt es Parteien, die sagen, das sei eine Verzerrung des Wettbewerbs. Herr Bartsch, der Fraktionsvorsitzender der Linken, hat etwa gesagt, seine Partei leide darunter besonders, weil sie im Wahlkampf besonders viel mit den Menschen arbeite. Wie wollen Sie solchen Befürchtungen begegnen? Wie wollen Sie hier eine Wettbewerbsverzerrung der Wahlen vermeiden?

StS Seibert: Um es einmal klarzumachen: Worum geht es bei dieser sogenannten epidemischen Lage von nationaler Tragweite? – Der Bundestag hat sie festgestellt, und nach Infektionsschutzgesetz kann nur der Bundestag diese epidemische Lage von nationaler Tragweite entweder aufheben oder verlängern, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Warum ist das etwas, was sehr bedenkenswert ist? – Weil die Feststellung dieser epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch das Parlament die Voraussetzung für alle zentralen Regelungen zur Eindämmung der Pandemie ist. Durch diese Feststellung hat der Bundesgesundheitsminister die Möglichkeit, Verordnungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zur Bewältigung der Pandemiefolgen zu erlassen, und zwar im Bereich des Infektionsschutzes, des Gesundheitswesens, der Pflege, der Impf-, der Test-, der Einreiseverordnung. Das alles hängt in gewisser Weise daran. Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ist genauso Voraussetzung für die speziellen Maßnahmen, die die Bundesländer zur Eindämmung des Virus erlassen können. Zum Beispiel wurden im vergangenen Sommer Maßnahmen ergriffen, als es regionale Ausbrüche im Zusammenhang mit der Fleischverarbeitungsindustrie gab.

Da wir bei allen positiven Entwicklungen, über die wir alle gemeinsam uns ja sehr freuen, noch nicht sagen können, dass die Pandemie vorbei sei, ist es also wichtig, darüber zu beraten, ob die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite fortbestehen soll. Ich habe bereits am Freitag gesagt, dass die Bundeskanzlerin eine solche Verlängerung unterstützt. Es ist nicht an mir, zu sagen, bis wann sich eine solche Verlängerung erstrecken soll. Denn es ist der Gesetzgeber, der Bundestag, der das berät und darüber beschließt.

Einen Zusammenhang mit den Wahlkampfanstrengungen aller Parteien – zumal ich annehme, dass alle für sich in Anspruch nehmen, dass sie versuchen, auf die Bürger und Bürgerinnen im Wahlkampf zuzugehen – sehe ich nicht.

Zusatzfrage REITSCHUSTER: Nun haben Sie sich ganz auf die epidemische Lage konzentriert. Vielleicht haben wir da ein Missverständnis.

StS Seibert: Aber darum ging es doch.

Zusatz REITSCHUSTER: Nein, es ging in erster Linie darum, ob durch die Coronasituation, durch mögliche Einschränkungen eine Wettbewerbsverzerrung im Bundestagswahlkampf möglich ist, und darum, was die Bundesregierung tut, um das zu vermeiden.

StS Seibert: Meiner Erinnerung nach hatten Sie mich nach der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gefragt. Deswegen habe ich Ihnen diese Antwort gegeben, weil es wichtig ist, dass Menschen verstehen, worum es dabei geht. Daran hängen dann tatsächlich viele Einzelmaßnahmen, die Land oder Bund ergreifen können. Deswegen kann ich mich hier nicht pauschal und spekulativ dazu äußern, welche Maßnahmen im August oder September möglicherweise noch ergriffen werden oder auch nicht mehr nötig sein werden. Das ist nicht der Ausblick, den ich Ihnen hier geben kann.

Frage JESSEN: Frau Routsi, treffen Berichte zu, dass zu den Bundeswehrbeständen, die beim Abzug aus Afghanistan rückgeführt werden müssten, eine größere Zahl von Bierdosen und Spirituosen gehört?

Falls ja, welchen Umfang hat das und was geschieht mit diesen Spirituosen und Biermengen?

Routsi: Vielen Dank. Wir haben die Berichterstattung darüber natürlich auch sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen. Ich würde gern ein bisschen dazu beitragen, das Ganze etwas zu versachlichen.

Aufgrund der hohen Bedrohungslage in Afghanistan im Moment hat der Kontingentführer den beschränkten Alkoholausschank, der sonst üblich gewesen ist, eingeschränkt und gestoppt. Bereits kommissionierte und auf dem Weg befindliche Ware wurde ebenfalls gestoppt und zurückgeführt.

