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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 16. August 2021

Themen: aktuelle Lage in Afghanistan, Treffen der Bundeskanzlerin mit dem russischen Präsidenten, COVID-19-Pandemie

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
0:47 Statements zu Afghanistan
5:49 Fragen zu Afghanistan

24:30 Regierungsversagen: Wenn „mehrere Tausend“ afghanische Ortskräfte zurückgeblieben sind, würden Sie von einem Versagen der Bundesregierung sprechen, weil man es nicht rechtzeitig geschafft hat alle Ortskräfte rauszuholen, obwohl man es hätte können und nun sehenden Auges in die Katastrophe gelaufen ist?
26:01 Waren die eigenen Anstrengungen genug?
– wie erklärt sich die Bundeswehr, dass die von Ihnen ausgebildeten Streitkräfte quasi kampflos aufgegeben haben?

36:55 Hans widerspricht BMI/Charterflug
52:35 USA/Taliban Deal: Die Entwicklungen basieren ja auf dem Deal aus dem letzten Jahr zwischen Taliban und den USA. Unterstützt die Bundesregierung diesen Deal noch? Dieser beinhaltet, neben dem Abzug der Truppen, dass im Land keine internationale erroristischen Gruppen mehr beherbergt werden und dass die Taliban von den internationalen Sanktionslisten verschwinden.
– gibt es eine Lageeinschätzung durch das Entwicklungsministerium?

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 16. August 2021:

VORS. FELDHOFF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

STS SEIBERT: Meine Damen und Herren, guten Tag! Sie alle haben wie auch wir die Entwicklungen der letzten Tage und Stunden in Afghanistan verfolgt. Es sind Entwicklungen, die uns große Sorgen machen, Sorgen um das Schicksal einzelner Afghanen und auch um die Entwicklung des Landes insgesamt. Es sind auch bittere Entwicklungen, wenn man sie vor dem Hintergrund des langjährigen Einsatzes der westlichen Staatengemeinschaft betrachtet.

Als Bundesregierung haben wir in diesen Stunden klare Aufgaben, und auf diese sind wir konzentriert. Es heißt, die deutschen Mitarbeiter der Botschaft sowie der in Afghanistan tätigen deutschen Organisationen außer Landes und in Sicherheit zu bringen, und es heißt, so viele der unseren Schutz suchenden afghanischen Ortskräfte wie möglich außer Landes und in Sicherheit zu bringen und mit ihnen Menschen, mit denen wir dort eng zusammengearbeitet haben, sei es in der Demokratieförderung, sei es in Menschenrechts- oder Bildungsprojekten.

Ich erinnere daran, dass viele Menschen aus der Gruppe der Ortskräfte mit unserer Hilfe Afghanistan bereits verlassen haben und in Deutschland sind. Aber es sind natürlich noch mehr, die noch dort sind und denen wir unter den jetzt sehr schweren Bedingungen, die sich durch die Machtübergabe an die Taliban in Kabul ergeben haben, zu helfen versuchen. Die genauen Zahlen derjenigen, die bereits ausreisen konnten, haben möglicherweise die Kollegen für Sie bereit.

Die Bundeskanzlerin hat am Samstagmorgen mit dem Vizekanzler, dem Außenminister, der Verteidigungsministerin, dem Innenminister, dem Chef des Kanzleramtes und auch einem Vertreter des BMZ über die Lage beraten, auch darüber, wie die Evakuierung, das Ausfliegen der deutschen Mitarbeiter und afghanischer Ortskräfte, möglichst rasch erfolgen kann. Sie wird laufend über die Entwicklungen informiert und steht mit den zuständigen Ministern in ständigem Kontakt über die sich entwickelnde Situation. Sie hat gestern Abend zusammen mit den Ministern die Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag dazu informiert und wird dies heute am frühen Abend erneut tun.

Ich denke, die Kollegen von AA und Verteidigungsministerium können Ihnen über die laufenden Bemühungen noch Genaueres berichten, auch über die derzeitige Lage, wie sie sich vor Ort darstellt und wie wir sie mitbekommen.

Ich will schließen, indem ich sage, dass sich die Bundesregierung dem Appell von UN-Generalsekretär Guterres anschließt und die Taliban auffordert, Zurückhaltung zu wahren, das Leben der Menschen in Afghanistan zu schützen und dafür zu sorgen, dass dringend nötige humanitäre Maßnahmen angegangen werden können.

BURGER: Ich kann Ihnen mitteilen, dass bereits gestern 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unsere Botschaft in Kabul verlassen konnten. Sie sind in der Nacht sicher in Doha angekommen und werden von dort aus nach Deutschland zurückgebracht. Ein operatives Kernteam unserer Botschaft ist am Flughafen in Kabul weiterhin vor Ort, um dort weitere Flüge zu koordinieren. Daran arbeiten wir mit Hochdruck.

Die Lage vor Ort entwickelt sich aber sehr schnell. Ich muss daher um Verständnis dafür bitten, dass ich hier noch keine konkreteren weiteren Maßnahmen ankündigen kann. Unsere Priorität liegt zunächst bei den deutschen Staatsangehörigen vor Ort und bei den Ortskräften der Bundesregierung. Ich kann Ihnen sagen, dass Außenminister Maas für heute Nachmittag erneut den Krisenstab der Bundesregierung einberufen wird, um das weitere operative Vorgehen eng zu begleiten und zu koordinieren.

HELMBOLD: Heute früh hat die erste Militärmaschine der Bundeswehr Wunstorf verlassen und sich auf den Weg gemacht, um die Evakuierungsoperation in Afghanistan zu starten. Zwei weitere Flugzeuge der Bundeswehr sind auf dem Weg.

Priorität hat für uns, die Evakuierungsoperation sicher durchzuführen und so schnell wie möglich deutsche Staatsbürger, weitere zu schützende Personen und natürlich auch die Soldaten selbst nach Deutschland zurückzubringen. Die Verteidigungsministerin konzentriert sich in dieser Woche auf diese Aufgabe. Die Evakuierungsoperation hat für uns absolute Priorität. Die Ministerin hat diese Woche alle weiteren Termine abgesagt, natürlich auch alle Wahlkampftermine.

Wir werden Sie, weil wir in Bezug auf operative Details sehr vorsichtig sein müssen, über die laufenden Dinge laufend unterrichten. Wir haben deswegen auch vor, ein tägliches Format einzurichten, in dem wir sowohl das Parlament als auch die Öffentlichkeit über die aktuelle Lageentwicklung unterrichten, damit wir mit Blick auf die hohe Dynamik, die wir in Afghanistan haben, auch am Puls der Zeit bleiben.

FRAGE COERPER: Herr Seibert, dem Motto, dass die Freiheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt werde, haben sich seitdem eigentlich alle Bundesregierungen angeschlossen. Gilt das heute noch?

STS SEIBERT: Ich glaube, dass es einen Zeitpunkt geben wird, zu dem man den gesamten Einsatz über die 20 Jahre nicht nur der Bundeswehr, sondern auch der übrigen Truppen anderer westlicher Nationen bewerten wird. Es wird sicherlich auch zu bewerten sein, warum beispielsweise der Widerstand der afghanischen Armee so schnell aufgegeben wurde, für viele überraschend schnell.

Heute ist meines Erachtens nicht der Tag dafür. Heute haben wir uns auf das zu konzentrieren, was an Aufgabe direkt vor uns und vor den Männern und Frauen liegt, die in Kabul versuchen, diese Aufgabe für Deutschland umzusetzen. Darauf würde ich mich konzentrieren.

Sie alle wissen ganz gewiss, in welcher Situation 2001 dieser Einsatz vieler nationaler Streitkräfte beschlossen wurde. Das ist, denke ich, zu bedenken. Heute sind wir auf die anliegenden Aufgaben in Kabul konzentriert.

ZUSATZFRAGE COERPER: Experten sagen, es werde etwa zwei Jahre dauern, bis die Taliban wieder eine Infrastruktur haben werden, um auch wieder Anschläge in Europa verüben zu können. Wie sehen Sie das im Hinblick auf die Sicherheitslage hier?

