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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 14. Juli 2021

Themen: Reise der Bundeskanzlerin in die USA, Kabinettssitzung (Eckpunktepapier deutsche Auslandsschulen, Waldbericht 2021, Bericht der Bundesregierung zum Stand des Bürokratieabbaus und zur besseren Rechtsetzung für das Jahr 2020, staatliche Förderung mobiler Luftreiniger für Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen), COVID-19-Pandemie, Entwurf eines Tätigkeitsberichts der OVCW für 2020, Abschiebungen nach Afghanistan, Truppenabzug aus Afghanistan, Umgang mit Extremwetterereignissen, wirtschaftliche Tätigkeit deutscher Konzerne in Weißrussland, mögliches Ziel des Verbots von Pkw-Emissionen bis 2035 im Rahmen des Fit-for-55-Pakets der EU-Kommission

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Intro

0:15 Merkel in Washington
– was ist der Unterschied zwischen einem „Gedankenaustausch“ und zB einem Meeting? (4:38)
– „Gedankenaustausch“ haben Sie noch nie verwendet…

5:50 Bericht aus dem Kabinett
11:46 Förderung von mobilen Luftfiltern
13:58 Fake News von RTDeutsch über „Kreuzimpfungen“
15:25 Fake News Entlarvung durch Frank Jordans

16:55 Hygienekonzepte bei Massenevents
– muss man über die Regeln für diese Events nochmal nachdenken? Dort galt ja: Entweder vollständig geimpft, negativ getestet oder genesen. Bei „negativ getestet, kann man ja dennoch infiziert sein. Müsste eventuell dieses Kriterium geändert werden? (ab 18:50)
– in den USA ist in vielen Staaten Standard, dass nur vollständig Geimpfte zu Massenevents kommen dürfen. Ist das die sicherste Variante?

23:33 Fake News II von RTdeutsch

25:53 Abschiebungen nach Afghanistan
– was muss da „geprüft“ werden? Ob die Verbalnote echt ist?
– Sie beziehen ja auf den alten Asyllagebericht von vor einem Jahr. Warum warten Sie nicht auf den neuen Bericht in ein paar Tagen?

34:17 Soldatenehrung/Afghanische Kriegsopfer
– am 31.8. sollen die Soldaten gewürdigt werden: mit Gedenken für die Gefallenen am Ehrenmal der Bundeswehr, Abschlussappell im Bendlerblock mit dem Bundespräsidenten, Empfang im Parlament durch Bundestagspräsidenten & Großem Zapfenstreich vor dem Bundestag. Nur lese ich bisher nichts vom Gedenken an die afghanischen Kriegsopfer. Wie soll das passieren?
– wann wird es denn ein Gedenken für die afghanischen Opfer geben – durch die Bundeswehr, durch den Krieg, an dem wir teilgenommen haben?

40:58 Fake News II Entlarvung durch Auswärtiges Amt

44:30 Belarus
– Siemens, BASF, VW, Bayer vor Ort arbeiten weiter mit dem Regime zusammen und verdienen Geld in Belarus. Mercedes liefert Luxusautos für Lukashenkos Fuhrpark. Siemens beliefert Kraftwerke in Belarus mit Gasturbinen. Warum wird das nicht sanktioniert, warum das nicht unterbunden? Warum dürfen deutsche Unternehmen immer noch Profit machen mit dem belarussischen Regime?
– die Bundesregierung könnte sich auf europäischer Ebene einsetzen, dass diese Sanktionen eingesetzt werden sodass zB deutsche Unternehmen keinen Profit mehr in Belarus machen. Planen Sie das oder ist das in Ordnung, dass die deutschen Unternehmen dort Geld machen können?

50:55 Südafrika
– könnten Sie uns eine Einschätzung der Lage in Südafrika geben? Dort gibt es ja landesweite Proteste nach der Festnahme von Ex-Präsident Zuma

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 14. Juli 2021:

VORS. WELTY eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

STS SEIBERT: Guten Tag! Ich habe eine Ergänzung zum Programm der Bundeskanzlerin in Washington. Ein Element habe ich Ihnen noch nachzureichen, nämlich dass die Bundeskanzlerin morgen früh Washingtoner Zeit mit der Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, Kamala Harris, zu einem Gedankenaustausch zusammentreffen wird. Alles andere wissen Sie schon.

FRAGE BLANK: Herr Seibert, könnten Sie die Hauptthemen nennen, die die Kanzlerin mit Frau Harris besprechen wird?

STS SEIBERT: Das ist ein Gedankenaustausch in der ganzen Breite der Beziehungen.

FRAGE WARWEG: Ich habe eine Verständnisfrage zu dem Themenkatalog der Kanzlerin. Angela Merkel liegen ja auch die Menschen- und Völkerrechte immer sehr am Herzen. Werden auch Themen wie die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo oder die Freilassung von Julian Assange Agenden bei diesem Treffen sein?

STS SEIBERT: Über das Thema Assange haben wir bereits am Montag gesprochen, in der Vergangenheit ohnehin mehrfach. Dem habe ich jetzt nichts hinzuzufügen.

Wir haben einige Themen genannt, von denen man ziemlich sicher sein kann, dass sie Schwerpunkte der mehreren Gespräche, die die Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten führen wird, sein werden. Solche Listen sind natürlich vor einem Treffen nie vollständig. Manches ergibt sich erst. Ich kann darüber hinaus keine weiteren Themen ansprechen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Könnten Sie noch sagen, ob Guantánamo ein Thema der Gesprächsagenda ist, ja oder nein?

STS SEIBERT: Es ist nicht üblich, dass man vorher sagt: Dies und das wird auf jeden Fall drankommen. – Der Gedanke solcher Gespräche ist ja nicht, dass man starr eine Liste abarbeitet, sondern Gott sei Dank gibt es nicht nur das Vieraugengespräch der Bundeskanzlerin, das Delegationsgespräch und das Abendessen. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten und Formaten, um wirklich tiefe und eingehende Beratungen zu führen und einen Meinungsaustausch zu vielen Themen zu haben. Die Bundeskanzlerin und der US-Präsident werden auch eine Pressekonferenz abhalten, in der sie noch weiter über ihre Gespräche berichten.

FRAGE JORDANS: Ich stelle meine Frage jetzt, weil sie auch einen Bezug zur USA-Reise hat. – Der Bundesaußenminister hat gestern davor gewarnt, dass vor allem China die Versorgung mit Impfstoffen nutzt, um politische Forderungen an unterschiedliche Länder zu stellen. Stimmt die Bundeskanzlerin dem zu, und wird sie dieses Thema bei ihrem Besuch in Washington mit Präsident Biden ansprechen, um eine gemeinsame Linie zu finden?

