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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 06. Oktober 2021

Themen: Nord Stream 2, Ausreisemöglichkeiten aus Afghanistan, Veranstaltungsreihe zur Bilanzierung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr, Empfehlungen des BMFSFJ zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache in der Bundesverwaltung, Störungen bei Facebook, Whatsapp und Instagram

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
0:39 Thema Nord Stream 2
2:56 Hat BMWi schon geprüft, ob die Pipeline die Versorgungssicherheit anderer Länder gefährdet?
6:14 Thema Afghanische Ortskräfte
11:30 Afghanische Visumsanträge
13:15 Thema Bilanz Afghanistan-Einsatz
14:48 Warum bilanziert die Kanzlerin nicht mit?
16:14 Thema geschlechterkorrekte Sprache
24:25 Facebook-Ausfall
29:24 Ist Facebook kritische Infrastruktur?

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 06. Oktober 2021:

VORS. BUSCHOW eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN DEMMER sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

FRAGE RINKE: Mir geht es um das Thema Nord Stream 2, den Testbetrieb und die Spannungen, die es offenbar zwischen der Bundesnetzagentur und dem Betreiber gibt. Ich hätte gerne gewusst, wie Sie den Vorfall beurteilen, dass jetzt Gas eingeleitet wird, obwohl noch keine Genehmigung vorhanden ist.

EICHLER: Wir haben natürlich zur Kenntnis genommen, dass der erste Strang von Nord Stream 2 mit Erdgas befüllt worden ist. Die Frage der Befüllung ist Teil der Betriebsgenehmigung, die vom Bergamt Stralsund erteilt wurde; dies ist also umfasst und Teil von technischen Prüfungen, die erforderlich sind.

Was die Bundesnetzagentur angeht, muss ich darauf verweisen, dass die Bundesnetzagentur die unabhängige Regulierungsbehörde ist und als solche die Aufgabe hat, die Einhaltung regulatorischer Vorgaben zu überwachen, und dies auch tut.

ZUSATZFRAGE RINKE: Was passiert denn, wenn Gazprom anfängt diese Vermutung steht bei vielen offenbar dahinter , das Gas, das sich in der Pipeline befindet, zu verkaufen?

EICHLER: Ich möchte darüber jetzt nicht spekulieren. Im Moment sehen wir, dass befüllt wird, und zwar zum Zweck von technischen Prüfungen, von Tests. Das ist, wie gesagt, von der Genehmigung der Landesbehörden umfasst.

ZUSATZFRAGE RINKE: Das ist ja keine Spekulation, sondern einfach die Frage: Was passiert, wenn dieses Gas verkauft würde? Zieht das eine Strafe nach sich? Ist das trotzdem legal und von der Genehmigung, die Sie erwähnt haben, umfasst?

EICHLER: Aus meiner Sicht ist das schon spekulativ. Im Moment haben wir einfach den Fall, dass zum Zweck von technischen Prüfungen befüllt wird. Dieser Sachverhalt ist von den vorliegenden Genehmigungen umfasst.

FRAGE JUNG: Neben der Prüfung der Bundesnetzagentur muss Ihr Ministerium auch noch prüfen, ob die Pipeline die Versorgungssicherheit anderer Länder gefährdet. Haben Sie das schon getan?

EICHLER: Das ist richtig; wir sind da involviert. Wir werden das auch prüfen. Die Fristen im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens laufen aktuell. Wir werden fristgemäß unsere Einschätzung vorlegen. Im Moment laufen die Fristen aber noch; das Verfahren läuft noch.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wann haben Sie die Prüfung begonnen, und wann wird sie abgeschlossen sein?

EICHLER: Die Prüfung beginnt, sobald alle Unterlagen vorliegen. Das ist der Fall. Die Bundesnetzagentur hat am 08.09. bekannt gegeben, dass die Unterlagen vollständig vorliegen. Ab diesem Moment gibt es eine Frist von vier Monaten für die Prüfung. Dann legt die Bundesnetzagentur einen Entscheidungsentwurf vor. Im Anschluss daran hat wiederum die Kommission zwei Monate Zeit. Wir legen den Entwurf innerhalb dieses Viermonatsprüfungszeitraums vor.

