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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 04. August 2021

Themen: Treffen der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs und chefinnen der Bundesländer, Kabinettssitzung (Gesetzentwurf zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Sozialbericht 2021, Zweiter Bericht über die Arbeit und Wirksamkeit der Bundesprogramme zur Extremismusprävention), Unterstützung für die vom Hochwasser betroffenen Gebiete, geplanter Abschiebungsflug von Deutschland nach Afghanistan, Jahrestag der Explosion im Hafen von Beirut, Verurteilung einer Deutsch-Iranerin im Iran, illegale Migration von Belarus nach Litauen, Aufnahme von belarussischen Athleten in Deutschland, Entsendung der Fregatte „Bayern“, COVID-19-Pandemie, Personalie

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
1:15 Bericht aus dem Kabinett
6:49 Corona-Politik

20:20 Die vierte Welle: RKI vs Regierung
– in dem Papier Ihres Ministeriums heißt es, eine vierte Welle kündige sich an. Das ist ja etwas anderes als das, was Ihre eigene Behörde, das RKI, seit letzter Woche verkündet hat, nämlich dass die vierte Welle begonnen hat. Warum wissen Sie es besser als das RKI, dass die Welle noch nicht begonnen hat?
– Sie wissen ganz genau, dass das nicht so ist, dass Frau Demmer und auch Ihre Kollegin Frau Nauber das nicht kommentieren wollten, sich gescheut haben, das zu bewerten. Jetzt haben Sie in Ihrem eigenen Papier quasi abgelehnt, dass das RKI zu dieser Schlussfolgerung gekommen ist. Darum ist es natürlich sehr interessant, dass Sie jetzt als Ministerium etwas anderes sagen als Ihr eigenes Robert-Koch-Institut. Warum tun Sie das? Warum wissen Sie es besser, dass die vierte Welle noch nicht begonnen hat, was als Fakt und Tatsache durch das RKI verkündet wurde?

22:42 „harter Lockdown“?
– ganz kurz eine Verständnisfrage: Sie haben von der Verhinderung eines harten Lockdowns gesprochen. Wovon reden Sie? Wann gab es einen harten Lockdown hier im Land?
– Damit widersprechen Sie erneut RKI-Chef Wieler, der als einzigen wirklichen Lockdown den ersten Lockdown bei der ersten Welle bezeichnet hatte. In der zweiten und dritten Welle gab es keinen harten Lockdown. Warum sprechen Sie davon?

32:29 Abschiebung nach Afghanistan
38:30 Mit Bezug auf die gestrige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte meinten Sie, Herr Alter, das hätte irgendwie nichts mit der deutschen Abschiebung zu tun. Das ist in dem Fall ja nicht richtig, weil der österreichische Asylbewerber in einer gemeinsamen Aktion mit Deutschland nach Afghanistan heute hätte abgeschoben werden sollen. Das hat also sehr wohl etwas damit zu tun. Der Gerichtshof hat ja auch darauf hingewiesen, dass Afghanistan die EU-Staaten Mitte Juli das war hier auch ein Thema gebeten hatte, Abschiebungen für drei Monate auszusetzen. Es geht also natürlich nicht nur um den österreichischen Fall, sondern generell um Abschiebungen nach Afghanistan aus der EU. Warum wissen Sie es jetzt besser?
– Stimmt es, dass es überhaupt gar keine Landeerlaubnis in Kabul gegeben hatte? Das war ja eine Konsequenz der sogenannten Bitte der afghanischen Regierung, keine Abschiebeflüge mehr nach Afghanistan zu schicken. Gab es eine Landeerlaubnis?
– befindet sich Afghanistan aus Sicht des AA im Kriegszustand bzw. im Bürgerkriegszustand? Unterstützt Minister Maas die Abschiebungen? Steht er hinter ihnen?
– Muss sich die Lage erst in einen echten, wirklichen Bürgerkrieg verwandeln, bevor Sie „Keine Abschiebungen mehr“ sagen?

52:11 Deutsches Kriegsschiff im Indopazifik
– Können Sie erläutern, welche Werte dieses Kriegsschiff repräsentiert? (ab 54:50)
– Wie wird denn die deutsche freiheitliche Grundordnung im Indopazifik damit konkret verteidigt?
– Die Ministerin sprach auch von den „Wertepartnern“ in der Region. Wer sind die?

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 04. August 2021:

VORS. WOLF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN DEMMER sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS’IN DEMMER: Zunächst habe ich einen Termin anzukündigen, der für Sie alle nichts Neues ist, aber doch noch ein neues Thema enthält. Wie Sie schon wissen, wird am Dienstag, den 10. August die Bundeskanzlerin um 12.30 Uhr mit den Regierungschefs und chefinnen der Länder zusammenkommen, um insbesondere über das Thema der Impfungen zu sprechen. Aber es werden auch die Fluthilfen noch gemeinsam besprochen.

Das Treffen wird als Videokonferenz stattfinden, und anschließend wird es, wie gewohnt, eine Pressekonferenz geben. Über Details dazu werden wir Sie noch informieren.

Heute war Kabinettssitzung unter Leitung des Vizekanzlers und Finanzministers Olaf Scholz. Die Bundesregierung hat heute die von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegte Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli dieses Jahres beschlossen.

Durch die Starkregen- und Hochwasserereignisse im Juli sind bei vielen Betrieben so große Schäden entstanden, dass die Betriebe nicht weiterarbeiten konnten. Betroffenen Unternehmen kann durch den Starkregen und das Hochwasser eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit drohen, und damit entsteht auch die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags. Der Gesetzentwurf sieht eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Fällen vor, in denen die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Starkregenfälle oder der Hochwasser im Juli 2021 beruht. Ziel ist es, den geschädigten Unternehmen Zeit zu geben, um notwendige Finanzierungs- und Sanierungsverhandlungen zu führen.

Die Regelung soll rückwirkend ab dem 10. Juli bis zum 31. Oktober gelten. Außerdem sieht der Entwurf eine Verordnungsermächtigung für das BMJV vor, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht längstens bis zum 31. März 2022 zu verlängern.

Dann hat das Kabinett heute den Sozialbericht 2021 beschlossen. Der Sozialbericht bietet einen Überblick über alle Reformen mit sozialpolitischem Bezug in der laufenden Legislaturperiode. Zudem informiert er über den Umfang der Sozialleistungen in Deutschland. Dazu eine Zahl: Im Jahr 2020 betrug der Umfang der sozialen Leistungen rund 1,1 Billionen Euro. Das entspricht rund 33,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Der Umfang der sozialen Leistungen zeigt, dass unser Sozialstaat stark und verlässlich ist, auch und gerade in der Pandemie. Sozialleistungen sichern individuelle Lebensrisiken ab und stabilisieren die Wirtschaftsentwicklung. Unter anderem ermöglichen sie medizinische Behandlungen, erhalten Arbeitsplätze und stützen den Konsum. Beispielsweise sorgt das Kurzarbeitergeld für Beschäftigungssicherung und schwächt damit auch die Folgen der Pandemie ab.

Nur durch ein leistungsfähiges System der sozialen Sicherung konnte während der Pandemie bei den Patienten, den Beschäftigten, Arbeitsuchenden und Arbeitslosen, aber auch den Unternehmen, Betrieben und Selbstständigen sehr schnell Hilfe geleistet werden – eine Unterstützung von erheblichem Ausmaß, die das Funktionieren unseres Sozialstaats belegt.

Außerdem auf der Tagesordnung stand der Zweite Bericht über die Arbeit und Wirksamkeit der Bundesprogramme zur Extremismusprävention. Die Bundesregierung ist überzeugt: Wir brauchen einen sehr breiten Politikansatz, um jegliche Form von Extremismus, Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen und unsere Demokratie zu stärken. Neben einem starken Staat mit konsequent handelnden Sicherheitsbehörden gehören dazu auch wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen. Hierfür brauchen wir den Schulterschluss mit einer lebendigen Zivilgesellschaft, die derartigem Gedankengut keinen Platz einräumt und ihm couragiert entgegentritt.