STS SEIBERT: Auch wenn ich gerade gesagt habe, man könne dies nicht vorhersagen: Ich denke, dass das Verhältnis sowohl der USA zu China als auch Deutschlands zu China und der Europäischen Union zu China ein Thema sein wird. Das kann man schon einigermaßen sicher vorhersagen. Das hat auch beim G7-Gipfel eine wichtige Rolle gespielt, bei dem sich die Bundeskanzlerin und der amerikanische Präsident das letzte Mal begegnet sind. – So viel dazu.

Für uns ist immer wichtig gewesen, dass klar ist: Die Europäische Union ist einer der wesentlichen Exporteure von Impfstoff. Sie hat von dem, was auf europäischem Territorium hergestellt wurde ich kenne jetzt nicht die genauen Zahlen der letzten Zeit , im Großen und Ganzen so viel exportiert, wie auch selbst verbraucht wurde. Das ist wichtig. Die Rolle des Exporteurs von Impfstoff hat von vornherein nicht nur China gehabt, sondern auch die Europäische Union. Uns ist das sehr wichtig.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Die Bundeskanzlerin hat am Montag eine Gabe von 1,5 Millionen Dosen Impfstoff an die Ukraine verkündet. Hängt das in irgendeiner Weise mit dem Druck zusammen, den China letzten Monat im UNO-Menschenrechtsrat auf die Ukraine ausgeübt hat, um anders zu stimmen?

STS SEIBERT: Das hängt mit der engen Partnerschaft zusammen, die wir mit der Ukraine haben, und mit dem Wissen um die Schwierigkeiten der Ukraine, an ausreichend Impfstoff zu kommen. Deswegen hat die Bundeskanzlerin diese Ankündigung gemacht.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, ich habe nur eine Lernfrage: Was ist der Unterschied zwischen einem Gedankenaustausch und einem Meeting?

STS SEIBERT: Es ist jedermann überlassen, sich das eine und das andere vorzustellen. Den Begriff „Meeting“ würde ich hier nicht verwenden, weil, wie wir wissen, in der Bundespressekonferenz ich wurde ja neulich darauf hingewiesen die Verkehrssprache Deutsch ist. Meeting bedeutet eigentlich nicht mehr, als dass zwei Menschen im gleichen Raum sind. Ein Gedankenaustausch ist das, was man anstrebt, wenn man unter Partnern und Freunden zusammensitzt, zuhört, was den anderen bewegt und was die Interessen des anderen sind, eigene Interessen erklärt, Gemeinsamkeiten herausarbeitet und über Unterschiede spricht. Das ist ein Gedankenaustausch.

ZUSATZ JUNG: Ich habe mich nur gewundert, weil Sie sonst nie dieses Wort verwenden. Das Treffen zwischen Frau Harris und Frau Merkel hörte sich nach „zwischen Tür und Angel“ an.

STS SEIBERT: Das wird mit Sicherheit nicht zwischen Tür und Angel sein. Ich wüsste nicht, dass ich diesen Eindruck gegeben hätte.

Ich komme jetzt zum Kabinett. Das erste Thema, mit dem sich das Bundeskabinett befasst hat, ist das Eckpunktepapier deutsche Auslandsschulen. In den Jahren 2019 und 2020 gab eine umfassende Evaluierung des Auslandsschulgesetzes. Das Eckpunktepapier, das das Kabinett heute verabschiedet hat, beschreibt zentrale Reformschritte.

Man kann grundsätzlich sagen: Die deutschen Auslandsschulen ermöglichen Menschen eine Bildungsbiografie verbunden mit Deutschland. Das ist eine Basis für ein vertieftes Verständnis über kulturelle nationale Grenzen hinweg. Beispielsweise hat sich herausgestellt, dass ein erheblicher Teil der Absolventinnen und Absolventen deutscher Auslandsschulen seine Ausbildung an Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland fortsetzt. Diese Schulen sind eine Brücke zwischen unserem Land und vielen anderen Ländern. Sie sind auch für die deutsche Wirtschaft, für deutsche Unternehmen ein wichtiger Standortfaktor im Ausland.

Das Papier spricht sich perspektivisch noch für eine verstärkte Förderung des Inklusionsgedankens an den deutschen Auslandsschulen aus.

Das zweite Thema sehr wichtig ist der Waldbericht 2021 gewesen. Er gibt einen Überblick über den Wald in Deutschland, die Waldschäden und Maßnahmen sowohl der nationalen als auch der internationalen Waldpolitik in den Jahren 2017 bis 2021.

In unseren Wäldern sind die Folgen des Klimawandels deutlich sichtbar. Nahezu alle Hauptbaumarten sind beeinträchtigt. Dies hat für die betroffenen Forstbetriebe schwerwiegende wirtschaftliche Folgen. Bund und Länder haben nun zur Unterstützung der Forstbetriebe und zur Bewältigung der Waldschäden ein umfassendes Hilfspaket in Höhe von 1,5 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Es wird unter anderem über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, die Nachhaltigkeitsprämie Wald, das Investitionsprogramm Wald das Investitionsprogramm Holzwirtschaft und das Förderprogramm Klimafreundliches Bauen mit Holz umgesetzt.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung weitere Maßnahmen zur nachhaltigen Bewirtschaftung der deutschen Wälder ergriffen. Dazu nenne ich die Stichworte „Nationale Waldstrategie“, „Charta für Holz 2.0“ und „Nationale Biodiversitätsstrategie“.

Wichtig ist auch, dass wir da in internationalen Aktivitäten vernetzt und aktiv sind. Es gibt Maßnahmen für Entwicklungsländer zur Verringerung von Emissionen aus der Entwaldung und der Degradierung von Wäldern. Wir fördern entwaldungsfreie Lieferketten bei wichtige Agrarrohstoffen, die in die EU und auch nach Deutschland importiert werden.

Das ist das, was ich dazu gerne sagen würde.

Dann gab es den jährlich dem Deutschen Bundestag vorzulegenden Bericht der Bundesregierung zum Stand des Bürokratieabbaus und zur besseren Rechtsetzung für das Jahr 2020. Das ist ein Bericht über den Stand des Bürokratieabbaus im Rahmen der Zielvorgaben, die wir uns gesetzt haben, über die Erfahrungen mit der angewandten Methodik, um den Erfüllungsaufwand zu schätzen, über die Entwicklung des Erfüllungsaufwands in den einzelnen Ministerien und über die Ergebnisse und Fortentwicklung auf dem Gebiet der besseren Rechtsetzung. Das betrifft den Zeitraum von Januar bis Dezember 2020. Es gibt eine detaillierte Pressemitteilung, auf die ich Sie an dieser Stelle gerne verweisen möchte.

Ein weiterer Punkt: Sie wissen, dass es immer eine Aussprache über die aktuelle Coronasituation gibt. Informationen durch den Bundesgesundheitsminister leiten das immer ein. In diesem Zusammenhang kann ich berichten, dass heute im Kabinett auch der Bundeswirtschaftsminister, Peter Altmaier, zu diesem Thema berichtet hat, und zwar über die staatliche Förderung mobiler Luftreiniger für Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen. Wir haben dies hier häufig besprochen.