ZUSATZFRAGE JUNG: Bevor zum Beispiel Ihre Prüfung nicht abgeschlossen wurde, kann die Pipeline auch nicht in Betrieb gehen?

EICHLER: Das ist Teil des Zertifizierungsverfahrens. Es gibt zum einen die Zertifizierung; dieses Verfahren läuft bei der BNetzA. Zum anderen gibt es die Frage der Betriebsgenehmigung. Dies ist nicht bei der BNetzA angesiedelt, sondern bei den Landesbehörden, in diesem Fall beim Bergamt Stralsund.

Wir geben unsere Stellungnahme im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens gegenüber der Bundesnetzagentur ab.

ZUSATZFRAGE JUNGE: Sie haben von vier Monaten gesprochen. Wird es also noch ca. vier Monate dauern, bis durch Nord Stream 2 Gas fließt, das verkauft werden kann? Habe ich Sie richtig verstanden?

EICHLER: Nein, Sie haben mich nicht richtig verstanden. Wie gesagt, man muss das trennen. Die Viermonatsfrist läuft im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens, das die Bundesnetzagentur führt und dessen Gegenstand die Zertifizierung als Netzbetreiber ist.

Davon zu trennen ist die Frage der Betriebsgenehmigung; das läuft nicht bei der Bundesnetzagentur, sondern das ist bei den Landesbehörden, beim Bergamt Stralsund angesiedelt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber ich hatte Sie ja konkret nach der Prüfung Ihres Ministeriums gefragt. Wie lange wird das dauern, damit Nord Stream 2 in Betrieb gehen kann?

EICHLER: Noch einmal: Wir geben unsere Stellungnahme nicht gegenüber dem Bergamt Stralsund ab, sondern gegenüber der Bundesnetzagentur, und zwar im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens. Die geben wir innerhalb der Viermonatsfrist ab, die mit Vorlage der vollständigen Unterlagen zu laufen begonnen hat.

FRAGE HINTERLEITNER: Es geht um weitere, jetzt bekannt gewordene Repressalien gegen ehemalige Ortskräfte in Afghanistan. Das niederländische Fernsehen berichtet, dass dort Gerichtsvorladungen und Tribunale gegen Ortskräfte und auch ihre Familien abgehalten werden. Erstens: Ist dies der Bundesregierung bekannt? Zweitens: Was plant sie in dieser Sache zu unternehmen?

BURGER: Vielen Dank für diese Frage. Wir haben diese Berichterstattung natürlich gesehen. Wir haben aus eigenen Erkenntnissen keine Kenntnis von solchen Fällen. Es hat Zusicherungen der Taliban gegeben sie sind im Nachgang zu dieser Berichterstattung auch bekräftigt worden , dass es keine Verfolgung ehemaliger Ortskräfte geben soll. Wir haben ja immer gesagt, wir werden die Taliban nicht an ihren Worten messen, sondern an ihren Taten. Das gilt natürlich auch hier.

FRAGE JESSEN: Herr Burger, Hilfsorganisationen berichten, dass sie immer noch täglich von ehemaligen Ortskräften aus Afghanistan angerufen werden, die sich nach wie vor alleingelassen fühlen.

Wie ist der Stand der möglichen Rückführung bei denen, die einen Anspruch darauf haben oder sich jetzt noch gemeldet haben?

BURGER: Wir arbeiten nach wie vor ganz intensiv daran, Menschen aus Afghanistan in Sicherheit zu bringen, ehemalige Ortskräfte, deutsche Staatsangehörige und auch die im Zuge der Evakuierungsoperation identifizierte Gruppe besonders schutzbedürftiger Menschen.

In den letzten Tagen und Wochen ist das auch in vielen Fällen gelungen. Ich kann einige Zahlen nennen: Nach dem Ende der militärischen Evakuierungsoperation konnten mehr als 650 Personen Afghanistan über den Landweg nach Pakistan verlassen und haben dort von der deutschen Botschaft Visa zur Weiterreise nach Deutschland bekommen. Etwas mehr als hundert Personen ist dies über andere Nachbarstaaten Afghanistans gelungen.

