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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 29. September 2021

Themen: Personalie, Sperrung zweier YouTube-Kanäle von RT DE, Bundestagswahl, COVID-19-Pandemie, Lieferung von Erdgas aus Russland nach Deutschland, geplante Verlegung von Stolpersteinen in Kiew, NSO-Spähsoftware, Durchsuchungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften, afghanische Flüchtlinge in Ramstein, Personalie

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
0:39 Abschied Wagner
1:50 Thema: Youtube sperrt RTdeutsch
6:33 Will die russische Seite es missverstehen?
8:12 Wird das AA tätig?
9:50 Thema Bundestagswahl
12:00 Hat Merkel dem Wahlsieger gratuliert?
19:10 Maskenpflicht in Schulen
25:15 3G in Zügen
26:13 Ist es geheim, wer sich abstimmt? Wie lange noch?
28:11 Wie lange dauern Prüfungen im Verkehrsministerium?
29:08 Es gab den Plan. Und jetzt gibt es ihn nicht mehr?
33:23 Desinformation zu Impfungen
36:36 Gaslieferungen
41:27 Wie lange hält die Erdgasreserve?
42:38 Wie lang darf der Winter denn dauern?
47:16 Afghanen in Ramstein
48:36 LKW-Fahrer
50:29 Abschied von Maria Adebahr (AA)

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 29. September 2021:

VORS. SZENT-IVÁNYI eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

WAGNER: Nach fünf Jahren in der Pressestelle des BMWi möchte ich mich von Ihnen verabschieden. Ich habe mit zwei Ministern und einer Ministerin zusammengearbeitet. Jetzt wird es langsam Zeit, wieder etwas Neues zu machen. Ich möchte mich für die Zeit und den Austausch mit Ihnen bedanken, der, obwohl wir inhaltlich nicht immer auf einer Linie waren, immer sehr angenehm war und mir immer viel Freude bereitet hat.

Ich werde nächste Woche bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik anfangen und mich dort um das Thema der Kommunikation und des öffentlichen Diskurses kümmern. Wir haben wahrscheinlich mit dem einen oder anderen vielleicht auch mit den neuen Themen Anknüpfungspunkte, und ich freue mich, wenn wir dann wieder miteinander in Kontakt sind. Herzlichen Dank.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Herzlichen Dank, Herr Wagner. Ich glaube, auch im Namen aller Kollegen zu sprechen. Ich bedanke mich herzlich für die Bereitschaft, hierherzukommen, weil wir ja wissen, dass es nicht immer ganz einfach ist, hier Rede und Antwort zu stehen. Danke schön für die Zusammenarbeit!

FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, Sie sagen immer, für die Bundesregierung sei die Pressefreiheit ein hohes Gut. Wie bewerten Sie die Sperrung von zwei RT-Kanälen in Deutsch durch YouTube?

STS SEIBERT: Erstens. Es ist so; für die Bundesregierung ist die Pressefreiheit ein hohes Gut, und wir verteidigen sie im In- wie im Ausland.

Zweitens. Wir haben die Entscheidung von YouTube zur Kenntnis genommen. Weil es anderslautende Erzählungen gerade auf russischen Kanälen gibt, will ich ganz glasklar sagen: Das ist eine Entscheidung von YouTube. Die Bundesregierung oder Vertreter der Bundesregierung haben mit dieser Entscheidung nichts zu tun. Wer das behauptet, der bastelt sich eine Verschwörungstheorie zurecht. Es ist eine Entscheidung von YouTube. YouTube hat sie begründet. Wir nehmen das zur Kenntnis.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Steht die Bundesregierung in Kontakt mit russischen Stellen, die jetzt damit drohen, sozusagen als Gegenschlag deutsche Sender, unter anderem die Deutsche Welle, ARD und ZDF, zu blockieren, sodass sie in Russland nicht mehr im Netz zu sehen sind?

STS SEIBERT: Aus unserer Sicht gibt es überhaupt keinen Anlass für solche, wie Sie es nennen, Gegenschläge gegen deutsche Medien, die in Russland arbeiten. Wer solche Gegenschläge fordert oder davon spricht, der zeigt aus unserer Sicht kein gutes Verhältnis zur Pressefreiheit.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Seibert, ich bin jetzt etwas verwirrt. Ich war 16 Jahre Moskau-Korrespondent und habe das alles sehr gut verfolgt. Wenn in Russland etwas gegen deutsche Sender getan wurde, auch in letzter Zeit, dann hieß es immer, das seien private Firmen, das sei die private Wirtschaft, und die Bundesregierung hat das dann immer verurteilt. Nach Ihrer jetzigen Aussage wäre das eine Verschwörungstheorie.

Wo ist der Unterschied? Warum sind es in Russland nicht die private Firma oder die privaten Netzwerkbetreiber, während sie es umgekehrt hier sind?

STS SEIBERT: Herr Reitschuster, ich muss jetzt ehrlich sagen: Ich verstehe Ihre Frage nicht.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Dann erkläre ich es gern noch einmal.

Wenn in Russland gegen deutsche Sender vorgegangen wird, dann sagt man: Das ist nicht die Regierung; das ist der private Netzwerkbetreiber. Die Bundesregierung sagt trotzdem: Das ist politischer Druck.

Jetzt haben wir hier die gleiche Situation. Sie sagen: privater Netzwerkbetreiber.

Wo ist der Unterschied?

STS SEIBERT: Hier handelt es sich um eine Entscheidung von YouTube, die YouTube mit den Regeln begründet, die es sich als Plattform selbst gegeben hat.

In Russland hat es Maßnahmen gegen ausländische Medien oder auch ausländische NGOs gegeben, die wir kritisiert haben, weil es staatliche Maßnahmen waren.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Nein, in vielen Fällen waren es auch private Maßnahmen. Ich gehe mit Ihnen konform in der Ansicht, dass der Staat dahinterstand. Aber formell waren es oft auch private Maßnahmen, zum Beispiel von Netzwerkbetreibern.

STS SEIBERT: Wir müssen das im Einzelfall diskutieren. Hier geht es jetzt um Maßnahmen, die YouTube gegen Russia Today und, so meine ich, einen Zweitkanal aufgrund der sich von YouTube selbst gegebenen Regeln ergriffen hat. Das nehmen wir zur Kenntnis. Für die betroffenen Sender gibt es sicherlich Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Aber wir nehmen es zur Kenntnis. Es ist keine staatlich ergriffene Maßnahme durch die Bundesregierung. Da dies aber behauptet wird, ist es mir ein Anliegen, dies hier klar zurückzuweisen.

FRAGE DR. ROSE: Steht die Lizenz für RT Deutsch in Deutschland im Zusammenhang mit YouTube, wie die Chefin von Russia Today behauptet?

