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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 25. August 2021

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf für Energieeffizienzfestlegungen für klimaneutrale Neu- und Erweiterungsbauten und Gebäudesanierungen des Bundes Vorbildfunktion Bundesgebäude für Energieeffizienz, Maßnahmenprogramm „Nachhaltigkeit konkret im Verwaltungshandeln umsetzen“), Lage in Afghanistan, Überprüfung von Impfnachweisen, Entkriminalisierung von Canabis, Nahostkonflikt

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
0:21 Bericht aus dem Kabinett
4:08 Thema Energieeffizienz
7:02 Hans zu Energieeffizienz
– wird nicht-nachhaltiges Bauen für den Bund nun praktisch verboten? (ab 10:15)
– Ziel 4% pro Jahr – wie es ist aktuell pro Jahr? WIE will man das schaffen
13:23 Nachlieferung
14:57 Thema Afghanistan
30:34 Hans fragt zu Merkels Aussagen (20 Jahre)
33:06 Merkels 20 Jahre & Reaktion auf Marcus Grotians Anklage
39:33 Thema Corona
40:25 Cannabis-Entkriminalisierung?
44:04 Gaza

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 25. August 2021:

VORS. WELTY eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN DEMMER sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS’IN DEMMER: Schönen guten Tag auch von mir! Das Kabinett hat heute die Energieeffizienzfestlegungen für klimaneutrale Neu- und Erweiterungsbauten und Gebäudesanierungen des Bundes – Vorbildfunktion Bundesgebäude für Energieeffizienz beschlossen. Vom Bund genutzte Gebäude sollen in den Bereichen Energieeffizienz, Klimaschutz und nachhaltiges Bauen für den gesamten Gebäudebestand Vorbild sein. Das ist eine Vorgabe aus dem Klimaschutzprogramm 2030. Die Energieeffizienzfestlegungen setzen damit die Maßnahme „Vorbildfunktion Bundesgebäude“ aus dem Klimaschutzprogramm entsprechend um und greifen die darin vorgegebenen Eckpunkte auf. Für die Gebäude des Bundes werden verbindliche und ambitionierte Anforderungen zur Erhöhung der Energieeffizienz als Beitrag zum Erreichen der klimapolitischen Ziele gesetzt.

Die heute beschlossenen Energieeffizienzfestlegungen zeigen, dass die klimapolitischen Ziele funktional und kosteneffizient umgesetzt werden können. Für Bundesgebäude gelten dabei wesentlich strengere Regeln als die sonst geltenden gesetzlichen Mindestanforderungen.

Insbesondere müssen Neubauten mindestens 60 Prozent und Sanierungen mindestens 45 Prozent energieeffizienter sein als die gesetzlichen Anforderungen für einen Neubau. Die Anforderungen sind verbindlich und mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen. Sanierungen und Modernisierungen im vorhandenen Gebäudebestand sollen vorzugsweise im Zusammenhang mit ohnehin anstehenden Maßnahmen erfolgen. Gleichzeitig werden Sanierungszielraten vorgegeben, um zur Zielerreichung der Klimaneutralität bis 2045 beizutragen.

Dann hat das Kabinett ein umfangreiches Programm für eine nachhaltige Bundesverwaltung beschlossen. Das weiterentwickelte Maßnahmenprogramm zur Nachhaltigkeit mit dem Titel „Nachhaltigkeit konkret im Verwaltungshandeln umsetzen“ ist auch im Internet veröffentlicht. Mit der Weiterentwicklung dieses Maßnahmenprogramms erfüllt die Bundesregierung einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag von 2018. Sie bezieht sich zudem auf die im März 2021 vom Kabinett beschlossene weiterentwickelte deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Das Leitprinzip einer nachhaltigen Entwicklung ist Richtschnur nicht nur für die Bundespolitik, sondern gilt auch für das Verwaltungshandeln. Hierfür spricht die notwendige Vorbildfunktion der öffentlichen Hand. Die Aktivitäten haben zudem bedeutende Auswirkungen auf die verschiedenen Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung, auf die wirtschaftliche, die ökologische und auch die soziale Dimension.

Das weiterentwickelte Maßnahmenprogramm umfasst zehn Bereiche des Verwaltungshandelns. Die Bundesverwaltung bis 2030 klimaneutral zu organisieren, ist eine große Herausforderung. Hierzu trägt eine ganze Reihe von Maßnahmen bei, darunter etwa diejenigen im Gebäudebereich, zur Mobilität und zum Thema Veranstaltungen. Ein wichtiger Bereich ist auch die nachhaltige Beschaffung; denn der Bund kann mit seinem Nachfragevolumen ein nachhaltiges Angebot fördern, unterstützt auch durch eine nachhaltige Ausrichtung von Ländern und Kommunen.

Neu aufgenommen sind Fortbildungen für nachhaltige Entwicklung und Gesundheit. Diese Maßnahmen stärken zusammen mit der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, Gleichstellung sowie Diversität auch die soziale Dimension des Maßnahmenprogramms.

Zum Stand der Umsetzung des Maßnahmenprogramms wird auch künftig jährlich ein Monitoringbericht veröffentlicht.

FRAGE HERZOG: Frau Demmer, zur Energieeffizienz von Bundesgebäuden: Könnten Sie das grundsätzlich einordnen? Es gibt ja schon jetzt Vorschriften. Werden die jetzt strenger, in welchen Punkten genau? Was ist jetzt anders, außer dass das eine gute Sache ist?

SRS’IN DEMMER: Das müssten das BMI und das BMF beantworten, die dafür federführend sind.