Die Bundesregierung setzt daher im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Zuständigkeit auf eine längerfristige und nachhaltige Stärkung von Extremismusprävention und Demokratieförderung, vor allem im Rahmen der beiden Bundesprogramme „Demokratie leben!“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“.

Der Bericht stellt dar, wie sich die Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements zur Extremismusprävention durch die beiden Bundesprogramme seit 2017 entwickelt hat, und zeigt auf, welche Ansätze besonders geeignet waren. Es wird deutlich, wie aktuelle Entwicklungen, zum Beispiel Rechtsextremismus und gewalttätiger Islamismus oder neue Formen des Antisemitismus, zu Veränderungen in der Herangehensweise geführt haben.

Der Bericht zeigt, dass die beiden Bundesprogramme stetige und dauerhafte Instrumente sind, die mit ihrem großen Finanzvolumen zu einem zentralen Pfeiler der Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung geworden sind.

Der Bericht nennt auch konkret die Leistungen dieser Legislaturperiode: Es gab einen hohen finanziellen Mittelaufwuchs bei dem Programm „Demokratie leben!“, eine bessere Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung, verstärkten Austausch und bessere Vernetzung mit dem Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“, die Umsetzung des 2017 beschlossenen Nationalen Präventionsprogramms gegen islamistischen Extremismus, die Umsetzung des 2019 beschlossenen Maßnahmenpakets zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, den Beschluss und die Umsetzung des 89 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalogs des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus.

Durch gezielte Präventionsarbeit sowie Maßnahmen zur Unterstützung und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, dem Schutz vor Diskriminierung und der Förderung gleichberechtigter Teilhabe stärkt die Bundesregierung die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie für die Verteidigung der offenen Gesellschaft.

FRAGE TIEDE: Das Bundesgesundheitsministerium hat im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz ein Papier an die Bundesländer und an den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages verschickt. Darin wird zwar ausgeschlossen, dass es einen so einschneidenden Lockdown geben muss, aber Lockdowns sind nach wie vor ein Thema.

Vor diesem Hintergrund die Frage an Frau Demmer: Was ist der Satz von Frau Merkel aus dem Januar noch wert, als sie gefragt wurde, wann aus ihrer Sicht die Pandemie überwunden ist und alle Restriktionen fallen müssen? Damals antwortete die Bundeskanzlerin: „Politisch gesehen, würde ich sagen: Als Staat ist für uns schon der Punkt, an dem wir jedem ein Impfangebot machen können, ein wichtiger Punkt.“ Gilt dieser Satz noch?

SRS’IN DEMMER: Erst einmal möchte ich allgemein zu dem Papier, auf das Sie sich beziehen, anmerken: Es geht ja darum, Vorschläge zu unterbreiten, wie es gelingen kann, dass wir alle gemeinsam gut durch Herbst und Winter kommen. Denn die Bedingungen im Winter das haben wir jetzt auch gelernt sind andere als im Sommer.

Das Papier baut dabei auf den uns völlig bekannten Maßnahmen auf und ist aber eine Diskussionsgrundlage für die anstehende MPK. Deswegen stellen Sie die Frage ja auch in Bezug auf die MPK. Es nimmt also Bezug auf uns bekannte Maßnahmen wie das Einhalten der A-H-A-Regeln. Wir haben gelernt, dass Masken uns tatsächlich schützen, wie wichtig es ist, Abstand zu halten, gut zu lüften. Das sind ja Basismaßnahmen, die relativ einfach zu handhabende Mittel sind, mit denen wir jedenfalls die Zahlen weiter unten halten können. Impfen ist weiterhin ein großes Thema. Eigentlich wird in allen Regierungspressekonferenzen angesprochen, wie wichtig es ist. Auch das Testen gehört zu den Basismaßnahmen. Es gibt die Quarantäneregeln, mögliche Schutzmaßnahmen in Abhängigkeit von Inzidenz und Quote.

Es geht jetzt darum: Wie gehen wir mit den steigenden Zahlen um? Das wird auf der MPK abschließend zu behandeln sein. Das Papier ist dafür eine Diskussionsgrundlage.

Da Sie den Lockdown ansprechen: Unser aller Ziel muss es sein, einen weiteren harten Lockdown zu verhindern. Wir haben es mit den eben erwähnten Basismaßnahmen und unserem Verhalten in der Hand, das zu verhindern. Wir können den Pandemieverlauf beeinflussen. Daher sollten wir einfach alle weiter mit Umsicht und Vorsicht agieren und uns an diese Regeln halten.

ZUSATZFRAGE TIEDE: Das war jetzt der allgemeine Teil. Und was ist die Antwort auf meine Frage?

SRS’IN DEMMER: Das war insgesamt meine Antwort auf Ihre Frage.

ZUSATZFRAGE TIEDE: Aber die Frage war ja: Was ist dieser Satz noch wert? Die Kanzlerin hat damals gesagt: an dem Punkt, an dem wir jedem ein Impfangebot machen können.

SRS’IN DEMMER: Das läuft ja noch. Noch konnte nicht jeder ein Impfangebot wahrnehmen.

Wie gesagt, es bleibt ein Leben in der Lage. Es war von Anfang an völlig klar, dass sich die Pandemie dynamisch entwickelt. Es gibt Virusvarianten, die man nicht vorhersehen kann. Insofern gleicht es nach wie vor einem Blick in die Glaskugel.

Wahr bleibt aber auch, dass wir natürlich den Verlauf der Pandemie beeinflussen können, wie eben beschrieben, durch weiterhin vorsichtiges Verhalten.

FRAGE HÜBSCHER: Mir geht es auch um dieses Papier. Ich habe eine Frage an das BMG dazu. Der Gesundheitsminister hat immer wieder gesagt, der Staat solle Geimpfte und Ungeimpfte nicht unterschiedlich behandeln. Jetzt steht aber in diesem Papier im Grunde genommen genau das drin. Unter bestimmten Voraussetzungen, wenn die vierte Welle so kommt wie befürchtet, würden Ungeimpfte von zum Beispiel Gastronomie oder Hotels ausgeschlossen werden. Wie verträgt sich das mit dem, was der Bundesgesundheitsminister bisher immer gesagt hat? Ist das nicht im Grunde dann doch eine Impfpflicht durch die Hintertür?

HAJEBI: Ich kann hier nur wiederholen, dass es keine Impfpflicht geben wird.

Aber ich kann Ihnen zu den Tests und auch zum Thema Impfung noch etwas sagen: Die kostenlosen Bürgertests haben bisher geholfen, die dritte Welle zu brechen und zusätzliche Sicherheit für den Alltag zu geben. Mittlerweile kann sich aber jeder impfen lassen. Darum können die Tests aus unserer Sicht nicht dauerhaft vom Steuerzahler finanziert werden.

Wann genau das Angebot endet, wird aktuell zwischen Bund und Ländern abgestimmt. Aus unserer Sicht ist Mitte Oktober ein guter Zeitpunkt. Bis dahin kann sich jeder impfen lassen, der sich noch nicht bis Mitte September hat impfen lassen können oder sich noch nicht dafür entschieden hat.

Jetzt geht es erst einmal darum, jedem ein niedrigschwelliges Angebot zu machen. Wie Frau Demmer schon gesagt hat: Die Gespräche laufen derzeit, und sie gehen auch bis zur MPK weiter.

SRS’IN DEMMER: Ich würde das gerne bekräftigen: Es wird keine Impfpflicht geben. Es bleibt bei dem Appell, wie wichtig es ist, sich impfen zu lassen, um sich selbst, aber eben auch andere zu schützen.