STS SEIBERT: Ich würde schon daran erinnern, dass es nicht die Taliban waren, die die Anschläge beispielsweise des 11. Septembers in den USA verübt haben, sondern Terrorkräfte, denen sie erlaubt haben, sich in ihrem Land einzunisten. Gegen dieses Einnisten von Terrorkräften, die uns und die gesamte westliche Welt und eben nicht nur die USA bedroht haben, war der Einsatz ja gerichtet. Ich denke, dass das die Antwort auf Ihre Frage ist.

Im Übrigen kann ich Einschätzungen dessen, was in den nächsten ein, zwei, drei Jahren geschehen wird, in einer Situation, die so sehr im Fluss ist und sich so rasant entwickelt, jetzt von hier aus sicherlich nicht vornehmen.

FRAGE TO ROXEL: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt und an das Bundesverteidigungsministerium. Sie haben ausgeführt, so viele der Ortskräfte wie möglich sollten evakuiert werden. Was raten Sie den Ortskräften vor Ort eigentlich? Denn nach unseren Informationen ist es wohl sehr schwierig für die Menschen, vor Ort überhaupt Kontakt aufzunehmen, überhaupt zu wissen, was sie tun sollen. Gibt es einen Ansprechpartner? Was raten Sie den Menschen vor Ort, was sie tun sollen, und wer trägt jetzt eigentlich die politische Verantwortung für (akustisch unverständlich)

BURGER: Wir haben heute von unserer Botschaft in Kabul auch noch einmal über die sozialen Medien einen Aufruf veröffentlicht, in dem wir allen, die jetzt von dieser Evakuierungsaktion umfasst sind, sowohl deutschen Staatsangehörigen als auch Ortskräften, mitteilen, dass die Operation angelaufen ist und dass wir diejenigen, die für einen konkreten Flug vorgesehen sind, einzeln kontaktieren. Das heißt, dass derjenige, der auf einen bestimmten Flug kommt, von der Botschaft angerufen oder per E-Mail oder SMS kontaktiert wird, je nachdem, was funktioniert.

Wir raten zudem denjenigen, die davon betroffen sind, sich in der jetzigen Situation nicht auf eigene Faust zum Flughafen zu begeben, weil das riskant sein kann und weil sie in der jetzigen Situation nicht erwarten können, in den Flughafen vorgelassen zu werden, bevor sie sich auf einer Flugliste befinden.

Die Situation in und um den Flughafen ist im Moment sehr, sehr unübersichtlich, sowohl mit Blick auf die Sicherheit auf den Zufahrtswegen, die Kontrolle über diese Zufahrtswege, als auch mit Blick auf die Situation auf dem Rollfeld selbst. Sie haben die Meldungen dazu gesehen. Mein letzter Stand von vor Beginn dieser Regierungspressekonferenz ist, dass dort derzeit keine Flugbewegungen stattfinden können, weil sich eine große Zahl verzweifelter Menschen auf dem Rollfeld aufhält.

All diese Faktoren muss man natürlich im Blick behalten. All das bestimmt auch, welche Möglichkeiten wir eigentlich haben, um die Flüge durchzuführen, die wir gern durchführen wollen. Unsere Kollegen sind vor Ort unter Hochdruck daran.

Unser Rat an die Personen, für die diese Evakuierungsaktion gedacht ist, ist, sich an den sichersten Ort zu begeben, den sie finden können das kann zu Hause sein oder an einem anderen Ort , und darauf zu warten, dass sie kontaktiert werden, um sich auf einen Flug zu begeben.

HELMBOLD: Ich möchte ergänzen, dass wir natürlich in intensivem Kontakt mit dem Auswärtigen Amt stehen. Sie wissen, dass wir auch selbst die Möglichkeit haben, mit Ortskräften gegebenenfalls über unsere Callcenter im Einsatzführungskommando Kontakt aufzunehmen, die wir ja schon vor einiger Zeit eingerichtet haben. Wenn wir dort Informationen haben, dann tauschen wir sie mit dem Auswärtigen Amt aus. Umgekehrt passiert dies genauso. Deswegen ist es in dieser unübersichtlichen Lage ungeheuer wichtig, diese Kommunikationslinien so gut wie möglich zu halten, damit man hinterher den Ortskräften konkrete Handlungsanweisungen geben kann. Wie diese im Einzelnen aussehen, ist sehr unterschiedlich. Das heißt, dass ich im Moment nichts pauschal sagen kann, weil jeder Einzelne ein einzelner schwieriger Fall ist, bei dem man nicht pauschal sagen kann, welche Empfehlungen für ihn in dem jeweiligen Augenblick die besten sind.

Das Ziel ist es natürlich, dass wir den Menschen sowohl vor Ort die Möglichkeit des Schutzes bestmöglich erhalten als dann eben auch die Bewegung zu dem Ort ermöglichen, an dem wir die Evakuierung tatsächlich stattfinden (akustisch unverständlich)

ZUSATZFRAGE TO ROXEL: Die Frage nach der Verantwortung ist noch offen.

STS SEIBERT: Der Einsatz der letzten 20 Jahre wenn Sie das meinen war ein gemeinsamer Einsatz der westlichen Staatengemeinschaft, ein gemeinsamer NATO-Einsatz. Die Bilanz dieses Einsatzes wird auch gemeinsam zu ziehen sein, ehrlich und auch kritisch.

HELMBOLD: Ich möchte ergänzen. Wir haben ja auch schon in der Vergangenheit darauf hingewiesen. Wir werden eine Bilanzdiskussion haben. Diese Bilanzdiskussion wird alle Aspekte umfassen, die relevant sind, und sie wird mit aller Ehrlichkeit und aller Offenheit geführt. Im Moment ist allerdings unser Ziel darauf ist auch unsere ganze Konzentration gerichtet , die Ortskräfte, die Staatsangehörigen, weitere zu Schützende und auch die Soldaten selbst aus Afghanistan zurückzuführen.

ZUSATZFRAGE TO ROXEL: Noch eine Konkretisierung, wenn Sie erlauben. (akustisch unverständlich)

HELMBOLD: Ich muss erst einmal etwas Grundsätzliches zu der Evakuierungsoperation sagen. Es ist, denke ich, ganz wichtig, das noch einmal darzustellen.

Wir hatten Zeitlinien, die wie folgt, aussahen: Wir hatten am Freitag eine Sitzung des Krisenstabes. Da wir Kräfte für nationale Krisenvorsorge haben, hatte die Bundeswehr zu diesem Zeitpunkt Anteile, bei denen bereits Pakete geschnürt sind. Im Anschluss haben wir die Planungsintensität sofort weiter erhöht. Wir haben uns auf den Fall, auf die dynamischen Entwicklungen, die stattfinden, konzentriert. Es war noch immer Anpassung erforderlich. Diese Entwicklungen und die Planungen sind mit einem sehr, sehr hohen Tempo vorangeschritten. Die ersten Flugzeuge haben Deutschland ja bereits verlassen.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass es sich zum einen um einen sehr gefährlichen Einsatz handelt, der hier zu planen ist, in dem man auch Sicherheitsvorkehrungen treffen muss, und dass es sich zum anderen um einen Einsatz handelt, der abgestimmt sein muss, und zwar sowohl national als auch international. Bezogen auf die internationale Abstimmung will ich zum Beispiel einfach nur die Überflugrechte, die erforderlich sind, ansprechen. Wenn man ein Luftfahrzeug mit bewaffnetem Militär durch den Luftraum eines anderen Landes schickt, dann ist man darauf angewiesen, von diesem Land eine Freigabe zu erhalten.

All diese verschiedenen Aspekte werden in einen Plan zusammengegossen, um dann bei allen Veränderungen schnell handlungsfähig zu sein. Genau das ist in den letzten Tagen passiert.