ALTER: Das will ich gern tun. – Die Bundesregierung hat beschlossen, dass diese Vorgaben jetzt für die Bundesbauten verpflichtend sind. Wie Frau Demmer bereits gesagt hat, gelten sehr strenge Anforderungen, strengere Anforderungen als die gesetzliche Regelung für andere Bauten: 60 Prozent besser bei Neubauten, 45 Prozent besser als Neubauregelungen im Falle einer Sanierung. Der Bund hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2045 Sanierungszielraten umzusetzen, das heißt, pro Jahr durchschnittlich 4 Prozent der beheizten Fläche energetisch zu sanieren. Mit diesem ambitionierten Plan möchte der Bund Vorreiter sein und beim Bau und bei der energetischen Sanierung eine Vorbildfunktion nicht nur theoretisch ausfüllen, sondern auch praktisch umsetzen.

ZUSATZFRAGE HERZOG: Es gibt ja schon Vorgaben auch für Bundesgebäude, meine ich. Die Frage ist eigentlich: Ist das jetzt eine weitere Verschärfung? Es geht mir nicht um den Vergleich von Bundesgebäuden zu anderen Gebäuden, sondern um den Vergleich der jetzigen Regeln für Bundesgebäude zu dem, was heute beschlossen wurde.

ALTER: Der Auftrag für den Gebäudeeffizienzerlass stammt aus dem Koalitionsvertrag. Mit diesem Erlass werden die Eckpunkte des Auftrags aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Sie entfalten mit diesem Erlass für die Bundesverwaltung Wirkung. Diese Forderungen sind ein Beitrag für die klimapolitischen Ziele, die für die Bundesbauten, wie gesagt, zum Ausdruck bringen sollen, dass der Bund seiner Vorbildfunktion nachkommt.

LAIADHI: Das wurde vom BMI umfassend beantwortet.

FRAGE JESSEN: Ist das BMU mit der getroffenen Regelung jetzt eigentlich zu 100 Prozent glücklich, oder wie viel Prozent Abstriche gibt es da? Das war ja hinter den Kulissen kein ganz einfacher Prozess bei der Effizienzumsetzung. Vor allem interessiert mich: Beinhaltet die Regelung eine Vorgabe, dass ein ganzheitlich nachhaltiges Konzept schon in der Planung erkennbar sein muss? Das ist das, was Nachhaltigkeitswissenschaftler im Bereich Bauen fordern.

FICHTNER: Das waren in der Tat lange Verhandlungen, aber aus unserer Sicht mit einem guten Ergebnis. Damit sind die Grundlagen gelegt, den Sanierungsstau im Bundesbestand zielorientiert anzugehen. Wir brauchen hier jetzt Tempo und deutliche Verfahrensvereinfachungen. Aus unserer Sicht dürften sich diese Festlegungen als geeignetes Instrument erweisen.

Das ist aus drei Gründen ein gutes Ergebnis: erstens, weil es die Vorbildfunktion des Bundes stärkt und damit auch auf andere Bereiche ausstrahlen kann, und zweitens, weil es auch einen gewissen Lerneffekt für die Gewerke bedeutet, wenn man bei Bundesbauten Dinge lernt und ausprobiert, die man hinterher auch in anderen Bereichen anwenden kann. Drittens ist das ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur klimaneutralen Bundesverwaltung. Wir wollen, dass Deutschland als Ganzes 2045 klimaneutral wird. Die Bundesverwaltung soll schon 2030 klimaneutral werden. Daran arbeiten wir. Das wollen wir in erster Linie nicht über Kompensationen erreichen, sondern über Einsparungen bei uns in den Gebäuden, im Fuhrpark, in den Kantinen usw.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die zweite Frage ist gewesen, ob in diesem Prozess eigentlich

VORS. WELTY: Eine Frage, eine Nachfrage, okay?

JESSEN: Ja. Dann ist das die Nachfrage. Ist in diesem Prozess das Kriterium des Nachweises nachhaltiger Planung bei Bauherren und Investoren von Anfang an hinreichend enthalten? Das ist das, was Bauwissenschaftler fordern.

FICHTNER: Das müsste das BMI beantworten.

ALTER: Ich muss einmal ganz kurz nachschauen.

FICHTNER: Ich habe hier das Stichwort „Bewertungssystem nachhaltiges Bauen“, das unberührt bleiben soll – falls das hilft. Das gibt es schon.

ALTER: Zu dieser spezifischen Frage finde ich jetzt ad hoc nichts. Ich kann sie jetzt auch nicht aus dem Stegreif beantworten. Wenn ich es noch finden sollte, reiche ich es gern nach.

Ich würde das ganz gern noch in Zahlen darstellen. Es gibt natürlich keine validen Aussagen darüber, was der Bund voraussichtlich investieren wird, aber es gibt grobe Schätzungen. Danach wird der Bund in diesem Bereich rund 15 Milliarden Euro aufwenden, um diese Ziele zu erreichen. Dem stehen 8 Milliarden Euro Energieeinsparung gegenüber. Allein dieses Einsparpotenzial macht deutlich, welches Potenzial im Gebäudebereich liegt. Dass der Bund mit seinen Bundesbauten jetzt damit anfängt, ist aus unserer Sicht ein ganz wichtiges Signal, auch über die Bundesbauten hinaus.

FRAGE JUNG: Ich habe zwei Lernfragen.

VORS. WELTY: Eine Frage, eine Nachfrage, bitte!

FRAGE JUNG: Wird nicht nachhaltiges Bauen und Sanieren des Bundes nun praktisch verboten?

ALTER: Jetzt stellen Sie mir die gleiche Frage wieder, die ich eben schon nicht beantworten konnte. Ich bin mir sicher, dass ich etwas dabeihabe. Geben Sie mir noch zwei Minuten. Ich melde mich dazu gleich noch einmal.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie sagten, das Ziel sei jetzt 4 Prozent Sanierungsquote pro Jahr. Wie ist denn die aktuelle Sanierungsquote pro Jahr, und wie wollen Sie das schaffen?

