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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 16. Juli 2021

Themen: aktuelle Hochwasserlage, Termine der Bundeskanzlerin (Kabinettssitzung), im Koalitionsvertrag angekündigte Abschaffung der Abgeltungssteuer auf Zinserträge, Anschlag auf den niederländischen Journalisten de Vries, Einführung einer globalen Mindesteuer für Unternehmen, COVID-19-Pandemie, Gaspipeline Nord Stream 2, vermehrtes Flüchtlingsaufkommen in Italien, Vorwürfe gegen Frontex im Zusammenhang mit illegalen Zurückweisungen von Flüchtlingen in der Ägäis, Beschuss von Flüchtlingsbooten durch die libysche Küstenwache

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn

17:22 Laschet
– was ich jetzt verstehe, ist, dass die Ministerin eine Änderung der Politik vorschlägt und weitere Maßnahmen will. Wie bewertet sie denn die Aussage eines deutschen Ministerpräsidenten, der gestern meinte, nur weil jetzt so ein Tag sei, ändere man nicht die Politik?
– Wie bewertet die Ministerin die Aussage des bekannten Ministerpräsidenten, dass man, nur weil heute so ein Tag sei, die Politik nicht ändere?

25:12 globale Mindeststeuer
– die amerikanische Finanzministerin Yellen hat sich besorgt geäußert, dass sich internationale Techkonzerne wie insbesondere Amazon auch nach der Einführung der globalen Mindeststeuer von dieser nicht betroffen sein könnten. Der Grund sei da die geringe Profitabilität dieser Unternehmen. Bei Amazon liegt die Profitabilität aktuell bei 6,3 Prozent. Das würde ja bedeuten, dass es von dieser globalen Mindeststeuer gar nicht betroffen wäre. Haben auch Sie diese Sorge?
– Können Sie einmal am Beispiel eines großen, bekannten Techkonzerns erklären, wie dieser von einer dieser Säulen betroffen wäre? Denn bei der zweiten Säule kann es ja nicht sein, wenn die Rentabilitätsschwelle über 15 Prozent liegt und Amazon deutlich darunter liegt. Wie würde ein großer Techkonzern betroffen sein?
– Das heißt, die Sorge der amerikanischen Finanzministerin teilen Sie explizit nicht?

31:35 Anstieg der Infektionszahlen
– Zu den steigenden Infektionszahlen und der Dynamik: Können Sie nachvollziehen, warum das RKI bei einem wöchentlichen Anstieg der Infektionszahlen von über 50 Prozent immer noch von einem leichten Anstieg spricht, von einem niedrigen Niveau der Sieben-Tage-Inzidenz und einer nur leicht steigenden Tendenz?
– Aber hier geht es doch um exponentielles Wachstum. Selbst bei kleineren Zahlen ist doch die Gefahr schon zu bannen. Wenn das jetzt bei einem fünfzigprozentigen wöchentlichen Anstieg immer noch kleingeredet wird, ist man sich der Gefahr nicht bewusst, auch nicht in Ihrem Haus?

42:19 Libysche Küstenwache
– Vor ein paar Wochen war hier auch das Thema libysche Küstenwache und wie diese im Mittelmeer auf Booten von Geflüchteten schießt. Sie hatten, als wir gefragt haben, nur die Medienberichte und die Videos dazu. Haben Sie sich mittlerweile ein eigenes Bild dieser Vorfälle machen können, und wie bewerten Sie, dass die libysche Küstenwache, die durch die EU finanziert und ausgebildet wird, auf Boote von Geflüchteten schießt?
– Sanktionen gibt es für die Küstenwache nicht?

45:00 Frontex
– Im Bericht des EU-Parlaments wird ja insbesondere der Frontex-Chef Leggeri herausgehoben. Dieser hat Zitat „einen Mangel an Kooperationsbereitschaft“ gezeigt, gerade in Fragen der Menschenrechte. Vertraut die Bundesregierung eigentlich noch dem Frontex-Chef?
– Aber kann ein Mann Chef einer Frontex-Organisation sein, der bei Fragen von Menschenrechten, die sehr in seinem Arbeitsbereich liegen, einfach wegschaut und nicht kooperiert?

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 16. Juli 2021:

VORS. WELTY eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN FIETZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS’IN FIETZ: Guten Tag auch von meiner Seite! Die Bundeskanzlerin hat sich gestern zu der furchtbaren Unwetter- und Hochwasserkatastrophe geäußert und ihre Erschütterung und Anteilnahme zum Ausdruck gebracht. Es sind schreckliche Bilder, die uns aus den Hochwassergebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erreichen. Die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung danken allen Helferinnen und Helfern in den betroffenen Gebieten, sowohl Polizeien, Behörden, der Bundeswehr, Rettungsdiensten und dem Technischen Hilfswerk als auch Freiwilligen, für ihren unermüdlichen Einsatz.

Die Bundeskanzlerin ist besonders betroffen über die Vermissten- und Todesfälle. Ihr Mitgefühl und ihre Gedanken sind bei den Angehörigen. Sie nimmt Anteil am Schicksal der von der Unwetterkatastrophe betroffenen Menschen. Die Bundeskanzlerin hat sich bereits mit Ministerpräsidentin Dreyer und Ministerpräsident Laschet sowie mit Vizekanzler Scholz und Bundesinnenminister Seehofer ausgetauscht. Sie lässt sich zudem fortlaufend über die Lage in den Katastrophengebieten unterrichten.

Sie können darauf vertrauen, dass alle Kräfte unseres Staates, von Bund, Ländern und Gemeinden, gemeinsam alles daransetzen, auch unter schwierigsten Bedingungen Leben zu retten, Gefahren abzuwehren und die Not zu lindern. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass die guten und bewährten Strukturen der Katastrophenhilfe in Kommunen und Ländern auch weiter erfolgreich greifen. Kräfte der Bundeswehr, des Technischen Hilfswerks und der Bundespolizei sowie Hubschrauber der Bundespolizei sind bereits in Amtshilfe im Einsatz. Wenn erforderlich, werden sie weiter verstärkt werden.