Wir wollen also keine Impfpflicht, auch nicht durch die Hintertür. Derzeit werden Geimpfte, Getestete und Genesene gleich behandelt. Derzeit sagen aber die Zahlen und Studien, dass Geimpfte deutlich weniger zum Infektionsgeschehen beitragen als Getestete. Das liegt auch daran, dass die Tests, jedenfalls die Schnelltests, nicht so genau sind, wie man sich das wünschen würde.

Die Einschränkungen, die wir alle lange Zeit haben hinnehmen müssen, sind harte Grundrechtseinschnitte, die verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein müssen. Sie müssen verhältnismäßig sein, geeignet sein, angemessen sein, erforderlich sein. Jedes Individuum hat seine Grundrechte, und dem Individuum die Grundrechte zu nehmen, bedeutet, dass Sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Verfassung gerecht werden müssen. Das wird zu besprechen sein. Deswegen kann ich da einem Ergebnis nicht vorgreifen.

Man muss sich überlegen, ob nicht, weil es unterschiedliche Lagen sind, unterschiedliche Gruppen auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Es hängt sozusagen von der wissenschaftlichen Beurteilung ab, ob es dabei bleibt, dass man sagen kann, dass der geimpfte Mensch wesentlich weniger zum Infektionsgeschehen beiträgt als der getestete.

ZUSATZFRAGE HÜBSCHER: Ich habe trotzdem noch eine Nachfrage, gerne an Sie, Frau Demmer. In diesem Papier steht nun die Begrenzung der Teilnahme bzw. der Ausschluss von der Teilnahme nicht geimpfter Personen an Veranstaltungen und in der Gastronomie. Mich interessiert: Was wäre denn da die rechtliche Grundlage? Müsste dafür das Infektionsschutzgesetz noch einmal geändert werden?

SRS’IN DEMMER: Dazu kann, glaube ich, das Justizministerium besser Auskunft geben, denn hier geht es um Vertragsfreiheit. Das sind ja private unternehmerische Entscheidungen.

DR. LEBER: Vielen Dank für die Frage. Frau Ministerin Lambrecht hat sich gerade eben im Rahmen eines Statements dazu geäußert und auch noch einmal betont, dass es keine Impfpflicht geben wird. So weit ganz generell.

Sie hat gesagt, dass wir darauf achten sollen, dass es für Getestete, Geimpfte und Genesene weiterhin Zugang zu Einrichtungen gibt. Der Zugang zu Einrichtungen sollte also aufrechterhalten bleiben. Sie hat aber auch zuletzt noch einmal die Bedeutung der Vertragsfreiheit betont. Das heißt, die Unternehmen, beispielsweise auch Gastronomen, sind in ihrer Gestaltung der Angebote frei. So weit hat sie das ausgeführt.

FRAGE FRIED: Eine Frage an das Gesundheitsministerium: In dem Papier von Herrn Spahn ist von einem Übergang vom pandemischen in das endemische Geschehen die Rede. Das Bild, das da gewählt wird, ist eine Brücke, eine Brücke, die man jetzt schon begeht und die dann irgendwann im Ziel ankommt, und zwar dann, wenn die Grundimmunität gegeben ist.

So, wie sich die Zahlen entwickeln, kann das ja eine sehr, sehr lange Brücke werden, die möglicherweise überhaupt nie am anderen Ende ankommt. Wann ist denn für den Bundesgesundheitsminister trotzdem der Punkt erreicht, an dem man die Maßnahmen, die jetzt mit dem pandemischen Geschehen zu tun haben, dann verändert?

HAJEBI: Herr Minister Spahn hat zum Thema Impfschutz ja noch mal getwittert, auch dazu, inwieweit die bisherigen Impfzahlen zur Herdenimmunität beitragen. Er hat getwittert, dass mittlerweile 44,1 Millionen Menschen in Deutschland den vollen Impfschutz haben und 51,5 Millionen mindestens einmal geimpft sind. Damit haben 73 Prozent der Erwachsenen mindestens eine Impfung erhalten. Das ist gut, aber es reicht noch nicht für einen sicheren Herbst und Winter aus. Darauf möchte ich verweisen. Wie weit sich die Lage noch entwickelt, das müssen wir dann sehen.

ZUSATZFRAGE FRIED: Jetzt haben Sie den Istzustand dargestellt. So, wie sich die Lage im Moment entwickelt, gibt es keinen sicheren Herbst und Winter, sondern eine Grundimmunität wird frühestens im Frühjahr oder im Sommer erreicht.

Deswegen würde ich gerne genauer wissen: Gibt es für Herrn Spahn eine Grenzmarke, bei der er sagt, wir müssen das als endemisches Geschehen anerkennen und auch die Maßnahmen entsprechend verändern?

HAJEBI: Ich glaube, Frau Demmer hat gerade auch gesagt, wir können nicht in die Glaskugel schauen. Jeder kann sich impfen lassen, und wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Deswegen noch einmal der Appell dazu. Aber was in nächster Zeit passiert und welche Maßnahmen kommen oder wegfallen, das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.

FRAGE DANKBAR: Eine Frage an das BMG und an Sie, Frau Demmer: Politiker werfen der Bundesregierung Wortbruch vor, weil Coronatests künftig kostenpflichtig werden sollen. Was sagen Sie dazu und zu dem Vorwurf, dass dies eine Impfpflicht durch die Hintertür sei?

SRS’IN DEMMER: Dazu haben wir uns wirklich in jeder Regierungspressekonferenz geäußert. Es wird ja die Zeit gegeben, damit jeder die Möglichkeit hat, ein kostenloses Impfangebot anzunehmen, auch mit der Zeit, die das in Anspruch nimmt, nämlich der Phase, die es braucht, also dem Warten auf die zweite Impfung und dann den zwei Wochen, die nach der zweiten Impfung abzuwarten sind. Dann wird es eben einen angemessenen Preis für diese Schnelltests geben.

FRAGE JORDANS: Kinder unter zwölf und auch manche Erwachsene können nicht geimpft werden. Werden die Tests für diese Personen weiterhin kostenlos bleiben?

SRS’IN DEMMER: Das sind Details, die sicherlich auch auf der MPK besprochen werden, aber selbstverständlich wird man diesen Umstand berücksichtigen müssen.

FRAGE JUNG: Frau Hajebi, in dem Papier Ihres Ministeriums heißt es, eine vierte Welle kündige sich an. Das ist ja etwas anderes als das, was Ihre eigene Behörde, das RKI, seit letzter Woche verkündet hat, nämlich dass die vierte Welle begonnen hat. Warum wissen Sie es besser als das RKI, dass die Welle noch nicht begonnen hat?

HAJEBI: Ich denke, dass zu dieser Thematik in letzter Zeit sehr oft etwas gesagt wurde, und dem kann ich nichts hinzufügen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie wissen ganz genau, dass das nicht so ist, dass Frau Demmer und auch Ihre Kollegin Frau Nauber das nicht kommentieren wollten, sich gescheut haben, das zu bewerten. Jetzt haben Sie in Ihrem eigenen Papier quasi abgelehnt, dass das RKI zu dieser Schlussfolgerung gekommen ist. Darum ist es natürlich sehr interessant, dass Sie jetzt als Ministerium etwas anderes sagen als Ihr eigenes Robert-Koch-Institut. Warum tun Sie das? Warum wissen Sie es besser, dass die vierte Welle noch nicht begonnen hat, was als Fakt und Tatsache durch das RKI verkündet wurde?

HAJEBI: Ich kann nur noch mal darauf verweisen, dass zu diesem Papier noch die Gespräche laufen.