Für den Kita- und Schulbereich sind Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen von großer Bedeutung. Obwohl die Länder originär dafür zuständig sind, ziehen Bund und Länder gemeinsam an einem Strang mit dem Ziel, das Infektionsrisiko bei der Kinderbetreuung und im Präsenzunterricht so weit wie möglich zu reduzieren. Man muss bei alledem bedenken: Für Kinder unter zwölf Jahren kann es derzeit noch kein Impfangebot geben.

Der Bund wird die Länder mit insgesamt 200 Millionen Euro unterstützen. Damit soll zeitnah eine möglichst breite Ausstattung von Räumen, die nur eingeschränkt belüftbar sind, mit mobilen Luftreinigungsgeräten ermöglicht werden.

Die Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes hat sich dazu geäußert und gesagt: In Räumen mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit können mobile Luftreinigungsgeräte einen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität leisten, wenn man bestimmte Anforderungen an die Technologie, an den Aufstellungsort und an den Betrieb beachtet. – Eine Arbeitsgruppe des Umweltbundesamtes wird dafür baldigst entsprechende Kriterien entwickeln, die dann bei den Länderförderungen berücksichtigt werden sollen.

Das war der Bericht aus dem Kabinett.

FRAGE BLANK: Könnten Sie ungefähr beziffern, wie viele dieser mobilen Luftreinhaltegeräte von den geplanten Zuschüssen in Höhe von 200 Millionen Euro finanziert werden können? Hat man einen Überblick darüber, wie viel das ergeben kann?

STS SEIBERT: Da der Wirtschaftsminister dieses Thema eingebracht hat, bitte ich das Bundeswirtschaftsministerium um Hilfe.

WAGNER: Ich kann Ihnen jetzt keine genaue Zahl dazu nennen. Das hängt auch davon ab, dass auch die Länder ihren Anteil dazu erbringen werden. Ein Anteil von mindestens 50 Prozent ist von den Ländern zu erbringen. Dadurch wird die Summe erhöht. Im Endeffekt wird das auch von der Marktlage abhängen, zu welchem Preis diese Produkte erworben werden können. Insofern können wir jetzt keine sichere Prognose abgeben. Sie können wahrscheinlich grob über den Daumen peilen, wenn Sie sich einschlägige Produkte anschauen, wie viel das dann bedeuten kann.

ZUSATZFRAGE BLANK: Sie wissen, wir machen das sehr ungern, und hätten eher von Ihnen eine Schätzung. Die werden Sie ja schon gemacht haben, grob über den Daumen gepeilt. Wenn man für die festen Anlagen 50 000 Euro pro Stück ansetzt, wird es für die mobilen Anlagen weniger sein. Haben Sie das nicht überschlägig gerechnet?

WAGNER: Ich kann Ihnen jetzt tatsächlich keine Zahlen nennen. Das Programm ist eine Unterstützung für die Länder, die die mobilen Luftreinigungsanlagen zum Teil schon selbst fördern und auch selbst beschaffen. Die zusätzlichen Mittel des Bundes werden bereitgestellt und ergänzen die Beschaffungen der Länder und deren Förderprogramme. Sie können und sollen sie natürlich nicht in Gänze ersetzen, sondern sie sollen zusätzliche Mittel dafür bereitstellen. Ich vermute, dass Sie den besten Eindruck davon bekommen, wenn Sie einmal bei den Ländern anfragen, zu welchen Konditionen dort bisher mobile Luftreinigungsgeräte angeschafft worden sind.

ZUSATZFRAGE BLANK: Können Sie sagen, wie viel Geld schon für den Einbau von stationären Anlagen aus dem Programm geflossen ist?

WAGNER: Ja. Bisher sind, ich glaube, rund 75 Millionen Euro für den Einbau abgeflossen.

FRAGE WARWEG: Die Chefwissenschaftlerin der WHO hat sich am Montag in Genf sehr explizit gegen Kreuzimpfungen ausgesprochen. Ich zitiere kurz:

„Es handelt sich … um einen gefährlichen Trend. Wir befinden uns auf einem daten- und belegfreien Gebiet.“

Mich würde interessieren: Wie bewertet das Gesundheitsministerium auch vor dem Hintergrund, dass Minister Spahn das sehr wohl empfohlen hat, diese Warnung der WHO aus Genf?

KAUTZ: Sie wissen, dass die STIKO das anders sieht. Es gibt eine Impfempfehlung der STIKO, die besagt, dass eine Kreuzimpfung von AstraZeneca plus mRNA-Impfstoff mindestens genauso wirksam ist wie eine homologe Impfung. Das ist für uns der Maßstab.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Das heißt, das Bundesgesundheitsministerium teilt nicht die Einschätzung der Chefwissenschaftlerin der WHO, dass es sich in diesem Bereich um ein, wie sie es ausdrückt, daten- und belegfreies Gebiet handelt?

KAUTZ: Das ist dieselbe Frage noch einmal anders gestellt. Ich könnte das wiederholen, was ich gerade gesagt habe; das mache ich nicht.

FRAGE JORDANS: Die Chefwissenschaftlerin der WHO hat dabei sich explizit auf die eigenständige Mischung von Impfungen durch Patienten bezogen und nicht auf die in Deutschland praktizierte Mischung von AstraZeneca und Pfizer. Gibt es von der Bundesregierung aus irgendwelche Einschätzungen zu diesem Problem der eigenständigen Mischung durch Patienten? Jemand fliegt beispielsweise nach Moskau, holt sich den russischen Impfstoff und entscheidet sich dann ein paar Monate später doch dafür, in Deutschland den BioNTech- und AstraZeneca-Impfstoff zu nehmen.

KAUTZ: Ich halte das für eine sehr konstruierte Geschichte. Von mir bekommen Sie dazu keine Einschätzung.

ZUSATZ JORDANS: Das ist nicht konstruiert. Diese Fälle gibt es.

KAUTZ: Aber sehr vereinzelt.

STS SEIBERT: Das würde dann in Deutschland nicht zu einer Zertifizierung von zwei Impfungen führen, weil der russische Impfstoff nicht EMA-zertifiziert ist.

ZUSATZ JORDANS: Mir geht es um die medizinische Seite und nicht um die

KAUTZ: Medizinisch ist das schon insofern geklärt, als der eine Impfstoff in der EU nicht zugelassen ist, bzw. das ist bislang noch nicht abschließend geklärt, weil der eine Impfstoff in der EU noch nicht zugelassen ist.

FRAGE BLANK: Herr Kautz, vor dem Hintergrund der Infizierten bei dem Festival in Utrecht kommen die Einschläge ein bisschen näher. Ist ein exponentielles Wachstum in Deutschland überhaupt noch zu vermeiden, oder sind wir da schon drin?

