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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 20. September 2021

Themen: Reise des Bundesaußenministers nach New York, Amoklauf in einer Universität in Perm, Afghanistan, COVID-19-Pandemie, Bundeswehreinsatz in Mali, Parlamentswahl in Russland, AUKUS, Ermittlungen gegen die Financial Intelligence Unit, Hungerstreik von Klimaaktivisten in Berlin, Medienbericht über Ermittlungen gegen KSK-Soldaten, Sperrung von Nutzern durch Facebook, Äußerungen des Bundesdatenschutzbeauftragten zu Facebook

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
0:23 Ankündigungen
3:45 Thema Afghanische Ortskräfte
9:40 Pentagon bestätigt US-Drohnenangriff auf Zivilisten
16:10 Deutsche Botschaften rund um Afghanistan
21:45 Malische Ortskräfte
22:26 Thema Corona
36:16 Duma-Wahl
44:38 Scholz & das FIU
45:50 Hungerstreik
52:25 Bundesregierung auf Facebook

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 20. September 2021:

VORS. FELDHOFF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

ADEBAHR: Ich möchte Ihnen gern ankündigen, dass Außenminister Maas heute Abend zu einer viertägigen Reise nach New York aufbrechen wird. Anlass dafür ist die 76. Generaldebatte der Vereinten Nationen, der er in den kommenden Tagen beiwohnen wird.

Morgen steht ein Treffen zu Afghanistan, insbesondere zur Lage von Frauen und Mädchen, auf dem Programm, zu dem Italien einlädt und das gemeinsam mit der Organisation UNICEF ausgerichtet wird.

Am Mittwoch ich nenne Ihnen ein paar Schlaglichter der kommenden Tage gibt es ein Treffen zu Libyen, das wir gemeinsam mit Frankreich und Italien ausrichten werden und auf dem es darum gehen wird, im Rahmen des Berliner Prozesses weiterzukommen und den politischen Prozess zu Libyen voranzutreiben. Daran schließt sich zum Beispiel ein Treffen der G4-Staaten mit Japan, Brasilien und Indien zur Reform des Sicherheitsrates an. Es wird ein hauptsächlich virtuelles Treffen der G20-Staaten geben sowie ein sogenanntes „transatlantic quad“ gemeinsam mit den USA, Frankreich und Großbritannien, so die Planung.

Am Donnerstag wird Außenminister Maas gemeinsam mit Frankreich als Co-Gastgeber zu einem Treffen der Allianz für den Multilateralismus im Deutschen Haus in New York einladen. Themen werden Menschenrechte, internationale Gesundheitspolitik, die weltweite Gesundheitsarchitektur in der Bekämpfung der COVID-Pandemie und die Vorbereitung der Klimakonferenz COP26 in Glasgow sein. Dann wird es auch am Donnerstag noch einmal um das Thema Afghanistans gehen. Der Europäische Auswärtige Dienst, also Herr Borrell als Hoher Vertreter, wird zu einem Treffen zum „Compact for Afghanistan’s Neighbours“ einladen. Darin wird es darum gehen, die Nachbarstaaten Afghanistans bezüglich der humanitären Situation, die sich dort darstellt, zu unterstützen und zu besprechen, wie man dort international Hilfe leisten kann und wie man sie koordiniert.

Alle diese Tage werden sicherlich auch mit einer ganzen Reihe bilateraler Gespräche des Außenministers gefüllt sein. Diesen Terminen kann ich hier natürlich nicht vorgreifen. Aber Afghanistan, Libyen, COVID, Multilateralismus, Herauskommen aus der Pandemie, internationale Gesundheitsarchitektur, natürlich auch Klima, wozu heute ja auch die Kanzlerin an einem Event teilnimmt, das sind die großen Themen der diesjährigen Generaldebatte in New York.

STS SEIBERT: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst sagen, dass die Bundesregierung mit Bestürzung von dem Amoklauf an einer Universität in Perm in Sibirien gehört hat. Das ist eine grauenvolle Tat. Ihr sind wohl mindestens acht Menschen zum Opfer gefallen. Zahlreiche mehr sollen verletzt worden sein. Unsere Gedanken und unsere Anteilnahme sind bei den Angehörigen der Ermordeten und natürlich bei denen, die jetzt in den Krankenhäusern mit den Folgen ringen. Ihnen seien von dieser Stelle aus alle Wünsche um gute Genesung übermittelt.

FRAGE BUSCHOW (zu Afghanistan): Weil wieder Montag ist, möchte ich das BMI fragen, ob es einen aktuellen Stand der Zahlen derjenigen gibt, die evakuiert wurden und jetzt in Deutschland sind, und wer darunter ist.

DR. WEDE: Ja, wir haben heute neue Zahlen, die wir Ihnen hiermit für die Woche gern mitgeben. Die Anzahl der eingereisten Personen seit Beginn der Evakuierungsmaßnahmen insgesamt beläuft sich aktuell auf 5429. Davon sind 4584 Afghanen und 522 Deutsche. Zum Stand der eingereisten Ortskräfte habe ich heute ebenfalls neue Zahlen mitgebracht. Es handelt sich in diesem Zeitraum um 272 Ortskräfte, die mit insgesamt 992 Familienangehörigen eingereist sind, also insgesamt um 1264 Personen. Diese Zahlen sind mit Stand des 20. Septembers, also von heute. Eine Ausnahme betrifft die Zahl der eingereisten Ortskräfte; hierfür haben wir dafür bitte ich um Entschuldigung nur die Zahlen vom 17. September.

ADEBAHR: Ich kann zu den Zahlen vielleicht noch ergänzen. Zu dem Thema, wie werden Berechtigte, die auf den Listen stehen, kontaktiert? Über das Wochenende konnten wir in Zusammenarbeit mit bestimmten Organisationen in den letzten Tagen 258 Familien kontaktieren. Mit Familienangehörigen sind dies insgesamt über tausend Personen; ganz genau können wir das noch nicht beziffern. Auf dem Luftweg gab es bislang insgesamt drei Flüge. Ein vierter Flug müsste gerade in der Luft sein. Auf den ersten drei Flügen haben wir 106 deutsche Staatsangehörige herausbekommen. Ein weiterer geht gerade noch ein. Über das Wochenende haben wir über den Landweg das ist nicht zwingend etwas, was man hier öffentlich „unter eins“ genauer beschreibt mit einem organisierten Transport in Zusammenarbeit mit einer Organisation 50 Ortskräfte und Familien nach Pakistan bekommen.

Man könnte sich wünschen, es ginge noch schneller. Aber das zeigt, denke ich, die Bemühungen und das langsame Loslegen der Luft- und Landwegausreisemöglichkeiten, an denen wir weiterarbeiten.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Herr Wede, ist das bezüglich der Ortskräfte der letzte Stand? Was können Sie denn mit Stand von heute über die Identität der anderen Menschen sagen? Sind darunter Aktivisten und andere, die den Schutz benötigen, die aber nicht unter den Begriff der Ortskräfte fallen?