STS SEIBERT: Zu der Maßnahme, die YouTube ergriffen hat, habe ich mich geäußert. Die Frage einer Lizenz, die in Deutschland gar nicht beantragt worden ist und im Übrigen auch nicht bei der Bundesregierung, sondern bei der zuständigen Medienanstalt zu beantragen wäre, ist eine völlig andere.

FRAGE JUNG: Hier geht es ja darum, dass ein suspendierter YouTube-Kanal trotz Suspendierung auf einem anderen Kanal Videos hochgeladen hat, was dem Kanal verboten war. Dementsprechend ist jetzt die Sperrung bzw. die Löschung erfolgt. Das heißt, die haben einfach gegen die Regeln verstoßen, die YouTube auferlegt hat.

Sind Sie der Meinung, dass die russische Seite das einfach nicht verstehen will, daraus einen staatlichen Akt konstruiert und unter anderem von einem beispiellosen Akt der Medienaggression spricht, oder muss die deutsche Seite, vielleicht das Außenministerium, den Russen das einfach nur erklären?

STS SEIBERT: Ich möchte das jetzt hier nicht weiter kommentieren. Mir ist es wichtig, klarzumachen, worum es sich hierbei handelt und worum es sich nicht handelt. Es handelt sich um eine Maßnahme, eine Entscheidung, die YouTube getroffen hat. Gründe dafür haben Sie genannt. Es ist die Durchsetzung der eigenen Regeln durch YouTube. Solche Regeln müssen natürlich transparent sein und gleichmäßig auf alle Personen oder Organisationen angewendet werden. Es handelt sich nicht um eine Maßnahme der Bundesregierung oder staatlicher Stellen. Es ist mir wichtig, das klarzumachen.

Nach meiner Überzeugung gibt es auch überhaupt keine Berechtigung für das, was heute in Moskau zum Teil in den Raum gestellt wurde, nämlich in Anführungszeichen Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Medien in Russland.

Das ist mir wichtig. Weiter will ich das hier nicht bewerten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Frau Adebahr, wird das Außenministerium vielleicht ein bisschen tätig und sagt den Russen, wie die Lage ist?

ADEBAHR: Unsere Gesprächskanäle auch mit der russischen Botschaft sind sehr eng. So ist zum Beispiel auch der Staatssekretär in einem kontinuierlichen Austausch. Wenn es dazu etwas gibt und wir es mit der russischen Seite besprochen haben, dann teile ich das hinterher gern mit.

FRAGE JOLKVER: Herr Seibert, wann haben Sie von der Sperre erfahren, erst aus den Medien oder etwas früher?

Sie sagten eben, man solle alle gleichbehandeln. Im Netz kursieren sehr, sehr viele Verschwörungstheorien in Bezug auf Corona usw. Aber tut es Ihnen angesichts der Pressefreiheit, die Sie verteidigen, denn nicht leid, dass gerade RT gesperrt wurde und nicht irgendwelche anderen Verbreiter von Fake News?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich persönlich von den Maßnahmen, die YouTube ergriffen hat, aus den Medien erfahren habe.

Weitere Gefühle, die ich dazu habe oder nicht habe, spielen keine Rolle. Wir haben diese Entscheidung zur Kenntnis genommen. YouTube hat sie begründet. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Es ist keine Entscheidung der Bundesregierung.

FRAGE ECKSTEIN: Herr Seibert, die Bundestagswahl am Sonntag ist vorbei. Hat sich die Kanzlerin schon dazu geäußert und vielleicht auch dem Finanzminister zur Wahl gratuliert?

STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin hat regelmäßigen Kontakt mit dem Vizekanzler und Finanzminister. Über diese Gespräche habe ich jetzt nichts weiter zu berichten, weil es vertrauliche Gespräche sind. Deswegen kann ich Ihnen dazu jetzt nichts sagen.

ZUSATZFRAGE ECKSTEIN: Gibt es generell eine Stellungnahme der Bundesregierung zur Bundestagswahl?

STS SEIBERT: Das sah ich kommen. Ich ahne schon, dass es immer wieder Versuche geben wird, mich dazu zu verlocken, für die Bundesregierung oder die Bundeskanzlerin die Etappen bis zur Bildung einer neuen Regierung zu kommentieren. Ich sage Ihnen lieber gleich, dass ich diese Verlockung nicht fühle. Es ist einfach so, dass alles so abläuft, wie es unser Grundgesetz und auch unsere demokratische Praxis der letzten Jahrzehnte vorsehen.

Die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin sind im Amt. Das Land hat zu jedem Zeitpunkt eine funktions- und handlungsfähige Regierung, auch wenn diese Regierung nach der Konstituierung des neuen Deutschen Bundestages dann auf Ersuchen des Bundespräsidenten zu einer geschäftsführenden Regierung werden wird. Die Bundeskanzlerin, die Minister und die Ministerinnen tun ihre Arbeit, bis eine neue Bundesregierung übernimmt. Das ist alles, was Sie von mir jetzt zu diesen Dingen hören werden.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Seibert, hält sich die Bundeskanzlerin sicherheitshalber schon einen Termin für eine neue Neujahrsansprache frei?

STS SEIBERT: Die Bundeskanzlerin tut ihre Arbeit, bis eine neue Bundesregierung und ein neuer Bundeskanzler bzw. eine neue Bundeskanzlerin im Amt sind.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, Sie haben die demokratische Praxis angesprochen. Wie ist es denn für scheidende Regierungschefs in Deutschland? Gratulieren sie dem Wahlsieger nicht?

STS SEIBERT: Doch, das tun sie sicherlich.

ZUSATZFRAGE JUNG: Hat dementsprechend Frau Merkel Herrn Scholz gratuliert?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen hier jetzt nicht aus vertraulichen Gesprächen, deren Inhalt ich nicht kenne, berichten. So, wie ich die Bundeskanzlerin und ihre Haltung zu solchen demokratischen Gepflogenheiten kenne, nehme ich es an. Aber ich kann es ihnen jetzt nicht sagen. Vielleicht werde ich es Ihnen nachreichen können.

ZUSATZFRAGE JUNG: Zum Ablauf der Wahl: Hat die Bundesregierung irgendwelche Vorkommnisse am Sonntag entdeckt, zum Beispiel in einer großen, großen Stadt in Deutschland?

STS SEIBERT: Diese Vorkommnisse haben ja auch andere entdeckt, und sie werden in dieser großen, großen Stadt in Deutschland, sprich, in der Stadt, in der wir hier sind, auch gerade intensiv besprochen. Ich denke, dass dies auch genau dorthin gehört.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wollen Sie es nicht bewerten?