ALTER: Zunächst einmal ist es ja so, dass der Energieeffizienzerlass heute beschlossen wurde. Das heißt, bisher gibt es keine verbindlichen Regelungen, die der Bund bei der Sanierung oder beim Neubau zu berücksichtigen hat. Mit diesem Kabinettsbeschluss greift das jetzt für alle Gebäude, die in der Verantwortung der Bundesverwaltung liegen, im Übrigen auch für Mietgebäude, die der Bund nutzt. Wenn noch eine Vertragsdauer von länger als 15 Jahren ansteht, dann betrifft das nicht nur bundeseigene Gebäude, sondern auch vom Bund genutzte Mietgebäude.

Die Zielmarke von 4 Prozent pro Jahr bis 2045 gibt im Prinzip eine Geschwindigkeit vor. Der Wert von 4 Prozent der Fläche ist die Zielmarke, die man pro Jahr erreicht. Das ist eine Planungsgröße, mit der die Bundesverwaltung dann auch zu arbeiten hat.

FICHTNER: Ich habe die Zahl für die Bundesbauten nicht. Aber deutschlandweit liegen wir bei ungefähr 1 % Sanierungsrate. Das heißt, 4 Prozent sind enorm viel. Das bedeutet, dass man in 25 Jahren sämtliche Bundesbauten saniert hat, sodass sie hinterher mit der Klimaneutralität kompatibel wären.

FRAGE KREUTZFELDT: Derzeit gibt es wieder einige Diskussionen um das Datum des Kohleausstiegs. Bis wann muss dieser nach Einschätzung des BMU abgeschlossen sein, um die Sektorziele im Klimaschutzgesetz einzuhalten?

FICHTNER: Im Grunde genommen gibt es keinen neuen Stand zu dem, was ich hier an dieser Stelle schon einmal gesagt habe. Wir haben mit den Regionen und auch mit den Betreibern festgelegt, wann der Kohleausstieg spätestmöglich vollzogen sein muss. Wir haben parallel dazu das Instrument des Emissionshandels. Er wird jetzt im Zuge des neuen europäischen Klimaziels reformiert, was dazu führen wird, dass die Emissionszertifikatepreise deutlich steigen werden. Das wird Kohle im Vergleich zu anderen Energieträgern deutlich unrentabler machen.

Letztlich steht und fällt das Datum des Kohleausstiegs damit, ob es gelingt, ausreichend schnell erneuerbare Energien zuzubauen. Das ist die große Engstelle. Wenn es gelingt, in diesem Jahrzehnt dabei die nötigen Fortschritte zu machen, dann werden wir auch einen schnelleren Kohleausstieg sehen.

ALTER: Ich kann die Frage jetzt beantworten. Der Energieeffizienzerlass enthält im Wesentlichen neu die Vorgabe verbindlicher Anforderungen an die vom Bund genutzten Gebäude. Bestehen bleibt die verpflichtende Anwendung nach dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen des Bundes über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, das vom Bund genutzt wird. Das heißt, Ihre Frage, ob es verpflichtend ist, dass man nachhaltig saniert und baut, kann, jedenfalls für die Bundesbauten, nach diesem Erlass eindeutig mit Ja beantwortet werden.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Was ist mit den Sektorzielen?

FICHTNER: Die Sektorziele gelten. Das bedeutet, dass deutlich weniger fossile Energien, also Kohle und Gas, im Stromsektor verwendet werden dürfen. Das muss sich im Vergleich zu dem, was bisher gilt, beschleunigen. Deshalb ist der Ausbau der erneuerbaren Energien so wichtig.

FRAGE GLUCROFT (zur Lage in Afghanistan): Bitte bestätigen Sie den Medienbericht, dass die Bundeswehr schon am Freitag die Evakuierung aus Afghanistan beenden soll. Wie viele Tage vor dem Stichtag 31. August werden gebraucht, um den Einsatz rechtzeitig zu beenden?

HELMBOLD: Meine Damen und Herren, Sie haben die gestrigen Entwicklungen auf internationaler Ebene verfolgt. Die Präsenz internationaler Truppen in Afghanistan wird nun absehbar am 31. August ein Ende finden. Das bedingt für uns bestimmte Abläufe. Auf die Einzelheiten dieser Abläufe kann ich aus Sicherheitsgründen an dieser Stelle nicht eingehen.

Aber klar ist: Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Tagen immer weiter verschärft hierzu teilen wir die Einschätzung der USA , und sie verschärft sich weiter. Die Sicherheit von Soldatinnen und Soldaten sowie der zu Evakuierenden ist im Moment gleichermaßen zentral. Jetzt beginnen für uns die anspruchsvollsten, auch die gefährlichsten Stunden. Wir werden nichts unversucht lassen, Schutzbedürftige weiter zu evakuieren, solange das irgendwie möglich ist. Wir hoffen, dass uns das bei möglichst vielen gelingt.

Vielen Menschen konnten wir helfen. Heute haben wir bereits weitere 218 ausgeflogen. Die Bundeswehr hat unter schwersten Bedingungen seit Montag, den 16. August, über 4850 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen.

FRAGE HERZOG: Wenn wir „unter drei“ gehen, können Sie dann weitere Angaben machen?

HELMBOLD: Ich kann „unter drei“ erläutern, warum ich mich wie eben geäußert habe. Das mache ich gerne.

VORS. WELTY: Dann gehen wir „unter drei“ und schalten die Ton- und Videoübertragung aus.

(Es folgt ein Teil „unter drei“)

VORS. WELTY: Dann gehen wir wieder „unter eins“.