BURGER: Ich würde gern noch eine Sache ergänzen, weil in einigen Medien eine Falschinformation darüber zirkuliert. Das Auswärtige Amt das möchte ich Ihnen sagen hat zu keiner Zeit, seitdem diese Planungen angelaufen sind, Bedenken gegen einen früheren Start von Flugzeugen geäußert, wie es in einigen Medien kolportiert wird.

FRAGE MEERKAMM: Ich möchte konkret an das anknüpfen, was die Kollegin gefragt hat. Erst einmal allgemein gefragt: Nun gibt es ja mittlerweile Hinweise darauf, dass die deutsche Botschaft schon zu Beginn der vergangenen Woche vor der Situation gewarnt hat. Die Frage wäre, warum der Krisenstab erst am Freitag konkrete Maßnahmen eingeleitet oder vorgesehen hat?

Ganz konkret zu den Evakuierungsmaßnahmen nachgefragt: Kabul ist ja das eine. Aber gibt es auch konkrete Pläne oder vielleicht schon Hinweise, wie die betroffenen Ortskräfte am ehemaligen Bundeswehrstandort Masar-e-Scharif evakuiert werden können?

BURGER: Zu der ersten Frage kann ich Ihnen sagen, dass wir natürlich alle Entscheidungen im Krisenstab immer in engster Abstimmung und engster Koordination mit der Botschaft treffen. Dabei fließen natürlich die Einschätzungen der Botschaft und eben auch andere Lageeinschätzungen unserer eigenen Erkenntnisquellen und der unserer Partner mit ein. Auf dieser Grundlage entscheidet der Krisenstab gemeinsam.

HELMBOLD: Ich möchte ergänzen. Die Konzentration gilt im Moment natürlich Kabul, wo sich die Mehrzahl der zu schützenden Personen aufhält. Mit Blick auf weitere Dinge möchte ich auf die Operation verweisen und dass es gefährlich ist, über Einzelheiten zu sprechen.

Unsere Konzentration gilt jetzt tatsächlich Kabul und denjenigen, die sich dort gesammelt haben. Sehr, sehr viele Menschen hatten sich bereits im Vorfeld auf dem Weg nach Kabul begeben. In Kabul gibt es auch sehr, sehr viele Ortskräfte anderer Ministerien. Die Mehrzahl der zu schützenden Ortskräfte in Afghanistan sind nicht die des BMVg wir haben schon über 1800 mit Familien nach Deutschland zurückgeführt , sondern es gibt noch sehr viel mehr Ortskräfte. Es gibt in Kabul im Moment eine sehr große Anzahl von Menschen, die wir außer Landes bringen möchten.

FRAGE LÜCKING: Wir haben das Thema der afghanischen Ortskräfte hier jetzt gefühlt seit April thematisiert. Korrigieren Sie mich, wenn ich da falsch liege. Jetzt erreichen mich persönlich Meldungen aus Masar-e-Scharif, dass Menschen vor Ort sitzen und darauf warten, zu sterben, weil sie die Stadt nicht mehr verlassen können. Gerade eben gingen Bilder aus Kabul einer startenden US-Maschine ein, aus deren Fahrwerken Menschen auf die Fahrbahn fliegen. So viel zur konkreten Situation momentan in Afghanistan, damit das auch hier plastisch wird und nicht nur quasi chirurgisch weggearbeitet wird.

Die Frage an die Bundesregierung vor dem Hintergrund dieser Bilder: Arbeiten Sie derzeit weiterhin daran, zum Ende des Monats mit einem großen Zapfenstreich diesem zwanzigjährigen Einsatz ein Ende zu setzen?

HELMBOLD: Erst einmal: Ich möchte alles beantworten. Es gibt mit Sicherheit Ergänzungen dazu.

Uns ist bekannt, in welcher schwierigen Situation sich verbleibende Ortskräfte in Afghanistan befinden. Wir haben zu jedem Zeitpunkt verdeutlicht, wie wichtig es uns ist, diese Ortskräfte sicher nach Deutschland zurückzubringen. Wir haben auch in den vergangenen Regierungspressekonferenzen regelmäßig darüber informiert, welches die Schritte sind, welche Voraussetzungen erforderlich sind und was wir unternehmen.

Zum Thema Zapfenstreich und Veranstaltungen haben wir eine Pressemitteilung herausgegeben. Die Verteidigungsministerin wird dem Kabinett am Mittwoch vorschlagen, dass wir sowohl die Bilanzveranstaltung als auch den Zapfenstreich verschieben, denn wir sind im Moment noch mitten in einer Operation. Der Einsatz in Afghanistan hat weitere Aspekte, die es mit zu bewerten gilt. Es ist jetzt weder für die Bilanzveranstaltung noch für den großen Zapfenstreich der richtige Zeitpunkt

BURGER: Ich würde gerne ergänzen, weil Sie hier in den Raum stellen, wir würden das irgendwie klinisch betrachten.

Es sind unsere Kolleginnen und Kollegen, die dort in Lebensgefahr sind. Sie können sich sicher sein, dass alle im Auswärtigen Amt und in der ganzen Bundesregierung wirklich alles mit ganzem Einsatz das jetzt noch Mögliche zu tun, um diesen Menschen zu helfen.

FRAGE GATHMANN: Herr Seibert, ist der Eindruck korrekt, dass die Bundeskanzlerin am Wochenende in Bezug auf das Ausfliegen der Ortskräfte und die Angehörigen des Auswärtigen Amtes Druck gemacht hat?

Wird sich die Bundeskanzlerin in den kommenden Tagen öffentlich zum Thema Afghanistan erklären?

FRAGE REMME: Herr Helmbold, stimmt es, dass die Bundeswehr auch schon hätte am Samstag fliegen können? Woran lag die Verspätung bis heute Nacht?

STS SEIBERT: Ich kann eigentlich nur wiederholen, was ich schon gesagt habe. Die Bundeskanzlerin hat, wie bekannt, am Samstagmorgen zusammen mit den zuständigen Ministern, dem Vizekanzler und dem Chef des Kanzleramtes die Lage beraten, und zwar immer mit der Zielrichtung, so schnell wie möglich beim nötigen Ausfliegen unserer eigenen Landsleute wie auch möglichst vieler Ortskräfte voranzukommen. Dieses Thema hat sie das ganze Wochenende und natürlich auch heute in zahllosen Gesprächen mit Ministern und Ministerinnen begleitet, die da ihre Zuständigkeit haben. Sie hat die Fraktionsvorsitzenden informiert und wird das heute wieder tun. Sie ist also permanent mit dieser sich entwickelnden Situation befasst.

Aber als Bundesregierung ziehen wir ganz und gar an einem Strang. Wir alle sehen die Notwendigkeiten. Wir sehen die großen Schwierigkeiten vor Ort. Wir machen uns die Sorgen über unsere eigenen Landsleute, die Kollegen des Auswärtigen Amtes. Wir machen uns die Sorgen auch, was die afghanischen Ortskräfte, die ja lange Kollegen waren, betrifft. Die gesamte Bundesregierung setzt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten im Rahmen des Möglichen jetzt dafür ein, dass mit Hochdruck Menschen ausgeflogen werden können. Die Bedingungen am Ort sind im Moment das ist ja gerade von Herr Lücking noch einmal eindrucksvoll geschildert worden sehr schwierig.

HELMBOLD: Ich möchte zu der anderen Frage ergänzen, die noch nicht beantwortet worden ist.

Ich glaube, ich habe vorher die Frage schon beantwortet, wie die Planungen laufen und was zu berücksichtigen ist. Unser Ziel ist es, möglichst schnell möglichst viele zu Schützende nach Deutschland zu bringen.

FRAGE: Herr Burger, die Zahlen wurden bestimmt schon einmal genannt. Ich möchte aber trotzdem noch einmal fragen: Wie groß ist die deutsche Botschaft in Afghanistan? Wie viele Mitarbeiter und (akustisch unverständlich) sind dort beschäftigt? Wie viele deutsche Staatsbürger befinden sich nach Ihren Schätzungen noch dort?