SRS’IN DEMMER: Ich würde gern noch darauf hinweisen, dass ich mich hier nicht vor einer Bezeichnung gedrückt habe, sondern gesagt habe: Ich wähle meine Worte selbst.

Egal, welche Worte wir hier wählen: Wir sind mit dem RKI völlig einer Meinung, dass die Zahlen seit Längerem steigen. Das ist, auch wenn die Zahlen für sich genommen noch sehr niedrig sind, beunruhigend. Das ist eben eine Warnung.

Wie man mit der aktuellen Lage umgeht, das wird Thema des Gesprächs sein, das ich eben angekündigt habe und das am kommenden Dienstag geführt wird.

FRAGE JUNG: Frau Demmer, ganz kurz eine Verständnisfrage: Sie haben von der Verhinderung eines harten Lockdowns gesprochen. Wovon reden Sie? Wann gab es einen harten Lockdown hier im Land?

SRS’IN DEMMER: Ich würde sagen, das, was wir in den vergangenen Monaten oder im Winter und im Frühjahr erlebt hatten, war ein relativ harter Lockdown.

ZUSATZFRAGE JUNG: Damit widersprechen Sie erneut RKI-Chef Wieler, der als einzigen wirklichen Lockdown den ersten Lockdown bei der ersten Welle bezeichnet hatte. In der zweiten und dritten Welle gab es keinen harten Lockdown. Warum sprechen Sie davon?

SRS’IN DEMMER: Ich möchte hier ausdrücklich nicht dem RKI-Chef widersprechen. Ich glaube, im Verlauf der Pandemie haben die gesamte Bundesregierung und zuvorderst natürlich das Gesundheitsministerium, dessen nachgeordnete Behörde das RKI ist, immer wieder gezeigt, dass wir die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die wissenschaftliche Unterstützung, die uns durch das RKI zuteilwird, sehr schätzen.

FRAGE LANGE: Eine Frage an Frau Demmer, bezugnehmend auf die Frage des Kollegen Fried: Gehen Sie davon aus, dass die erforderliche Anzahl von Impfungen freiwillig zustande kommt? Oder planen Sie Maßnahmen, um noch mehr Druck auszuüben? Das muss ja nicht zwingend strafbewehrt, sanktionsbewehrt sein. Das können auch Anreize sein.

Gibt es Planungen, auch mit Blick auf die MPK in der nächsten Woche, in irgendeiner Form Anreize zu setzen, um die Impfbereitschaft zu erhöhen?

SRS’IN DEMMER: Ich sage es wirklich gerne noch einmal: Wir wollen keine Impfpflicht, auch nicht durch die Hintertür. Für uns liegen die Vorteile einer Impfung klar auf der Hand. Vielen Dank für die Frage. So kann ich die Gelegenheit nutzen, die Vorteile der Impfung noch mal ins Feld zu führen.

Ein vollständiger Impfschutz schützt insbesondere vor einem lebensbedrohlichen Verlauf der Krankheit und einer Hospitalisierung. Er schützt nicht nur die geimpfte Person, sondern er schützt die Angehörigen und die Gesellschaft insgesamt. Mit einer Impfung hilft man quasi mit, die Pandemie einzudämmen. Impfen rettet Leben.

Entscheidend ist, dass sich so viele wie möglich impfen lassen. Aber wir belassen es bei dem Appell und bringen diesen Appell wiederum so oft an, wie es eben geht.

Wir haben das Glück, dass wir sehr, sehr schnell wirksame Impfstoffe und sichere Impfstoffe entwickeln konnten. Das war ja gar nicht so zu erwarten. Es ist möglich, sich kostenlos und an sehr vielen Orten impfen zu lassen im Impfzentrum, in der Arztpraxis, in vielen Unternehmen wird das gemacht , und wir hoffen, dass das Anreiz genug ist.

ZUSATZFRAGE LANGE: Aber wenn diese Hoffnung nun trügt, wenn dieser Appell nichts fruchtet, dann sind wir wahrscheinlich wieder bei dieser Brücke, die Herr Spahn skizziert hat.

Ab wann sagt dann die Bundesregierung: „Okay, liebes Volk, jetzt müsst ihr selber sehen, wie ihr klarkommt“? Sie sprachen vorhin vom Leben in der Lage. Wann sind wir denn an dem Punkt angelangt, wo wir sagen: „Corona gehört jetzt zum Leben dazu, wie meinetwegen die Grippewellen, die wir fast jedes Jahr erleben“?

SRS’IN DEMMER: Ich kann nur noch mal auf das eben Gesagte verweisen. Es ist eine dynamische Entwicklung. Wir werden am kommenden Dienstag in der MPK sehen, wie mit der aktuellen Lage umgegangen wird. Ich kann Ihnen jetzt nicht vorhersagen, wie mit künftigen Lagen umgegangen wird.

FRAGE TIEDE: Anknüpfend an den Gesetzentwurf zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht: Es gab einen offenen Brief der Bürgermeister in der Verbandsgemeinde Altenahr an die Bundeskanzlerin und an Ministerpräsidentin Malu Dreyer, in dem unter anderem dies gefordert wird. Ich weiß, dass die Bundesregierung sich grundsätzlich nicht zu offenen Briefen äußert. Aber wird es eine Reaktion geben? Wie geht man zum einen mit den Vorwürfen und zum anderen mit den Forderungen um?

SRS’IN DEMMER: Die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung sind sich sehr bewusst, dass die Hochwasserkatastrophe zu unermesslichem Leid für die Betroffenen und schrecklichen Verwüstungen mit ganz erheblichen Schäden geführt hat und dass schnelle Unterstützung das Gebot der Stunde ist. Das hat die Bundesregierung ja auch in vielen Fällen viele Kabinettsmitglieder und die Bundeskanzlerin selbst waren vor Ort und haben sich ein Bild von den Schäden gemacht zugesichert. Der Bund steht also fest an der Seite der betroffenen Länder und beteiligt sich bei der Bewältigung dieser außerordentlichen Notlage und ihrer Folgen.

In der Tat, Sie haben völlig recht: Ganz grundsätzlich beantworten wir offene Briefe nicht. Ich kann Ihnen allerdings sagen, dass der Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben, Helge Braun, gemeinsam mit dem Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Fabian Kirsch, am Mittwoch, den 11. August an einem Gespräch mit dem Landrat und den Bürgermeistern des Landkreises Ahrweiler teilnehmen wird. Dieses Treffen organisiert das rheinland-pfälzische Innenministerium.

FRAGE WEIDENBACH: Es gibt mehrere Beispiele, die zeigen, wie Hilfen in den Katastrophengebieten an bürokratischen und rechtlichen Hürden scheiterten. So konnten spezialisierte Luftretter der bayerischen Polizei im Katastrophengebiet nicht zum Einsatz kommen, weil sie die verfügbaren Hubschrauber der Bundespolizei nicht nutzen durften. Die Genehmigungen fehlen, und es gab erhebliche Probleme bei der Absprache zwischen Bund und Ländern. Welche Stellung bezieht das BMI dazu? Die Probleme waren bereits Thema im Innenausschuss. Gibt es Lösungsvorschläge? Bis wann kann damit gerechnet werden?

ALTER: Wir stehen mit den Behörden in den betroffenen Bundesländern in einem engen Austausch, in täglicher Zusammenarbeit. Wir haben auch heute noch einmal den betroffenen Bundesländern, insbesondere Rheinland-Pfalz, Unterstützung angeboten. Jegliche Unterstützung, die hilft, die Situation vor Ort zu lindern oder zu bewältigen, wird von Bundesseite zur Verfügung gestellt.

Aber da geht es auch um Haftungsfragen, da geht es um die Frage, ob im Falle eines Unglücks entsprechende Versicherungen bestehen, und Ähnliches. Das heißt, die Verfahrensweisen, die existieren, wenn man Hubschrauber oder Ähnliches für andere zur Verfügung stellt, kann man natürlich nicht außer Kraft setzen.