STS SEIBERT: Es ist Sache der zuständigen Berliner Stellen und der zuständigen Berliner Verantwortlichen, sich mit diesen Fragen und den aufgetauchten Problemen auseinanderzusetzen. Das ist nichts, was der Regierungssprecher hier zu kommentieren hätte.

FRAGE REITSCHUSTER: Dazu eine Frage an das Innenministerium als Verfassungsministerium: Sie sagen zwar, Herr Seibert, die Regierung habe das nicht zu kommentieren, aber als Verfassungsministerium, müssen Sie doch einen Blick darauf haben. Haben Sie einen Blick darauf?

DR. WEDE: Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Reitschuster, wenn Sie mir sagen könnten, worauf sich Ihre Frage bezieht.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Auf die Probleme, die es in der Hauptstadt mit der Durchführung der Wahl gab.

DR. WEDE: Um eine Stellungnahme zu einem Problem abgeben zu können, Herr Reitschuster, wäre ich aber trotzdem daran interessiert, welches Problem Sie meinen.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Ich bin sehr verwundert, Herr Dr. Wede, dass Sie dieses Problem nicht kennen; denn ganz Berlin spricht darüber. Ich kann es noch einmal lange ausführen, aber ich ging davon aus, dass

DR. WEDE: Es gibt verschiedene Probleme, die durch die Medien geistern, Herr Reitschuster. Deswegen brauch ich von Ihnen eine Konkretisierung.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Gern. Es geht um die Probleme, dass es teilweise keine Stimmzettel gab, dass es teilweise lange Warteschlangen gab und dass bis 18 Uhr, bis zur Schließung der Wahllokale, viele Wähler ihre Stimme nicht abgeben konnten.

DR. WEDE: Danke, Herr Reitschuster.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Bitte, gern.

DR. WEDE: Wie Herr Seibert schon gesagt hat, haben sich die zuständigen Stellen hier in Berlin zu diesem Thema bereits geäußert. Dazu gab es auch eine Pressekonferenz. Deswegen erlauben Sie vielleicht, Herr Reitschuster, dass ich allgemein etwas zu rechtlichen Rahmenbedingungen sage.

Nach der Bundeswahlordnung dauert die Wahl am Wahltag von 8 Uhr bis 18 Uhr. Wahlberechtigte, die nach 18 Uhr am Wahllokal erscheinen, dürfen also nicht mehr wählen. Es verhält sich aber anders mit Personen, die vor 18 Uhr erschienen sind, die aber, weil die Schlange so lang war oder weil es dafür organisatorische Gründe gab, nicht in der Lage waren, dann auch bis 18 Uhr zu wählen. Bei diesen Personen kann es rechtlich zulässig und im Einzelfall sogar geboten sein, dass sie auch nach 18 Uhr noch ihre Stimmzettel abgeben dürfen. Es kann dann auch so sein, dass das dann im Einzelfall bis 20 Uhr dauert.

STS SEIBERT: Was ich vielleicht noch hinzufügen kann: Der Bundeswahlleiter hat sich zum Verlauf der Bundestagswahlen im Allgemeinen bereits geäußert. Er hat zum Verlauf der Wahl in Berlin einen detaillierten Bericht von der Landeswahlleitung in Berlin angefordert, und den gilt es jetzt abzuwarten.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Herr Dr. Wede, verstehe ich das richtig, dass Sie es also für normal halten, wie das in Berlin abgelaufen ist, und keine verfassungsrechtlichen Bedenken haben?

DR. WEDE: Ich habe etwas zu den rechtlichen Grundlagen gesagt. Da habe ich mich, glaube ich, verständlich geäußert. Ansonsten habe ich zu dem, was Herr Seibert eben gesagt hat, nichts zu ergänzen.

FRAGE WARWEG: An das BMI und das AA: Russische Behörden erklären, dass die Löschung der RT-Kanäle im Einverständnis und in Absprache mit deutschen Behörden erfolgte. Kann die Bundesregierung dies zu hundert Prozent ausschließen.

STS SEIBERT: Diese Frage ist von mir hier, glaube ich, schon zwei- oder dreimal sehr klar beantwortet worden.

ADEBAHR: Absolut.

FRAGE ECKSTEIN: Herr Seibert, noch einmal zur Bundestagswahl: Was bedeutet das dann jetzt für die Arbeit der Bundesregierung? Sie haben gesagt, dass die Kanzlerin und die Ministerien im Amt sind. Gibt es da jetzt eine Art Verhaltenskodex, wenn man das ab Mitte Oktober erst geschäftsführend führt? Können Sie vielleicht einfach einmal schildern, was jetzt diese Zeit der Koalitionsverhandlungen für die Bundesregierung bedeutet, was politische Initiativen etc. angeht?

STS SEIBERT: Das bedeutet, dass die Bundesregierung ihre Arbeit macht; das bedeutet, dass wir im Oktober noch eine Reihe von Kabinettssitzungen haben werden; das bedeutet, dass wir natürlich und da macht die Wahl jetzt keinen so großen Unterschied wichtige Aufgaben, wichtige Themen, wichtige Herausforderungen haben. Wir haben weiterhin die aktuelle Coronasituation zu bewältigen. Wir haben dafür zu sorgen, dass die beschlossenen Fluthilfen gut umgesetzt werden. Wir haben europäische Diskussionen, die zum Beispiel geführt werden, um europäische Beschlüsse Klimabeschlüsse beispielsweise umzusetzen. All das wird geschehen, und die Kanzlerin wird auch weiterhin die auswärtigen Beziehungen durch Auslandsreisen, Begegnungen und Gespräche mit Staats- und Regierungschefs anderer Länder pflegen. Ansonsten kann man ja auch nie ganz voraussehen, was noch kommt.

ZUSATZFRAGE ECKSTEIN: Was bedeutet das mit Blick auf neue Gesetzesvorhaben, die ja gegebenenfalls auch für die Themen, die Sie jetzt angesprochen haben, notwendig sind? Wird es da beispielsweise engere Absprachen mit den Fraktionen geben oder regelt man das dann innerhalb der Bundesregierung?

STS SEIBERT: Es gibt immer sehr enge Absprachen mit den Fraktionen. Der neue Deutsche Bundestag muss sich ja erst konstituieren, was nach meinen Informationen für den 26. Oktober geplant ist diesen Tag hat jedenfalls der Ältestenrat als den Tag der konstituierenden Sitzung festgelegt. Deswegen kann ich Ihnen hier heute über legislative Vorhaben nichts berichten.

FRAGE ABBAS: Zur Maskenpflicht an Schulen: Es gab jetzt einige Signale aus den Bundesländern, dass die Maskenpflicht für Schüler am Sitzplatz entfallen soll. Hält die Bundesregierung das angesichts einer möglichen vierten Welle, die genauso schlimm ausfallen könnte wie die Wellen zuvor, für das richtige Signal?