BURGER: Ich bitte um Verständnis, dass wir genaue Zahlenangaben zur Größe unserer Vertretungen grundsätzlich aus Sicherheitsgründen nicht machen. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass bereits 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgeflogen wurden und sicher in Doha angekommen sind und sich ein kleines operatives Kernteam nach wie vor am Flughafen in Kabul befindet. Das ist, soweit ich weiß, im einstelligen Bereich.

Was die deutschen Staatsangehörigen angeht, hatten wir Ihnen Anfang letzter Woche mitgeteilt, dass wir von einer hohen zweistelligen Zahl von deutschen Staatsangehörigen in Afghanistan ausgehen. Es gibt keine Registrierungspflicht für Deutsche im Ausland. Deswegen haben wir keine verbindlichen Zahlen. Wir können auch keine verbindliche Auskunft dazu machen, wem es in der Zwischenzeit noch gelungen war, das Land auf Linienflügen oder auf anderem Weg zu verlassen. Aber die Größenordnung (akustisch unverständlich), mit der wir arbeiten, ist, dass wir davon ausgehen, dass es eine hohe zweistellige Zahl von Deutschen gibt, die mit ihren Kernfamilienangehörigen, die teilweise ja nicht deutsche Staatsangehörige sind, zu evakuieren sind.

FRAGE DUDIN: Deutsche Medien haben gestern einen Hilferuf veröffentlicht und bitten um Visa für ihre afghanischen Beschäftigten. Herr Burger, kommen Sie dem auch nach?

Vielleicht können Sie kurz sagen, um wie viele afghanische Ortskräfte es sich momentan im Großraum Kabul handelt.

BURGER: Zu der ersten Frage kann ich nur sagen, dass wir uns dieses Personenkreises bewusst sind. Viele Ihrer Medienhäuser waren dazu in den letzten Tagen in unmittelbaren Kontakt mit uns, mit dem BMI und mit anderen Stellen der Bundesregierung. Ich muss um Verständnis bitten, dass ich mit Rücksicht auf die Sicherheit der Betroffenen hier nicht mehr dazu sagen kann. Ich könnte anbieten, das „unter drei“ zu machen, wenn das von Interesse ist.

VORS. FELDHOFF: Dann würden wir jetzt „unter drei“ gehen.

(Es folgen Ausführungen „unter drei“.)

VORS. FELDHOFF: Dann gehen wir jetzt wieder „unter eins“.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, wenn mehrere tausend afghanische Ortskräfte, für die sich die Bundesregierung verantwortlich fühlt, in Afghanistan verblieben sind, würden Sie dann von einem Versagen der Bundesregierung sprechen, weil man es nicht rechtzeitig geschafft hat, alle Ortskräfte rauszuholen, obwohl man es hätte können und jetzt sehenden Auges in die Katastrophe gelaufen ist?

STS SEIBERT: Sie haben jetzt gerade noch einmal von den Kollegen und auch in den letzten Regierungspressekonferenzen eindrücklich geschildert bekommen, welche Anstrengungen die Bundesregierung mit verschiedenen Kräften unternimmt, um diese Ausreise von afghanischen Ortskräften zu ermöglichen, und welche Anstrengungen jetzt auch unternommen werden.

Zum Tempo, das immer wieder angesprochen wird: Sie sehen ja an der Reaktion auch der anderen Staaten, der internationalen Staatengemeinschaft, dass kaum jemand mit dieser rasenden Entwicklung, dieser rasenden Preisgabe der Hauptstadt Kabul gerechnet hat. Auch viele afghanische Stimmen haben das nicht erwartet. Die afghanische Regierung hat sowieso noch vor wenigen Tagen ganz anders gesprochen. Ich erinnere mich an einen afghanischen Journalisten, der am Wochenende im deutschen Fernsehen interviewt wurde und sagte, niemand in Kabul habe mit dieser Geschwindigkeit gerechnet. Also heißt es jetzt, unsere Evakuierungsmission mit Hochdruck ablaufen zu lassen. Wie schwierig die Bedingungen dafür sind, das haben Ihnen die Kollegen gerade geschildert.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage war ja: Waren die eigenen Anstrengungen bis heute genug?

Herr Helmbold, wie erklärt sich die Bundeswehr, dass die von ihr ausgebildeten afghanischen Streitkräfte im Grunde kampflos aufgegeben haben?

STS SEIBERT: Zu der zweiten Frage, die Sie an Herrn Helmbold gestellt haben, habe ich vorhin schon gesagt: Vieles wird zu einem späteren Zeitpunkt zu bewerten sein, unter anderem auch die Frage des Verhaltens der afghanischen Armee, der afghanischen Streitkräfte in den vergangenen Tagen. Heute ist nach unserer Überzeugung nicht der Tag dafür.

HELMBOLD: Ich habe es eben auch schon gesagt: Wir konzentrieren uns im Moment auf die Rückführung zu Schützender aus Afghanistan nach Deutschland. Wir werden alle Dinge, die mit Afghanistan sowohl in Bezug auf den Bundeswehreinsatz als auch darüber hinaus zu tun haben, mit Sicherheit im Anschluss sorgfältig evaluieren und mit aller Transparenz durchführen. Aber im Augenblick gilt unsere ganze Anstrengung dem Einsatz selbst.

BURGER: Ich würde gerne kurz zu dieser Frage ergänzen.

Wir haben Sie, glaube ich, in den vergangenen Regierungspressekonferenzen gerade auch über den letzten Monat fast von Sitzung zu Sitzung darüber auf dem Laufenden gehalten, mit welchen Maßnahmen wir das Ortskräfteaufnahmeverfahren beschleunigt und immer noch weitere Flexibilisierungen vorgenommen haben. Wir sind für jeden und jede dankbar, die es geschafft hat, in Sicherheit zu kommen. Das sind jetzt etwa 1900 Personen. Aber richtig ist da gibt es auch nichts zu beschönigen : Unsere Einschätzung, wie sich die Lage entwickeln würde, die nicht nur unsere Einschätzung als abgestimmte Einschätzung der Bundesregierung, sondern auch eine mit den Partnern abgestimmte Einschätzung war, war falsch.

FRAGE DR. RINKE: Herr Seibert, wir haben jetzt viel von Ortskräften und von Deutschen gehört. Es gibt aus mehreren Parteien unter anderem von Herrn Laschet, Herrn Mützenich, Frau Göring-Eckardt die Forderung, dass auch gefährdete Afghaninnen und Menschenrechtler von Deutschen mit ausgeflogen werden sollen. Deswegen die Frage: Stellt sich die Bundesregierung hinter die Forderung der immerhin die Regierung tragenden Parteien?

STS SEIBERT: Vielleicht kann Herr Burger für das Auswärtige Amt dazu etwas sagen.

Ich erinnere mich, dass auch schon in der vergangenen Woche dargelegt wurde, dass wir tatsächlich auch Kräfte, Personen im Blick haben, mit denen wir zum Beispiel in Demokratie- und Menschenrechtsfragen zusammengearbeitet haben.

BURGER: Ich muss, ehrlich gesagt, auf das verweisen, was ich gerade „unter drei“ gesagt habe.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Wenn man diese dritte Gruppe noch hinzunimmt so nenne ich diese Menschen neben den deutschen Ortskräften und den bedrohten Afghanen und Afghaninnen jetzt einmal , dann wird die Zahl ja weiter anwachsen. Gibt es eigentlich irgendeine Form von Zusage dafür, wie viel Zeit man hat, um Menschen überhaupt aus Afghanistan herauszubringen? Das wäre ja auch wichtig für die Länge des Mandats, das die Bundesregierung nun anstrebt.