Mir ist nicht bekannt, dass die Unterstützung, die notwendig war, und die Unterstützungsbitten, die an uns gerichtet wurden, in irgendeiner Weise an bürokratischen Dingen gescheitert wären.

FRAGE LINK: Ich wollte nachfragen, was sowohl die Ministerpräsidentenkonferenz als auch die heutige Kabinettssitzung angeht. Wie konkret müssen denn am Dienstag Hilfen beschlossen werden? Frau Dreyer fordert ja unter anderem ein Bundesgesetz. Die eben schon erwähnten Bürgermeister und die Verbandsbürgermeisterin, die gestern auch in den „Tagesthemen“ war, fordern einen Sonderbeauftragten der Bundesregierung. Wie konkret wird das also sein? Wie konkret muss am Dienstag auch das Volumen sein? Wie konkret ist das heute im Kabinett besprochen worden?

SRS’IN DEMMER: Ich kann dem Dienstag jetzt nicht vorgreifen; denn die MPK wird ja jetzt explizit dazu genutzt, das Vorbesprochene Der Chef des Kanzleramts hat sich ja schon mit den Chefs der Staatskanzleien damit auseinandergesetzt, und es gibt einen Staatssekretärsausschuss, der das vorbereitet. Ich kann den Ergebnissen jetzt nicht vorgreifen und kann Ihnen auch zu den genauen Zeitplänen, die daraus folgen, jetzt noch nichts sagen. Da müssten Sie sich noch bis Dienstag gedulden.

Konkret zum Sonderbeauftragten würde ich gerne sagen: Ich habe gerade erwähnt, dass in der Kabinettssitzung vom 21. Juli ja schon besondere Strukturen auf Bundesebene geschaffen worden sind, nämlich ein Staatssekretärsausschuss zur Koordinierung der Wiederaufbauhilfe unter Federführung von BMI und BMF, an dem sich aber das BMWi, das BMJV, das BMAS, das BMVg, das BMEL, das BMG, das BMVI, das BMU, das BMBF und das Bundeskanzleramt beteiligen. Der hat auch schon zweimal getagt und maßgeblich dazu beigetragen, dass am vergangenen Freitag mit den Ländern zum Beispiel eine Verwaltungsvereinbarung zu den Soforthilfen beschlossen werden konnte. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Zuständigkeit der Länder für das Katastrophenmanagement sind jetzt also keine weiteren Strukturen auf Bundesebene geplant. Bund und Länder haben das Thema eben, wie gesagt, bereits bei einem Treffen des Chefs des Bundeskanzleramts mit den Chefs der Staats- und Senatskanzleien erörtert, und ich muss Sie jetzt auf den Dienstag und die Ergebnisse verweisen.

FRAGE KOCK: Ich habe noch eine Frage ich glaube, an Herrn Alter , und zwar geht es um den Abschiebeflug, der gestern von München in Richtung Afghanistan über Wien geplant war. Der wurde abgesagt. Warum? Gibt es Pläne, den doch noch zu wiederholen oder ihn überhaupt durchzuführen?

ALTER: Ja, gestern war ein Abschiebungsflug nach Kabul geplant. Der Flug mit insgesamt sechs ausreisepflichtigen afghanischen Männern und dem Begleitpersonal der Bundespolizei sollte gestern am späteren Abend von Deutschland aus starten. Vor der Abschiebung wird ständig überprüft, ob die Durchführung der Abschiebung sicher und ohne jede Einschränkung erfolgen kann, und vor dem Abflug haben uns Informationen über mehrere Detonationen in der afghanischen Hauptstadt Kabul erreicht. Wir waren nicht in der Lage, bis zum Abflug die Situation so weit aufzuklären, dass die sichere Prognose möglich gewesen wäre, dass die Übernahme der Personen am heutigen Morgen in Kabul reibungslos hätte funktionieren können. Wir wissen heute, dass es sich offenbar um einen gezielten Angriff auf den afghanischen Verteidigungsminister handelte. Diese Angriffe fanden in der Nähe der Botschaft, aber auch in der Nähe des Flughafens in Kabul statt.

Da es bei jeder Abschiebung egal in welches Land zu den grundlegenden Voraussetzungen gehört, dass wir vorher prüfen, ob der geplante Ablauf reibungslos funktioniert, sodass keine Gefahr für die Abzuschiebenden, für das Begleitpersonal und auch für die Flugbesatzung entsteht, wurde dieser Flug gestern nicht durchgeführt. Er soll aber zeitnah nachgeholt werden.

Im Übrigen ist es auch ein Gebot der guten Zusammenarbeit mit den afghanischen Behörden, dass wir in einer solchen Situation die Behörden nicht mit einer verschiebbaren Abschiebung belasten.

FRAGE DUDIN: Herr Alter oder vielleicht auch Frau Adebahr, heißt das, die gestrige Attacke und auch die Eilmaßnahme des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte tragen nicht dazu bei, dass Sie Ihre Einschätzung bezüglich Abschiebungen nach Afghanistan ändern?

ALTER: Nein. Wir wollen den ursprünglich gestern geplanten Flug so zeitnah nachholen, wie es möglich ist. Die Lageeinschätzung hat sich ja nicht grundlegend verändert. Wir müssen ja zur Kenntnis nehmen, dass es in Afghanistan und Kabul immer wieder einmal solche Angriffe auf Regierungsvertreter oder Sicherheitskräfte gibt.

Ich habe es an dieser Stelle mehrfach gesagt und will es wiederholen: Es gibt einerseits die allgemeine Lageeinschätzung, die ständig aktualisiert wird, und es gibt natürlich auch in jedem individuellen Fall die Prüfung, ob die betreffende Person, die abgeschoben werden soll, einer individuellen Gefährdung in Afghanistan unterliegt. Wenn diese beiden Fragen mit Nein beantwortet werden können, dann steht einer Abschiebung nichts entgegen.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bezieht sich auf einen Fall in Österreich, der sich nicht auf deutsche Verfahren auswirkt.

FRAGE STEFFEN: Der Bundesaußenminister hat sich Anfang Juli geäußert. Er halte die Abschiebepraxis nach Afghanistan nach wie vor für vertretbar. Wie müsste sich die Sicherheitslage vor Ort verändern oder wie müsste sie aussehen, damit die Bundesregierung Abschiebungen nach Afghanistan für nicht mehr vertretbar halten würde?

ADEBAHR: Wir beobachten die Sicherheitslage in Afghanistan natürlich ganz genau. Das Auswärtige Amt ist an diesem Prozess, den Herr Alter korrekt dargestellt hat, insofern durch die Erstellung eines Asyllageberichts beteiligt. Darin fließen Erkenntnisse über die Sicherheitslage ein. Wir beobachten die Sicherheitslage natürlich täglich und fortlaufend. Dass sich die Sicherheitslage in den letzten Wochen verschlechtert hat, nehmen auch wir zur Kenntnis. Wir werden das weiterhin sehr, sehr genau beobachten. Genau in die Zukunft hineinschauen kann ich an dieser Stelle auch nicht.

FRAGE GAVRILIS: Mich würde, daran anknüpfend, noch einmal ganz konkret interessieren, Frau Adebahr: Wird denn aktuell an einer Aktualisierung des Lageberichts gearbeitet?

ADEBAHR: Wir beobachten die Sicherheitslage, wie ich schon gesagt habe, ja täglich und fortlaufend. Es hat in der Vergangenheit ad hoc sogenannte Ad-hoc-Aktualisierungen gegeben. Falls es für diesen Asyllagebericht eine solche geben sollte, dann würden wir Ihnen das mitteilen, wenn sie denn vorgenommen werden würde.

ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Der Stand ist ja jetzt aus dem Mai. Sind Sie denn der Meinung, dass der Bericht die heutige Lage im Land korrekt wiedergibt, wenn Sie sagen, Sie beobachteten das aktuell?

ADEBAHR: Ich habe dazu in den letzten Regierungspressekonferenzen schon ausgeführt, dass dieser Lagebericht auf der Einschätzung verschiedener Stellen beruht und am 15. Juli vorgelegt wurde. Natürlich sind darin, weil es auch um ganz bestimmte Bevölkerungsgruppen in Afghanistan, um Regionen und Sachverhalte geht, Studien und Erkenntnisse eingeflossen, die schon älter, aber natürlich noch aktuell sind, aber es sind vor der Veröffentlichung am 15. Juli auch ganz, ganz aktuelle Erkenntnisse darin eingeflossen.

Wir können, da das ein eingestuftes Dokument ist, das unter anderem den Behörden als Entscheidungsgrundlage für einen Einzelfall eine solche Abschiebefrage ist immer eine Einzelfallentscheidung dient, hier nicht daraus zitieren. Aber das ist das Allgemeine, das ich Ihnen dazu sagen kann.

FRAGE JUNG: Mit Bezug auf die gestrige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte meinten Sie, Herr Alter, das hätte irgendwie nichts mit der deutschen Abschiebung zu tun. Das ist in dem Fall ja nicht richtig, weil der österreichische Asylbewerber in einer gemeinsamen Aktion mit Deutschland nach Afghanistan heute hätte abgeschoben werden sollen. Das hat also sehr wohl etwas damit zu tun. Der Gerichtshof hat ja auch darauf hingewiesen, dass Afghanistan die EU-Staaten Mitte Juli das war hier auch ein Thema gebeten hatte, Abschiebungen für drei Monate auszusetzen. Es geht also natürlich nicht nur um den österreichischen Fall, sondern generell um Abschiebungen nach Afghanistan aus der EU. Warum wissen Sie es jetzt besser?

ALTER: Der Europäische Gerichtshof hat in einem Einzelfall entschieden. Dieser Einzelfall geht auf einen Antragsteller zurück, der aus Österreich nach Afghanistan abgeschoben werden sollte. Aus dieser Einzelfallentscheidung kann man keine unmittelbaren Bezüge zu deutschen Verfahren herstellen. Aber selbstverständlich werden die Behörden in Deutschland dieses Urteil auch im Hinblick auf die deutsche Abschiebepraxis auswerten und daraus Schlüsse ziehen. Aber es bleibt dabei, dass es keine allgemeingültige Entscheidung gibt, die für ganz Europa gilt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Stimmt es, dass es überhaupt gar keine Landeerlaubnis in Kabul gegeben hatte? Das war ja eine Konsequenz der sogenannten Bitte der afghanischen Regierung, keine Abschiebeflüge mehr nach Afghanistan zu schicken. Gab es eine Landeerlaubnis?

ALTER: Der gestrige Flug war mit der afghanischen Regierung abgestimmt und hätte stattfinden können, einschließlich der Landung. Die Entscheidung, das nicht zu tun, war eine Entscheidung des deutschen Innenministeriums.

FRAGE REMME: War geplant, im Flug über Wien andere abzuschiebenden Personen aufzunehmen? Ist es gängige Praxis, dass EU-Länder bei diesen Flügen durch gemeinsame Abschiebungen kooperieren?

ALTER: Es ist keine Besonderheit, dass Abschiebungen im europäischen Verbund stattfinden, häufig auch durch Frontex koordiniert. Das ist mit Bezug auf Afghanistan bei den Abschiebungsflügen, die wir in der Vergangenheit durchgeführt haben, bisher eher nicht der Fall gewesen. Aber es gab Überlegungen im Vorfeld des gestrigen Flugs, das gegebenenfalls mit Österreich zusammenzuführen. Das hat aber dann nicht stattgefunden. Der Flug hätte gestern von Deutschland aus direkt nach Kabul stattgefunden.

FRAGE DUDIN: Habe ich es richtig verstanden, dass es sich um fünf Männer handelte? Können Sie noch einmal ein paar Einzelheiten zu denen nennen?

ALTER: Es waren sechs ausreisepflichtige afghanische Männer, alle erwachsen, die jeweils aus der Haft zum Flughafen geführt wurden und dementsprechend nach der Verschiebung des Abschiebungsflugs auch wieder in Haft zurückgeführt wurden. Nähere Angaben dazu habe ich jetzt nicht; die müssten bei den Bundesländern erfragt werden.

FRAGE GAVRILIS: Können Sie noch einmal etwas erklären, Herr Alter oder auch Frau Demmer? Es gab ja die Bitte von der afghanischen Seite, die Abschiebungen eben bis zum Oktober, glaube ich, auszusetzen. Norwegen, Schweden und Finnland sind dem nachgekommen. Warum kommt die Bundesregierung diesem Wunsch der afghanischen Behörden nicht nach?

ALTER: Zunächst einmal kann ich Ihnen sagen, dass Sie ja auch an dem gestrigen geplanten Flug erkennen, dass wir mit der afghanischen Seite in einem engen Austausch stehen. Losgelöst von Afghanistan ist es so, dass man keine Abschiebung gegen den Willen des Staates durchführen kann, in dem das jeweilige Flugzeug landen soll. Das heißt, Abschiebungen sind darauf angelegt, dass die beiden betroffenen Staaten miteinander kooperieren. Das wäre für den gestrigen Flug der Fall gewesen.

Nach wie vor steht die Bitte der afghanischen Seite im Raum, für drei Monate das Abschiebegeschehen auszusetzen. Wir haben auch von Anfang an gesagt, dass es uns wichtig ist, dass wir da einen Kompromiss finden, weil es für die deutsche Seite wichtig ist, dass Straftäter bzw. Inhaftierte weiterhin abgeschoben werden können.

FRAGE JUNG: Frau Adebahr, befindet sich Afghanistan aus Sicht des AA im Kriegszustand bzw. im Bürgerkriegszustand? Unterstützt Minister Maas die Abschiebungen? Steht er hinter ihnen?

ADEBAHR: Minister Maas steht hinter der Beschreibung der Lage und der Haltung der Bundesregierung, wie sie hier zum Ausdruck gekommen ist. Afghanistan befindet sich nach dem Abzug der internationalen Kräfte in einer schwierigen Lage, und wir sehen, dass sich die Sicherheitslage in den letzten Wochen auch verschlechtert hat. Ich würde das nicht mit den Begriffen beschreiben, die Sie verwendet haben, aber, ja, Afghanistan befindet sich in einer schwierigen Sicherheitslage. Die ist volatil das ist auch nach wie vor so , und sie ist regional nach wie vor unterschiedlich. Wir beobachten als Auswärtiges Amt fortlaufend, wie sich die Lage entwickelt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Muss sich die Lage erst in einen echten, wirklichen Bürgerkrieg verwandeln, bevor Sie „Keine Abschiebungen mehr“ sagen?

ADEBAHR: Das ist eine Suggestivfrage und keine Frage nach einem außenpolitischen Punkt, Herr Jung. Es ist eine Meinung, die Sie vertreten oder analysieren können, aber keine Frage, die so zu beantworten ist.

FRAGE NEHLS: Frau Adebahr, zum Jahrestag dieser folgenschweren Detonation in Beirut: Gibt es eine Art von Absprache oder Abstimmung zwischen Berlin und Paris darüber, wer dort ich sage es einmal sehr salopp die Nase vorne haben soll, um diesem gebeutelten Land wieder auf die Sprünge zu helfen?