STS SEIBERT: Auch bei niedrigeren Inzidenzzahlen spielen natürlich Schutz- und Hygienekonzepte weiterhin eine wichtige Rolle, und darunter kann auch das Tragen von Masken an Schulen fallen. Grundsätzlich sollten die Hygienekonzepte ja an die Pandemielage angepasst werden, und das geschieht auch. Wie die Ausgestaltung dieser Konzepte für den Schulbetrieb geschieht, ist Sache und Verantwortung der Länder, die für den Schulbetrieb zuständig sind. Deswegen kann ich das jetzt nur so allgemein beantworten.

ZUSATZFRAGE ABBAS: Aber halten Sie denn die Maskenpflicht im Unterricht am Sitzplatz für eine grundsätzlich sinnvolle Maßnahme zur Pandemiebekämpfung?

STS SEIBERT: Das Tragen von Masken an Schulen kann weiterhin eine sinnvolle Maßnahme sein. Wir werden natürlich nicht nur weiter beobachten müssen, wie sich die Inzidenz weiter entwickelt, sondern natürlich vor allem auch, wie wir mit dem Impfen bei den Zwölfjährigen bis 17-Jährigen und vielleicht in Zukunft dann auch noch bei Kindern unter zwölf Jahren vorankommen.

Wenn wir jetzt in einen Herbst und Winter mit wieder steigenden Infektionszahlen hineingehen sollten, dann wäre es trotzdem nicht ganz so, wie es in früheren Wellen war, denn natürlich sind wir inzwischen mit dem Impfen viel, viel weiter noch nicht weit genug, aber weiter.

FRAGE REITSCHUSTER: An Herrn Seibert: Wenn ich mich richtig erinnere korrigieren Sie mich sonst , haben Sie hier ich glaube sogar, wiederholt gesagt, dass Gott sei Dank die Impfstoffe auch gegen die Virusmutationen, die bekannt sind, wirksam seien. Nun habe ich gestern beim Stöbern in den FAQs des Gesundheitsministeriums zur Einreiseverordnung folgende Stelle gefunden:

„Es besteht aktuell keine Feststellung gemäß § 4 Absatz 2 Satz 5 Corona-Einreiseverordnung durch das RKI, dass ein bestimmter Impfstoff gegen die Virusvariante hinreichend wirksam wäre, die zur Einstufung des Gebiets als Virusvariantengebiet geführt hat.“

Könnten Sie oder vielleicht auch Herr Gülde mir diesen Widerspruch auflösen?

GÜLDE: Letztlich geht es dabei tatsächlich um die Frage, ob neue Virusvarianten auftreten, gegen die die Wirksamkeit der Impfstoffe bislang noch nicht ausreichend belegt ist. Bei den derzeit in Deutschland kursierenden Varianten sprechen wir ja hauptsächlich bzw. nahezu ausschließlich zu 99,9 Prozent von der Deltavariante, und für die gilt die Wirksamkeit als erwiesen.

STS SEIBERT: Ich will vielleicht auch noch einmal wiederholen, was ich in der letzten oder vorletzten Regierungspressekonferenz gesagt habe da konnten Sie leider nicht bei uns sein, Herr Reitschuster : Das RKI hat sich in seinem Wochenbericht vom letzten Donnerstag, glaube ich, ganz klar zur Impfeffektivität der vorhandenen Vakzine, die wir haben, – bezogen auf die letzten vier Wochen – geäußert. Da kommt heraus: Ja, es gibt Impfdurchbrüche das ist ja auch bekannt , aber Impfen schützt je nach Altersgruppe zu 95 bis 96 Prozent vor Hospitalisierung, und Impfen schützt je nach Altersgruppe zu 96 bis 97 Prozent vor einer intensivmedizinischen Behandlung. Das untermauert: Impfen ist ein wirksamer Schutz. Jeder, der sich impfen lassen könnte und möglicherweise noch nicht geimpft ist, sollte sich jetzt impfen lassen.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Diese Diskussion möchte ich jetzt nicht anfangen, denn ein Hintergrund der Zahlen, die Sie jetzt genannt haben, ist ja, dass Geimpfte nicht getestet werden aber machen wir dieses Fass nicht auf.

Noch einmal zu meiner eigentlichen Frage: Sie sagen, die Impfstoffe helfen gegen die Virusvarianten. Auf der Seite des BMG steht, dass es keine solche Feststellung des RKI gibt. Das ist doch ein Widerspruch. Oder verstehe ich irgendetwas falsch? Dann erklären Sie es mir bitte.

GÜLDE: Es gibt zahlreiche Studien zu genau dieser Frage, gegen welche Virusvarianten die Impfstoffe tatsächlich wirken. Dazu gibt es auch Zahlen, die das RKI veröffentlicht. Das RKI stellt dazu aber keine eigenen Studien an; das RKI ist nicht die Behörde für die Überwachung oder, besser gesagt, die Zulassung von Arzneimitteln und Impfstoffen. Das RKI stellt diese Informationen vielmehr zur Verfügung, stellt diese Studien aber nicht selbst an.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Warum müssen dann Geimpfte aus Virusvariantengebieten in Quarantäne?

GÜLDE: Wie gesagt, weil es unter Umständen Virusvarianten geben kann, gegen die die Wirkung der bislang zugelassenen Impfstoffe noch nicht ausreichend erwiesen ist. Wir haben es ja immer wieder mit neuen Virusvarianten zu tun, und bis tatsächlich Studienergebnisse über die Wirksamkeit der Impfstoffe bei diesen Varianten vorliegen, geht man einfach ich formuliere es einmal so salopp auf Nummer sicher, weil noch nicht ausreichende Erkenntnisse dazu vorliegen.

FRAGE LANGE: An das Verkehrsministerium zum Thema 3G-Regel in Fernzügen: Inwieweit ist der Prüfauftrag abgearbeitet bzw. wann können wir da mit einem Ergebnis rechnen?

HERZOG: Vielen Dank für die Frage. Dieses Thema wurde in den letzten Wochen ja schon des Öfteren besprochen, und mein Kollege hat hier auch schon Stellung dazu genommen. Ich habe dazu jetzt keinen neuen Stand. Das heißt, die Abstimmungen laufen noch.

ZUSATZFRAGE LANGE: Das ist ja gerade nicht ganz unwichtig. Gibt es da irgendeine zeitliche Perspektive? Woran hängt es denn, warum muss so etwas so lange geprüft werden? Was ist das Problem?