Etwa 760 Visa wurden also von den deutschen Auslandsvertretungen in Nachbarstaaten im Zuge dieser Evakuierung ausgestellt. Viele dieser Menschen sind schon in Deutschland. In den kommenden Tagen werden in erheblicher Zahl weitere Menschen nach Deutschland kommen.

Dazu kommen noch über hundert deutsche Staatsangehörige und deren Familienangehörigen, die ausgeflogen werden konnten. Auch da gehen unsere Bemühungen weiter.

Weiterhin gelingt in Einzelfällen Ortskräften und Schutzbedürftigen eine Ausreise auf eigene Faust. Auch da bieten wir natürlich Unterstützung zur Weiterreise nach Deutschland an. Unsere Bemühungen gehen also weiter.

Es gilt nach wie vor, dass jeweils die ehemaligen Arbeitgeber sich bemühen, in Kontakt zu ihren ehemaligen Ortskräften zu bleiben, um sie über die weiteren Perspektiven auf dem Laufenden zu halten.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Anschlussfrage geht an das BMI: Nach wie vor gibt es Vorwürfe, dass auf Ortskräfte, die jetzt in Deutschland sind, Druck ausgeübt werde, Asylanträge zu stellen, obwohl das rechtlich nicht nötig sei, sondern sie hätten eigentlich bessere Bedingungen, hierzubleiben, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Was sagen Sie dazu?

DR. LAMMERT: Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu Einzelfällen, aber ich kann noch einmal die rechtlichen Grundlagen erklären und vielleicht auch Sorgen ausräumen.

Die Ortskräfteliste und die Menschenrechtsliste sind maßgeblich dafür, ob eine Aufnahme auf der Grundlage von § 22 Aufenthaltsgesetz erfolgen kann. Diese Listen werden in jedem Einzelfall gegengeprüft. Wenn eine Person aber nicht auf dieser Liste steht, wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass keine Aufnahmezusage nach diesem Paragraphen vorliegt.

Evakuierte Personen oder auch andere, für die keine Aufnahmezusage vorliegt oder auch nicht in Betracht kommt, werden durch das BAMF auf die Möglichkeit einer Asylantragstellung hingewiesen. Sollte sich aber zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen, dass eine Aufnahmezusage vorliegt, also dass ein Asylantrag nicht notwendig ist, besteht weiterhin die Möglichkeit, das Verfahren zu wechseln.

FRAGE JUNG: Herr Burger, wie viele Anträge liegen in den Botschaften von Menschen vor, die über den Landweg in die Nachbarländer Afghanistans gekommen sind? Wir warten seit Wochen darauf, dass Sie uns dazu Zahlen liefern.

BURGER: Für den Personenkreis, den ich gerade erwähnt habe, entstehen an den Auslandsvertretungen keine Verzögerungen. Die Menschen bekommen innerhalb weniger Tage die Visa ausgestellt.

ZUSATZ JUNG: Das war nicht meine Frage.

BURGER: Ich habe die Zahl von 650 ausgestellten Visa genannt.

Ich habe Ihre Frage jetzt so verstanden, dass Sie wissen möchten, wie viele Menschen Anträge gestellt haben, aber noch kein Visum bekommen haben. Meine Antwort darauf ist: Es gibt da keine nennenswerten Verzögerungen. Insofern würde ich davon ausgehen, dass die Zahl der noch unbearbeiteten Anträge keine große Aussagekraft hat. Aber vielleicht habe ich Ihre Frage falsch verstanden.

Das Nadelöhr ist für die Menschen im Moment, aus Afghanistan herauszukommen und in die Nachbarländer zu kommen, und zwar aufgrund der Forderungen, die einerseits die Taliban stellen, um Menschen die Ausreise zu erlauben, und aufgrund der Anforderungen, die die Nachbarstaaten stellen, um Menschen hereinzulassen. Das ist im Moment die Stelle, an der die Ausreise über die Nachbarstaaten begrenzt ist. Im Moment ist das nicht durch die Bearbeitungskapazitäten unserer Auslandsvertretungen dort begrenzt.