BURGER: Ich würde gern noch etwas „unter eins“ zu dem ergänzen, was Herr Helmbold „unter drei“ vorgetragen hat. Uns war immer bewusst das hat Außenminister Maas auch in der vergangenen Woche schon gesagt , dass das Zeitfenster für diese Luftbrücke begrenzt sein würde. Der Minister hat gesagt das möchte ich hier noch einmal unterstreichen , dass das Ende der Luftbrücke, das Ende der militärischen Evakuierungsoperation, nicht das Ende unserer Bemühungen bedeutet, Menschen, für die wir Verantwortung tragen, zu helfen, auszureisen und in Sicherheit zu kommen. Daran arbeiten wir bereits. Darüber hat der Minister am Montag schon gesprochen. Wir werden in den nächsten Tagen weiter ausführen können, an welchen Möglichkeiten wir arbeiten und wie wir den Betroffen dazu Rat geben können.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, laufen irgendwelche Gespräche mit den Taliban, zum Beispiel über Katar, für eine mögliche Verlängerung der Evakuierung, oder sagen Sie: „Nein, die Amerikaner gehen weg; wir brauchen keine (akustisch unverständlich) Gespräche weiterzuführen“?

BURGER: Darüber hat der Außenminister schon am Montag gesprochen. Ja, wir sprechen mit den Taliban, auch über die Frage, wie über den 31. August hinaus weiterhin dazu beigetragen werden kann, dass Menschen Afghanistan verlassen können.

Das wird nach dem 31. August nicht mehr die Form einer militärischen Evakuierungsoperation haben, sondern wir arbeiten an verschiedenen anderen Optionen. Eine davon ist die Frage eines Weiterbetriebs des Kabuler Flughafens beispielsweise für zivile Sonderflüge. Das ist eines der Themen, über die wir im Gespräch sind, nicht nur mit den Taliban, sondern auch mit verschiedenen Partnern sowohl in der Region als auch international, die daran natürlich auch ein Interesse haben. Dazu gehört aber auch die Frage, wie man es erleichtern kann, dass Menschen, die über den Landweg in die Nachbarländer kommen, von dort nach Deutschland weitereisen können, weil sie entweder deutsche Staatsangehörige sind oder zu den Menschen gehören, die wir als besonders schutzbedürftig identifiziert haben, für die wir Verantwortung tragen und denen wir dann ermöglichen werden, in den Nachbarländern mit einem möglichst unbürokratischen und unkomplizierten Verfahren schnell ein Visum zu bekommen und nach Deutschland weiterzureisen.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Heißt das, dass Ihre Anstrengungen in die Richtung, die Evakuierung auch nach dem 31. August fortzusetzen, weitergehen, obwohl der Charakter der Evakuierung dann unterschiedlich sein wird?

BURGER: Genau. Ich sage es vielleicht noch einmal ganz kurz: Der Minister hatte am Montag fünf Punkte dazu erwähnt.

Der erste Punkt ist der Weiterbetrieb des Flughafens für zivile Flüge. Das wird möglicherweise nicht sofort ab dem 31. August möglich sein, aber das ist tatsächlich vielen Staaten ein Anliegen

Der zweite Punkt sind Vereinbarungen mit den Nachbarländern darüber, dass es insbesondere Afghaninnen und Afghanen, die in die Nachbarländer gelangen, ermöglicht wird, dort an der deutschen Botschaft ihre Visaanträge zu stellen und dann auch schnell und unkompliziert von uns Visa zu bekommen.

Für das Letzte müssen wir auch in Deutschland die entsprechenden aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit das wirklich schnell und unkompliziert gehen kann.

Der vierte Punkt: Wir werden dazu auch unsere Botschaften in den Nachbarländern mit entsprechendem Personal und Ressourcen ausstatten, damit diese Visabeantragung schnell gehen kann.

Speziell für die besondere Gruppe besonders gefährdeter Kulturschaffender, Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger, Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben wir besondere Schutzprogramme aufgelegt, in denen wir mit zehn Millionen Euro beispielsweise Stipendien zur Verfügung stellen, damit diese Menschen in Deutschland oder anderswo in Sicherheit arbeiten können.

FRAGE HAAK: Wie viele afghanische Ortskräfte, die für deutsche Institutionen gearbeitet haben, mit wie vielen Familienangehörigen werden auf den Listen für die Evakuierungsflüge geführt und befinden sich mit Stand von heute noch in Afghanistan?

BURGER: Ich kann Ihnen dazu keine präzisen Zahlen nennen. Das hat zwei Gründe.

Zum einen werden nach wie vor zusätzliche Personen auf diese Listen gemeldet. Tatsächlich hat sich auch in den vergangenen Tagen noch eine ganze Reihe von weiteren Berechtigten gemeldet. Sie haben auch mitbekommen, dass auch der Kreis der Berechtigten noch einmal erweitert wurde und jetzt weitere Menschen die Möglichkeit haben, sich für die Berücksichtigung in diesem Programm zu melden.

Zum anderen haben wir keine präzisen Angaben darüber, wie viele dieser Menschen Afghanistan bereits verlassen haben, sei es auf unseren Flügen, sei es auf Flügen anderer. Ich kann dazu nur sagen, dass wir bisher etwa 3700 afghanische Staatsangehörige evakuieren konnten, ungefähr zur Hälfte Frauen. Wir wissen, dass sich darunter eine beträchtliche Anzahl ehemaliger Ortskräfte befindet. Wir haben aber noch keine diesbezügliche statistische Auswertung. Es wäre auch immer nur eine Momentaufnahme.