BURGER: Ich habe ja dargestellt, wie die Lage im Moment ist. Es ist derzeit so, dass jedenfalls bis zu Beginn dieser Regierungspressekonferenz am Flughafen keine Flugbewegungen stattfinden konnten. Wir hoffen, dass das bald wieder möglich ist. Die Situation in Kabul selbst, was die Situation um den Flughafen herum und die Zufahrtswege zum Flughafen angeht, ist aus unserer Sicht im Moment sehr unübersichtlich. Deswegen bin ich an dieser Stelle auch sehr vorsichtig mit Prognosen, wie lange eine solche Operation möglich sein wird. Aber solange es möglich sein wird, solange die Umstände es irgendwie erlauben, werden wir alles daransetzen, diesen Menschen zu helfen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Darf ich das noch einmal präzisieren? Es ging mir darum: Gibt es eigentlich über die Amerikaner oder irgendjemanden von den Taliban eine Zusage, wie lange die stillhalten wollen, oder ist Ihnen so etwas nicht bekannt?

BURGER: Ich habe ja gerade gesagt, dass ich dazu keine Prognose abgeben kann.

FRAGE FRIED: Ich hätte noch zwei Verständnisfragen zu Themen, die schon aufgerufen wurden, die mir aber immer noch nicht klar sind. Am Freitag hat man die klare Zusage gegeben, schnell auch mit eigenen Kräften einzufliegen. Warum hat das jetzt bis Montag gedauert, Herr Helmbold? Würden Sie sagen, das war ein ganz normaler Ablauf mit Überflugrechten usw., wie Sie geschildert haben, oder hat es da Verzögerungen gegeben, die eigentlich nicht eingeplant waren? Warum sind die Maschinen erst heute Morgen abgeflogen?

Herr Burger, Sie sagten, Menschen stehen auf einer Liste und werden benachrichtigt. Wenn ich es jetzt richtig verstanden habe, ist die Frage, wie sie dann zum Flughafen kommen, eigentlich deren Sache. Ist das richtig?

HELMBOLD: Mit Blick auf Ihre erste Frage: Die habe ich ja im Wesentlichen beantwortet. Die Vorbereitung und die Planung bis hin zum Abflug sind mit großer Geschwindigkeit erfolgt. Wie Sie richtig sagen, gibt es sehr viele Dinge zu koordinieren, national wie international, beispielsweise eben Überflugrechte, aber auch weitere Koordinierungsmaßnahmen. Daraus erklärt sich, wie lange so etwas grundsätzlich dauert. Die Dauer von Freitag bis zum Abflug heute früh stellt eine durchaus gute Geschwindigkeit dar, insbesondere wenn man bedenkt, dass sich die Lage vor Ort laufend geändert hat und damit auch permanent und immer wieder der Plan wir nennen das „contingency planning“ angepasst wurde. Ich würde also sagen: Ja, das liegt im Rahmen dessen, was normalerweise, bezogen auf die Planung entsprechender Operationen dieser Komplexität, üblich ist. Das war insgesamt ein sehr, sehr schnelles Vorgehen.

Wenn Sie fragen, was das Ganze dann gegebenenfalls noch verzögert hat oder was wir noch zusätzlich zu bedenken hatten, wie ich eher sagen würde: Das sind insbesondere die Faktoren, die durch die rasante Lageentwicklung vor Ort zusätzlich hinzugekommen sind.

BURGER: Zu der an mich gestellten Frage: Ich kann Ihnen nicht sagen, ob wir im Einzelfall Möglichkeiten haben, Hilfestellung bei der Anfahrt zum Flughafen zu leisten. Ich gehe davon aus, dass das im Regelfall nicht der Fall sein wird, weil wir ja derzeit über keine eigenen deutschen Kräfte in der Stadt Kabul verfügen. Ob es dann, bezogen auf einzelne Flüge oder einzelne Personengruppen, Hinweise bzw. Empfehlungen vonseiten der Botschaft geben wird, wie man sich zum Flughafen begibt, kann ich hier zum jetzigen Zeitpunkt nicht pauschal sagen.

ZUSATZFRAGE FRIED: Trifft es denn zu, dass es ein Angebot der Amerikaner gegeben hat, auch mehr als die 40 deutschen Kräfte, die schon von den Amerikanern ausgeflogen wurden, auszufliegen, die Bundesregierung aber darauf bestanden hat, eigene Flugzeuge zu schicken?

BURGER: Es trifft zu, dass es dieses Angebot vonseiten der USA gibt. Wir haben dieses Angebot ja auch wahrgenommen. Der Außenminister hat gestern gesagt, dass wir im Zuge dieser gesamten Operation auch weiter mit unseren Partnern zusammenarbeiten werden. Wir werden anderen Hilfe anbieten, wir haben auch anderen schon Hilfe geleistet, und wir werden auch weiter auf Hilfe anderer zurückgreifen. Insofern das unterstellt, wir hätten eine uns angebotene Hilfe abgelehnt, weil wir es lieber selbst machen wollten, kann ich das verneinen.

FRAGE HELLER: Ist die Bundesregierung darauf eingestellt, im größeren Maße Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen? Mit welcher Größenordnung rechnen Sie?

Offensichtlich hat es eine Bitte aus den USA an Albanien, Kosovo, Nordmazedonien und Kanada gegeben, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen. Gibt es eine entsprechende Bitte auch an Deutschland und die EU?

VICK: Die Lage ist ja, wie die Kollegen schon geschildert haben, schwierig, und wir müssen sicherlich davon ausgehen, dass sich die Menschen in Bewegung setzen und dass die Lage vor Ort zu Migrationsbewegungen führen wird.

VORS. FELDHOFF: Können Sie etwas zur Größenordnung sagen?

VICK: Ich kann keine genauen Zahlen nennen, nein.

FRAGE STEINKOHL: Herr Seibert hat zwar gesagt, bei dieser Evakuierungsaktion zögen alle in der Bundesregierung an einem Strang. Es ist jetzt aber so, dass seit dem Wochenende der CDU-Vorsitzende Laschet auf Wahlkampfveranstaltungen immer erklärt, das Auswärtige Amt und der entsprechende Minister, Herr Maas, hätten das verbockt und seien verantwortlich dafür, dass das alles so zögerlich geschehe. Ich erwarte jetzt von Ihnen keine Interpretation der Aussagen von Herrn Laschet, aber ich würde gerne Herrn Helmbold und Herrn Burger fragen: Gibt es denn irgendetwas, das Sie am jeweils anderen Ressort in den letzten Tagen vermissten? Ist an solchen Vorwürfen irgendetwas dran?

HELMBOLD: Ich würde gerne beginnen. Ich habe diese Vorwürfe auch gestern in verschiedenen Nachrichtensendungen gesehen. Ich sehe dafür überhaupt keine Grundlage. Ich sehe, dass das Auswärtige Amt und das BMVg insbesondere jetzt, in dieser Lage, intensiv zusammenarbeiten, sich permanent abstimmen und dass die Minister in permanentem Austausch stehen. Insofern muss ich ganz klar sagen: Ich kann diese Berichte in keiner Weise bestätigen.

BURGER: Ich kann mich dem nur anschließen.

ZUSATZFRAGE STEINKOHL: Frau Vick, wieso hat der Bundesinnenminister eigentlich erst am vergangenen Freitag erklärt, dass Visa auch erst hier in Deutschland erteilt werden könnten? Wieso so spät?

VICK: Der Bundesinnenminister hat nicht nur vergangenen Freitag, sondern auch in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass wir alles dafür tun werden, dass die Ortskräfte zügig ausreisen können und alles, was vor Ort nicht gewährleistet werden kann, auch in Deutschland stattfinden wird.

FRAGE JESSEN: Entschuldigung, da muss ich verschiedenen Sprechern der Bundesregierung widersprechen. Die Protokolle der vergangenen zwei Monate dieser Regierungspressekonferenzen verzeichnen mehrere Male, bei denen nach dem, was jetzt in höchster Eile möglich ist, gefragt wurde, weil eine Evakuierung von zivilen Organisationen als dringlicher Vorschlag eingebracht wurde. Es ist von verschiedenen Ressorts besonders dem Bundesinnenministerium immer wieder erklärt worden, dass das nicht und warum das nicht möglich sei. Das muss der Redlichkeit halber gesagt werden.