HERZOG: Zu regierungsinternen Abstimmungen äußern wir uns ja ganz grundsätzlich nicht. Das Einzige, was ich dazu sagen kann, ist, dass die Abstimmungen noch andauern. Wir werden informieren, sobald es dazu etwas zu sagen gibt.

FRAGE JUNG: Ist es geheim, wer sich da mit wem abstimmt?

HERZOG: Das sind regierungsinterne Abstimmungen. Da sind wir mit drin. Ansonsten kann ich dazu, wie gesagt, mehr nicht sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wer noch?

HERZOG: Wie gesagt, das sind regierungsinterne Abstimmungen, zu denen wir uns grundsätzlich nicht äußern. Das, was ich dazu gesagt habe, ist das, was ich dazu sagen kann.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es sind aber auch andere Ministerien involviert, habe ich das richtig verstanden?

HERZOG: Wir stimmen uns natürlich intern ab. Klar ist auch, dass wir dazu mit dem BMG und mit dem BMI sprechen. Dem, was ich dazu gerade gesagt habe, kann ich aber nichts hinzufügen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Bis wann wollen Sie denn fertig geprüft haben?

HERZOG: Wie gesagt: Wenn wir dazu etwas kommunizieren können, dann werden wir das tun.

FRAGE LANGE: Ich habe noch eine Coronafrage an das Verkehrsministerium: Sie haben ja vorgeschlagen, dass Coronaschutzmasken im Verbandkasten in Kfz mitgeführt werden sollen. Es war aber, glaube ich, noch offen, ab wann das gelten soll. Können Sie schon sagen, ab wann Autofahrerinnen und Autofahrer das bei sich haben müssen?

HERZOG: Wie Sie gesagt haben, haben wir die vom Bundesverband Medizintechnologie unterstützte Aufnahme der zwei Gesichtsmasken in den Entwurf zur Änderung des entsprechenden Normblatts das ist das DIN 13164 zur Kenntnis genommen. Zuständig für die Änderung der Norm ist das Deutsche Institut für Normung, und diese Normänderung wird jetzt erst einmal durchgeführt.

ZUSATZFRAGE LANGE: Können Sie da einen Zeitrahmen nennen?

HERZOG: Was ich Ihnen dazu mitteilen kann, ist, dass das Thema Masken im Verbandskasten vom BMVI nicht verfolgt wird. Das ist unsere Haltung dazu.

FRAGE JUNG: Können Sie uns allgemein sagen, wie lange Prüfaufträge bei Ihnen dauern, wenn es um den Gesundheitsschutz geht?

HERZOG: Dazu habe ich keine Aussage.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das vielleicht nachreichen?

HERZOG: Das kann ich gegebenenfalls nachreichen falls wir etwas dazu nachreichen können.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie haben ja auch in der Vergangenheit Sachen geprüft

HERZOG: Ich kann schauen, ob wir da einen Durchschnitt herausbekommen können. Ich kann jetzt aber nicht sagen, ob wir dazu etwas nachreichen können.

FRAGE LANGE: Frau Herzog, vielleicht habe ich es jetzt falsch verstanden, aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das nicht vorgesehen? Ich dachte, es wäre ein Plan des Verkehrsministeriums; das war auch die Grundlage meiner Frage. Sie verfolgen das aber gar nicht, habe ich das richtig verstanden?

HERZOG: Der Sachstand ist der, den ich gerade ausgeführt habe. Das ist unsere Haltung.

FRAGE JUNG: Frau Herzog, gab es einen Plan, Masken in den Verbandskasten zu packen, den Sie jetzt nicht mehr verfolgen, oder gab es einen solchen Plan nie?

HERZOG: Unsere Haltung ist die, dass das Thema im BMVI nicht weiter verfolgt wird. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es gab das also, aber jetzt doch nicht mehr?

HERZOG: Das ist die Haltung, wie ich sie gerade vorgetragen habe.

ZUSATZFRAGE JUNG: Woher kommt der Haltungswechsel?

HERZOG: Wie gesagt, das ist der Sachstand und unsere Haltung dazu. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

STS SEIBERT: Kurze Korrektur: Der Herr dort hatte mich vorhin ein bisschen nach den weiteren regierungsseitigen Abläufen nach der Bundestagswahl gefragt, und ich hatte, und das ist falsch, gesagt, es seien noch mehrere Kabinettsitzungen im Oktober geplant. Ich korrigiere das: Es ist bisher nur eine Kabinettssitzung für den 13. Oktober terminiert. Das heißt nicht, dass es nicht noch weitere geben kann, aber terminiert ist diese. Es tut mir leid.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Gülde, es gibt eine Untersuchung der Universität Innsbruck vom August, wonach schwere Verläufe der Coronaerkrankung gerade bei hohen Antikörpertitern häufig auftreten. Sind Sie sich darüber im Klaren? Verfolgt man das? Wenn ja, welche Auswirkungen könnte das auf die Impfstrategie haben, die ja auf eine hohe Zahl von Antikörpertitern setzt?

GÜLDE: Herr Reitschuster, mir liegt diese Studie nicht vor. Ich kann dazu jetzt keine Aussagen treffen.

Vielleicht einmal grundsätzlich zur Frage der Impfstrategie, da muss ich Sie nämlich korrigieren: Es geht uns nicht allein und ausschließlich um eine hohe Zahl von Antikörpertitern, sondern grundsätzlich geht es halt eben um einen hohen Immunschutz. Dieser Immunschutz setzt sich aus diesem Zusammenspiel von Antikörpern und zellulärer Immunantwort zusammen.

Insofern ist das etwas, das wir uns sicherlich ansehen werden, aber bislang kann ich Ihnen zu diesen Studienergebnissen keine Auskunft geben.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Sie haben gerade das Thema der Übertragung angesprochen. Ich hatte vor, glaube ich, zwei Monaten einmal nach diesen Erkenntnissen der Gesundheitsbehörde der USA gefragt, wonach auch bei Geimpften bei der Deltavariante eine hohe Anzahl von Viren vorhanden sei. Damals wusste die Bundesregierung darüber noch nicht genauer Bescheid. Gibt es da ein Update?

GÜLDE: Wie gesagt, Herr Reitschuster, und das hatte ich ja eigentlich vorhin schon ausgeführt, sehen wir auch bei der Deltavariante einen sehr hohen Schutz der Impfung. Herr Seibert hat es schon ausgeführt: Es gibt Fälle von Impfdurchbrüchen. Die sehen wir tatsächlich. Nichtsdestotrotz gibt es aber einen sehr, sehr hohen Impfschutz aller zugelassenen Impfstoffe.