FRAGE ROMANIEC: Herr Helmbold, Sie sagen, dass Sie selbst glauben, dass alles Mögliche vor Ort getan werde. Das glauben wir gern. Ich habe einen konkreten Fall, nach dem ich Sie jetzt frage:

Wie Sie wissen, hat die Deutsche Welle noch mehrere Journalisten vor Ort in Afghanistan in Kabul. Darunter ist eine einzige Frau. Sie hat es in den letzten Tagen nicht schaffen können, mit Hilfe der Bundeswehr zum Flughafen zu gelangen. Es gelang ihr heute früh mit Hilfe der Amerikaner. Sie kam hinein, wurde zu den Deutschen gebracht, und der Bundeswehrsoldat hat sie zurückgeschickt. Sie ist jetzt außerhalb des Flughafens und versteckt sich.

Wie kann so etwas passieren? Ist Ihnen der Fall bekannt? Ist das richtig? Was hätte Sie noch vorweisen müssen? Sie konnte sich als Journalistin, als Mitarbeiterin der Deutschen Welle ausweisen.

HELMBOLD: Es tut mir leid, aber mir ist der Fall, den Sie schildern, der sehr schlimm klingt und der uns sehr betroffen macht, nicht bekannt, und ich kann hier nicht zu einzelnen Fällen Stellung nehmen. Ich kann Sie aber bitten, uns die Information dazu zuzuleiten.

Wir konnten bereits in einigen Fällen helfen, nachdem wir die Informationen bekamen. Bitte senden Sie uns die Information an BMVg Presse oder an mich persönlich, wenn wir gleich noch einmal darüber sprechen können!

ZUSATZFRAGE ROMANIEC: Angeblich hätte sie eine Einreisebewilligung für Deutschland benötigt. Braucht man tatsächlich noch zusätzlich solch ein Dokument, um nach Taschkent zu kommen?

HELMBOLD: Können Sie das beantworten, Herr Burger?

ALTER: Wir haben ja mehrfach erklärt, dass der Kreis der Personen, die evakuiert werden, im Wesentlichen in einem sogenannten Listenverfahren bearbeitet wird, weil all die Verwaltungsprozesse, die sonst üblich sind, in Afghanistan derzeit natürlich überhaupt nicht abgebildet werden können. Das heißt also, dass wir nicht davon ausgehen, dass irgendwelche Dokumente vorgelegt werden müssen. Wir überprüfen, soweit es möglich ist, die Identität. Alles, was an bürokratischen Erfordernissen notwendig ist, wird in Deutschland nachgeholt.

BURGER: Das kann ich bestätigen. Im Prinzip liegt die Information über die Personen, die berechtigt sind, dort am Flughafen vor. Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort und die Soldatinnen und Soldaten versuchen, diese Information abzugleichen. Wir haben vorhin dargestellt, unter welchen extremen Bedingungen das dort stattfindet, unter welchem immensen Druck, auch unter welchen extremen menschlichen Belastungen die Kolleginnen und Kollegen dort vor Ort arbeiten müssen.

Ich kann es mir im Moment nur damit erklären, dass beim Abgleich solcher Daten eben Fehler passieren. Aber wie gesagt, werden wir dem Fall, wenn Sie dem Verteidigungsministerium und uns die Daten zur Verfügung stellen, sehr gern nachgehen.

FRAGE POHL: Nach unseren Informationen werden Dienstleister, die im Auftrag der Bundeswehr im Camp in Masar-e Scharif lange Jahre gearbeitet und dort zum Beispiel Ladengeschäfte betrieben haben, derzeit als nicht schutzbedürftig eingestuft. Wie kommt es zu dieser Einschätzung, und warum glauben Sie, dass das Leben dieses Personenkreises trotz intensiven Kontakten zur Bundeswehr in einer Talibanherrschaft nicht bedroht ist?

HELMBOLD: Diese Aussage haben wir nicht getätigt. Sie kennen den Mandatstext für das Evakuierungsmandat, das den Personenkreis noch einmal auf solche Personen erweitert hat, die sich tatsächlich für die Bundesrepublik Deutschland sozusagen exponiert haben.

Zu dem Personenkreis der sogenannten Subunternehmer hatte ich mich in der vorvergangenen RegPK geäußert. Es ist ausgesprochen schwierig, diesen Kreis überhaupt zu definieren, weil man eine beliebig große Menge je nachdem, wie man das ansetzt ansetzen kann. Zentral ist tatsächlich, dass sich jemand tatsächlich für die Bundesrepublik Deutschland oder die Bundeswehr exponiert hat, und die Möglichkeit hierfür besteht grundsätzlich aufgrund des Mandatstextes, der ja durch das Kabinett verabschiedet worden ist und der jetzt im Parlament liegt.

ZUSATZFRAGE POHL: Es geht ganz konkret um Personen, die auch vertraglich im Verhältnis zur Bundeswehr abgesichert als Freiberufler sozusagen Läden betrieben haben und die jetzt eben sozusagen keine Berechtigung erhalten. Die Frage ist einfach: Macht man einen Unterschied zwischen Freiberuflern und Angestellten? Glauben Sie, dass das ein Unterschied ist, der sozusagen nach Machtübernahme der Taliban dann auch noch von Relevanz sein wird?

HELMBOLD: Das hatten wir hier schon beantwortet. Die Unterschiede mit Blick auf das Einwanderungsrecht hat das BMI bereits erörtert. Ich würde dann auch das BMI bitten, auf die Frage zu antworten, was den Unterschied ausmacht, insbesondere mit Blick auf die Vertragsverhältnisse oder weitergehende Verbindungen.

Wesentlich ist tatsächlich der Mandatstext, den ich gerade angesprochen habe. Die am Ende entscheidende Frage ist: Wer hat sich gemeinsam mit uns exponiert und ist nun in Gefahr, von den Taliban verfolgt zu werden?