DR. WEDE: Damit wären wir bei der Gruppe der Personen, die auf der sogenannten Menschenrechtsliste des Auswärtigen Amtes stehen. Dazu würde ich tatsächlich an die Kollegen und Kolleginnen des Auswärtigen Amtes verweisen.

ADEBAHR: Zur Aufschlüsselung der Einreisen nach Kategorien habe ich im Moment keine Zahlen. Ich hoffe, dass wir Zahlen haben. Vielleicht könnten wir uns dazu auch zusammen mit dem Innenministerium noch einmal kurzschließen, wie wir das dann kommunizieren können.

FRAGE LÜCKING: Wir haben jetzt die Zahlen der Einreisen gehört. Wie groß ist das Delta zur Anzahl der Menschen, die auf Listen stehen?

Wie sind diese Listen weiter gewachsen? Bei mir gehen weiterhin Meldungen von Menschen ein, die um Hilfe ersuchen. Wie weit sind die Listen nach Ende der Evakuierungsoperation angewachsen? Wie viele Menschen stehen jetzt darauf?

DR. WEDE: Ich kann an dieser Stelle nur über die Zahl der Ortskräfte sprechen. Die Information, wie viele Personen sich auf den Listen befinden, habe ich hier nicht. Ich kann sie Ihnen aber gern nachreichen.

Tatsächlich melden sich auch weiterhin Ortskräfte bei uns und machen eine Gefährdung ihrer Person oder ihrer Familienangehörigen geltend.

ZUSATZFRAGE LÜCKING: Mich würden sowohl die Angaben zu den Ortskräften als auch die Gesamtzahl von Menschen, die man jetzt quasi als evakuierungswürdig eingestuft hat, ansieht oder auf Listen führt, interessieren. Denn nur dadurch ergibt sich aus dem Zahlenwerk eine Aussagekraft.

ADEBAHR: Was die Schutzsuchenden angeht das ist die sogenannte Menschenrechtsliste, die der Kollege ansprach; das ist eine Liste mit Schutzsuchenden aus dem Zivil-, Kultur- und Menschenrechtsbereich , habe ich in den letzten beiden Regierungspressekonferenzen ausführlich vorgetragen. Diese Liste wurde am Freitag der vorletzten Woche es sind ungefähr 2600 Personen darauf dem Bundesministerium des Inneren übergehen. Von dort wurde eine Aufnahmezusage vorbehaltlich einer durchgeführten Visums- oder Sicherheitsüberprüfung, die durchzuführen ist, erteilt. Wie viele Personen sich daraus in der Tat als Einreisen ergeben, lässt sich noch nicht so richtig sagen. Denn jeder von der Liste bringt unter Umständen Familienangehörige mit, deren Anzahl man noch nicht kennt. Diese Liste umfasst 2600.

Was deutsche Staatsangehörige in Afghanistan angeht, gehen wir von einer mittleren dreistelligen Zahl aus. Natürlich kann es auch immer noch sein, dass sich weitere deutsche Staatsangehörige in Afghanistan melden. Wir sind im Moment im Prozess der Ausfliegens.

Das ist der Teil der Gruppe, über den ich für das Auswärtige Amt hier mitteilen kann.

FRAGE JUNG: Frau Adebahr, das Pentagon hat am Freitag bekanntgegeben, dass der letzte Drohnenangriff der Amerikaner vor dem Abzug aus Kabul ein Zitat des Pentagons tragischer Fehler gewesen sei, der mindestens zehn Zivilisten getötet hatte. Als wir am 1. September dazu nachfragten, hatten Sie darüber noch keine Erkenntnisse. Jetzt hat das Pentagon selbst eingeräumt, dass es ein Drohnenangriff war, und er kann ja auch nur über Ramstein als Relaisstation geflogen worden sein.

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung? Wie bewerten Sie diese Fehlereinräumung durch das Pentagon?

ADEBAHR: Ich denke, die Aussagen aus den USA darüber, wie man diesen Angriff dort bewertet, stehen für sich. Wir nehmen sie zur Kenntnis.

Was sonstige Fragen betrifft, habe ich Ihnen hier auch heute keine eigenen Erkenntnisse der Bundesregierung mitzuteilen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Hat sich die Bundesregierung über den völkerrechtlichen Status dieses Drohnenangriffs informiert, wozu Sie ja verpflichtet sind?

ADEBAHR: Wie Sie wissen, stehen wir mit den amerikanischen Partnern in einem regelmäßigen engen Austausch. Aber ich kann Ihnen, was diesen konkreten Angriff betrifft, hier keine Erkenntnisse mitteilen.

FRAGE AIASH: Frau Adebahr, die Talibanregierung appelliert an die Bundesregierung, weiterhin Entwicklungshilfe zu leisten. Wird Berlin auf diese Initiative eingehen und auf die Taliban zugehen?

ADEBAHR: Außenminister Maas hat in den letzten Wochen verschiedentlich deutlich gemacht, dass Europa und dass auch Deutschland bereit sind, humanitäre Hilfe zu leisten, zuletzt auf einer Geberkonferenz vergangene Woche in Genf. Wir haben aber als Bundesregierung gemeinsam mit anderen Partnern, die das auch so sehen, immer wieder deutlich gemacht, dass wir auch von den Taliban die Einhaltung bestimmter Kriterien und Bedingungen erwarten. Namentlich sind das die Einhaltung von Menschenrechten und die freie Möglichkeit der Ausreise. Das sind grundlegende Rechte auch für Mädchen und Frauen. Insofern machen uns die Meldungen sehr besorgt, die wir alle in den letzten Tagen über das Vorgehen der Taliban-Regierung in Afghanistan hören.

Wir sehen auf der anderen Seite auch, dass die humanitäre Hilfe eine Hilfe ist, die den Menschen direkt über internationale Organisationen zugutekommen soll, also nichts mit der Regierung der Taliban zu tun hat. Diese ganzen Bemühungen werden europäisch koordiniert. Auch in New York wird die internationale Koordination dazu weitergehen, wie man es bewerkstelligen kann, dass man den Menschen, die ja nichts dafür können, hilft, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern und diese Hilfe direkt über internationale Organisationen und Hilfsorganisationen zu den Menschen bringt.

FRAGE WEIDMANN: Wie viele Ortskräfte in Afghanistan haben ein deutsches Einreise- und Aufenthaltsvisum? Inwieweit setzt sich die Bundesregierung speziell für diese ein? Dieses Visum ist ja zeitlich begrenzt.