Die konkrete Frage, die ich habe, geht an Herrn Helmbold. Offenbar sind Ausreisen bzw. Evakuierungen per Charterflug derzeit nicht möglich. Trifft die Information zu, dass auf dem Flughafen von Kabul ein von der Bundesregierung bereits gemietetes Charterflugzeug steht, aber nicht eingesetzt werden kann?

BURGER: Das kann, glaube ich, ich beantworten. Das war in der Tat gestern im Laufe des Tages der Fall. Ich weiß nicht, ob es immer noch so ist, aber es ist in der Tat so, dass wir dort zu einem Zeitpunkt sogar zwei Flugzeuge gechartert hatten, die dann aber aufgrund der Schließung des Flughafens nicht eingesetzt werden konnten.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Stehen die aber theoretisch sozusagen immer noch für den Einsatz durch die Bundesregierung oder deutsche Kräfte zur Verfügung, wenn die Möglichkeiten es erlauben?

BURGER: Das kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen. Aber wir haben ja jetzt durch die angelaufene Operation der Bundeswehr auch eine zusätzliche Möglichkeit des Lufttransports.

FRAGE: Ich komme noch einmal zu dieser ganzen Situation. Wir reden darüber, was in den letzten Tagen passiert ist. Wir reden darüber, was einen Tag früher oder einen Tag später hätte passieren können. Aber wird sich die Bundesregierung für diese Gesamtsituation bei diesen Ortskräften, bei diesen sehr vulnerablen Menschen, dafür entschuldigen, dass sie nicht besser darauf vorbereitet war, was wirklich vor Monaten absehbar war, nämlich dass, wenn die Taliban übernehmen, alle weglaufen müssen? Wird es also von der Regierung eine Entschuldigung gegenüber diesen Menschen geben?

BURGER: Ich kann für das Auswärtige Amt nur sagen, dass wir nicht erst seit diesem Wochenende, aber an diesem Wochenende rund um die Uhr wirklich alles, was in unserer Macht steht, tun, um diesen Menschen zu helfen. Darauf liegt unser ganzer Fokus.

Was die Verbundenheit mit diesen Menschen angeht, habe ich dem Kollegen vorhin schon gesagt, soweit es das Auswärtige Amt betrifft: Das sind unsere Ortskräfte, das sind unsere Kolleginnen und Kollegen. Insofern können Sie davon ausgehen, dass auch unsere emotionale Verbundenheit mit diesen Menschen uns dazu bringt, wirklich alles zu tun, was wir können.

FRAGE: Ich habe eine Frage zu der rasanten Entwicklung an das Verteidigungsministerium. Können Sie bestätigen, wie viele afghanische Militärkräfte bis heute trainiert worden sind? Können Sie ausschließen, dass die afghanischen Militärkräfte (akustisch unverständlich)?

HELMBOLD: Zu der ersten Frage: Die Zahl ist mir im Augenblick nicht präsent. Sobald ich sie habe vielleicht wird das auch gleich im Anschluss passieren , werde ich Sie nachliefern.

Die zweite Frage habe ich nicht verstanden.

ZUSATZFRAGE: Sind die afghanischen Militärkräfte deutlich weniger als vorgesehen? Können Sie das ausschließen?

HELMBOLD: Als vorgesehen?

ZUSATZFRAGE: Ja.

ZURUF: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

HELMBOLD: Ich habe es immer

STS SEIBERT: Die Frage ist, ob es weniger afghanische Streitkräfte sind, als man immer dachte. So habe ich die Frage verstanden.

HELMBOLD: Mir fehlt im Moment die Datenlage, um die von Ihnen genannten Zahlen zu verifizieren. Ich werde das prüfen.

FRAGE REITSCHUSTER: Frau Vick, die Bundesregierung hat ja die Flüchtlingskrise 2015 recht unvorbereitet getroffen. Herr Kollege Heller hat gerade gefragt, welche Flüchtlinge in welcher Größenordnung Sie erwarten. Sie haben „Wir erwarten welche“ gesagt, ohne eine Größenordnung zu nennen. Ist man da wieder ähnlich vorbereitet? Man muss doch eine Vorstellung davon haben. Was machen Sie jetzt schon konkret, um vorbereitet zu sein? Werden Unterkünfte vorbereitet? Was geschieht im Moment?

VICK: Wie ich gerade gesagt habe, ist davon auszugehen, dass Migrationsbewegungen auftreten werden. Der Minister hat sich ja in einem Interview gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“ auch schon dazu geäußert und gesagt, dass natürlich vor allem die Nachbarländer betroffen sein werden. Aber mit Blick auf die Migrationsthematik wird es am Mittwoch eine EU-Innenministerkonferenz geben, bei der das Thema auch besprochen werden wird.

BURGER: Ich kann vielleicht noch ergänzen, dass eine sehr, sehr große Zahl afghanischer Flüchtlinge ja schon seit vielen Jahren in den Nachbarländern Iran und Pakistan lebt. Das waren meines Wissens stellenweise die größten Flüchtlingsgruppen, die es überhaupt irgendwo auf der Welt gab. Deutschland gehört schon seit vielen Jahren zu den größten Gebern im Rahmen der humanitären Hilfe und auch der Stabilisierungsarbeit, um diesen Ländern dabei zu helfen, die Versorgung und Unterstützung dieser Flüchtlinge dort zu gewährleisten. Wir stehen dazu natürlich auch angesichts der jüngsten Lageentwicklung in engem Kontakt mit den internationalen Hilfsorganisationen, mit den Vereinten Nationen und anderen, um diese Hilfe schnell substanziell auszubauen und um es dort zu ermöglichen, die humanitären Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, die sie haben.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Aber, mit Verlaub, Sie weichen aus: Es war die Frage nach den Zahlen. Können Sie zumindest eine Größenordnung nennen? Geht es um Tausende, Zehntausende, Hunderttausende oder mehr? Mit wie vielen rechnen Sie denn, mit welcher Größenordnung? Und was passiert konkret, außer dass man eine Konferenz oder ein Treffen am Mittwoch macht? Geschieht schon irgendetwas?

BURGER: Ich habe Ihnen ja gerade gesagt, was passiert.

ZURUF REITSCHUSTER: Hier in Deutschland?

BURGER: Ja, wir hier in Deutschland sprechen mit denjenigen vor Ort, die es zunächst unmittelbar betreffen wird, nämlich die Nachbarländer, in denen diese Flüchtlinge ankommen. Wir werden besprechen, wie wir sie dabei unterstützen können.

ZURUF REITSCHUSTER: Und die Zahl? Die Größenordnung?

BURGER: Da kann ich Ihnen gern etwas nachreichen. Da gibt es Schätzungen der Vereinten Nationen von unseren Partnern. Ich glaube, in so einer extrem dynamischen Lageentwicklung, wie wir sie in den letzten zehn Tagen erlebt haben, werden auch Sie, Herr Reitschuster, Verständnis dafür haben, dass solche Schätzungen mit gewissen Unsicherheiten verbunden sind. Trotzdem gibt es natürlich Arbeitshypothesen als Grundlage für die humanitäre Arbeit.

FRAGE JOLKVER: Herr Helmbold, können Sie zu den Überflugrechten sagen, an welche Staaten Sie die Anfrage gestellt haben, über welche Staaten also die Flugzeuge fliegen? Können die A400M auch außerhalb des Flughafens in Kabul landen, also außerhalb der Stadt?

Herr Burger, gibt es auch Kontakte mit den russischen Kollegen, was die Evakuierung betrifft?

HELMBOLD: Ich kann aus operativen Gründen mit Blick auf Flugrouten dafür werden Sie Verständnis haben nicht sagen, um welche Staaten es sich handelt. Ich kann Ihnen aber sagen, dass es eben nicht nur eine, zwei oder drei Überflugrechte sind, die dann erforderlich sind, sondern gegebenenfalls mehr.

BURGER: Ich kann dazu nur ergänzen, dass der Außenminister dazu gestern auch auf seiner Ebene Kontakte mit den Regierungen der entsprechenden Staaten hatte.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wir haben mit der russischen Regierung verschiedene Gesprächskanäle. Ich kann Ihnen jetzt nicht aus dem Stegreif sagen, ob es zu Afghanistan seit gestern Kontakte gegeben hat. Aber es hat solche Kontakte in der Vergangenheit gegeben.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Können Sie noch etwas dazu sagen, ob die A400M auch auf einem freien Feld irgendwo neben Kabul landen können?