FRAGE SCHULZE: Zu der Veranstaltungsreihe, die heute im Verteidigungsministerium zur Bilanzierung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr beginnt: Warum hat Heiko Maas seine Teilnahme abgesagt?

FRAGE NELS: Wie beurteilt das Verteidigungsministerium den „Korb“ des Außenministers?

BURGER: Ich kann dazu nur sagen, dass wir am Wochenende die Kritik aus dem Parlament am Timing der Veranstaltung zur Kenntnis genommen haben. Dazu hat es am Montag auch einen Austausch gegeben. Unter diesen Umständen hat sich Außenminister Maas gegen eine Teilnahme an der Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt entschieden. Das wurde dem Verteidigungsministerium am Montagabend mitgeteilt.

HELMBOLD: Ich kann vonseiten des Verteidigungsministeriums sagen: Die Bilanzierung ist uns ganz besonders wichtig. Wir wissen alle: Die Debatte muss umfassend geführt werden, auch über militärische Aspekte hinaus. Sie wird Zeit in Anspruch nehmen. Das BMVg hat heute damit begonnen. Dafür gibt es Gründe, die wichtig sind.

Zum einen das hatte ich am Montag schon gesagt : Die NATO hat ihren Prozess zur Bilanzierung begonnen; der Abschluss ist bis zum Dezember geplant. Wir sind aufgefordert, unseren Beitrag zu leisten. Deswegen wird sich NATO-Generalsekretär Stoltenberg heute in einer Videobotschaft an die Teilnehmenden der Auftaktveranstaltung wenden.

Zum anderen möchte ich betonen: Wir sind es auch den Soldatinnen und Soldaten schuldig. Wir haben zugesagt, vor dem Appell am 13.10. mit der Bilanzierung zu beginnen. Das BMVg trägt hier eine besondere Verantwortung, und es gilt für uns, ihr gerecht zu werden.

Zu einzelnen Absagen möchte ich hier keine Stellung nehmen.

FRAGE JUNG: Frau Demmer, wie bringt sich die Kanzlerin in die Bilanzierung mit ein?

SRS’IN DEMMER: Die Kanzlerin hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, für wie wichtig sie es hält sie hat das auch in der Vergangenheit mehrfach geäußert und klargestellt , dass die Aufarbeitung des Afghanistaneinsatzes in allen seinen Dimensionen sorgfältig und umfassend vorzunehmen ist. Daran hat sich nichts geändert.

ZUSATZFRAGE JUNG: Dass bilanziert werden soll, ist ja klar. Wie hilft sie da mit? Sie ist 15, 16 Jahre Kanzlerin während dieses Afghanistaneinsatzes gewesen.

SRS’IN DEMMER: Sie hat immer Anteil genommen und sich immer eingebracht, und das wird sie auch weiter tun.

ZUSATZFRAGE JUNG: Warum bringt sie sich bei dieser Konferenz jetzt nicht ein?

SRS’IN DEMMER: Wie gesagt, grundsätzlich war das für die Kanzlerin ein wichtiges Thema. Sie hat das mehrfach zum Ausdruck gebracht. Sie wird sich sicher auch weiter dort einbringen.

FRAGE ECKSTEIN: An das Familienministerium: Es soll ein Schreiben des Familienministeriums an das Kanzleramt, die Bundesministerien und die obersten Bundesbehörden zur geschlechtergerechten Sprache, die man verwenden soll, geben. Können Sie bestätigen, dass es dieses Schreiben gibt? Falls ja, was ist der Inhalt dieses Schreibens?

KALL: Dazu kann ich gerne etwas sagen, Herr Eckstein vielen Dank für Ihre Frage.

Ganz kurz vorweg: Ich spreche heute nicht für das Justizministerium, für das ich hier ja die letzten vier Jahre sehr häufig saß, sondern für das Familienministerium; denn da bin ich übergangsweise für die nächsten Wochen eingesprungen, und ich freue mich auch bei diesen Themen auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.

Zu den Empfehlungen, über die jetzt berichtet wird: Ja, die gibt es. Diese Empfehlungen sind von Mitte September, und ich kann das gern etwas erläutern.