Das Zweite: Muss man vor dem Hintergrund, dass sich viele Leute bei solchen Großveranstaltungen oder größeren Veranstaltungen infizieren, die Regelungen überdenken, dass auch in Deutschland bis zu 25 000 Menschen zugelassen werden? Muss man da noch mal rangehen? Vielleicht kann auch Herr Seibert etwas zu diesem Thema sagen; denn die Kanzlerin ist ja als sehr vorsichtig bekannt.

KAUTZ: In einem exponentiellen Wachstum sind wir noch nicht. Ob das so kommt, wissen wir genauso wenig. Was wir feststellen, ist ein Anstieg der Inzidenzzahlen auf bislang sehr niedrigem Niveau und dass sich die Deltavariante auch in Deutschland ausgebreitet hat, sich weiter ausbreiten und wahrscheinlich auch zu einem Anstieg der Fallzahlen führen wird. Auch das ist abzusehen. Alles andere ist lageabhängig.

ZUSATZFRAGE BLANK: Gibt es keine Diskussion über die Zulassung von bis zu 25 000 Menschen bei Großveranstaltungen in Deutschland?

KAUTZ: Alles andere ist lageabhängig. Wir haben gesagt: wenn Großveranstaltungen, dann mit entsprechenden Hygienekonzepten und nicht so, wie wir das bei der Europameisterschaft gesehen haben.

STS SEIBERT: Wir hatten jetzt mehrere Tage, an denen die Infektionszahl jeweils um 50, 55 Prozent höher als in der Vorwoche lag. Das ist natürlich eine Entwicklung, die wir nicht gleichmütig betrachten können. Der Blick in die Nachbarländer, in die Niederlande, nach Spanien und Großbritannien, zeigt uns, wie schnell sich eine Situation wieder sehr verschärfen kann. Deswegen müssen wir wachsam bleiben.

FRAGE JUNG: Herr Kautz, um das Hygienekonzept ging es jetzt auch bei diesem Festival. Muss man über die entsprechenden Konzepte und Regeln noch einmal nachdenken? Dort galt, wie auch in Deutschland: Man muss entweder geimpft gewesen, negativ getestet worden oder von COVID-19 genesen sein. Genau da gibt es Spielraum für Infektionen. „Negativ getestet“ heißt ja nicht, dass man das Virus nicht schon im Körper hat, gerade wenn es um Schnelltests geht. Muss das Kriterium „negativ getestet“ vielleicht geändert werden?

KAUTZ: Wie gesagt: Wir passen die Kriterien immer lageabhängig an. Man muss sehen, in welchem Zusammenhang und bei welcher Lage man Großveranstaltungen zulässt. Das ist in Utrecht ein bisschen anders als momentan in Deutschland, was die Lage anbetrifft. Ich weiß nicht und will das auch nicht kommentieren, wie dort die Testungen, die Zertifikate überprüft worden sind. Dafür fehlen mir einfach die Informationen.

ZUSATZ JUNG: In den USA ist es mittlerweile in vielen Staaten Standard, dass nur vollständig Geimpfte zu Massenevents kommen dürfen. Wäre das aus Ihrer Sicht die sicherste Variante?

KAUTZ: Natürlich ist das die sicherste Variante; das ist klar. Der Impfschutz ist der beste Schutz gegen Ansteckung und, obwohl wir wissen, dass auch Geimpfte das Virus übertragen können, auch der beste Schutz gegen eine Übertragung des Virus.

FRAGE BLANK: Herr Kautz, in Utrecht gab es wohl auch einige Fälle von vollständig Geimpften, die sich infiziert haben. Inwiefern beunruhigt die Bundesregierung, dass auf einmal recht viele Fälle von Menschen auftauchen, die schon zweimal geimpft worden sind und die auch bereits zwei Wochen hinter sich haben?

KAUTZ: Dass sich auch Menschen infizieren können, die vollständig geimpft sind, ist keine neue Nachricht, sondern das wissen wir schon. Eine Impfung schützt zu einem sehr großen Prozentsatz, nämlich zu deutlich über 90 Prozent, vor einer schweren Erkrankung. Das ist unser Ziel.

FRAGE JORDANS: Herr Kautz, in der gestrigen Pressekonferenz mit dem Minister und der Kanzlerin hat sie erwähnt, dass der niederländische Premierminister etwas zerknirscht von eigenen Fehlern gesprochen hat. Gibt es in der Bundesregierung einen Reflexionsprozess, dass man sagt, man hätte ursprünglich vielleicht mehr gegen die Deltavariante machen können, statt zu sagen: „Jetzt ist sie hier. Jetzt können wir die Tore beispielsweise für Reisende aus Großbritannien usw. aufmachen“?

KAUTZ: Ich glaube, wir haben sehr energisch auf das Aufkommen der Deltavariante reagiert, nämlich mit Reisebeschränkungen und mit der Ausrufung von Virusvariantengebieten zu einer Zeit, als das in Europa ich habe gerade schon die Europameisterschaften genannt nicht gerade en vogue war. Damit haben wir Eingriffe in Grundrechte ausgesprochen. Insofern haben wir schnell und energisch auf das Auftreten der Deltavariante reagiert.

FRAGE BLANK: Ich habe noch eine andere Frage ich weiß nicht, ob das gestern im RKI eine Rolle gespielt hat; da habe ich nämlich nicht zugehört zu den Daten, die die Krankenhäuser künftig zusätzlich liefern sollen. Gibt es schon Klarheit darüber, welche Daten das genau sind?

KAUTZ: Ja. Das steht in der Verordnung. Das sind Daten über Vorerkrankungen und über Impfungen. Das ist sehr viel ausführlicher, als das bislang der Fall gewesen ist.

ZUSATZFRAGE BLANK: Steht darin auch genau, welche Vorerkrankungen das sind? Ich kenne die Verordnung nicht.

KAUTZ: Genau, und welche Impfstoffe genommen wurden.

FRAGE WARWEG: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Letzte Woche wurde in Den Haag der Abschlussbericht der OPCW für 2020 vorgestellt. Auffallend war darin eine Passage, in der steht, dass die OPCW bereits am 20. August eine technische Untersuchungsmission auf das Gesuch Deutschlands hin verschickt hatte. Ich glaube, wir alle erinnern uns: Der 20. August war genau der Tag, an dem Nawalny im Flugzeug zusammengebrochen ist. Zahlreiche Diplomaten, aber auch Experten sagen, dass eigentlich auszuschließen sei, dass die OPCW eine Mission direkt am Tag des Vorfalls verschicken kann, ohne dass das Gesuch mindestens einige Tage vorher eingereicht worden ist, inklusive des Verfassens, Abstimmens und Abschickens. Mich würde interessieren: Wie erklärt die Bundesregierung, wie erklärt das Auswärtige Amt diese Unklarheiten um das Datum 20. August und die entsprechende OPCW-Mission?