DR. WEDE: Ich verstehe Ihre Frage so, dass sie in die gleiche Richtung wie die Frage geht, die bereits von den Kollegen in Bezug auf das Delta gestellt wurde, also wie viele Menschen, die sich auf dieser Liste befinden, bereits eingereist sind und wie viele noch in Afghanistan sind. Ich hatte ja vorhin angekündigt, dass ich diese Zahl nachreichen werde. Ich habe diese Zahlen nicht hier.

ZUSATZFRAGE WEIDMANN: Setzen Sie sich besonders für diese Gruppe ein?

DR. WEDE: Es ist unser erklärtes Ziel, dass wir den afghanischen Ortskräften, die uns geholfen haben, auch helfen und alles dafür tun, damit diesen Personen eine Einreise nach Deutschland ermöglicht wird.

ZUSATZFRAGE WEIDMANN: Wo halten sie sich überwiegend auf?

DR. WEDE: Über ihren Aufenthalt in Afghanistan bin ich nicht informiert.

ZUSATZFRAGE WEIDMANN: Können Sie diese Information nachreichen?

DR. WEDE: Es handelt sich um eine Vielzahl von Personen, und ich kann ja nicht den Aufenthaltsort jeder dieser Personen in Afghanistan

ZURUF WEIDMANN: Nein, aber überwiegend!

DR. WEDE: Zumal es sich ja dann auch noch um die Familienangehörigen handelt. Wenn wir Informationen darüber haben, wo sie sich überwiegend aufhalten, werde ich das gerne nachreichen. Aber ich bitte um Verständnis, dass wir nicht den aktuellen Aufenthaltsort jeder einzelnen Person in Afghanistan mitteilen können.

FRAGE BUSCHOW: Eine Frage ergänzend an das Auswärtige Amt. Sie haben gesagt, wie vielen Leuten es gelungen ist, über den Landweg herzukommen. Haben Sie inzwischen Daten darüber, wie viele Anträge in den Botschaften von Menschen vorliegen, die aus Afghanistan über den Landweg in die Nachbarländer gekommen sind?

ADEBAHR: Wir arbeiten daran, diese Daten zu erfassen. Da eine solche Erfassung neu ist, kann sie erst ab jetzt losgehen. Die normalen Visasysteme sahen bisher eine solche Differenzierung nicht vor. Das ist eine Schwierigkeit, mit der wir bei der Erfassung zu kämpfen haben. Sobald ich Daten darüber habe, wie viele Leute aus diesem Kontext an Botschaften im Ausland ein Visum beantragt haben oder vorstellig werden, liefere ich diese nach.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Es geht mir weniger um eine ganz konkrete Zahl, sondern darum, eine Vorstellung davon zu haben, wie vielen Leuten das überhaupt gelingt. Ich stelle mir das alles nicht so einfach vor. Können Sie zumindest sagen, ob das zum Beispiel Einzelfälle oder Dutzende oder tatsächlich Hunderte sind? Können Sie vielleicht eine Größenordnung nennen?

ADEBAHR: Irgendwo in der Mitte. Ich versuche, das, sobald es geht, zu liefern.

FRAGE JUNG: Sind denn die Botschaften in den Nachbarländern so handlungsfähig, wie Sie sich das vorstellen? Sind sie personell so besetzt, wie sie es sein müssen, damit sie die ganzen Anträge bearbeiten können?

ADEBAHR: Wir haben die Botschaften in den Nachbarländern gerade, was den Rechts- und Konsularbereich angeht, verstärkt, um dort dafür gewappnet zu sein, dass wir diesen Aufgaben nachkommen können. „Having said that“: Man wird immer wünschen, dass es noch mehr Personal gäbe. Es wird auch so sein, dass ein Teil der Bearbeitung der Anträge Das heißt, es gibt eine Entgegennahme der Anträge im Ausland, und eine Bearbeitung kann dann hier im Inland erfolgen. Das wird dann übersandt. Das heißt, wir werden schauen, wie weit man auch im Inland Personal verstärken muss. Auch daran wird gearbeitet.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie uns faktisch darlegen, wie die Aufstockung aussieht? Arbeiten dort jetzt doppelt so viele Menschen wie vor drei Monaten oder vielleicht zehn Menschen mehr?

ADEBAHR: Wenn ich das genau nachreichen kann, will ich das gerne tun. Das Personal wurde aufgestockt.

FRAGE WEIDMANN: Was empfehlen Sie den Ortskräften, die ein deutsches Visum haben, ganz konkret? Was sollen sie tun? Sollen sie warten, oder sollen sie über Usbekistan oder Pakistan ausreisen? Was sollen sie tun?

DR. WEDE: Sie werden verstehen, dass das jetzt hier nicht der Ort ist, an dem wir Empfehlungen für die Ortskräfte aussprechen. Allgemein gesprochen kann ich das jetzt hier auch nicht tun. Vielleicht will das Auswärtige Amt ergänzen. Es handelt sich ja immerhin um Vorgänge in Afghanistan

ADEBAHR: Wir kontaktieren die berechtigten Personen auf der Liste der Schutzsuchenden und besprechen mit ihnen, was der günstigste Weg ist. Aus unserer Sicht ist das ein gutes Verfahren. Wir kontaktieren sie und schauen dann gemeinsam, welche Ausreisemöglichkeiten es gibt, die dem speziellen Fall es sind ja immer Familienschicksale in ganz verschiedenen Konstellationen, die dahinterstehen, also Kinder usw. bestmöglich gerecht werden.

FRAGE LÜCKING: Wir haben in den letzten sechs, sieben, acht Wochen große Probleme bezüglich der Ortskräfte auf Afghanistan erlebt, was die Erfassung und die Ausstattung mit Visa angeht. Wurde innerhalb der Bundesregierung mit Blick auf andere Einsatzgebiete bereits auf diese Situation reagiert, dass man zum Beispiel die beteiligten Ministerien angewiesen hat, die Personallisten sorgsamer zu führen, eventuelle Freibriefe oder Bescheinigungen direkt bei der Entlassung oder zwischenzeitlichen Entlassung von Ortskräften auszugeben? Geht man gerade irgendwie mit diesen Erfahrungen um, die sich bezüglich der Ortskräfte ergeben? Wie wird das in anderen Situationen künftig gehandhabt werden?

ADEBAHR: Ich weiß nicht, ob das eine Frage an Herrn Seibert wäre.

STS SEIBERT: Wenn das eine Frage an mich wäre, würde ich sagen: Der Afghanistan-Einsatz und insbesondere auch das, was nach dem Abzug geschehen ist, ist etwas, das wir auswerten, auswerten müssen. Das ist ja vielfach gesagt worden.

Soweit sich daraus für andere Einsätze Konsequenzen, Lehren ergeben, muss man diese auch ziehen. Ich würde aber vor einer Gleichsetzung in dem Sinne warnen, dass ein Auslandseinsatz der Bundeswehr im Lande x immer auch eine Garantie für alle Ortskräfte nach sich zöge, danach nach Deutschland kommen zu können. Das hielte ich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls für eine viel zu pauschale und weitreichende Antwort. Aber man muss auswerten, was geschehen ist und ob sich daraus Konsequenzen für andere Einsätze ergeben.