Man hat dann natürlich prüfen müssen, was mit den Beständen geschehen soll. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Leute teilweise ein halbes Jahr, manche auch ein ganzes Jahr dort vor Ort sind. Wenn die Bedrohungslage es erlaubt, dann ist das auch in Ordnung für uns gewesen. Aber die Sicherheitslage hat sich einfach verändert und musste natürlich entsprechend angepasst werden.

Als man die unterschiedlichen Optionen geprüft hat, hat man natürlich auch rechtliche Bedingungen mit einbeziehen müssen sowie interkulturelle Bedingungen und auch religiöse Bedingungen in die Entscheidungsfindung mit einfließen lassen. Man hat sich dafür entschieden, einen Rahmenvertragspartner zu beauftragen, der die Ware dort übernimmt und dann entsprechend damit umgeht, sodass es zu einer guten Lösung gekommen ist.

Zusatzfrage JESSEN: Bedeutet das, dass diese Mengen nicht zurückgeführt werden, sondern in Afghanistan verbleiben, oder übernimmt der Vertragspartner diese Mengen und verschifft sie wohin auch immer?

Routsi: Nein, aufgrund des Stationierungsabkommens von Deutschland mit Afghanistan ist die Einfuhr alkoholischer Getränke außerhalb des Camps nach Afghanistan verboten. Das heißt, es wird übernommen und ausgeführt.

Frage : Es wird auch berichtet, dass Teile der Ausstattung aus Büros und Unterkünften aus dem Camp Marmal an Afghanen verkauft werden. Welche Teile sind das, und warum werden sie da verkauft?

Routsi: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Darüber liegt mir keine Information vor.

Zusatzfrage : Können Sie es nachreichen?

Routsi: Wenn es etwas nachzureichen gibt, dann reiche ich das nach. Aber davon habe ich nichts gehört.

Frage JESSEN: Wenn Sie „ausgeführt“ sagen, bedeutet das dann „ausgeführt nach Deutschland“?

Routsi: Das betrifft Details, die mit einem Rahmenvertragspartner verhandelt wurden. Ich würde Sie bitten, sich an die Pressestelle des Einsatzführungskommandos zu wenden. Dort wird man Ihnen die Details, die Sie noch benötigen, gern übermitteln.

Frage: Wie sehen das Auswärtige Amt beziehungsweise das BMVg die zahlreichen Angriffe und Gebietsübernahmen durch die Taliban seit der vergangenen Woche?

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Sicherheitslage für die afghanischen Ortskräfte?

Die Taliban haben die Ortskräfte offenbar aufgefordert, in Afghanistan zu bleiben. Ist diese Bleibeaufforderung realistisch? Kann man ihr trauen?

SASSE: Zunächst einmal zur grundsätzlichen Lage in Afghanistan und den Meldungen, die es dazu auch übers Wochenende gab: Man muss feststellen, dass das Gewaltniveau in Afghanistan sehr hoch bleibt. Diese Entwicklung konnten wir bereits in den vergangenen Monaten beobachten. Sie setzt sich fort und schließt Kämpfe zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften natürlich ein. Diese Sicherheitskräfte stehen weiterhin im Fokus der Taliban. Auch die Zahl der zivilen Opfer ist in den letzten Wochen aufgrund der verstärkten Kampfhandlungen, aber auch durch Sprengfallen und verabscheuungswürdige Anschläge wie zuletzt in der Nähe einer Mädchenschule in Kabul – dazu hatten wir ja auch schon Stellung genommen – bedauerlicherweise wieder angestiegen.

Wir rufen an dieser Stelle die Taliban noch einmal dazu auf, die Waffen niederzulegen und auf friedlichem Wege eine Verhandlungslösung zu suchen. Der Friedensprozess läuft ja weiterhin. Wir unterstützen ihn mit vollem Einsatz.

Routsi: Ich kann noch ergänzen, dass die Rückverlegung seit dem 18. Mai planmäßig verläuft. Wir konzentrieren uns jetzt gemeinsam mit unseren multinationalen Partnern vor Ort darauf, dass das alles so sortiert weiterläuft. Natürlich gibt es unterschiedlichste Schutzkomponenten; darüber haben wir auch berichtet.

Ansonsten schließe ich mich Frau Sasse natürlich an. Es ist eine bemerkenswerte Lage, die sich immer weiterentwickelt. Wir haben sie sehr genau im Blick, weil die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten für uns natürlich oberste Priorität hat.

Vorsitzender Feldhoff: Die Frage war, glaube ich, auch, wie Sie die Sicherheitslage für die noch bei der Bundeswehr beschäftigten afghanischen Ortskräfte einschätzen, und bezog sich auch auf die von den Taliban ergangene Bleibeaufforderung.