BREUL: Das müsste ich im Detail nachliefern. Ich kann aber schon jetzt dementieren, dass die OPCW auf Geheiß eines einzelnen Mitgliedslandes Missionen entsenden würde. Das entspricht einfach nicht den Tatsachen. Aber ich liefere das gerne en détail nach. Ich habe den Bericht heute nicht dabei.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber der OPCW-Bericht ist sehr klar, und da heißt es: Wir entsandten eine technische Unterstützungskommission am 20. August auf Geheiß der Bundesrepublik Deutschland. Wie gesagt, das wäre ja derselbe Tag, an dem Nawalny ins Flugzeug gestiegen ist. In der „Jungen Welt“ stand auch, es gab eine Anfrage, und es hieß, das Auswärtige Amt sei über den Vorfall informiert. Das heißt, auch wenn Sie als Sprecher des Auswärtigen Amtes hier jetzt vielleicht ein Sonderfall sind, weiß das Auswärtige Amt eigentlich von dem Vorfall. Insofern sollte es doch in der Lage sein, dazu zumindest einen Sprechzettel zu formulieren.

BREUL: Wir haben der „Jungen Welt“ auch schon darauf geantwortet. Wie gesagt, ich habe den Bericht gerade nicht dabei; der ist ja auch nicht von gestern oder vorgestern, sondern von letzter Woche. Das reiche ich gerne nach. Aber so, wie Sie es konstruieren, Herr Warweg, entspricht das nicht den Tatsachen, das kann ich Ihnen schon jetzt vorab sagen.

FRAGE DR. RINKE: An das BMI: Die afghanische Regierung hat angekündigt, dass sie keine abgeschobenen Afghanen mehr aufnehmen will. Was bedeutet das für Deutschland? Sind damit die Rückführungen nach Afghanistan beendet oder werden sie zumindest ausgesetzt?

ALTER: Die afghanische Regierung hat sich an mehrere EU-Staaten gewendet mit dem Wunsch, Abschiebungen vorübergehend für einen Zeitraum von drei Monaten auszusetzen. Eine solche Verbalnote ist auch in Deutschland eingegangen. Diese wird derzeit geprüft. Es gab auch schon Gespräche mit der afghanischen Regierung. Wir haben das Ziel, dieses Thema so aufzulösen, dass es für beide Seiten eine akzeptable Lösung gibt.

FRAGE JUNG: Können Sie kurz erklären, was da geprüft werden muss? Muss da irgendwie geguckt werden, ob diese Forderung aus Kabul echt ist? Was muss da geprüft werden, um das ernst zu nehmen?

ALTER: Es geht um das inhaltliche Anliegen der afghanischen Regierung. Wir alle wissen ja, dass Afghanistan derzeit in einer besonderen Situation ist; das muss man bei allem, was man tut und entscheidet, berücksichtigen. Andererseits gibt es eine Lagebewertung, die wir kennen. Abschiebungen nach Afghanistan sind nach unserer Ansicht weiterhin möglich, und wir praktizieren ja seit vielen Monaten Abschiebungen insbesondere von Personen, die in Deutschland straffällig geworden sind. Die Prüfung, die jetzt stattfindet, bezieht sich einzig und allein auf dieses inhaltliche Anliegen, ob wir akzeptieren können, Abschiebungen generell auszusetzen, oder ob es andere Wege gibt, die auch unseren Interessen entsprechen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie beziehen sich ja auf den Asyllagebericht des Auswärtigen Amtes von vor einem Jahr. Warum warten Sie jetzt nicht die paar Tage, bis der neue Bericht kommt, und setzen solange die Abschiebungen aus gerade weil die afghanische Regierung auch sagt: Leute, das ist zu gefährlich?

ALTER: Sie dürfen davon ausgehen, dass wir über die Lage in Afghanistan innerhalb der Bundesregierung nicht nur einmal im Jahr sprechen. Vielmehr gibt es gerade jetzt intensivste Kontakte zwischen den Ressorts, und es gibt immer aktuelle Informationen zur Situation im Land. Vor diesem Hintergrund wäre es in der Tat etwas zu wenig, sich nur auf einen Bericht zu beziehen, der vor einem Jahr vorgelegt wurde.

FRAGE MAURER: Haben Sie denn damit gerechnet, dass diese Verbalnote aus Afghanistan eingeht, also dass es diesen Wunsch der afghanischen Regierung geben würde?

ALTER: Es gab keine Anzeichen, dass ein solches Schriftstück eingehen würde.

FRAGE BLANK (zum Truppenabzug aus Afghanistan): Herr Seibert, die britische Regierung hat bereits angekündigt, dass sie auch nach einer gewaltsamen Machtübernahme durch die Taliban mit den Taliban zusammenarbeiten würde. Gibt es dazu eine Haltung der Bundesregierung? Wie sieht dann eine mögliche Zusammenarbeit aus? Die Taliban sind ja weiter auf dem Vormarsch. Wie ist es dann mit Hilfszahlungen? Macht man sich darüber schon Gedanken, oder wird das zunächst nur eingefroren?

STS SEIBERT: Sie möchten jetzt von mir einen vollkommen hypothetischen Verlauf auf der Basis einer Äußerung einer anderen Regierung zu einem solchen Verlauf kommentiert haben tut mir leid, das will ich nicht tun.

Wir werden unsere Unterstützung für Afghanistan fortsetzen, so wie sie im Moment läuft. Wir werden sie nicht nur national fortsetzen, sondern auch die NATO wird beispielsweise ihre Unterstützung der afghanischen Streitkräfte fortsetzen. Das heißt also, der Abzug der Bundeswehrsoldaten und soldatinnen aus Afghanistan bedeutet nicht sozusagen das Ende unseres Interesses an einer guten Entwicklung dort.

Unser Interesse ist, dass es eine politische Verständigung der Regierung und der Taliban gibt. Dazu laufen ja Gespräche. Über solche Verläufe, wie Sie sie jetzt hier in den Raum stellen, habe ich heute nichts zu sagen.

ZUSATZ BLANK: Offensichtlich scheint die britische Regierung das anders zu sehen, denn die haben ja schon gesagt, dass sie mit den Taliban zusammenarbeiten würden. So vollkommen hypothetisch ist es dann ja auch wieder nicht.

STS SEIBERT: Das sehe ich jetzt einmal noch nicht als einen Widerspruch. Ich bin nicht der Sprecher der britischen Regierung. Für die Bundesregierung will ich heute auf hypothetische Verläufe nicht eingehen; vielmehr will ich unseren derzeitigen Stand der Beziehungen mit Afghanistan beschreiben was wir hier oft getan haben.

ZUSATZFRAGE BLANK: Wie ist denn derzeit der Kontakt vielleicht über das Auswärtige Amt mit den Taliban? Hat man da diplomatischen Kontakt, Herr Breul?