HELMBOLD: Die grundsätzlichen Landemöglichkeiten kennen Sie. Aber wir gehen im Moment davon aus, dass für uns der Kabul International Airport der zentrale Punkt sein wird, von dem aus dann die Evakuierung, bezogen auf das Ausfliegen, starten wird.

FRAGE: Zu den diplomatischen Kontakten: Wie wird sich Deutschland in Zukunft gegenüber der „neuen Führung“ in Afghanistan verhalten?

FRAGE NEHLS: Gibt es noch Kontakte, auch von deutscher Seite, mit den Taliban-Vertretern in Doha?

STS SEIBERT: Über die längerfristige Strategie gegenüber den Taliban wird sicherlich international innerhalb der Staatengemeinschaft zu beraten sein. Es wird also darum gehen: Welche Form des Dialogs kann es geben? Ist punktuelle Zusammenarbeit im Interesse der Menschen denkbar? Ist sie überhaupt denkbar, und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Das muss sicherlich international beredet werden.

Deutschland hat das hat ja das Auswärtige Amt oft dargelegt Kontakte mit den Verhandlern der Taliban in Doha. Aber es muss auch klar sein: Wir machen uns keine Illusionen über die Taliban und das Wesen ihrer Bewegung. Es darf ja nicht vergessen werden, welchen unbarmherzigen Terror die Taliban in den vergangenen 20 Jahren gegen die eigene Bevölkerung, gegen die eigenen Landsleute, ausgeübt haben. Aber das sind sicherlich nicht so sehr bilaterale Fragen, sondern Fragen einer längerfristigen Strategie der internationalen Gemeinschaft.

BURGER: Herr Seibert hat das Wesentliche dazu gesagt. Ich gehe davon aus, dass wir die Gesprächskontakte, über die wir verfügen, natürlich auch in der jetzigen Situation nutzen, um die Ziele, von denen wir Ihnen hier berichtet haben, umzusetzen. Genaue Details dazu kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mitteilen.

FRAGE STEINKOHL: Es gibt aber noch solche Gesprächskontakte? Wenn Sie sagen, Sie wissen nicht, wie lange man diese Evakuierungsaktion überhaupt machen kann, dann wäre es ja vielleicht sinnvoll, mit den Taliban zu reden, um ein Agreement zu treffen.

BURGER: Genau deswegen sage ich ja: Wir haben solche Gesprächskontakte in der Vergangenheit gehabt. Diese Gesprächskontakte existieren. In welcher Form sie aktuell genutzt werden, welche konkreten Gespräche es gibt, dazu kann ich Ihnen hier nicht detailliert Auskunft geben. Dafür bitte ich um Verständnis. Aber es ist in der Tat so, dass wir über diese Kontakte verfügen.

FRAGE BEUCKER: Wen zählt die Bundesregierung alles zu den Ortskräften? Zählen neben denen, die für die Bundesregierung gearbeitet haben, auch afghanische Mitarbeiter von NGOs oder deutschen Medien dazu? Von wie vielen Ortskräften geht die Bundesregierung insgesamt aus?

FRAGE NERBOLLIER: Was ist im Bundeskabinett am Mittwoch geplant? Können Sie bestätigen, dass die Bundesregierung bis Ende des Monats rund 2000 Ortskräfte über eine Luftbrücke aus Afghanistan ausfliegen lassen will und dafür auch den Einsatz von mehreren hundert deutschen Soldaten einplant?

BURGER: Ich glaube ehrlich gesagt , diese Fragen sind alle schon beantwortet worden. Die Frage zum Kreis derjenigen, die vom Ortskräfteverfahren erfasst sind, haben wir hier in früheren Regierungspressekonferenzen ausführlich besprochen. Die Frage nach Medienvertretern habe ich hier eingangs und kurz „unter drei“ besprochen. Pardon, jetzt ist mir der Faden verlorengegangen.

HELMBOLD: Ich habe noch eine Ergänzung, weil es eine Frage gab, die wir beantworten können: Wir können sagen, dass es im dreistelligen Bereich ist. Von daher können wir die Anzahl „mehrere hundert“ grundsätzlich bestätigen. Details hierzu können wir allerdings nicht preisgeben.

VORS. FELDHOFF: Dann war die Frage nach einer Beschlussfassung im Bundeskabinett. Dafür wären Sie zuständig, Herr Seibert.

STS SEIBERT: Die Bundesregierung arbeitet an einer Mandatierung. Deswegen sind die beiden Ressorts dabei, eine Vorlage für das Bundeskabinett zu machen, die dann auch schnellstmöglich dem Deutschen Bundestag zugehen soll.

FRAGE LÜCKING: Die Situation der Ortskräfte tritt nicht zum ersten Mal in einem militärischen Einsatz auf. Das geht bis Korea und Vietnam zurück. Wer trägt innerhalb der Bundesregierung Verantwortung dafür, dass die konkrete Befassung mit dem Thema erst in den letzten zwei, drei Monaten so stattgefunden hat und dass die Maßnahmen alle wirken, als wären sie erst innerhalb der letzten Wochen ausgehandelt und beschlossen worden?

BURGER: Ihre Wertung mache ich mir da nicht zu eigen. Es ist in der Tat so, dass wir schon seit sehr viel länger ich meine, seit sieben Monaten an diesem Verfahren arbeiten.

HELMBOLD: Wir haben darüber auch hier in der Regierungspressekonferenz das können Sie in den Protokollen sehen regelmäßig unterrichtet.

FRAGE MEERKAMM: Es geht noch einmal um die diplomatischen Kontakte. Soweit ich das verstanden habe, ist ja die deutsche Botschaft in Kabul jetzt weitgehend evakuiert. Wird es denn, unabhängig von der Frage, wie man es auf absehbare Zeit mit den Taliban halten will, was die diplomatischen Kontakte angeht, noch irgendeine Form von Präsenz der Bundesregierung oder der Bundesrepublik in Afghanistan geben?

BURGER: Ich habe Ihnen ja gesagt: Derzeit ist es so, dass ein operatives Kernteam unserer Vertretung, unserer Botschaft Kabul, im Bereich des internationalen Flughafens arbeitet. Diese Arbeit wird sich dort fortsetzen, solange es die Arbeit erlaubt und das erforderlich ist. Darüber hinaus kann ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Prognosen abgeben, wie sich die Lage weiter entwickeln wird.

FRAGE JUNG: Die Entwicklungen basieren ja auf dem Deal zwischen den Amerikanern und der Taliban vom letzten Jahr. Unterstützt die Bundesregierung noch diesen Deal? Er hatte ja neben dem Abzug der ausländischen Truppen unter anderem beinhaltet, dass die Taliban keine internationalen terroristischen Gruppen im Land beherbergen und die Taliban von den internationalen Sanktionslisten verschwinden. Unterstützt die Bundesregierung weiterhin diesen Deal?

BURGER: Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie meinen, wenn Sie sagen, die Bundesregierung unterstütze einen Deal. Ich glaube, zu unseren Bemühungen in den letzten Monaten, die Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung zu unterstützen, haben wir hier in der Regierungspressekonferenz immer wieder Auskunft gegeben. Dazu hat sich auch der Außenminister geäußert. Darüber hinaus habe ich jetzt keine aktuelle Bewertung abzugeben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Nachdem es einen Deal zwischen den Taliban und den Amerikanern gab, den Sie hier auch in der Bundespressekonferenz anerkannt haben, musste es ja dann einen Deal zwischen den Taliban und der gewählten afghanischen Regierung geben. Vielleicht vermischen Sie da gerade etwas.

Herr Vorsitzender, da wir das BMZ einmal vor Ort haben, würde ich gern das BMZ bitten, eine Lageeinschätzung zu den Ortskräften zu geben, die das BMZ beschäftigt oder beschäftigt hat. Wie viele sind noch da? Was wissen Sie?