ALTER: Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass wir im Prinzip zwei Personengruppen im Blick haben. Das eine sind die sogenannten Ortskräfte. Da gibt es die Fallgestaltung, dass sie mittelbar für ein Ressort gearbeitet haben bzw. im Fall des BMZ auch über Zwischenverträge tätig gewesen sind. Daneben gibt es eine andere Gruppe, nämlich diejenigen, die gar keine Ortskräfte sind, aber aus Sicht der Bundesregierung dennoch gefährdet sind. Auch diese Leute werden bei der Evakuierung berücksichtigt; das zeigen ja auch die Zahlen. Wenn Sie sich anschauen, wie viele Leute schon ausgeflogen wurden, können Sie ja sehen, dass wir das nicht nur auf die Ortskräfte mit unmittelbarem Vertragsverhältnis beschränken. Insofern ist diese Frage, die Sie stellen, berechtigt. Aber ich kann auch versichern: Jedenfalls beschränkt sich das, was die Bundesregierung tut, nicht ausschließlich auf diejenigen, die ein unmittelbares Vertragsverhältnis hatten.

FRAGE MEERKAMM: Herr Burger, Sie haben auch heute mehrfach betont, dass der Gesprächsfaden mit den Taliban aufrechterhalten werden solle. Ich vermute einmal, das wird wie in der Vergangenheit auch vorrangig in Doha geschehen. Nun gibt es ja Länder, die ihre diplomatischen Vertretungen in Kabul aufrechterhalten. Die Frage ist: Werden Sie prüfen, ob über diesen Weg vielleicht noch Gespräche oder Vereinbarungen mit den Taliban möglich sind? Geschieht das vielleicht zurzeit auch schon?

BURGER: Können Sie das ein bisschen präzisieren? Was meinen Sie mit „auf diesem Weg“? Meinen Sie den Weg über dritte Staaten?

ZUSATZ MEERKAMM: Ja, über Drittstaaten. Zum Beispiel haben Russland, China und auch andere Nationen angekündigt, dass sie ihre diplomatischen Vertretungen in Kabul bis auf Weiteres aufrechterhalten wollen. Gibt es da Kontakte? Nutzen Sie diese diplomatischen Vertretungen auch, um selbst mit den Taliban im Lande zu reden?

BURGER: Im Moment ist es in der Tat so, dass wir noch selbst die Möglichkeit haben, unmittelbare Gespräche mit den Taliban in Doha zu führen, und solange es diese Möglichkeit gibt, nutzen wir die natürlich auch. Wir sprechen natürlich auch mit anderen Staaten, die Kontakte zu den Taliban haben. Gerade wenn es darum geht, ganz vielen praktischen Probleme, die sich jetzt stellen, pragmatisch zu lösen, ist das ganz wichtig. Das ist ein ganz enger Austausch. Darunter sind natürlich auch Staaten, die ihre Vertretung in Kabul aufrechterhalten haben.

FRAGE JESSEN: Die Frage geht, glaube ich, an das BMI und vielleicht auch an das Verteidigungsministerium. Ist Ihnen bekannt, was die Bundeskanzlerin im Anschluss an das Treffen mit Putin in Moskau gesagt hat? Ich zitiere wörtlich: „Ich habe darüber informiert, dass es für uns aus deutscher Perspektive momentan Vorrang hat, dass Menschen, die in den 20 Jahren des Militäreinsatzes der NATO für Deutschland gearbeitet haben, afghanische Bürger, einen sicheren Aufenthalt in Deutschland bekommen sollen“. Die Kanzlerin macht keinerlei Einschränkung, weder hinsichtlich des Zeitraums, den man für eine deutsche Organisation gearbeitet hat, noch hinsichtlich dessen, ob es sich um einen direkten Vertrag oder um Subunternehmer oder umsonst etwas handelt. Sie legt offenbar

VORS. WELTY: Entschuldigung, Herr Jessen, was möchten Sie wissen?

ZUSATZ JESSEN: Ich möchte wissen, ob für die Ministerien, die zu entscheiden haben, wer evakuierungsberechtigt ist, diese weite Auslegung der Kanzlerin Gültigkeit hat.

HELMBOLD: Ich kann einmal beginnen. Mir ist bekannt, dass sich die Kanzlerin eben in der Regierungserklärung zu genau diesem Thema geäußert hat. Dann würde ich darauf verweisen, genau das für Ihre Berichterstattung zu verwenden, was die Kanzlerin, bezogen auf die konkreten Fälle und die momentane konkrete Lage vor Ort, berichtet hat.

SRS’IN DEMMER: Ich sehe die Diskrepanz jetzt überhaupt nicht.

ALTER: Das wollte ich auch sagen. Ich kann nur sagen, dass jedenfalls das BMI und, soweit ich es mitbekomme, auch alle anderen Ressorts exakt entlang dieser Linie verfahren. Ich habe es eben vielleicht klang es etwas technischer als das, was die Bundeskanzlerin gesagt hat noch einmal deutlich gemacht: Das, was wir derzeit tun, beschränkt sich ja mitnichten nur auf die Ortskräfte und ihre Familien, sondern es beschränkt sich auf einen wesentlich größeren Personenkreis. Das kann man an den statistischen Daten auch erkennen. Insofern sehe ich aus Sicht des BMI überhaupt keine Diskrepanz zwischen dieser Linie der Bundeskanzlerin und dem operativen Handeln.

ZUSATZ JESSEN: Die Diskrepanz bestünde aus meiner Sicht darin, wenn ein Kriterium wäre, wie von Ihnen, Herr Helmbold, genannt, exponiert gewesen zu sein. Das hat die Kanzlerin nicht gesagt. Sie hat nicht „diejenigen, die sich exponiert haben“ gesagt, sondern „diejenigen, die für Deutschland gearbeitet haben“. Das ist sozusagen die weitestmögliche Auffassung. Wenn das das ist, von dem Sie ausgehen, dann nehme ich das gerne zur Kenntnis

FRAGE JUNG: Auch noch einmal dazu: Die Kanzlerin hat von Menschen in den letzten 20 Jahren gesprochen. Wir haben hier monatelang genau danach gefragt, und Sie haben uns monatelang gesagt, dass nicht die letzten 20 Jahre gemeint sind, sondern höchstens die Zeit ab 2012. Das ist ja eine riesige Diskrepanz. Die wollen Sie jetzt nicht sehen. Habe ich Sie da richtig verstanden?