BREUL: Wir unterhalten diplomatischen Kontakt zu Regierungen. Die Taliban sind keine Regierung, das wissen Sie.

Zu dem Interview des britischen Verteidigungsministers möchte ich noch sagen: Das ist eine einzelne Interviewaussage. Wie das zur britischen Regierungspolitik passt, müssten Sie bei den Briten nachfragen. Wir sind uns in der internationalen Gemeinschaft einig, dass wir die Regierung unterstützen und Präsidenten unterstützen. Ich hatte hier am Freitag ja noch einmal länger ausgeführt, inwieweit wir das tun und dass das auch nach dem Abzug der Bundeswehr nicht nachgelassen hat.

FRAGE JORDANS: Herr Breul, der ehemalige US-Präsident George W. Bush hat in einem Interview mit der Deutschen Welle den Abzug aus Afghanistan als Fehler bezeichnet und auch davon gesprochen, dass das unsäglichen Schaden vor allem für Frauen und Mädchen bedeuten würde. Wie schätzt die Bundesregierung das ein? Wie will man diesen unsäglichen Schaden, den er da sieht, verhindern?

BREUL: Auch da gilt: Ich kommentiere nicht einzelne Interviewaussagen. Ich habe hier für das Auswärtige Amt und ich möchte meinen, für die ganze Bundesregierung am Freitag noch einmal sehr deutlich dargestellt, wie wir engagiert bleiben. Die Bundeswehr ist aus Afghanistan abgezogen, der internationale Militäreinsatz ist zu Ende unser Engagement für Afghanistan ist es nicht. Wir engagieren uns massiv mit konkreter Hilfe mit unseren Partnern vor Ort, und das haben wir auch bis zum Jahr 2024 zugesagt. Auch darüber hinaus werden wir uns engagieren.

Der Eindruck, der jetzt teilweise aufkommt, mit dem Abzug der Bundeswehr zöge sich die Bundesregierung aus dem Engagement für Afghanistan zurück, ist also falsch. Wir bleiben fest an der Seite der afghanischen Regierung.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Aber sehen Sie denn einen Zusammenhang zwischen der Bedrohung von Frauen und Mädchen in Afghanistan und der veränderten Lage durch den Abzug?

BREUL: Es ist unbestritten, dass die Lage in Afghanistan nicht einfach ist. Es finden heftige Kämpfe zwischen der Regierung und den Taliban statt. Das betrifft natürlich auch die Zivilbevölkerung und das betrifft in den eroberten Gebieten, wie wir hören, auch stark Frauen und Mädchen.

Aus unserer Sicht ist entscheidend, dass es weitergeht im politischen Dialog und dass man eine Form findet was die afghanische Regierung ja auch anstrebt , mit den Taliban eine Lösung zu finden, die dazu führt, dass Frieden in das Land kommt. Ziel unseres Engagement bleibt selbstverständlich weiterhin das haben wir immer wieder deutlich gemacht , die Rechte insbesondere der Frauen und Kinder in dem Land zu schützen. Dieses Thema ist jetzt also nicht von unserer Agenda verschwunden.

FRAGE JUNG: Zur Ehrung der deutschen Soldaten: Es gab auch von der Ministerin die Mitteilung, dass es ein Gedenken für die Gefallenen am Ehrenmal der Bundeswehr, einen Appell im Bendlerblock mit dem Bundespräsidenten, einen Empfang im Parlament durch den Bundestagspräsidenten sowie den Großen Zapfenstreich vor dem Bundestag geben wird. Bisher habe ich aber nichts davon gelesen, wie der afghanischen Opfer des Krieges gedacht werden soll. Können Sie uns das sagen?

HELMBOLD: Erst einmal haben wir ja eine Pressemitteilung dazu herausgegeben. Außerdem gab es gestern Zitate der Verteidigungsministerin dazu. Mit Blick auf den Auftrag, den wir hatten, werden wir uns natürlich auf das beziehen, was wir hier nach dem Rückzug, nach dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan vor uns haben. Das bedeutet, dass wir auf 20 Jahre Einsatz der Bundeswehr zurückblicken natürlich auch im Zusammenhang mit denjenigen, die an unserer Seite gestanden haben, und natürlich im Kontext Afghanistan insgesamt. Diese Veranstaltung am 31. August bezieht sich auf den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan insgesamt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wann wird es denn ein staatliches Gedenken an die afghanischen Opfer der Bundeswehr, des Krieges, an dem die Bundeswehr teilgenommen hat, geben? Herr Seibert, sind die afghanischen Opfer für die Kanzlerin ein Thema?

STS SEIBERT: Wir haben nach dem 11. September 2001 und Sie kennen die gesamte Herleitung und den Rahmen der internationalen Solidarität mit den USA im Rahmen von Artikel 5 eine Militärmission in Afghanistan geführt. Diese hat jetzt beendet. Es war eine Militärmission, die sehr viel mehr war als eine Militärmission, weil da auch sehr viel im vernetzten Ansatz, im Bereich von Entwicklung usw., geschehen ist. Aber natürlich heißt „Militärmission“, dass auch gekämpft wurde und dass es auch zu Opfern gekommen ist. Bedauerlicherweise das weiß jeder, beispielsweise wenn man an den Kundus denkt ist es auch zu Opfern unter unbeteiligten Zivilisten gekommen. Der Charakter eines solchen 20-jährigen Einsatzes ist jedem bekannt.

FRAGE WARWEG: Eine Verständnisfrage: Sie hatten anfänglich von Rückzug gesprochen. Rückzug assoziiert man ja meistens mit Niederlage. Sieht man diesen Militäreinsatz jetzt in der Rückschau aus militärstrategischer Perspektive sozusagen eher als eine Niederlage?

HELMBOLD: Auch diese Frage haben wir hier ja schon häufig bekommen. Ich kann nur immer wieder betonen: Die Bundeswehr ist nach Afghanistan mit einem Auftrag gegangen mit einem Auftrag, den sie vom Bundestag bekommen hat, und zwar einmal im Rahmen von ISAF und hinterher im Rahmen von „Resolute Support“ mit jeweils sehr unterschiedlichen Aufgaben. Die Bundeswehr hat die Aufgaben, die man ihr gegeben hat, erfüllt. Von daher haben wir auch gesagt, dass die Soldatinnen und Soldaten mit Stolz auf das blicken können, was sie dort geleistet haben. Dass die Aufträge, die es vonseiten des Bundestages gab, erfüllt sind, ist für uns eine zentrale Nachricht.

FRAGE JORDANS: Ich will auf die Unwetter der vergangenen Tage zu sprechen kommen. Die thüringische Umweltministerin hat vor einer Zunahme solcher Extremwetterereignisse in ihrem Land gewarnt und den besseren Schutz vor Starkregen, Dürre usw. angeregt.