Die Lage ändert sich ständig. Danach richtet sich auch der Einsatz der Kräfte und Mittel von Bundeswehr, Bundespolizei und THW. Im Vordergrund steht der Schutz der Bevölkerung, von Wohnungen und Häusern und von anderen Sachwerten. Bund, Länder und Kommunen arbeiten dabei eng zusammen.

Vielen Dank.

FRAGE STEINKOHL: Frau Fietz, Sie sprachen von den bewährten Strukturen der Katastrophenhilfe. Nun gibt es Überlegungen, die Zuständigkeiten für den Katastrophenschutz, die weitgehend bei den Ländern liegen, zu ändern.

Hält die Bundesregierung bzw. hält der Bundesinnenminister angesichts der Pandemie und der aktuellen Hochwassersituation an der Einschätzung fest, dass es bei diesen Strukturen bleiben solle, oder sollte nicht der Bund mehr Kompetenzen bekommen?

SRS’IN FIETZ: Lassen Sie mich vielleicht noch ganz grundsätzlich etwas zum Katastrophenschutz sagen. Die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, ist eine Aufgabe eines jeden Staates und seiner Behörden. Der Bevölkerungsschutz in Deutschland liegt, wie Sie sagten, nicht in einer Hand. Laut Grundgesetz sind Bund, Länder und Kommunen für die Sicherheit der Menschen in Deutschland zuständig. Der Bund hat im Katastrophenschutz keine unmittelbaren Zuständigkeiten. Der Katastrophenschutz als solcher, das heißt, der Schutz vor großen Unglücken und Katastrophen in Friedenszeiten, ist nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes Aufgabe der Länder. Die jeweiligen Landesgesetze, wie beispielsweise das Bayerische Katastrophenschutzgesetz, regeln im Einzelnen, wann und wie das Vorliegen und das Ende einer Katastrophe festgestellt werden und welche Maßnahmen in dem jeweiligen Bundesland zu treffen sind.

Ob und wann ein Land den Katastrophenfall ausruft, bewertet die Bundesregierung nicht. Bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen können die Länder allerdings nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes unter anderem zusätzlich Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen, wie zum Beispiel das Technische Hilfswerk, die Bundespolizei oder die Streitkräfte zur Hilfe anfordern.

Wenn mehr als das Gebiet eines Landes gefährdet ist, kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, nach Artikel 35 Abs. 3 des Grundgesetzes den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten der Bundespolizei und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen.

Das ist die gegenwärtige Lage, mit der wir jetzt weiterarbeiten.

LAWRENZ: Ich kann dem derzeit nichts hinzufügen.

ZUSATZFRAGE STEINKOHL: Frau Fietz, Sie haben die Rechtslage referiert, die wir alle ja kennen. Aber die Frage ist doch, ob sich diese Rechtslage bewährt hat oder ob man angesichts der Massivität der Ereignisse nicht darüber nachdenken muss, dem Bund mehr Kompetenzen zu geben.

SRS’IN FIETZ: Im Moment geht es darum, den Menschen vor Ort zu helfen. Dafür gelten diese Strukturen, und nach diesen Strukturen wird jetzt gearbeitet.

Welche Schlüsse irgendwann aus den aktuellen Ereignissen möglicherweise zu ziehen sein werden, wird sich zeigen.

FRAGE HELLER: Eine Frage an das Innenministerium: Bedarf es angesichts der Ereignisse eines Ausbaus des Katastrophenschutzes?

LAWRENZ: Frau Fietz hat die Lage soeben umfassend dargestellt. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass noch nicht alle Rettungs- und Bergungsarbeiten in den Einsatzgebieten komplett abgeschlossen sind. Meiner Meinung nach verbietet es sich, während laufender Maßnahmen über etwaige Reformen zu spekulieren.

COLLATZ: Frau Fietz hat es ja deutlich gemacht: Uns alle erfüllen die Bilder aus den Notgebieten mit Bestürzung und auch mit Demut. Die Bundeswehr steht natürlich an der Seite der anderen Helfer, ob es das THW, Feuerwehren, die Polizei oder andere sind. Wir reihen uns dort ein. Die Zusammenarbeit ist gut.

Was die Frage der Regionalisierung, der Dezentralisierung oder Zentralisierung angeht, kann ich vielleicht beisteuern, dass sich die Ministerin als zentrale Instanz bei der Bundeswehr natürlich zunächst darum kümmert das ist auch aktuell so , dass die Verbindungswege und die Führungsorganisation stehen. Diese muss natürlich zentral stehen.

Aber ich kann auch nur unterstreichen, dass es darauf ankommt, den Bedarf vor Ort zu decken, der entsteht. Dazu hat die Ministerin angewiesen, dass wir den so bezeichneten militärischen Katastrophenalarmstatus einberufen. Das bedeutet, dass die Entscheidungsinstanzen weit nach vorn gerückt werden, nämlich genau dorthin, wo sie gebraucht werden. Zum Beispiel kann jetzt eine Verbandsführerin vor Ort entscheiden, ob der Bergepanzer, ob der militärische Lkw, ob das Stromaggregat bereitgestellt wird, wenn es denn verfügbar wird. Ich denke, bei solchen Lagen ist Dezentralität ganz wichtig und auch für den Erfolg der Maßnahmen ausschlaggebend, auch bei der Bundeswehr, die ja allgemein als eine sehr zentral organisierte Institution gilt.

Ich kann noch kurz sagen, wie es jetzt bei uns weitergeht: Wir werden jetzt dafür sorgen, dass bundesweit verfügbares Material vor Ort bereitgestellt werden kann. Das ist auch eine Maßnahme, die aus dem militärischen Katastrophenalarm resultiert. Das heißt, dem Kommando Territoriale Aufgaben hier in Berlin sind für diesen Fall sozusagen alle Kräfte bundeswehrweit unterstellt, und sie sind angewiesen, ihr Großgerät jetzt verfügbar zu machen für die Gebiete, die im Moment betroffen sind und die eventuell noch betroffen sein könnten. Wir hören ja auch aus Baden-Württemberg und Bayern von weiteren Großereignissen bzw. von massiven Regenfällen, die schon für Probleme sorgen. Darauf bereiten wir uns also vor.