Das Bundesgleichstellungsgesetz gibt vor, dass alle Stellen der Bundesverwaltung die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck bringen sollen. Die Gleichstellungsabteilung des Bundesfamilienministeriums hat nun Mitte September, wie gesagt, fachliche Empfehlungen zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache in der Bundesverwaltung, also für die Behörden der Bundesverwaltung, herausgegeben. Das sind fachliche Empfehlungen, die keine Vorgaben, sondern lediglich eine Arbeitshilfe, eine Orientierungshilfe sind, um für eine geschlechtergerechte und respektvolle Verwendung der Sprache in der Bundesverwaltung Sorge zu tragen. Diese Empfehlungen enthalten Vorschläge für geschlechtergerechte Schreibweisen und für Formulierungen, die im Einklang mit den für den Bund verbindlichen Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung stehen.

Der Bundesfamilienministerin ist es besonders wichtig, dass in der Sprache immer der Respekt gegenüber jedem Menschen zum Ausdruck kommt. Die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern drückt sich auch in der Sprache aus. Gleichzeitig ist Sprache aber vielfältig und ist Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungen und gesellschaftlicher Veränderungen. Wir reden hier jetzt über fachliche Empfehlungen für die Bundesverwaltung und wir reden nicht darüber, dass selbstverständlich alle Bürgerinnen und Bürger völlig frei darin sind, die für sie passenden Ausdrucksweisen zu verwenden. Für die Bundesverwaltung ergibt sich allerdings, wie ich schon gesagt habe, aus dem Bundesgleichstellungsgesetz in besonderer Weise die Aufgabe, die Gleichstellung eben auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen und sich gleichzeitig an die verbindlichen Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung zu halten.

ZUSATZFRAGE ECKSTEIN: Das Gendersternchen wird laut dieser Empfehlungen ja abgelehnt bzw. Sie fordern auf, es nicht zu nutzen. Könnten Sie die Gründe dafür bitte einmal ausführen?

KALL: Noch einmal: Es sind fachliche Empfehlungen, es sind Orientierungshilfen. Wir fordern nicht auf und verpflichten auch niemanden, sondern wollen einfach Orientierung bieten, wie man Gleichstellung eben auch sprachlich gut ausdrücken kann. Es ist richtig, dass wir uns auf die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung aus dem März dieses Jahres beziehen, der gesagt hat: Das Sternchen ist im Moment nicht mit den amtlichen Rechtschreiberegeln vereinbar, und es gibt auch Probleme bei der Barrierefreiheit, wenn man das Sternchen oder andere Zeichen verwendet. Es ist aber, wie gesagt, eine Empfehlung. Diese orientiert sich daran und bietet diverseste Beispiele, wie man entweder geschlechtsneutral oder eben geschlechtergerecht „Bürgerinnen und Bürger“ durch beide Schreibweisen oder durch neutrale Schreibweisen formulieren kann.

FRAGE JESSEN: Da Frau Lambrecht ja zwei Hüte aufhat, möchte ich auch das Bundesjustizministerium fragen: Hat diese jetzige Positionierung etwas damit zu tun, dass sie als Justizministerin im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf formuliert hatte, der allein das generische Femininum vorsah. Dieser Gesetzentwurf wurde dann auch auf Intervention des Innenministeriums hin zurückgezogen. Wollte man einen solchen Fehler oder eine solche Korrektur diesmal vorab vermeiden, hat das etwas damit zu tun?

DR. KRÜGER: Vielen Dank, Herr Jessen, für diese Frage. Das möchte ich doch noch einmal insgesamt in den Kontext stellen.