ZUSATZFRAGE LÜCKING: Es gibt ja ganz konkrete Mängel, die aufgezeigt worden sind, wie zum Beispiel das Subunternehmertum, dass Menschen mit einer konkreten Gefährdungslage ausgegliedert worden sind. Auch diese Dinge dürften sich in anderen Einsatzländern ergeben, so zum Beispiel in Mali, wo ja auch mit Informanten und Sprachmittlern gearbeitet wird. Dort sind teilweise sehr deckungsgleiche Personalansätze vorhanden, was die Aufgaben angeht. Ich denke, da ist eine frühzeitige Reaktion notwendig, um solche Entwicklungen weiterhin zu vermeiden. Ist so etwas in der Planung, also überhaupt festzustellen, um welches Personal weltweit man sich so kümmern müsste, damit es eben nicht wieder so vorkommt wie in Afghanistan? Meine Frage richtet sich direkt an Herrn Seibert.

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen an dieser Stelle zu solchen Überlegungen nicht mehr sagen.

Ich glaube, alles spricht dafür ob in Afghanistan oder jetzt eben erst recht auch in möglichen anderen Einsatzgebieten , die Dinge nicht pauschal, sondern auch nach individueller Gefährdung zu betrachten. Mehr kann ich Ihnen jetzt dazu nicht sagen.

FRAGE JUNG: Eine Lernfrage an das Verteidigungsministerium. Herr Collatz, weil es gerade um die Ortskräfte in anderen Einsatzgebieten geht: Wie viele Ortskräfte sind aktuell in Mali beschäftigt? Wie viele waren es insgesamt schon? Können Sie uns vielleicht auch die Gesamtzahl aller Ortskräfte der Bundeswehr weltweit nennen?

COLLATZ: Dazu kann ich derzeit keine Angaben machen. Ich würde das nachliefern, falls die Zahlen erhoben wurden.

FRAGE HOFMANN: Es geht um eine Aussage des Gesundheitsministers in der „BILD“-Zeitung von Samstag. Dort hat er gesagt, dass die Anerkennung von Antikörpertests in Verbindung mit einer Impfung als Immunitätsnachweis in der Planung ist. Meine Frage ist: Wann werden Antikörpertests als Immunitätsnachweis anerkannt? Es gibt ja Leute, die immun sind und nach dem Ablauf der sechs Monaten immer noch einen hohen Antikörperstatus haben. Anfang des Jahres sind Leute nicht getestet worden, weil die Laborkapazitäten nicht ausreichten. Die haben gar keinen Nachweis. Wie will man damit umgehen?

GÜLDE: Wie Sie schon richtig gesagt haben, hat sich der Minister dazu in der „BILD“-Zeitung geäußert. Künftig gilt: Wer bereits mit Corona infiziert war, braucht nach der Empfehlung der STIKO nur noch eine Impfdosis. Zum Nachweis darüber, dass nur eine Impfung notwendig ist, reicht künftig der Nachweis über die Antikörper im Blut.

Was den Genesenenstatus anbelangt, ist es nach wie vor so, dass ein Antikörpertest zwar nachweisen kann, dass Sie bereits mit Corona infiziert waren, aber eben nicht wann. Von daher gilt nach wie vor für den Nachweis des Genesenenstatus der PCR-Test.

ZUSATZFRAGE HOFMANN: Es ist also nicht daran gedacht, Antikörpertests alleine als Immunitätsnachweis anzuerkennen?

GÜLDE: Genau, das ist richtig. Der Antikörpernachweis in Verbindung mit einer Erstimpfung wird als vollständige Impfserie anerkannt, aber für den Nachweis des Genesenenstatus gilt nach wie vor der PCR-Test.

FRAGE REITSCHUSTER: An das Bundesgesundheitsministerium: Eine dritte Impfung der sogenannte Booster mit BioNTech/Pfizer-Impfstoff sei nur für Menschen ab dem 65. Lebensjahr und Risikogruppen sinnvoll, meint ein Expertengremium der Arzneimittelbehörde FDA. Kennt die Bundesregierung diese Einschätzung, und wie steht sie dazu?

GÜLDE: Es gibt von uns ja durchaus Empfehlungen, wie mit solchen Boosterimpfungen umzugehen ist. Wir haben tatsächlich auch die Empfehlung ausgesprochen, dass Hochbetagte und Menschen, die zuvor einen Vektorimpfstoff erhalten haben, eine solche Boosterimpfung bekommen. Daran halten wir weiterhin fest.

FRAGE HOFMANN: Ich hätte noch ein Zitat des Ministers mitgebracht. Und zwar hat er von der Impfung von Kindern im ersten Quartal 2022 gesprochen. Wie passt das dann mit der Aussage von BioNTech zusammen, die den Antrag noch im September stellen wollen, warum dauert das jetzt also plötzlich so lange?

Welche Kinder meint der Minister eigentlich? Meint er Kinder zwischen 5 und 12 Jahren oder meint er Kinder zwischen 6 Monaten und 12 Jahren?

GÜLDE: Grundsätzlich kommt es da auf die Zulassung des entsprechenden Impfstoffs an, und da gilt natürlich das Gleiche, was auch für die anderen Impfstoffe in der Zulassung galt: Es gibt ein Rolling-review-Verfahren, das natürlich ein wenig dauert. Die Daten müssen dann bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur eingereicht werden und werden dort dann eingehend geprüft. Bis dann die Zulassung vorliegt, können durchaus einige Monate vergehen.

Darüber hinaus das hat der Minister auch angekündigt ist dann natürlich auch noch die Empfehlung der STIKO abzuwarten. Die STIKO muss dann also entsprechend der Zulassung eine Empfehlung aussprechen, und auch das kann noch einige Wochen dauern. Von daher gehen wir von dem ersten Quartal 2022 aus.

FRAGE REITSCHUSTER: An das Bundesgesundheitsministerium: Laut einem Gutachten des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung, die das BMG selbst beauftragte, betrug der Anteil von Patiententagen mit der Diagnose COVID-19 in den Krankenhäusern 2020 1,9 Prozent. Laut Bundesregierung waren die Krankenhäuser am Rande der Überlastung durch COVID-19. Wie passt das zusammen?

GÜLDE: Ich muss jetzt ganz ehrlich gestehen: Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang diese Zahlen jetzt genannt werden bzw. ob sie auch in einem solchen Zusammenhang stehen. Von daher müsste ich das tatsächlich nachreichen.

FRAGE HOFMANN: Können Sie etwas zur Bilanz der Impfaktionswoche sagen? Der Minister sprach von 500 000 Impfungen. Das ist, glaube ich, für eine Woche in der letzten Zeit der Standard gewesen.