WICKERT: Wir versuchen natürlich, die Ortskräfte, die ausreisen wollen, auch aus Afghanistan herauszubringen. Das ist das haben wir ja hier mehrfach schon gehört mit mehreren Mühen verbunden. Wir sind dabei.

Dann gibt es auch Ortskräfte, die dortbleiben wollen. Zu weiteren Details, wie viele das tatsächlich sind, können wir aus Sicherheitsgründen aber keine Angaben machen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie viele der beim BMZ beschäftigten Ortskräfte konnten Sie denn in den letzten Wochen evakuieren? Können Sie uns da vielleicht eine Prozentzahl nennen? Ist das mehr als das, was die anderen Ressorts geschafft haben?

WICKERT: Zu den Ortskräften kann ich Ihnen leider gar keine Angaben machen.

ZURUF JUNG: Warum?

WICKERT: Wir wollen das aus Sicherheitsgründen nicht sagen. Ich weiß jetzt auch nicht, wie die Prozentzahlen in den anderen Häusern aussehen. Ich weiß das ehrlich gesagt im Detail auch nicht bei uns.

FRAGE DR. RINKE: Ich hätte ganz gern das Innenministerium gefragt: Nachdem es jetzt die Bereitschaft gibt und auch gar keine andere Möglichkeit mehr besteht, Einreisegenehmigungen in Deutschland zu bearbeiten, hätte ich ganz gern von Ihnen gewusst, was denn eigentlich im Innenministerium seit Freitag passiert ist. Können Sie uns Zahlen nennen, wie viele Anträge jetzt bearbeitet wurden? Müssen Leute, die nach Taschkent oder Usbekistan ausgeflogen sind, fürchten, dass sie von da nicht weiterkommen, weil sie keine Einreisegenehmigung nach Deutschland bekommen?

VICK: Wie ich gerade schon gesagt habe, wird alles, was vor Ort nicht geleistet werden kann, jetzt hier in Deutschland nachgeholt werden.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Das war aber nicht die Antwort. Ich hatte nach Zahlen gefragt. Dann wollte ich wissen, ob es sein kann, dass Leute, die evakuiert wurden, trotzdem nicht nach Deutschland einreisen dürfen.

VICK: Personen, die aus Afghanistan evakuiert werden, so wie wir das vorhin gesagt haben, werden nach Deutschland einreisen können.

ZURUF DR. RINKE: Wenn Sie Zahlen haben, können sie diese vielleicht nachreichen?

VICK: Nach welchen Zahlen fragen Sie denn konkret?

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Ich frage, wie viele Fälle jetzt hier in Deutschland bearbeitet werden.

VICK: Wie viele Ortskräfte Gefährdungsanzeigen gestellt haben, sagt ja jedes Ressort für sich. Ich verstehe nicht genau, welche Zahl Sie genau wissen wollen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Das Innenministerium hat doch am letzten Freitag, wenn ich das richtig verstehe, zugesagt, dass Anträge nicht mehr in Kabul das geht jetzt auch praktisch nicht mehr , sondern in Deutschland bearbeitet werden. Deswegen hätte ich ganz gern gewusst: Wie viele Verfahren laufen denn eigentlich noch? In wie vielen Fällen muss entschieden werden, ob die Menschen, die das beantragt haben, eine Einreisegenehmigung bekommen?

VICK: Die Sicherheitsüberprüfungen, von denen Sie reden, sind ein automatisierter Prozess im Visaerteilungsverfahren. Das heißt, wenn Menschen einen Visumsantrag stellen, werden sie hier vor Ort bearbeitet.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Genau. Und ich wollte die Zahl wissen.

VICK: Die müsste ich gegebenenfalls nachreichen.

VORS. FELDHOFF: Dann hoffen wir darauf. Dann würde ich das Thema Afghanistan an der Stelle abschließen. Ich weiß, dass es hier noch viele andere Fragen gibt.

FRAGE DOLGUNOV (zum Treffen der Bundeskanzlerin mit dem russischen Präsidenten): Herr Seibert, können Sie sagen, welche Themen auf der Reise nach Moskau besprochen werden?

STS SEIBERT: Nein, ich hatte ja am Freitag bei der Ankündigung der Reise gesagt, dass ich in dieser Woche, möglichst am Anfang der Woche, weitere Einzelheiten zur Reise liefern kann. Heute ist noch nicht der Tag.

FRAGE FRIED: Ich wollte diese Bundespressekonferenz nicht ganz ohne Corona zu Ende gehen lassen. Die STIKO empfiehlt ja jetzt offensichtlich doch eine Impfung ab zwölf Jahren. Wenn das so ist, Herr Seibert, ist es dann denkbar, dass man den Präsenzunterricht in Schulen vom Impfstatus abhängig macht?

STS SEIBERT: Wir begrüßen die Entscheidung der STIKO, die sie in ihrer unabhängigen Arbeit und Herangehensweise getroffen hat. Das ist ein weiterer Schritt zur Bekämpfung des Virus. Es bleibt dabei, was wir gesagt haben, dass es keinen Impfzwang gibt oder das Impfen nicht Bedingung für den Schulbesuch ist.

DEFFNER: Ich glaube, dazu ist an der Stelle alles gesagt.

FRAGE REITSCHUSTER: In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Herrn Kubicki hat die Bundesregierung zum Thema mögliche Überlastung des Gesundheitswesens geantwortet, dass es sie im Moment nicht gibt, dass sie aber nicht in jedem denkbaren Szenario ausgeschlossen werden könne. Wir haben ja nun eine massive Einschränkung der Grundrechte. Wird sie tatsächlich nur damit begründet, dass man den Hauptgrund dafür nicht in jedem Szenario ausschließen kann? Herr Kubicki war sehr befremdet darüber und hat das massivst kritisiert. Vielleicht können Sie das erklären?

STS SEIBERT: Wenn es eine Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage von Herrn Kubicki gibt, dann steht diese Antwort.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Das war aber jetzt eine konkrete Frage an Sie. Sie ducken sich wieder weg. Die konkrete Frage war, ob Sie schwerwiegendere Begründungen haben als diese Begründung, dass es nicht in jedem Szenario ausgeschlossen ist?

STS SEIBERT: Ich kenne die konkrete Anfrage, die Herr Kubicki an die Bundesregierung gestellt hat, jetzt nicht auswendig. Ich müsste sie mir genau ansehen. Die Bundesregierung hat ihm nach reiflicher Überlegung darauf geantwortet. Das müsste ich mir ansehen, bevor ich jetzt eine weitere Frage dazu von Ihnen beantworte.

Dass es nicht auszuschließen ist, dass es zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommt, dazu stehen wir. Wir tun alles, damit es nicht dazu kommt. Es sieht auch im Moment nicht nach einer solchen Überlastung aus, weil trotz steigender Fallzahlen die Zahl derjenigen, die hospitalisiert oder auf Intensivstationen behandelt werden müssen, nicht in der Nähe der Zahl ist, die wir im Winter mit 5600 Intensivpatienten hatten. Aber wenn Sie in dieser Pandemie etwas ausschließen können, dann sind Sie definitiv weiter als wir. Auch Sie können nicht ausschließen, dass es zum Beispiel Gott behüte eine Mutation des Virus geben könnte, bei dem sagen wir einmal die bisherigen Impfstoffe nicht mehr wirken.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Ich verstehe Sie also richtig, dass die ganzen Einschränkungen stattfinden, weil Sie es nicht in jedem beliebigen Szenario ausschließen können?

STS SEIBERT: Ich habe zu dieser Anfrage und der Antwort der Bundesregierung alles gesagt, was ich jetzt hier sagen kann, ohne dass mir das vorliegt.

ZURUF REITSCHUSTER: Das Gesundheitsministerium müsste das ergänzen können.

DEFFNER: Ich glaube, Herr Seibert hat eine sehr ausführliche und richtige Antwort gegeben.

 

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