Ganz wichtig ist auch die Bitte, das zu verbreiten, richte ich auch in Richtung der medialen Kommunikation , dass die Wege, wie an die Hilfsleistungen der Bundeswehr herangetreten werden kann, sehr einfach sind. Seitens der Verantwortungsträger der Behörden in den Kreisen, kreisfreien Städten und Kommunen kann man im Grunde direkt vor Ort die Kommandeure und Kommandeurinnen ansprechen und dort den Bedarf anzeigen. Bitte schauen Sie auch auf unsere Onlineseiten, wo das Verfahren beschrieben ist. Dort gibt es sogar Flyer zum Download, die man unterwegs nutzen kann. Dort sind auch die Organisation und die Ansprechpartner mit Wegen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen dargelegt. Das kann, wenn Bedarf besteht, vor Ort genutzt werden, um die richtigen Ansprechpartner zu finden, damit es so schnell wie möglich geht. Dies geht eben nur in einer dezentralen Organisation.

ZUSATZFRAGE HELLER: Wie viele Bundeswehrhelfer sind in der Überflutungskatastrophe im Einsatz?

COLLATZ: Derzeit kann ich die Zahlen bestätigen, die bereits im Umlauf sind. Mit Stand von heute Vormittag sind 850 Kräfte eingesetzt. Die Tendenz ist aber deutlich steigend, weil der Bedarf wächst. Ich kann sagen, dass wir Großgeräte im Einsatz haben, viele Bergepanzer, militärische Lkw, die deutlich geländegängiger und auch, was das Durchwaten von Überschwemmungsgebieten angeht, deutlich leistungsfähiger sind, Radlader von den Bauhöfen, die wir ja auch haben. Auch unsere Bundeswehrdienstleistungszentren sind also aufgerufen, mit allem an Baugerät ebenfalls beizutragen. Es geht um Möglichkeiten, Sandsäcke zu befüllen. Wir haben tiefwatfähige Fahrzeuge im Einsatz, also Fahrzeuge, die auch deutlich größere Wasserhöhen in Angriff nehmen können. Wir haben Search-and-Rescue-Hubschrauber im Einsatz, Transporthubschrauber. Die sanitätsdienstliche Versorgung unterstützt ebenfalls mit Einrichtungen. Wir haben mobile Satellitenanlagen im Einsatz, um die Kommunikation zu fördern. Gerade in den abgeschnittenen Orten ist das von immenser Wichtigkeit. Krankenwagen unterstützten bei der Räumung von Altenheimen und Krankenhäusern. Wir haben Schnellboote im Einsatz, die gegen die Fluten ankämpfen können. Wir haben auch fahrzeuggebundene Lautsprechersysteme von unserer Truppe für Operative Kommunikation im Einsatz, um die Behörden bei der Information der Bevölkerung zu unterstützen.

FRAGE LINDNER: An das Finanzministerium: Wie hoch werden die finanziellen Hilfen des Bundes ausfallen, und ab wann können diese Hilfen fließen?

KOLBERG: Der Minister war gestern vor Ort und hat sich ein Bild von der Lage verschafft. Er hat dazu gestern auch Stellung genommen und gesagt, dass die Schäden immens seien, dass das niemand allein stemmen könne und dass es eine nationale Aufgabe sei, hier finanziell zu unterstützen, wie es ja auch in der Vergangenheit immer wieder geschehen ist.

Der Bundesfinanzminister hat Gespräche in der Bundesregierung mit dem Innenminister, mit der Bundeskanzlerin aufgenommen, um schnell für finanzielle Hilfe für die Betroffenen zu sorgen. Der Bund will seinen Beitrag dazu leisten. Der Minister hat betont, dass es eine schnelle Lösung geben müsse. Die Planung sieht vor, dass das Thema bereits am Mittwoch auch im Kabinett aufgegriffen werden soll.

SRS’IN FIETZ: Ich kann an dieser Stelle vielleicht noch ergänzen. Natürlich steht jetzt erst einmal die dringende Frage im Vordergrund, wie die Hochwassergefahr einzudämmen ist und Menschenleben zu retten sind. Aber grundsätzlich hat die Bundeskanzlerin ja bereits deutlich gemacht, dass sie Gespräche mit den zuständigen Ministern geführt hat und dass der Bund bereit ist, bei den Aufbauarbeiten finanziell zu helfen.

FRAGE PETER: Nimmt die Bundesregierung Hilfsangebote aus dem Ausland wie etwa das aus Großbritannien an?

LAWRENZ: Zu solch einem Angebot kann ich Ihnen gerade keinen Sachstand mitteilen.

FRAGE BUSCHOW: Kann das Kabinett allein ein Hilfspaket beschließen, oder muss dazu der Bundestag in der Sommerpause zu einer Sondersitzung zusammenkommen?

KOLBERG: Ich hatte ja gesagt, dass die Gespräche in der Bundesregierung gerade laufen. Sobald diese Gespräche abgeschlossen sind, werden wir natürlich darüber informieren, in welcher Weise geholfen werden soll und ob weitere Entscheidungen und die Einbindung anderer Verfassungsorgane notwendig sind.

FRAGE STEINKOHL: An das Umweltministerium: Haben Sie den Eindruck, dass Deutschland auf die Extremwetterlagen, die ja zunehmen, ausreichend vorbereitet ist, oder muss beispielsweise auch eine Frage an das Innenministerium unsere Infrastruktur an diese Situation angepasst werden?

HAUFE: Ich kann für die Bundesumweltministerin, die jetzt vor Ort in Solingen, also in einem Teil des Katastrophengebietes, ist, erklären, dass sie selbstverständlich auch erst einmal die schnelle Lösung für die Betroffenen vor Ort in den Mittelpunkt gestellt sehen möchte. Gleichwohl denkt die Ministerin natürlich schon auch einen Schritt voraus. Wir als Ministerium sind ja für die Klimaanpassung zuständig.