STS SEIBERT: Sie sprechen das Zitat von Bundesgesundheitsminister Spahn mit den 500 000 Impfungen an. Weil es sich dabei um 500 000 bzw. sogar etwas über 500 000 Erstimpfungen handelt, ist das tatsächlich eine Zahl, die uns durchaus froh macht. Das sind Menschen, die man mit diesen zahlreichen unkonventionellen, bequemen Aktionen erreicht hat. Das ist viel wert, wenn man davon ausgeht, dass jede Impfung mehr uns ein Stück sicherer für den Herbst und Winter macht. Darin liegt also sicherlich ein Erfolg dieser Woche, und ein anderer Erfolg ist, dass es abseits des Üblichen mehr als 1500 Impfaktionen sehr kreative Aktionen; dafür gab es ja sehr viele Beispiele, über die wir in der vergangenen Woche auch gesprochen haben gegeben hat.

Das freut uns sehr, weil es wirklich zeigt, wie wichtig es ist, dass für alle Menschen in Deutschland ein erreichbares, unkompliziertes Impfangebot vorliegt, dass das machbar ist und dass sich unglaubliche viele Menschen dafür engagiert haben. Ich möchte deshalb all denen danken, die diese zahlreichen Aktionen auf die Beine gestellt und durchgezogen haben. So ist es, denke ich, in dieser Impfaktionswoche durchaus gelungen, den Scheinwerfer wirklich noch einmal in allen Facetten auf das wichtige Thema Impfen zu richten und viele Menschen dazu zu bringen, sich noch einmal mit diesem Thema zu befassen. Natürlich geht es weiter natürlich werden die Aktionen weitergehen und natürlich werden wir also Bund, Länder, Kommunen, Verbände, Sportvereine, Organisationen auch weiterhin niederschwellige, zielgruppenorientierte Impfaktionen anbieten.

ZUSATZFRAGE HOFMANN: Sie sind aber nicht enttäuscht, dass es weniger sind als sonst pro Woche bzw. dass die Zahl relativ gleich geblieben ist?

STS SEIBERT: Nach meinen Informationen sind 500 000 Erstimpfungen ein gutes Ergebnis. Ansonsten ist ja klar, dass, je länger man in der Impfaktion schon unterwegs ist, die Zahl derjenigen, die noch erreicht werden können, immer ein bisschen kleiner wird. Wenn man also eine solche Zahl erreicht, dann ist das schon sehr gut.

Trotzdem wird niemand mit den jetzt erreichten Impfquoten zufrieden sein. Wir wünschen uns mehr Impfungen ganz besonders auch bei den über 60-Jährigen; denn es ist wirklich keine zufriedenstellende Nachricht, dass bei den über 60-Jährigen noch mehr als 4 Millionen Menschen ungeimpft sind. Das sind Menschen, für die die Deltavariante eine reale Gefahr darstellt. Wenn man auf die Intensivstationen und in die Krankenhäuser schaut, dann sieht man, dass die ganz überwiegende Zahl, ein erdrückend hoher Prozentsatz derjenigen, die mit Corona im Krankenhaus oder gar auf der Intensivstation liegen, ungeimpfte Menschen sind. Deswegen ist das etwas, womit wir natürlich nicht zufrieden sein können.

VORS. FELDHOFF: Ergänzungen, Herr Gülde?

GÜLDE: Nein, dem würde ich mich komplett anschließen.

FRAGE REITSCHUSTER: An Herrn Seibert: Die Kassenärzte fordern jetzt ebenso wie Heiko Maas früher schon einmal eine Beendigung der Coronamaßnahmen, weil jeder ein Impfangebot hatte. Sind Gespräche mit den Kassenärzten zu diesem Thema geplant?

STS SEIBERT: Einen Teil meiner Antwort habe ich, denke ich, schon gegeben. Ich will es noch einmal anders herum aufzäumen.

Wir sehen in den letzten Tagen eine Entwicklung, über die wir durchaus froh sein können: Wir sehen Inzidenzen, die in den vergangenen Tagen stagnieren und zum Teil auch zurückgehen; wir sehen, dass die Hospitalisierungsrate gesunken ist. der R-Wert, also die Quote der Ansteckung pro Infiziertem, ist gesunken, so wie auch die Sieben-Tage-Inzidenz. Bei der Belegung der Intensivbetten sind wir derzeit in einer Stagnationsphase, wenn ich das richtig sehe. Das ist eine ganz gute Entwicklung, und die zeigt: Die ergriffenen Maßnahmen wirken die 3G-Regeln haben zu diesem Erfolg beigetragen.

Das ist aber keine Entwicklung, von der aus wir sagen können: Jetzt ist es sicher, dass der Herbst oder der Winter gut wird. Eine Gewissheit für den Winter lässt sich daraus noch nicht ablesen. Ich habe auf die Zahl der Ungeimpften hingewiesen: Das sind noch deutlich zu viele. Ich kann auf die großen regionalen Unterschiede hinweisen, die zwischen dem Nordwesten und dem Nordosten sowie dem Südosten 20 Prozentpunkte in der Impfquote ausmachen.

Das heißt, wir haben noch einiges an Weg vor uns. Insofern ist es, glaube ich, richtig, heute nicht einen Stichtag zu nennen, an dem alle Maßnahmen fallen werden, und daran zu erinnern, dass ja schon jetzt Genesene, Geimpfte, Getestete vielfältige Möglichkeiten haben, wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wir sind ja heute Gott sei Dank in einer ganz anderen Situation, als wir es vor einigen Monaten waren. Man kann wieder Konzerte und Museen besuchen, ins Stadion gehen und ins Restaurant gehen. Der Präsenzunterricht ist heute an den Schulen wieder die Regel, und so soll es bleiben.

Wir sind also auf einem guten Weg, aber es gibt aus heutiger Sicht nicht die Grundlage, um zu sagen: Der Tag X ist der Tag, an dem alle Beschränkungen fallen. Es gibt vielmehr guten Grund, die grundsätzlichen Maßnahmen die AHA+L-Regeln, Maskenpflicht, Hygieneregeln weiter gelten zu lassen.

FRAGE LÜCKING: Zur Lage in Mali in Richtung Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium: Am Freitag hat die Unterrichtung der Obleute stattgefunden. Könnten Sie einmal darstellen, welche Einschätzung die Bundesregierung dort bezüglich der Lage in Mali übermittelt hat und wie sich das jetzt über das Wochenende entwickelt hat, wie die aktuelle Bewertung der Lage und des Bundeswehreinsatzes in Mali ist?