Routsi: Darüber habe ich keine Erkenntnisse. Wenn es dazu etwas nachzureichen gäbe, würde ich das gern nachreichen wollen.

Frage KLISS: Für die Ortskräfte gilt ja die Zweijahresregel. Alle, die in den letzten zwei Jahren für die Bundeswehr gearbeitet haben, können eventuell mit Schutz rechnen. Sind die Menschen, die in den Jahren davor für die Bundeswehr gearbeitet haben, weniger wert, geschützt zu werden? Die Frage geht an Herrn Alter und auch an das Bundesverteidigungsministerium.

Routsi: Wir haben dieses Thema hier wirklich schon gehabt. Die Ministerin hat mehrfach betont, dass die Frauen und Männer, die uns dort Unterstützung geleistet haben, auch unseren Schutz verdienen. Über das Thema der Zweijahresregel haben wir uns hier auch ausgelassen. Ich würde Sie bitten, vielleicht einmal im Protokoll nachzuschauen. Ich habe jetzt keine neuen Informationen für Sie.

ALTER: Wir nehmen die Sorgen der Menschen, die einen Aufnahmeantrag stellen, sehr ernst. Auch das haben wir hier mehrfach betont. Wir gehen nach einem Verfahren vor, worauf sich die Bundesregierung vor vielen Jahren verständigt hat, und zwar einstimmig. Dieses Verfahren sieht vor, dass es zwischen der individuellen Gefährdung einer Ortskraft, die für unsere Entscheidung erkennbar sein muss, und der Beschäftigung auch einen zeitlichen Zusammenhang geben muss. Es soll nicht so sein, dass – ich überspitze jetzt bewusst – jemand vor vielleicht 25 Jahren oder in dem Fall vor 15 Jahren ein Beschäftigungsverhältnis hatte und bei ihm jetzt plötzlich eine individuelle Gefährdung auftaucht. Deswegen ist eine gewisse Frist vereinbart worden. Wir sind der Auffassung, dass sich dieses Verfahren bislang bewährt hat.

Frage : Das ist ja interessant. Den Taliban ist es doch egal, ob eine Ortskraft vor zehn Jahren für die Deutschen gearbeitet hat oder vor 20 Jahren.

ALTER: Wie lautet Ihre Frage?

Zusatzfrage : Warum ist Ihnen das egal?

ALTER: Nein, das ist in der Bundesregierung niemandem egal, sondern es geht darum, dass wir eine besondere Fürsorgepflicht für diejenigen ausüben, die im Dienste der Bundesregierung standen, und dass eine individuelle Gefährdung in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stehen muss. Für den Aspekt des zeitlichen Zusammenhangs hat sich die Bundesregierung für eine Frist von zwei Jahren ausgesprochen, und so wird es seit vielen Jahren praktiziert.

Zusatzfrage : Weiß das Verteidigungsministerium immer noch nicht, wie viele Ortskräfte zwischen 2001 und 2012 für uns gearbeitet haben?

Routsi: Wir haben darüber hier schon mehrfach gesprochen. Ich habe keine neuen Informationen.

Zusatz : Das wissen Sie also nicht.

Routsi: Das haben Sie behauptet. Diese Antwort mache ich mir nicht zu eigen. Wir haben uns hier dazu insofern eingelassen, als dass wir auch gesagt haben, dass das schutzwürdige Informationen sind. Über die Zahlen hinaus, die wir hier berichtet haben – das können Sie ebenso in den Protokollen nachsehen -, habe ich keine neuen Erkenntnisse.

Frage ECKSTEIN: Heute gab es bundesweite Razzien gegen Mitglieder der organisierten Kriminalität. Grundlage dafür sollen die vom FBI gehackten Kryptohandys sein. War die Bundespolizei oder das Bundesinnenministerium in diese Aktion eingebunden? Wie lief der Kontakt mit den US-Sicherheitsbehörden, über die Bundespolizei beziehungsweise über das BMI?

Welche Bedeutung hat dieser erneute Hack sogenannter Kryptohandys für die Sicherheitsbehörden?

ALTER: Ich kann bestätigen, dass es derzeit unter anderem in Deutschland, aber auch in anderen Staaten dieser Welt strafprozessuale Maßnahmen gegen Personen, die im Verdacht stehen, organisierte Kriminalität begangen zu haben, gibt. Diese Maßnahmen laufen derzeit. Sie werden von Europol koordiniert.

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich derzeit zu den laufenden Maßnahmen weder eine Einschätzung noch einen Kommentar abgeben kann. Es ist vorgesehen, dass Sie nach Abschluss der Maßnahmen auch presseöffentlich darüber informiert werden.

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