Wir hatten uns im vergangenen Jahr zu dem von Ihnen angesprochenen Gesetzentwurf hier ja schon geäußert und eben dargestellt, dass die Verwendung des Femininums in diesem Gesetzentwurf insbesondere darauf zurückging, dass es, da es um das Insolvenzrecht ging, eben ganz überwiegend Gesellschaften wie zum Beispiel die GmbH oder die Aktiengesellschaft gemeint waren, deren grammatisches Geschlecht eben weiblich ist. Das war der Grund, weshalb dieser Gesetzentwurf damals insgesamt überwiegend im Femininum geschrieben war und zur Vermeidung unnötiger Komplexität eben auf die Verwendung des männlichen Geschlechts vorwiegend verzichtet wurde. Zu dem Zeitpunkt, als wir darüber sprachen, war die Rechts- und Sprachprüfung aber noch nicht abgeschlossen, und wie Sie richtig gesagt haben, gab es auch innerhalb der Bundesregierung keine Einigung darüber, bei dieser Formulierung des Gesetzentwurfs zu bleiben. Wegen der Eilbedürftigkeit und Wichtigkeit des Vorhabens haben wir uns dann dazu entschlossen, auf die feminine Ausdrucksweise zu verzichten und den Gesetzentwurf wieder ins Maskulinum zu setzen.

Was Ihre Äußerungen hinsichtlich Ministerin Lambrecht betrifft, kann ich mich nur den Äußerungen meines Kollegen anschließen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Der Eindruck, dass hier die Erfahrung der Justizministerin Lambrecht die Handlungen der Familienministerin Lambrecht mit beeinflusst hätte, wäre demzufolge falsch?

KALL: Herr Jessen, ich kann nur wiederholen: Es sind fachliche Empfehlungen, die aus der Gleichstellungsabteilung des Bundesfamilienministeriums kommen, die dafür fachlich zuständig ist und die dazu natürlich auch in einem fachlichen Austausch mit anderen Ressorts, mit anderen Behörden steht. Dort sind diese Empfehlungen erarbeitet worden und von dort sind sie auch an andere Behörden versandt worden. Insofern kann ich Ihnen das noch zur Genese sagen.

FRAGE ECKSTEIN: Ich hätte auch noch eine Frage zur Genese, wenn Sie gerade dabei sind: Was ist denn Anlass für dieses Schreiben gewesen?

KALL: Anlass ist, dass das Bundesgleichstellungsgesetz vor Kurzem noch einmal geändert wurde. Zusammen mit dem Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen gab es auch Änderungen am Bundesgleichstellungsgesetz, um eben auch im öffentlichen Bereich letztlich mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen bzw. die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gab es eben Rundschreiben zu den einzelnen Regelungen, und dazu gehört das.

ZUSATZFRAGE ECKSTEIN: Sie haben jetzt mehrfach betont, das sei nur eine Empfehlung. Was bedeutet das konkret? Das ging ja jetzt an alle Ministerien. Ich habe gesehen, dass einzelne Ministerien in der Vergangenheit ja durchaus auch das Gendersternchen genutzt haben. Verbinden Sie damit die Hoffnung, dass sie das in Zukunft nicht mehr tun? Sagen Sie vielleicht noch einmal etwas zum Charakter oder auch der Intention dieses Schreibens.

KALL: Jedes Ressort verantwortet seine Kommunikation ja selbst. Deswegen steht es mir nicht zu, über die Kommunikation anderer Ressorts zu reden. Natürlich gibt es viele Fragen dazu, wie man gut geschlechtergerecht und respektvoll gegenüber beiden Geschlechtern schreiben kann. Insofern wollen wir Hilfestellung bieten, wollen wir Orientierung bieten, aber es sind keine Vorgaben.

FRAGE JUNG: Gibt es eine Stellungnahme der Bundesregierung zum Ausfall der Facebook-, Whatsapp- und Instagramdienste?

VORS. BUSCHOW: An wen richtet sich die Frage?

ZUSATZ JUNG: Weiß ich nicht; vielleicht an das Innenministerium oder Frau Demmer.

VORS. BUSCHOW: Kann das Innenministerium etwas dazu sagen?

DR. LAMMERT: Moment, da muss ich einmal schauen. – Wir können natürlich zu den konkreten Ursachen des Ausfalls von hier aus keine Stellung nehmen; das ist klar. Facebook hat sich inzwischen ja auch schon geäußert.