ADEBAHR: Das war eine gemeinsame Unterrichtung der Staatssekretäre des Verteidigungsministeriums und des Auswärtigen Amtes, und selbstverständlich können wir hier nicht das referieren, was dort gegenüber den Mitgliedern des Deutschen Bundestages gesagt wurde. Wir haben, glaube ich, unsere grundliegende Einschätzung hier in der letzten Woche deutlich gemacht. Ich sehe da für das Auswärtige Amt im Moment keine Änderungen.

Wir haben die Äußerungen aus Mali vom Wochenende zur Kenntnis genommen, die ja ein bisschen verschiedene Signale senden. Wir werden weiter mit der malischen Seite sprechen. Wir haben in Bamako schon mit der malischen Seite gesprochen, und werden in den nächsten Tagen noch einmal gemeinsam mit anderen europäischen Staaten unsere Position vortragen. Wir werden, glaube ich, heute Gelegenheit haben, auch der malischen Botschaft in Berlin unsere Position vorzutragen. Wir sind vor allen Dingen auch mit ECOWAS in Austausch, also der Regionalorganisation, die sich dort auch dafür einsetzt, die Transformation voranzutreiben und die Reformfortschritte der Regierung zu koordinieren.

All das läuft weiter, damit wir unsere Position deutlich machen, nämlich, dass ein Einsatz von solchen Söldnern darum geht es ja , ein sehr besorgniserregendes und kein gutes Signal wäre. Es geht darum, Gespräche zu führen, um zu schauen, wie man vorankommt und wie wir unsere Position da auch ganz klar machen können.

COLLATZ: Das ist eine ressortübergreifende Position, die von uns vollständig geteilt wird. Auch die Worte der Ministerin von letzter Woche sind da unverändert gültig.

Ich habe noch eine Ergänzung für Herr Jung: Ich kann Ihnen die Zahl für das deutsche Engagement nennen: In Mali werden für das Ressort BMVg derzeit 56 Ortskräfte gezählt. Das ist aber nur der Anteil, der unter das Ressort BMVg fällt.

ADEBAHR: Für das Auswärtige Amt sind wir bei 15.

ZUSATZFRAGE LÜCKING: War die Obleuteunterrichtung in irgendeiner Weise eingestuft? Warum sind die Informationen, die Sie jetzt aus dieser Obleuteunterrichtung öffentlich machen wollen würden, so spärlich?

ADEBAHR: Wir haben unsere Position hier dargelegt und haben es, glaube ich, jetzt noch einmal getan. Eine Obleute-Unterrichtung ist eine Unterrichtung für Mitglieder des Deutschen Bundestags. Die referieren wir nicht öffentlich auf diesem Podium. Wohl aber, und das ist natürlich inhaltlich die gleiche Linie, haben wir hier ja unsere Position dargestellt.

FRAGE JUNG: Zu den Dumawahlen, Frau Adebahr: Waren die Wahlen frei und fair?

ADEBAHR: Zunächst einmal liegt das Endergebnis dieser Wahl noch nicht vor. Wir bedauern es sehr, und das ist auch angesichts der Berichte des letzten Wochenendes noch einmal angezeigt, dass eine unabhängige internationale Wahlbeobachtung aufgrund der von Russland angeordneten Beschränkungen dort nicht durchgeführt werden konnte. Aus unserer Sicht und vor dem Hintergrund des neuen elektronischen Wahlverfahrens sowie der Wahldauer von drei Tagen wäre dies für eine Transparenz und eine tiefergehende Bewertung des Wahlprozesses sehr hilfreich gewesen. Insofern ist es heute Morgen so, wo die Auszählungen auch noch laufen, dass wir die Berichte unabhängiger Wahlbeobachter in der Russischen Föderation über sehr ernsthafte Verstöße bei der Wahl zur Kenntnis nehmen, dies uns besorgt macht und wir deshalb ganz besonders auch die angekündigten Bemühungen der russischen Behörden, diese gemeldeten Vorfälle aufzuklären, sehr aufmerksam verfolgen werden. Das ist heute Morgen die erste Bewertung zum Ablauf des Wochenendes, die ich Ihnen liefern kann. Ich weiß nicht, Herr Seibert, ob Sie etwas ergänzen wollen.

STS SEIBERT: Nein, da liegen wir genau auf einer Linie. Es gibt noch kein offizielles Endergebnis. Es gibt sehr ernst zu nehmende Hinweise von russischen Oppositionspolitikern und auch von Wahlbeobachtern, dass es bei der Durchführung der Wahlen und bei der Stimmauszählung zu massiven Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Das muss man, wie gesagt, ernst nehmen.

Ganz unabhängig davon erfüllt uns mit Sorge das hatten wir ja vorher auch schon gesagt , dass es im Vorfeld der Dumawahlen wegen des zunehmenden Drucks auf Opposition und Zivilgesellschaft wirklich zu einem Verlust an gesellschaftlicher Vielfalt und demokratischer Partizipation gekommen ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Nach dem Ergebnis hatte ich ja auch nicht gefragt, sondern nur danach, ob die Wahlen frei waren. Könnten Sie, Frau Adebahr, vielleicht noch einmal erklären, warum die OSZE konkret darauf verzichtet hat, Wahlbeobachter und Wahlbeobachterrinnen nach Russland zu schicken? Was waren also die Bedingungen, die die OSZE nicht erfüllen wollte?

ADEBAHR: Noch einmal dazu: Es gibt aber noch kein Ergebnis der Wahlen. Man kann eine Sache ja auch erst bewerten, wenn sie vollständig ist. Dies noch einmal zu Ihrem Vorwurf, wir würden hier nicht (akustisch unverständlich).

STS SEIBERT: Ich würde auch sagen: Wir sind ja nicht die Sprecher von ODIHR, also der für Wahlbeobachtungen zuständigen OSZE-Organisation oder -Agentur. Wir können referieren, aber das können Sie auch bei ODIHR selbst erfragen, was der ODIHR-Chef, Herr Mecacci, zur Begründung angegeben hat, nämlich dass eine Beobachtung der bevorstehenden Wahlen in Russland nicht möglich sei, weil Russland ohne irgendwelche klaren pandemiebezogenen Einschränkungen die Zahl der internationalen Wahlbeobachter so klein habe halten wollen, dass eine effektive Beobachtungsmission unmöglich sei; so weit Matteo Mecacci, Direktor von ODIHR. Aber Fragen sind an ODIHR zu richten.

Ich will nur sagen: ODIHR und die Parlamentarische Versammlung der OSZE haben eine jahrzehntelange Expertise und Erfahrung bei der Beobachtung von Wahlen in den 57 OSZE-Teilnehmerländern. Man kann sagen: Das ist der Goldstandard für Wahlbeobachtung. Wir haben keinerlei Anlass, die Absage der Wahlbeobachtungsmission in Russland durch ODIHR infrage zu stellen.