Sieht die Bundesregierung angesichts dessen, was da zu sehen ist, der Trockenheit der letzten Jahre und jetzt der Überschwemmungen, eine Notwendigkeit, das gesamte Land besser auf solche Extremwettersituationen vorzubereiten? Die Frage geht an das BMU und vielleicht Herrn Seibert.

FICHTNER: In der Tat ist viel von dem, was in der Wetterlage momentan passiert, tatsächlich auch das, was Klimaforscher früher vorhergesagt haben. Man kann nicht jedes einzelne Wetterereignis auf Klimawandel zurückführen; das muss man auch gar nicht. Aber man muss es ernst nehmen. Klimaanpassung ist ein großes Thema. Es ist ein Thema, das sowohl den Bund als auch die Länder betrifft. Da sind wir aktiv. Ich habe jetzt nicht wegen einzelner Wetterlage neue Ankündigungen zu machen, aber das gilt grundsätzlich.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Herr Seibert, war es vielleicht auch ein Diskussionsgegenstand im Kabinett, ob der Bund jetzt angesichts der Stürme und Überschwemmungen Wenn man sich die Bilder anschaut, dann sieht man, dass ja ganze Straßen weg sind.

STS SEIBERT: Ja, es sind zum Teil schlimme Bilder aus Franken und anderen Teilen Deutschlands. Es ist nicht das erste Mal, dass wir solche Bilder sehen. Wir wissen, dass wir wie viele andere Länder auf der Welt bereits im Klimawandel stehen. Auch wenn nicht jedes Ereignis, jede Überschwemmung, jeder örtliche Vorfall auf Klimawandel zurückzuführen ist, so sagen uns doch viele Wissenschaftler angesichts der Häufigkeit, der Intensität, der Regelmäßigkeit, mit der so etwas nun passiert: Das sind eben die Auswirkungen des Klimawandels.

Deswegen haben wir vor langem schon eine sehr ehrgeizige Klimaschutzpolitik und Klimapolitik begonnen und jetzt die Ziele auf nationaler Ebene wie auch in Europa noch einmal angeschärft. Es ist, denke ich, auch sehr vielen Menschen durchaus bewusst, dass der Klimawandel, wie er geschieht, die Erderwärmung, sich auch bei uns und nicht nur in fernen Ländern zum Beispiel in solchen Ereignissen niederschlagen kann.

Was dann konkrete Hilfe für Überschwemmungsopfer und so etwas betrifft, war dies heute nicht Thema im Kabinett. Da gibt es zunächst einmal die Länder. Zu gegebenem Zeitpunkt aber das kann ich heute überhaupt nicht sagen spricht man über so etwas natürlich auch auf Bundesebene.

BREUL: Ich habe eine Nachmeldung für Herrn Warweg.

ZURUF WARWEG: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

BREUL: Gern. Der von Ihnen angesprochene Bericht der OVCW ist ein Entwurf eines Berichts, nämlich des Tätigkeitsberichts zur Chemiewaffenübereinkommenimplementierung 2020. Das ist kein öffentliches Dokument, weil es im Moment ein Entwurf ist. Tatsächlich gab es im ersten Entwurf einen Datumsfehler. Dort war vom 20. August für eine deutsche Eingabe die Rede statt korrekt vom 4. September. Diesen Fehler hat das Sekretariat bereits eingesehen und in der zweiten Entwurfsfassung korrigiert, sodass alle Missverständnisse aus der Welt geschafft sind.

FRAGE WARWEG: Heißt das, dass es sich bei der Angabe des 20. Augusts ausschließlich um einen Tippfehler handelt?

STS SEIBERT: Herr Warweg, man muss sich einmal kurz vor Augen führen, was Sie hier gerade als Verdacht in den Raum stellen, nämlich dass irgendwie jemand in Deutschland schon Tage vorher so haben Sie es ja vorhin gesagt , bevor der Giftwaffenanschlag auf Herrn Nawalny ausgeführt wurde, davon gewusst hätte. Das ist selbst für Ihre Verhältnisse eine ungewöhnlich krause Theorie.

ZUSATZ WARWEG: Ich habe nicht in meinem Namen gesprochen, ich habe gesagt, dass

STS SEIBERT: Nein, im Namen von Russia Today, das weiß ich auch.

ZUSATZ WARWEG: Auch nicht im Namen von Russia Today. Wenn schon, dann spreche ich hier in meinem Namen. Die Gleichsetzung machen Sie auch bei keinem anderen.

Aber worum es mir geht: Ich habe gesagt: Diplomaten und Experten, auch renommierte Experten, haben gesagt, dass es eigentlich unmöglich ist. Die Intention dahinter, das ist Ihre Interpretation. Ich habe lediglich gesagt: Experten sagen: Entsendung am Tag des Vorfalls ist eigentlich unmöglich. Für das, was Sie dann daraus ziehen, bin ja nicht ich zu „blamen“.

Ich würde Sie auch gern grundsätzlich bitten das sei jetzt kurz erlaubt, auch ohne dass ich eine Frage stelle : Die Gleichsetzung eines individuellen Journalisten mit seinem Medium ist etwas, was Sie bei keinem anderen Medium tun. Das tun Sie hier, ob mit mir oder anderen Kollegen. Das nervt langsam.

ALTER (zum Umgang mit Extremwetterereignissen): Auf die Frage von Herrn Jordans möchte ich noch ergänzen, dass das Thema auch Bezüge zum Katastrophenschutz und zum Bevölkerungsschutz hat, womit sich die Innenminister des Bundes und der Länder dauerhaft beschäftigen. Wir haben nicht erst gestern, sondern bereits vor vielen Jahren große Hochwasser in Deutschland erlebt, die zur Folge hatten, dass massive Hochwasserschutzmaßnahmen in Angriff genommen wurden. Auch in unserem Haus, in der Heimatabteilung, gibt es über Raumordnungspläne und Ähnliches Bezüge. Sie erinnern sich vielleicht. Wir hatten vor zwei oder drei Jahren größere Waldbrände, und es ging unter anderem um die Frage, ob wir in Deutschland ausreichende Löschkapazitäten haben.

Das findet also in den Gremien der Innenministerkonferenz und wahrscheinlich auch in vielen anderen Gremien dauerhaft statt. Das, was wir derzeit erleben, fließt in die Lagebeurteilung mit ein. Dann muss man immer von Fall zu Fall überlegen, ob der derzeitige Stand der Ausstattung noch aktuell ist oder modifiziert werden muss.

FRAGE JUNG: An Herrn Seibert, Herrn Breul und gegebenenfalls Herrn Wagner. Es geht um Wirtschaft. Deutsche Konzerne wie Siemens, BASF, VW und Bayer sind immer noch in Belarus aktiv, arbeiten mit dem Regime zusammen und verdienen dort also Geld. Mercedes liefert immer noch Luxusautos an den Fuhrpark von Herrn Lukaschenko, und Siemens beliefert weiterhin Kraftwerke des belarussischen Regimes in Belarus mit Gasturbinen.