Was man vielleicht ganz unabhängig zum Thema der IT-Sicherheit sagen kann, ganz grundsätzlich, nicht unbedingt in diesem Zusammenhang, ist, dass eben auch die Verfügbarkeit grundsätzlich ein wichtiges Schutzziel im Bereich der Informationssicherheit ist. Dass IT-Dienste ausfallen, kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Es sind also eben nicht nur Cyberangriffe oder Ransomwareangriffe, sondern es kann sich eben auch um Konfigurationsfehler oder um Hard- und Softwareausfälle handeln, oder auch eben Stromausfälle und Katastrophen können ursächlich für Ausfälle sein. Deswegen gelten unter anderem in Deutschland für die Betreiber kritischer Infrastrukturen IT-Sicherheitsmaßnahmen nach dem Stand der Technik. Diese treffen auch das Schutzziel der Verfügbarkeit. Das heißt, dass zum Beispiel geeignete Redundanzen geschaffen werden müssen, dass bauliche Maßnahmen erfolgen müssen und auch die Erstellung von Notfallkonzepten notwendig und geregelt ist. Der IT-Grundschutz des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik das ist ein Standardwerk für Informationssicherheitsmanagement zeigt auch die Notwendigkeit dafür auf, kann auch nachgeschlagen werden und ist verfügbar.

ZUSATZFRAGE JUNG: Förmlich ist das amerikanische Facebook, bei dem der Ausfall ja geschah, vom europäischen Facebook getrennt. Wenn Deutsche bei Facebook angemeldet sind, sind sie ja Geschäftspartner und -partnerinnen von Facebook Ireland, also von Facebook Irland. Das wird ja schon seit längerer Zeit als eine Scheinselbstständigkeit bezeichnet. Wie sieht das die Bundesregierung? Ist Facebook Facebook, oder sind Deutsche aus Ihrer Sicht eigentlich bei Facebook Irland? Sind das aus Sicht der Bundesregierung quasi zwei verschiedene Firmen?

DR. LAMMERT: Die Frage richtet sich vielleicht an ein anderes Ressort.

ZUSATZ JUNG: Herr Lammert hat ja gerade von kritischer Infrastruktur gesprochen. Das bezieht sich ja darauf.

DR. LAMMERT: Ich kann hier nur für den IT-Sicherheitsbereich antworten. Wie die Zuständigkeiten der einzelnen Anmeldungen der Firmen sind, kann ich nicht beurteilen. Das weiß ich auch nicht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wenn Facebook Europa eigenständig wäre, dann hätte der Ausfall ja nicht Facebooknutzer in Europa betroffen. Das war aber nicht so. Ziehen Sie deshalb den Schluss daraus, dass Facebook Europa in Bezug zu Facebook USA nicht eigenständig ist?

DR. LAMMERT: Ich kann zu dem Vorgang tatsächlich nicht mehr sagen, als ich hier bereits gesagt habe.

VORS. BUSCHOW: Es gibt eine Frage von Herrn Reitschuster. Darin taucht auch Facebook auf. Das geht aber in eine andere Richtung. Er verweist darauf, dass die Bundesregierung das Thema hatten wir auch auf Frage von Herrn Reitschuster eigentlich schon sehr ausführlich die letzten Male besprochen zur, wie er es nennt, Zensur in sozialen Netzwerken sagt, sie habe damit nichts zu tun. Er fragt, wie das dazu passt, dass die Kanzlerin 2015 von Facebookgründer Zuckerberg, wie er schreibt, die Löschung von unerwünschten Äußerungen fordert habe.

SRS’IN DEMMER: Ich kann jetzt nicht genau sagen, worauf er sich bezieht. Das liegt zu weit zurück. Damals habe ich hier auch noch gar nicht gesessen. Ich kann allerdings auf das verweisen, was Herr Seibert hier am Montag und auch in der vergangenen Woche gesagt hat.

FRAGE JESSEN: Zur generellen Einschätzung von Facebook: Ist das für die Bundesregierung eigentlich eine Form von kritischer Infrastruktur? Wenn man sich anschaut, dass dieser teilweise Zusammenbruch von Facebook und des Umfelds bewirkt hat, könnte man auf diesen Gedanken kommen.

DR. LAMMERT: Ich kann dem nachgehen und müsste es nachreichen.

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