ADEBAHR: Wenn ich noch etwas anfügen darf: ODIHR hat auch im letzten Jahr unter Pandemiebedingungen sehr erfolgreich Wahlbeobachtungen durchgeführt. In diesem Fall war es eben so, dass Russland das Argument Corona vorgebracht hat. ODIHR hat aber weltweit andere Beobachtungsmissionen durchgeführt. Auf die Begründung und den genauen Ablauf dessen, dass ODIHR das am Ende nicht durchgeführt hat, hat Herr Seibert ja hingewiesen; das kann man nachlesen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Hat die Bundesregierung ODIHR für die Wahlen am Sonntag hier in Deutschland Bedingungen gestellt? Wie viele Wahlbeobachter der OSZE werden in Deutschland zugange sein?

DR. WEDE: Mir ist keine Wahlbeobachtung durch ODIHR in Deutschland bekannt, aber das werde ich gerne prüfen.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Seibert, Frau Adebahr, liegen ihnen konkrete Hinweise auf Wahlfälschungen in Russland vor?

STS SEIBERT: Ich glaube, auch das haben wir eigentlich beantwortet. Es gibt Vorwürfe von Wahlbeobachtern bzw. von russischen Oppositionspolitikern, die von massiven Unregelmäßigkeiten sprechen, und die sind ernst zu nehmen. Uns liegen hier keine eigenen Hinweise vor, weil wir dazu keine eigenen Erhebungen durchgeführt haben und weil es bedauerlicherweise keine ODIHR-Wahlbeobachtung gab. Aber die Vorwürfe sind ernst zu nehmen und sollten auch geklärt werden.

FRAGE NEHLS: An das Auswärtige Amt oder Herrn Seibert: Ist es inzwischen egal, ob NATO-Staaten wie die Türkei bei Nichtmitgliedern wie Russland oder umgekehrt Australien bei den USA und dem Vereinigten Königreich Rüstungsgüter kaufen?

Besorgt der Atom-U-Boot-Deal in Fernost die Bundesregierung geo- und sicherheitspolitisch, oder eher nur handelspolitisch?

ADEBHAHR: Wir haben die Initiative dieser Sicherheitspartnerschaft zur Kenntnis genommen. Ich glaube, darüber haben wir hier in der letzten Regierungspressekonferenz Auskunft geben. Es soll jetzt Gespräche zwischen Frankreich und den USA geben. Das ist sicherlich ein gutes Zeichen dafür, dass beide Seiten miteinander sprechen. Es kommt jetzt darauf an, noch einmal herauszufinden oder zu wissen, wie sich diese Sicherheitspartnerschaft genau ausgestalten soll. Sicherlich gibt es darüber Gespräche, jetzt auch insbesondere zwischen Frankreich und Australien sowie Frankreich und den USA, und dann wird man sehen. Das ist ja eine Sicherheitspartnerschaft. – Das war jetzt eine sehr verengte Frage, glaube ich.

FRAGE JORDANS: Deutschland hat sich ja bei diesem U-Boot-Geschäft sehr zurückgehalten. Was sagt das über die Beziehungen zu dem engen Partner Frankreich aus? Plant Minister Maas beim G4-Treffen in New York, zwischen beiden Seiten zu vermitteln?

STS SEIBERT: „Sehr zurückgehalten“, sagen Sie. Es ist ja nicht üblich, dass wir Vergabeentscheidungen internationaler Partner bei Rüstungsvorhaben kommentieren. Das tun wir grundsätzlich nicht. Deswegen haben wir uns in diesem Fall auch so verhalten.

Frankreich hat ja seine Position, eine Position der Verärgerung, durchaus sehr deutlich gemacht. Wie die Kollegin aus dem Auswärtigen Amt gerade gesagt hat: Bei allem Verständnis für die französische Position ist es nun sicherlich gut und sehr zu begrüßen, dass es heißt, es werde bald Gespräche zwischen Frankreich und den USA geben, und zwar hochrangige Gespräche; denn dabei kann dann direkt über möglicherweise entstandene Irritationen gesprochen werden, und das ist unter NATO-Partnern sicherlich der beste Weg.

FRAGE JUNG: Ich habe eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Am Rande der heutigen Sitzung des Finanzausschusses mit dem Bundesfinanzminister kam heraus, dass der Minister den Chef der Financial Intelligence Unit, Herrn Schulte, der seit dem 1. August 2018 im Amt ist, noch nie vorher getroffen hat, also bis heute nicht. Wie kommt das?

KOLBERG: Der Minister gibt ja dem Finanzausschuss gerade Auskunft. Auch da hat er ihn getroffen, und auch viele Male davor. Dabei kann es sich also nur um eine Ente handeln.

ZUSATZFRAGE JUNG: Da sind Sie sicher?

KOLBERG: Er trifft gerade mit ihm zusammen. Er ist gerade mit ihm zusammen im Ausschuss.

ZUSATZ JUNG: Die Berichte unserer Kollegen besagen, dass Herr Scholz Herrn Schulte heute zum allerersten Mal persönlich getroffen habe. Das ist dann falsch.

KOLBERG: Sie haben eben gefragt, ob er ihn überhaupt einmal gesprochen hat. Er hat ihn immer wieder gesprochen. Ich werde versuchen, herauszubekommen, wann und wie sie sich getroffen haben, und würde das dann nachreichen.

ZUSATZ JUNG: Mir geht es darum, wann Herr Scholz Herrn Schulte in den letzten drei Jahren persönlich getroffen hat.

KOLBERG: Ja, und ich habe es Ihnen ja eben gesagt.

[Nachlieferung des BMF: Wie bereits in der Regierungspressekonferenz mitgeteilt, hat der Bundesfinanzminister den Leiter der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen FIU heute im Finanzausschuss getroffen. Es war das erste persönliche Treffen. Der Kontakt zwischen BMF und FIU erfolgte regelmäßig zwischen dem zuständigen Staatssekretär und dem Leiter der Zentralstelle.]

FRAGE: Die Aktivisten drohen jetzt, bei dem Hungerstreik auch das Trinken einzustellen, wenn es kein Treffen mit den Kanzlerkandidaten bzw. der Kanzlerkandidatin gibt. Was sagt die Bundesregierung dazu, Herr Seibert?

STS SEIBERT: Ich kann nur wiederholen, was ich gesagt habe, als einer der Aktivisten in der vergangenen Woche ins Krankenhaus eingeliefert wurde: Solche gesundheitsgefährdenden Aktionen wie der Hungerstreik oder wie die Androhung, nichts mehr zu trinken, müssen einem doch Sorgen um die beteiligten jungen Menschen bereiten. Die politische Debatte um den Klimaschutz ist so immens wichtig. Trotzdem sollte sie geführt werden, ohne dass sich eine Seite dabei selbst gefährdet. Deswegen hoffe ich, dass es sozusagen zum Äußersten dieser Ankündigungen nicht kommen wird.