HELMBOLD: Ich habe gesagt, worauf ich verweise. Die präzisen Aussagen zur aktuellen Lage und auch zu Ortskräften hat die Kanzlerin gerade eben in der Regierungserklärung gemacht, und darauf möchte ich Sie verweisen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Frau Demmer, hat sich die Kanzlerin vielleicht einfach geirrt?

Wie nehmen die Kanzlerin und die Verteidigungsministerin die öffentliche Kritik von Marcus Grotian auf, der hier gestern in der Bundespressekonferenz gesessen hat, die organisierte Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung angeklagt hat und sich als Soldat von der Bundesregierung moralisch verletzt fühlt?

SRS’IN DEMMER: Die Kritik nehmen wir selbstverständlich sehr ernst, und wir beobachten da die Lage weiter sehr aufmerksam. Wie gesagt: Ich kann die Diskrepanz, die Sie hier konstatieren, nicht bestätigen.

HELMBOLD: Herr Jung, Herr Grotian hat sich gestern mit einer sehr emotionalen Botschaft hinsichtlich Ortskräften an die Öffentlichkeit gewandt, und er engagiert sich mit sehr großer Leidenschaft. Er ist auch nicht der Einzige, der sich an uns wendet. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die in Afghanistan waren, sind bestürzt über die Lage der Menschen vor Ort und wollen helfen. Das zeigt sich eben jetzt auch in der Evakuierungsmission.

FRAGE HERZOG: Herr Burger, Minister Maas hat gestern gesagt, es seien noch rund 100 Deutsche in Kabul, zusätzlich dazu ihre Familien, mit denen man in Kontakt stehe. Ist das heute immer noch die Zahl? Können Sie sagen, welcher Anteil davon Doppelstaatler sind, also Menschen, die sowohl die deutsche als auch die afghanische Staatsbürgerschaft haben?

BURGER: Nein, das kann ich nicht, weil das eine Angabe ist, die wir nicht erfassen und die für uns letztlich auch nicht relevant ist, weil ein deutscher Staatsangehöriger von uns als deutscher Staatsangehöriger behandelt wird, egal, ob er eine zusätzliche Staatsangehörigkeit besitzt oder nicht. Schon deswegen wird in unseren Erfassungssystemen in der Regel nicht danach unterschieden.

Ich muss allerdings hinzufügen, dass die Zahl derjenigen deutschen Staatsangehörigen, die sich noch vor Ort befinden, nach unserer Schätzung inzwischen schon wieder höher liegt, weil sich weiterhin Menschen bei uns melden und auf ihre Lage aufmerksam machen, die sich vor Ort befinden. Das sind nach unserer derzeitigen Schätzung nach wie vor mehr als 200. Es sind bereits 540 deutsche Staatsangehörige ausgeflogen worden.

ZUSATZFRAGE HERZOG: Noch einmal zum Vergleich der Zahlen von gestern und von heute: Sie sprechen jetzt von mehr als 200. Ist die Diskrepanz jetzt also so hoch, weil Sie heute auch die Angehörigen dazu zählen, oder geht das tatsächlich darauf zurück, dass sich jetzt mehr Leute gemeldet haben?

Sie sagen, Sie erfassen die afghanische Staatsbürgerschaft jetzt nicht. Für die Taliban könnte der Unterschied ja schon relevant sein, nicht? Das hat ja für Sie auch operative Auswirkungen.

BURGER: Das ist richtig. Das ist ein Faktor, den man berücksichtigen muss, insbesondere dann, wenn es darum geht, wie die Bewegungsfreiheit vor Ort ist. Es macht aber sozusagen für die Frage der Berechtigung zur Teilnahme an den Evakuierungsoperationen keinen Unterschied aus, sondern dabei sind deutsche Staatsangehörige deutsche Staatsangehörige.

Zu Ihrer anderen Frage: Es ist eine Mischung. Der Minister hat ja von 100 Menschen mit ihren Familien gesprochen. Insofern gibt es da eine gewisse Unschärfe, weil es dann teilweise eben auch so ist, dass unter den Familienangehörigen weitere deutsche Staatsangehörige sind, oder es eben nicht so ist. Aber es ist in der Tat auch nach wie vor so, dass uns selbst in der jetzigen Phase noch neue Fälle gemeldet werden und uns neue Fälle bekannt werden.

FRAGE HAAK: Zu welchem Zeitpunkt beginnt der Rücktransport deutscher Soldaten?

HELMBOLD: Diese Frage habe ich eben schon beantwortet.

FRAGE JUNG: Es wird immer von der Regierung betont, wie viele Schutzbedürftige bereits ausgeflogen wurden. Von wie vielen verbleibenden Schutzbedürftigen gehen Sie vor Ort aus?

BURGER: Ich kann Ihnen da keine präzise Zahl nennen. Wir hatten hier in der Vergangenheit von mehreren Tausend gesprochen. Ich würde davon ausgehen, dass es nach wie vor um eine hohe vierstellige oder niedrige fünfstellige Zahl geht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Helmbold, Sie hatten gerade Grotians Message als emotionale Botschaft abgetan. Hat er gestern irgendetwas gesagt, das falsch ist?