Die Ministerin schlägt vor, in Zukunft die Anpassung an den Klimawandel als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern auch gesetzlich zu verankern, damit die Kommunen, die vor Ort ja die meiste Arbeit haben und vor der größten Herausforderung stehen, speziell jetzt, aber auch generell, wenn es darum geht, die Anpassung Sie haben es angesprochen der Infrastruktur zu gewährleisten, eine verlässliche, solide Finanzgrundlage seitens des Bundes bekommen. So argumentiert die Ministerin. Denn wir haben bis jetzt nur die Möglichkeit, den Kommunen über Förderprogramme bei der Anpassung an den Klimawandel unter die Arme zu greifen. Die Ministerin sagt aber, hier stehe eine staatliche Daueraufgabe vor uns, und diese müssten wir engagiert bewältigen, an der einen oder anderen Stelle auch engagierter als bisher.

Die Ministerin ist, wie gesagt, in Solingen. Dort gibt es ein modernes Hochwassermanagement. Trotzdem ist dieser Ort arg in Mitleidenschaft gezogen worden, und deshalb ist es für uns zum Beispiel auch wichtig zu wissen: Wie verändern wir eigentlich die Vorsorge, die wir im Hochwasserschutz treffen? Der Bund stellt ja schon seit einigen Jahren 5,5 Milliarden Euro insgesamt zur Verfügung, um große Hochwasserschutzprojekte auf den Weg zu bringen und damit eben auch den Schutz vieler Gemeinden, vieler Regionen zu verbessern.

Wir müssen aber eben auch sehen: die Extremwetterereignisse verändern sich, sie sind dynamisch. Der Klimawandel die Ministerin hat es gesagt ist da, er ist angekommen und er schreitet fort. Deswegen werden wir auch weiterhin um noch einmal auf Ihre Frage einzugehen unsere Anpassungsmaßnahmen immer wieder überdenken müssen. Wir haben ja schon seit mehreren Jahren eine Anpassungsstrategie, die wir auch immer fortschreiben. Genau das ist unsere Aufgabe: Immer wieder mit wachem Auge darauf zu schauen und zu gucken, ob wir nicht das eine oder andere ändern müssen.

FRAGE JUNG: Herr Haufe, was ich jetzt verstehe, ist, dass die Ministerin eine Änderung der Politik vorschlägt und weitere Maßnahmen will. Wie bewertet sie denn die Aussage eines deutschen Ministerpräsidenten, der gestern meinte, nur weil jetzt so ein Tag sei, ändere man nicht die Politik?

HAUFE: Auf die Klimaschutzpolitik angesprochen, habe ich hier ja schon gesagt, dass wir die sowieso regelmäßig verändern und anpassen. Das gibt uns schon das Pariser Klimaabkommen vor, das uns alle fünf Jahre fragt: Tun wir eigentlich ausreichend, um den Treibhausgasausstoß zu minimieren?

Insofern ist das das Programm der Ministerin. Selbstverständlich werden wir das, was wir politisch vorangebracht haben, immer wieder überprüfen. Wir haben jetzt von der Europäischen Union das Fit-for-55-Programm vorgelegt bekommen, das weitreichende Vorschläge beinhaltet, wie wir Klimaschutzmaßnahmen in Europa gemeinsam angehen. Auch das bedeutet für uns natürlich Veränderungen. So ist das Bundesklimaschutzgesetz auch angelegt: Das Bundesklimaschutzgesetz ist angelegt als kontinuierlicher Veränderungsprozess, damit wir, wenn wir merken „Da klappt die Treibhausgasminderung nicht“, entsprechend ändern und gegensteuern können.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie bewertet die Ministerin die Aussage des bekannten Ministerpräsidenten, dass man, nur weil heute so ein Tag sei, die Politik nicht ändere?

HAUFE: Die Ministerin bewertet diese Aussage gar nicht. Sie stellt jetzt in den Fokus, die Lage zu bewältigen. Ich glaube, jedes politische Hickhack ist an der Stelle völlig unangebracht und unangemessen. Es geht darum, die katastrophale Situation vieler Menschen, die sehr bedrückend ist und ein großes menschliches Leid darstellt, in den Vordergrund zu stellen und jetzt möglichst schnell zu lösen.

SRS’IN FIETZ: Lassen Sie mich vielleicht noch einmal grundsätzlich sagen: Nicht jedes einzelne Wetter ist direkt auf den Klimawandel zurückzuführen. Richtig ist aber, dass die Erderhitzung grundsätzlich zu einer Zunahme von sogenannten Extremwetterlagen wie Hitze, Starkregen und Stürmen führt. In Deutschland hat die Durchschnittstemperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnung bereits um rund zwei Grad zugenommen, wie der Deutsche Wetterdienst festgestellt hat. Das ist mehr als die globale durchschnittliche Temperaturzunahme um über ein Grad.

Der Klimawandel ist da, und er ist bei uns und in anderen Teilen der Welt spürbar. Deswegen haben wir schon vor langer Zeit eine sehr ehrgeizige Klimaschutzpolitik und Klimapolitik begonnen und haben jetzt die Ziele auf nationaler Ebene wie auch in Europa noch einmal angeschärft. Die EU-Kommission hat dazu in dieser Woche auch ambitionierte Pläne vorgelegt.

Energie, Mobilität, Wohnen Klimaschutzpolitik setzt an vielen Punkten an. Gleichzeitig müssen wir in Klimaanpassungsmaßnahmen investieren. Das passiert schon vielerorts, vor allem auf Kommunal- und Länderebene. Der Bund unterstützt hier mit Förder- und Beratungsprogrammen und stellt Daten zu den Klimaveränderungen zur Verfügung.

HAUFE: Ich würde dazu gerne noch eine Ergänzung machen, weil Frau Fietz gerade die Extremwetterereignisse angesprochen hat. Die Ministerin hat auch darauf hingewiesen, dass wir eben beides brauchen: eine gute Anpassungsstrategie, aber auch einen guten Katastrophenschutz. Denn es wird immer wieder Extremwetterereignisse geben, die wir nicht komplett abdämpfen können. Deswegen ist es so wichtig, auch den Katastrophenschutz so vorzuhalten, dass er mit diesen schwierigen Wettersituationen gut umgehen kann. Die Kollegen haben ja schon ausgeführt, was da mittlerweile schon alles an Leistungen möglich ist.