Warum wird das nicht sanktioniert? Warum wird das nicht unterbunden? Warum dürfen deutsche Unternehmen weiterhin mit diesem belarussischen Regime Profit machen?

BREUL: Ich kann gern anfangen. Herr Jung, wie Sie wissen, sind die Sanktionsregime europäischer, nicht nationaler Natur. Dabei wird auch nicht nach Nationalität der Wirtschaftspartner vorgegangen und nicht gesagt: „Das Unternehmen aus Land X darf dies nicht mehr, und das aus Land Y darf jenes nicht mehr“, sondern es geht darum, bestimmte Sektoren zu treffen und möglichst gezielt Sanktionen zu verhängen, die diejenigen treffen, die sich an der Repression beteiligen. Dabei geht es um bestimmte Einzelpersonen. Im letzten Sanktionsregime geht es auch um bestimmte staatliche Unternehmen. All das ist öffentlich einsehbar. Dies muss für Wirtschaftsunternehmen, die im Ausland tätig sind, nachvollziehbar sein. Es gibt keine Anrufe bei Unternehmen X oder Y, denen man sagen würde: „Ihr dürft jetzt nicht mehr Produkt A, B, C verkaufen“, sondern das ist ein rechtsförmiges Verfahren. Die Sanktionen sind so ausgestaltet, dass wir damit maximalen Druck auf diejenigen entfalten, die für die Lage verantwortlich sind.

WAGNER: Ich kann nicht viel ergänzen. Der Kollege hat schon ausgeführt, wie das Sanktionsregime funktioniert und welche Sanktionen es gibt. Ich kann vielleicht noch etwas zu den Handelszahlen ergänzen, die tatsächlich rückläufig sind. Das Handelsvolumen der deutschen Exporte nach Belarus lag im vergangenen Jahr bei 1,9 Milliarden Euro. 2018 hatte es noch bei 2,1 Milliarden Euro gelegen. Es ist also insgesamt rückläufig. Für 2021 haben wir natürlich noch keine aktuellen Zahlen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Bundesregierung könnte sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, das Sanktionsregime anzupassen, sodass zum Beispiel deutsche Unternehmen keinen Profit mehr mit dem belarussischen Regime machen.

Planen Sie das, oder finden Sie es in Ordnung, dass deutsche Unternehmen dort weiterhin Geld machen können?

BREUL: Profit können wir nicht verbieten. Eine solche Möglichkeit hat man mit einem Sanktionsregime so nicht. Man kann wirtschaftliche Aktivitäten in bestimmten Sektoren einschränken. Wie Sie wissen, haben gerade wir uns für die aktuelle Verschärfung eingesetzt.

Sie haben vielleicht noch unsere Aussage aus der vergangenen Woche im Ohr, dass wir sehr kritisch beobachten, wie das Regime den Kurs der Repression fortsetzt. Die Meldungen reißen leider auch in dieser Woche nicht ab. Heute haben wir mit Erschütterung die neuerlichen Nachrichten über Festnahmen, Durchsuchungen, Schikanen, die zahlreiche Menschenrechtsorganisationen in Belarus getroffen haben, zur Kenntnis genommen. Das verurteilen wir auf das Schärfste. Die Sanktionsdebatte so hat es auch der Außenminister wiederholt gesagt ist nicht zu Ende. Wie es weitergeht, liegt in den Händen des weißrussischen Regimes.

FRAGE JORDANS: Herr Wagner, die EU-Kommission wird heute in ihrem Bericht „Fit for 55“ das neue Ziel einer Reduktion der Pkw-Emissionen um 100 Prozent bis 2035 vorschlagen, was praktisch einem Ende des Verbrennungsmotors bis 2035 gleichkommt.

Gibt es eine Reaktion des Wirtschaftsministeriums darauf?

WAGNER: Das Paket wird heute vorgelegt, während wir hier sitzen. Vielleicht wurde es auch gerade schon vorgelegt. Das kann ich von dieser Stelle aus nicht genau sagen.

Ganz grundsätzlich hat sich der Minister vorhin, kurz nach dem Kabinett, schon dazu geäußert, als er gefragt wurde. Wir begrüßen natürlich, dass die Europäische Kommission jetzt zur Umsetzung des „European Green Deals“ das Fit-for-55-Paket vorlegt. Wir sind in Deutschland mit unseren Klimazielen auch schon sehr ambitioniert quasi in Vorleistung gegangen.

Wichtig ist aus unserer Sicht, dass die Umsetzung des „European Green Deals“ Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit vereint. Der „Green Deal“ soll ja auch eine neue Wachstumsstrategie für Europa sein, insbesondere natürlich auch mit grünen Technologien.

Wir werden uns dieses Paket jetzt natürlich genau anschauen. Für eine Analyse oder eine inhaltliche Positionierung ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh. Wir werden uns wie üblich mit den beteiligten Ressorts abstimmen und uns dann gegenüber der Europäischen Kommission dazu positionieren. Aber inhaltlich will ich jetzt so kurz nach Veröffentlichung dazu noch keine Stellung nehmen.

FICHTNER: Ich kann kurz ergänzen. Ich schaue immer mit einem Auge nach Brüssel. Die Pressekonferenz hat noch nicht begonnen. Deswegen wäre es tatsächlich sehr früh, Brüsseler Beschlüsse zu kommentieren, die dort noch nicht verkündet sind.

Wir werden uns aber heute noch äußern, vermutlich mit einer schriftlichen Stellungnahme der Ministerin.

FRAGE JUNG: Könnten Sie uns eine Einschätzung der Lage in Südafrika geben? Dort gibt es massive Proteste nach der Festnahme des Ex-Präsidenten Zuma. Was berichtet vielleicht Herr Schäfer als deutscher Botschafter?

BREUL: Die Ausschreitungen in Südafrika geben uns Anlass zur Sorge. Wir bedauern die schweren Gewaltausbrüche und Plünderungen, die wir seit dem vergangenen Freitag in Südafrika beobachten. Wie Sie den Medien entnehmen können, kam es kurz nach der Inhaftierung des ehemaligen Staatspräsidenten Zuma zu massiven Ausschreitungen. Gegen Zuma werden, wie Sie ebenfalls wissen, schwere Korruptionsvorwürfe erhoben. Die gewaltsamen Proteste konzentrieren sich gegenwärtig auf die Provinzen Gauteng und KwaZulu-Natal.

Wir rufen die an den Protesten Beteiligten dazu auf, von gewaltsamen Ausschreitungen abzusehen. Es ist jetzt wichtig, dass Südafrika den Weg der Korruptionsbekämpfung weitergeht, da die Korruption das Land in seiner Entwicklung seit Jahren hemmt.

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