HELMBOLD: Herr Jung, ich habe das mit Sicherheit nicht abgetan, im Gegenteil. Wir nehmen auch die Punkte, die Herr Grotian vorgebracht hat, sehr ernst. Mit Blick auf die, die wir vonseiten des BMVg zu bewerten haben, wissen Sie Herr Grotian hat darüber gesprochen , dass man mit dem Herrn Generalinspekteur gesprochen hat. Er hat Empfehlungen dazu gemacht, wie man beispielsweise Transporte vor Ort organisieren kann. Diese Empfehlungen sind von uns auch aufgenommen worden und geprüft worden. Aber am Ende ist es so, dass vor Ort entschieden werden muss, wie man tatsächlich am besten zu Schützende in den Flughafen hineinbekommt. Aber die Punkte, die Herr Grotian in seinen Gesprächen mit Militärs angebracht hat, sind sehr wohl ernst genommen worden und auch aufgenommen worden und in die Erwägungen einbezogen worden.

SRS’IN DEMMER: Ich möchte mich hier auch noch einmal wiederholen. Ich habe doch, glaube ich, sehr deutlich gesagt, dass wir die Kritik sehr ernst nehmen und dass wir gemeinsam mit dem Verein alles dafür tun, noch möglichst viele Ortskräfte auszufliegen und zu evakuieren.

FRAGE KREUTZFELDT (zur COVID-19-Pandemie): Der Erfolg der 3G-Regel hängt davon ab, wie gut Impfnachweise überprüft werden. Gibt es Zahlen dazu, wie oft dabei die App zum Einsatz kommt, mit der die Echtheit des digitalen Impfnachweises überprüft werden kann und wie oft bei Kontrollen ein Ausweisdokument vorgelegt werden muss?

GÜLDE: Darüber liegen mir keine Zahlen vor.

VORS. WELTY: Gibt es Pläne, für Veranstaltungen genauere Vorgaben zu machen, wie die Kontrollen künftig laufen sollen?

GÜLDE: Das Thema „Kontrollen im Rahmen von Veranstaltungen“ ist im Bereich des Vollzugs des Infektionsschutzgesetzes in der Zuständigkeit der Länder angesiedelt. Insofern müsste die Frage an die Länder gerichtet werden.

FRAGE JUNG: Eine Frage an das BMG, aber auch an das BMJV. Es geht um die Entkriminalisierung von Canabis. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Ludwig, plädiert dafür, dass der Besitz von Canabis bis zu einer Eigenbedarfsgrenze von sechs Gramm künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit und nicht mehr als Straftat zu verfolgen sei. Steht die Bundesregierung hinter dieser Forderung der Drogenbeauftragten?

DR. KEITEL: Das ist im Betäubungsmittelgesetz geregelt, für das das BMG federführend zuständig ist.

GÜLDE: Ich kann dazu gerne etwas sagen. Grundsätzlich ist es so, dass das Thema nicht medizinischer Konsum von Canabis einer breiten gesellschaftlichen Debatte bedarf. Darauf haben wir auch in der Vergangenheit aufmerksam gemacht. Die Äußerungen von Frau Ludwig reihen sich in diese Debatte ein. Diese Forderungen nach einer bundesweit einheitlichen Höchstmenge für die Straffreiheit des Besitzes von Canabis hat sie bereits in der Vergangenheit erhoben.

Grundsätzlich ist es so, dass die Straffreiheit besser gesagt: die Festlegung von solchen Höchstmengen im Rahmen des Betäubungsmittelrechts in der Zuständigkeit der Länder liegt. Diese haben bereits solche Höchstmengen festgelegt. Der Drogenbeauftragten ging es darum, einheitliche Höchstmengen dafür festzulegen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das habe ich alles verstanden. Hier geht es um tatsächliche Entkriminalisierung eines Besitzes von unter sechs Gramm. Das ist ja, wie Sie das beschreiben, etwas anderes als die jetzige Regelung der Länder. Da wird den Staatsanwaltschaften gesagt: Okay, wenn man Leute mit fünf Gramm erwischt, dann gibt es keine Strafverfolgung mehr. Aber das wäre ja eine explizite Entkriminalisierung. Das würde mit einem Betäubungsmitteländerungsgesetz passieren. Steht die Bundesregierung hinter dieser neuen Forderung ihrer Drogenbeauftragten?

GÜLDE: Wie gesagt, diese Forderung hat die Drogenbeauftragte im Rahmen einer zu führenden Debatte eingebracht. Derzeit kann ich Ihnen von keinen Plänen berichten, die eine Entkriminalisierung bzw. eine Legalisierung des Besitzes von Canabis vorsieht.

FRAGE KREUTZFELDT: Ich komme noch einmal auf die Impfzertifikate zurück. Liegen im BMI Zahlen dazu vor, wie viele Strafen bisher wegen fehlender oder falscher Impfzertifikate gegen Besucher oder Veranstalter bzw. Gaststättenbetreiber verhängt wurden?

ALTER: Nein, solche Zahlen liegen nicht vor. Wenn sie von den Bundesländern fortlaufend erfasst werden sollten, was ich nicht weiß, müssten Sie dort abgefragt werden. Ansonsten werden einmal im Jahr Straftaten in der polizeilichen Kriminalstatistik zusammengefasst und veröffentlicht. Wobei ich jetzt auch nicht weiß, ob dieses Deliktfeld eine spezielle Erwähnung findet oder ob es einfach in den Urkundendelikten mit enthalten ist.

FRAGE JUNG: Herr Burger, in Gaza ist es in den letzten Tagen wieder zu Beschüssen von Palästinensern auf Israelis gekommen. Die Israelis haben teilweise mit Scharfschützen am Grenzzaun bzw. gestern mit Bombardierungen reagiert. Wie bewerten Sie diese Auseinandersetzung? Ist die Reaktion des Militärs verhältnismäßig?

BURGER: Tut mir leid. Dazu habe ich heute noch keine eigene Einschätzung mitgebracht. Das muss ich Ihnen nachliefern.

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