FRAGE HELLER: Zum Thema Hochwasserhilfe: Ist ein Flutopfer- oder Aufbaufonds von Bund und Ländern geplant?

KOLBERG: Dazu kann ich noch einmal das sagen, was ich eben schon gesagt habe: Die Gespräche laufen innerhalb der Bundesregierung. Der Bundesfinanzminister hat gestern schon gesagt, dass der Bund unterstützen wird. Dazu, in welcher Weise das geschehen wird und wie genau das aussehen wird, werden wir uns in Kürze äußeren.

ZUSATZFRAGE HELLER: Plant die Regierung einen Nachtragshaushalt, um einen Flutopferfonds zu finanzieren?

KOLBERG: Dazu verweise ich auf das, was ich eben gesagt habe.

VORS. WELTY: Dann kommen wir zu den Terminen der Kanzlerin.

SRS’IN FIETZ: Der Ausblick auf die öffentlichen Termine der Kanzlerin fällt dieses Mal kurz aus: Die Bundeskanzlerin wird am Mittwoch um 9.30 Uhr wie üblich die Kabinettssitzung leiten.

FRAGE WACKET: Noch einmal an das Finanzministerium, allerdings zu einem ganz anderen Thema: Im Koalitionsvertrag wurde den Menschen versprochen, dass die Besteuerung von Kapitalvermögen und Erwerbseinkünften vereinheitlicht werden soll Stichwort Abschaffung der Abgeltungssteuer. Sie haben hier mehrfach angekündigt, dass Ihr Ministerium dazu einen Vorschlag machen werde. Ich habe bisher noch nichts gehört die Legislaturperiode ist fast vorbei. Was ist da passiert?

KOLBERG: Dazu habe ich keinen neuen Stand.

ZUSATZFRAGE WACKET: Das heißt, Sie planen das nach wie vor?

KOLBERG: Ich habe keinen neuen Stand.

FRAGE ECKSTEIN: Wir hatten hier in der Bundespressekonferenz vor gut einer Woche über den Mordanschlag auf den niederländischen Reporter de Vries gesprochen. Er ist jetzt leider im Krankenhaus gestorben. An Frau Fietz: Gibt es dazu eine Reaktion der Bundesregierung?

SRS’IN FIETZ: Ja, die gibt es. Der Journalist Peter de Vries ist gestern seinen Verletzungen erlegen, die er bei dem Anschlag am 6. Juli in Amsterdam erlitten hatte. Unser tiefempfundenes Mitgefühl und unsere Anteilnahme gelten den Angehörigen und Freunden des Verstorbenen. Wir trauern mit der gesamten niederländischen Nation um diesen mutigen Journalisten.

ZUSATZFRAGE ECKSTEIN: Es gibt ja relativ konkrete Vermutungen, dass Gruppen der organisierten Kriminalität hinter diesem Mordanschlag stecken könnten. Sind deutsche Sicherheitsbehörden mittlerweile in Ermittlungen im Zusammenhang mit diesem Mordanschlag involviert?

LAWRENZ: Dazu habe ich aktuell keine Erkenntnisse. Wenn ich welche habe, reiche ich sie ihnen gerne nach.

SRS’IN FIETZ: Ich kann Ihnen noch sagen: Die Bundesregierung verurteilt den hinterhältigen Anschlag in Amsterdam, dem Peter de Vries zum Opfer gefallen ist, auf das Schärfste. Wenn sich bestätigen sollte, dass Herr de Vries aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit angegriffen wurde, war dies ein klarer Angriff auf die Pressefreiheit, und das ist völlig inakzeptabel.

FRAGE JUNG: Zur globalen Mindeststeuer: Herr Kolberg, die amerikanische Finanzministerin Yellen hat sich besorgt geäußert, dass sich internationale Techkonzerne wie insbesondere Amazon auch nach der Einführung der globalen Mindeststeuer von dieser nicht betroffen sein könnten. Der Grund sei da die geringe Profitabilität dieser Unternehmen. Bei Amazon liegt die Profitabilität aktuell bei 6,3 Prozent. Das würde ja bedeuten, dass es von dieser globalen Mindeststeuer gar nicht betroffen wäre. Haben auch Sie diese Sorge?

KOLBERG: Die internationale Gemeinschaft hat sich ja im Rahmen der OECD auf bestimmte Rahmenbedingungen geeinigt, um eine Mindestbesteuerung und auch eine Neuregelung der Besteuerungsrechte einzuführen das sind ja zwei Elemente, die wir da haben. Da gelten unterschiedliche Schwellensätze, um bestimmte Unternehmen zu erfassen. Wir sind zuversichtlich, dass auch die großen Player auf der internationalen Bühne von dieser Steuer erfasst werden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie einmal am Beispiel eines großen, bekannten Techkonzerns erklären, wie dieser von einer dieser Säulen betroffen wäre? Denn bei der zweiten Säule kann es ja nicht sein, wenn die Rentabilitätsschwelle über 15 Prozent liegt und Amazon deutlich darunter liegt. Wie würde ein großer Techkonzern betroffen sein?

KOLBERG: Ich glaube, dass da häufiger Missverständnisse bei der Unterscheidung der beiden Säulen bestehen. Deshalb weise ich noch einmal auf das Statement der OECD hin, in dem diese ganzen Schwellenwerte noch einmal eingeführt werden. In der letzten Woche gab es auch Missverständnisse hinsichtlich des Punkts der Finanzbranche; da wurden in der Berichterstattung auch Säule eins und zwei durcheinandergewürfelt wurden. Da würde ich alle bitten, noch einmal in Unterlagen nachzuschauen, was die Schwellenwerte sind. Wie gesagt, für die Mindestbesteuerung gehen wir davon aus, dass die großen Techkonzerne erfasst sind.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das heißt, die Sorge der amerikanischen Finanzministerin teilen Sie explizit nicht?