ZURUF REITSCHUSTER: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

GÜLDE: Herr Reitschuster, ich werde mich tatsächlich nicht über einzelne Studien auslassen, weil, wie ich sagen muss, ich sie nicht kenne und ich sie auch nicht beurteilen kann. Ich bin kein Immunologe. Aber Sie wissen, dass wir halt eben tatsächlich die Impfstoffe sehr genau überwachen und auch die Wirksamkeit sehr genau überwachen, und das ist das, was wir eben zurzeit sehen, nämlich dass die Impfstoffe auch gegen die derzeit grassierende Deltavariante sehr gut wirken.

FRAGE JUNG: Noch einmal zu Corona, weil das lange kein Thema mehr war: Herr Seibert, wie bewerten Sie als Leiter des Bundespresseamtes denn professionelle Desinformation in Sachen Impfungen in Deutschland? Wie hat sich das aus Ihrer Sicht entwickelt?

STS SEIBERT: Was heißt, wie sich das entwickelt hat? Ich kann Ihnen das jetzt nicht quantitativ sagen. Aber Sie alle, die Sie auch im Netz unterwegs sind, wissen, dass es natürlich Desinformation gibt, dass es Falschmeldungen über die Wirkung des Impfens usw. gibt und dass es umso wichtiger ist, dass alle Beteiligten die Bundesregierung, aber natürlich auch beispielsweise die Ärzteschaft wahrheitsgemäß über den Sinn und Zweck der Impfung berichten, darüber, wie mögliche Nebenwirkungen einzuschätzen sind, und über die Fragen, die viele zweifelnde Menschen haben, wie der, was das mit der Fruchtbarkeit macht, usw. Diese Fragen sind ja alle zu beantworten, und sie sind alle im Sinne einer Impfung zu beantworten. Das geschieht ja auch, und das ist wichtig.

ZUSATZFRAGE JUNG: Nehmen Sie denn eine Zunahme von Desinformation zum Beispiel in Sachen Impfung war?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen das nicht quantifizieren. Seit geimpft wird, also im Grunde seit Anfang dieses Jahres, gibt es, vor allem im Netz, natürlich auch begleitend Meldungen über das Impfen, die nicht zutreffen. Manche sind interessengeleitet, manche sind vielleicht eher anekdotisch. Wir beobachten das. Umso mehr ist es unsere Anstrengung und auch die von anderen, mit faktengeleiteter Information, die möglichst auch für jeden verständlich ist und jeden erreichen kann, auch in vielen Sprachen, dem etwas entgegenzusetzen.

Ehrlich gesagt: Wir sind noch nicht zufrieden mit dem Stand der Impfungen. Aber wenn man heute sagen kann, dass 75 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft sind, dann spricht das auch dafür, dass sich eben doch sehr, sehr viele Menschen in unserem Land davon überzeugt haben, dass das etwas ist, das sie machen können und machen sollten.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Seibert, zum Thema der Desinformation: Wo ziehen Sie denn die Grenze zwischen Desinformation und kritischer Berichterstattung? Ich bekomme zum Beispiel Briefe von Ärzten, die sich beklagen, sie könnten viele Nebenwirkungen gar nicht melden. Ist, wenn man über solche Klagen berichtet, das dann schon Desinformation, oder ist das noch Aufgabe von kritischem Journalismus? Wo ist die Grenze?

STS SEIBERT: Das ist jetzt sicherlich nicht hier so von mir zu beantworten. Wer faktenorientiert berichtet, hat dazu natürlich immer Raum und Recht; das ist doch klar. Ich denke, so geschieht es auch. Ich sehe jedenfalls keinen Mangel an kritischen Artikeln oder kritischen Posts über das Impfen. Den Weg von Kritik zu Desinformation bzw. Verführung muss man im Einzelfall beobachten, aber dazwischen gibt es dann schon noch einen Schritt.

FRAGE JOLKVER: Ich hätte eine Frage an das Wirtschaftsministerium zu den Gaslieferungen aus Russland. Sie hatten einmal hier in der Bundespressekonferenz gesagt, dass Gazprom seine Verpflichtungen, was die Lieferungen angeht, erfülle. Ist Ihnen bekannt, ob diese Lieferungen des Gases aus Russland oder aus den Lagerstellen stammen, die Gazprom in Deutschland hat? Der Hintergrund meiner Frage ist, dass nach Medienberichten das Lager in Rheden das ist die größte Lagerstätte von Gazprom in Europa überhaupt im Moment leer ist oder nur zu 5 Prozent gefüllt ist.

DR. BARON: Vielen Dank. – Genaue Aufschlüsselungen darüber, aus welchem privatrechtlichen Vertrag welche Menge geliefert wird, müssten Sie am Markt erfragen. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Versorgungssicherheit in Deutschland (akustisch unverständlich) hoch. Die Speicher sind in dieser Woche zu rund 67 Prozent gefüllt. Das ist eine langsame Steigerung im Vergleich zur letzten Woche, aber eine Steigerung.

Was ich gesagt hatte, war: Nach unseren Informationen werden alle Vertragsbedingungen oder Nachfragen am Markt bedient, auch von russischer Seite. Wie sich dann die einzelnen privatrechtlichen Verträge zusammensetzen und von woher die Liefermengen genau kommen, müssten Sie am Markt nachfragen.

FRAGE REITSCHUSTER: Frau Dr. Baron, die Energiespeicher und gerade auch die Gasspeicher sind eine Frage der nationalen Sicherheit. Einige Länder haben dafür Strategien. Die verbieten sogar ausländischen Investoren, die zu besitzen. Die sagen, das sei ganz existenziell für die Sicherheit. Ich habe Sie vergangene Woche danach gefragt, ob Sie einen Überblick darüber haben. – Da lachen Sie, Herr Seibert, aber das ist eine ernsthafte Frage!

STS SEIBERT: Nein, das hatte nichts mit Ihrer Frage zu tun. Ich habe mir eine Bemerkung an Frau Adebahr erlaubt, die nichts mit Ihnen zu tun hat.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Okay, sorry.

STS SEIBERT: Das muss doch auch möglich sein.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Gerne. – Dann frage ich Sie, wie viel Prozent der Gasspeicher in Deutschland direkt oder indirekt unter russischer Kontrolle stehen. In meinen Augen ist das eine sicherheitsrelevante Frage. Sie sagten, die Bundesregierung wisse das nicht. Darum wollte ich nachfragen, warum die Bundesregierung das nicht weiß. Das ist doch wirklich eine relevante, wichtige Frage. Mir macht es Sorgen, wenn das die Bundesregierung nicht weiß.