Ist es möglicherweise so, weil man heute in der Nachrichtenlage mehr von und über Initiativen aus Frankreich gehört hat, aber durchaus auch gestern schon Herrn Maas zitiert bekam, dass diese deutsche Haltung, die ja an der Regierung im Libanon beteiligte Hisbollah-Bewegung unisono als Terrororganisation zu klassifizieren, ein bisschen Intentionen des AA im Wege steht, diesem Land nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich unter die Arme zu greifen?

ADEBAHR: Das ist eine sehr komplexe, lange Frage gewesen, die auch auf das komplexe Geflecht, wie ich es einmal nenne, der politischen Meinungsbildung und Partizipation der verschiedenen religiösen und säkularen Gruppen im Libanon anspielt. Ich will es einmal kurz so versuchen: Zur Stunde nimmt Bundesaußenminister Minister Maas an einer virtuellen Geberkonferenz für den Libanon unter Leitung Frankreichs teil. Präsident Macron hat, bevor ich hierherkam, dort gesprochen. Der Minister müsste zur Minute dort sprechen. Die Vereinten Nationen sind vor Ort.

Was haben wir in dieser Konferenz bisher gehört? Was wird der Minister sagen? Was haben Sie aus seinem O-Ton von gestern wahrgenommen? Die Lage nach einem Jahr Explosion im Libanon ist unbefriedigend. Die Reformen, die versprochen wurden und dringend nötig sind, sind nicht angegangen worden. Die Lage für die Bevölkerung hat sich massiv verschlechtert, bis hin zu einer wirklichen Nahrungsmittelknappheit.

Die Forderungen danach, jetzt dort endlich zu einer raschen Regierungsbildung zu kommen, sind auch in der Konferenz heute noch einmal sehr, sehr stark zum Ausdruck gekommen. Warum? Weil der Libanon eine handlungsfähige Regierung braucht. Natürlich ist allen bewusst das ist bei den Franzosen der Fall; das ist bei uns der Fall , dass das ein geschichtlich schwieriges und komplexes Geflecht ist, aus dem sich die libanesische Regierung traditionell zusammensetzt.

Ja, wir rufen den Libanon dazu auf, diesen Stillstand zu durchbrechen und jetzt zu einer Regierung zu kommen. Herr Mikati ist im Moment damit beauftragt, diese Regierung zu bilden. Insofern hoffen und wünschen wir, dass es ihm gelingt, eine solche Regierung zu bilden. Der libanesische Staatspräsident Herr Aoun hat vorhin auf der Konferenz gesprochen und hat a) noch einmal gesagt, dass der Libanon die Vorfälle des letzten Jahres aufklären will das sind sie immer noch nicht und hat b) versprochen, alles dafür zu tun, dass jetzt eine Regierung gebildet wird, die diesen Deadlock überwindet.

ZUSATZFRAGE NEHLS: Wird Deutschland bzw. das AA in Beirut gehört, speziell auch von der Hisbollah, die dort ja nicht ganz unbedeutend beteiligt ist oder wird dort gesagt „Das ist kein guter Berater, der uns ausschließt“?

ADEBAHR: Ich glaube schon, dass wir gehört werden. Wenn Sie den Twitteraccount des deutschen Botschafters dort in den letzten Wochen verfolgen, dann sehen Sie

ZURUF NEHLS: Das konnte ich nicht!

ADEBAHR: Dann empfehle ich das die sozialen Medien sind ja dieser Tage vielleicht allseits zum Gemeingut geworden , und dann werden Sie sehen, dass es eine größere Diskussion um einen Tweet des deutschen Botschafters gab, der ziemlich explizit zu Reformen aufgefordert hat. Das zeigt uns, das zeigt dem Auswärtigen Amt: Ja, wir werden dort, glaube ich, gehört.

FRAGE RATZ: Im Iran ist eine Deutsch-Iranerin wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ist Ihnen dieser Fall bekannt? Wie reagieren Sie auf dieses Urteil?

ADEBAHR: Da bräuchte ich erst einmal einen Namen. Die Haftfälle von deutschen Personen im Iran sind uns grundsätzlich bekannt. Es sind oft Doppelstaatlerinnen oder Doppelstaatler. Vielleicht können Sie den Namen nachreichen, und dann reiche ich gerne eine Antwort nach.

FRAGE HÜBSCHER: Eine Frage an Frau Demmer und/oder Herrn Alter. Es gibt seit Wochen hunderte von illegalen Grenzübertritten zwischen Belarus und Litauen. Wir würden gerne wissen: Wie wird die Bundesregierung auf diese offensichtliche Provokation Lukaschenkos reagieren?

Zweitens. Kann sich die Bundesregierung vorstellen, einen Teil dieser Flüchtlinge aufzunehmen?

SRS’IN DEMMER: Wir verfolgen die Entwicklungen an der belarussisch-litauischen Grenze sehr genau. Die litauische Regierung hat aufgrund der aktuellen Lage eine sehr schwierige Situation zu bewältigen, bei der sie auf die Unterstützung der europäischen Partner zählen kann. Sie arbeitet intensiv an Lösungen. Klar ist auch, dass Lösungen im Einvernehmen mit europäischem und internationalem Recht stehen müssen.

Es laufen bereits eine Reihe von Gesprächen mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Es geht darum, wie man gemeinsam diese Form der irregulären Migration besser unterbinden kann. Das ist ein Kurs, den die Bundesregierung unterstützt. Denn Sie wissen, dass die illegale Migration von Belarus nach Litauen ein Problem ist, dass europäisch gelöst werden muss.

Eine entsprechende Anfrage Litauens, ob wir Flüchtlinge aufnehmen, nach der Sie gefragt haben, liegt unseres Wissens nicht vor. Daher stellt sich im Moment die Frage nicht. Aber sobald eine konkrete Anfrage vorliegt, werden die EU und die Mitgliedstaaten diese Anfrage natürlich prüfen.

ADEBAHR: Die Gespräche, die Frau Demmer erwähnt hat, finden namentlich mit der irakischen Regierung statt.

ALTER: Ich kann vielleicht noch ergänzen, dass sich der Bundesinnenminister in der vergangenen Woche gemeinsam mit seinem österreichischen Amtskollegen Nehammer zu dieser Thematik geäußert hat. In der vergangenen Woche hat Litauen eine Anzahl illegaler Grenzübertritte festgestellt, die in dieser Region dort bislang noch nicht vorkamen. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Der Bundesinnenminister hat deutlich gemacht, dass eine funktionierende Außengrenze für das Schicksal der Europäischen Union wichtig ist. Deswegen muss Litauen beim Schutz der Außengrenze unterstützt werden. Es gibt auch schon Anträge für eine Unterstützung durch Frontex. Dort beteiligt sich Deutschland und stellt Personal zur Verfügung. Die Unterstützung Litauens muss sich auch auf den Schutz der Außengrenze beziehen und darf sich nicht nur auf diejenigen beziehen, die schon im Land untergebracht sind.

ADEBAHR: Ich verweise gerne noch auf eine EU-Erklärung von gestern, in der das noch einmal ausdrücklich gesagt wurde. Bundesaußenminister Maas hat sich dazu geäußert und hat gesagt: Flüchtlinge als politisches Druckmittel einzusetzen, ist zynisch und menschenverachtend und richtet sich gegen die EU als Ganzes. Deshalb sind wir diesbezüglich auch auf EU-Ebene in Gesprächen.

FRAGE RATZ: Herr Alter, wäre Deutschland bereit, belarussische Athleten aufzunehmen? Sollten sie hier Asyl beantragen?

ALTER: Das Asylrecht in Deutschland basiert auf dem Prinzip, dass Antragsteller einen Antrag stellen und über den konkreten Antrag entschieden wird. Insofern sind diese Fragen spekulativer Natur und können nicht beantwortet werden. Wenn ein Antragsteller einen Asylantrag stellt, wird darüber entschieden.