KOLBERG: Es gibt Berichterstattung darüber. Ich kenne die Äußerungen der Finanzministerin nicht. Ich kann mich also auch nicht dazu äußern, ob sie sich auf Säule eins oder auf Säule zwei bezogen hat. Wie gesagt, in der letzten Woche gab es da in der Berichterstattung ja mehrere Missverständnisse, woraufhin die Berichterstattung auch korrigiert wurde und gesagt wurde: Es bezieht sich auf die Säule eins und nicht auf die Säule zwei dieser Vereinbarungen, die getroffen wurden.

FRAGE BRODBECK: Ich habe eine Frage zum Thema Corona, genauer gesagt zu den steigenden Inzidenzen in den Niederlanden: Wie geht die Bundesregierung damit um? Warum sind die Niederlande nicht wieder zum Hochinzidenzgebiet erklärt worden? Werden sie demnächst möglicherweise wieder zum Hochinzidenzgebiet erklärt?

HAJEBI: Zu den steigenden Inzidenzzahlen: Es ist tatsächlich so, dass seit Anfang Juli ein leichter Anstieg der Fallzahlen zu beobachten ist. Aktuell steigt die Sieben-Tage-Inzidenz auf niedrigem Niveau, und dies auch in nahezu allen Altersgruppen. Das ist natürlich auf die Deltavariante zurückzuführen.

Zu den Niederlanden: Natürlich beobachten wir auch, wie sich die Inzidenzzahlen in den Nachbarländern und in Europa insgesamt bewegen. Es ist so, dass das BMI, das Auswärtige Amt und das BMG gemeinschaftlich die Gebiete analysieren und dann auch das RKI die Risikogebiete bzw. die Hochinzidenzgebiete und die Virusvariantengebiete auf seiner Internetseite veröffentlicht. Da kann ich jetzt auch nicht vorwegnehmen, wie sich da noch etwas entwickeln könnte.

BREUL: Ich kann vielleicht nur ganz kurz ergänzen: Wir beobachten natürlich sehr genau, was in unseren Nachbarländern passiert und was global passiert. Das BMG hat es gerade schon erwähnt: Die Sitzungen dazu geschehen laufend. Wir achten da auf die Zahlen, wir achten auch darauf, ob es einen stabilen Trend in die eine oder andere Richtung gibt, und nehmen dann entsprechend Umstufungen vor. Sobald eine solche Entscheidung getroffen ist, findet sich das dann auch unverzüglich beim RKI. In der Regel wird diese Liste dann am Freitagnachmittag aktualisiert heute ist ja Freitag.

FRAGE ECKSTEIN: Es gab jetzt Berichte, dass Mallorca die höchsten Zahlen seit Ausbruch der Pandemie überhaupt gemeldet hat. Wird Mallorca heute zum Hochinzidenzgebiet eingestuft?

BREUL: Dazu kann ich nur sagen, dass wir dem natürlich nicht vorgreifen. Sobald es da einen Beschluss gibt, wird das vom RKI veröffentlicht. Ich kann Sie allerdings darauf hinweisen, dass man bei der Kategorie von Hochinzidenz keine regionalen Unterschiede trifft. Es zählt dann also sozusagen das gesamte Land.

FRAGE JUNG: Zu den steigenden Infektionszahlen und der Dynamik: Können Sie nachvollziehen, warum das RKI bei einem wöchentlichen Anstieg der Infektionszahlen von über 50 Prozent immer noch von einem leichten Anstieg spricht, von einem niedrigen Niveau der Sieben-Tage-Inzidenz und einer nur leicht steigenden Tendenz?

HAJEBI: Wie gesagt: Wie Sie schon erwähnen, ist ein Anstieg zu beobachten. Es wird auch weiterhin beobachtet, wie sich die Zahlen entwickeln. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Da müssten Sie sich auch an das RKI wenden, wenn Sie noch eine wissenschaftliche Begründung haben möchten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber hier geht es doch um exponentielles Wachstum. Selbst bei kleineren Zahlen ist doch die Gefahr schon zu bannen. Wenn das jetzt bei einem fünfzigprozentigen wöchentlichen Anstieg immer noch kleingeredet wird, ist man sich der Gefahr nicht bewusst, auch nicht in Ihrem Haus?

HAJEBI: Wir beobachten kein exponentielles Wachstum, sondern einen Anstieg, wie gesagt. Die Situation hat sich ja im Vergleich zum letzten Jahr geändert. Es gibt die Impfung. Sie wirkt. Wir appellieren immer wieder an die Bürgerinnen und Bürger sich zu impfen, sich zweimal zu impfen. Natürlich gibt es auch Tests, die weiterhin durchgeführt werden sollten. Auch an die AHA+L-Regeln sollte man sich weiterhin richten, um die Infektionszahlen nicht steigen zu lassen.

SRS’IN FIETZ: Ich kann nur noch einmal bekräftigen, dass der Bundesregierung bewusst ist, dass steigende Zahlen auch eine große Gefahr darstellen können. Nicht zuletzt macht ein Blick auf unsere Nachbarländer klar, wie schnell sich Zahlen wieder ändern können. Deshalb dürfen wir uns absolut nicht in Sicherheit wiegen. Die Situation kann sich auch hierzulande wieder verschärfen, und deshalb müssen wir wachsam bleiben.

Mit unserem Verhalten können wir die weitere Entwicklung beeinflussen. Es geht darum, die weitere Ausbreitung des Virus in Deutschland so weit wie möglich auszubremsen. Da sind wir wieder bei der Einhaltung der Abstands-, Hygiene- und Maskenregelungen, der Nutzung der Testinfrastruktur sowie der steigenden Impfquote, die es dem Virus natürlich schwerer machen kann, sich weiter auszubreiten. Ziel bleibt es, Ansteckungen zu mindern, damit das Risiko einer hohen Welle im Herbst erspart bleibt.

FRAGE HASENKAMP: Es sollen ja neben der Inzidenz auch andere Kriterien zur Beurteilung der Lage hinzugezogen werden. Ist diese neue Matrix fertig, und wie sieht sie aus?