DR. BARON: Herr Reitschuster, noch einmal ein paar Fakten, die ich gerne noch einmal betonen möchte: Die Versorgungslage in Deutschland ist eben sehr hoch, weil wir auch gut ausgebaute Speicherkapazitäten haben. Unterschiedliche Länder haben unterschiedliche Wege gewählt, wie sie Gas- oder auch Ölbevorratung vornehmen. Deutschland hat den Weg gewählt, dass das eine Marktfrage ist, also dass der Markt Speicher betreibt und Gashändler am Markt tätig sind. Dennoch wurden durch diese Rahmenbedingungen in den letzten Jahren die Speicherkapazitäten in Deutschland ausgebaut. Der Staat hat also Rahmenbedingungen gesetzt, und der Markt hat die Speicherkapazitäten erhöht. Wir haben das hatte ich ja auch gesagt die weltweit viertgrößten Speicherkapazitäten und die größten Speicherkapazitäten in Europa. Andere Länder haben andere Wege gewählt und betrachten das als staatliche Gasvorsorge. Das ist nicht der Weg, den Deutschland gewählt hat.

Das ist auch ein Unterschied zur Erdölbevorratung. Es gibt eine staatliche Erdölbevorratung. Beim Gas wurde ein anderer Weg gewählt, nämlich der, dass der Staat sozusagen die Rahmenbedingungen setzt, aber über die Unterschiede zwischen Winter- und Sommerpreisen der Marktanreiz gesetzt wird, diese Gasspeicher zu befüllen.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Sie halten es also nicht für sicherheitsrelevant, dass der Staat zumindest wissen sollte, in wessen Eigentum sich das befindet?

DR. BARON: Es gibt hier, wie gesagt, bestimmte Rollen, die ich wahrnehme. Ich spreche über die Rahmenbedingungen und erläutere Ihnen, wie die Rahmenbedingungen sind und wie die Gasspeicherkapazitäten sind. Wenn Sie aber wissen wollen, welche Konsortien welche Gasspeicher betreiben, dann ist das kein Geheimnis, sondern diese Daten sind am Markt verfügbar. Es ist aber nicht meine Rolle, Ihnen diese Daten zu geben, sondern das ist eben eine Frage der zuständigen Verbände und der zuständigen Unternehmen, die diese Daten haben und sicherlich gern zur Verfügung stellen.

FRAGE RATZ: Hält die Bundesregierung Entwicklungen wie die Engpässe bei der Energieversorgung in Großbritannien auch in Deutschland für möglich? Gibt es Anzeichen, die auf eine solche Entwicklung hindeuten?

DR. BARON: Da kann ich nur noch einmal betonen, was ich letzte Woche schon gesagt habe: Wir sehen aktuell keine Versorgungsengpässe in Deutschland. Die Versorgungslage ist gut, und die Versorgungssicherheit in Deutschland ist weiterhin hoch.

FRAGE JUNG: Sie hatten uns letzte Woche auch gesagt, dass die Erdgasreserve bei, glaube ich, 68 Prozent steht. Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege. Wie lange reicht denn eine solche Reserve, falls man jetzt zum Beispiel von einer externen ökonomischen Erdgasversorgung abgeschnitten sein würde, also wie viele Jahre?

DR. BARON: Letzte Woche lag sie bei rund 64 Prozent, diese Woche liegt sie bei 66,63 Prozent, also rund 67 Prozent. Das sind die aktuellen Zahlen bezüglich der Gasspeicherstände.

Wie lange welcher Gasvorrat reicht, hängt natürlich davon ab, wie lange ein Winter dauert und ob es ein langer Winter oder ein kurzer Winter ist. Aber wir haben jedenfalls sehr hohe Kapazitäten. Auch diese Zahlen hatte ich Ihnen ja genannt. Es geht um 24,6 Milliarden Kubikmeter Gas, das wir in den Speichern haben. Das ist eine sehr große Menge, die deutlich über der aller anderen Länder liegt. Damit ist die Versorgungssicherheit aktuell gegeben, und sie war auch in den letzten Jahren gegeben. Ich kann jetzt natürlich keine Prognose über den künftigen Winter abgeben, aber es gab in den vergangenen Jahren keine Versorgungsengpässe in Deutschland.

ZUSATZFRAGE JUNG: Anders gefragt: Wie lang darf der Winter denn sein, damit die Reserve ausreicht?

DR. BARON: Ich kann schauen, ob wir Ihnen Vergleichszahlen aus den vergangenen Jahren liefern können. Ich kann das jetzt nicht für die Zukunft prognostizieren. Ich kann nur sagen, dass wir in den vergangenen Jahren aufgrund der sehr hohen Gasspeicherkapazitäten keine Probleme hatten.

FRAGE TIMOFEEVA: An das Auswärtige Amt: Kommentieren Sie bitte die Information, dass im Rahmen eines Stolpersteinprojekts in Kiew, an dem die deutsche Botschaft und das Goethe-Institut beteiligt sind, unter anderem auch ein Stolperstein für den Nazi-Kollaborateur und ehemaligen „Bürgermeister von Kiew“ Volodymyr Bahazii montiert werden soll.

ADEBAHR: Dabei handelt es sich, um dem vielleicht einen Kontext zu geben, um ein Projekt, das durch die Botschaft in Kiew auch finanziert wird, nicht inhaltlich, sondern grundsätzlich, und dort sollen vom 30. September bis zum 8. Oktober zehn Stolpersteine ich glaube, das ist Ihnen ein Begriff, eine Erinnerung verlegt werden. Es handelt sich bei diesen zehn Stolpersteinen um solche für Jüdinnen und Juden, die zwischen dem 29. und 30. September 1941 eben in Babi Jar ermordet worden sind oder gerettet wurden, sowie um einen mit einer jüdischen Frau verheirateten Mann. Daneben wird ein Stolperstein in Erinnerung an einen orthodoxen Priester präsentiert, der Jüdinnen und Juden gerettet hat und im November 1941 in Babi Jar ermordet wurde. Das ist der ganz konkrete Teil dieses Projekts, das jetzt ansteht.

Wir haben die Debatte, die die Frage von Herrn Volodymyr Bahazii anspricht, zur Kenntnis genommen, und wir nehmen diese Vorwürfe sehr ernst. Wir werden mit den ukrainischen Partnern in der Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Zentrum für Holocauststudien und gegebenenfalls weiteren Expertinnen und Experten die Geschichte dieser Person prüfen lassen.

Ich will noch darauf hinweisen, dass die Auswahl zunächst von ukrainischer Seite vorgenommen wurde, verbunden mit Recherche von Schülerinnen und Schülern dort. Insofern sind das Vorwürfe, die wir sehr genau prüfen werden. Die Biografie dieser Person ist bis zu einem endgültigen Ergebnis der Prüfung zunächst von der Website des Projekts, die das ukrainische Zentrum für Holocaust-Studien als Umsetzungspartner verwaltet, entfernt worden.