FRAGE BUSCHOW: Ich würde gerne nachfragen, Herr Seibert, weil Sie gesagt haben, man müsse Sorge haben und Sie hofften, dass es dazu nicht komme. Die Bedingung der Hungerstreikenden dafür, dass es dazu nicht kommt, ist ja, dass es dieses öffentliche Gespräch gibt. Heißt das, die Kanzlerin empfiehlt, dass das stattfindet?

STS SEIBERT: Die Forderungen, wenn man sie so nennen will, der Hungerstreikenden richten sich ja an die drei Kanzlerkandidaten und nicht an die Bundeskanzlerin. Ich habe hier keine Empfehlungen auszusprechen. Aber aus rein menschlichen Gründen hat man doch Sorge auszudrücken. Ich denke, dass man sich darauf einigen kann, dass man nicht möchte, dass jemandem aus Sorge um das Klima dort jetzt etwas gesundheitlich sehr Schwieriges widerfährt und dass sich jemand in eine hochriskante gesundheitliche Situation bringt.

Das Thema ist ich habe es neulich gesagt das zentrale Thema unserer Zeit und wird das zentrale Thema der nächsten Jahrzehnte bleiben. Dazu sind immer wieder Begegnungen miteinander notwendig, gerade wenn die Teilnehmer an solchen Begegnungen sehr unterschiedliche Positionen haben. Sie werden ja auch gesucht. Ich kann jetzt trotzdem solchen gesundheitsgefährdenden Aktionen mit nichts Anderem als mit Sorge begegnen.

FRAGE JUNG: Da die Zelte der Hungerstreikenden ja auch vom Kanzleramt zu sehen sind, hat die Kanzlerin denn einmal angeboten selber vorbeizuschauen, um vielleicht ein bisschen zu schlichten?

STS SEIBERT: Ich habe Ihnen dazu jetzt nicht mehr zu sagen.

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium: Gestern gab es einen Bericht in der „BILD am Sonntag“, dass gegen zwei KSK-Soldaten ermittelt wird. Können Sie das bestätigen und näher ausführen, was den Soldaten vorgeworfen wird?

COLLATZ: Ich kann bestätigen, dass sich im Zuge der laufenden Ermittlungen im KSK, die Sie ja alle kennen, weitere Sachverhalte zu Fällen ergeben haben, die sich bereits vor mehreren Jahren soweit ich das verstanden habe, 2015 und früher ereignet haben. Das zeigt, dass wir mit den Maßnahmen, die wir nicht nur im KSK, sondern überhaupt zum Extremismus in der Bundeswehr ergriffen haben, auf dem richtigen Weg sind. Denn nur im Zuge der neu angesetzten Maßnahmen und Standards sind wir zu diesen Erkenntnissen gekommen und können in der Ermittlungsarbeit gegen den Extremismus in der Bundeswehr weitermachen.

ZUSATZFRAGE: Können Sie noch einmal sagen, was diesen zwei Soldaten konkret vorgeworfen wird und seit wann ermittelt wird?

COLLATZ: Zu den Ermittlungen kann ich überhaupt nichts sagen. Ich kann noch nicht einmal offiziell bestätigen, dass es sie gibt. Ich kann aber bestätigen, dass es weitere Ermittlungssachverhalte gegeben hat.

FRAGE REITSCHUSTER: Auf meine Frage zur Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Facebook sagte die Regierung in der letzten Woche, sie werde gegebenenfalls etwas nachreichen. Zwischenzeitlich wurden dort noch 150 Gruppen und Foren von Coronagegnern gelöscht. Hat die Bundesregierung jetzt etwas nachzureichen?

STS SEIBERT: Ich sehe nicht die Notwendigkeit, jetzt hier für diesen Vorgang eine Bewertung vorzunehmen. Auf welcher Grundlage Facebook einen Kanal oder Kanäle vorübergehend oder dauerhaft sperrt oder Inhalte löscht, das müssen Sie bei Facebook erfragen. Man kann es auch in der von Facebook veröffentlichten Erklärung nachlesen.

Grundsätzlich gilt die Presse- und Meinungsfreiheit. Sie ist das ist eine Grundüberzeugung dieser Bundesregierung von elementarer Bedeutung. Dazu haben wir uns hier auch schon oft geäußert.

Die Anbieter sozialer Medien geben sich für ihre Veröffentlichungen selber Regeln, sogenannte Community-Richtlinien. Es gibt ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom Juni dieses Jahres, in dem näher dargelegt wird, dass ein soziales Netzwerk grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern dieses Netzwerks die Einhaltung bestimmter Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die strafrechtlichen Bedingungen oder Vorgaben hinausgehen.

Herr Reitschuster, ich kann also nur an Facebook verweisen. Soziale Netzwerke wie Facebook dürfen sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen ihre Kommunikationsstandards Beiträge zu entfernen oder auch ein Nutzerkonto zu sperren. Aber daran müssen Bedingungen geknüpft werden. Vor allem müssen das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzer und Nutzerinnen und das Gebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. Ob das in diesem Fall vorliegt, das ist nicht von der Bundesregierung zu beurteilen oder zu entscheiden. Das betrifft das Verhältnis zwischen dem jeweiligen Nutzer und dem Plattformbetreiber. Betroffene können rechtliche Schritte gegen die Löschung ergreifen. Da gab es ja auch schon eine ganze Reihe von Einzelfallentscheidungen bei den Gerichten.

ZIMMERMANN: Ergänzungen habe ich dazu nicht.

FRAGE JUNG: Zum Thema Facebook: Herr Seibert, vor ein paar Monaten hatte der Bundesdatenschutzbeauftragte die Bundesregierung, die Ministerien, auch Sie als Leiter des Bundespresseamtes aufgefordert, die Facebook-Seiten aufgrund der Datenschutzprobleme mit Facebook zu löschen. Warum sind Sie dem nicht nachgekommen?

STS SEIBERT: Es stimmt, dass der Datenschutzbeauftragte ein Schreiben an uns gerichtet hat, und zwar an alle Bundesministerien, alle obersten Bundesbehörden. Da ging es um die Facebook-Auftritte von öffentlichen Stellen des Bundes.

Ich werde jetzt hier die Einzelheiten seines Schreibens nicht wiedergeben oder kommentieren. Wir haben die Einschätzungen, die er uns darin mitgeteilt hat, zur Kenntnis genommen und werden sie nun weiterhin prüfen. Es ergeben sich aus unserer Sicht keine unmittelbaren Vorgaben für den Social-Media-Auftritt der Bundesregierung. Es gibt Gespräche zwischen dem Bundespresseamt und Facebook, die noch nicht abgeschlossen sind. Deswegen kann ich mich an dieser Stelle auch nicht weiter dazu äußern.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie lange laufen die Gespräche schon?

STS SEIBERT: Diese Gespräche sind schon eine ganze Weile im Gange. Aber sie haben auch zwischendurch immer wieder Ergebnisse gezeitigt.

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