HAJEBI: Es ist so, dass nicht nur die Inzidenzzahlen beobachtet werden, sondern auch die Hospitalisierungszahlen und der R-Wert. Es werden da mehrere Aspekte beobachtet. Die Hospitalisierungsverordnung haben wir durchgebracht. Sie wurde diese Woche im Bundesanzeiger veröffentlicht und ist in Kraft getreten. Darauf möchte ich auch noch einmal verweisen.

BREUL: Vielleicht kann ich dazu kurz ergänzen, dass wir schon jetzt qualitative Aspekte mit einfließen lassen. Dazu gehört die Belastbarkeit der veröffentlichten Zahlen insgesamt. Dazu gehören auch die Anzahl der Testungen relativ zur Bevölkerungszahl, die sogenannte Positivrate der durchgeführten Tests sowie die Möglichkeit einer verlässlichen Sequenzierung von Virusvarianten im Land. Dieser qualitative Aspekt ist jetzt also nichts Neues.

FRAGE WACKET: Noch eine Frage zum Thema Impfen: Die Bundesregierung hatte ja BioNTech mehrere hundert Millionen Euro für die Entwicklung des Impfstoffes zugewiesen. Im Gegenzug hatte man schon im Oktober einen Vorvertrag über 30 Millionen Impfdosen abgeschlossen, lange bevor das mit den Impfungen losging. A) Ist das jetzt eingelöst? Soll das überhaupt noch eingelöst werden? B) Wenn jetzt sozusagen zugunsten der EU darauf verzichtet wird, weil man das ja im EU-Konvoi machen wollte, zahlt dann die EU diese 400 oder 500 Millionen Euro so viel war das, glaube ich für den Hochlauf der Produktion?

HAJEBI: Sie spielen jetzt auf COVAX oder auf die allgemeine Impfstoffbeschaffung an?

ZUSATZFRAGE WACKET: Nein. Es wurde im Oktober ein Vorvertrag zwischen der Bundesregierung und BioNTech für die Lieferung von 30 Millionen Impfdosen geschlossen worden. Das war im Gegenzug dazu, dass man für den Hochlauf der Produktion, ich glaube, etwa 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat.

Jetzt frage ich mich: Was ist mit diesem Vertrag? Wird er jetzt eingelöst? Wenn nicht, weil man ja dann Kapazitäten der EU überlassen hat, übernimmt dann die EU diese Ausgaben, weil Deutschland ja bilateral die 30 Millionen Dosen gar nicht bekommt?

HAJEBI: Es ist so, dass die Impfstoffe über die EU-Verträge beschafft werden. Daneben gibt es auch noch bilaterale Verträge. Wie die genauen Zahlen da aussehen, das müsste ich gegebenenfalls nachreichen.

FRAGE NEHLS: Beschränken Beschlüsse des US-Kongresses zu Nord Stream 2 bzw. die Meinung des US-Präsidenten die Zuständigkeit des Bundestages bzw. die Regierungsmeinung ein, oder beschneiden sie die deutsche Souveränität?

BREUL: Im Moment laufen ja die Gespräche zwischen der US-Regierung und der deutschen Bundesregierung. Sie sind noch nicht abgeschlossen. Insofern kann ich da Ergebnissen nicht vorgreifen.

Was das Thema extraterritoriale Sanktionen angeht das kann man im weitesten Sinne, glaube ich, noch in diese Frage einfassen , haben wir uns ja hier auch schon häufig geäußert und unsere Ablehnung klar deutlich gemacht.

ZUSATZFRAGE NEHLS: Wie viele EU-Mitgliedsländer haben gegen die Pipeline gestimmt?

BREUL: Mir wäre nicht bewusst, dass es eine Abstimmung über die Pipeline gegeben hätte.

FRAGE ECKSTEIN: Eine Frage an das Bundesinnenministerium: In Italien kommen wieder vermehrt Flüchtlinge an. Deutschland hatte sich 2019 dafür stark gemacht, Italien oder Malta zu unterstützen und für eine europäische Verteilung geworben. Wie kommt es, dass Deutschland selbst seit knapp einem Jahr keine Bootsflüchtlinge mehr aufgenommen hat?

LAWRENZ: Dazu kann ich Ihnen mitteilen, dass das nicht so ganz zutreffend ist. Ganz grundsätzlich ist die Organisation der Seenotrettung Sache der Anrainerstaaten, wo die Menschen ankommen. Deutschland hat sich in ganz vielen Fällen dazu bereiterklärt, die Anrainerstaaten konkret zu unterstützen. In diesem Zusammenhang wurden bisher 913 Migranten nach Deutschland überstellt. Davon kamen 420 aus Italien und 493 aus Malta. Trotz der Pandemie konnten bereits in diesem Jahr 68 Einreisen nach Deutschland sichergestellt werden. Die Verteilung wird durch die EU-Kommission koordiniert, und das Bundesinnenministerium und die ganze Bundesregierung arbeiten natürlich auf eine europäische Lösung dieser Frage hin.

ZUSATZFRAGE ECKSTEIN: Sie haben jetzt gesagt, in diesem Jahr habe es 68 Einreisen gegeben. Ich glaube, es war einmal von 1000 die Rede. Wie will Deutschland diesem Versprechen noch nachkommen?

LAWRENZ: Ich hatte Ihnen gesagt, dass es 68 bereits in diesem Jahr waren und insgesamt schon 913 Personen nach Deutschland eingereist sind.

FRAGE BUSCHOW: Beziehen sich diese Einreisen auf frühere Zusagen? Denn die Antwort aus Ihrem Haus war ja, dass es seit September keine Zusagen mehr gegeben hat. Warum hat man also seit September aufgehört zuzusagen, dass man Flüchtlinge aufnimmt?

LAWRENZ: Es steht die Bereitschaft, Menschen in Not zu helfen. Daran hat sich nichts geändert. Gleichzeitig bleibt natürlich die Aufgabe, auf eine europäische Lösung dieses Problems hinzuarbeiten.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Ich hätte noch eine andere Frage, mehr oder weniger zu diesem Komplex. Gestern wurde im Europaparlament der Bericht zur Untersuchung der Vorwürfe gegen Frontex im Zusammenhang mit illegalen Zurückweisungen in der Ägäis vorgestellt. Mich würde interessieren, wie das Bundesinnenministerium das bewertet und welche Konsequenzen man angesichts der Vorwürfe gegen Frontex für die Beteiligung der Bundespolizei an diesen Einsätzen zieht?