FRAGE STEINER: Gibt es, abgesehen vom Einsatz deutscher Behörden, nach Kenntnis des BMI Stand heute Fälle von Deutschen, die von NSU-Ausspähsoftware betroffenen sind?

DR. WEDE: Ich habe zu dem ganzen Vorgang hier alles gesagt, was ich zur NSU zu sagen habe.

FRAGE GUGGEMOS: Eine Frage an das Bundesjustizministerium. Die Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen wollen heute im Rechtsausschuss die Frage an das Justizministerium richten, warum die Razzia gegen Johannes Kahrs in der Cum-Ex-Affäre zwei Tage nach der Bundestagswahl stattgefunden hat. Vielleicht können Sie ja den Kollegen die Mühe ersparen und die Frage hier beantworten.

DR. KRÜGER: Vielen Dank für diese Frage. Aber zu der von Ihnen angesprochenen Durchsuchungsmaßnahme kann ich nichts beitragen.

FRAGE JUNG: Ich hatte letzte Woche schon die Frage gestellt die Antwort wollten Sie nachreichen, was nie passiert ist , ob es immer noch Afghanen in Ramstein gibt, die eine Aufnahmezusage für Deutschland haben. Die Frage richtet sich an Frau Adebahr.

ADEBAHR: Das müsste ich nachreichen und mich mit dem BMI koordinieren.

ZUSATZFRAGE JUNG: Weiß das BMI das?

DR. WEDE: Ich habe keine Informationen dazu. Ich kann Ihnen nur sagen, wie viele Afghanen sich insgesamt aktuell auf amerikanischen Stützpunkten in Deutschland aufhalten. Das ist natürlich nicht der Personenkreis, den Sie ansprachen, Herr Jung. Ich kann Ihnen aber die Zahlen trotzdem gerne nennen. Es sind aktuell insgesamt 9291 Personen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ist denn damit zu rechnen, dass darunter auch noch aus Deutschland aufnahmebereite Afghanen sind?

DR. WEDE: Die Information liegt mir, wie gesagt, nicht vor. Ich glaube, Frau Adebahr hat ja auch schon eine Nachreichung dazu angekündigt.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Ich habe eine Nachfrage von Herrn Ratz, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass er vorhin wegen der Energieversorgung und des Bezugs auf Großbritannien eine Frage in Sachen Mangel an Lkw-Fahrern gestellt hatte und deswegen auch das Verkehrsministerium angesprochen hat. Vielleicht können Sie dazu Stellung nehmen. Das wäre nett. Die Frage war, ob es solche Probleme auch in Deutschland geben könnte.

HERZOG: Wir haben hier in Deutschland vor allen Dingen natürlich die Lage in Bezug auf die Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer im Blick. Der Minister hat sich dazu auch geäußert. Das zeigt einfach auch noch einmal, wie wichtig und systemrelevant die Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer sind. Das hat sich auch in der Coronapandemie sehr deutlich gezeigt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren kontinuierlich unterwegs, um die Supermärkte zu versorgen und die Lieferketten aufrechtzuerhalten, wofür sich der Minister ausdrücklich bedankt hat.

Grundsätzlich ist der Beruf des Berufskraftfahrers und der Berufskraftfahrerin dem Minister ein sehr, sehr wichtiges Anliegen, weshalb er sich in dieser Legislaturperiode für ihre Sichtbarkeit sehr stark gemacht hat. Er hat sich beispielsweise als Schirmherr für Organisationen zur Verfügung gestellt, die auf die Wertschöpfung für diesen Beruf aufmerksam machen möchten.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Dann hat als Letzte Frau Adebahr das Wort.

ADEBAHR: Vielen Dank. Nach gut viereinhalb Jahren ist es Zeit, dass ich mich heute aus dieser Bundespressekonferenz bzw. Regierungspressekonferenz verabschiede. Ich will keine großen Worte machen, sondern vielleicht einen kleinen zweiminütigen Splitter rauszoomen und Ihnen einmal darstellen, wie diese Institution im Ausland gesehen wird.

Ich habe in den letzten viereinhalb Jahren weltweit viele, viele Pressesprecher, Pressesprecherinnen, Kommunikationsdirektoren und Kommunikationsdirektorinnen kennengelernt. Man spricht miteinander auf Reisen, auf Konferenzen. Einige sind bei uns vorbeigekommen und haben sich informiert, wie wir Pressearbeit machen. Immer, wenn man erklärt hat, was die Regierungspressekonferenz ist, gab es eine ziemlich eindeutige Reaktion. Die Reaktion war immer: „Ach, dann ladet ihr ja gar nicht ein. Ihr geht dann dahin und ihr seid da Gast. Wie wisst ihr denn, wer da kommt?“ „Nein, das wissen wir nicht.“ „Dann könnt ihr ja auch gar nicht wissen, was dort gefragt wird.“ „Ja, das kann alles sein.“ „Und wie macht ihr das dann?“ „Wir versuchen, zu antizpizieren, was dann kommt.“ „Ihr geht da wirklich dreimal die Woche hin?“ „Ja, wir gehen da dreimal die Woche hin, und zwar Mann und Maus und alle.“ Wenn man dann noch sagte: „Und übrigens, da ist auch die ausländische Presse zugelassen“ das heißt, es kann in unserem Fall weltweit „on the wire“ gehen , wurde das Staunen noch größer.

Insofern eine kleine Illustration, wie die Welt auf diese Institution schaut, wenn sie sie kennenlernt, wie wichtig sie deshalb ist und wie Sie sie weiter tragen und natürlich hochhalten werden. Das war es von mir.

Ich möchte mich bei Ihnen, liebe Journalistinnen und Journalisten, bei der Bundespressekonferenz, bei den Sprecherkollegen, bei Ihnen, Herr Seibert, und bei den Ministern Gabriel und Maas bedanken, die mich diese Rolle haben ausfüllen lassen, sowie bei allen Kolleginnen und Kollegen im Auswärtigen Amt und ganz zuletzt und da gucke ich in die Kamera bei euch, liebe 013-er. Ihr wart das „best team ever“. Es war unglaublich toll, und wir sehen uns alle wieder. Ich gehe nach Rom, werde dort Gesandtin und kümmere mich ab jetzt um die europäisch-italienischen Beziehungen. Ich freue mich darauf. Tschüss!

VORS. SZENT-IVÁNYI: Danke schön, Frau Adebahr, für diese Worte. Danke schön für die ausgesprochen angenehme und professionelle Zusammenarbeit und für die immer sehr, sehr kompetente Beantwortung – manchmal auch pointierte Beantwortung unserer Fragen hier in der Regierungspressekonferenz. Herzlichen Dank. Alles Gute auf Ihrem weiteren Berufsweg, und bleiben Sie gesund!

ADEBAHR: Danke schön.

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