FRAGE LINKE: Ich habe eine Frage zur Fregatte „Bayern“. Das Kriegsschiff soll laut Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auf der Fahrt nach Asien die deutschen Werte und Interessen repräsentieren. Ist ein deutsches Kriegsschiff aus Sicht der Bundesregierung tatsächlich ein geeignetes Mittel, um deutsche Werte und Interessen zu repräsentieren?

COLLATZ: Die Marine präsentiert insofern natürlich auch deutsche Staatlichkeit und deutsches Engagement in dieser Region. Insofern ist es sehr gut geeignet.

ZUSATZFRAGE LINKE: Die Bundesregierung hat gegenüber der Volksrepublik einen Besuch der Fregatte angeboten, um im Dialog zu bleiben, wie die Verteidigungsministerin gesagt hat. Wie hat Peking darauf reagiert?

COLLATZ: Die Antwort steht noch aus. Wir sind in ständigen Verhandlungen darüber und erwarten rechtzeitig eine Antwort, bevor die Fregatte die Region verlässt.

ADEBAHR: Ich kann noch anfügen, dass die Entsendung der Fregatte eine Umsetzung der Indopazifik-Leitlinien der Bundesregierung ist, die auch ein sicherheitspolitisches Element hat. Das ist die Unterstützung der regelbasierten freiheitlichen Regeln auf dem Meer und der freien Schifffahrt. Auch in diesem Sinne ist die Fregatte ein sichtbares Zeichen dafür, wie sich Deutschland mit den Indopazifik-Leitlinien zu dieser Region, die immer wichtiger wird, weltpolitisch aufstellt.

FRAGE NEHLS: Eine einzelne Fregatte kann ja nicht so viele Aufgaben auf einmal erfüllen. Wie würden Sie übergeordnet den Sinn beschreiben? Ist das ein Training? Ist das ein Teil eines Manövers, sicherlich abgesprochen mit der NATO? Aber es ist ja kein Schiff drumherum. Ist das vielleicht sogar eine promotionorientierte Waffenschau? Wir haben diese pittoresken Bilder gesehen. Der Sinn erschließt sich mindestens mir vielleicht auch dem einen oder der anderen nicht so recht.

COLLATZ: Solche Präsenz- und Ausbildungsfahrten finden sehr regelmäßig und ständig statt. Jede Besatzung braucht eine Ausbildung. Sie muss die Seemannschaft lernen. Dazu dient natürlich diese Fahrt auch, die Frau Adebahr eben ausgeführt hat. Das Ganze hat aber eine politische Konnotation, die sich in den indopazifischen Leitlinien der Bundesregierung wiederfindet. Dabei spielt diese Fregatte sehr wohl eine sehr wirksame Rolle.

FRAGE JUNG: Können Sie erläutern, welche Werte dieses Kriegsschiff repräsentiert?

COLLATZ: Die Fregatte „Bayern“ ist Teil der Bundeswehr. Die Bundeswehr hat den Auftrag, ihren Teil dazu beizutragen, natürlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung nach außen zu verteidigen. Wie das als Anteil des indopazifischen Engagements der Bundesregierung geschieht, können Sie in den Indopazifik-Leitlinien nachlesen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie wird denn die deutsche freiheitliche Grundordnung im Indopazifik damit konkret verteidigt?

Die Ministerin sprach auch von den „Wertepartnern“ in der Region. Wer sind die?

COLLATZ: Freiheit der Bewegung auf den Weltmeeren ist ein Teil davon; Wohlstand in Deutschland ist ein Teil davon. Da, wie Sie wissen, auch der deutsche Wohlstand sehr wesentlich von der Freiheit der Bewegung auf den Weltmeeren abhängig ist, weil unsere Güter ja oft von dort kommen, ist das sehr wohl Teil des politischen Engagements.

ZURUF JUNG (akustisch unverständlich)

COLLATZ: Das sind Werte, die wir gemeinsam mit unseren gesamten Partnern teilen und verteidigen.

VORS. WOLF: Die Nachfrage war: Welche Wertepartner?

COLLATZ: Die Fregatte wird auf ihrem Weg in den Indopazifik an verschiedenen Vorhaben seitens der NATO teilnehmen zum Beispiel im Mittelmeer , aber auch beispielsweise an der Überwachung des Embargos gegen Nordkorea. Auch dort werden sie sich einloggen und dann mit den Partnern, die vor Ort zusammen dieses Embargo wahrnehmen, gestalten.

FRAGE HERZOG: Ich habe noch eine Nachfrage zu Litauen. Frau Adebahr, Sie sagten, die Gespräche mit dem Irak dazu fänden statt. Wer führt diese Gespräche? Die Bundesregierung oder die EU-Kommission?

ADEBAHR: Für die EU-Kommission müssten Sie dort nachfragen. Wir haben solche Gespräche über unsere Botschaft und auch in Berlin geführt.

VORS. WOLF: Das heißt, sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung?

ADEBAHR: Das weiß ich nicht genau. Das müssten Sie noch einmal nachfragen.

FRAGE: Hat die Bundesregierung mehr oder weniger genaue Erkenntnisse, wo es bei der Impfbereitschaft am meisten klemmt? Impfgegner, wenig Interesse, wenige Informationen?

SRS’IN DEMMER: Ich kann jetzt nicht aufschlüsseln, wer sich warum bislang noch nicht hat impfen lassen. Ich kann nur jede Gelegenheit nutzen so auch diese wieder , zu appellieren, dass es durchaus ein sinnvoller Schritt ist, das kostenlose Impfangebot anzunehmen und sich damit selbst und eben auch andere zu schützen.

FRAGE RATZ: Frau Adebahr, ich kann den Namen verurteilten Deutsch-Iranerin nachreichen. Es ist Frau Nahid Taghavi.

ADEBAHR: Die Frage war noch einmal?

ZUSATZFRAGE RATZ: Diese Deutsch-Iranerin wurde wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ist Ihnen dieser Fall bekannt? Wie reagieren Sie auf dieses Urteil?

ADEBAHR: Uns ist der Fall natürlich bekannt. Wir haben uns für Frau Taghavi immer wieder eingesetzt. Frau Taghavi ist Doppelstaatlerin. Aus iranischer Sicht sind Doppelstaatler iranische Staatsbürger. Deswegen ist es für uns in solchen Fällen oftmals nicht möglich, eine konsularische Betreuung vorzunehmen. Wir haben uns aber so gut wir konnten für Frau Taghavi eingesetzt.

VORS. WOLF: Dann hat noch einmal das Bundesjustizministerin bzw. Dr. Leber das Wort.

DR. LEBER: Das ist heute hier meine letzte Regierungspresskonferenz. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich natürlich von Ihnen hier im Saal, aber auch von meinen Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank verabschieden und mich für den wertvollen Austausch in den letzten zwei Jahren bedanken.

Ich habe in den letzten zwei Jahren hier sehr viel gelernt vor allem über Politik und Kommunikation und dabei auch sehr viele Menschen kennengelernt. Das weiß ich wirklich sehr zu schätzen. Meine letzten beiden Jahre waren, wie Sie wissen, vor allem von Krisenzeiten geprägt. Ich denke, gerade in diesen Zeiten hat sich gezeigt, wie wichtig dieses regelmäßige Zusammenkommen hier ist. Meine nächste Station führt mich ins Bundeskanzleramt. Dort bin ich weiterhin mit den Vorhaben und Themen des BMJV betraut und werde im dortigen Spiegelreferat die Themen weiter betreuen und begleiten. Ich würde mich freuen, wenn ich den einen oder anderen in Zukunft noch einmal wiedersehe. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Vielen Dank!

VORS. WOLF: Vielen Dank! Es freut uns natürlich, dass Sie diesen kritischen Austausch schätzen. Das kann ich für unsere Seite nur bestätigen. Alles Gute für die nächsten Schritte.

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