LAWRENZ: Die Bundesregierung hat sich immer für eine transparente Aufklärung der Vorwürfe eingesetzt und sie auch unterstützt. Wir begrüßen daher den Bericht des Europäischen Parlaments und haben ihn zur Kenntnis genommen. Der Bericht stellt aber auch eindeutig fest, dass zum Beispiel Pushbacks, die ja immer wieder in den Raum gestellt werden, nicht belegt werden können.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Er wirft aber vor, dass Frontex von diesen Pushbacks und Grundrechtsverletzungen wusste und dem nicht nachgegangen ist. Reicht nicht diese Schwelle, dass das Konsequenzen für Sie hat?

LAWRENZ: Wir haben, wie gesagt, den Bericht zur Kenntnis genommen und arbeiten jetzt daran, die Empfehlungen im Bericht auszuwerten. Dann werden wir uns weiterhin konstruktiv an der Lösung der Probleme beteiligen.

BREUL: Ich möchte das aus unserer Sicht ergänzen: Wir sind uns einig, dass die internen Kontrollen bei Frontex künftig verstärkt werden müssen. Darüber besteht in der EU weitgehend Konsens. Das wird jetzt weiter beraten. Dabei geht es um verbesserte Verfahren bei der Meldung und Aufarbeitung von Berichten über Rechtsverstöße und um eine Stärkung der Rolle der Grundrechtsbeauftragten. Zu guter Letzt müssen jetzt endlich die restlichen Menschenrechtsbeobachterinnen und Menschenrechtsbeobachter eingestellt werden.

FRAGE JUNG: Vor ein paar Wochen war hier auch das Thema libysche Küstenwache und wie diese im Mittelmeer auf Booten von Geflüchteten schießt. Sie hatten, als wir gefragt haben, nur die Medienberichte und die Videos dazu. Haben Sie sich mittlerweile ein eigenes Bild dieser Vorfälle machen können, und wie bewerten Sie, dass die libysche Küstenwache, die durch die EU finanziert und ausgebildet wird, auf Boote von Geflüchteten schießt?

BREUL: Ich kann dazu gern etwas sagen, Herr Jung. Das liegt ja jetzt schon ein bisschen zurück. Die libysche Küstenwache hat unmittelbar am Tag, nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, dazu Stellung genommen und diese aufs Schärfste verurteilt. Sie angekündigt, dass dieser Fall intern aufgearbeitet wird und die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.

Dieses Statement haben wir zur Kenntnis genommen. Es ist genau der Kurs, den wir von der libyschen Küstenwache erwarten, dass, wenn solche Verstöße auftreten, die natürlich vollkommen inakzeptabel sind, diese intern aufgearbeitet werden und Konsequenzen gezogen werden. Genau das ist unser Ansatz als EU, die libysche Küstenwache dabei zu ertüchtigen, dass gerade die internationalen Standards, die Menschenrechtsstandards, eingehalten werden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sanktionen gibt es für die Küstenwache nicht?

BREUL: Die Küstenwache hat erst einmal diesen Vorfall bedauert. Sie hat gesagt, er sei inakzeptabel, und hat angekündigt, ihn intern aufzuarbeiten. Wo es mit der Aufarbeitung steht, das vermag ich Ihnen jetzt spontan nicht zu sagen. Da kann ich mich gern noch einmal schlau machen. Aber letztlich ist es natürlich, wenn es zu solchen Zwischenfällen kommt, was wir nicht hoffen, der richtige Ansatz, das dann aufzuarbeiten.

FRAGE BUSCHOW: Entschuldigung, ich muss zu Frontex noch einmal kurz nachfragen. Herr Breul, Sie hatten gesagt, Sie seien sich einig, dass die internen Kontrollen bei Frontex verstärkt werden müssen. Ist das eine Einigkeit innerhalb der Bundesregierung? Das frage ich auch mit Blick auf das Innenministerium.

BREUL: Selbstverständlich sind wir uns innerhalb der Bundesregierung einig. Jetzt gilt es natürlich noch, die Einigkeit innerhalb der EU herbeizuführen.

Wie gesagt: Da laufen die Gespräche. Wir haben das Gefühl, dass wir da auf einen Konsens zusteuern. Ich kann Ihnen allerdings nicht aus dem Ärmel sagen, wann da die nächsten Sitzungen oder Abstimmungen anstehen.

LAWRENZ: Ich kann gerade nichts hinzufügen. Wir sind uns einig.

FRAGE JUNG: Im Bericht des EU-Parlaments wird ja insbesondere der Frontex-Chef Leggeri herausgehoben. Dieser hat Zitat „einen Mangel an Kooperationsbereitschaft“ gezeigt, gerade in Fragen der Menschenrechte. Vertraut die Bundesregierung eigentlich noch dem Frontex-Chef?

BREUL: Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, hier Personalien in der Bundespressekonferenz zu diskutieren. Es macht auch keinen Sinn, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten sich zu EU-Spitzenpersonal äußern. Wir haben uns in der Sache geäußert und werden uns intensiv in den Beratungen einbringen. Aber zu Personalien da bitte ich hier um Verständnis möchte ich jetzt an der Stelle nichts sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber kann ein Mann Chef einer Frontex-Organisation sein, der bei Fragen von Menschenrechten, die sehr in seinem Arbeitsbereich liegen, einfach wegschaut und nicht kooperiert?

BREUL: Ich habe zu den Inhalten und zum Personal gesagt, was ich zu sagen habe.

KOLBERG: Noch einmal kurz zur Mindestbesteuerung: Da ist die Berichterstattung von den Agenturen bereits mit dem Hinweis korrigiert worden, dass sich die Äußerungen der amerikanischen Finanzministerin auf Säule 1 bezogen haben, also auf die Mindestbesteuerung. Die Säule 2 gilt auch für große Tech-Giganten.

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